Kriegserlebnisse 1939 - 1948

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HEINZ HARRE MEINE KRIEGSERLEBNISSE 1939 - 1947 Mit der Pioniertruppe in POLEN (1939), FRANKREICH (1940) und RUSSLAND (1941/42) An der Heimatfront (1942/44) Zusammenbruch an der Ostfront (1944/45) Kriegsgefangenschaft in RUSSLAND (1945/47)

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Anschrift des Bearbeiters: Dr. med. vet. Norbert Harre An der Pforte 39 64521 GroĂ&#x;-Gerau in 2009

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HEINZ HARRE MEINE KRIEGSERLEBNISSE 1939 - 1947 Mit der Pioniertruppe in POLEN (1939), FRANKREICH (1940) und RUSSLAND (1941/42) An der Heimatfront (1942/44) Zusammenbruch an der Ostfront (1944/45) Kriegsgefangenschaft in RUSSLAND (1945/47)

Inhaltsverzeichnis Hinweise und Vorwort von Norbert Harre

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Polen-Feldzug

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Vor dem Frankreich-Feldzug

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Frankreich-Feldzug

- 25

Vor dem Russland-Feldzug

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Krieg gegen die Sowjetunion

- 69

Im Ersatzheer

- 142

Zusammenbruch an der Ostfront

- 150

Kriegsgefangenschaft

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Anhang sowie Nachwort von Norbert Harre

- 166

Abk端rzungen

- 167

Einsatz der Einheiten

- 168

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Hinweise und Vorwort vom Bearbeiter - dem Sohn des Verfassers: Norbert Harre Die Anmerkungen im Text wurden von mir eingefügt. Ebenso sind die Zwischenüberschriften zur besseren Gliederung des Geschehensablaufs ergänzt. Auf Auszüge aus dem Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (KTB-OKW) ist gesondert hingewiesen, wie auch auf Briefzitate. Den Ortsbezeichnungen, die ermittelt werden konnten und deren Schreibweisen sich geändert haben, sind in eckigen Klammern […] hintangesetzt. Das Kartenmaterial ist ebenfalls von mir zusammengestellt worden. Die Fotografien stammen aus einem gesonderten Album meines Vaters. Vorwort Der Verfasser, mein Vater, wurde zwei Monate bevor dessen Vater, Wilhelm Harre, im 1. Weltkrieg in Litauen fiel, am 6. März 1915 in Plaue/Havel geboren. Wilhelm Harre hatte den Beruf eines Ziegelmeisters ausgeübt. Die Mutter, Emma Harre, die später eine zweite Ehe mit Hermann Griese einging, betrieb eine kleine Gaststätte und konnte bis zur mittleren Reife das Schulgeld für ihren Sohn aufbringen. Danach erlernte dieser das Fleischerhandwerk in Ketzin. Daran schlossen sich Reichsarbeitsdienst (1936) und Wehrdienstzeit (1937 - 1939) beim Pionierbataillon 23 in Berlin-Spandau an. Norbert Harre

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Polenfeldzug 1939 Die Einheit 4. Armee: 23. Inf.-Div. Pionier-Bataillon 23, Berlin-Spandau: 3. Kompanie (motorisiert): 3. Zug: Zugfhr.: 3. Gruppe: l. MG-Schütze: 2. MG-Schütze: 3. MG-Schütze: 4. MG-Schütze: Schützen: Fahrer: Beifahrer:

Kluge

Btl.-Kdr.: Oberstlt. Obenaus Komp.-Chef: Oberlt. Scheibe Spieß: Hauptfeldw. Hohme Lt. Page Grpfhr.: Uffz . Hohme stv. Gruppenfhr.: Gefr. Harre Pion. Sabrowski Pion. Krohn Pion. Lukasch OPion. Sauer Pion. Rosada, Pion. Heimchen, Pion. Schumacher, Pion. Pusch, Pion. Skreozek Pion. Gotthold Pion. Dühring

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Spannungsgeladenes Warten 27. 08. 1939 Schon seit einem Monat zählen wir die Tage bis zur Entlassung. Noch vier Wochen, und wir haben unserer Militärpflicht genügt. Dann geht es zurück ins Zivilleben. So denken wir! Aber es sollte anders kommen. Die Unterdrückung des Deutschtums in Polen und die Grausamkeiten, die an den Deutschen verübt werden, nehmen überhand. Wir liegen daher seit Tagen in ständiger Alarmbereitschaft und warten mit Ungeduld auf den Marschbefehl. Es ist für uns klar, daß etwas passieren muß. Niemals darf Deutschland diesen Schimpf auf sich sitzen lassen. Warum wartet man so lange? Da endlich am Sonntag heißt es: Wir marschieren! Der Bann ist gebrochen. Doch für mich, der ich auf die Bekleidungskammer kommandiert bin, gibt es jetzt viel Arbeit: Sachen abgeben, umtauschen und einkleiden. Nachmittags packe ich dann meine Klamotten. Es gibt noch eine Stunde Stadturlaub, den ich dazu benutze, meine eigenen Sachen bei Bekannten abzugeben. Auf dem Kasernenhof herrscht ein reger Betrieb, ein Hasten und Eilen. Wagen werden hervorgeholt, Kisten und Kästen verladen, Munitionskisten verstaut usw. Am Kasernentor stauen sich die Menschen, auch die Zäune sind eng von Neugierigen und den Anverwandten besetzt. Ab und zu mal ein Soldat, der den Eltern oder der Braut ein ermunterndes Wort zuruft. Aber auch manche Träne fließt. Mir bleibt dieser Abschiedsschmerz Gott sei Dank erspart. Dann heißt es: Munition, Gasmaske und eiserne Ration empfangen. Um 19 Uhr treten wir an. Die Fahrt geht nach POTSDAM. Unterwegs bleiben die Leute stehen, winken, fragen nach dem Wohin, und manches Scherzwort fliegt hin und herüber. Von POTSDAM benutzen wir die Reichsautobahn bis STETTIN [SZCZECIN]. Der Aufmarsch 28. 08. 1939 Wir haben hinten auf dem “Henschel“-Lkw während der Fahrt gepennt. Morgens um 5 Uhr kommt der Befehl: Fahrerwechsel. Jetzt bin ich dran, das Steuer zu übernehmen. Und dann geht es immer geradeaus. Es ist wahnsinnig langweilig und einschläfernd, ohne jegliche Abwechslung - diese Autobahn. Kolonnen überholen uns, und auch wir überholen andere Truppenteile. Sollte dies alles gut gehen? Kaum ausgedacht, ist es schon passiert. Vor uns liegt eine Zugmaschine im Graben, auf der anderen Seite ein Pkw und dahinter ein unkenntlicher Haufen, der früher mal ein Krad war. Wie wir später erfuhren, gab es dabei 7 Tote. Unser Endziel ist der Truppenübungsplatz GROß-BORN [bei SULINOWO, südl. KRAGEN / KRAGI], Kreis NEUSTETTIN [SZCZECINEK]. Gelangen dort vormittags an und beziehen in einer Kaserne Quartier. Das bis dahin bestehende Alkoholverbot wird aufgehoben. Die neue Gruppeneinteilung wird bekannt gegeben. Als einziger Gefreiter soll ich eine Gruppe führen. Doch abends trifft ein Uffz. aus dem Lazarett bei der Kompanie ein und übernimmt meinen Haufen. Ich werde bei ihm stellvertretender Gruppenführer. Abends steigt noch Gewehr- und Anzugsappell. Gehen zeitig schlafen. 29. 08. 1939 Verbringen die Wartezeit mit kleineren Übungen. Abends in der Kantine treffe ich Willi Rose aus Ketzin, der Fahrer beim Art.-Stab ist. Immer neue Truppen treffen ein, und bald wimmelt es von Soldaten. Auch der nächste Tag bringt nichts Neues. Vorbereitungen 31. 08. 1939 Kommen nachmittags von einer Einsatzübung zurück und erhalten Befehl, eine Brücke auszubessern und zu verstärken. Es ist äußerst wichtig, da unsere Division die Brücke beim Vormarsch benutzen soll. Ohne zu essen geht es gleich weiter und nachts um 23 Uhr ist das Werk getan. Wir fahren wieder zurück, der Magen hängt in den Kniekehlen. Dann schlafen wir wie die Murmeltiere. -

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Auf polnischem Gebiet 01. 09. 1939 Wieder Alarmbereitschaft. Kaufen noch Rauchware ein und dampfen mittags ab. Mitten im dichten Wald machen wir einen Halt, schlagen unsere Zelte auf und verbringen die Zeit mit Kartenspiel. Bei Eintritt der Dämmerung brechen wir die Zelte ab und fahren weiter. 19 Uhr 12 überschreiten wir bei ZISKAU [CZYZKOWO] die Grenze.

Wir kommen also zu spät; nichts ist von einer Schlacht zu hören. Hat es unsere Infanterie kampflos geschafft? Noch viele Kilometer geht die Fahrt durch dichten Wald. Dann gelangen wir auf freies Feld und machen Rast. Die Kompanie hat sich geteilt. Der 1. und 2. Zug übernachten auf einem Gut links unserer Vormarschstraße. Der 3. Zug, dem ich angehöre, kampiert in einem großen Strohhaufen mitten auf dem Feld. Die Nacht ist kalt, alles verkriecht sich im Stroh. Ich stehe auf Posten und habe den Auftrag, ganz aufmerksam das Gelände südöstlich und südlich zu beobachten. Es ist Gott sei Dank sternenklar, trotzdem sind die Augen bald überanstrengt und man glaubt, dies und jenes wahrzunehmen. Doch nichts ereignet sich, und meine 3 Stunden gehen um, so daß ich die Ablösung wecken kann. 02. 09. 1939 Verschlafen und zähneklappernd kommt um 5 Uhr alles hervorgekrochen. Gierig wird der heiße Kaffee geschlürft. Das erweckt wieder die Lebensgeister. Dann werden die Henschel angeworfen, und weiter geht es vorwärts. Nichts deutet unterwegs darauf hin, daß Kämpfe stattgefunden haben. Das geht so bis kurz vor den Fluß BRAHE [BRDA]. Erst dort finden wir in einem Waldstück einzelne tote polnische Soldaten. Krad-Schützen sind noch damit beschäftigt, den Wald zu säubern. Wie uns diese Kameraden erzählen, seien in dem Wald noch etliche Polen versteckt gewesen, die einzelne deutsche Meldefahrer erschossen hätten. Dabei ist unsere Infanterie schon längst weit voraus. Drei Kilometer vor der BRAHE bleiben wir im Wald liegen und bessern Straßen oder genauer gesagt die Landwege aus. Vorn tobt der Kampf, der, je länger er dauert, immer schwächer wird. Man merkt es an den seltener werdenden Garben der MG. Geht es vorn nicht weiter, oder zieht sich der Pole zurück? Da pfeift es über unseren Köpfen: eine Salve der polnischen Artillerie. . Blitzschnell gehen wir in Deckung. 50 m hinter uns liegen die Einschüsse und richten keinen Schaden an. Um aber 9


