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Sensorische Reize

Bewegungsoptimierung & Schmerzreduktion

Nutzen Sie regelmäßig Flossing-Bänder und andere Werkzeuge im Training, um Ihre Beweglichkeit zu erhöhen und den Muskeltonus zu senken? Sind Faszienrollen, Vibrationstools und Dehntechniken fester Bestandteil Ihres Trainings? Sehr gut, denn diese Reize tragen im neuronalen Zusammenhang zur unmittelbaren Optimierung Ihrer Trainingsleistungen bei.

Schauen wir uns dazu einmal die Entstehung von Bewegung auf neuronaler Ebene an. Bevor eine Bewegung überhaupt stattfindet, landet eine ungeheure Menge an Informationen in unserem Gehirn, die verarbeitet wird. Dabei agiert unser zentrales Nervensystem (ZNS) – als die höchste und alles steuernde Instanz des menschlichen Körpers – immer nach demselben Muster: Es empfängt sensorischen Input aus unserer Um- und Innenwelt, analysiert und interpretiert diese Informationen und leitet daraus letztendlich motorische Befehle ab, die über efferente Nervenfasern an unsere Muskulatur weitergeleitet werden. So kann das Gehirn in Sekundenbruchteilen Bewegungen initiieren, sie koordinieren und auch auf Veränderungen reagieren. Die Sinneserfassung, die Weiterleitung und der verarbeitende Prozess sind eine sensorische Leistung und werden aus diesem Grund alle unter dem Begriff „Sensorik“ geführt.

Reizverarbeitung

Das Gehirn bezieht seine sensorischen Informationen primär über das visuelle, das vestibuläre und das propriozeptive System. In diesem Artikel betrachten wir speziell die Rezeptoren, die der Propriozeption zuzuordnen sind, da sowohl Trainer als auch Therapeuten aufgrund ihrer primär biomechanisch konzentrierten Ausbildung und Arbeit in der Praxis so wesentlich schneller Anknüpfungspunkte finden.

Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen: Im Gehirn werden sensorische Informationen zuerst im hinteren Teil verarbeitet, bevor sie im weiteren Verarbeitungsprozess die vorderen Hirnareale erreichen. Unser Motorkortex, der mit anderen Instanzen Bewegung plant und initiiert, liegt im Frontallappen und erhält die sensorischen Informationen, die zur Bewegungsplanung benötigt werden, erst nachdem diese verarbeitet wurden. Dabei ist das Gehirn auf ausreichende und hochwertige Informationen angewiesen. Liefern bestimmte Bereiche weniger und unklare Informationen, beispielsweise aufgrund von Bewegungsmangel, fehlender oder sehr wenig variierender Reize, kann unser Gehirn die Gesamtsituation des Körpers schlechter bewerten und schränkt direkt unsere Leistung ein. Denn unserem Gehirn geht es – außer in akuter Lebensgefahr – immer zuerst um Sicherheit, bevor es Leistung zulässt.

Reizsetzung

Setzen wir im Training nun sensorische Reize, generieren wir zusätzliche Informationen, die unser zentrales Nervensystem in die Gesamtbetrachtung einbezieht. Jeder zusätzliche Reiz kann zu einer Verbesserung, zu keiner Veränderung oder sogar zu einer Verschlechterung der Beurteilung der Sicherheitslage durch das ZNS führen. Für unsere Trainierenden wollen wir primär positive Reize setzen, um die Sicherheitslage des ZNS zu erhöhen. Denn je sicherer das Gehirn die aktuelle Lage bewertet, desto weniger Maßnahmen zur Einschränkung von Bewegung, z. B. Schmerzen, geringe Kraftentfaltung, Bewegungseinschränkungen, hoher Muskeltonus usw., sind aus Sicht des ZNS notwendig. Für die Praxis ist das entscheidend: Kleben wir ein Tape auf die Haut, nutzen eine Faszienrolle oder ein Vibrationsgerät an einem Gelenk, aktivieren wir spezifische Rezeptoren, deren zusätzliche Aktivierung sich

positiv, neutral oder negativ auf die Bewegung auswirken können. Wir arbeiten also mit den Prozessen, die im Vorfeld einer motorischen Handlung ablaufen, damit daraus das bestmögliche motorische Programm entworfen werden kann. Dazu benötigen wir individuell passende und fördernde Reize.

