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Der Friedhof als Lebensraum
Der drollige Feldhamster, der sich kalorienreiches Grabkerzenwachs gönnt, begeisterte bereits ein Millionenpublikum. Launig kommentiert von Star-Tierfilmer David Attenborough repräsentierte er in der BBC-Reihe »Seven Worlds, One Planet« die Biodiversität des europäischen Kontinents. (Nachzusehen ist die Episode auf YouTube: »Wild Hamster
Has A Graveyard Feast«.) Früher eine Allerweltsart ist der Feldhamster heute in seinem angestammten Lebensraum – also auf Wiesen und Äckern – sehr selten geworden. In Städten aber fühlt er sich mancherorts wohl; besonders auf Friedhöfen hat er einen letzten Rückzugsraum. Hier gibt es keinen Nutzungsdruck auf die Landschaft. Die ist zwar künstlich geschaffen, aber strukturreich, naturnah und ruhig. In der Bestattungsanlagenordnung der Friedhöfe Wien steht sogar festgeschrieben, dass Unkrautbekämpfungsmittel und synthetische Pflanzenschutzmittel verboten sind. Davon profitiert die Tier- und Pflanzenwelt. Besonders auffällig ist das Vorkommen von Reh, Feldhase, Fuchs, Dachs, Marder und Igel. Auch Zauneidechse, Fasan, Waldohreulen und Spechte entdeckt der geschulte Blick. Wieviel Arten insgesamt vorkommen, wird derzeit im Rahmen einer Kooperation der Friedhöfe Wien mit der Uni Wien erforscht. Der Biologe Thomas Filek und sein Team ersuchen für das Projekt »BaF – Biodiversität am Friedhof« auch um Mithilfe der FriedhofsbesucherInnen. Diese sollen Sichtungen –auch von Insekten, Pflanzen und Pilzen – melden. Eine Vielzahl an Biotopen beherbergt der Zentralfriedhof mit seinen 2,5 Quadratkilometern Fläche. 40.000 Quadratmeter davon bleiben als »Naturgarten« bewusst naturbelassen. Die dort geschaffenen Lebensräume werden den Erholung und Ruhe Suchenden auch vermittelt: Informative Schilder erklären, wie wertvoll der Friedhof für Tiere und Pflanzen ist.
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Zur Ck Zur Natur
Nähe zur Natur – auch nach dem Tod – ist immer mehr Menschen ein Anliegen. Auf sieben Friedhöfen ist es bereits möglich, in Naturgräbern beigesetzt zu werden – etwa unter einem Baum oder im so genannten Wiener Naturgrab. Im Juni wurde der neue Waldfriedhof am Friedhof Hernals eröffnet. Auch er trägt zum großen Ganzen bei: Die 46 städtischen Friedhöfe sind bedeutsam für das Klima der Stadt. Immerhin machen sie insgesamt 1,2 Prozent ihrer Gesamtfläche aus. Die Dimensionen sind gewaltig: 676.000 Quadratmeter an asphaltierten Haupt- und Nebenwegen sowie 655.000 Quadratmeter an Naturnebenwegen führen zu den insgesamt 550.000 Gräbern. Der Hebel für naturnahe Gestaltung ist riesig. Oder, wie Julia Stering, Sprecherin der Friedhöfe Wien, sagt: »Wir nehmen unsere Verantwortung ernst.« Mehr und mehr asphaltierte Nebenwege sollen in den nächsten Jahren renaturiert werden. Statt aus Beton bestehen die Nebenwege dann aus einem bewachsenen Sand-Schotter-Gemisch. Es ermöglicht – wichtig bei Starkregen – das schnelle Versickern von Wasser. Der Bewuchs sorgt vor Ort für kühlere Temperaturen. Die Entsiegelung passiert Schritt für Schritt; immer dann, wenn ein bislang betonierter Nebenweg saniert werden müsste, heißt es zurück zur Natur.
URBAN GARDENING AM FRIEDHOF
Seit Frühjahr 2023 läuft auf zwei Friedhöfen – am Zentralfriedhof und am Friedhof Südwest in Meidling – auch ein vielbeachteter Feldversuch: Urban Gardening am Friedhof. In Kooperation mit den Ackerhelden, die Selbsternteflächen vermitteln und betreuen, werden vorbepflanzte Parzellen vermietet. »Zur Verfügung stehen Flächen, auf denen nie- mand beigesetzt wurde«, erklärt Julia Stering. Garteln kann am Friedhof zudem nur, wer über ein Grab auf einem städtischen Friedhof verfügt. Die Buchung ist über das »Digitale Grab« möglich, über das online Gräber und Gedenkräume verwaltet werden. Wenn das Ackerhelden-Projekt großen Anklang findet, wird es vermutlich auf weitere Friedhöfe ausgeweitet. »Uns ist wichtig, dass zu Lebzeiten schöne Erinnerungen auf unseren Friedhöfen gesammelt werden«, gesteht Julia Stering. »Denn wo man schöne Erinnerungen hat, dort lässt man sich auch gerne beisetzen.« Erst recht, wenn sich dort auch Feldhamster, Fuchs und Hase wohlfühlen.