die wertvollen Fahrzeuge nicht weiter der Gefahr der Vernichtung auszusetzen, heißt es: Aufsitzen und zurück. Bei einer Försterei 5 km weiter rückwärts lassen wir die Wagen stehen und übernachten stehend, sitzend oder liegend auf den Fahrzeugen. Von Schlaf aber kann infolge der Kälte keine Rede sein. Brückenbau über den Fluß BRAHE 03. 09. 1939 Heute ist Sonntag. Stellen uns das Radio des Försters an und hören gespannt die Nachrichten. So erfahren wir von dem siegreichen Vorgehen unserer Truppen auf der ganzen Linie. Sollen wir in diesem Krieg denn gar nichts mehr zu tun bekommen? Wir warten immer noch auf den Abmarschbefehl, um über die BRAHE einer Brücke zu schlagen. Oder ist der Kampf da vorn noch im Gange?

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Unsere Küchenbullen verbringen die Zeit mit dem Einfangen und Abschlachten von Hühnern und von sonstigem Federvieh. Nachmittags geht es endlich weiter. Andere Pioniere haben bereits vor uns eine Kriegsbrücke aus B-Gerät gebaut. Um 16 Uhr fangen wir an, neben der Kriegsbrücke eine Behelfsbrücke zu errichten. Einige Spähtrupps werden ausgeschickt, denn wir befinden uns mitten im Wald. Nachts ist es etwas unbehaglich. Jedoch kommt uns der Wald beim Bau zugute, da wir gleich Holz in der Nähe haben. Uns wird eine weitere Kompanie eines Baubataillons (Arbeitsdienst) zugeteilt. Diese tätigt den Antransport der gefällten Bäume. Es wird schichtweise Tag und Nacht gearbeitet. Schlafen in Zelten, wegen der Kälte, einer dicht neben dem anderen. 04. 09. 1939 Sind wieder fleißig beim Arbeiten. Holz wird geschlagen und zurechtgeschnitten, Pfähle werden eingerammt, und dazwischen hört man die Stimme des Truppführers: -

Hoch den Bär und noch mehr, daß man sieht, wie er zieht. In Sand und Stein er muß hinein. 20 Mann stehen auf der Fähre und betätigen den Bär. Da winkt plötzlich jemand, und ich erkenne Werner Hübner, meinen Cousin. Kurze Begrüßung, dann fährt er weiter. Auf einmal verstummt das ratternde Geräusch der Kraftsäge und jemand ruft: “Die Polen kommen!“. Alles was auf dem jenseitigen Ufer ist, versucht herüberzukommen, wo die Gewehre stehen. Unser Chef brüllt mit gezogener Pistole, daß jeder wieder an seinen Platz gehen solle. Das hilft. Und dann kommen die Polen an, vorneweg aber einer mit einer weißen Fahne, verdreckt, zerlumpt und verwundert. Der Hunger hat sie aus ihren Verstecken getrieben. Sie werden gesammelt und später mit Fahrzeugen zurückgebracht. Wir erbeuten oder finden polnische Gewehre alten deutschen Kalibers, wie wir sie 1918 abliefern mußten: Maschinengewehre, Eierhandgranaten und Gasmasken mit dem typischen Gummischlauch. -

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05. 09. 1939 Der Brückenbau schreitet gut voran. Heute kommen auch Zivilisten an, die sich bisher versteckt hielten. Von einem Offizier werden sie verhört. Es geht manchmal recht dramatisch zu. Bei einem findet man Munition und entlarvt ihn als Baumschützen. Da wird kurzer Prozeß gemacht. Ein Feldwebel verschwindet mit ihm im Wald, und kurz darauf hören wir einen Schuß. Aus! Zigaretten und Tabak sind sehr rar geworden. Zur Verpflegung gibt es pro Tag 4 Zigaretten und 2 Zigarren. Doch diese reichen nicht aus. Von einigen Kameraden, die Nichtraucher sind, erhalte ich noch ihr Quantum. Dafür bekommen sie von mir Schokolade. Von fern hören wir ein Lied. Als der Gesang näher kommt, erkennen wir bald die Männer von der Baukompanie. Ob sie Rauchware mitgebracht haben? Ja, sie bringen etwas mit, und wir bezahlen gern den doppelten Preis. Abends erhalten wir unsere Feldpostnummer und können den Lieben daheim Nachricht zukommen lassen. 06. 09. 1939 Abends um 18 Uhr ist unsere Brücke fertig. 90 m ist sie lang. Schwerste Panzerkampfwagen rollen darüber (bis 30 to), und somit hat der Bau seine Belastungsprobe überstanden. Sie wird für den Verkehr freigegeben und bis l6-to-Gesamtgewicht zugelassen. Nun bauen wir noch die Kriegsbrücke ab und verladen das Gerät. Um 21 Uhr ist endgültig Ruhe, die wir auch nach den hohen Anforderungen nötig haben.

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Erstes Gefangenenlager 07. 09. 1939 Es ist heute herrliches Wetter, und wir nehmen im Fluß ein Bad. 3 Tage lang hatten wir uns nicht mehr gewaschen. Dann machen wir große Wäsche. Nichts mehr zu rauchen! Ein Königreich für eine Zigarette! Um 15 Uhr verlassen wir die Stätte unseres Wirkens. Endziel ist LASCOWICZE. Auf der Fahrt dorthin unterhalten wir uns über die Lage. Wie weit mögen unsere Truppen schon sein? Ob der Franzmann im Westen losschlägt? Oder haben sie Respekt vor dem Westwall? Gegen Abend kommen wir in unserem Bestimmungsort an. Unsere Gruppe stellt die Posten. Mitten auf freiem Feld ist hier ein riesiges Gefangenenlager. Ein Geviert mit Stacheldraht eingezäunt und an den Ecken Türme mit Scheinwerfern. Hier liegen die Gefangenen auf der Erde. Deutsche Posten dazwischen, die nach dem Rechten sehen. Während ich meine Wache schiebe, erlebe ich nochmals die Fahrt hierher. Grauenhaft und unvergeßlich diese Bilder! In den Gräben links und rechts der Chaussee tote Polen, unkenntlich die einen, andere wieder friedlich, als ob sie schliefen. Unzählige Gasmasken, Stahlhelme und Tornister liegen überall verstreut umher. Polnische Zivilisten kommen uns entgegen. Wenn sie uns weit genug entfernt glauben, wühlen sie in den umherliegenden Sachen. Dann wieder umgestürzte Feldküchen, tote aufgedunsene Pferde, Rinder und Schweine. Mitten auf der Fahrbahn liegen sie. Oft bleibt nichts anderes übrig, als darüber hinwegzufahren. Dies alles ist das Werk unserer Panzer und Flieger. In überstürzter Flucht müssen die Polen vollkommen kopflos das Weite gesucht haben. Viel polnische Artillerieund Sprengmunition steht herum. Letztere wird von uns als willkommene Beute mitgenommen. Die Dörfer, durch die wir kommen, sind von den Polen niedergebrannt. Nur noch die Schornsteine ragen aus diesen rauchenden und glimmenden Trümmern hervor. In einem solchen Ort machen wir Mittagsrast. Ein junger Schäferhund, am ganzen Körper zitternd, den Schwanz zwischen den Beinen, kommt winselnd zu uns. Kurz entschlossen nehmen wir ihn mit. Panje wird er getauft und ist bald der Liebling der ganzen Kompanie. Etwas später erblicken wir die ersten außer Gefecht gesetzten deutschen Panzerkampfwagen. Wir sehen uns einen an. Schrecklich! Innen ein verkohlter Haufen, oben lugt ein ebensolcher Arm heraus. Zwei deutsche Soldaten, die verbrannt sind. Wie uns später einige Kameraden der Panzerwaffe erzählen, hätten sich die Polen in der ersten Zeit tapfer geschlagen. Hat man ihnen doch gesagt, daß die deutschen Kampfwagen Attrappen aus Pappe seien. So sind sie dann mit gesenkter Lanze darauf los gestürmt. Die Verluste waren natürlich grauenhaft. Nach dem Verlassen des Korridors wieder durch Ostpreußen 08. 09. 1939 Vormittags um 11 Uhr verlassen wir LASCOWICZE. Die Fahrt geht durch den Korridor über MARIENWERDER [KWIDZYN] nach JAKOBSDORF [JAKUBOWO]. Wieder auf deutschem Gebiet! Welch ein Unterschied zwischen Deutschland und Polen. Hier Asphalt, dort dreckige, verstaubte Landstraßen. Ist der Krieg nun für uns beendet? Diese Nacht verbringen wir in einem Kuhstall. 09. 09. 1939 Decken uns mit Zigarren und Tabak ein, auch etliche Biere werden getrunken. Es ist ein mächtiger Betrieb in der kleinen Dorfkneipe. Man macht es sich gemütlich, trinkt, plaudert und spielt Karten. Ich nehme nachmittags im See ein Bad. Gegen Abend Gewehrappell. 10. 09. 1939 Sonntag. Um 4 Uhr werden wir geweckt und fahren um 5 Uhr30 los über RIESENKIRCH [OBRZYNOWO], MOHRUNGEN [MORAG], ALLENSTEIN [OLSZTYN], PASSENHEIM [PASYM], ORTELSBURG [SZCZYTNO] bis SCHWIDDERN [SWIDRY], einem kleinen Dorf, 1 km von der polnischen Grenze entfernt. Es war eine herrliche KdF-Reise an der Südgrenze Ostpreußens entlang. 14


