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Schnelligkeitstraining

IIm Neuroathletiktraining werden die Trainingsinhalte immer an den Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien des Gehirns ausgerichtet. Die Hauptaufgabe des Gehirns ist es, das Überleben zu sichern und den Organismus dementsprechend zu regulieren und zu schützen. Hierfür muss das Gehirn komplexe, anpassungsfähige Bewegungen initiieren können, um die verschiedenen Aufgaben zu lösen und effizient mit der Umwelt interagieren zu können. Aus dieser neurozentrierten Perspektive betrachtet hat die Fähigkeit, sich schnell zu bewegen sowie frühzeitig und präzise reagieren zu können, eine hohe Relevanz für den Schutz des Organismus. Ist diese Fähigkeit, eingeschränkt, hat das nicht nur einen leistungslimitierenden Einfluss, sondern führt auch zu einer allgemein höheren Bedrohungssituation. Eine potenzielle erhöhte Gefahr durch einen Mangel an Schnelligkeit hat daher Auswirkungen auf alle

BUCHTIPP

Lars Lienhard: Schnelligkeit beginnt im Gehirn. Mit Neuroathletik das Reaktionsvermögen verbessern und die Schnelligkeitsleistung optimieren. Riva Verlag, 2021. 288 Seiten, 25 Euro

SENSORISCHES STIMULIEREN

Beginne im neutralen Stand, zunächst den oberen Bereich des Nackens für 5 Sekunden zu reiben. Im Anschluss reibe 4–5-mal den linken Schulterbereich, um anschließend 4–5-mal an der Außenseite des Arms nach unten und auf der Innenseite nach oben auszustreichen. Wiederhole das Gleiche nun auf der rechten Seite. Abschließend reibe 4–5-mal über den Gesäß-Becken-Bereich und im Anschluss streiche 4–5-mal die Beine außen von oben nach unten und innen von unten nach oben aus. Das Gesäß und die Beine können gleichzeitig stimuliert werden. Stampfe nun noch 2–3mal mit den Füßen fest auf den Boden; danach ist das sensorische Aufwärmen beendet Bereiche des Lebens – dessen sind wir uns jedoch meist kaum bewusst.

Maximale Schnelligkeit kann nur kurzfristig erzeugt werden, denn sie stellt höchste Anforderungen an die energetisch-physiologischen, biomechanischen, koordinativ-technischen sowie motivational-emotionalen Fähigkeiten des Sportlers. Die Kräfte, die zum Beispiel beim Sprinten erzeugt werden, betragen etwa das Zehnfache des eigenen Körpergewichts pro Schritt und werden innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne aufgefangen (0,08 bis 0,11 Sekunden). Diese Belastungen werden in der Natur nur äußerst selten gefordert und stellen grundsätzlich eine Gefahr für den Organismus dar. Ein großes Anliegen des neurozentrierten Schnelligkeitstrainings besteht darin, gezielt die Rahmenbedingungen für diese hochintensiven Trainingszu verbessern, um das Gehirn in die Lage zu versetzen, die anstehende (schnelle) Bewegungsaufgabe optimal zu lösen.

SCHNELLIGKEITSTRAINING VORBEREITEN

Eine optimale Vorbereitung ist daher unerlässlich, um einen sicheren Rahmen zu schaffen und bestmögliche Ergebnisse mit dem Schnelligkeitstraining zu erzielen. Verschiedene Aspekte sollten im Vorfeld des Schnelligkeitstrainings berücksichtigt werden. Eine der wichtigsten Komponenten ist die Verbesserung der reflexiven Stabilität des Körpers. Darüber hinaus sind die Verbesserung der sensorischen Informationen zur Steuerung schneller Bewegungen und die Optimierung der technischen Aspekte, die zur Entlastung des Systems führen, wichtige Rahmenbedingungen. Bei kontextabhängiger Schnelligkeit, wenn also die Erbringung der Schnelligkeitsleistung an eine gegebene Situation gebunden ist, wie zum Beispiel im Mannschaftssport, ist es des weiteren von größter Bedeutung, die aktuelle Lage schnell wahrzunehmen, sie gut einzuordnen, eine Entscheidung zu treffen und optimal zu reagieren. Hier ist zumeist derjenige der Schnellere, der früher als sein Gegner agiert.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Schnelligkeit in hohem Maß von der Aufnahme und Verarbeitung sensorischer Informationen, den koordinativen und technischen Fertigkeiten des Sportlers und seiner reflexiven Bewegungsstabilität abhängig ist. So komplex die einzelnen Aspekte auch miteinander verwoben sind und sich bedingen – jeder Aspekt, der die Wahrnehmung, die reflexive Stabilität oder die koordinativen und technischen Grundlagen des Sportlers optimiert, kann auch die Schnelligkeitsleistung verbessern. Aus dieser sich in der Trainingspraxis täglich bestätigenden Tatsache ergeben sich unendlich viele Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen für das Schnelligkeitstraining

zu verbessern und das Training neuronal zu optimieren, um bestmögliche Resultate zu erzielen. In diesem Artikel findest du eine kleine Auswahl an Übungen, mit denen du die Rahmenbedingungen für dein Schnelligkeitstraining umfassend verbessern kannst.

