Klipp & Klar, Germany, April 2009

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V o l u n t e e r i n g

URlaub einmal

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Schwielen, Muskelkater und trotzdem ein gutes Gefühl – TR€FFPUNKT-Autorin Elke Gersmann ist Wiederholungs­täterin beim Volunteering, einer besonderen Art, seinen Urlaub zu verbringen.

Fällen, Pflanzen, Sägen, und was sonst noch im Waldschutz notwendig ist, kann man hautnah beim Bergwaldprojekt – zum Beispiel in Bad Tölz (Bild) – miterleben


S c h ö n & Gu t Entspannen! Du musst dich nur entspannen, dann geht’s ganz einfach. „Schön locker bleiben, dafür braucht man keine Kraft, das geht wie durch Butter.“ Die Butter ist hier eine Fichte mit rund 40 Zentimeter Stammdurchmesser. Und der Mann mit den guten Ratschlägen ist Peter Naumann, Forstingenieur und Projektleiter beim Bergwaldprojekt. Dabei mühen wir uns heute zum ersten Mal mit der „Zwei-MannZugsäge mit Dreiecksbezahnung“ ab. Die Fichte muss nämlich fallen, sie hat im Nationalpark Harz in dieser Höhenlage nichts zu suchen. Doch Peter kennt keine Gnade: „Nur ziehen, nicht schieben, das ist doch nicht so schwierig. Entspann’ dich mal.“ Er grinst. Sehr witzig. Links neben mir geht es gefühlte 500 Meter den steilen Hang hinunter. Da ist das mit dem Entspannen so eine Sache. U r lau b mit Such p otenzi al Auszeit, ich lasse mich auswechseln und bin froh: Bei den anderen sieht es auch nicht viel besser aus. Zum Glück sind in meiner Gruppe nicht nur erfahrene Wiederholungstäter. Bei der Vorstellungsrunde am ersten Abend zeigte sich, dass die freiwillige Waldarbeit doch ein gewisses Suchtpotenzial zu haben scheint: Ulrike und Peter sind beide seit sechs Jahren regelmäßig dabei, für Marina ist es das vierte Projekt, Petra, Norbert und Brigitte versuchen sich zum zweiten Mal am Pflanzen, Sägen und was sonst noch im Waldschutz zu tun ist. Und das ist wirklich ziemlich viel. Das Bergwaldprojekt wurde Ende der 1980er-Jahre von Greenpeace und dem WWF in der Schweiz ins Leben gerufen. Peter Naumann war von Anfang an dabei – erst als Freiwilliger, dann als Projektförster. Er hat uns am Sonntag am „Abzweig Oderbrück“ eingesammelt, wo wir mit dem Bus aus Bad Harzburg angekommen sind. Einige sind mit dem Nachwuchs angereist, denn dies ist eine Familienwoche. Um die Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren kümmern sich Pädagogin Alexandra und Freundin Birgit,

während wir 13 Großen fünf Tage lang freiwillig für den Wald schuften. Untergebracht sind wir in der Hummel-MaasHütte, die an Jugendherbergszeiten erinnert: Aufenthaltsraum, Küche, Gemeinschaftsschlafräume mit Etagenbetten, eine Dusche, die Waschräume haben immerhin war­mes Wasser. Was da aus den Hähnen kommt, hat jedoch eine gelblichbraune Färbung: Moorwasser. Es sei nicht giftig, wie Peter uns versichert, verbessere aber die Verdauung sehr, wenn man es trinkt. Wegen der Huminsäuren. Danke für den Hinweis. pflan z e n . fä l l e n , baue n Aber warum genau sind wir denn nun eigentlich hier? Peter fasst unsere Aufgabengebiete zusammen: Neupflanzungen, Erosions- und Einzelschutz. Tätigkeiten: pflanzen, fällen, bauen. Fällen? „Ja, da gucken viele ein bisschen ungläubig, wenn sie hören, dass sie nicht nur Bäume pflanzen, sondern auch fällen sollen“, sagt Peter. Und Christian, Nationalparkranger, ergänzt: „Wir befinden uns hier eben in einem Entwicklungsnationalpark.“ Er ist vorbeigekommen, um uns dazu etwas zu erzählen. Denn der Harz ist von einem Urwald ungefähr so weit entfernt wie Hamburg von Timbuktu. Die Wälder wurden hier mehrmals komplett abgeholzt, gepflanzt wurden jedes Mal Fichten, schnellwachsend, gut zu verarbeiten, aber für den Standort kaum geeignet. Nun sollen durch gezielten Umbau wieder die ursprünglichen Mischwälder entstehen. Start des Programms war 2002, nach 30 Jahren sollen 75 Prozent des Nationalparks in einem naturnahen Zustand sein – und die Menschen nicht weiter eingreifen. Doch ohne die freiwilligen Helfer wäre das nicht zu schaffen, denn es dafür gibt zu wenig Forstarbeiter. Gegründet wurde der Park 1994, Christian hat ein Jahr später angefangen. Wie wird man denn Ranger? „Ich war als frischgebackener Forstwirt auf Jobsuche. Beim Vorstellungsgespräch sagte man mir: So, jetzt schreiben Sie mal auf,