Leider haben wir auf der Fahrt unseren ersten Todesfall zu beklagen. Der Pionier Karl Streng fährt mit seinem Krad gegen einen entgegenkommenden Pkw. Ihm wurde ein Bein abgerissen und der Kopf bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert. Er war sofort tot. Um 23 Uhr treffen wir in SCHWIDDERN ein und werden in einer Scheune untergebracht. Unser Korporal geht mit uns noch in die Kneipe und spendiert 2 Flaschen Bärenfang. 11. 09. 1939 7 Uhr ist Wecken. Wir reinigen unsere Waffen und haben dann Ruhe. Es ist Löhnungstag und wir nehmen unsere l2.-RM in Empfang. Von den Grenzern hören wir, daß hier im Ort in den ersten Tagen schon polnische Truppen gewesen seien. Dies aber nur für Stunden. Später hätten 6 Grenzer das Dorf verteidigt und gehalten. Wieder in Polen - Richtung LOMCZA 12. 09. 1939 In der Nacht kommen in ununterbrochener Folge Panzerkampfwagen und motorisierte Infanterie hier durch. Wir haben Gewehrappell und bringen unser Gerät in Ordnung. Lungern dann bei den Fahrzeugen herum. Da bewegt sich ein Zug Zivilisten auf uns zu. Wir gehen näher an die Straße und erkennen ca. 30 polnische Juden, die von einem deutschen Uffz. zurück über die Grenze nach Polen gebracht werden. Im Radio hören wir von der Beschießung Saarbrückens durch die Franzosen. Geht es jetzt auch im Westen los? Weiterhin soll auch die polnische Festung Lomcza gefallen sein. Abends werden wir aus dem Wirtshaus geholt. Ganz plötzlich ist der Befehl zum Abmarsch gekommen. In der Dunkelheit geht es wieder nach Polen hinein bis STAWISKI. Auf einem großen Gut PALENIA WZBRONIONE schlafen wir auf einem Kornboden. Außer uns ist noch Artillerie und Arbeitsdienst hier untergebracht.

13. 09. 1939 Ich sehe mir vormittags das Gut an. Hier kann man sich direkt verlaufen. Vieles deutet daraufhin, daß sich die Polen hier zur Verteidigung eingerichtet hatten. Es muß früher mal herrlich gewesen sein. Jetzt allerdings ist der Garten und Park verwüstet. Auch das Schloß ist nur 15


noch eine Ruine. In einem Gewächshaus befinden sich eine Unmenge Tomaten und Zwiebeln als willkommene Abwechslung für unseren Magen. Wir schlagen dann unsere Zelte auf. Über uns donnern unsere Flugzeuge gen Polen. Wo steckt eigentlich die polnische Luftwaffe? Bis heute haben wir noch kein einziges polnisches Flugzeug gesehen. Wir fühlen uns so recht sicher und geborgen. Zugweise besichtigen wir nachmittags STAWISKI, eine typisch polnischrussische Stadt. Primitive Straßen; Menschen, die in erbärmlichen Hütten wohnen. Die katholische Kirche dagegen ist ein Palast. Abends gehen Spähtrupps gegen die auf freiem Feld befindlichen Strohhaufen vor und holen einzelne polnische Soldaten heraus, die von dort deutsche Meldefahrer unter Feuer genommen hatten. Im Soldatenfriedhof des 1. Weltkriegs 14. 09. 1939 Bauen die Zelte ab und halten uns zur Abfahrt bereit. Zwei Mann aus meiner Gruppe sprechen Polnisch. So können wir uns mit den zurückgebliebenen Frauen unterhalten. Für 40 Pfennige haben diese Leute den ganzen Tag schwer arbeiten müssen. In dieser Nacht passierte auch ein humorvoller Zwischenfall. Ein Posten des Arbeitsdienstes erschoß nach dreimaligem Anruf: “Halt! Wer da?“ eine Kuh. Ich mache noch einen Rundgang durch den Gutspark. Dabei entdecke ich einen deutschen Heldenfriedhof von 1915. Er ist zwar etwas verwildert, aber die Kreuze stehen und die Namen sind noch zu lesen. Es handelt sich um Angehörige des 31. Regiments (Königsberg), die hier ihr Leben ließen. Ich lese alle Namen und hoffe im Stillen, auch das Grab meines Vaters zu finden, der auch auf einem Gut begraben liegt. Diese Hoffnung erweist sich leider als trügerisch. Um 15 Uhr fahren wir weiter über LOMCZA nach WIZNA. Unser Zug erhält den Auftrag, die von Pionieren erbaute Brücke über den Fluß NAREW zu sichern und gleichzeitig die Brückenwache zu übernehmen. Die Polen haben nämlich beim Rückmarsch die ungefähr 250 m lange Brücke gesprengt.

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Schlachtfest und Brückenbau 15. 09. 1939 Wir haben die Nacht hindurch viel zu tun, müssen wir doch ständig bei den bespannten Fahrzeugen schieben helfen. Mittags werden wir endlich vom Arbeitsdienst abgelöst. Treffen wieder mit unserer Kompanie zusammen und fahren 40 km weiter bis nach STREKOWOGORA. Unterwegs haben wir Gelegenheit polnische Schützengräben, Drahtverhaue und Bunker zu sehen. Hier muß es wieder heiß hergegangen sein. Die ausgebrannten und umgekippten Autos reden eine nur zu deutliche Sprache. Zivilbevölkerung ist dabei, tote Pferde und sonstiges Vieh einzugraben. Immer wieder ragen zu beiden Seiten der Chaussee Kreuze aus dem Boden, bedeckt mit polnischen und deutschen Stahlhelmen. Soldaten, die für ihr Vaterland kämpften und Feinde waren, ruhen nun nebeneinander. Eine Mahnung für kommende Geschlechter! Auch hier im Ort, wo wir die nächsten Tage bleiben, ist die Hälfte der Häuser, wie uns die wenigen verbliebenen Zivilisten mitteilen, von polnischen Truppen niedergebrannt worden. Und auch die Brücke über die NAREW sprengten die Polen beim Rückzug. Glaubten sie im Ernst daran, dadurch unseren Vormarsch aufhalten zu können? Das Vieh, Enten, Hühner, Gänse und Schweine laufen herrenlos auf den Feldern umher. Ich werde zum Spieß gerufen. Suche mir noch 3 Männer, und gemeinsam fangen wir mit größter Mühe 4 Schweine ein. Am selben Abend beginne ich zu schlachten. Eine große polnische Munitionskiste dient als Brühtrog. Die Kameraden stehen dabei und verfolgen das für sie seltene Schauspiel mit regem Interesse. Manches Scherzwort fliegt mir dabei zu. Einige fassen auch schon mal mit an. Abends um 22 Uhr hängen alle 4 Stück nebeneinander an unserem Verpflegungswagen. Für heute ist meine Arbeit getan. Schlafe in der Scheune wie ein Murmeltier. Wenn doch bloß bald Post oder besser ein Päckchen mit Rauchware für mich ankäme! 16. 09. 1939 Zu uns kommt noch die 2. Kompanie unseres Bataillons und hilft beim Brückenschlag. Hier haben die Polen aber sehr schlecht gesprengt, denn viele Teile können von uns zum Bau der Behelfsbrücke verwandt werden. Ich bin in der Küche, zerlege die Schweine und schneide das Fleisch fertig. Zum Frühstück brate ich mir Leber - ganz groß! Nachmittags rupfen ich und 17


Riedel noch 10 Gänse und sengen sie mit der Lötlampe. Zum Abend gibt es ein reichliches Mahl: 3/4 Pfund Wellfleisch als Zusatzverpflegung. Man sieht nur zufriedene, schmunzelnde Gesichter. 17. 09. 1939 Wieder ein Sonntag, der sich von den anderen Tagen dadurch unterscheidet, daß es zu Mittag Schweinebraten, Kartoffeln, Sauerkraut, 1/4 Liter Wein und 25g Tabak gibt. An der Brücke wird emsig weiter gearbeitet. Ich bleibe bei der Feldküche. Heute Morgen um 4 Uhr soll auch der Russe die polnische Grenze überschritten haben. Die polnische Regierung ist geflüchtet. Nun dauert es nur noch wenige Tage, und das anmaßende Polen ist restlos geschlagen. Einige Einwohner betteln um Tabak. Wir geben ihnen unsere Ration “Roß und Reiter“, ein Kraut, das den stärksten Neger umhaut. Sie qualmen dies mit Wohlbehagen. Die Leute haben schnell Vertrauen zu uns gefaßt, sie grüßen mit “jen dobbri“ und wir grüßen mit denselben Worten zurück. Die ist alles, was ich aus dem polnischen Sprachschatz beherrsche. Es heißt “guten Tag“. Sonst halten wir uns ihnen gegenüber sehr reserviert. Brate bei einer polnischen Familie Schmalz aus. Es sind Flüchtlinge aus einer Großstadt. Hier ist es ausnahmsweise im Haushalt sehr sauber. Der Mann ist Russe und spricht leidlich Deutsch. Durch ihn erfahre ich, wie man das Volk aufgehetzt hat. Jetzt aber würden sie klar sehen. Die Tochter Janina ist ungefähr 15 Jahre alt und sehr hübsch. Sie ist bestrebt, recht viel Deutsch zu lernen und schreibt sich jedes erlernte Wort auf. 18. 09. 1939 Seit gestern ist das Wetter umgeschlagen. Es regnet ununterbrochen. Unser Spieß ist heute früh mit einem Pkw nach BIALYSTOK gefahren und will organisieren. Wir sind allein bei der Feldküche und machen es uns gemütlich. Der von gestern übrig gebliebene Rotwein wird mit Zucker vermischt. Dies gibt einen herrlichen Trunk, dem wir rege zusprechen. Die erste Post wird verteilt. Ich erhalte von zu Hause einen Brief. Feldwebel Henke (l. Kp.) erhielt heute das EKII. Er hatte sich bei den Kämpfen an der BRAHE, wo die 1. und 2. Kompanie eingesetzt war - während unsere Kompanie in Reserve lag - besonders hervorgetan. 19. 09. 1939 Bin schon seit 5 Uhr auf, obwohl erst um 7 Uhr geweckt wird. Die Kälte ließ mich nicht mehr schlafen. Vormittags wird die Brücke fertig. Unser Spieß, Emil Hohme, der gestern Nacht zurückkam, hat allerhand mitgebracht, vor allen Dingen Zigaretten und 150 Ltr. Bier. Bei der Feldküche gibt es für mich nichts mehr zu tun. Gehe deshalb zurück zu meiner Gruppe. Nachmittags Gewehrappell. Mir scheint der Rotwein nicht bekommen zu sein, denn alle 5 Minuten muß ich zum Donnerbalken sausen. Unsere Gruppe erhält den Auftrag, 20 km rückwärts eine Holzbrücke auszubessern. Dabei entdecke ich im Wasser ein polnisches sMG, das herausgeholt wird. Es ist noch vollkommen gebrauchsfähig. Nach 2 Stunden Arbeit fahren wir wieder zurück zur Kompanie. Dort hat man in einer Scheune schon ein Radio aufgebaut, und so können wir die Rede des Führers aus Danzig hören. Rückmarsch 20. 09. 1939 Der Feldzug der 18 Tage ist zu Ende. Wir fahren zurück über: WIZNA, JEDWABNE, STAWISKI, JUSCHNI, KRAYJEWSNO und überschreiten bei PROSTKEN [PROSTKI] wieder ostpreußisches und somit deutsches Gebiet. Es geht über NEUENDORF [NW.WIESELCKA] bis BORKEN [bei LYCK / ELK]. Jetzt wollen wir wieder leben, denn Geld haben wir genug, da wir bisher nicht dazu kamen, etwas auszugeben. Wartezeit!

