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Blutzuckerschwankungen

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Im Interview

Im Interview

kurzfristig sinkt, sichert der Organismus die Versorgung des Gehirns. Übrigens kann auch die Leber von sich aus Glukose produzieren. Cortisol fördert diesen Vorgang in der Leber, was wiederum zu einem höheren Blutzucker führt – alles im Sinne der Bewältigung von – vorübergehenden! – Stress-, Angst- oder Kampfsituationen.

Intervallfasten liegt auch bei Sportlern voll im Trend. Was gilt es dabei zu beachten im Hinblick auf den Blutzucker?

Offenbar können wir unseren Stoffwechsel gut ankurbeln, indem wir Intervallfasten und Sport miteinander kombinieren. Zum Hintergrund: Bei dem klassischen Intervallfasten wird in dem Fastenfenster über bis zu 16 Stunden nichts mehr gegessen. Für den Blutzuckerspiegel bedeutet das, dass der Körper in dieser Zeit versucht, ihn aus eigener Kraft weiter stabil zu halten, damit alle Organe und insbesondere das Gehirn einwandfrei funktionieren können. Dafür greift unser Organismus auf Glykogenspeicher der Leber zurück. Wird nun mit leeren Glykogenspeichern eine starke oder lang anhaltende Belastung aufgenommen, dann braucht die Muskulatur dafür so viel Energie, dass Glukose nachgeliefert werden muss. Sportler müssen beim Intervallfasten zwar nicht auf das Training verzichten. Sie können aber auch nicht erwarten, sportliche Bestleistungen zu liefern. Für Ausdauersportler gilt außerdem, dass sie das Risiko eingehen, den oben beschriebenen „Hungerast“ zu erleben. Vor allem sollten Sportler auch in der Fastenphase ausreichend trinken!

Sollten Sportler besser nicht in der Fasten- bzw. Nüchternphase trainieren?

Das kommt ganz darauf an. Wenn man Fett verbrennen will, sollte man in der Nüchternphase Sport machen, weil der Fettstoffwechsel dann besonders angeregt wird. Durch die langen Essenspausen wird der Körper motiviert, auf seine eigenen Fettdepots als Energiequelle zurückzugreifen, und baut Fett ab. Parallel zum Glukosestoffwechsel wird der Körper also auf die Verbrennung von Fett setzen, was allerdings nicht so schnell verfügbar ist. Wann die Fettverbrennung wie intensiv beginnt, ist noch Gegenstand der Forschung und offenbar individuell unterschiedlich – manche sprechen von 20 Minuten, andere von 30 Minuten. Sie ist beispielsweise individuell abhängig davon, wie groß die Glykogenspeicher sind, wie viel Muskelmasse es gibt, wie alt ein Sportler ist und vieles mehr. Hinzu kommt, dass jeder Mensch eine unterschiedliche Insulinempfindlichkeit hat. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Je moderater der Sport betrieben wird, umso eher kann er in der Fastenphase betrieben werden – vor allem dann, wenn das Ziel ist, Fett zu verbrennen. Das bedeutet auch, dass schlanke Sportler, die Intervallfasten betreiben, ihre Energieaufnahme nicht zu sehr einschränken sollten. Denn dies kann dazu führen, dass sie ungewollt fettfreie Masse verlieren. Muskelkraft, Glykogenspeicher und Reflexe nehmen ab und das Verletzungsrisiko steigt.

Und wenn man Muskeln aufbauen will?

Generell sollten Sportler beim Intervallfasten bedenken, dass es noch an fundierten sportbezogenen Studien fehlt. Es gibt allerdings erste Hinweise, dass ein Muskelaufbau auch trotz Intervallfasten möglich ist. Entscheidend für den Muskelaufbau ist die ausreichende Zufuhr von Bausteinen für die Muskelproteinsynthese, also Aminosäuren. Am Ende des Tages zählt die Gesamtzufuhr an Protein. Studien zeigen jedoch, dass der Muskelaufbau optimiert werden kann, wenn die Proteinzufuhr auf vier Mahlzeiten, also gleichmäßig über den Tag, aufgeteilt wird. Der Grund hierfür ist eine Art Obergrenze der Muskelproteinsynthese.

Auch die Mahlzeit vor der Trainingseinheit scheint eine Rolle zu spielen. Einigen Studien zufolge können Proteine, die vor dem Workout aufgenommen werden, die Muskelproteinsynthese verbessern. Hierbei ist es egal, ob das Eiweiß allein oder in Kombination mit Kohlenhydraten verzehrt wird. Andere Studien legen nahe, dass der Verzehr von Proteinen vor dem Training auch verbesserte Muskelregeneration, mehr Kraft und verbesserte Muskelleistung nach sich zieht.

Wenn man Fett verbrennen will, sollte man in der Nüchternphase Sport machen, weil der Fettstoffwechsel dann besonders angeregt wird.

Mit welchem zeitlichen Abstand sollte nach dem Training gegessen werden?

