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Design, Kommunikation, Medien… Basisbanalitäten, Geschichten und andere Mißverständnisse*

(*ein Sampler von sandy k.)



Design



Mein neuer Mitbewohner hat eine Espressokanne in den Haushalt miteingebracht. Es ist eine allseits bekannte Espressokanne; unsere neue Espressokanne ist die Espressokanne schlechthin; eine Bialetti. Art Deco Stil in Aluminium. Ich mag sie nicht. Erstens soll Aluminium Alzheimer auslösen und zweitens bin ich doch eher ein Freund der klassischen Moderne und fand die Emanzipation vom Ornament (sei es auch in seiner geometrischen expressiven Formen im Art-Deco) doch eine gute Sache in der Geschichte des Designs. Aber vielleicht sollte ich das nicht so ernst nehmen und die Kanne einfach als einen Gebrauchsgegenstand, und weniger als Symbol aus der Designgeschichte sehen. Vielleicht sollte ich also auch über die schimmelartige Substanz, die diese Kannen gerne im unteren Bereich, im Wasserfüllbereich, entstehen lassen, hinwegsehen. Vielleicht sollte ich auch einfach meine Edelstahlespressokanne verwenden, die eine Form hat, die ich nicht so leicht einordnen kann wie diese Bialetti Art Deco Aluminium Espressokanne. Vielleicht sollte ich auch meinem Mitbewohner mehr Glauben schenken, wenn er sagt, daß er auch kein Freund von Art Deco sei, die Kanne aber schon so sehr einfach die Espressokanne schlechthin geworden ist, so daß man doch gar kein Art Deco mehr darin sehen könne. Stimmt. Vielleicht.


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»Design: Planen, Entwerfen, zeichnerischer oder plastischer Entwurf, Skizze, Modell (besonders zur Gestaltung industriell gefertigter Gegenstände)« 1 Die »Aufarbeitung« der Designgeschichte ist, verglichen z.B. mit der Kunstgeschichte relativ jung. Design ist, wenn man so will, im Zusammenhang mit der industriellen Revolution und ihren technischen als auch produktionsbedingten Arbeitsprozessen und Innovationen entstanden. Besser gesagt, ist die allgemein verwendete Definition von Design gekoppelt an diesen Zeitrahmen. Was sich in dieser Zeit qualitativ änderte, war die »Abspaltung" oder Differenzierung von dem Handwerk und der industriellen Produktion. In Kontrast zu den neuen Fertigungstechniken, die neu bzw. innovativ waren, waren das Handwerk und das Kunsthandwerk Tätigkeiten, die auf die Tradition bezogen waren. Neue Werkstoffe, Fertigungstechniken und Produktions-abläufe als das Rückrat des Produktdesigns, ermöglichten eine neue Fülle an industriell produzierten Gegenständen bzw. Produkten. Dampfmaschine, Fließband, Fabrik, Elektrizität ...





Die durch die industrielle Revolution in Bewegung geratenen Gesellschaften erfuhren in diesem Sinne einen Katalysatoreffekt in einer technikorientierten und technokratischen Vorstellung von gesellschaftlichem Fortschritt. Der Aspekt der Innovation, des Neuen, der Zukunftsorientiertheit und einer potentiell technikaffirmativen Haltung ist dem Design somit quasi eingeschrieben.



Neue Gestaltungsprozesse, Arbeitsvorgänge und innovative Produktionstechniken bzw. Fertigungstechniken waren auf die Zukunft gerichtet und erzeugten tendenziell ein universalisierendes Weltbild. In der Beherrschbarkeit der Maschinen, des Materials und dann eben auch der Menschen spiegelten sich Lösungsvorstellungen von Problemen, die über die Produktion weit hinaus gingen. Der gestalterische Eingriff, die Veränderungsidee und die daraus resultierenden »richtigen Gegenstände« implizierten (und implizieren) eine Vorstellung von »richtigen Leben« in einer »richtigen Umgebung« und wirken somit sozial regulierend. Die Gegenstände repräsentierten über ihre Gestalt, also über ihre konkrete materielle Form hinaus, ein Bild von Gesellschaft. Der hehre Anspruch »der guten Form« im Dienste eines sozialen, gesellschaftlich ambitionierten Designprojektes mündet hier potentiell in einer universalistischen, totalitären, manipulativen und normativen Haltung der Gestalter gegenüber der Gesellschaft. In der Beherrschbarkeit der Maschinen, des Materials und dann eben auch der Menschen spiegelten sich die Lösungsvorstellungen von Problemen, die über die Produktion weit hinaus gingen, wider.



Heute über Design zu reden, ist wie über alles und nichts zu reden. Alle Dinge des alltäglichen Lebens, die von Menschenhand gestaltet werden, Gegenstände die man vor einigen Jahren im allgemeinen Sprachgebrauch nicht als Objekt des Designs gedacht hätte, werden heute mit Design in Verbindung gebracht. Eine Aufwertung der Produkte oder auch Tätigkeiten scheint sich zu vollziehen, wenn das »Zauberwort« Design mit ins Spiel kommt. Billigprodukte mit dem Zusatz »Design« gibt es ebensowie Luxusgüter: vom Tchibodesign über das Ikeadesign bis hin zum Porsche- oder Bauhausdesign. Die klügere Zahnbürste gibt nach. Der ergodynamische Bürostuhl oder die Sonnenbrille mit sieben auswechselbaren Gläsern, die für 98,– DM plus Porto und Verpackung in der Dauerwerbesendung im Fernsehen angeboten wird. Italienische Lampen im Lichthaus am Kurfürstendamm oder auch die neuesten Fit for Fun Drinks aus der Fooddesignabteilung des Hauses Müllermilch. Designerkerzen beim Drogeriemarkt, Internet und Mediendesign, Kondomdesign, Diplomdesign usw..



Design als »angewandte Kunst« ist eine Disziplin, die sich nicht in Unikaten äußert und nicht unbedingt an Räume für die Rezeption gebunden ist. Design impliziert Kreativität in Kombination mit materieller oder immaterieller Gestaltung und ist per Definition dabei gleichermaßen nicht alltagsfremd / fern wie freie Kunst. Und auch der Gebrauch eines designten Produktes ist nicht der kulturelle »Gebrauch« bzw. »Nutzen« einer Kunst. Designte Gegenstände bzw. Produkte kann man gebrauchen und genießen, schön finden oder sich an der Funktionalität erfreuen. Sie sind alltäglich und um uns.


Design ist heute ein allgemeines Feld der Gestaltung und gesellschaftlichen Kommunikation geworden. Materielle als auch immaterielle Produkte menschlicher Arbeit können Design sein und alle gesellschaftlichen Bereiche betreffen. Was und wo designt werden kann, wird heute designt – die physische als auch die soziale Welt wird gestaltet. Die geschichtlichen Grenzen (Produktdesign) sind lange überschritten und es besteht im allgemeinen kein Zweifel daran, daß Design gut ist. Design ist im allgemeinen Bewusstsein eine positiv besetzte populäre Disziplin.




Ohne weiter differenziert bzw. erklärt zu werden zu müssen, wertet Design die Produkte oder Prozesse und Arbeitsweisen auf und gibt ihnen eine Aura des Besonderen. Es reicht die Nennung, die Kombination mit dem Begriff Design, um etwas zu imaginieren, was dann aber eigentlich den meisten Menschen im Verborgenen bleibt. Die Fragen um Sinn, Funktion und Zweck von Design im gesellschaftlichen Kontext bleiben marginal und meist einem Fach-publikum überlassen. Die »angewandte Kunst« (vom Produktdesign bis hin zum Mediendesign) ist im Feuilleton bzw. den sogenannten Kulturseiten der Tagespresse kaum Gegenstand einer kontinuierlichen Beschreibung, Reflexion oder Kritik, geschweige denn auf den als politisch ausgewiesenen und so gelesenen Seiten.



Ein Gegenstand steht vor mir. Ein Becher, den ich vor ca. 4 Jahren von meiner Mutter geschenkt bekommen habe. Die abgeschnittene Keramikröhre mit angebrachtem Henkel, die eine Portion verlängerten Espresso fasst und mir bei meiner morgendlichen Zigarette Gesellschaft leistet, ist eigentlich ein recht hässlicher Becher, der mich auf komische Weise mit Glück berührt. Ein Aufdruck, ein Stuhl in Dunkelbraun ist zu sehen und auf der Rückseite noch mal ein Ausschnitt desselben: die Lehne. »Bugholzstuhl Nr. 214, Michael Thonet 1859 als Nr. 14« lautet die zusätzlich aufgebrachte Textinformation. Sie erinnert mich zum einen an den Design geschichteunterricht an der Kunsthochschule Berlin Weißensee, wo ich erfuhr, daß diese Bugholzstuhle, die mittels Wasserdampf gebogen sind (die einzelnen Elemente, nicht der gesamte Stuhl), einen Sturz aus 15 Metern Höhe überleben können, und zum anderen erinnert sie mich an die Atmosphäre in Museumsshops, wo es eine ganze Menge dieser Designproduktebilderchen gedruckt auf allen möglichen Briefbeschwerern zu erwerben gibt. Über die »Wiege des Designs« und die abgeschnittene Keramikröhre mit angebrachtem Henkel schmunzelnd, genieße ich nun zum Frühstück den Espresso (verlängert) und frage mich, warum meine Mutter mir gerade diesen Becher geschenkt hat …?