I n f o r m at i o n e n Volunteering hat seine Wurzeln im englischsprachigen Raum – ins Deutsche übersetzt, kommt ihm „Freiwilligenengagement“ am nächs­ten. Statt irgendwo am Strand zu liegen oder durch die Lande zu reisen, engagiert man sich daher tatkräftig in einem bestimmten Projekt. Im Tier- und Naturschutz, in sozialen Bereichen, in der Landwirtschaft oder auch bei Ausgrabungen. Ohne die Unterstützung der Freiwilligen könnten diese Projekte nicht existieren.Teilnehmen können im Prinzip alle, die gesundheitlich fit sind. Vorkenntnisse sind in der Regel nicht erfor­derlich. Seriosität und Organisation sind nicht bei allen Anbie­tern gleich. Hierauf sollten Sie achten: • S ind die Informationen auf der Homepage auf dem neuesten Stand? • I st klar, wer hinter dem Projekt steht? • W erden das Projekt und die Aufgaben der Freiwilligen ausreichend beschrieben? • W ird schnell und ausführlich auf Fragen geantwortet? • G ibt es sinnvolle Tipps zur Vorbereitung auf den Einsatz? • S ind die Kosten eines Volunteerings klar ersichtlich? • W ird die Verwendung dieser Gelder transparent gemacht? Sie wollen mehr über Volunteering wissen? Hier zwei Buchtipps: Wildlife & Conservation Volunteering: The Complete Guide (engl.), Bradt Travel Guides, ca. 18 Euro Elke Gersmann: Volunteering – freiwillig helfen im Urlaub, Reise KnowHow Verlag, 8,90 Euro

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Ch e c k l i s t e Wer an einem Volunteeringprojekt im Urlaub teilnimmt, sollte folgende Reisevorbereitungen treffen: Impfschutz überprüfen. Insbesondere auf den Schutz gegen Tetanus, HepatitisA, Diphtherie und Polio sollte niemand verzichten. Eine Auslandskrankenversicherung ist wegen des Verletzungsrisikos unabdingbar, ebenso eine Unfallversicherung. Fitnesstraining vorab kann helfen, ungewohnte körperliche Anstrengungen gut zu meistern. Volunteering für Jung und Alt – beim Bergwaldprojekt macht oft die ganze Familie mit.

Haftungsfragen bei der jeweiligen Organisation klären und die eigene Haftpflichtversicherung auf Auslandsdeckung überprüfen und ggf. erweitern. Reisegepäck aufs Notwendige reduzieren, da der Platz in den Unterkünften oft knapp ist. Robuste und wetterfeste Kleidung einpacken. Das Projektthema möglichst schon daheim genauer kennenlernen. Die Internetauftritte der jeweiligen Organisationen informieren meist sehr gut über die wichtigsten anstehenden Fragen.

