Namibia (Der Standard Austria, January 2013)

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Kamerafallen und Zebrastreifen Freiwillige helfen in einer namibischen Lodge bei der Erforschung wilder Tiere. Sie selbst lernen dabei, ein Gnu von einem Warzenschwein zu unterscheiden und warum die Bestände wieder wachsen. Von Mirjam Harmtodt Dumpf rollt der Donner, am Horizont huschen orange Lichter über den stockdunklen Nachthimmel, hin und wieder erleuchtet ein Blitz schwarze Silhouetten ausgemergelter Bäume und Sträucher. Die Regenzeit in Namibia kündigt sich an. Mit Gewitterwinden, heftigen Regengüssen und einer Invasion von Insekten. Die Volontäre im Forschungslager der Okambara Elephant Lodge erleben die Wiedergeburt der Natur hautnah. Reihum öffnen sich die Türen der Chalets: „Skorpion!“, „Käfer!“, „Sunspider!“ Die gerade angekommenen Gäste schildern ihre ersten Begegnungen mit der wilden Natur Südwestafrikas. Okambara ist ein Zusammenschluss von drei ehemaligen Rinderfarmen, die Christian Schmitt im Laufe von 20 Jahren gekauft hat. Die Zäune sind verschwunden, wiedergekommen sind die Wildtiere. Schmitt hat hier die Fauna Afrikas von A wie Antilope bis Z wie Zebra versammelt. Neun Elefanten toben ihre Neugierde an Wasserleitungen, Windrädern und Kamerafallen aus. Die Kamerafallen stammen aus dem Forschungslager, wo Biologin Kristina Killian herausfinden will, wie sich Leoparden auf das biologische Gleichgewicht einer „Game-Farm“ – also einer Farm mit Wildbestand – und Wildschutzgebiete auswirken. „Wir erforschen, wie viel Lebensraum Leoparden beanspruchen und welche Bedeutung sie für die kommerzielle Nutzung der Farmen haben.“ In die Quere kommen die Großkatzen den Farmern – und den Trophäenjägern. „Die Trophäenjagd hilft beim Erhalt und der Wiederbelebung des Wildbestandes“, erklärt Biologe Jörg Melzheimer. „Ein Leopard bringt um die 15.000 Euro. Das ermutigt Farmer eher dazu, Katzen und deren Beutetiere zu schützen, anstatt 36 RONDO 07/12/2012

sie als Konkurrenten zu erschießen.“ 250 Leoparden und 150 Geparden dürfen jährlich gejagt werden. Die Lizenzen vergibt die namibische Regierung. „Die Volontäre von Biosphere Expeditions sind in mehrfacher Hinsicht eine wirkliche Hilfe für mein Projekt“, erzählt Killian. „Durch sie bleibt mir mehr Zeit für die Datenauswertung und für Geldmittelakquise. Forschung kostet Geld, und wir sind von Sponsoren abhängig.“ Zurzeit fahren die Forscher mit Landrovern durch die Savanne, Swarovski Optik liefert optische Geräte. „Die Volontäre leisten auch einen wichtigen monetären Beitrag. Das Projekt wäre ohne Biosphere Expeditions nicht möglich“, so Killian.

Tauglichkeitsprüfung für Elefanten Den Volontären wird schnell klar, dass es sich um keinen Urlaub handelt. Zu Beginn lernen alle den Umgang mit GPS, Kompass und den Geräten zur Elefantenortung. Diese weisen den Weg zur Elefantenkuh mit einem Halsband. Die Herde wird zweimal täglich kontrolliert, ihre Wanderungen und ihr Verhalten werden aufgezeichnet. Melzheimer wertet die Daten dann aus. Stundenlang sitzen die Volontäre unter der glühenden Sonne auf den Ladeflächen der Autos und warten. „Elefanten werden zunehmend nachgefragt von den Ferienlodges. Wir wollen wissen, ob sie sich überhaupt dafür eignen, innerhalb eines begrenzten Gebietes mit Menschen zu leben“, so Melzheimer. Morgens um halb sieben fahren die Teams hinaus in die Savanne. Ein Teil sitzt am Wasserloch, andere überprüfen die Kastenfallen. Die Hoffnung, eine große Katze in den Gitterboxen zu finden, bleibt bis zum letzten Tag bestehen, die Wahrscheinlichkeit ist dennoch gering. „Okambara ist kein Zoo“, betont Melzhei-