SENSORISCHES VORBEREITEN

Grundsätzlich ist es so, dass das Gehirn bei sehr schnellen Bewegungen verstärkt auf sensorische Informationen angewiesen ist, um die Bewegung zu regulieren. Je schneller du dich bewegst, desto weniger können diese Bewegungen noch willkürlich, also absichtlich und willentlich kontrolliert, gesteuert und korrigiert werden. Unser Nervensystem hat die Fähigkeit, bereits im Rückenmark sensorische Informationen aus den Armen und Beinen zu interpretieren und Bewegungen hierdurch zu regulieren. Daher ist ein sensorisches Stimulieren der Arme, Beine und Füße im Vorfeld des Schnelligkeitstrainings sinnvoll.

GEHEN MIT VISUELLEM FIXPUNKT

Das Gleichgewichtssystem ist von besonderer Bedeutung, wenn es um Schnelligkeit geht. Es ist zum einen dafür zuständig, Bewegungsrichtungen und Bewegungsgeschwindigkeiten zu messen, und zum anderen, die Haltung des Körpers, die Bewegung und die Augen während der Beschleunigung zu stabilisieren. Das Gleichgewichtssystem hat Verbindungen zu allen bewegungssteuernden Systemen und Bereichen und vermittelt dem Gehirn Sicherheit innerhalb hoher Bewegungsgeschwindigkeiten. Einschränkungen in der Funktion des Gleichgewichtssystems wirken sich stets negativ auf das Beschleunigungs- und Schnelligkeitstraining aus. Vor allem die lineare Laufschnelligkeit ist abhängig von der Qualität der Wahrnehmung und der Verarbeitung desjenigen Gleichgewichtsorgans, das genau diese horizontale Beschleunigung misst: des Utriculus. Kann dieses Organ die Geschwindigkeit, mit der sich der Körper bewegt,

LARS LIENHARD nicht optimal

Der Autor ist Sportwissenwahrnehmen, schaftler und ehemaliger Leis- lässt das Gehirn tungssportler. Er war unter keine maximalen anderem als Trainer 2014 bei der FIFA Fußballweltmeister- Geschwindigkeischaft in Brasilien und 2016 ten zu. Aber nicht bei den Olympischen Spielen in Rio dabei. nur beim Sprinwww.lienhard-neuroathletik.com ten ist die Funktion des Utriculus

SEILLAUFEN

Halte im neutralen Stand die Griffe eines Sprungseils in den Händen. Beginne nun mit dem Seillaufen auf der Stelle, indem du bei jedem Schwung des Seils nach vorn einen leicht gesprungenen Schritt über das Seil ausführst. Durch den kontinuierlichen Wechsel kommst du automatisch in eine Skip-Bewegung. Finde deinen Rhythmus und gehe dann langsam in eine Laufbewegung über. Steigere die Geschwindigkeit nach und nach.

wichtig – auch seitlich-lineare Beschleunigungen und Rückwärtsbeschleunigungen des Körpers, wie sie in Mannschaftssportarten permanent üblich sind, werden von diesem Organ aufgenommen.

SEILLAUFEN

Betrachten wir die Kräfte, die bei der Laufbewegung auf den Körper wirken, genauer, so zeigt sich, dass die Bremswirkung in der mittleren Stützphase des Standbeins, wenn der Körperschwerpunkt genau über dem Fuß liegt, am größten ist. Hier wird also der Körper am stärksten belastet und extrem komprimiert. Kann diese Phase nicht durch entlastende Impulse unterstützt werden, kollabieren das Bein und der Körper durch die Kompression zu stark. Bei der optimalen Sprinttechnik setzt der Fuß leicht vor dem Körperschwerpunkt auf und wird, sobald sich der Körperschwerpunkt darübergeschoben hat, explosionsartig nach vorn in Richtung Hüfte gerissen. Dieser Vorgang dauert 0,08 bis 0,11 Sekunden. Der Körper bewegt sich dabei mit über 10 Metern pro Sekunde über das Standbein. Die Aufgabe beim Seillaufen ist es, mit jedem Schritt das Seil zu überwinden. Dies verlangt ein schnelles und frühzeitiges Lösen des Fußes vom Boden. Zudem musst du das Schwungbein bei gleichzeitiger Rhythmisierung und Timing der Beinarbeit nach vorn reißen. W

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