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Vor dem Frankreich-Feldzug Etappenweise quer durch Deutschland zur luxemburgischen Grenze In KRAMSK bei SCHLOCHAU [CZLUCHOW] 22. 09. - 26. 09. 1939 Es folgen lustige, sorgenlose Tage in Ostpreußen. Besichtigen LYCK [ELK]. Triumphfahrt über LYCK nach FLIEßDORF [STR.JUCHY]. Dort werden wir am 22. 09. 1939 verladen und kommen über ALLENSTEIN nach MARIENWERDER. Fahren dann mit unseren Fahrzeugen durch den Korridor bis KRAMSK, wo wir bereits im Juni - während der Arbeiten an den Ostbefestigungen - einquartiert waren. Ein freudiges Wiedersehen mit den alten Quartiersleuten. Helfen bei der Kartoffelernte. Fahrt bis ROHRBACH bei BAUMHOLDER 26. 09. - 09. 10. 1939 Am 26. 09. 1939 werden wir wieder verladen. Die Fahrt geht sogar durch BERLIN, wo wir des Nachts eine halbe Stunde in SPANDAU stehen. Wir hatten wenigstens mit ein paar Stunden Urlaub gerechnet. Doch leider! Schwestern vom Roten Kreuz verpflegen uns unterwegs. In HAMM werden wir von ausländischen Journalisten bestürmt und fotografiert und abends dann in HERBORN ausgeladen. Ich erhalte bei einem Großindustriellen ein phantastisches Quartier. Per Achse geht es am nächsten Tag weiter über: WIESBADEN, MAINZ, BAD KREUZNACH, LAUTERECKEN bis ROHRBACH. Jetzt beginnt wieder das Exerzieren. Zeitweise helfen wir auch Kartoffeln, die man dort Krumbiren nennt, ausbuddeln. Auch der Bau von Fliegergräben wird begonnen. Führerrede: Adolf Hitler gibt die Verluste im Polenfeldzug bekannt. Danach sind gefallen: 10500 Mann, vermißt: 3500 Mann und verwundet: 3000 Mann. Am 09. 10. 1939 verlassen wir ROHRBACH. Weiterfahrt in die Eifel 09. 10. - 05. 11. 1939 Die Fahrt geht über BERNKASTEL bis EISENSCHMITT, einem hübschen Weinstädtchen. Nur zwei Tage bleiben wir dort und fahren weiter bis SCHALKMEHREN (Kreis DAUN). Ansprache unseres Divisionskommandeurs Generalmajor Graf von Brockdorff-Ahlefeld vor unserem ganzen Bataillon. Ich übernehme wieder einen Henschel. Die Kompanie hilft bei der Ernte. Ich schlachte im Ort bei den Leuten und bin zeitweise zur Feldküche abkommandiert. Wir erhalten aus Spandau Nachersatz: ältere Leute, Reservisten. Auch Frauen aus Berlin treffen hier ein und besuchen ihre Männer. Am 05. 11. 1939 ist es wieder soweit, Abschied von den freundlichen Leuten zu nehmen.

Bunkerwache an der luxemburgischen Grenze 05. 11. - 25. 11. 1939 Wir fahren über BLECKHAUSEN‚ WEIDENBACH‚ MAISBURG, DENSBORN, WETTELDORF, LASCHEID, WAXWEILER, KRAUTSCHEID, NEUERBURG, KARLSHAUSEN, bis AFFLER, direkt an der luxemburgischen Grenze. Bei ÜBER-EISENBACH beziehen wir die uns zugewiesenen Bunker. Ich bin Bunkerkommandant im großen Mannschaftsbunker “Bismarck“. Mit mir hausen 15 Mann. Es ist eine ruhige, faule Zeit. Leider passiert auch ein Zwischenfall mit ernsten Folgen. Unser Zugführer Lt. Schulz wird deshalb vom Kriegsgericht mit 6 und der Pionier Heun mit 5 Monaten Festung bestraft. Letzterer weil er als Posten die luxemburgische Grenze überschritt und dabei von einem deutschen Zöllner überrascht wurde. Noch dazu war er betrunken. Lt. Schulz wurde bestraft, weil er zuließ, daß Heun Alkohol trank, obwohl er von dem anstehenden Wachdienst von Heun wissen mußte. 20


In PLUTSCHEID nördlich BITBURG 25. 11. - 04. 12. 1939 Bis 25. 11. 1939 bleiben wir in den Bunkern und kommen dann nach PLUTSCHEID. Unsere Gruppe wohnt geschlossen bei einem Bauern. Es sind mürrische Leute. Ich schlafe mit meinem Gruppenführer und Freund Hotter Zimmek in einem Bett, das in einer kleinen Kammer steht. Nicht einmal ein Ofen ist vorhanden, dazu diese eisige Kälte. So haben wir jeder neben dem Bett eine Flasche mit Schnaps stehen. Nur so ist es auszuhalten. Urlaub 05. 12. - 13. 12. 1939 Vom 05. 12. - 13. l2. 1939 fahre ich in Urlaub. Daheim frohe Tage und manch freudiges Wiedersehen. Weihnachten feiert die Kompanie in der von uns inzwischen erbauten Baracke. Zum 01. 12. 1939 Beförderung zum Obergefreiten Ich werde mit Rückwirkung vom 01. 12. 1939 zum Obergefreiten befördert. 24. 12. 1939 Soldatenweihnacht! Es ist schon die dritte, die ich mitmache. Dann folgen Wochen strenger infanteristischer Ausbildung. Ich habe auch eine Gruppe übernehmen müssen. Unser Spieß wird abgesetzt und zum Oberfeldwebel degradiert. Schade, solchen Kerl kriegen wir nie wieder. An seine Stelle tritt Feldwebel Inacker.

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Im Februar in SEVENIG an der luxemburgischen Grenze Mitte Februar machen wir wieder Stellungswechsel. Unser 2. Zug kommt nach SEVENIG, während der 1. und 3. Zug nach AFFLER fahren und wieder mit Barackenbau anfangen. Eckiger Dienst. Im März in AFFLER an der luxemburgischen Grenze Anfang März ziehen wir um zum 1. und 2. Zug nach AFFLER. Üben mit einem behelfsmäßig hergerichteten 2-to-Schnellsteg und mit der Stahlstraße! Alles deutet daraufhin, daß wir durch Luxemburg gehen. Jeden Abend Unterführerausbildung. Drüben in Luxemburg hat man die Straßen durch Betonblöcke gesperrt. Üben deshalb das Sprengen und Beseitigen dieser Hindernisse, selbstverständlich alles scharf. Eine Stoßtruppübung jagt die andere: mit Pak, schwerer Flak und sonstigen Waffen. Dies ist sehr interessant. Ostern fällt diesmal auf den 24. März. Es ist schon ein herrlich warmes Wetter. Zum 01. 03. 1940 Beförderung zum Unteroffizier Vormittags ist Antreten der gesamten Kompanie. Dabei werden ich und noch ein Kamerad zum Unteroffizier befördert. Die Feier hat mich 50.-RM gekostet; dafür ist es aber auch nur einmalig. Arbeiten dann sehr oft mit unserem leichten Kriegsbrückengerät auf der IRSE, einem reißenden Flüßchen. Abends liegen wir, nur mit einer Badehose bekleidet, an den Hängen und schauen nach Luxemburg hinein. Ein Koffergrammophon spendet uns Musik und Abwechslung. Ausgedehnte Spaziergänge in die Umgebung werden unternommen. Es ist ein schöner Fleck Erde - die Eifel. Viel Sport treiben wir in dieser Zeit. Bier ist hier sehr knapp. Von zu Hause bekomme ich ab und zu ein Päckchen mit einer Flasche “Schultheiss-Patzenhofer“. 22


01. 04. 1940 Am l. April geschieht ein einmaliges Ereignis: die Zeit wird nachts 3 Uhr um eine Stunde vorgestellt. Appelle über Appelle! Kirchgang! 09. 04. 1940 Am 9. April erreicht uns die Nachricht, daß unsere Truppen Dänemark und Norwegen besetzt hätten. Wir bringen in der Nacht unsere Stahlstraße und sonstiges Gerät an die Grenze und tarnen es. Es passieren die tollsten Sachen. So trinkt z.B. ein Soldat für 4.-RM einen Becher voll mit dreckigem Wasser, worin er sich zuvor die Füße gewaschen hatte. Derselbe war sogar Akademiker. Lehrgang in KOBLENZ 27. 04. - 08. 05. 1940 Vom 27. 04. - 08. 05. l940 werde ich nach KOBLENZ zu einem Lehrgang auf die ArmeePionierschule kommandiert. Herrliche, unvergeßliche Tage. Von morgens bis abends liege ich auf dem Wasser und lerne das Fahren mit dem Motorboot, mal auf der MOSEL, mal auf dem RHEIN. Jeden Abend bin ich in der Stadt, und immer gibt es etwas Neues zu sehen: das Deutsche Eck, Ehrenbreitstein, Rittersturz, das Weindorf, Roter Hahn usw. Leider vergehen diese Tage nur allzu schnell.

