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KUNST & KULTUR
In die Landschaft wuchernde Hotelstrukturen …
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Bauen im Umfeld
Überlegungen eines Heimatbewussten zum Jahreswechsel
Vor über hundert Jahren schrieb Kunibert Zimmeter, ein gebürtiger Traminer und Pionier der Heimatschutzbewegung in Tirol: Immer wieder heißt es, „der Heimatschutz sei fortschrittsfeindlich, befürworte eine Zurückschraubung unserer Kultur, da er nur das Alte gelten lasse, das wieder aufgewärmt werden solle … Der Heimatschutz geht hingegen von der Erkenntnis aus, daß ebenso wie in der Natur so auch auf den Gebieten menschlicher Tätigkeit und Zustände der Fortschritt in stetiger Entwicklung beruht … Es handelt sich bei der Heimatschutzbewegung nicht um Äußerlichkeiten, sondern um eine Reorganisation von Innen heraus, um die Rückkehr zur Einfachheit und Wahrheit, um die Bekämpfung des Scheins und der Großmannssucht … Die Zeit sinnlosen Vergeudens ist vorüber, wir werden zur Sparsamkeit, Einfachheit und Solidität zurückkehren und trotzdem Neues und Gutes schaffen müssen. Wir werden auch nicht vergessen dürfen, daß die Schönheit unseres Landes das letzte Kapital ist, das uns noch geblieben ist, worauf die einzige bedeutende Industrie Tirols, der Fremdenverkehr, aufbaut“ (Kunibert Zimmeter, Unser Tirol, Innsbruck 1919, S. 2-3). Es ist erstaunlich, dass die vor hundert Jahren ausgesprochenen Warnungen in den Wind geschlagen wurden und mancherorts mit geradezu explosiver Auswirkung eingetreten sind. In Südtirol sind Orte entstanden, die im Verlauf von wenigen Jahren kaum mehr wiederzuerkennen sind.
GROSSE AKTUALITÄT DER ÖKOLOGISCHEN SEITE DES HEIMATBEGRIFFS
Momentan zeigt das Covid-19-Virus, wie die vielgepriesenen Globalisierungseffekte und deren Folgesynergien uns weltweit abhängig machten und welche Folgen das kaputtgesparte Gesundheitsbudget mit sich bringt. Die sofort Wirkung zeigende Pandemie sollte allerdings von der Bevölkerung genauso ernst genommen werden wie der Klimawandel, auf den wir zurasen. Wir, die wir in den Bergen leben, sind mit unseren natürlichen Ressourcen wie Wasser, Luft und Boden nicht nur klimatisch und energetisch verantwortlich für unseren Lebensraum, sondern auch für die Restwassermenge und die Restluft, die in die Ebene gelangt. BAUEN IM UMFELD
Wir Heimatschützer begrüßen eine Architektur, die den „Genius loci“, das heißt die Besonderheit eines Ortes, berücksichtigt. Ein Gebäude ist niemals ein alleinstehendes Kunstwerk, nicht einmal in den Hochgebirgszonen! Denn gerade dort ist Kreativität nicht mit Egozentrik zu verwechseln.
UNSERE GÄSTE SUCHEN RUHE, INTAKTE LANDSCHAFT, AUTHENTISCHE UND NICHT AUSTAUSCHBARE ARCHITEKTUR
Die auf Hochglanz-Werbeseiten angepriesenen Wellness-Hotels gaukeln den Gästen eine Scheinwelt vor: Fast alle Bettenburgen lägen an Thermalseen („infi nity pools“), die es in Südtirol in der Natur gar nicht gibt, und die, weil künstlich geheizt, überaus energieverschwendend sind. Ebenso wird ein Wasserreichtum in alpinen Trockengebieten wie auf dem Tschögglberg, dem Ritten und im unteren Vinschgau vorgetäuscht. Diese nicht bestehende Wasserergiebigkeit hat die Landwirtschaft seit Jahrhunderten geprägt. Von einheimischen Baumaterialien, wie sie Archi-
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Ein Flachdach und große Glasfl ächen in störendem Widerspruch zu den Nachbarbauten.