»Es hat natürlich auch mit einem bürgerlichen Leben zu tun, überhaupt auf Design zu achten und es wahrzunehmen und nicht einfach im Computer den Computer zu sehen oder in der Espressokanne die Espressokanne. Du erzählst die Geschichte mit deinem Mitbewohner und greifst dabei verschiedene Vorstellungen, Begriffe von Design und Zugänge zu Design auf, die in der Diskussion mit deinem Mitbewohner erwogen werden: entsteht die Bedeutung von Design aus der Referenz auf die Designgeschichte (Art Deco) oder kann es diese Bedeutung im Gebrauch verlieren (als Espressokanne schlechthin). Wie ist das Verhältnis der Kenntnisse z.B. aus dem Studium zu deiner emotionalen Reaktion?. Und wie verändern die Alltagserfahrungen (Schimmel, den ich persönlich mehr für eine Kalkablagerung halte ...) das Verhältnis zum Design (oder sind sie ein Teil davon?). Fragen könnte man sich auch, ob es eine Rolle spielt, daß diese Kannen meistens sehr billig sind, anders als die Edelstahlversion …« 2




»Wie jede Geschmacksäußerung eint und trennt die ästhetische Einstellung gleichermaßen. Als Produkt einer bestimmten Klasse von Existenzbedingungen eint sie all jene, die aus den selben Bedingungen hervorgegangen sind, unterscheidet sich aber zugleich von allen anderen vermittels dessen, was sie wesentlich besitzen. Der Geschmack ist die Grundlage alles dessen, was man hat – Personen und Sachen – wie dessen, was man für die anderen ist, dessen, womit man sich selbst einordnet und von anderen eingeordnet wird.« 3



»Design auf Hochtouren«. Auf der Bahnfahrt von Essen nach Berlin (Durchschnittsgeschwindigkeit von 110 km/h) liegt im ICE die Zeitschrift »Mensch und Büro« aus. Seite 110: »Das Geschäft mit Design läuft auf Hochtouren. Längst sind die Zeiten vorbei, da designbeflissene Hersteller sich über allzu sehr ignorante Vertriebspartner beklagten, die einfach nicht verstehen wollten, wie wichtig die Produktgestaltung für das Geschäft ist .…« »Wie kam es dann zu diesem atemberaubenden Aufschwung? Immerhin hat Audi 1999 mehr als 600 000 Wagen verkauft – fast doppelt so viele wie 1994?« – »Ganz einfach! Wir haben die Designleistung erstmals offensiv kommuniziert. Wir haben begonnen, uns intensiver an Designkonferenzen zu beteiligen, haben einen eigenen Design-Förderpreis ausgeschrieben, uns in dem deutschen Rat für Formgebung engagiert – und plötzlich wurde Audi in der Öffentlichkeit mit hohem Designanspruch assoziiert.« 4


»Design ist die absurde Bemühung, für einen banalen Gegenstand eine geniale Lösung zu finden« 5 »Design bedeutet Konsumgesellschaft – ich glaube, daß dieser Satz Voraussetzung für jeden Beitrag über Design sein sollte: das Industriedesign besteht, weil die Konsumgesellschaft besteht. Die Konsumgesellschaft hat sich das Industriedesign zu eigen gemacht und leider auch umgekehrt. Ich sage leider, weil alle Fehler und Mängel unserer Gesellschaft sich genau und sofort im Design widerspiegeln …« 6 »Form follows function" bedeutet in dieser Gesellschaft dann ja doch eben auch, daß die Form des Designs und ihre Funktion, dem Kanon der kapitalistischen Alltagskultur folgt, oder?« 7




Der mythenhaft-funktional-ästhethische Gehalt von Design lädt die Gebrauchsgegenstände auf und macht sie zu gut konsumierbaren Gegenständen. Deren Gebrauch äußert sich eher in ihrer ästhetischen Erscheinung als in ihrem technisch-funktionalen praktischen Gebrauch. Die Ästhetik orientiert sich in Folge dessen, nicht an dem unmittelbaren Gebrauch der Objekte, sondern folgt ästhetischen Trends bzw. versucht solche zu setzen. Das technische Funktionieren der Gegenstände wird längst als Selbstverständlichkeit betrachtet und nur technisch Neues bekommt eine Aufmerksamkeit, die mit dem Mehrwert des Designs konkurrieren kann. Design ist hier Marketingfaktor, der eine emotionale Bindung zwischen dem Gebraucher und dem Produkt und letztlich dann mit der Marke, der Firma herstellen soll. Ein (form-) fetischisierendes Design dient mehr als ein Mittel zur Unterscheidung der Gegenstände und ihrer Besitzer voneinander. Im Vordergrund der breiten Rezeption steht demzufolge zuletzt der ästhetisch, kulturelle Mehrwert und der sich daraus ableitende Distinktionsgewinn. Diese Überbetonung der Ästhetik im Design (function goes form) ist der Ausdruck einer Designpraxis, die keine sozialen, gesellschaftlichen Utopien als Bezugsgröße hat bzw. nur solche hervorbringt, die an eine Marktlogik gekoppelt sind. Wenn die Funktion der Dinge (auch deren imaginäre Ebene) sich nicht auf gesellschaftliches beziehen kann, bleibt am Ende der individuelle Genuß der reinen Form des Gegenstandes als Wert übrig. Und


dieser individuelle (und potentiell individualisierende) Genuß, die Freude an der spezifischen Verfaßtheit eines Produktes wird sein Glücksversprechen nur bis zum nächsten Einkauf halten können bzw. soweit wie es die eigene Geldbörse zuläßt? »Aber im Ernst, denke ich, daß einiges, was du zu deinem Powerbook schreibst schon darauf hindeutet, daß man auch über das Verhältnis von Subjektivität und Design (bzw. Ästhetik) nachdenken müßte. Das Powerbook ist ja was, was du benutzt, um dein Selbst oder dein »mögliches Selbst« zu präsentieren und das, was du an dem Design genießt ist das, was dazu was abgibt, was dich möglicherweise (jedenfalls imaginär) in eine Richtung verändert, z.B. professionell zu sein oder im Geschäftsleben zu stehen... das heißt, daß Design, von den gesellschaftlichen Bezügen abhängig ist, in denen du dich siehst (oder sehen möchtest).« 8



Daß eine Vorstellung von Design sich nicht auf die Gestaltung von Gegenständen beschränkt, sondern daß ein Design vielmehr alle Bereiche der Formgebung betreffen kann, ist offensichtlich. Auch die Gestaltung der eigenen Person, das Bild, welches man für sich selber, als auch nach außen gerichtet entwirft, ist heute ein Feld des Designs geworden. An die Stelle eines »Kleider machen Leute« Regelwerk der Kleidersprache tritt die Erfordernis an alle sich als kleine »ein Mann Unternehmen« eine flexible Coorporate Identity zuzulegen, sich zu präsentieren, sich auf dem Markt zu unterscheiden, wie auch schon die Produkte es tun.




Design reflektiert zu jeder Zeit den »Zeitgeist« einer Gesellschaft, ist Spiegelbild der gesellschaftlichen Ereignisse. Heute, am Anfang des 21. Jahrhunderts findet dieses primär im Bereich der sogenannten neuen Medien, der digitalen Medien und deren Netze, statt. Innovationen im Computer- und Mikroelektronikbereich »fordern« neue Interfacelösungen für die Interaktion zwischen Mensch und den neuen Geräten. Das Interfacedesign, welches sich an der Schnittstelle zwischen Grafik (Kommunikationsdesign) und Produktdesign (Industriedesign) bewegt, sucht nach Lösungen für die Interaktion zwischen dem Menschen und den zu bedienenden Gerätschaften, ähnlich wie schon zuvor uns heute oft als banal erscheinende Gegenstände, wie z.B. Messer, Gabel, Schere oder Lichtschalter, es suchten. »Zu Interface fällt mir diese Geschichte aus dem letzten Golfkrieg ein, wo dieser Kampfhubschrauberpilot für dieses Interview mit seiner Maschine landet, aussteigt und dann auf die Reporter zugeht. So steht also im Hintergrund diese Millionen Dollar Kampfmaschine von Hubschrauber und als sich der Pilot dann mit seinem Helm auf dem Kopf zu den Kamerateams hin dreht, dreht sich im Hintergrund die Bordkanone des Hubschraubers in seine Blickrichtung. Sozusagen auf die bilderschießenden Kameras. Das war ein wenig peinlich. Er hat seinen Helm dann abgenommen und die Kanone hat sich wieder weg gedreht…aber seine durchgestaltete Hightechuniform sah gut aus…« 9


Interface- und/oder Mediendesign reduziert sich jedoch meist auf den Ort, wo ein »wie« der Zukunft beschrieben wird, wo (technikaffirmative) Gesellschaftsvisionen skizziert werden. Aus diesem Bereich kommen heute die am stärksten wirkenden ästhetischen Formen und beeinflußen die Gestaltung auch an anderen Orten. Vom Fernsehen über das Zeitungslayout bis hin zur Tupperware zieht sich heute eine Spur einer digitalen Ästhetik. Der Markt (und sicherlich auch die Kriegmittelsindustrie) dominiert die Interessen in der Entwicklung neuer Designobjekte und Interfacelösungen. Das Bild des Fortschrittes, welches dieses Design dann ausstrahlt, ist gekoppelt an das Wachstum der Auftraggeber, daran was sich verkauft. Zukunft wird nicht zuletzt deshalb vor allem wirtschaftlich und technisch gedacht. Die in der »Interfacedesignwelt« beschriebenen Fragestellungen und Problemlösungen haben im Markt ihren Horizont. Handys (mobile Telefone) für alte Menschen, die nicht in der Lage sind komplexe Technik zu bedienen, werden kaum entwickelt, Handys für Kids, für die Käufer von morgen hingegen, gibt es schon lange.



Interessensgegensätze, soziale Differenzen, strukturelle Machtverhältnisse oder auch nur die Frage des Zuganges zu diesen »neuen« Medien bzw. Produkten stehen kaum im Mittelpunkt des Diskurses um die Aufgaben der neuen Designfelder. So ist es auch nicht verwunderlich, daß die kursierenden Bilder von Zukunft primär geupdatete Raumschiff Enterprise und ähnliche Karikaturen sozialer Utopien sind.


Unter der großen Folie »Zukunft« und »Fortschritt« im Interfaceoder auch Mediendesign gibt es kaum eine differenzierte Betrachtung von gesellschaftlichen Interessensgegensätzen oder kulturellen Vorgängen. Zukunft impliziert und reproduziert oftmals eine vereinheitlichende Vorstellung vom Leben auf Erden im Morgen und entwirft somit beiläufig ein Bild von »Der Menschheit an sich«. Die Welt als ein reibungslos funktionierendes, ästhetisches Etwas zu gestalten, in dem ein »richtig« impliziert wird, das »Gesamtkunstwerk« Gesellschaft zu schaffen, ist diesen Diskursen strukturell immanent. Die Bilder, die diese Diskurse begleiten, sind die ästhetisch und utopisch aufgeladene Flankierung der Ideologie des technischen Fortschrittes und der Lösung gesellschaftlicher Probleme durch Technik und Kontrolle. Wo früher Freud der Psyche half, hilft heute Viagra dem Instrument. Das Leben auf Erden soll (wie immer) einfacher und schöner werden: »an Computerwesen soll die Welt genesen«… »Deutschland vergißt für einen Weile die Gaskammern, erscheint auf der Weltausstellung mit einem glatten, eleganten Antlitz und tut so, als würde der Fortschritt der Technik alles rechtfertigen, was zwischen einem Panzerwagen und einem elektrischen Rasierapparat liegt« 10


Das problematische Selbstverständnis in großen Teilen der Designdiskurse ist nicht deren Kopplung an Konsum, an Innovation, etwas Neues, oder gar der Technik an sich. Vielmehr ist es die Beschreibung von gesellschaftlichen Verhältnissen als echnisch gestaltbare Prozesse. Die Analogie in der Beschreibung von technisch - wissenschaftlichen Sachverhalten und sozialen Prozessen ist frappierend und wirft ein Licht auf die Vorstellung von Gesellschaft in der heutigen Zeit. Design ist hier ein Indikator für die Verlagerung soziale Probleme auf eine technische (lösbare) Ebene, weg von einer Vorstellung von einer Gesellschaft, die sich als ein widersprüchliches soziales, politisches und kulturelles Gefüge begreift. »… ohne einen Kontext alternativer Lebensentwürfe bleibt Design eine Anhäufung von technischen und ästhetischen Erfindungen. Solange es keine politischen, sozialen oder kulturellen Utopien gibt, gibt es auch keine für das Design – außer einem negativen Befund oder Bestimmungsversuch…« 11 »Man muß aufhören zu glauben, daß man seine Arbeit vom sozialen Sinn trennen kann…« 12







Kommunikation



Mein Internetprovider heißt Amerika Online (AOL) und ist der weltweit größte Internetprovider den es gibt. Millionen von Menschen loggen sich, neben Boris Becker, täglich über den AOL Server ins Internet ein. AOL, das ist peinlich. Peinlich, weil AOL ein wenig für das »Internet« für Dummies steht, ein Familienvater-feierabendinternetzugang oder auch für schwerreiche begriffsstuzige Tennisstars. Für einen jungen Mann wie mich schickt es sich nicht, die Bildzeitung unter den Internetprovidern als Tür zum weltweiten Netz zu haben. Eine Telekommunikationssoftware, die keine »i can deal with tecnological progress«-Anmutung hat und ästhetisch wie Neckermann oder TUI daherkommt, ist einfach kein schönes Assessoir für jemanden, der vom Alter her zumindest noch ein potentieller Partizipant der Informations-Start Up-IT usw. Gesellschaft ist. So steht dann also auch konsequenter Weise auf meinen kleinen Visitenkätchen auch nicht meine AOL Email Adresse (akaltenbor@aol.com), sondern eine andere Adresse die besser klingt: bildwechsel@gmx.net. GMX steht für »global message exchange« und .net klingt auch besser als .com und »bildwechsel« klingt auch projekthafter als »akaltenbor«. Von dieser Adresse werden nun die ankommenden Mails automatisch an meine AOL-Adresse weitergeleitet. Dort bei AOL begrüßt mich dann bei jeder »Internetsitzung« aufs neue eine säuselnde Frauenstimme: »Willkommen – Sie haben Post«. Weitergehend werde ich mit News & Storys, das Wetter, Börsenberichten, dem Single der Woche (inkl. des »Sexy Single«) und andere Banalitäten,


nach denen ich nicht gefragt habe, empfangen. Schnell also jedesmal diese »Fenster« weggeklickt und ins Postfach meiner Datenautobahnraststätte geschaut. Mein digitales Faxgerät, gleichzeitig mein Anrufbeantworter, bzw. anders herum, bietet mir die Möglichkeit zwischen verschiedenen Ansagestimmen frei zu wählen. Frei stimmt sicherlich nicht ganz, aber immerhin zwischen zwei männlichen und zwei Frauenstimmen kann ich wählen. Die bei AOL mich begrüßende Stimme kann ich jedoch nur ein oder ausschalten. Ein Wählen zwischen verschiedenen »Willkommen« ist nicht möglich. Die meisten Internetbenutzer sind männlich. Und so muß ich mich entscheiden zwischen einer Frauenstimme oder eben gar keiner. Da ich aber den Charme programmierter Interfaces mit menschlichen Attributen, in diesem Fall also eine persönliche Begrüßung mit freundlicher Frauenstimme, jedoch auch etwas Sympathisches und Trashiges abgewinnen kann, entschließe ich mich dies einfach zu lassen. Seit einigen Monaten gibt es nun eine neue AOL Software für Apple BenutzerInnen. Es ist die Softwareversion 5.0 von AOL, die nun vorliegt. Sie kam in Form einer CD in einem Brief, mit der Post um Elf Uhr Dreißig. »Mehr Kommunikation« verspricht der Aufdruck auf der CD und läßt mich für einen Augenblick stocken – ob ich denn wirklich »mehr Kommunikation« möchte? Drei Computer, zwei Telefone, ein digitales Faxgerät, zwei Anrufbeantworter, eine Voice-Box und vier Emailadressen nenne ich nunmehr die meinen. Es sind


diese Geräte, die materiellen und die, die nur virtuell bestehen, die meine Kommunikationspraxis in den letzten Jahren, verändert haben. Es scheint als würde ich schon mehr kommunizieren als noch vor einigen Jahren. Das Leben ist schneller und näher geworden, und ich besitze noch nicht einmal ein Mobiltelefon, ein Handy wie man in Deutschland sagt. Mehr Kommunikation. Da ich heute nicht mehr so viel vor habe und vor allem weil ich dann doch der Verheißungen wegen neugierig geworden bin, installiere ich die AOL Version 5.0 auf meinen nunmehr fünf Jahre alten Apple Performa 5200… fast schon ein Fall für das Designmuseum.



Das Grundmuster jeglicher Kommunikation, A sendet Information mittels Medium an B. Ob dieses Senden nun direkt oder zeitlich versetzt, oder dem Medium eingeschrieben oder nur mit dem Medium als temporärer Mittler bzw. Träger vonstatten geht ist sekundär. Ob also mittels gesprochener Worte im Raum als Medium oder via Email mittels Computer und eines technischen Netzwerkes, ob digital oder analog, bleibt der Kern der Kommunikation das Senden und potentielle Empfangen einer Information, einer Mitteilung über einen Träger, einem Medium. Kommunikation ist Mitteilung und hat ein Sender/ Empfänger-verhältnis (wenn auch möglicherweise wechselnd) als Grund-struktur immanent.