Man sagt, dass der Körper ca. 30 bis 60 Minuten nach einer Sporteinheit besonders responsiv für Nährungsstoffe ist. Tatsächlich weiß man inzwischen, dass das anabole Fenster nach einem intensiven Krafttraining deutlich länger ist, und zwar bis zu 24 Stunden nach der Trainingseinheit. Als Post-Workout-Snack bietet sich eine leichte Mahlzeit an, die aus komplexen Kohlenhydraten und Proteinen besteht – ein kleiner Naturjoghurt mit Nüssen beispielsweise oder eben ein Proteinshake. Nicht zu viel Zucker und eher langkettige Kohlenhydrate sind hier besser.

Stimmt es, dass der Blutzuckerspiegel nach dem Essen weniger steigt, wenn man sich vorher bewegt hat?

Bewegung kann den Anstieg des Blutzuckers sowohl vor als auch nach dem Essen reduzieren. Wenn man also eine sogenannte negative Mahlzeit zu sich genommen hat, die den Blutzuckerspiegel individuell stark ansteigen lässt, kann man den hohen Glukosespiegel im Blut durch Bewegung wieder absenken. Es scheint jedoch hier nach ersten Erkenntnissen Abhängigkeiten von der Tageszeit zu geben und möglicherweise auch individuell unterschiedlich zu sein. Faktoren wie Schlaf und Stress können unter anderem Gründe für die unterschiedlichen Reaktionen sein.

Wenn ich meinen Blutzucker stabil niedrig halten will, was ist besser: Ausdauertraining oder kurzes, intensives Training?

Langfristig ist Sport immer gut für den Blutzuckerspiegel. Eine gesunde Mischung aus Ausdauer- und Kraftsport ist eine gute Empfehlung. Bei Sportlern wirkt das Insulin übrigens effektiver: Es konnte beobachtet werden, dass die Insulinempfindlichkeit nach Bewegung bis zu 24 Stunden später noch erhöht war. Und eine gute Insulinempfindlichkeit bedeutet, dass weniger Blutzucker im Blut ist. Übrigens: Eine hohe Trainingsintensität, Intervalltraining oder ein kurzes, sehr anstrengendes Workout lassen den Blutzuckerspiegel erst einmal ansteigen. Das liegt daran, dass den Muskeln viel Glukose für die Energieproduktion zugeführt wird. Das normalisiert sich nach dem Training wieder und ist auch nicht ungesund. Ausdauereinheiten lösen zu Beginn meist keine Veränderung am Blutzuckerspiegel aus, manchmal steigt er ganz leicht an. Mit längeren Einheiten kann man ein langsames Abfallen des Blutzuckerspiegels beobachten, was ebenso normal ist.

Was raten Sie Menschen mit Adipositas im Hinblick auf ihr Blutzucker- bzw. Energie-Management?

Diesen Menschen kann ich eine ausgewogene, proteinreiche und möglichst kalorienarme Ernährung ans Herz legen, die individuell einen stabilen Blutzuckerspiegel ermöglicht. Denn je stabiler der Blutzucker, umso besser können die Fettreserven abgebaut und zudem Heißhungerattacken verhindert werden. Wer sich entschließt, Übergewicht zu bekämpfen, sollte sich im Klaren sein, dass vor allem am Anfang viel Disziplin und Durchhaltevermögen notwendig sind. Auch das liegt an Stoffwechselprozessen, die uns die Evolution im Hinblick auf das Einsparen von Energie bzw. Energiereserven mitgegeben hat. Denn: Bevor der Körper an die Fettreserven geht, fährt er zunächst seinen Grundumsatz herunter. Man isst also weniger, die Pfunde purzeln jedoch erst deutlich später. Aber jeder geschaffte Kilometer auf dem Marathon des Abnehmens ist eine große Leistung und darüber soll man sich auch freuen. Aufschreiben, was gegessen wurde, hilft, am Abend nicht mehr zu viel zu essen. Aufschreiben und Kaloriensparen ermöglicht am Wochenende dann auch eine Lieblingsmahlzeit, die sonst nicht mehr auf dem Speisenplan steht. Mein Appell: Essen sollte immer auch Genuss und Wohltat bedeuten. Neben Ernährung ist auch viel Bewegung wichtig – 150 Minuten die Woche sollten es schon sein. Und lieber häufiger kurze Sporteinheiten und im Alltag insgesamt mehr Bewegung als wenige Male längere Sporteinheiten. Consistency is key!

Gibt es eine allgemeine Empfehlung für das Verzehren von Kohlenhydraten?

Kohlenhydrate lassen den Blutzuckerspiegel ansteigen, während komplexe Kohlenhydrate bzw. Ballaststoffe den Blutzucker langsam ansteigen lassen. Wichtig ist aber: Jeder Körper geht anders mit Nahrung und insbesondere Kohlenhydraten um. Schlaf, Bewegung, Stress, aber vor allem Gene, Mikrobiom und der individuelle Stoffwechsel bestimmen, was mit den aufgenommenen Kohlenhydraten passiert.

Es gibt also keine Standardregeln, sei es nun die Regeln „nach 18 Uhr keine Kohlenhydrate mehr“ oder „morgens essen wie ein Kaiser“. Stattdessen muss jeder selbst herausfinden, was der Körper wann braucht. Ernährungsprogramme mit integrierter Blut- zuckermessung helfen dabei. W

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