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Als ich zur Kompanie zurückkomme, ist alles schon beim Packen und es wird zum Abmarsch gerüstet. Es geht los! Pionier sein heißt angreifen.

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Feldzug gegen Frankreich

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Die Einheit 12. Armee: 23. Inf.-Div.: ab 27. 5. 1940 : PiBtl. 23 3. Kompanie: 2. Zug: 3. Grp.: Grpfhr.: 1. MG-Schütze: 2. MG-Schütze: 3. MG-Schütze: Schütze:

List Generallt. Graf von Brockdorff-Ahlefeld Generalmajor Hellmich

Olt. Scheibe, Spieß: Fw. Inacker Lt. Goetz, ab 26. 6. 40: Lt. Lindemann Uffz. Harre, stv. Grpfhr: Gefr. Malke Gefr. Beilner [gefallen: 18. 05. 1940 a. d. AISNE] Gefr. Wenzel Gefr. Arnemann Pion. Stülpner [verw.: 19. 05. 1940, verstorben: 07. 06. 1940] Pion. Eckert, Gefr. Uttecht, Gefr. Feistauer, Gefr. Münchhoff Fahrer: Gefr. Klatetzki Beifahrer: Gefr. Baatz Nachersatz zum 05. 06. 1940: Püllen, Henke, Rösicke

Alarm 09. 05. 1940 Nachmittags ist plötzlich Alarm. Wir packen unsere Sachen und verladen das Gerät auf den Lkw. Gegen Abend setzen wir uns in Marsch und fahren bis nach SEVENIG, wo wir in Bereitstellung liegen bleiben. Schwere und schwerste Artillerie sowie 8,8-cm-Flak stehen hier bereits in Stellung. Also morgen früh wird der Feuerzauber losgehen. Verbringen die Nacht sitzend auf den Fahrzeugen. Durch Luxemburg nach Belgien hinein 10. 05. 1940 3 Uhr ist Wecken. Um 4 Uhr fahren wir los bis nach GEMUND, das unmittelbar an der luxemburgischen Grenze liegt. Hier erfahren wir, daß unsere Infanterie bereits in Luxemburg ist. Die wurden da drüben vollkommen überrumpelt. Noch ist kein einziger Schuß gefallen. Ein Baubataillon ist damit beschäftigt, eine Behelfsbrücke über die IRSE zu schlagen. Immer mehr Fahrzeuge stauen sich vor der Brücke, und wir warten voller Ungeduld, endlich darüber fahren zu können. Eine Vorausabteilung wird aufgestellt. Dazu gehören unser Pionierzug, ein Zug Pak, ein Zug KradSchützen, ein Zug Infanterie und ein Zug schwere Flak - alles motorisiert. Unser Auftrag ist es, soweit wie möglich vorzustoßen und Feindberührung zu suchen. Endlich wird die Brücke für den Verkehr freigegeben, und wir überschreiten um 7 Uhr 45 die luxemburgische Grenze. Die Fahrt geht über HOLZTHUM, CONSTHUM, SELLINGEN, WILWERWILTZ, ESCHWEILER, DERENBACH, ALLERBORN, OBERWAMPACH, NIEDERWAMPACH bis zur belgischen Grenze. Unterwegs hatten wir Zeit und Muße genug, uns dies herrliche Stückchen Erde anzusehen. Eine wunderbare Landschaft, schöne, gepflegte Straßen und schmucke, saubere Ortschaften. In jedem Dorf war die Bevölkerung zusammengelaufen und bestaunte uns. Ab und zu wurden wir auch mit Händeklatschen und Heilrufen begrüßt. An den Brücken - die wir passieren stehen deutsche Soldaten in Zivil mit gelben Armbinden auf Brückenwache. Sie sollen verhindern, daß irgendwelche Sabotageakte verübt werden. Die Soldaten sind bereits in der Nacht über die Grenze gegangen und haben ihre Aufgabe voll und ganz erfüllt, denn nicht eine Brücke ist zerstört.

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Um 12 Uhr 25 überschreiten wir die belgische Grenze. Hier gibt es für uns Pioniere die erste Arbeit, da die Belgier fast alle Straßen durch riesige Baumsperren blockiert haben. Oft sind dieselben bis zu 50 m tief. Während meine Männer die K-Säge klarmachen, untersuche ich die Sperre auf Sprengladungen. Ich finde nichts. Meine Leute fangen nun an, die Bäume zu zersägen. Dann spannen wir vor die einzelnen Stämme einen Henschel und machen so die 27


Straße frei. Das wiederholen wir am Tage noch oft. In NEFFE haben wir die erste Feindberührung. Wir kommen nicht weiter. Auf ein Gefecht können wir uns nicht einlassen, da wir zu schwach sind.

Erkundungstrupps werden ausgeschickt, um einen Umgehungsweg zu suchen. Umgehen den Ort und gelangen bis vor BASTOGNE. Haben gerade mit den Fahrzeugen den Berg erklommen und sehen ca. l000 m vor uns die Stadt liegen, da erhalten wir Feuer. Durch mein Glas erkenne ich belgische Soldaten. Schnell lasse ich mein MG in Stellung bringen. Kurze Zielansprache und Feuer befehlen ist eins. Die Garben sitzen gut, und der Feind sucht sein Heil in der Flucht. Mitten auf dem Berg läßt Lt. Goetz die Wagen halten und absitzen. Jetzt schießt der Belgier mit Pak. Dicht neben unseren Henschel liegen die Einschläge. Ein Fahrer wird verwundet, die Autos durch zahlreiche Splitter durchlöchert. Unsere schwere Flak fährt auf, geht in Stellung und bekämpft die Widerstandsnester. Inzwischen haben wir rechts von uns eine Brücke gesprengt. Dann tasten wir uns mit der Infanterie weiter an BASTOGNE heran. Eine Barrikadensperre wird gesprengt, und dann ist der Weg in die Stadt frei. Um 19 Uhr sind wir bereits in BASTOGNE.

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Der Feind hat hier den Bahnhof sowie die Eisenbahnbrücken in die Luft gejagt. Die Stadt ist wie ausgestorben, nur ganz vereinzelt trifft man Zivilisten. Auch von Soldaten keine Spur. In einer Kneipe löschen wir unseren Durst. Arnemann kommt mit einer großen Kiste an. Darin befinden sich Schokolade, Kekse, Konserven, Butter, Käse usw. Gerade sind wir dabei, uns den Bauch voll zu schlagen, da erscheinen feindliche Flieger. Aber der Angriff wird abgewehrt, und ein Flugzeug stürzt brennend ab. Ich erhalte den Befehl, mit meiner Gruppe in der Nacht auf Streife zu ziehen. Bei einer deutschen Familie finde ich Unterkunft. Sie bewirtet uns mit Broten. Sämtliche Geschäfte sind noch voller Waren, aber es ist unter Todesstrafe verboten, die Läden zu betreten. 11. 05. 1940 Um 7 Uhr geht unser Vormarsch weiter. Müssen erneut viele Straßensperren beseitigen und gelangen ohne Feindwiderstand bis vor LIBRAUNON. Dort kommt uns von links auf der Hauptstraße eine andere Division entgegen, die wir zunächst vorbeilassen müssen. Rücken dann in ein Dorf ein und beziehen dort Quartier. Hier läuft das Vieh brüllend umher, denn die Bewohner sind bis auf ein paar Frauen alle geflüchtet. Den Frauen mache ich auf Französisch klar, daß wir Bratkartoffeln essen möchten. Was sie uns später vorsetzen, sind zerschnittene Salzkartoffeln. Bei einer Flasche Wein schmeckt uns aber auch dieses Gericht gut. Gegen Abend ist die Luft vom Lärm unserer Flieger erfüllt. Wir zählen 40 Stukas, die gen Westen ziehen. Pioniere nach vorn 12. 05. 1940 Pfingstsonntag. 4 Uhr 30 werden wir durch den Ruf: “Alarm!“ etwas unsanft aus dem Schlaf gerissen. Die beiden Züge unserer Kompanie sind wieder zu uns gestoßen, und vereint marschieren wir nun weiter. Durch dichten Wald und auf schmalen Pfaden kämpfen sich unsere zuverlässigen Henschel voran. Plötzlich stoppt der Vormarsch. “Pioniere nach vorn!“ wird durchgegeben. Und dann sehen wir die Bescherung. Der Feind hat eine Eisenbahnunterführung gesprengt. Wir können nicht weiter, da überall eine hohe Böschung das Vorankommen verhindert. Ein anderer Weg soll ausgekundschaftet werden. Es gibt keinen! Also müssen wir mitten durch den Wald. Tatsächlich bringen es unsere Kraftfahrer fertig, ihre schweren Lastwagen durch die Baumreihen zu steuern. Jetzt stehen wir vor den Eisenbahnschienen. Ich sprenge die Schienen, nehme den Zug zusammen, und mit Hauruck werden die Gleise zur Seite befördert. Der Weg ist frei. Weiter rollen die Fahrzeuge auf Frankreich zu. 10 km vor der französischen Grenze bleiben wir in einem Wald liegen. Mit meiner Gruppe übernehme ich die Sicherung der ruhenden Truppe. Schwere Artillerie, 15-cm-Haubitzen und schwere Panzerkampfwagen stellen sich bereit. Wir fahren abends zurück nach OCHAMPS, wo wir die Nacht verbringen. Zum Abendbrot gibt es Bohnenkaffee und Rühreier und die erste Post. 13. 05. 1940 Um 3 Uhr 30 ist Wecken und anschließend gleich Abfahrt. Es geht über KARLSBOURG bis VIVY. Dort liegen wir in Bereitstellung. Unsere Flieger ziehen in hellen Scharen nach Frankreich. Das gibt Mut und Zuversicht! Hier erreicht uns auch die Nachricht, daß Sedan gefallen sei. Sollte es hier im Westen auch so schnell gehen wie in Polen? Es behagt uns gar nicht, daß die Infanterie so weit voraus ist, während wir in der Etappe liegen. Nachmittags heißt es plötzlich: “Aufsitzen!“ und weiter geht es. Über ein kleines Flüßchen bauen wir einen Steg und anschließend eine Behelfsbrücke. Abends in der Dunkelheit kreisen feindliche Flugzeuge über uns. Unsere 2-cm-Flak ballert aus allen Rohren und vertreibt die Flieger, die nicht dazu kommen, auch nur eine Bombe fallen zu lassen.

