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Ökostrom oder Ökosystem

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Lebendiger Winkel

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Wasserkräftemessen: Wie lassen sich Klima- und Naturschutz in Fragen um Wasserkraftprojekte vereinbaren?

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Helena Zottmann B eim Thema Wasserkraft stehen die Fragen zu Klima- und Naturschutz oft im Gegensatz. Besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbaute man den Alpenraum mit Wasserkraftanlagen und zapfte so gut wie jeden Flusslauf für die Stromgewinnung an. Anlässlich des kürzlich begonnenen Baus des Kraftwerks TumpenHabichen an der Ötztaler Ache in Tirol wurden in Österreich wieder Vor- und Nachteile der Wasserkraft öffentlich diskutiert – wenn auch abgelenkt durch eine frauenfeindliche Entgleisung des Tiroler Landeshauptmannstellvertreters bei der Übergabe einer wwfPetition. Nicht alle Wasserkraftprojekte sind so umstritten, umstritten ist aber die grundsätzlichere Frage, ob die Potenziale der Wasserkraft im Alpenraum nicht längst erschöpft sind.

Strom aus dem Stau Wasserkraftanlagen sind Querbauwerke in Fließgewässern, die das aufgestaute Wasser durch Turbinen laufen lassen und so Strom aus erneuerbarer Quelle generieren. Aber sie sind ein gravierender Eingriff in die Natur. Schon im 19. Jahrhundert war man sich bewusst, dass beim Bau von Kraftwerken auch die Ökologie und die Flussdurchgängigkeit für die Wasserlebewesen bedacht werden müssen. Mitte des 20. Jahrhunderts vergaß man zugunsten wirtschaftlicher Interessen ein wenig darauf. Es entstanden unpassierbare Querbauwerke, die man nun nachträglich ökologisieren muss. Erst seit 20 Jahren sorgen EU-weite Steuerungsmechanismen wie die EU-Wasserrahmenrichtlinie (eu-wrrl) für eine Ökologisierung der Wasserkraft.

Neubauten müssen inzwischen Kriterien erfüllen, alte Bauwerke müssen nach und nach ökologisch saniert werden.

Keine Frag e der GröSS e Die Kleinwasserkraft macht den größten Teil der Querverbauungen im Alpenraum aus, bringt aber gleichzeitig einen verhältnismäßig geringen Energie-Output. NaturschützerInnen kritisieren deshalb genau diese Bauwerke, denn egal ob groß oder klein, solange eine Querverbauung nicht zumindest mithilfe von Wanderhilfen durchgängig gemacht wird, ist

Gut, mäSS ig, schlecht – Was ist ein guter öko log ischer Zustand? In gutem oder sehr gutem Zustand befinden sich Gewässer gemäß europäischer Wasserrahmenrichtlinie (eu-wrrl), wenn sie möglichst naturnah, nicht künstlich verändert und die Wasserqualität sowie der chemische Zustand gut sind. Seit dem Jahr 2000 verpflichtet die EU-Wasserrahmenrichtlinie die EU-Mitgliedsstaaten dazu, einen Maßnahmen- und Managementplan für die Instandhaltung und Verbesserung der Gewässerzustände vorzulegen und die Ergebnisse zu dokumentieren. Die Schweiz ist zwar nicht im Rahmen der eu-wrrl verpflichtet, hat aber eine größtenteils konforme Gesetzgebung. In Österreich sind fast alle Seen in einem guten oder sehr guten Zustand hinsichtlich der Wasserqualität, hinsichtlich der sogenannten hydromorphologischen Qualität – also der Verbauung und Durchgängigkeit speziell von Fließgewässern – gibt es aber großen Handlungsbedarf.

Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot

Die EU-Mitgliedsstaaten sind dazu aufgerufen, einen »guten ökologischen Zustand« der Gewässer herbeizuführen oder den Zustand zumindest nicht zu verschlechtern. Die Gewässer werden regel

mäßig überprüft und die Ergebnisse veröffent

licht. Werden die Ziele nicht erreicht, drohen den Mitgliedsländern Vertragsverletzungsverfahren auf EU-Ebene und mögliche Geldstrafen.

Ökologischer Zustand der Fließgewässer in Deutschland und Österreich

Deutschland

0% Sehr gut 7% gut 36% mäßig 34% unbefriedigend 20% schlecht 3% keine Bewertung

Österreich

15% Sehr gut 22% gut 32% mäßig 13% unbefriedigend 4% schlecht 2% Potenzial: gut und besser 10% Potenzial: mäßig und schlechter 2% keine Bewertung

BioHof Fest 20 Jahre BioKistl am 5. & 6. September

Vor 20 Jahren haben Sigrid und Gerhard das BioKistl mit einem kleinen, engagierten Team aus der Taufe gehoben. Feiere gemeinsam mit uns am 5. und 6. September 2020 ein buntes Fest anlässlich dieses Jubiläums. Livemusik, vielfältige AusstellerInnen und köstliche Bio Speisen erwarten dich. www.adamah.at/biohoffest

