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Wir sind der Asteroid

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BIORAMA 66

BIORAMA 66

Wir sin der Ast

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Wir erleben gerade das sechste große Artensterben der Erdgeschichte. Doch diesmal sind weder Vulkane noch Asteroiden schuld.

Weltweit ist jede vierte Art wegen des Klimawandels und fehlendem Lebensraum vom Aussterben bedroht. Die Ursache: wir. Aussterbeereignisse wie das Artensterben, das wir heute erleben, sind zwar per se nichts Neues. Dass jede vierte Art weltweit vom Aussterben bedroht ist, ist allerdings zum ersten Mal die Schuld einer einzigen Art – des Homo sapiens.

Der niederländische Meteorologe Paul Crutzen schlug deshalb schon im Jahr 2000 vor, dem Erdzeitalter, in dem wir jetzt leben, einen neuen Namen zu geben. Wir befänden uns längst nicht mehr im Holozän, wie bisher von GeologInnen angenommen. Der Mensch sei jetzt eine treibende geologische Kraft, die die Erde nachhaltig verändert, weswegen wir uns bereits seit der »great acceleration« in den 1950er-Jahren, der »großen Beschleunigung« der Globalisierung und damit der menschengemachten Treibhausgasemissionen, im sogenannten Anthropozän befänden.

Oz eane als Puff er fü r den Treibhauseff ekt Vergleichbar ist die heutige Situation mit dem letzten großen Artensterben, dass die Erde erlebt hat: das Aussterben fast aller Dinosaurier und vieler anderer Arten vor 66 Millionen Jahren. Damals schlug der Asteroid Chicxulub auf der Halbinsel Yucatán ein. Lokal führte der Impact zu Tsunamis und Waldbränden, weitaus verheerender waren jedoch die Folgen für das Klima. Der Kalk, der sich im ChicxulubKrater befand, erhitzte sich und stieg als gasförmiger Schwefel in die Atmosphäre. Die so entstehenden Schwefeltröpfchen hielten jahrelang das Sonnenlicht davon ab, die Erde zu erreichen. Ein langer, kalter Winter war die Folge. Zudem fiel der Schwefel als saurer Regen ins Meer, wodurch die Kalkalgen – ein Grundnahrungsmittel für andere Tiere und essenziell für den Kohlenstoffkreislauf der Erde – ausstarben.

Auch heute sind Ozeane die größten CO 2 -Speicher und damit Lebensgrundlage für Pflanzen, Tiere und Menschen. Fielen die Ozeane als »Puffer« für den Treibhauseffekt weg, hätte das verheerende Folgen für das Klima und alle lebenden Arten.

Artensterben meist durch Klima verursacht Man könne das durch den Asteroideneinschlag verursachte Artensterben nicht hinsichtlich der Geschwindigkeit der Ursachen und auch der Konsequenzen mit dem Einfluss des

Die Timeline des Aussterbens

vor 444 Mio. Jahren Die Erde kühlte kurzfristig stark ab, der Meeresspiegel sank um 70–100 Meter und legte Schelfmeere trocken.

Gleichzeitig falteten sich Gebirge auf, deren Verwitterung CO 2 aus der Atmosphäre zogen und die Erde weiter abkühlten und viele Faunengruppen (ca. 85 % aller Arten) starben aus. Eine Million Jahre später wurde es wieder warm.

vor 383–359 Mio. Jahren Wiederholte Sauerstoffarmut und steigende Meeresspiegel gefolgt von globaler Abkühlung führten dazu, dass zwischen 80 und 90 Prozent aller Meerestierarten ausstarben.

vor 252 Mio. Jahren Vulkane fluteten Sibirien mit Lava, wodurch große

Mengen an Treibhausgasen freigesetzt wurden und sich die Erde erhitzte. 96 Prozent aller Arten in den Meeren und ca. 75% aller Landbewohner, von denen wir Fossilien haben, wurden innerhalb von 60.000 Jahren ausgerottet.

vor 201 Mio. Jahren

Starker Vulkanismus, Versauerung der Ozeane und sinkende Meeresspiegel sorgten dafür, dass 75–80% aller Arten sowie 95 Prozent der Riffe verloren gingen.

vor 66 Mio. Jahren Ein Asteroid schlug auf der Erde ein, Vulkanstaub und Schwefel wurden freigesetzt und kühlten die Erde ab, der Kohlenstoffkreislauf der Meere brach zusammen.