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Brückenbau über den Fluß SEMOIS 14. 05. 1940 Von 1 bis 3 Uhr nachts ist Ruhepause. Dann wird die Brücke fertig gestellt, und wir fahren 5 km nach oberstrom‚ wo wir bei SUGNY mit dem Bau einer l6-to-Behelfsbrücke beginnen. Benutzen als Träger Eisenbahnschienen, und abends 17 Uhr steht die 65 m lange Brücke über den Fluß SEMOIS. Der General ist auf einmal da und spricht uns für die geleistete Arbeit seine vollste Anerkennung aus. Um 19 Uhr fahren wir weiter über ALLE, BEAUALLE nach ZUCKY. Auf dem Marsch dorthin sehen wir mehrere abgestürzte, brennende französische Jagdflugzeuge. Um 22 Uhr sind wir endlich im Quartier. Im Radio hören wir die Sondernachricht, daß - nach dem Fall von ROTTERDAM - Holland den Widerstand aufgegeben und kapituliert habe. Morgen sollen wir nun über die MAAS eine Brücke mit B-Gerät schlagen und den Angriff weiter nach Frankreich hinein vortragen. Werden wir dort auch so schnell vorankommen?

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Über die MAAS 15. 05. 1940 Im Schutze schwersten Artilleriefeuers geht es über die französische Grenze bis an die MAAS. Unsere Division hat dabei 18 Tote und 40 Verwundete zu beklagen. Dann stehen wir vor dem Fluß, an dessen jenseitigem Ufer sich eine riesige Böschung erhebt, die gespickt ist mit Bunkern und sonstigen Verteidigungsanlagen. Wir verstehen nicht, warum der Franzose diese ideale Verteidigungslinie so schnell aufgegeben hat. Mit dem Kampfgeist des Gegners scheint es nicht weit her zu sein. Setzen mit Floßsäcken die Infanterie über den Fluß. Französische Bomber versuchen unser Vorhaben zu vereiteln. Es gelingt ihnen jedoch nicht. Nachmittags fangen wir mit dem Bau einer 8-to-Kriegsbrücke an, und abends um 20 Uhr fahren bereits die ersten Fahrzeuge darüber. 2 km unterstrom unserer Brückenstelle sitzt am jenseitigen Ufer immer noch der Franzose und beschießt unsere vorüberfahrenden KradMelder mit MG. Einige Maschinen wurden dabei zerstört und einige Melder verwundet. Die ersten Gefangenen kommen über die Brücke. Ein tolles Völkergemisch: Marokkaner, Indochinesier und selbst Neger sind darunter. Räumen eine Minensperre. Der Feind hat hier die Minen übereinander verlegt; ansonsten ist die Verlegungsart sehr primitiv. Flugzeuge versuchen unsere Brücke zu zerstören, aber die Bomben gehen fehl, und unsere Flak schießt sogar einen Bomber ab. Die Nacht verbringen wir im Stroh unter freiem Himmel. Weitermarsch 16. 05. 1940 Nach der schweren Arbeit läßt man uns bis 8 Uhr schlafen. Nehmen dann ein erfrischendes Bad, waschen unsere Wäsche und faulenzen in der Sonne bis 16 Uhr. Dann kommt der Befehl zum Weitermarsch. Es geht über AIGLEMONT, CHARLEVILLE, MONTCY, MEZIERES, WARQU bis SURY. Hier kommt uns ein riesiger Zug Gefangener entgegen. Es sind an die 1000 Mann, vorwiegend Neger. Bei SURY - in einem Waldstück schlagen wir unsere Zelte auf und begeben uns zur Ruhe.

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Einschwenken in südliche Richtung 17. 05. 1940 Reißen die Zelte ab und reinigen die Waffen. Danach Waffenappell. Zum Mittagessen gibt es Reis und pro Mann ½ Huhn. Nach dem Essen Weiterfahrt über NEUFMAISON, VAUX, LIART nach MAINBLESSIN [MAINBRESSON?]. Auf der Fahrt kommen uns die Franzosen zu Hunderten entgegen. Sie haben ihre Waffen weggeworfen und gehen ohne jegliche Bewachung nach hinten in die Gefangenschaft. Sie freuen sich, daß für sie der Krieg zu Ende ist. Ihre Worte: “La guerre est finie“ sagen alles. Wir erfahren auch, daß sich die französische Nordarmee ergeben habe und deutsche Panzer bereits 70 km vor Paris stünden. 32


Auf der Vormarschstraße sieht es toll aus. Es ist ein Bild des Grauens. Hier sind vor uns deutsche Panzer durchgestoßen, und deutsche Flieger haben hier gewirkt. Zerschmetterte Wagenkolonnen, unzählige tote Pferde, ausgebrannte Autos und massenhaft tote Franzosen zeugen von der Wirkung unserer Waffen.

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In MAINBLESSIN gehen wir in Bereitstellung. Es ist mit einem französischen Panzerangriff zu rechnen. Machen unsere geballten Ladungen fertig und quartieren uns ein. Ich richte es mir mit meiner Gruppe in einem wunderhübschen Häuschen bequem ein. Münchhoff und Malke besorgen Hühner, und dann geht ein emsiges Braten los. Im Keller finden wir noch ein paar 34


Flaschen Wein, und so haben wir alles für unser leibliches Wohl, was wir brauchen. Ich mache einen Rundgang durchs Dorf. Hier sind in der Kirche und dem angrenzenden Friedhof 12.000 Gefangene untergebracht. Sie verlangen nach Wasser, das ihnen unsere Landser auch bringen. Verstärkte Posten kontrollieren und patrouillieren um die Umzäunung herum. Ein paar Neger werden bei einem Fluchtversuch erschossen. Ein Posten, der zwischen den Gefangenen patrouilliert, wird von zwei Negern angefallen und durch Bisse verletzt. Mit Mühe und Not kann er befreit werden. Erkundung der AISNE-Brücken 18. 05. 1940 In der Nacht muß unser Zug von 4 bis 7 Uhr die Gefangenenwache übernehmen. Anschließend fahren wir über FRAILLICOURT, MALACQUISE, SERAINCOURT, CHAUDION, ST. FERGEUX bis CONDE LES HERPY. Dort heißt es: Absitzen und fertigmachen zum infanteristischen Einsatz. Jetzt wird es ernst. Machen unser Sturmgepäck fertig und sammeln uns im Schutze eines Hauses. Unser Auftrag lautet: erkunden, ob die Aisnebrücken bei CHATEAU-PORCIEN unversehrt sind und wenn möglich diese Brücken in Besitz zu nehmen. Mein Zugführer, Lt. Goetz, geht mit einer Gruppe vor. Dann folgt unser Komp.Chef, Oblt. Scheibe, und ich mit meiner Gruppe, die beiden anderen Gruppen unseres Zuges dicht hinter mir. Im Schutze eines Straßengrabens arbeiten wir uns kriechend, gleitend und robbend vor. Der Franzose sitzt jenseits des Flusses ca. l00 m entfernt und beschießt uns beim Vorgehen mit MG, Maschinenpistolen, Artillerie und Granatwerfer. Es ist ekelhaft dieses Flankenfeuer, und auch die Schützen und MG-Stellungen kann man nicht erkennen, da dieselben im Walde sitzen.

Der OGefr. Juschkat, der nach mir von der einen Straßenseite auf die andere springt, erhält einen Oberschenkelschuß und ist nach wenigen Minuten bereits verblutet. Bereits nach einem Kilometer erhalten wir ein derartiges MG- und Granatwerferfeuer, daß wir nicht weiterkommen. Durch mein Fernglas beobachte ich hinter einer Hecke den Wald, in dem sich der Feind befindet, und entdecke eine MG-Stellung. Ich lasse mein MG vorsichtig in Stellung gehen, gebe dem l. MG-Schützen eine genaue Zielansprache und befehle: “Feuer frei!“. Plötzlich hat das MG eine Hemmung. Gerade rufe ich ihm zu, er solle in Deckung gehen, da pfeifen die Kugeln um unsere Köpfe, und Beilner bricht röchelnd, von einer MGSalve im Gesicht getroffen, zusammen. Auch der 2. MG-Schütze einer anderen Gruppe wird 35


