natur, Germany, July 2020

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Bürgerwissenschaftler helfen wie hier in Namibia bei Forschungsarbeiten und Naturschutzprojekten. Davon profitieren alle Seiten

»Corona ist Chance und Risiko« In Zeiten der Corona-Pandemie müssen viele Reisen entfallen. Auch solche, bei denen Menschen in ihrem Urlaub Naturschützern helfen. Wir sprachen mit Matthias Hammer von der Umweltorganisation Biosphere Expeditions INTERVIEW: PETER LAUFMANN

natur: Die Corona-Pandemie scheint der Natur eine Atempause zu verschaffen. Das freut doch den Naturschützer, oder? Hammer: Natürlich! Diese Atempause freut mich sehr. Da schwingt auch die Hoffnung mit, dass die Menschheit als Ganzes mal innehält. Dass sie sieht: Es geht ja, von zu Hause aus zu arbeiten, weniger herumzufahren ... Wie sieht das aus der Perspektive des Forschers mit Bürgerwissenschaftlern aus? Na ja, für uns, für unsere Bürgerwissenschaftsreisen hat das natürlich den Effekt, dass wir 2020 keine Expeditionen durchführen können. Aber das ist das

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kleinere Übel. Das größere Übel ist ja die Lage unserer Partner draußen im Feld. Inwiefern? Für die Partner, die Organisationen, die Wissenschaftler in den Gebieten ist es wesentlich schlimmer. In Deutschland können wir Staatshilfen beantragen. Außerdem haben wir als Organisation das große Glück, dass wir sehr schlank sind. Wir haben keine großen Büros, für die wir Miete zahlen müssten und ähnliches. Die laufenden Kosten sind sehr gering. Staatshilfen, so gering sie auch sind, helfen uns sehr. Aber die Partner vor Ort sind in schwieriger Lage. Da gibt es solche Programme nicht. Da brechen


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Foto: Biosphere Expeditions, Andreas Hub

jetzt alle Einnahmen weg. Zum Beispiel in Enonkishu, einem Hegegebiet in Kenia. Deren Haupteinnahme sind die Gebühren, die Touristen zahlen, wenn sie in das Hegegebiet kommen. Von einen Tag auf den anderen ist das auf null zurückgegangen. Die haben jetzt Probleme, ihre Wildhüter und andere Mitarbeiter zu bezahlen. Naturschutz kostet eben Geld. Welche Folgen hat das? Das hat zwei Seiten: Es ist sowohl Chance als auch Risiko. Einerseits erholt sich die Natur, weil zum Beispiel keine Besucher da sind. Man sieht das beispielsweise gut am Roten Meer; das Wasser ist klar, die Riffe erholen sich, das Ökosystem bleibt weitgehend für sich, weil natürlich überhaupt keine Taucher da sind. Andererseits ist das fehlende Geld ein echtes Problem. Denn wenn keine Wildhüter bezahlt werden, wie gehen wir gegen Wilderei vor? Und nicht nur das: Die steigende Armut erhöht auch den Druck durch Wilderei. Wie kann man da gegensteuern? Sowohl im Großen als auch von Biosphere Expeditions aus? Wir sind als Organisation relativ klein. Dementsprechend klein ist unser Einfluss. Allenfalls vor Ort mit unseren Partnern können wir etwas tun. Die sind heilfroh, dass wir etwas gemeinsam machen und Geld und natürlich Arbeitskräfte mitbringen, um deren Naturschutzprojekte voranzubringen. Wir haben aber auch eine Spendenkampagne gestartet. Jeder unserer derzeit zwölf Projektpartner hat ein paar Zeilen verfasst, wofür er aktuell Geld bräuchte. Wo jetzt etwas fehlt. Die Spendenkampagne läuft und hilft natürlich den Partnern, besser durch die Krise zu kommen.

