TRAINING SENSORISCHE REIZE
Sensorische Reize Bewegungsoptimierung & Schmerzreduktion Nutzen Sie regelmäßig Flossing-Bänder und andere Werkzeuge im Training, um Ihre Beweglichkeit zu erhöhen und den Muskeltonus zu senken? Sind Faszienrollen, Vibrationstools und Dehntechniken fester Bestandteil Ihres Trainings? Sehr gut, denn diese Reize tragen im neuronalen Zusammenhang zur unmittelbaren Optimierung Ihrer Trainingsleistungen bei.
Reizverarbeitung Das Gehirn bezieht seine sensorischen Informationen primär über das visuelle, 100 l body LIFE
4 I 2021
das vestibuläre und das propriozeptive System. In diesem Artikel betrachten wir speziell die Rezeptoren, die der Propriozeption zuzuordnen sind, da sowohl Trainer als auch Therapeuten aufgrund ihrer primär biomechanisch konzentrierten Ausbildung und Arbeit in der Praxis so wesentlich schneller Anknüpfungspunkte finden. Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen: Im Gehirn werden sensorische Informationen zuerst im hinteren Teil verarbeitet, bevor sie im weiteren Verarbeitungsprozess die vorderen Hirnareale erreichen. Unser Motorkortex, der mit anderen Instanzen Bewegung plant und initiiert, liegt im Frontallappen und erhält die sensorischen Informationen, die zur Bewegungsplanung benötigt werden, erst nachdem diese verarbeitet wurden. Dabei ist das Gehirn auf ausreichende und hochwertige Informationen angewiesen. Liefern bestimmte Bereiche weniger und unklare Informationen, beispielsweise aufgrund von Bewegungsmangel, fehlender oder sehr wenig variierender Reize, kann unser Gehirn die Gesamtsituation des Körpers schlechter bewerten und schränkt direkt
unsere Leistung ein. Denn unserem Gehirn geht es – außer in akuter Lebensgefahr – immer zuerst um Sicherheit, bevor es Leistung zulässt.
Reizsetzung Setzen wir im Training nun sensorische Reize, generieren wir zusätzliche Informationen, die unser zentrales Nervensystem in die Gesamtbetrachtung einbezieht. Jeder zusätzliche Reiz kann zu einer Verbesserung, zu keiner Veränderung oder sogar zu einer Verschlechterung der Beurteilung der Sicherheitslage durch das ZNS führen. Für unsere Trainierenden wollen wir primär positive Reize setzen, um die Sicherheitslage des ZNS zu erhöhen. Denn je sicherer das Gehirn die aktuelle Lage bewertet, desto weniger Maßnahmen zur Einschränkung von Bewegung, z. B. Schmerzen, geringe Kraftentfaltung, Bewegungseinschränkungen, hoher Muskeltonus usw., sind aus Sicht des ZNS notwendig. Für die Praxis ist das entscheidend: Kleben wir ein Tape auf die Haut, nutzen eine Faszienrolle oder ein Vibrationsgerät an einem Gelenk, aktivieren wir spezifische Rezeptoren, deren zusätzliche Aktivierung sich
www.facebook.com/bodylife
Foto: metamorworks – stock.adobe.com
S
chauen wir uns dazu einmal die Entstehung von Bewegung auf neuronaler Ebene an. Bevor eine Bewegung überhaupt stattfindet, landet eine ungeheure Menge an Informationen in unserem Gehirn, die verarbeitet wird. Dabei agiert unser zentrales Nervensystem (ZNS) – als die höchste und alles steuernde Instanz des menschlichen Körpers – immer nach demselben Muster: Es empfängt sensorischen Input aus unserer Um- und Innenwelt, analysiert und interpretiert diese Informationen und leitet daraus letztendlich motorische Befehle ab, die über efferente Nervenfasern an unsere Muskulatur weitergeleitet werden. So kann das Gehirn in Sekundenbruchteilen Bewegungen initiieren, sie koordinieren und auch auf Veränderungen reagieren. Die Sinneserfassung, die Weiterleitung und der verarbeitende Prozess sind eine sensorische Leistung und werden aus diesem Grund alle unter dem Begriff „Sensorik“ geführt.