am Kopf verwundet. Notdürftig werden beide verbunden, und der Ruf: “Sanitäter!“ schallt weithin. Nach kurzer Zeit ist Beilner tot. Wo aber bleiben die anderen Leute meiner Gruppe? Ich krieche zurück und hole sie heran und erfahre dabei die Schweinerei, daß sich Feistauer verwundet gestellt und den anderen das Vorrücken durch sein Liegenbleiben unmöglich gemacht habe. Nach 4 Stunden haben wir die 3 km lange Strecke endlich bewältigt und den Dorfrand von CHATEAU-PORCIEN erreicht. In einem Felsenkeller finden wir Schutz vor dem Artilleriefeuer. Der Franzose hat unsere Absicht erkannt und schießt Trommelfeuer. Lt. Goetz schickt einen Melder zurück, daß jenseits der Brücken feindliche Panzer stünden, die diese sicherten. Ein weiteres Vorgehen wäre Selbstmord. Die Brücken selbst sind unversehrt. Der Chef geht durchs Dorf nach vorn, um sich von der Richtigkeit der Meldung zu überzeugen. Ich soll inzwischen mit einem Mann ins Dorf gehen und den Fluß und den Wald beobachten. Wir können nicht das Geringste vom Feind entdecken, und doch schießen einzelne Gewehrschützen andauernd. Wir gehen wieder zurück zu den anderen und nehmen Wein und eingemachtes Obst für die Verwundeten mit. Die Kehle ist wie ausgedörrt, und man will nur Ruhe haben und etwas verschnaufen. Aber kaum bin ich im Felsenkeller, der inzwischen in Heldenkeller umgetauft wurde, da hat der Chef schon einen neuen Auftrag für mich. Ich soll zurückgehen nach CONDE zum 3. Zug, der dort von der Höhe aus unser Vorgehen gesichert hat und Lt. Renz die Meldung überbringen, daß er T-Minen nach vorn schaffen lassen solle. Wenn sich die Panzer, die jenseits der Brücken stehen, in Bewegung setzen, sind wir verloren. Deshalb wollen wir eine Minensperre legen. Noch mal die 3 km zurückkriechen. Ich habe wenig Hoffnung, daß ich dies gesund überstehe, denn die Einschläge der französischen Artillerie liegen dicht an der Straße. Eggert meldet sich freiwillig, mich zu begleiten. Als wir die Hälfte des Weges hinter uns haben, kommt uns ein Melder vom 3. Zug entgegen. Ich übergebe ihm die Meldung und gehe wieder zurück. Plötzlich sind 3 französische Jäger da, die, dicht über der Straße fliegend, uns mit ihren Bordwaffen beharken. An den Boden gepreßt, erwarten wir das Ende. Neben uns schlagen die Geschosse ein, aber wir beide bleiben wie durch ein Wunder unverletzt und gelangen unversehrt wieder in den Felsenkeller. Aber auch jetzt läßt der Chef mir noch keine Ruhe. “Richten Sie am Fluß einen stehenden Spähtrupp ein!“, lautet der neue Auftrag für mich. Mit 2 Mann pirsche ich mich durch hohes Gras die Böschung hinunter bis an die AISNE heran, erkunde geeignete Beobachtungsstellen und weise die 2 Mann ein. Im Keller angekommen, setze ich mich hin und bin sofort eingeschlafen. Nach 10 Minuten werde ich schon wieder wachgerüttelt. Ich bin der einzige Uffz. hier und muß deshalb alles machen. Diesmal soll ich wieder zurückgehen und erkunden, ob die Straßensperre, die die Franzosen errichtet haben, frei von Sprengladungen ist. Wieder gehe ich los, ca. 1,5 km zurück und untersuche die Sperre. Um mich herum krepieren die Granaten. Mir ist alles egal. Wenn es mich jetzt erwischen würde, wäre alles vorbei. Das sind meine Gedanken. Ich bin nur müde und denke nur ans Schlafen. Inzwischen ist die Dämmerung hereingebrochen. Als ich zurückkomme, befiehlt mir der Chef, mit einigen Leuten den Eingang zu sichern. Mit Handgranaten bespickt, gehen wir hinaus, um gegen alle Überraschungen geschützt zu sein. Wird uns der Franzose in der Nacht angreifen? Was wird aus uns, wenn die Panzer ins Dorf vorstoßen? Noch immer sind die T-Minen nicht da. Gegen 22 Uhr kommt endlich ein Btl. Infanterie und geht in Stellung. Der Franzose schießt nicht mehr, aber diese Ruhe ist direkt unheimlich. Plant der Feind irgendetwas? Dann kommt der Befehl, daß wir sofort nach ST. FERGEUX zurückkommen sollen. Ein ereignisreicher Tag ist zu Ende. Alles atmet auf. Im Schutze der Dunkelheit ziehen wir uns zurück.

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Zeit der Umgruppierung - bzw. des Sichelschnitts zur Kanalküste - bis zum erneuten Angriff über den Fluß AISNE (Weygand-Stellung) 19. 05. 1940 Um 1 Uhr 30 gelangen wir nach einem mühseligen 8 km Marsch in FREGEUX an. Unsere Verwundeten haben wir auf provisorisch hergestellten Tragbahren mit zurückgenommen, während wir die Toten liegen lassen mußten. Der Spieß hat schon für jede Gruppe Quartier gemacht, so daß wir uns gleich hinhauen können. Gegen Mittag werden wir durch einen Fliegerangriff aus der Ruhe gerissen. Über uns kreisen die französischen Bomber und werfen ihre Last ungehindert ab. Dabei werden 2 Mann und 10 Pferde getötet. Stülpner von meiner Gruppe wird durch einen Splitter im Gesäß verwundet. Unsere Kompanie hat bisher 5 Tote und 12 Verletzte zu beklagen. Am Nachmittag geht unsere Artillerie in Stellung. Wir müssen uns im Keller einquartieren, da mit Artilleriebeschuß gerechnet wird. Gegen Abend geht ein Kommando nach vorn, um die Toten zu bestatten. Sie kommen unverrichteter Dinge wieder zurück, da der Franzose noch immer die ganze Gegend mit seinem MG beherrscht. Am 18. Mai 1940 fielen für Groß-Deutschland die Soldaten der 3. PiBtl. 23: Obergefreiter Juschkat, Gefreiter Beilner, Gefreiter Baxmann, Pionier Zander, Pionier Losanski.

20. 05. 1940 Unsere Artillerie schießt die ganze Nacht hindurch. Es sind Geschütze mittleren und schweren Kalibers; wohl an die 40 Kanonen. Um 10 Uhr 30 tritt die gesamte Kompanie an. Bei dieser Gelegenheit wird Feistauer wegen seines feigen Verhaltens vor versammelter Mannschaft gerügt. 5 Fahnenjunker, 1 Obergefreiter und 1 Gefreiter werden wegen Tapferkeit vor dem Feind zu Unteroffizieren befördert. Unsere Artillerie schießt den ganzen Tag Störfeuer. Vorn geht es aber trotzdem nicht weiter. Für uns ist Bereitschaft zum Verlegen von T-Minen befohlen. Es wird wieder mit einem Panzerangriff gerechnet. Von Fliegern ist heute nichts zu sehen. Ich selbst fühle mich wie ein Greis. Die Füße und der linke Arm sind wie Blei, und der Leib schmerzt besonders beim Husten. Ich könnte ständig nur schlafen. Aber dafür ist keine Zeit, denn jetzt in der Ruhepause heißt es Klamotten in Ordnung bringen und das Fahrzeug aufräumen.

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aus Wikipedia - wiki- Westfeldzug, (Zitierdatum 10. 09. 2009) Wir erfahren etwas über die große Lage. Danach hat unsere Division einen spitzen Keil nach Frankreich hineingetrieben und wartet nun hier bis die Truppen nördlich und südlich von uns unsere Höhe erreicht haben. Ferner ist durch Flugaufklärung festgestellt worden, daß von Reims her eine französische Armee im Anmarsch ist. In einer Sondermeldung wird der Fall von Laon mitgeteilt. In der Nacht geht wieder ein Kommando nach vorn, und diesmal gelingt es ihnen, die Gefallenen zu bestatten. 21. 05. 1940 Pausenlos schießt unsere Artillerie - die ganze Nacht hindurch. Kurz nach 1 Uhr fängt auch der Franzose an‚ aber nur 4 Granaten detonieren unmittelbar in der Nähe des Dorfes. Gegen Morgen herrscht absolute Ruhe. Unsere Artillerie ist damit beschäftigt, Scheinstellungen anzulegen. Von weitem glaubt man tatsächlich, es wären Geschütze, die dort auf dem Felde stehen. Wenn man aber näher herankommt, sieht man 2 Räder eines alten Wagens und dazwischen einen Holzstamm, der zum Himmel ragt. Vormittags Verteilung der Eisernen Kreuze. 7 Stück erhält unsere Kompanie, zuerst natürlich der Chef und die Prominenten. Eine heitere Episode, über die viel gelacht wird, geht von Mund zu Mund. Der Spieß, Hauptfeldwebel Inaker, der mit Feldwebel Schwarz und Hohme zusammen untergebracht ist, hat in der letzten Nacht die Nerven verloren. Er sprang plötzlich aus dem Bett, hat mit seiner Löwenstimme Alarm gebrüllt und ist durchs Fenster gehechtet. Jetzt läuft er mit verbundenem Kopf herum, trägt einen Arm in der Binde und hinkt. Er traut sich gar nicht auf die Straße. Denn jedermann, der ihn sieht, kann sich eines Lächelns nicht erwehren. Mache bei meiner Gruppe Gewehrappell und lasse anschließend unser Haus, in dem Wäsche und sonstiges Hausgerät wild durcheinander umherliegen, säubern. Wie die französischen Soldaten in den Quartieren ihrer eigenen Landsleute gehaust haben, sehen wir hier am besten. Auf den Straßen laufen die Kühe mit prallen Eutern brüllend umher. Wir fangen sie ein, füttern und tränken sie und lassen uns als Gegenleistung die Milch gut schmecken. Ein paar 38


Männer meiner Gruppe haben 4 Hühner eingefangen, und nun sitzen wir zusammen und rupfen sie. Münchoff kocht und brät sie anschließend, die übrigen schälen Kartoffeln. Dann wird der Tisch mit Tellern, Bestecken, Weingläsern und einem weißen Tischtuch gedeckt. Es wird gespeist - wie im Hotel. Gegen Abend wirft ein französischer Aufklärer 2 Bomben ab. Lt. Goetz kommt durch die Straßen gerannt und brüllt: “Gasalarm!“. Das war ein Theater, denn einige waren gerade beim Rasieren und stülpten nun, eingeseift wie sie waren, ihre Gasmasken über den Kopf. Nach einer Stunde lasse ich die Masken wieder abnehmen. Ich kann mir nicht denken, daß der Franzose Gasbomben abgeworfen haben soll. Es war blinder Alarm, so ergibt sich später. Trotzdem hat aber eine Gruppe die ganze Nacht hindurch die Gasmasken aufbehalten und damit geschlafen. 22. 05. 1940 Im Morgengrauen verlassen wir zugweise ST. FERGEUX und fahren zurück bis in die Nähe von CHAPPES, wo der Divisionsstab liegt. Auf einer Wiese schlagen wir die Zelte auf und tarnen die Fahrzeuge. Bis Mittag wird geschlafen, dann eine Latrine gebaut und die Zelte verbessert.

Lt. Renz, der in der Nacht mit einem Pkw eine Erkundung machen sollte, ist in eine Hammelherde gefahren und gegen einen Baum gerast. Er sowie der Fahrer und Uffz. Döhring sind sofort ins Lazarett gekommen. So werden es immer weniger. Nachmittags fährt unser Zug wieder los, mit dem Auftrag eine Artilleriebeobachtungstelle und 3 Unterstände zu bauen. An einer Böschung, wo der Feind uns nicht einsehen kann, arbeitet jede Gruppe zunächst an einem Unterstand. Hier ist nur Kreideboden, etwas ungewohnt für uns. Bloß gut, daß es nicht regnet, sonst wäre dies eine Sauarbeit. Bei Einbruch der Dunkelheit arbeiten wir dann gruppenweise die Nacht hindurch am Beobachtungsstand. Dumpf dringt von fern das Abschießen und Einschlagen der Granaten. Dort müssen Reims und Rethel liegen. Schlafen in unserer Freizeit in einer offenen Feldscheune zwischen Strohballen. 23. 05. 1940 Um 9 Uhr werden wir geweckt, ganze 2 Stunden später als die anderen Gruppen. Wir hatten uns im Stroh so gut getarnt, daß man uns gar nicht gefunden hat. Bauen an den Unterständen weiter. Es ist ein herrliches Wetter. Von der Höhe aus kann man kilometerweit ins Land sehen. Unsere Flak beschießt einen französischen Jäger, der brennend abstürzt. Abends geht es zurück zur Kompanie. Pionier Eckert muß ins Lazarett, er hat einen dicken Fuß. Nun ist meine Gruppe nur noch 1:7 stark, einschließlich Fahrer und Beifahrer.