Das Wort Kommunikation stammt von dem lateinischen Wort communicare ab, was soviel heißt wie »gemeinsam machen«. Zum gemeinsamen Machen gehören mindestens zwei Personen. Diese müßen in der Lage sein einen Raum, ein Medium zu teilen, um überhaupt einen kommunikativen Prozeß zu ermöglichen. Wenn dann auch noch die Sprache eine gemeinsame ist, kann es sein, daß die Kommunikation einen Sinn bekommt, so daß sie eine Akt des Teilens, des Mitteilens wird.





Voraussetzung einer Kommunikation ist eine gemeinsame Sprache. Eine gemeinsame Sprache können Worte, Zeichen, Bilder oder andere Codes sein, die von mehr als einer Person verstanden, sozusagen decodiert werden können, es braucht eine Klammer, einen verbindenden, intersubjektiven Teil zwischen den Akteuren eines kommunikativen Aktes. Es ist egal ob es nun das Verstehen eines Kleinkindgebrabbels ist, oder ob es das Sehen der Deutschen Tagesschau um 20 Uhr ist: Kommunikation ist nur dann potentiell möglich, wenn es einen Rahmen bzw. Bezugspunkte für die Interaktion zwischen Sender und Empfänger gibt. Dabei ist Sprache hier nicht als die Wortsprache im engeren Sinne zu verstehen, sondern wie skizziert als ein System von Zeichen, bzw. sog. Codes.


Rein in die U-Bahn und auf einen der zwei freien Plätze des Vierers Platz genommen. Mir gegenüber und zu meiner rechten zwei junge Frauen, zwei Mädchen so um die 14 Jahre alt. Kaum habe ich mich gesetzt fangen die zwei an zu Kichern… wie das nun mal 14jährige so tun. Ich merke, daß ihr Kichern mit mir zusammenhängt. Und da ich frisch rasiert und mit Wetgel im Haar bin nehme ich an, das sich hier eine Situation von Verlegenheit und Charme aufgetan hat, weil plötzlich ein Mann neben diesen zwei Mädchen sitzt und die beiden nun ein Geschlechterv erhältnisspiel spielen. Während ich mein Buch aus meinen Rucksack ziehe, werfe ich der, die mir gegenüber sitzt noch einen Blick zu, so ein latent großer Bruder mäßiger netter Blick, der soviel sagt wie: »nun stresst euch mal nicht so…is schon o.K. wenn ihr ein bißchen verlegen seit… ich aber bin doch fast doppelt so alt wie ihr…bin also wirklich nicht der Junge wo ihr verlegen seit müßt« Dann das Buch aufgeschlagen und die beiden Mittelstandsgymnasiastengören kichern immer noch und ein wenig getuschelt wird auch. Da es wohl immer noch irgendwie um mich geht, lese ich weniger die Zeilen, als daß ich versuche zu hören, was die zwei reden. »Ausländer sind eben Scheiße« sagt die eine und die andere nickt bestätigend… kichern. Nun finde ich die Situation und die zwei gar nicht mehr lustig: »Sag mal, kannst du mir mal sagen, was du da redest, und warum Ausländer Scheiße sind?« – Sie: »Die sind halt Scheiße« Ich: »Ich finde dich Scheiße, wenn du so ne Scheiße meinst und das nicht irgendwie begründen kannst…« – Sie: »is halt meine Meinung…«… wieder kichern…eine Meinung darf man ja wohl haben… – Die zweite: »Wenn es ihre Meinung ist, dann ist es halt ihre Meinung und Sie brauchen ja nicht hinhören…«…Gekicher…Ich: »Ich fühle mich aber angesprochen…«…keine Reaktion und ich beschließe die beiden unter Druck zu setzten, in die Ecke zu reden. Das ist rhetorisch auch gar kein Problem…das kichern kommt jedoch immer von


der jeweils anderen, als die die, ich grade ins Visier nehme…eine Grenzerfahrung ist es, was ich den beiden liefere…zwischen der latenten Angst vor mir und dem Gekicher bleibt genug Platz für das Gefühl der Macht der Mehrheitsgesellschaft, was aus diesen zwei Bleichgesichtergören herausspricht. Dann aber habe ich die eine recht in die Ecke gedrängt und böse angeschaut. Ein kurzes Stocken. Dann aber mit vehementer Stimme: »Ich darf nicht mit Fremden reden!« Ich überlege, ob ich sie nun schlagen soll. Das wäre nun die angemessene Form der Kommunikation, da sie entscheiden haben, daß es hier nicht mehr um Auseinandersetzung, sondern um ein kommunizieren von Macht mittels einem Kichern von Vierzehjährigen geht. Die Bahn ist voll und…





Reden heißt jetzt Kommunikation, Stadt heißt jetzt Standort, BRD heißt jetzt Deutschland, Berlin heißt jetzt Hauptstadt, Krieg heißt jetzt humanitäre Intervention, Personalleiter heißt jetzt Human Resources Manager, Hausmeister heißt jetzt Projektmanager, Lindenstraße heißt jetzt Axel-Springer-Straße, Gastarbeiter heißt jetzt Ausländer, Leninplatz heißt jetzt Platz der Vereinten Nationen, Bundestag heißt jetzt Reichstag, Grafikdesign heißt jetzt Kommunikationsdesign, usw. Sprache ist kein neutrales Zeichensystem, sondern spiegelt und reproduziert auch immer gesellschaftliche, politische und kulturelle Verhältnisse wieder, bzw. hat diese als Bezugsgröße. Dieses gilt für gesprochene oder geschriebene Sprache in Form von Wörtern, von Bildern, Gesten oder Zeichen und nicht zuletzt auch für die Gestalt der Gegenstände und was diese kommunizieren. Sprache ist ein Rahmen für gesellschaftliche Auseinandersetzung und Kommunikation ist somit kein Gegenstand der jenseits bzw. entkoppelt vom gesellschaftlichen Ganzen betrachtet werden kann.


Wer spricht, wessen Sprache und wessen Zeichen werden in Umlauf gebracht? Nicht alle beherrschen die vorherrschende, die hegemionale Sprache. Nicht alle haben die Macht im gleichen Maße in Diskurse zu intervenieren oder auch nur an Diskussionen oder Dialogen teilzuhaben. Die Möglichkeit Diskurse durch die Wahl der Worte zu dominieren bzw. zu lenken ist in einer von sog. Massenmedien dominierten Öffentlichkeit untrennbar mit gesellschaftlicher Macht verbunden. Öffentlichkeit ist somit keine neutraler Ort, kein nettes Austauschen, sondern ein umkämpfter Raum. In diesem Sinne greift öffentliche Kommunikation potentiell immer gestaltend in die Gesellschaft ein, in dem Maße wie sie gesellschaftliche Vorstellungen, also Beschreibungen, also Wertigkeiten produziert, reproduziert oder verändert.




»Deutschland ist schön. In enger Zusammenarbeit mit Fontshop entstanden diese beiden Deutschland-CD’s - topaktuell und exklusiv. Sie enthalten typische Szenen, sowie die wichtigsten Bauwerke und Landschaften, vom Kap Arcanoa bis zur Zugspitze. Aktualität war das oberste Gebot für die Auswahl. Und so fehlen weder der Reichstag noch der Potsdamerplatz, und die Skyline von Frankfurt ist auf dem neusten Stand. Nur bei Fontshop: 200 neue Deutschlandbilder aus zwei CD’s. Jetzt als Einführungs-Bundle!«



Die Verfasstheit der vorherrschenden, dominierenden Mitteilungen in einer Gesellschaft, die als normal angesehen werden, kann man analog zur Wortsprache als kulturelle Grammatik bezeichnen. So wie Sprache nicht nur Worte und Satzbau ist, sondern auch Sprechen ein ästhetisches Unterfangen ist, so meint kulturelle Grammatik eben auch sämtliche Verkehrsformen der Interaktion, der Kommunikation, deren Codes und deren ästhetische Verfaßtheit. Kulturelle Grammatik strukturiert die sozialen Interaktionen und kommunikativen Prozesse einer Gesellschaft. Grammatikalische Regeln einzuhalten ist normal, es sei denn man ist auf einer Slampoetryveranstaltung, ist verrückt, oder ist einfach ein sog. einfacher Bauarbeiter.




»Ich glaube nicht das es eine ideologiefreie Ästhetik geben kann; jede Reaktion auf eine Bild ist notwendig durch ein gesellschaftliches Bewußtsein geprägt…« 13



»Das kulturelle Bildrepertoire ist jedem von uns eigen – ganz ähnlich wie die Sprache. Also folgt unsere Wahrnehmung eines anderen Menschen oder eines Objektes zwangsläufig bestimmten Darstellungsparametern, deren Anzahl zwar hoch, aber letztlich doch begrenzt ist. Diese Darstellungsparameter legen fest, was und wie die Angehörigen unserer Kultur sehen – wie sie Sichtbares bearbeiten und welche Bedeutung sie ihm geben.« 14



Die Sprache, und dazu gehört auch die Bildsprache ist kein neutrales Instrument, kein Mittel, sondern vielmehr eine Praxis die im Verhältnis zu gesellschaftlichen Machtverhältnissen steht. Und ähnlich wie der Akt des Mitteilens verknüpft ist mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen, gilt dieses gleichermaßen für die Rezeption der Mitteilungen. Das kulturell bedingte Bild- und Begriffsrepertoire strukturiert die Rezeption des einzelnen. Das was wir sehen, und hören, ist das was wir gelernt haben zu sehen und zu hören und das was wir nicht wahrnehmen, ist das was wir nicht gelernt haben wahrzunehmen. Der Interpretationsrahmen der Rezeption ist abhängig vom sozialen, politischen und kulturellen Kontext eines einzelnen.


»Jedes Bild ist sozial. Jedes Bild wurde dafür gemacht, die Menschen zu sozialisieren. Interessanterweise könnte man aber sagen, daß es nicht-soziale Bilder in der Hinsicht gibt, daß sie eher die Tendenz haben, eine Distanz zwischen den Menschen zu schaffen. Und es gibt Bilder, die schaffen eine Annäherung, die Lust machen auf Diskussionen... Es gibt somit Bilder, die dazu da sind, Menschen zu trennen und andere, die dazu dienen, Menschen zusammenzubringen. Wenn wir also soziale oder auch kulturelle Bilder machen, dann deshalb, um Beziehungen und Diskussionen zu schaffen. Haben wir dieses verfehlt, sind das immer noch Bilder, die dem Individuum Fragen stellen. Und diese Fragen stehen immer in Beziehung zu seinem Platz in der Gesellschaft.« 15


Die Verknüpftheit von Sprache und Mitteilungen, mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen, mit Ungleichheiten und deren Reproduktion, liegt in der alltäglichen Wahrnehmung von Mitteilungen (vor allem visuellen Mitteilungen) jedoch meist unter der Oberfläche, so wie die Grammatik einer Sprache auch eher unterschwellig strukturiert, Regeln reproduziert. Neben den offen formulierten, sind es die ungeschriebenen Regeln, also die unterschwellig gesetzten bzw. kommunizierten Konventionen und Wertigkeiten in der Form von Mitteilungen, die die Normalität zum Ort der gesellschaftlichen Macht bzw. Machtreproduktion werden lassen.


Die Verkehrsformen, also die normativen Setzungen der Kommunikation, erscheinen sie noch so normal, spielen dabei eine wesentliche Rolle bzw. sind auch Ausdruck dessen. Der Lehrer sitzt vorne, die SchülerInnen auf Schulbänken in Reihen im Klassenraum. Der Lehrerpult und die Tafel definiert das Vorne im Raum, strukturiert die Blickrichtung und das Geodreieck des Lehrers ist riesig. Eine Diplomarbeit hat eine vorgeschriebene Form um vergleichbar und dann benotbar zu sein: »In der Theoretischen Diplomarbeit untersucht der Diplomand einen theoretisch relevanten Gegenstand, der in der Regel mit der praktischen Arbeit in Verbindung steht. Die theoretische Diplomarbeit ist jedoch kein Erläuterungsbericht zur praktischen Diplomarbeit. Bewertung: Die Bewertung der Arbeit erfolgt durch schriftliche Gutachten mit Benotung. Die Arbeit besteht aus folgenden Teilen:



(entspr. Reihenfolge) Titelblatt, Inhaltsverzeichnis, Texteil, Zitatennachweis, Literaturliste bzw. Quellennachweis…« usw. (Merkblatt zur Diplomprüfung, Kunsthoschschule Berlin ) ProfessorInnen sind die Lehrbeauftragten. Sie lehren die StudentInnen. Daß ProfessorInnen auch von und vor allem durch StudentInnen lernen, verschwindet hinter der praktischen faktischen Form der Kurse, Seminare und nicht zuletzt auch schon hinter ihrem Titel. Professoren die ihre Unwissenheit offen zeigen sind so unselbstverständlich, wie StudentInnen die Seminare vor Professoren abhalten, weil sie vielleicht Jenseits den universitären Betriebes ein Wissen haben, welches Lehrbeauftragte sich gar nicht haben aneignen können, da sie sich an anderen Orten bewegen. Ich war erstaunt zu beobachten, wie meine Kommilitonen innerhalb kurzer Zeit von nervig gackernden Anfangzwanzigern zu Kommunikationsdesignern mutierten …Was war geschehen? »Wir sind hier doch nicht an einer Fachoberschule, sondern an einer Universität« 16 An einer Kunsthochschule z.B., lernen StudentInnen nicht nur gewisse gestalterische Tätigkeiten, sondern lernen auch indirekt, nicht unbedingt sichtbar an der Oberfläche, eine Haltung die den gesellschaftlichen Konventionen ihres zukünftigen Berufsbildes entsprechen.


Das bedeutet, daß nicht nur die an einer Hochschule offensichtlichen Inhalte und Praktiken der Lehrveranstaltungen vermittelt werden, sondern daß die normativen Setzungen des Kontextes, der Unterichtsform ebenso an die StudentInnen vermittelt werden. »Man wird älter…« Die Selbstverständlichkeit, mit der dieses Regelwerk der normativen Setzungen funktioniert, ist schwer zu durchbrechen, bzw. zu dekonstruieren, da es sich hierbei meist nicht unbedingt um eine repressive, offensichtlich hierarchisch-autoritäre Form handelt, sondern eine großes Maß an Identifikation und Sicherheit, in diesem Fall für StudentInnen, angeboten wird. Es ist sozusagen die freiwillige Unterwerfung in ein System, welches sich in den alltäglichen Benimmregeln, der kulturellen Grammatik reproduziert, mit der Hoffnung auf und der auch schon faktischen Teilhabe an eben dieser Normalität der Komunikationsformen. Ist es ein »falsches Bewußtsein« welches die StudentInnen in diesem Beispiel hier treibt, oder die Lust an der Unterwerfung und Teilhabe ihrer selbst an diesem System, und später dann als KommunikationsdesignerInnen?


»Natürlich haben wir als zukünftig diplomierte KommunikationsdesignerInnen eine komplexere Ausbildung, als die anderen, die an einer Fachoberschule lernen…aus denen werden bestenfalls FließbandlayouterInnen oder VerpackerInnen« 17






Medien



»Schreiben über Medien wirft die Frage auf, woher die Schrift die Anmaßung nimmt, für andere Medien sprechen zu können. Die Schrift erscheint als Metamedium, das alle kommenden und gehenden Medien umfaßt. Die Idee der Ordnung, die der Sprache ihren Reiz verleiht, ist ein medialer Effekt, der prompt zerstört wird, wenn jemand über die Schulter mitliest.« 18 »Die Erfindung der Fotografie offenbarte, daß die Malerei so bezaubernd ist, weil die Leinwand nicht die Wirklichkeit zeigt; die Einführung des Films offenbarte, daß Photo seine Schönheit der mangelnden Bewegung entlehnt; der Tonfilm offenbarte, daß der Stummfilm erschüttert, weil er kein Geräusch macht. Und die Farbfilmer waren die führenden Köpfe der Ästhetik des »Film Noir«. Daraufhin machte das Fernsehen klar, daß all jene Filmformen ihre Attraktivität dem Schwarzen zwischen den Bildern entliehen. Und jetzt lehrt High Vision, daß Video etwas geboten hat, das im Moment verloren geht: die Ästhetik der Rasterzeile. Im Cyberspace werden wir uns bewußt werden, daß die Kraft der distanzierten Medien unsere Abstinenz auf dem Schirm war. Simstim zeigt uns anschließend, daß Cyberspace so angenehm war, weil es außerhalb unseres Nervensystems stattfand. Und ach, und so fort.« 19



20:30 Uhr. Aufgeschlossen. Den Anrufbeantworter abgehört, die Musikanlage eingeschaltet, gegen das Radio und für die Kassette entschieden, noch ein Espresso aus dem Thonetbecher und die Zeitung von heute, oder doch lieber die Wochenzeitung? Keine Lust zum Kochen. Nach der Zigarette zum Imbiss. Kreidetafelpreisliste, Falafel und an Israel und Palaestina gedacht, ja bitte mit Sauce, die Schlagzeilen. Ohrwurm im Ohr, die Tür wieder aufgeschlossen, die Anlage läuft noch und das Telefon klingelt, Internet, die Falafel schmeckt gut, zum Kino verabredet. Multiplex.



»Medien: Mittel, Mittelglied, Mittler/in, vermittelndes Element« Duden Fremdwörterbuch (»Notwendig für das Verstehen und den Gebrauch fremder Wörter«)



Ein Leben ohne Medien bzw. ein Leben außerhalb von Medien ist nicht vorstellbar. Medien sind Teil unserer Wirklichkeiten, insofern als daß sie in unsere sinnliche und rationale Wahrnehmung eingreifen, ihr dienen, wir gar nicht ohne Medien kommunizieren könnten. So wie Medien in unsere Wahrnehmung eingreifen, sie strukturieren bzw. dieser dienen, verändern und modifizieren sie unsere Vorstellung, das Bild von unserer Umwelt immer wieder aufs neue.