Wie steht Biosphere Expeditions dazu, dass es jetzt Stimmen gibt, die grundsätzlich eine Abkehr vom Reisen fordern? Sie brauchen das Reisen doch, oder? Das Reisen an sich ist schlecht für die Umwelt. Keine Frage. Wenn keine Kondensstreifen am Himmel zu sehen sind, versteht jeder Mensch, dass das gut für den Planeten ist. Wie gehen Sie mit dem Dilemma um? Wir haben mehrere Ansätze. Erstens ist es ein grundlegendes Anliegen unserer Organisation, uns langfristig abzuschaffen. Das heißt, wir wollen mit den Projekten so viel erreichen, dass wir nicht

Es gibt damit einen ökonomischen Vorteil aus der Artenvielfalt vor Ort. Reisen alleine auf das CO2 runterzurechnen, ist zu einfach. Obwohl man das natürlich im Auge behalten muss. Wie wird Corona die ganze Arbeit mit Bürgerwissenschaftlern beeinflussen? Das ist eine schwierige Frage, die wir uns auch stellen. Wir haben keine Antwort darauf. Die Krise wird uns lange begleiten. Wir haben Notfallpläne, sofern wir auch 2021 noch keine Expeditionen durchführen können. Wie sich das Verhalten der Menschen ändern wird ... Da wage ich keine Prognose. Ich glaube aber, dass dieses Bedürfnis, den Urlaub nicht nur am Strand zu verbringen, sondern auch etwas Sinnvolles zu tun, zunehmen wird. Das war schon vor der Pandemie zu sehen und wird hoffentlich jetzt mehr. Ist der Tourismus am Ende? Ich fürchte: Nein. Kaum sind die Lockerungen da, fallen die Menschen wieder in alte Muster. Wäre schön, wenn sie achtsamer würden. Was müsste von der Politik getan werden, um Natur- und Umweltschutz in solchen Zeiten zu unterstützen? Auf keinem Fall Umweltstandards mindern! Auf keinen Fall die großen Verschmutzer retten. Das Geld, das hier gespart wird, das sollte in die Guten gesteckt werden. Wie nutzt jemand die Zeit, wenn er nicht reisen und helfen kann? Es gibt unheimlich viele Möglichkeiten, von hier aus zu helfen. Bürgerwissenschaft geht auch in Corona-Zeiten. Fotos analysieren, Rechenleistung bereitstellen. ■ Die Möglichkeiten sind unbegrenzt.

»Naturschutz findet statt, weil Geld damit verdient werden kann« mehr gebraucht werden. Beispiel Malediven: Über acht Jahre haben wir eine gemeinnützige Organisation eingerichtet, die jetzt gänzlich von Einheimischen geführt wird. Die Riffforschung, die wir mit Freiwilligen gemacht haben, läuft jetzt in deren Eigenregie. Punkt zwei ist, dass wir unsere Teilnehmer anhalten, ihren CO2-Fußabdruck auszugleichen. Mir ist klar, dass das auch in der Kritik steht. Es ist aber besser als es nicht zu tun. Wir als Organisation gleichen unser CO2 natürlich auch aus. Drittens darf man nicht vergessen, dass die Alternative zu solchen Reisen oft die Kettensäge ist. Das heißt, Naturschutz findet statt, weil damit Geld verdient werden kann. Sei es mit SafariTouristen oder Bürgerwissenschaftlern.

Matthias Hammer ist Gründer und Chef von Biosphere Expeditions. Mit dieser Organisation ist der promovierte Biologe seit mehr als 20 Jahren weltweit aktiv. Die Projekte sind dabei so vielfältig wie die Lebensräume des Planeten. Das reicht von Riffschutzprojekten auf den Malediven über Großkatzenforschung in Kenia, Wale zählen auf den Azoren bis hin zu aktivem Wolfsmonitoring in Deutschland. Biosphere Expeditions ist aber kein Reiseveranstalter. Es ist eine Naturschutzorganisation, die interessierte Laien mit Forschungs- und Naturschutzprojekten zusammenbringt. Und die Arbeit der Bürgerwissenschaftler ist keine Beschäftigungsmaßnahme. Die Daten, die die Menschen erheben, fließen in Studien ein. Das gehört zum Anspruch der Organisation und unterscheidet sich damit von vielen anderen. Sie unterstützt auf diese Weise aufwendige Arbeiten und Projekte. Wer selbst helfen will, findet Informationen unter www.biosphere-expeditions.org

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