3 minute read

Das dunkle Volk

Das dun kle

Advertisement

Text Thomas Weber

Volk

Mitte des 20. Jahrhunderts stellte die Dunkle Biene noch die Hälfte des Bienenbestands nördlich der Alpen – heute nur mehr ein Prozent.

Die urtümliche »Dunkle Biene« droht auszusterben. Nun soll die gezielte Vermarktung des »dunklen« Honigs das

Verschwinden dieser Ur-Honigbiene verhindern.

Eine Biene ist eine Biene ist eine Biene? Das war zumindest nicht immer so. Wie bei anderen Nutztieren hat sich die Leistungszucht auch bei den Honigbienen auf wenige Rassen konzentriert. In Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol dominiert deshalb seit Jahrzehnten die Carnica-Biene (Apis mellifera carnica). Die Imkerei setzt zu 99 Prozent auf diese Rasse. Doch die Carnica-Biene war nicht immer allein auf weiter Flur. Noch 1950 gehörte gut die Hälfte aller Honigsammlerinnen der urtümlichen Bienenrasse Apis mellifera mellifera an, für die sich ihrer dunklen Panzerfärbung wegen der Name »Dunkle Biene« einbürgerte. In der Schweiz macht die Dunkle Biene auch heute noch geschätzt zehn Prozent der Bienenpopulation aus. Doch durch die intensive Verdrängungszucht ist das nördlich der Alpen einst bis hinauf nach Irland und Skandinavien verbreitete Tier heute bis auf wenige Restbestände fast verschwunden. Das Ziel der paar Dutzend ZüchterInnen in Deutschland und Österreich ist deshalb die reine Erhaltungszucht, damit die seltene Genetik nicht ganz verloren geht. Die könnte sich in Zukunft als überaus nützlich erweisen. Zwar weniger wegen ihrer besonderen Winterhärte. Doch die Dunkle Biene zeichnet sich durch besondere Anpassungsfähigkeit aus. »Sie kommt mit Witterungsrückschlägen gut zurecht«, weiß Hobbyimker Dietmar Eppenschwendtner, der südlich von Salzburg dreißig dunkle Völker hält. Sie seien sparsam und »einfach haushälterischer, was die Honigvorräte betrifft«. Der Bienenkundler Friedrich Ruttner beschrieb ihre »extreme Vorsicht als Überlebensstrategie in einer harten Umwelt«. Zwar sei sie sanftmütig, dafür am Flugloch besonders verteidigungsbereit – etwa gegenüber räuberischen Wespen und Hornissen. Dass sie über einen starken Putztrieb verfügt, könnte sich als hilfreich beim Befall durch Varroamilben erweisen. »Könnte vielleicht«, betont Eppenschwendtner. Es fehlt schlicht an Forschung.

Die Zucht indes gestaltet sich als schwierig. Bei einem frei fliegenden Insekt, dessen Paarung in der Luft stattfindet, lässt sich schwer kontrollieren, auf welche Drohnen eine

Buchtipp »Mein Bienengarten. Bunte Bienenweiden für Hummeln, Honig- und Wildbienen« von Elke Schwarzer erscheint 2020 in einer überarbeiteten und erweiterten Auflage im Ulmer Verlag. »Bio-I mkern in der Stadt und auf dem Land. Monat für Monat durchs Bienenjahr« von Dietmar Niessner, 2018 im Löwenzahn Verlag erschienen, etabliert sich als Standardwerk der Bioimkerei. Der Verein AMZ (Austrian Mellifera Züchter) informiert unter dunkle-biene.at über Apis mellifera mellifera, der Zuchtverband Dunkle Biene Deutschland e. V. auf dunkle-biene.com. Auf YouTube betreibt KaiMichael Engfer den Kanal »Nordbiene«.

»Auf bestimmte Eigenschaften der Dunklen Biene, etwa Resistenzen gegenüber Krankheiten, wird man in der Zucht womöglich einmal zurückgreifen müssen.« — Dietmar Niessner,

Bioimker

Königin abfliegt. Schutzgebiete, in denen sich die Imkerei ausschließlich dunklen Völkern verschreibt, wären sinnvoll. Durchsetzen ließen sie sich allerdings nur mit politischem Willen und entsprechenden Vorgaben. Theoretisch lässt sich ein jedes Bienenvolk in ein dunkles Volk verwandeln – einfach, indem eine entsprechende Königin eingeschleust und die alte entfernt wird. Einstweilen behilft man sich mit künstlicher Besamung und geografisch geschützten Belegstellen, um die Dunkle Biene am Leben zu erhalten. Gerade bei Nutztieren schafft genetische Vielfalt Stabilität. »Auf bestimmte Eigenschaften, etwa Resistenzen gegenüber Krankheiten, wird man in der Zucht womöglich einmal zurückgreifen müssen«, sagt Bioimker und Buchautor Dietmar Niessner. Er selbst arbeitet zwar mit Carnica-Bienen, hält den Erhalt ihrer dunklen Schwestern aber für essenziell – »weil man nie weiß, welche Eigenschaften man einmal braucht«.

Der Bewusstseinsbildung zuträglich sein könnte, dass künftig Banderolen am Glas auf die urtümlichen Sammlerinnen des Honigs hinweisen sollen. Im Gegensatz zur Sammlerin selbst ist der Honig zwar nicht dünkler als von anderen Bienen. »Ein Produkt zu bekommen, das von einer Population stammt, die nur ein Prozent zur gesamten Honigproduktion beiträgt«, vermutet Imker Eppenschwendtner, »das wäre aber an sich schon etwas Besonderes«.

N A T Ü R LIC H

S A U B E R

FÜR DICH

Gemeinsam säen für mehr Artenvielfalt

mit Bio-Saatgut

This article is from: