Gastrojournal Beispiel

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ren. Klar habe ich Restaurantleiter und eine Buchhalterin, die auf die Zahlen schauen. Aber es geht bei uns um Werte: Der Mitarbeiter ist zufrieden, der Gast begeistert, mit Lieferanten und Partnern führen wir faire Beziehungen. Deshalb sind wir profitabel.»

Amit Shama: «Erfolgreiche Gastronomie ist mehr als nur kalkulatorisches Können. Liebe deine Leute, deine Mitmenschen und deine Gäste.»

nicht wütend, der ehemalige Mitarbeiter tat mir leid.» Shama lud ihn zum Gespräch ein, an dem der Verdächtige erst alles abstritt. Erst als der Unternehmer mit dem Gang zur Polizei drohte, brach er ein. Man einigte sich auf eine Teilrückzahlung. «Ich würde ihn auch heute noch auf der Strasse grüssen. Ich habe ihn ja nicht bestohlen, sondern er mich. Bei ihm ist offenbar einiges schiefgelaufen, sodass er Geld brauchte. Ich bin froh, nicht in seiner Haut stecken zu müssen. Mir und meiner Familie geht es auch ohne diesem Geld gut.» Selbstverständlich habe Kai Sushi aus dem Vorfall aber auch gelernt. Ein ähnlicher Vorfall könne kaum mehr vorkommen. «Das heisst aber nicht, dass ich meinen 62 Mitarbeitern nun weniger traue», hält Shama fest, der nie eine Kündigung ausspricht, wenn ein Mitarbeiter die Probezeit überstanden hat. «Während der Probezeit beobachten wir genau: Passt die Person zu uns? Setzen wir sie richtig ein? Entscheiden wir uns für sie, gehört sie zur Familie.» Da könne es zu Problemen und Verschiebungen kommen, nie aber zu Kündigungen. Shama glaubt an seine Philosophie der Menschenliebe. Und die Gäste? Es schmecke irgendwie besser, finden sie bei Kai Sushi oft. Genau definieren können sie die Aussage nicht. Mögen sie das Lokal, weil sie mehr Fisch kriegen als bei anderen? Spüren sie die gute Atmosphäre innerhalb des Unternehmens? Mögen sie das aufwendige, stilvolle Interieur? Amit Shama lächelt: «Erfolgreiche Gastronomie ist mehr als nur kalkulatorisches Können.» Mittlerweile sind es 15 Jahre, eine ausgereifte unternehmerische Philosophie und drei Filialen. Eine vierte ist in Planung.

Da gehört es dazu, einen Mitarbeiter während dessen Ehekrise verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken, mal einen Lohnvorschuss zu gewähren oder psychologische Probleme zu bemerken und professionelle Hilfe zu holen. Doch wird diese Gutmütigkeit nie ausgenutzt? Doch. Shama erzählt von einem ProbWelches Restaurant wählt der Gast? lemfall. Es geht um einen ehemaligen Noch vor fünf Jahren besprach er mit Mitarbeiter, den er sogar durch eine perdem Restaurantleiter Woche für Woche sönliche Krise begleitete. Nach dessen die Zahlen, setzte ihn damit unter Druck. Abgang aus dem Unternehmen fiel der Heute tut er dies nicht mehr, schenkt Buchhalterin auf, dass dieser gestohlen ihm Vertrauen. Und er vertraut dem Gast. hatte. «Meine Mitarbeiter staunten, weil «Der Gast geht nicht in ein Restaurant, ich nicht wütend wurde. Nein, ich war weil er weiss, dass dort der Personal- oder der Warenaufwand am tiefsten gehalten wird. Oder weil er weiss, dass dieses LoTIPPS FÜR UNTERNEHMER kal den grössten Umsatz generiert. Der Gast geht wiederholt ins gleiche Restau• Nutze die Probezeit, um über den Verbleib von Mitarbeitenden zu entscheiden. Halte danach an ihnen fest. rant, weil er spürt, dass er dort gut umsorgt ist. Ich kümmere mich also gut um • Liebe deine Mitarbeiter: Unterstütze sie individuell, vertraue ihnen, gib Verantwortung weiter. meine Mitarbeiter und sie kümmern sich ebenso gut um die Gäste.» Für viele • Liebe deine Gäste: Gehe die Extrameile, erfülle Sonderwünsche, begeistere sie – so kommen sie immer wieder. Gastronomen, weiss Shama, mag diese Philosophie zu wenig greifbar und zu • Richte dein Augenmerk auf solche Werte innerhalb des Betriebs – nicht ständig auf Zahlen. Das führt zum Erfolg. spirituell klingen. «Doch wir sind halt spirituelle Wesen und die Liebe gegen• Krisen gehören zu jedem Lernprozess. Aller Anfang ist schwierig. Wichtig ist es, aus Fehlern zu lernen. über Menschen ist zentral.»

GastroJournal Nr.  14/15 | 8. April 2021

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