Zeit Wissen, Germany, July 2022

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ZUM MITMACHEN

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Wölfe, wie viele seid ihr denn? Wer nach Haarresten und anderen Spuren im Wald Ausschau hält, kann in den Ferien etwas für die Forschung tun

W

illkommen im Urlaub! Wir befinden uns in einem abgelegenen Teil Niedersachsens. Wecken ist morgens um sieben, ein schnelles Frühstück – dann die Instruktionen für den Tag. In Kleingruppen raus in den Wald, natürlich auch bei Regen. In gebückter Haltung nach Tierkot, Haarresten und Trittsiegeln suchen. Abends Papierkram, am nächsten Morgen wieder früh raus. Das Ganze für fast 2000 Euro die Woche, Anund Abreise nicht inbegriffen. Klingt wenig erholsam? Gehört bei Bio­sphere Expeditions aber schon seit Jahren zu den beliebtesten Angeboten. Drei Reisen dieser Art hat der Veranstalter dieses Jahr im Programm, eine ist bereits ausgebucht, für die anderen gibt es noch Restplätze. Die Nachfrage ist also groß. Worum geht es? Die Teilnehmer sind Citizen-Scientists, Nichtwissenschaftler, die an einem wis­sen­schaft­ lichen Projekt mitarbeiten. In Niedersachsen erforschen sie Wölfe. Seit 2017 reisen Freiwillige aus den Niederlanden, aus England und sogar aus Australien in die

Wolfsreviere. In Zusammenarbeit mit dem staatlichen Wolfsbüro dokumentieren sie dort die Spuren der Säuge­tiere, um ihre Rückkehr und die Ausbreitung in Deutschland zu dokumentieren. Warum ist das attraktiv? Wölfe sind scheue Tiere und deshalb selten in der Wildnis zu sehen. Trotzdem investieren viele Interessierte Geld, Zeit und nehmen auch Strapazen in Kauf. »Zu uns kommen Leute, die sich auf einer normalen Safari wie Voyeure fühlen würden«, sagt Matthias Hammer, Chef und Gründer von Bio­sphere Expeditions. »Sie wollen reisen, dabei aber etwas Sinnvolles tun.« Bio­sphere Expeditions bietet auch Reisen in andere Regionen und Länder an, in denen Citizen-Scientists an wissenschaftlichen Projekten teilnehmen können. In Afrika, ­Asien und Lateinamerika beobachten die Laienforscher beispielsweise Schneeleoparden, Delfine, Bären oder auch Korallenriffe. Der Vorteil: Weil sie Teil eines wissenschaftlichen Projekts sind, dürfen die Citizen-Scientists Gegenden betreten, die eigentlich verboten sind, weil sie zum Beispiel in einem Naturschutzgebiet liegen.

Was ist »Citizen-Science«? Die »Bürgerwissenschaft« holt die Forschung aus dem Elfenbeinturm. Sie geht davon aus, dass jeder Mensch ein Experte sein kann – zum Beispiel für seine Nachbarschaft. Wer die Vögel im eigenen Garten zählt, erzeugt neue Daten. Wer in seiner Region Dialekte aufnimmt, bewahrt altes Wissen und schafft neues. Hier stellen wir spannende Mitmach-Projekte vor.

Foto Theo Grüntjens/Biosphere Expeditions

Text Ulf Schönert


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