warum Sie Ranger werden wollen. Sie haben eine Stunde Zeit.“ Offensichtlich haben seine Gründe überzeugt, denn er hat den Job bekommen. Seit 1997 betreut er hier auch das Bergwaldprojekt. Und hatte seitdem das eine oder andere Mal im Urlaub nichts Besseres zu tun, als selbst mitzumachen. Wie gesagt, es scheint da ein gewisses Suchtpotenzial zu geben. Am frühen Morgen des ersten Arbeitstages – es ist 6.30 Uhr – werfen vor dem Frühstück alle erstmal einen Blick auf die Kreidetafel: Wo bin ich eingeteilt, wer ist in meiner Gruppe? Es gibt drei Teams. In meinem sind noch Hajo, Bri-

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gitte, Petra und nochmal Petra. Für uns geht es zum Pflanzen. Vor Ort warten schon die Forstangestellten Uwe und Walter auf uns. Zehnjährige Buchenbäumchen sollen wir in die Erde bringen. Unser Arbeitsgerät: der Wiedehopf. Walter zeigt uns wie es geht: Wiedehopf über den Kopf schwingen und erst die axtähnliche Seite in die Erde schlagen. Dann die Hacke im rechten Winkel dazu setzen und wie eine Konservenbüchse aufziehen. In den Hohlraum das Bäumchen setzen, wieder zudrücken. Ah ja. Erster Versuch, der Wiedehopf ist ganz schön schwer. Trotzdem ritzt die Axtseite den Erdbo-

den nur an: „Nun mal nicht so zaghaft, so wird das nichts.“ Ja, das ist mir auch aufgefallen. Also noch mal. Schon besser. Beim zehnten Bäumchen gelingt mir endlich der perfekte rechte Winkel. Ich bin beeindruckt, das hätte ich mir selbst kaum zugetraut. Wir stellen uns alle gar nicht mal so ungeschickt an. Trotzdem entgeht Walters kritischem Blick rein gar nichts. „Nein, nicht so, das geht doch in den Rücken!“ oder „Ihr seid ja ein bisschen umständlich, so macht ihr alle Handgriffe doppelt. Macht es euch einfacher.“ Hätte nie gedacht, dass das Es-sich-einfacher-machen so schwer sein kann. Walter ist ein


Vogelreservat Wallnau

alter Hase und kann viel über den Wald erzählen. Auch die eine oder andere Anekdote. Wie er zum Beispiel im Herbst einen Borkenkäfer mit nach Hause genommen und in der Tiefkühltruhe eingefroren hat: „Im Frühjahr habe ich den wieder rausgeholt. Da hat das Aas doch seine Flügel ausgebreitet und ist einfach weggeflogen.“ Forschung am Objekt – in freier Wildbahn überleben die „Lieblinge“ aller Forst­ ämter genauso den Winter. Unsere Bilanz am Ende des Tages: 600 neu gepflanzte Bäume. Ein Forstarbeiter hat früher im Akkord 500 Bäume pro Tag in den Boden gebracht. „Aber da ging es auch nur um Quantität. Heute achten wir darauf, dass die Bäume gut gepflanzt werden und auch anwachsen“, beruhigt Uwe uns, als wir unsere Leis­ tung als eher mager einstufen. Nächste Baustelle: Erosionsschutz. Erst kraxeln wir 20 Minuten den steilen Berg hinauf, dann reiben wir uns die Augen, als Peter auf die Fichten zeigt, die wegmüssen, bevor Schwarzerle, Espe und Bergahorn gepflanzt werden können. Da sollen wir arbeiten? Wir sind doch keine Gämsen. Anscheinend doch, wie sich später zeigt. Jedenfalls klettern wir relativ souverän am Hang herum. Und die Bäume fallen auch. Ge p la ntes Ch aos Wobei ohne Peter überhaupt nichts gehen würde: Bäume fällen ist nichts für Anfänger. Das fängt schon beim Fallkerb an, der die Fallrichtung vorgibt. Ein paar kräftige Hiebe von Peter mit der Axt, fertig. So, jetzt ihr, sagt er, ich gehe mal da unten den nächsten Baum vorbereiten. Alle schlagen abwechselnd mit der Axt auf den Baum ein. Als er zurückkommt, meint er nur: „Wir sind doch keine Biber!“ Unsere Technik scheint stark verbesserungswürdig. Einige Stunden später sieht es trotzdem so aus, als hätten Riesen mit Baumstämmen wild um sich geworfen. „Also, ich würde mich schon sehr wundern, was das hier soll, wenn ich als