Sensorik

Ein weiterer Faktor in diesem Zusammenhang nimmt der sensorische Homunculus ein. Denn wie gut wir bestimmte Körperteile ansteuern und bewegen können, hängt u. a. auch damit zusammen, wie diese im Kortex sensorisch und motorisch repräsentiert werden. So sind unsere Hände und Finger, der Mund und unsere Zunge sowie die Füße und Zehen, die alle eine sehr hohe Rezeptordichte aufweisen, auf der sensorischen Landkarte wesentlich stärker repräsentiert als unsere Beine, Arme und der Rumpf, die allesamt eine viel geringere Rezeptordichte aufweisen.

Diese sensorische Landkarte ist spannend für unser Training: Wenn wir in gering repräsentierten Körperteilen aufgrund von Bewegungsmangel oder sensorischen Defiziten weniger Input generieren, kann dies die Ursache von Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sein, weil diese Bereiche, die sowieso schon weniger Input liefern, vom Gehirn dann auch noch schlechter bewertet werden können. Wird die Situation als potenziell bedrohlich oder unklar eingestuft, setzt unser zentrales Nervensystem häufig Schmerzen als Aktionssignal ein, um uns zu einer Situationsveränderung zu bewegen. Unser zentrales Nervensystem nutzt Schmerzen als Kommunikationsmittel, um uns vor potenziellen Gefahren zu schützen, da die Areale bzw. Sensoren, die die Bedrohungslage erfassen, im Unterbewusstsein liegen. Die Faktoren, die dabei als bedrohlich eingestuft werden, sind multifaktoriell und haben wenig mit unserem rationalen Bewusstsein von Bedrohungen zu tun.

Wie gut wir bestimmte Körperteile ansteuern und bewegen können, hängt u. a. auch damit zusammen, wie diese im Kortex sensorisch und motorisch repräsentiert werden.

Werkzeuge

Im Gehirn liegt die sensorische Landkarte direkt neben der motorischen. Wenn du deinem rechten Fuß sensorischen Input gibst, verbessert sich häufig auch die Motorik des Fußes, weil die Verbindung zwischen sensorischem Kortex und dem Motorkortex sehr eng ist. So kann z. B. ein Abklopfen der Arme zu einer höheren Kraftleistung oder eine Warm-Kalt-Anwendung am verletzten Sprunggelenk zu einer besseren Bewegungskontrolle und zu einer größeren Bewegungsamplitude

Tools wie Faszienrolle, Tapes und Co. können dazu beitragen, die Reizverarbeitung im Gehirn zu optimieren

führen. Die Anzahl an Werkzeugen, die Trainer und Therapeuten hier nutzen, kennt keine Grenzen. Doch was macht eine sinnvolle Auswahl und Anwendung eines solchen Werkzeugs aus? Worauf sollte man in der Praxis achten und welche Limitationen gibt es?

Faszienrolle

Viele Fasziengurus propagieren seit Jahren: „Kein Training ohne Rolle!“ Für sie sind die Vorteile der Faszienrolle nicht von der Hand zu weisen – unabhängig davon, wer sie überhaupt anwendet. Mehr Beweglichkeit, entspanntere Muskeln, weniger Schmerzen, strafferes Bindegewebe, kürzere Regenerationszeiten... Die Liste ist so lang, dass die Götter im Olymp einen Nektarbecher für denjenigen leeren sollten, der dieses wunderbare Werkzeug auf den Markt gebracht hat. Doch bleiben wir lieber kritisch! Hat ein Ausrollen der Faszien wirklich einen so allumfassenden Nutzen? Profitiert tatsächlich jeder von der Rolle? Und ist die Faszienrolle bei alldem, was sie verspricht, immer auch diejenige Methode, die das am effektivsten und effizientesten erreicht?

Als ein den gesamten Körper durchziehendes, aktives und formgebendes Spannungsnetzwerk aus elastischem Bindegewebe werden der Spannungszustand und die Gleiteigenschaften der Faszien nonstop über das ZNS geregelt. Die Faszien entscheiden also nicht selbst, ob sie Schmerzen haben oder in ihrer Bewegung eingeschränkt sind – das regelt die Schaltzentrale. Aber Achtung: Das Zentrale Nervensystem fällt Entscheidungen auf Basis aller eingehenden Informationen aus der Innenwelt und der Umwelt nicht einfach allein aus den Informationen, die es aus den lokalen Nervenenden der Faszie speist. Die sensorischen Informationen der Faszien stellen am Gesamtkonstrukt also nur einen kleinen Teil dar.