tekt Clemens Holzmeister für das Drei-Zinnen-Hotel in Sexten verwendete, ist leider bei den heutigen Fassadengestaltungen wenig zu sehen. Warum diese Auswüchse eines „verspäteten Modernismus“ immer drohend dunkel, mit riesigen Glasfl ächen, sein müssen, ist in unserer farbenfrohen Landschaft völlig unerklärlich. Viele Feriengäste schätzen gerade deshalb ihren „Urlaub auf dem Bauernhof“, weil dort häufi g die ehrwürdige Stube des alten Hofes zumindest als Frühstücks- und Gesellschaftsraum, gepaart mit bodenständiger Gastronomie, Verwendung fi ndet. DER ENSEMBLESCHUTZ
Der Heimatschutzverein Bozen-Südtirol, der 1909 vom städtischen Bildungsbürgertum gegründet wurde, hat sich für die Denkmalschutzbindungen von Bürgerhäusern, Bauernhöfen, Burgen (Runkelstein, Ruine Rafenstein), Ansitzen und Bannzonen an unverbauten Hängen und Weingärten eingesetzt. Mit Architekt Benno Weber konnten dem Bozner Gemeinderat schützenswerte Ensembles vorgeschlagen werden, die seit März 2007 (87 Ensembles) gesetzlich geschützt sind. Heimatschutz bzw. -pfl ege kann nicht erst dann medienwirksam
Dieser Bericht hat keine Bilder. Setzen Sie selbst das dazu passende Bild ein! Schicken Sie Ihr entsprechendes Bild an die Redaktion: wjw@bezirksmedien.it eingefordert werden, wenn die Baugenehmigungen bereits erteilt worden sind und der Abriss im Namen der Legalität vorgenommen werden muss. Treffen, Aussprachen und Lokalaugenscheine mit Gemeinde- und Landesvertretern sind genauso wichtig wie Lehrfahrten und Besichtigungen mit Mitgliedern. Man schützt und schätzt nur, was man weiß und kennt!
DACHLANDSCHAFTEN UND BAUSPEKULATION
Ein Flachdach für Wohnbauten im Alpenland ist nur in gewissen Zonen (mit Rationalarchitektur) stilistisch passend. Große Glasfl ächen rauben bei Wohnbauten Intimität und verschleudern kostbare Energie. Die Formen der Dächer mit ihrer besonderen Eindeckung (Tonziegel, glasierte Biberschwänze, Holzschindeln u.s.w.) haben die besiedelte Landschaft oft mehr geprägt als die Baukörper darunter. Kubische Gebäude können im Eilverfahren aus Fertigteilen hergestellt werden und erlauben eine Höchstanzahl an Wohnungen, die den Bedarf zu Lasten der Landschaft decken.
DIE ENERGETISCHE FRAGE
Zunehmend wird die Energie-Autonomie des Baus zur ausschlaggebenden Funktionsfrage. Es kommt zum regelrechten Verpacken von Altbauten. Dabei werden meist Kunststoffmaterialien verwendet, die von kurzer Dauer sind, gesundheitsschädlich und sehr schwer zu entsorgen sind. Eine weitere Absurdität besteht darin, die angeblich energierespektierenden Maßnahmen mit einem Bonus an Kubatur zu vergüten. Wo bleibt das Recht der Nachbarn, denen Licht, Luft, Sonne und nicht zuletzt die Aussicht genommen wird?
UNSER HEIMATLAND LÄUFT GEFAHR, ENDGÜLTIG SEIN GESICHT ZU VERLIEREN
Die zuständigen Politiker sollten eine Architektur, die vorrangig Architekten gefällt und Bauspekulanten interessiert, im Sinne des öffentlichen Interesses ablehnen. Gesundes Wohnen und Arbeiten in einem baulich und landschaftlich harmonischen Umfeld ist gerade in unseren Zeiten gefragt. Weniger Lobby-Hörigkeit und mehr Eingehen auf den ganzen Menschen: Als ein geistiges und materielles Wesen, das durch seine Geschichte und sein Umfeld geprägt wird.
Diesen Beitrag hat Univ.-H. Prof. Doz. DDr. Helmut Rizzolli, Obmann des Heimatschutzvereins Bozen/Südtirol, für Sie verfasst.
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