DEUTSCHL AND • Kraftwerke gesamt: 7600 (2019) • Gesamtenergieerzeugung pro Jahr: 21,8 TWh (2012) • Davon Kleinwasserkraft (bis 1 MW*): 6250** • Energieerzeugung der Kleinwasserkraft: 20% • Ausbaupotenzial: 5 TWh/80% genutztes Potenzial • Wasserkraftanteil am Bruttostrommix: 3% • 80% der Wasserkraft in Süddeutschland (Bayern & Baden-Württemberg) • Quellen: Umweltbundesamt.de, Potenzialanalyse des deutschen Bundesministeriums für Umwelt 2010 3% Wasserkraft 6,1% Photovoltaik

7% Biomasse

2,8% Wind offshore

13,3% Wind onshore 6,1% Hausmüll

BRUTT O- STR OMMI X (ABE G e.V. 2018)

14,4% Steinkohle 13,1% Erdgas

11,6% Atomenergie

22,6% Braunkohle

SCH WEIZ • Kraftwerke gesamt: 650 (über 300 kWh) • Gesamtenergieerzeugung pro Jahr: 36,3 TWh • Davon Kleinwasserkraft: k. A. • Leistung KWK: k. A. • Ausbaupotenzial: 1,15 TWh bis 2035 (95% genutztes Potenzial) • Wasserkraftanteil am Bruttostrommix: 55% • Quelle: Bundesamt für Energie Schweiz 2018

2,7% Thermische Kraftwerke (fossil)

36,1% Atomkraft BRUTT O- STR OMMI X [Gesamt- energiestatistik, VSE 2018]

5,7% Weitere erneuerbare Energien (Photovoltaik, Wind) 25% Laufkraftwerke (Wasserkraft)

30,4% Speicherkraftwerke (Wasserkraft)

*Die Grenzen werden willkürlich gezogen. ** Deutschland führt kein zentrales Register aller Wasserkraftanlagen, daher kann die Zahl nicht exakt angegeben werden. Quelle: Umweltbundesamt

ÖSTERREICH • Kraftwerke gesamt: 5200 • Gesamtenergieerzeugung pro Jahr: 41,2 TWh (2018) • Davon Kleinwasserkraft (bis 10 MW*): 4000 • Energieerzeugung der Kleinwasserkraft: 6 TWh • Ausbaupotenzial: zwischen 2 TWh und 11 TWh bis 2030/70% genutztes Potenzial • Wasserkraftanteil am Bruttostrommix: 60,5% • Quellen: Österreichs Energie, WWF Studie Ener giewende und Gewässerschutz 2018, Pöyry Wasserkraftpotenzialstudie 2018, kleinwasserkraft.at

5% Biomasse

9% Wind 1% Photovoltaik 0,5%Sonstige

24% Thermische Kraftwerke (fossil) BRUTT O- STR OMMI X (E-Control 2019)

60,5% Wasserkraft

sie ein unüberwindbares Hindernis für Wasserlebewesen. »Will man heute ein Kraftwerk bauen, fließt ungefähr ein Drittel der Kosten in die ökologischen Maßnahmen wie Fischaufund -abstiegshilfen sowie Biotope«, sagt Patrick Kohlhofer vom Stromanbieter Mein Alpenstrom. Mein Alpenstrom bietet ausschließlich Strom aus regionaler Kleinwasserkraft an. Ein Fluss ohne Querbauwerk wäre natürlicher, meint auch Kohlhofer, allerdings betont er: »Das Kleinwasserkraftwerk ist, wenn unsere strengen Kriterien erfüllt wurden, ein Stromproduzent mit geringeren Auswirkungen auf die Natur als viele andere Stromquellen.« Ob insgesamt nicht eher auf andere Erneuerbare gesetzt und bei der Wasserkraft mehr über Rückbauten gesprochen werden sollte? Kohlhofer rät zu reiflicher Überlegung, »ob man ein bisschen Energie in die Revitalisierung von alten Kraftwerken steckt, um diese ökologisch noch verträglicher zu machen, oder um einiges mehr Energie in den Neubau von Kraftwerken investiert«. Die Herausforderung liege in der Reduktion des Verbrauchs: »Die Debatte sollte über den Verbrauch von Energie geführt werden und darüber, worin wie viel Energie steckt.«