Durch das Ausrollen mit der Faszienrolle werden über tiefen, festen Druck bestimmte Nervenenden in der Faszie aktiviert, die dem ZNS weitere sensorische Informationen speziell für den behandelten Bereich zukommen lassen. Die Gleichung ist simpel: Eine bessere Versorgung des ZNS führt zu einer besseren Beurteilung der Gesamtsituation, zu mehr Sicherheit und somit im Umkehrschluss zu einer Spannungsverminderung in den bearbeiteten Faszien. Schmerzen und „Verklebungen“ werden minimiert, Bewegungen optimiert.

Ist es wirklich so einfach? Nein! Denn wenn die zusätzlichen Informationen, die das ZNS bekommt, für die vorliegende Einschränkung als nicht relevant eingeschätzt werden, ist ein weiteres Training mit der Faszienrolle sinnlos und entsprechend reine Zeitverschwendung. Der zusätzliche Stimulus führt zu keiner positiven Veränderung. Im schlimmsten Fall können die zusätzlichen Informationen sogar zu einer Verschlechterung der Beurteilung der Gesamtsituation durch das ZNS führen – weitere Schmerzen, Verspannungen etc. können die Folge sein. Ein blinder und unreflektierter Einsatz der Faszienrolle kann demnach Probleme verstärken oder sogar neue aufkommen lassen, statt die gewünschten Effekte zu erzeugen. Ob der Einsatz der Rolle (oder anderer Stimuli) förderlich ist oder nicht, muss stets individuell getestet und entschieden werden. Dazu eignen sich am besten einfache Neuro-Self-Assessments.

Neuro-Self-Assessments

Neuro-Self-Assessments sind Bewertungsmodule, über die der Trainierende herausfinden kann, ob die bestimmte Trainingsintervention einen positiven, einen neutralen oder gar einen negativen Effekt ausgelöst hat. Dazu wird eine bestimmte Bewegung (z. B. der Toe Touch oder die Beweglichkeit der Schulter) vor der Applikation des sensorischen Stimulus getestet und nach Durchführung der Intervention wiederholt und mit dem Ausgangswert verglichen. Kann der Trainierende, wie in diesem Fall, die Hände nun flach auf den Boden legen, wo er vorher nur mit den Fingerspitzen unter seine Füße gewandert ist, wird von einem positiven Effekt des ausgeübten Reizes ausgegangen. In Bezug auf die Sensorik sollten unterschiedliche Sinnesmodalitäten getestet werden, unterschiedliche Applikationsdauern und natürlich auch die unterschiedlichen Werkzeuge, mit denen Verspannungen gelöst und Bewegungen optimiert werden können. Eine Verbesserung der motorischen Funktion lässt dabei auch immer auf einen positiven Stimulus schließen.

Take Home

Es gibt eine schier unendliche Vielzahl an Werkzeugen zur Bewegungsoptimierung und Spannungsreduktion: Faszienrollen, Flossing, Vibration, Dry Needling, Massage, Kinesio-Tapes und viele mehr. Die über diese Werkzeuge applizierten sensorischen Reize können helfen, müssen es aber nicht. Eine Einteilung in „gut“ und „schlecht“ ist unmöglich. Kein Werkzeug ist die finale Antwort. Warum? Es werden immer nur bestimmte Rezeptoren mit einem bestimmten Werkzeug erreicht. Ob das ZNS auch genau diese Rezeptorstimulierung zur Erhöhung der Sicherheitslage benötigt, kann im Vorhinein gar nicht gesagt werden. Dafür benötigen wir weitreichende Tests. Vor der langfristigen Anwendung eines Tools muss Klarheit darüber herrschen, ob der Athlet den spezifischen sensorischen Stimulus benötigt oder eben nicht. Das kann von Werkzeug zu Werkzeug unter-

schiedlich sein. Yassin Jebrini & Tim Jost

Yassin Jebrini ist Sportwissenschaftler M.A. und Z-HealthAbsolvent. Er arbeitet als Neuroathletiktrainer mit Profi- und Freizeitsportlern zusammen. Zusätzlich ist er als Referent tätig und bildet Trainer in Neuroathletik aus. www.jebrini-training.de

Tim Jost ist Masterstudent an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er ist als Buchautor tätig und schreibt für Jebrini Training den Newsletter und die Beiträge auf den SocialMedia-Kanälen.

Wie geht es nach dem zweiten Lockdown weiter?