Medien als Träger bzw. Vermittler von Information, kann man unterscheiden in Distributionsmedien und Kommunikationsmedien. Nach dieser Unterscheidung wären z.B. Fernsehen, Radio und Printmedien Distributionsmedien. Telefon, Walkie Talkie, oder auch E-mail, Kommunikationsmedien. Kommunikationsmedien sind meist für den Gebrauch der Kommunikation zwischen zwei bzw. wenigen Menschen gedacht. Distributionsmedien hingegen sind Massenmedien, die der Verteilung von Information an viele dienen, zum Zwecke der sog. Massenkommunikation. Kommunikation bedeutet in ihrem Fall, sie »verteilen« von einer zentralen Stelle aus Information an viele. Das Sender/Empfängerverhältnis ist bei ihnen ein festgeschriebenes Verhältnis. Von einer Stelle aus wird gesendet (gedruckt, gelayoutet, gesprochen), und viele andere Stellen empfangen. Am Beispiel des Fernsehens: Vom Sendemast der Fernsehanstalt zur Empfangsantenne am Wohnhaus und von dort über die Mattscheibe auf den Sehnerv und das Trommelfell des Betrachters.



Massenmedien sind keine Medien, welche sich strukturell zum gleichberechtigten Dialog eignen können. Der große Teil der »Masse« sitzt in der Rezepientenrolle fest wird potentiell zum passiven Konsumenten bzw. kann sich nicht unmittelbar an dem Meinungsbildungsprozess beteiligen . Aus dem »Fenster zur Welt« (Fernsehen) kann man nichts hinaus rufen oder gar werfen. Ein, Aus oder ein Programm wechseln, Helligkeit, Kontrast und Farbe ist der Rahmen der Handlungsfähigkeit beim Gebrauch eines Fernsehgerätes. Einfach ein- und abschalten. Ab und an mal ein Wunschfilm. Die Sesamstraße ist eine Einbahnstraße. Es bleiben die Leserbriefe. »Die angekündigte Großdemo blieb jedoch aus, lediglich 300 Studenten demonstrierten zum Fernsehsender« »So konnten dort private Radiostationen und Fernsehsender aufgebaut werden, die, wenn auch vom der Regierung immer wieder unterschwellig drangsaliert, einigermaßen objektive Nachrichtensendungen ausstrahlten. Ein politisches Klima entstand, in dem über die Zukunft des Landes offen diskutiert werden konnte.«


Fernsehen: Wenn ich zu sagen pflegte: »Papa, ich möchte noch ein bißchen Fernsehen sehen«, dann korrigierte mich mein Vater: »Das heißt fernsehen!«


Fernsehen sehen: Irgendwer hatte bei der Fernbedienung des Satellitenrecievers aus Versehen den Tonkanalknopf, besser gesagt den Button, anstelle des Kanalsbutton gedrückt. Es überlagerte sich der stürmische Kommentar eines Reporters einer Fußballübertragung mit Nachrichtenbildern aus Beirut. Die Raketen schlugen ein. Schuss…und wir entschlossen uns noch eine Weile mit dieser Collage zu sein, bevor wir wieder ins Fernsehen umschalten würden.


Den Massenmedien als eine gesellschaftliche Institution wird in der Gesellschaft eine vermittelnde und meinungsbildende Rolle zugeschrieben. Sie bilden in diesem Sinne die öffentliche Meinung bzw. spielen eine Mittlerrolle zwischen Staat und Bürgern im Sinne einer »Vierten Macht« . Fernsehen, Radio und Presse repräsentieren die gesellschaftliche Öffentlichkeit und darüber hinaus auch immer das System der Macht, welches an der Macht ist. Seriosität, Objektivität, Fakten, Fakten, Fakten und immer an das Wohl, an die gut unterhaltende Informiertheit der ZuschauerInnen denken. Nach ihrem Anspruch wollen sie in unabhängiger Art und Weise Wissen über die Umwelt, die Welt vermitteln und Informationen zur Meinungsbildung zu Verfügung stellen. »damit sie mitreden können…« Wirklichkeit oder Realität erscheinen besonders in der politischen Berichterstattung als wertfreie Beschreibungen und Informationen. Alle, die sich einmal an einem Tag verschiedene Nachrichten auf verschiedenen Sendern angeschaut haben, sehen und wissen, daß jede Beschreibung eine Auswahl ist, daß jede Beschreibung eine Gewichtung ist, die andere wiederum ausläßt bzw. relativiert. Es gibt kein objektives Beschreiben. Ein Objektiv kann nur das abbilden, was das Subjekt hinter diesem auswählt, welcher Ausschnitt gewählt wird. Der zusätzliche Kommentar als auch der Kontext strukturiert die Lesart der Bilder, Worte usw. vor.


Die Beschreibung, also Konstruktion von »Wirklichkeit« ist somit immer ein politisches Unterfangen. Objektivität wird so nur ein anderes Wort für eine Hegemonie, für einen durchgesetzten Konsens, für das, was als Normal angesehen und gedacht wird.. Basisbanalitäten.





»Kommt man zu dem Schluß, daß eine gesellschaftliche Institution die Hegemonie einer bestimmten Klasse legitimiert und durchzusetzen hilft, während sie sich selbst als unparteiisch und allgemeingültig ausgibt, dann muß man diese Institution angreifen und den Mythos ihrer Objektivität erschüttern. Auf diesen Mythos beruft sich nicht nur die Fotografie, sondern jede Form journalistischer Berichterstattung in den herrschenden Medien, die sich als die Hüter der Wahrheit aufspielen…« 20


Die Vorstellung von gesellschaftlichen Verkehrsformen, Konflikten werden durch die Bilder und Kommentare be- und potentiell festgeschrieben. Eine Konditionierung bzw. eine Reproduktion, also Bestätigung »normaler« Wertigkeiten läuft analog zur der ästhetischen Verfasstheit des Programms, die die Wahrnehmungsmuster und Sehgewohnheiten anbietet. Dieses ist weniger als Manipulation zu verstehen, sondern vielmehr als eine Bestätigung dessen was die Rezepienten schon »mitbringen«, was und wie sie die Information selektiv sehen. Die Massenmedien funktionieren eher als Verstärker, denn als Manipulator.




Das alles interessiert uns im Juni 1987 nicht sonderlich. Wir entschieden uns, die Berichte über die große Anti-Reagan Demonstration in Berlin (West) doch lieber in der Aktuellen Kamera des Ostens, als in der Tagesschau des Westens zu sehen: Es war uns ein Vergnügen zu erfahren, ß das normale, objektiv und seriöse an der sogenannten Tagesschau beim Umschalten aufs Ostfernsehen einfach auseinander fiel. Gerade noch die Reisechaoten im Westfernsehen, waren wir nun die gerechten antiimperialistischen Kämpfer. Dennoch schalteten wir dann immer wieder zurück in den Westen, denn am meisten interessierten uns die Bilder von den Straßenschlachten, den Kommentar, das Wissen, ß das, was wir taten, das Richtige war, hatten wir selber.


»Ist es denn so interessant, diese Bilder zu verstehen? Die meisten Bilder, die für das Fernsehen produziert sind, haben nicht viel Sinn oder es sind Wiederholungen schon existierender Bilder. Das ist eine Art permanente Clownerie. Es gibt recht wenig Nachwirkung für die meisten dieser Sendungen. Selbst wenn man sich vorstellt, jemand macht eine Sendung, die etwas durchdachter ist, findet sie sich doch in einer Rahmenbedingung wieder, die praktisch den ganzen Sinn frisst. Das Fernsehen ist ein Kontext. Die Produzenten haben beschlossen,daß es ein Behälter ist, mit einem bestimmten Volumen – für das Fernsehen 24 Stunden, für ein Magazin 96 Seiten – und ob sie etwas zu sagen haben oder nicht: sie müssen es füllen…« 21


»Gegenwärtig sollte man mal beginnen, die Zahl der Bilder einzuschränken. Ich meine, daß es eine gute Sachen wäre, die Fernsehsendungen für einen Augenblick einzustellen und dann zu sagen: Denken sie jetzt bitte fünf Minuten nach, bevor Sie das, was dann kommt, ansehen! Man braucht das, denn Radio und Fernsehen senden 24 Stunden am Tag« 22


Was dann über die Medien kommuniziert wird, ist nicht mehr als der Wert der Kommunikation um der Kommunikation willen. Ein Selbstzweck, der jedoch manchmal die Vorstellung von unserer Umwelt, als etwas wie ein Film aussehen lässt, wie eine »Bilderflut« in der man vor Informationsüberforderung ertrinkt, in dem man schwerlich eine Rolle einnehmen oder vielleicht auch selber mal am Drehbuch schreibt?




»Es gibt sehr viele Leute, denen das Wort versagt bleibt, die niemals reden, die man niemals nach ihrer Meinung fragt. In der Öffentlichkeit zu Worte kommen, bedeutet also eine große Verantwortung, die man würdigen muß. In einer Welt, wo wir von Zeichen bombardiert werden, ist es vielleicht auch die Rolle von Gestaltenden, Antworten auf dieses Bombardement zu geben, mit Bildern, die einen Sinn haben, die das Auge reinigen, wie Roman Cieslewicz sagte« 23


Im ICE auf den Weg nach Irgendwo, immer die gleichen Smalltalk Kommentare der älteren, wohlwollend nickenden und lächenden Leute: »ist ja alles sehr faszinierend und so praktisch« mit Blick auf mein Laptop…Ich: »ja ja stimmt schon – ich bin immer auf Arbeit!« die Ironie meinerseits nicht verspürend, lächeln sie weiter und ihre Ehefrauen im Hintergrund noch viel wohlwollender…


Neue Medien, WWW und »Klick mich!«. Ausgestattet mit Multimedia, »mehr Kommunikation«, Interaktivität, in rasender Geschwindigkeit und mit »neuen Möglichkeiten« machen uns heute die neuen Medien fast schon vergessen, daß es noch vor gar nicht allzu langer Zeit CD, Video, Satelliten- und Kabelfernsehen es waren, die man als die Neuen unter den Medien bezeichnete. Kommunikation, Informationsbeschaffung, oder Unterhaltung, alles wird schneller und effizienter, die Arbeit geht fast von selbst, möchte man den Computerwerbungen gerne glauben schenken.




Informiert zu sein über die neusten Entwicklungen im Mikro-elektronikbereich ,ist eine Sache, an der besonders Menschen, die mit Medien arbeiten, kaum vorbei kommen. Aber auch für alle anderen gilt: Alle müssen sich beeilen, die Zukunft wartet nicht, »Wer jetzt den Anschluss verpaßt…«.


»Zunächst einmal ist es eine ganz individuelle Entscheidung, welche Medien du benutzt. Ob du am liebsten Briefe schreibst oder ein Fax benutzt oder gerne Bücher liest oder Fernsehen schaust oder Fernsehen machst, ist auf Dauer völlig beliebig. Man benutzt eben die Medien, mit denen man sich auskennt, mit denen man sich vertraut gemacht hat, die man lieb gewonnen hat und mit denen man umgehen kann. Das kann auch Theater sein. Es kann auch sein, daß Leute darauf stehen, daß sie in der realen Welt Demonstrationen und Veranstaltungen machen. Es wird übrigens immer mehr ein Luxus, das zu machen. Es wird immer wichtiger, sich im realen Raum zu treffen. Es ist ganz falsch zu sagen, daß die Leute ins Netz müssen. Das einzige ist, daß es billig ist und die Kommunikation beschleunigt.« 24



»Man kann die Gedanken nicht wie eine Ware behandeln. Die Gedanken brauchen Zeit. Sie müssen spazieren gehen können, sie brauchen Sackgassen, sie müssen umdrehen können, zurückkommen. Und je dringender etwas ist, desto mehr braucht es Zeit – paradoxerweise. Ich habe eine Theorie, die sagt: Es ist extrem dringlich, sich Zeit zu nehmen. Und andererseits: Wenn man wirklich in der Dringlichkeit arbeiten will, muß man sie in die Beständigkeit (Dauerhaftigkeit) einschreiben. Wenn du sie nicht in die Beständigkeit einschreibst, kannst du die Dringlichkeit nicht lösen.« 25



WWW, Webpages, Chatrooms, Email und andere Suchmaschinen als die neusten Errungenschaften der neuen medialen Wirklichkeiten und Kommunikationswelten. Neu entwickelte, dem Endverbrauchermarkt zugeführte, durch den Medienhype der letzten Jahre hell erleuchtet, sind es immer wieder die »neuen« Medien, die uns eben »Neues« und Neuestes bescheren. Nicht schlappe 20 bis 50 Fernsehprogramme kann ich heute wählen, sondern Millionen von Webseiten mit unterschiedlichster Information abrufen. Egal wo auf der Welt, es ist alles nur eine Telefonbuchse, ein paar Mausklicke »entfernt«. Multimedia, (wenn es sich auch nur im und am Computer abspielt) bedient verschiedene Sinnesorgane und lässt mich interaktiv in den Prozess der Kommunikation, der Vermittlung, der Mitteilung eingreifen. 011001010110 – »klicken sie bitte hier«, und andere Formen der Unterhaltung oder Wissenszufuhr scheinen uns eine andere neue Vorstellung von unserer Umwelt bzw. von uns in dieser zu eröffnen. Und so heißt der Umgang mit der »hardware« dann einfach mal »plug and play« und nicht plug and work…


Der Computer ist vom (digitalen) Werkzeug zur Erstellung von materiellen und immateriellen Produkten, zu einem Medium aufgestiegen, welches Kommunikation als auch Distribution von Informationen ermöglicht und darüber hinaus auch die Teilhabe/ nahme an der Zukunftsgesellschaft repräsentiert. Mein Arbeitsplatz ist somit kein Arbeitsplatz mehr, sondern eine kleine schwarze Kiste, ein mobiles Büro, ein Kleidungsstück aus der Modeabteilung von Apple Computer, namens Kraftbuch (Powerbook), in und mit dieser ich mir während, der Zugfahrt, »der Arbeit«, auch mal Videos ansehen kann, den Schreibtisch aufräumen, meine Briefe nach Datum sortieren, den Müll entleeren. Willst du meine Plakatsammlung (digitale Diashow) sehen? Den Ruhezustand aktivieren, oder doch E-mails checken …?



Neuen Medien wurden und werden immer spezifische gesellschaftsverändernde Eigenschaften zugesprochen. Sei es nur in der Welt der Medien, der medialen Öffentlichkeit als auch im Kulturellen, Sozialen, in der Alltagskultur. Für den Diskurs um Öffentlichkeit, steht heute im Vordergrund, die potentielle Auflösung des Sender-Empfängerverhältnisses durch das Internet und der größere Zugang zu Information für alle, bzw. alle die einen Computerzugang haben und auch das Wissen um diesen zu bedienen. Von der Struktur her, kann man sagen das das Internet das demokratischste Medium bisher ist, es ist sozusagen nun endlich das Radio, mit dem man senden kann. Und so ist es auch nicht verwunderlich, daß die Euphorie und Projektion in Bezug auf diese Medium in Teilen des Diskurses groß ist. Es scheint, wenn man manchen Texten Glauben schenken mag, als würde nun jeder User, jede Userin zum Sender und die »Zuschauerdemokratie« wandelt sich in eine »Mitmachdemokratie«. Alle sind gut informiert, und es wird auch schon an Wahlen via Internet gedacht. Freie Wahlen in Onlinesupermarktregalen. Die neue netzmediale Öffentlichkeit scheint sich also um die direkte Teilname potentiell aller am gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess zu erweitern, und ähnlich wie in der »alten Medienwelt« wird hier die Öffentlichkeit als ein neutraler Raum zur Meinungsbildung begriffen, bzw. beschrieben und konstruiert. Das diese imaginierte »Klickmichdemokratie« auch nicht das einlösen wird was sie verspricht, ist absehbar.


»Die Erinnerung an Brechts Radiotheorie führt offenbar dazu, sich die öffentliche Meinungsbildung und das Regieren als eine Art Chatgroup vorzustellen.« 26




Die zunehmende Kommerzialisierung des Internets, die Beschreibung des Netzes (also eines Kommunikationsmediums) als einen Markt und auch die Tatsache, dass der größte Teil seiner Nutzer weiße Mittelschichtsmänner sind, wirft ein Licht darauf, wie weit es her ist mit einer Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse durch die neuen Kommunikationstechnologien. »Der Utopie einer freien Informationsgesellschaft kommt kein Modell so nahe wie das Internet – aber auch dem Modell der freien Konsumgesellschaft, in der alles in aller Beliebigkeit zu finden ist.« 27

Neben den alternativen Netzwerken, den nun wachsenden »Gegenöffentlichkeiten«, der freieren Distribution von Information und der Möglichkeit Diskurse jenseits der Dominaz der Medienkonzerne zu organisieren, ist es eben vor allem der Markt, die Bereiche der Kundenbetreuung, der Marktforschung im Sinne einer Kundenbindung oder des Direktmarketings, der die spezifischen Eigenschaften des Internets am stärksten zu nutzen weiß. Die sog. Netzkultur, vom kreativen (Form-) Design über neue Interfacelösungen, die ein mehr an Partizipation versprechen (oder auch gar einlösen), hin zur Netzethik mit ihrer Moral und Wertvorstellungen, wird marginal bleiben solange sie nicht die (materiellen) Verhältnisse jenseits des Netzes in Frage


gestellt werden. Ohne eine Transparenz der gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse und eine Emanzipation bzw. Ermächtigung der »politikverdrossenen« Menschen wird auch das Internet keine paradigmatische Veränderung der Medienlandschaft vollziehen. Neue Kommunikationsformen bzw. Medien können eine Gesellschaft nur bedingt verändern, da die Ursachen der ungleichen Machtverhältnisse meist außerhalb der technischen und somit möglichen Kommunikationsformen liegen. Somit reproduzieren diese eher die vorherrschenden Bedingungen als das sie sich durch die Medien als auflösen würden. Die Form oder Technik an sich ist selten ein Schlüssel für emanzipatorische Veränderungen in der Gesellschaft. Erst in der praktischen Kritik, in der Suche nach Formen von gesellschaftlicher Kommunikation die Machtverhältnisse transparent machen und in der Konfrontation mit den ungleich machenden Verhältnissen ist ein emanzipatorischer Umgang und Nutzen von Medien denkbar und dann auch praktikabel.