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Kurz bevor die ersten Regentropfen die Savanne in Namibia aufblühen lassen, kommen alle nochmal raus: Von A wie Antilope bis Z wie Zebra posiert die Fauna vor der Kamera. Fotos: Moser / ChromOrange / picturedesk; Reuters

Mittags treffen sich alle im Lager. Verschwitzt, staubig und müde von der Hitze der Savanne, überschlagen sich dennoch einige in ihren Schilderungen: „Wir waren nur 50 Meter entfernt von den Elefanten.“ Bewundernde Blicke und ein bisschen Neid sind die Reaktion jener, die wieder nur eine Schildkröte aus der Kastenfalle befreit haben. Die Begeisterung über Tiersichtungen ist aber ungebremst. Allein das Kamerafallenbild einer Gepardendame mit Jungen bringt die gesamte Mannschaft außer Rand und Band. Inzwischen fühlen sich alle Beteiligten als Teil des Projekts. Biosphere Expedition will keine heile Welt zeigen, sondern die Realität. So haben Wildtiere offensichtlich nur dann eine Überlebenschance, wenn sie für den Menschen nützlich sind. „Ein Ziel unserer Forschung ist es, für den Konflikt Mensch – Wildnis Lösungen zu finden“, erklärt Melzheimer. Namibia verzeichnet seit etwa zehn Jahren wachsende Bestände bei Löwen,

Nashörnern, Geparden, Leoparden und Elefanten. Die Erkenntnis, dass die Wildtiere eben nicht nur Konkurrenz oder Gefahr, sondern auch eine lukrative Geldquelle sind, hat die Populationen steil ansteigen lassen. Sehr zur Freude der Volontäre, die nach der ersten Woche kaum noch Notiz nehmen von den vielen Giraffenköpfen, die aus dem Dornengebüsch neugierig in Richtung Fahrzeuge schauen. Leoparden hat keiner der Teilnehmer zu Gesicht bekommen, und es gab keine gefährlichen Zwischenfälle mit Elefanten aber haarsträubende Begegnungen mit Riesentausendfüßlern und Spinnen. Die Regenzeit beginnt. Es ist Ende November, und die letzte Gruppe von Volontären verlässt das Forschungslager. Die Savanne kleidet sich in frisches, sattes Grün. Jetzt kommen die Jungen zur Welt. Durch die Arbeit von Forschern wie Killian und Melzheimer und die Mithilfe von Freiwilligen haben sie eher eine Zukunft. Langversion, Diashow: http://derStandard.at/Reisen

SERVICE ANREISE & UNTERKUNFT

Zum Beispiel mit South African Airways (www.flysaa.com) mit Umsteigen von Wien nach Windhoek. Unterkunft: Casa Piccolo in Windhoek (www.natron.net/ tour/casapiccolo), dann im Camp. Veranstalter: Biosphere Expeditions (www.biosphere-expeditions.org) ANGOLA Caprivi Zipfel

Tsumeb

NAMIBIA Windhoek Swakopmund

Gobabis Okambara

BOTSWANA

Maltahöhe Lüderitz

Atlantischer Ozean

Fish

mer. Zudem verirren sich eher Erdferkel als Katzen in die Fallen. Vor jeder Ausfahrt wird eine Unmenge an Instrumenten und Unterlagen zusammengetragen. Je nach Aufgabe auch Lineale zur Spurenmessung, Sägen, Wasserkanister oder Speicherkarten für die Kamerafallen. Im Laufe des Aufenthalts entwickeln sich die Volontäre zu routinierten Helfern, die schließlich alleine in den Busch fahren. Wissen einige am ersten Tag nicht, wo Norden und Süden ist, oder können ein Gnu nicht von einem Warzenschwein unterscheiden, so erkennen sie nach der ersten Woche ImpalaAntilopen auf 700 Meter Entfernung. „Die Arbeit mit Laien ist aufwändig, und es stecken viel Training und Schulung dahinter. Außerdem passieren bei der Datenerfassung immer wieder Fehler“, sagt Melzheimer. Aber die Arbeitskraft, die Begeisterung und die Funktion der Freiwilligen als Botschafter für das Projekt machen den Aufwand wett.

Oranje

SÜDAFRIKA

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