Dominic Beßler: Wir glauben, dass das Angebot der EMS-Studios etwas breiter werden muss. Das bedeutet, dass man zu dem Angebot im Studio auch ein mobiles Training bei Kunden, in Firmen oder Vereinen anbieten sollte. Dies muss aber unserer Meinung nach absolut unkompliziert für den Trainer sein. Daher haben wir schon im November unseren „XBody GO“ präsentiert und können anhand des positiven Feedbacks der Trainer, die den „GO“ bisher schon eingesetzt haben, jetzt schon sagen, dass der Weg der richtige ist!

Was bedeutet „breiteres Angebot“?

Dominic Beßler: Wir sind der Überzeugung, dass das Angebot der EMS-Studios vielfältiger werden muss. Es wird nach dem Lockdown wesentlich mehr Kunden geben, die ein individuelles Trainingsangebot wünschen. Hier wird zum einen das betreute Training beim Kunden zu Hause von Relevanz sein, weil der Kunde entweder seine im Lockdown angeschafften Trainingsmittel auch mitbenutzen will, und/oder er aus persönlichen Gründen nicht ins EMS-Studio kommen will. Zum anderen sind wir der Überzeugung, dass es in Zukabelloses und kabelgebundenes EMS-Training für bis zu sechs Personen auf den Markt gebracht.

kunft immer mehr Firmen oder Vereine geben wird, die nach Lösungen für ein Ganzkörperkrafttraining suchen. Zuletzt planen auch immer mehr Fitnessstudios, mit dem „XBody GO“ – zusätzlich zu bisherigen EMS-Geräten und zum herkömmlichen EMS-Shop-in-ShopSystem – weitere Kunden in anderen Bereichen zu betreuen, z. B. im Bereich Functional oder Outdoor.

Warum ein weiteres Gerät?

Dominic Beßler: Wir haben uns schon im März 2020 gefragt, was der Betreiber/ Trainer benötigt, damit er EMS-Training weiterhin erfolgreich anbieten kann. Eines ist uns an dieser Stelle sehr wichtig zu betonen: der Erfolg des EMS-Trainings hat und wird immer auf der Betreuung des Trainers basieren und wir als Hersteller liefern nur das Werkzeug.

Was macht ein gutes Werkzeug aus?

Dominic Beßler: Wir als Firma XBody sehen unsere Geräte eher als Werkzeugkoffer, mit dem man auf die verschiedenen Trainingssituationen und Kundenbedürfnisse individuell und schnell, selbst während des Trainings, reagieren kann. Daher haben wir unser Studiogerät „Actiwave“ auch schon vor fünf Jahren als erstes und einziges Hybridgerät für ein

Anders als beim Studiogerät „Actiwave“ ist der „GO“ kein eigenständiges EMS-Gerät, sondern eine Steuereinheit für das kabellose EMS-Training, es ist kleiner und leichter im Handling Was bedeutet „unkompliziert“?

Dominic Beßler: Zum einen, dass unsere Bestandskunden das vorhandene Equipment mitnutzen können, vor allem das tragbare EMS-Gerät „Actiwear“. Das reduziert die Kosten massiv, dazu muss es einfach im Einsatz und intuitiv in der Bedienung sein. Natürlich bieten wir zum „GO“ auch Zubehör wie Taschen, Rucksäcke und verschiedene Halterungssysteme an.

Was ist neu am „XBody GO“?

Dominic Beßler: Der „XBody GO“ ist eine reine Tablet-basierte Steuerungseinheit mit der es möglich ist, bis zu zwei Trainierende, die jeweils das tragbare EMS- Gerät „Actiwear“ tragen, zeitgleich völlig individuell zu trainieren. Das Ganze funktioniert komplett ohne Steckdose, damit kann man mit dem „XBody GO“ überall trainieren. Anders als bei unserem Studiogerät „Actiwave“ ist der „GO“ kein eigenständiges EMS-Gerät, sondern eine Steuereinheit für das kabellose EMS-Training, es ist kleiner und leichter im Handling.

Was sind die Ziele von XBody für 2021?

Dominic Beßler: Wir haben in diesem Jahr noch viel vor! Wir werden weitere Innovationen herausbringen, damit XBody-Nutzer mit unseren Geräten und Zubehör ein individuelles Training durchführen können und noch mehr Möglichkeiten haben werden, neue Geschäftsmodelle umzusetzen. Bei allen Weiterentwicklungen ist es uns absolut wichtig, das wir zum einen die Dienstleistung der Trainer stärken und zum anderen immer auch eine Kompatibilität mit den bestehenden Produkten haben.

Kontakt:

XBody Training Germany GmbH

Vestische Allee 18 46282 Dorsten Tel.: 040-226160940

info@xbodyworld.de https://de.xbodyworld.com/

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