Mod ernisierung nötig Je nach Studie und Szenario könne man in Österreich noch eine Leistung von 2 TWh – sagt etwa Greenpeace auf der Naturschutzseite – bis 11 TWh – sagt mit Pöyry die Industrieseite – aus dem Wasser holen. Johannes Kostenzer von der Umweltanwaltschaft Tirol spricht dem Ausbau der Wasserkraft zwar noch ein gewisses, auch ökologisch vertretbares Potenzial zu, aber: »Flussabschnitte, die für die Wasserkraft noch lukrativ wären, sind durchgehend sehr seltene und schützenswerte bedrohte Gewässerabschnitte.« Technische Erneuerungen könnten hier aber die Kombination von Ökologie und Stromgewinnung schaffen. An einem geschützten Flussabschnitt der Loisach, einem Isar-Zufluss in Bayern, ging im Juli 2020 das erste Schachtkraftwerk ans Netz, das mit seiner Bauart Fische und andere Gewässerlebewesen sicher auf- und absteigen lässt. Im Gegensatz zu Auslaufkraftwerken, bei denen der Fluss durch die Turbine geleitet wird, ist beim Schachtkraftwerk die Turbine im Flussbett versenkt, diese erzeugt einen gerin

kWh = Kilowattstunde = 1000 Watt mal 1 Stunde; Eine Wattstunde ist jene Energie, die innerhalb einer Stunde verbraucht oder erzeugt wird. TWh = Terawattstunde = 1.000.000.000 (eine Milliarde) Kilowattstunden oder 1.000.000.000.000 (eine Billion) Wattstunden; Zum Einordnen: Ein Haushalt mit vier Personen in Österreich oder Deutschland benötigt im Jahr ca. 4000 kWh (ohne Warmwasser).

MW = Megawatt = 1 Million Watt; Watt ist die Einheit der Leistung. Ein Kraftwerk mit einer Leistung von 10 Megawatt erzeugt in einer Stunde 10 Millionen Watt Energie, die von KonsumentInnen verbraucht werden kann.

Bruttostromerzeugung: jener Strom, der inklusive der Betreibung der Kraftwerke erzeugt wird; Kraftwerke haben einen Eigenbedarf an Strom.

Umweltanwaltschaft

Jedes österreichische Bundesland hat eine eigene Naturschutz- oder Umweltanwaltschaft, von der die Anliegen der Natur und der Umwelt vertreten werden.

Kleinkraftwerk Letten (Zürich, Schweiz) Die Einhaltung ökologischer Kriterien – wie einer funktionierenden Fischaufstiegshilfe – brachte dem Kraftwerk Letten im Zentrum Zürichs eine Zertifizierung mit naturemade star.

Kleinkraftwerk Stanzertal (Tirol, Österreich) Als positives Beispiel für gelungene Kleinwasserkraft bezeichnet die Umweltanwaltschaft Tirol das Projekt im Tiroler Stanzertal, das einen bereits künstlich verbauten Flussabschnitt ökologisieren und wirtschaftlich nutzbar machen konnte. gen Sog nach unten, den die Fische passieren können. »Es gibt kaum eine Kraftwerksart, die so intensiv untersucht wurde wie das Schachtkraftwerk«, meint der Professor für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der TU München, Peter Rutschmann, der das Projekt entwickelte. Derzeit könne man mit der Technologie 10-MWAnlagen realisieren, bei »relativ geringen Auswirkungen« auf die Tierwelt.

GroSS es Po tenzial fü r öko log ische Mod ernisierung Vor allem in der Sanierung gibt es großes Potenzial der Effizienzsteigerung – bei gleichzeitiger Ökologisierung. Auch in der Schweiz sieht man dringend nötige Investitionen: »Bei der Wasserkraft haben wir vor allem noch einen sehr, sehr großen Bedarf hinsichtlich der Ökologisierung der Anlagen«, sagt Ursula Stocker von der Geschäftsstelle des Schweizer Gütesiegels naturemade, das Wasserkraftanlagen zertifiziert. Die zahlreichen »künstlichen« oder »erheblich veränderten« Gewässerabschnitte führten insgesamt zu einem »mäßigen bis schlechten Zustand« der Fließgewässer im Alpenraum und zeigten, dass bei der Wasserkraft in der Vergangenheit auf die Einhaltung ökologischer Kriterien in den allermeisten Fällen vergessen wurde. In »gutem Zustand« sind heute nur mehr wenige Flussabschnitte und die liegen meist in geschützten Gebieten. »Die Wasserkraft ist gut, wenn man sie mit ökologischen Kriterien verheiratet«, meint Ursula Stocker. Mit technologischen Innovationen könnte dieser Spagat geschafft werden, allerdings mehren sich damit aufseiten des Naturschutzes auch die Befürchtungen, dass in geschützten Gewässern noch weitere – wenngleich umweltverträglichere – Kraftwerke gebaut werden.

Schachtkraftwerk Loisach (Bayern, Deutschland) In Bayern ging das weltweit erste Schachtkraftwerk ans Netz. Die Turbine wird dabei in einem Schacht im Flussbett versenkt, sodass die Gewässerlebewesen darüber flussabwärts wandern können. Flussaufwärts wurden Fischaufstiegshilfen installiert. Das Kraftwerk erfüllt so strenge ökologische Kriterien, dass es in einem Natura-2000-Gebiet genehmigt werden konnte.

Kleinkraf twerk Letten (Zürich) Schachtkraf twerk Lo isach (Bayern)

Kleinkraf twerk Stanzertal (Tirol)

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