»Mehr Kommunikation« steht auf der AOL CD, die ich nun behutsam in den CD Schlitten meines schon veralterten Computers lege und starte als die CD auf dem »Schreibtisch« erscheint, das


Installationsprogramm. Kommunikation ist gut. Und so scheint ein Mehr, welches AOL mir verspricht, auch nicht falsch zu sein, denke ich. Die Installation der neuen Software beginnt. Dummerweise hat dann dieses »mehr Kommunikation« ein adruptes Ende gefunden: 2 Minuten nach dem Starten der Installation, sagt mir eine freundliche Fehlermeldung das mein alter Rechner leider nicht genug Platz auf der Festplatte hat um die »Installation erfolgreich« zu Ende zu führen…

»Undurchführbar in dieser Gesellschaftsordnung, durchführbar in einer anderen, dienen diese Anregungen, der Propagierung und Formung einer anderen Ordnung« 28


Ende von Teil 1








Anhang


Filipps Bialetti auf einem WG Herd, Foto: Sandy k..

Buchumschlag, »Design Schnellkurs«, Dumont-Verlag

»Duden«, Fremdwörterbuch

Dampfmaschine, »Design Schnellkurs«, Dumont-Verlag

Stuhl/Sessel, Werbeanzeige mit Dame,1927, aus »20 centuy seats«

Das Olympische Dorf München 72, »Die Utopie des Designs« Kunstverein München, 1994

Menschen im Rechenzentrum Ambiente, Ort unbekannt

»Futuristisches und zweckmäßiges Design«, Werbeanzeige für High-Tech-Stuhl

Fortschritt, Telefonreklame von »Panasonic«


Obdachlosensichere Bank in Los Angeles, Mike Davis, »City of Quarz«, Berlin 1994

Spielfilmankündigung, Fernsehp rogrammzeitschrift

Designkerzenwerbung, »Drospa«, Hauswurfsendung

Großraumbüro und Andy Warhol, Frankfurt 1988

Freischwinger, Mies van der Rohe, »20 centuy seats«

Dieses Feld bleibt aus Produktionstechnischen Gründen frei.

Filipps Freischwinger im Abendlicht, Foto: Sandy k.

Thonetbecher auf Tageszeitung bei Morgenlicht, Foto: Sandy k.

...aber wahr, Werbeanzeige, »Apple Computer«


E-mail, Renate Lorenz, 19.11.00

U-Bahn in Berlin, Foto: Albert Zecheru

P. Bourdieu, »Die feinen Unterschiede«, 1979

Offensichtlich keine Audi- sondern eine Renault Werbung

»Brandeins«, Wirtschaftswundermagazin

Geldbörse, »group material«

Aller Wahrscheinlichkeit ein Zitat von Walter Zeischegg, ursprüngliche Quelle nicht mehr auffindbar

Gillo Dorfles, 1972, »Design Schnellkurs«, Dumont-Verlag

Werbung für WAP- fähige Handys, »Panasonic«


»Homeoffice«, Foto: Sandy k.

Dieses Feld bleibt aus Produktionstechnischen Gründen auch leer.

E-mail, Renate Lorenz, 19.11.00

Jenny Holzer, Installation

Man muß sich ganz schön verdrehen, auf dem neuen Markt

Ravensburger Kindercomputerwerbung, »Die Maus«, Bastei Verlag, 2000

»Page«, Computerwerbezeitschrift, 01.2000

Bruno Zevi über das deutsche Auftreten 1958 auf der Weltausstellung in Brüssel, »Design Schnellkurs«

»Die Utopie des Designs«, Kunstverein München, 1994


Gérard Paris-Clavel, »engagement & grafik«, Berlin 2000

Viagrapille, »colors«, Magazin

Werbefaltblatt, »Geo Magazin«, Hauswurfsendung, Berlin 2000

»et toi, ça va?«, Nous Travaillons Ensemble, Paris

Begrüßungsfenster von »AOL«

»E-Mail ist sicherer. E-Mail ist schneller. Und E-Mail kommt weltweit an«, GMX Offline Werbe Anzeige

Polizeitransparent, Prag, 2000, »Jungle World«, Wochenzeitung

Foto: Ian Berry, aus »Stern extra Deutschland«

Legofiguren bei Ringelpiez, Foto: Ralf Mueller v.d.Haegen


»MAX«, Lifestylemagazin

»point it«, Bildheftchen für die nonverbale Kommunikation auf Reisen

Auf dem Karneval der Kulturen, Berlin 1999, Foto: Sandy k.

Denn wir behalten den Überblick. Ganz sicher, »Debiltel«

»MAX«, Lifestylemagazin

»Der deutsche Duden«

»Eins in die Fresse«, Boxer mit WWW Werbung auf Rücken trifft Silvio Branco, 1999

Fontshop Werbung für eine glückliches Deutschland bzw. glückliche Familien, »immer die richtige Wahl«

Comic, Fotokopiefundstück, Berliner Fotokopierladen, 1995


Bild von einem Plattencover, Ursprünglich jedoch von einem Schild an Straßenübergängen in der Schweiz

Filmstill, »Krieg«, Programmheft, Schauspielhaus Hamburg, 1998

Kaffee kaufen?, »Tchibo«

Martha Rosler, »Drinnen, Dumherum und Nachträgliche Gedanken«

Foto: Shadi Gharidian, Teheran 2000

Kaja Silverman, Diplomarbeit, Eva Meier, KHB, 2000

Hahn von einer Hähnchentüte eines Imbiss

Der Bundespräsident kommt, »Stern«, Hamburg, 2000

»Krieg«, Programmheft, Schauspielhaus Hamburg, 1998


»17o-Zeitung für den Rest«, Hamburg 1994

Vincent Perrottet, »engagement & grafik«, Berlin 2000

StudentInnen der HDK Berlin in ihrer 630,–DM Agentur, »Taz«

Prof. Alex Jordan, Kunsthochschule Berlin Weißensee, 1998

und die etwas später folgende Reaktion eines Studenten, Kunsthochschule Berlin, 1998

»Merkblatt zur Berufskunde«, Bundesanstalt für Arbeit, 1984

Fax von A. Jordan, 15.8.2000

Fundstück: Miniplakat zum Verbot für große Plakate, Berlin 2000

Bücher ohne Regal zum stehen, Foto: Sandy k.


Agentur Bilwet, »Medien Archiv«, Bollmann Verlag, 1993

Agentur Bilwet, »Medien Archiv«, Bollmann Verlag, 1993

»Krieg«, Programmheft, Schauspielhaus Hamburg, 1998

»ich bin, – bin ich...?«, B. Becker grinste noch als die Auswahl für dieses Bild gefällt wurde

Abbildung auf einer Verpackung die eine Fernsehantenne beinhaltete

Foto von einem Flyer aus Istanbul, Filmankündigung 2000

Das »ganze« Bild, wie es aus einem Bildticker in einer Zeitungsredaktion gekommen ist...

Das Zweite zeigt den Beschnitt in der Tageszeitung »Junge Welt«

Und das dritte zeigt den Ausschnitt wie ihn die Tageszeitung »Taz« gerne sehen würde


Eine US-Amerikanische Musterfamilie, »Stockbyte« Bildkatalog

»Menschen machen Medien«, Zeitschrift der IG-Medien

Fundstück (Fotokopie), Ursprung leider nicht mehr rekostruierbar

Martha Rosler, »Drinnen, Dumherum und Nachträgliche Gedanken«

Vincent Perrottet, »engagement & grafik«, Berlin 2000

»Pokemon«

Pascal Colrat, »engagement & grafik«, Berlin 2000

»Krieg«, Programmheft, Schauspielhaus Hamburg, 1998

Wie passt dieser Mann so symphatisch, locker und mit Spaß an der Arbeit in diese Telefonzelle?, »Toshiba«, Werbung


Geert Lovink, Interview, Netzfundstück, WWW 2000

»colors«, Magazin

Gérard Paris-Clavel, »engagement & grafik«, Berlin 2000

Datenraum mit Menschen, Quelle unbekannt, 1999

M. Ghandi (ohne i-book) an einer Berliner Hausfassade, Werbung, »Apple Computer«

Aus dem Benutzerhandbuch für eine Computer TV-Karte

Benjamin Hickethier zitiert Prof. Dr. Knut Hickethier

Eine Demonstration mit vergrößerten Faxen aus aller Welt, »appel antinucleaire par affiches telecopies«, 1996

G. Hooffacker, »Macht der Manipulation«, Webveröffentlichung, Gottfried Oy


B. Brecht, »Der Rundfunk als Kommunikationsapparat«, Kursbuch Medienkultur, 1999

Werbung auf der Rückseite eines Magazins, welches vom Surfer D. Carson schön gemacht wurde, »Apple Computer«

Spirale, »mecranorma«, Buchstabenkatalog




Ein Sampler von Sandy k. bildwechsel @ gmx.net Berlin 2001 Auflage: 500 Stk. Lithos: Satzart Bindung: Villwock Druck: KHB


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