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Branche muss zügig neue Wege gehen

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Frank Thömmes hat in den letzten zehn Jahren als Gründer und Geschäftsführer von PERFORM SPORTS den Functional-Training-Markt geprägt. Als Experte in diesem Bereich ist er weltweit als Referent und Coach gefragt. Mit body LIFE spricht er über aktuelle wie kommende Herausforderungen für Trainer und Studios durch Megatrends wie die Digitalisierung und die zunehmende Bedeutung von Gesundheit.

Interview mit Frank Thömmes, Geschäftsführer Perform Better Digital GmbH

body LIFE: Herr Thömmes, Sie haben sich in den vergangenen zehn Jahren einen Namen in der Fitnessbranche gemacht, weil Sie immer wieder neue

Trends und Veränderungen aufgegriffen haben, die sich dann tatsächlich auch durchgesetzt haben. Frank Thömmes: Ja, das stimmt, vielen

Dank. Bei den Themen „Functional

Training“ und „Faszientraining“ habe ich ganz gut gelegen. Mein Buch „Faszientraining“ von 2013 ist immer noch im Handel, mittlerweile schon in der 8. Auflage, obwohl es inzwischen viel bessere Bücher dazu gibt. Es war eben das erste zu dem Thema. Wir haben es auf der FIBO 2013 zusammen mit Jürgen Dürr, dem Entwickler der Blackroll, vorgestellt und damit nicht nur

Zuspruch, sondern auch Skepsis hervorgerufen. Und das Thema „Functional Training“ als eigener Bereich in der Studiolandschaft ist ja mittlerweile überall voll integriert und sogar als Monetarisierungskonzept mit Functional-Microstudios akzeptiert. body LIFE: Wie finden Sie neue Trends bzw. woher kommen die Anregungen? Frank Thömmes: Ich habe immer schon versucht, neben der reinen Wirkung von real betreutem Training, was ja unsere Kerndienstleistung darstellt, zu ergründen, wie sich globale Megatrends entwickeln und welche Auswirkungen sie auf unsere Dienstleistung und die Kundenwünsche haben. Da muss man schon etwas weiter über den Tellerrand schauen, wir sind ja im

Fitnessbereich immer recht spät dran mit vielen Dingen. Digitalisierung, Individualisierung, New

Work und die verstärkte Bedeutung von Gesundheit werden auch unseren

Markt weiter verändern. Jetzt gilt es, sich dafür aufzustellen. Der Kunde von heute wünscht sich seine Services bequem von zu Hause oder sonst wo – und das, wann und wie er möchte.

Ein klassisches Fitnessstudio könnte seinen Kunden das bieten, wenn es digitale Angebote hätte. body LIFE: Die Fitnessbranche steht aktuell vor großen Herausforderungen

und verändert sich wie viele andere

Branchen auch. Wo sehen Sie den größten Handlungs- bzw. Innovationsbedarf? Frank Thömmes: Wir befinden uns gerade in einer Beschleunigungsphase der

Digitalisierung, die eine tiefgreifende

Änderung unserer Leistungsangebote beinhaltet. Bisher haben das viele

Trainer und Studios noch nicht bemerkt bzw. ignoriert. Durch die Coronaeinschränkungen wird aber jedem drastisch vor Augen geführt, wie

Kunden betreut werden müssen und welche Rolle digitale Ansätze dabei spielen. Wir müssen jetzt zügig neue

Wege gehen, um uns aktuell, aber vor allem für ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell aufzustellen. body LIFE: Was bedeutet das konkret? Frank Thömmes: Wir alle nutzen als Kunden schon digitale Modelle und Angebote, weil es uns nicht bequem genug

sein kann – und wir wechseln diese auch gerne, wenn uns Preis oder Service nicht gefällt. Streaming-Dienstleister wie Netflix erleben einen

Boom. Wir bestellen Essen bei Lieferando, buchen Airbnb, navigieren mit

GPS und tracken unsere Pakete in

Echtzeit. Im Fitnessbereich haben

Gadgets Hochkonjunktur, Fitness-

Apps nutzt fast jeder und digitale Fitnessangebote on demand sind etabliert – alles in und mit unserem