Wanderer vorbeikommen würde“, beurteilt Brigitte am Ende des Tages unsere Anstrengungen. Aber die Aktion hat durchaus einen Sinn: Die kreuz und quer übereinanderliegenden Fichten bilden eine natürliche Barriere für Rehe und Rotwild, schützen so die neuen Bäume vor Wildverbiss. Und darum geht es auch an der dritten Station. Natürlich gibt es Laubbäume im Harz. Aber deren Nachkommen haben kaum eine Chance, denn die jungen Triebe sind Lieblingsspeise von Hirsch & Co. Die Bäumchen müssen also geschützt werden. Allerlei verschiedene Maßnahmen wurden schon ausprobiert, jetzt ist man wieder zu den Ursprüngen zurückgekehrt: Jeder Baum bekommt seinen eigenen Holzzaun. De r Kopf wi rd fre i Brigitte und Petra verschwinden mit Waldarbeiter Jürgen, um die Zaunlatten zu zimmern. Diesmal ist auch Chris­tian dabei: Er zeigt erst auf die schon fertigen Latten, dann den Hang hinunter und sagt: „Die müssen da unten hin. Am besten nimmt jeder zwei.“ Gut zwei Meter hoch und 70 Zentimeter breit ist eine. Schöne Schlepperei. Hang runter, Hang rauf, wieder runter. Das steht uns an diesem Tag noch so einige Male bevor. Was tut man nicht alles für den deutschen Wald. Die Zäune zu bauen, das macht dann aber deutlich mehr Spaß. Zufrieden betrachten wir unsere Arbeit. Ja, mal eine Woche im und fürden Wald zu arbeiten war eine gute Entscheidung. Nicht nur, dass man das Ergebnis des eigenen Einsatzes stets vor Augen hat. Auch einem selbst tut das ganz gut. Den Kopf freimachen, nennt Projekt­ teilnehmerin Nicole das. Sie hat genauso wie Freundin Simone vor einigen Jahren durch einen Fernsehbericht vom Bergwaldprojekt erfahren. Beide beschlossen: Das machen wir mal gemeinsam. Jetzt hat es geklappt, sie sind dabei – und bereuen es absolut nicht.

Elke Gersmann

Das Bergwaldprojekt organisiert jedes Jahr zwischen März und November rund 75 Einsätze in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Einsätze starten jeweils am Sonntag und enden am Samstag. Unterkunft und Verpflegung werden vom Bergwaldprojekt übernommen. Weitere Infos: Bergwaldprojekt e. V., Dienstag und Donnerstag 14 bis 17 Uhr, Tel. 0931/4526261, www. bergwaldprojekt.de. Interessante Projekte gibt es nicht nur für Waldliebhaber. Einige Beispiele: • F reiwillige Helfer sind im Vogelreservat Wallnau, Fehmarn, immer willkommen. Informationen: NABU e.V., Wasservogelreservat Wallnau, Andre Polzer, Tel. 04372/1535, andre.polzer@nabu-wallnau.de, www.nabuwallnau.de • Archäologieliebhaber können sich im Niederbayrischen Landshut durch das Erdreich graben. Infos: Landratsamt Landshut, Elmar Stöttner, Tel. 0871/408135, elmar.stoettner@ landkreis-landshut.de, www.abenteuerarchaeologie.com • Soziales Engagement ist gefragt bei den Bergeinsätzen der Caritas Schweiz auf Bergbauernhöfen. Infos unter Tel. +41/(0)41/4192277, bergeinsatz@caritas.ch, www.bergeinsatz.ch • Internationale „Naturschutz-Mitforscherreisen“ organisiert Biosphere Expeditions, Tel. 0931/40480500, deutschland@biosphere-expeditions.org, www.biosphere-expeditions.org Biosphere Expeditions, Altai (Russland)


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