Drei Viertel aller Arten starben aus.

Heute Der Mensch wird zu einer geologischen Kraft. Noch nie hatten wir eine größere Chance, die eigene Zukunft und die der

Erde zum Besseren zu verändern.

menschlichen Verhaltens auf die Artenvielfalt vergleichen, »sehr wohl aber hinsichtlich seiner Auswirkungen«, betont Jürgen Kriwet, Paläontologe an der Universität Wien. Fast jedes der fünf Massensterben, die die Erde gesehen hat, wurde durch Änderungen des Klimas und der Lebensbedingungen verursacht, oft ausgelöst durch Vulkane und Veränderungen des Meeresspiegels. Beim letzten großen Artensterben ging es den Dinosauriern relativ schnell an den Kragen, andere Aussterbeereignisse dauerten Hundert tausende Jahre. Mit einem Viertel bedrohter Arten auf der Welt stellt sich die Frage, wie lange das sechste Massensterben dauern könnte – und ob das Anthropozän dann vorbei ist.

Denn je mehr Arten aussterben, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass Nahrungsketten und damit auch der Kohlenstoffkreislauf zusammenbrechen. »Je mehr man Ökosysteme degradiert, desto höher ist das Risiko, dass immer stärkere Auswirkungen zu beobachten sind, die nicht kompensierbar sein werden«, fasst Franz Essl, Biodiversitätsforscher an der Universität Wien, zusammen.

Nur ein Teil der Timeline Es ist unmöglich zu sagen, wann dieser Kipppunkt erreicht sein wird. Zu komplex sind die verschiedenen Ökosysteme der Erde und die Rolle aller Arten in diesen. Klar ist allerdings, dass die Menschheit nicht mehr erleben wird, dass sich die Artenvielfalt wieder erholt. »Was wir heute verlieren, ist aus menschlicher Zeitperspektive heraus verloren«, so Essl.

Betrachtet man die Artenvielfalt im Kontext der Erdgeschichte, sieht man, dass die Biodiversität über Jahrmillionen, mit Ausnahme der fünf großen Einschnitte, graduell zugenommen hat. Der sechste große Einschnitt des Anthropozäns reiht sich auch nur als kleiner Strich in die Timeline der Erdgeschichte ein. Nach jedem dieser Einschnitte hat sich die Artenvielfalt auch irgendwann wieder eingependelt. 400.000 Jahre nachdem der Asteroid einschlug und alle großen Säugetiere ausstarben, kehrten sie in Form von ähnlichen Arten zurück. Aus PaleontologInnensicht ist das kurz – »Die Situation hat sich relativ schnell normalisiert. 400.000 bis 700.000 Jahre nach dem Ereignis gab es bereits wieder große Säugetiere«, fasst es Jürgen Kriwet zusammen.

Zukunftsprognosen ernst nehmen Dass die Artenvielfalt sich nach dem Anthropozän in jedem Fall wieder erholen wird, mag manchen ein Trost sein. Aussterbeereignisse können rasch erfolgen, die Entstehung neuer Arten dauert jedoch viel länger, nämlich Hunderttausende bis Millionen von Jahren. Das seien für uns Menschen irrelevante Zeiträume, meint der Biodiversitätsforscher Franz Essl: »Wichtig ist, das Überleben der Gesellschaft in den nächsten Jahrhunderten zu sichern.« Ausschlaggebend dafür seien die Handlungen, die wir in den nächsten Jahrzehnten setzen, denn ohne ambitioniertes Gegensteuern wird sich die Situation nur stetig verschlechtern. »So gravierend das, was wir bis jetzt erlebt haben auch ist, ist es doch nur der Vorbote dessen, was sich in den nächsten Jahrzehnten stark verschärfen wird«, warnt Essl. Die Handlungsanweisungen an Politik und Gesellschaft seien klar, die Forschung ist sich einig: »Man kann nicht behaupten, dass es ein leichter Weg sein wird. Der andere Weg führt aber längerfristig in eine Welt, die wir uns so sicher nicht wünschen.« .

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