Smartphone, das zusammen mit der

Netzabdeckung das alles erst möglich macht. Wir lassen uns die Kunden von neuen

Playern oder Techkonzernen wegnehmen bzw. sie zu ihnen abdriften, obwohl wir im Studio oder als Trainer schon persönliche Beziehungen und

Gesundheitskompetenz aufgebaut haben, die sehr viel Wert für den Kunden darstellen. Wir müssen ein hybrides Geschäftsmodell entwickeln. Da spielt Corona nur den Turbobeschleuniger. Das ist mehr ein prinzipielles

Thema der Angebotsausrichtung und

Kundenorientierung. body LIFE: Wo sehen Sie das Problem bei den Trainern und Studios? Frank Thömmes: Unsere Befragungen haben ergeben, dass drei Viertel der

Studios/Coaches noch kein digitales

Trainingsangebot haben und von den wenigen auch noch 80 Prozent damit kein Geld verdienen. Fast keiner ist zufrieden damit und sieht sich erst auf dem Weg der Digitalisierung von Trainingsdienstleistungen, der aber noch mit vielen Fragezeichen gepflastert ist. Den Trainern bzw. Studios mangelt es dabei nicht an Zeit oder Investitionsbereitschaft; das Investment ist ohnehin marginal. Es mangelt ihnen aber an einer auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Plattform, den geeig-

neten digitalen Produkten und der technischen Umsetzung. body LIFE: Welche Empfehlung bzw.

Handlungsanweisungen können Sie den Trainern und Studios geben? Frank Thömmes: Besinnt euch auf eure

Kundenbeziehung und stellt euren

Kunden zusätzliche digitale Trainingsangebote, die ihr selbst erstellt, zur Verfügung. Der Kunde kennt und vertraut euch und trainiert lieber mit euch als mit Fremden. Live-Events haben dabei einen besonderen Wert. Das kennen wir alle von

Fußballspielen. Wirtschaftlich sind digitale Produkte höchst interessant.

Einem Einmalaufwand stehen theoretisch unbegrenzte Teilnehmer und Erlöse gegenüber. Jeder spart dabei Zeit und Geld. Langfristig werden alle Kaufentscheidungen auch von Nachhaltigkeitsgedanken geprägt sein. Um ein passables digitales Angebot zu haben, ist aber etwas Aufbauarbeit und Knowhow zu dem Thema nötig. Da sollte man nicht selbst experimentieren, sondern Hilfe in Anspruch nehmen.

DSGVO-Hinweise auf der eigenen

Website hat man auch nicht selbst geschrieben. Mit einem guten Hybridangebot können aber dann auch neue, sich entwickelnde Märkte wie der Corporate-Fitness-, der Homefitness- und der Homeoffice-Markt, die alle miteinander verschmelzen werden, besser adressiert werden. Das ist ein innovativer Ansatz, der auch der Neukundengewinnung dient. Andere Neukundenaktionen machen in der aktuellen Phase der Unsicherheit mit geschlossenen

Einrichtungen und verängstigten

Kunden gar keinen Sinn. body LIFE: Wie werden sich die genannten Trends 2021 entwickeln?

Frank Thömmes: Man muss kein Orakel sein, um zu wissen, dass es in absehbarer Zeit oder auch nie mehr so sein wird, wie es vor Ausbruch der Coronapandemie war. Das Bewusstsein der Menschen hat sich verändert, das Konsumverhalten ebenfalls. Neue Regeln sind entstanden, Homeoffice wird weit verbreitet bleiben und sich dort zum Standard entwickeln, wo es machbar ist. Erfolgversprechend erscheinen mir hybride und flexible Angebotsmodelle, die den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Dieser arbeitet zukünftig auch im

Homeoffice, möchte qualifizierte und gesundheitsorientierte Angebote (Health Coaching), die er flexible zuhause oder sonst wo nutzen kann. Am besten mit persönlichem Bezug und einer kostenfreien Probephase. body LIFE: Herr Thömmes, vielen Dank für das Interview!

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