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24. 05. 1940 Bis 12 Uhr wird gemuffelt. Dann wird Wäsche gewaschen und die Sachen instand gesetzt. Nachmittags Fahrt über CHAPPES nach ADON, wo wir für den Divisionsstab Quartier einrichten. Abends wieder Rückfahrt zur Kompanie. Hier auf der Wiese herrscht ein richtiges Lagerleben. Nur mit einer Badehose bekleidet, liegen wir bis zur Dunkelheit auf der Wiese. Einer spielt Handharmonika, dort wird gesungen, andere mischen einen wuchtigen Skat, der eine oder andere schreibt an seine Lieben daheim, und dazwischen spielt ein erbeutetes Grammophon unaufhörlich französische Lieder. 25. 05. 1940 Gehen heute nach CHAPPES und fällen dort Telegrafenmasten für den Behelfsbrückenbau. Außer meiner Gruppe ist mir noch eine weitere zugeteilt. Ich stelle gleich 2 Mann ab, die für uns Mittagessen kochen sollen. Sie braten uns ein Karnickel und 2 Hühner. Dazu gibt es eine riesige Karaffe Rotwein. Mahlke besorgt ein Faß Wein, das wir mit zurücknehmen. Abends trinken wir das edle Naß. Deutsche Bomber fliegen über uns gen Westen, wir zählen 70 Stück. Als wir ins Zelt kriechen, haben wir alle einen Rausch.

26. 05. 1940 Bessern Wege aus und stellen neue Anfahrtswege her. Wieder werden von jeder Gruppe 3 Mann zum Kochen abgestellt. Mittags gibt es gebratenes Hühnchen und Kartoffeln. Aber auch an der Kompanieverpflegung merkt man, daß Sonntag ist, denn es gibt Kalbsbraten. Wir halten es mit dem Sprichwort: Gut Essen erhält Leib und Seele. Um 19 Uhr kommen wir von der Arbeit zurück. Ich muß nun noch 3 französische 50-kgFliegerbomben, die nicht losgegangen sind, sprengen. Graben die Bomben 1 m tief ein, und ich zünde in Gegenwart einiger hoher Offiziere, die die Wirkung dieser Bomben sehen wollen. Über 300 m weit fliegen die Splitter. Ich liege nur 50 m entfernt. Als wir uns die Bescherung ansehen, gähnt uns ein Loch entgegen, in das man bequem ein Haus hineinstellen kann. Danach stopfe ich Strümpfe und wasche mich gründlich. Bis 24 Uhr sitzen wir dann noch um das Weinfaß. 27. 05. 1940 Fahre morgens mit Lt. Goetz auf Erkundung in die Feuerzone. Der Leutnant fährt selbst das Krad, und ich sitze hinten drauf. Mir wird angst und bange, da er wie ein Verrückter ständig freihändig fährt. Erkunden eine Minensperre und haben 2 Reifenpannen mitten im tollsten Artilleriefeuer. 30 m hinter uns liegen die Einschläge. Wir machen uns im Chausseegraben flach. Um 14 Uhr 30 sind wir endlich wieder am Lagerplatz. 40


Hier hat sich im Laufe des Tages jede Gruppe 2 Kühe zum Melken besorgt. Abends kommt Uttecht, der vor Kriegsausbruch gerade in Urlaub gefahren war, zur Kompanie zurück. Nun habe ich wenigstens wieder einen Mann mehr. Um 20 Uhr ist Antreten. Unser Divisionskommandeur Generalleutnant Graf von Brockdorff-Ahlefeld verabschiedet sich von uns, da er ein Armeekorps übernimmt. 28. 05. 1940 Gehen nach CHAPPES und reißen dort eine Scheune ab. Wir benötigen das Holz für den Brückenbau. Von einem Nachrichtenfeldwebel erfahren wir, daß die belgische Armee in Stärke von 500.000 Mann kapituliert habe. Abends stellt sich unser neuer Divisionskommandeur, Generalmajor Hellmich, vor. Unsere Musikkapelle spielt für uns 10 km hinter der Front. Mal etwas anderes! Wir haben unsere Freude daran. 29. 05. 1940 Auch diesen Tag verbringen wir damit, in CHAPPES Holz für die Brücke vorzubereiten. 30. 05. 1940 Große Truppenbewegungen sind im Gange. Die ganze Nacht hindurch ziehen Marschkolonnen hier vorbei zur Front. Jeder Mann erhält heute 2 Flaschen Wein. Von zu Hause erhalte ich ein Paket mit Zigaretten. Endlich ist die langersehnte Rauchware da. Morgen sollen auch wir einen Stellungswechsel machen. Es bereitet sich irgendetwas vor. 31. 05. 1940 Unser Umzug ist beschlossene Sache. Wir kommen nach SERAINCOURT, ca. 15 km von hier. Ich habe den Auftrag, unsere 16 Milchkühe mit 4 Mann dorthin zu treiben. Doch ich komme nur mit 12 Kühen an. Die anderen habe ich unterwegs verloren. Es war sowieso eine mühselige Arbeit, das Vieh zwischen den Marschkolonnen hindurch zu treiben. Ich bin zufrieden, daß ich überhaupt noch mit 12 Stück in SERAINCOURT eintreffe.

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In einem Obstgarten hat die Kompanie bereits die Zelte aufgeschlagen. Dieser Ort ist ein großes Dorf, das voll mit Truppen liegt. In der Nähe befinden sich 2 französische Munitionsdepots, die bis an die Decke mit Munition gefüllt sind. 01. 06. 1940 Fahren zurück nach CHAPPES und laden das fertig geschnittene Holz für die Behelfsbrücke auf und bringen es nach SERAINCOURT. Nachmittags lasse ich den Henschel aufräumen. Als Kaltverpflegung gibt es heute pro Mann 1 Tafel Schokolade, ¾ Pfund Hackepeter und ¼ Pfund gute Butter. Ferner kann man in der Marketenderei Zigaretten kaufen. Ich erhalte reichlich Post. 02. 06. 1940 Morgens wird eine halbe Stunde exerziert, danach Sachen instand gesetzt, und abends um 18 Uhr ist Appell. Bei jeder Gruppe wird eifrig gekocht und gebraten. Es gibt etwas Krach wegen der Milchkühe. Deshalb kommen einige Kameraden auf den Gedanken, ihre Kühe zu kennzeichnen. Ein ganz Gewitzter hat seinen Kühen die Hörner und Füße grün angemalt. 03. 06. 1940 Antreten der gesamten Kompanie. Uns alten Soldaten wird der Westwallorden verliehen. Ich fahre nachmittags mit 2 Mann und 3 Floßsäcken zu den Panzerjägern nach REMAUCOURT. Halte dort in Gegenwart des Kommandeurs der Panzerjäger, Major Graf von Hoffmannseck und anderen Offizieren Unterricht über die Floßsäcke und führe danach auf einem Dorfteich das Übersetzen von Pak auf Floßsäcken vor. Gegen Abend zurück. Unser Chef hält dann vor uns Unteroffizieren Unterricht über Infanteriegefecht und Brückengerät B. 04. 06. 1940 Es ist herrliches Wetter, und da wir nichts zu tun haben, liege ich den ganzen Tag auf der Bärenhaut. Ist dies die Ruhe vor dem Sturm? Abends fängt die französische Artillerie an zu feuern und unsere antwortet, bis das schönste Artilleriegefecht im Gange ist. Als Verpflegung gibt es wieder - wie schon 3 Tage hintereinander - Käse, Margarine, 10 Zigaretten und 1 Zigarre.

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Um 23 Uhr 30 kommt eine Sondermeldung vom Führerhauptquartier, die besagt, daß die Kampfhandlungen in Flandern und im Artois beendet seien. Im ganzen haben wir bisher 1,2 Millionen Gefangene gemacht. Von uns sind 10.000 Mann gefallen, 8.000 werden vermißt, und 42.000 sind verwundet worden. Ferner wurden 3.000 feindliche Flugzeuge vernichtet und 75 bis 80 feindliche Divisionen aufgerieben. Unsererseits gingen dagegen nur 442 Flugzeuge verloren. 05. 06. 1940 In riesigen Scharen, Welle auf Welle, ziehen unsere Flugzeuge gen Westen. Es tut sich wieder etwas! Wir liegen in erhöhter Alarmbereitschaft und können jeden Moment abgerufen werden. Die Kompanie erhält 20 Mann Nachersatz. Davon bekomme ich 3: Püllen, Henke und Rösicke.

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06. 06. 1940 Heute erfahren wir Einzelheiten über den bevorstehenden Angriff. Unsere Division hat einen Angriffstreifen von 5 km Breite zugewiesen bekommen. Allein in diesem Abschnitt stehen zur Unterstützung 147 Artilleriegeschütze bereit. Ferner werden noch zuvor 2 Stunden lang unsere Stukas die Stellungen des Gegners bombardieren. Unsere Kompanie hat den Auftrag, eine 4-to-Brücke mit C-Gerät über den Fluß AISNE zu schlagen und anschließend einen 8-toÜbergang herzustellen.

Bereitstellung 07. 06. 1940 Gehen zur Brückenkolonne C und bringen das Gerät in Ordnung. Der Lagerplatz der Brückenkolonne ist mitten im Wald, und die Posten haben gerade einen französischen Soldaten gefangen genommen, als wir ankommen. Dieser hatte sich bis jetzt im Wald versteckt gehalten und die französische Artillerie durch Blinkzeichen verständigt. Er wird sofort zur Division gebracht. Die Kompanie erhält Nachricht, daß auch Stülpner seinen am 10. 5. erlittenen Verletzungen erlegen ist. Das ist schon der zweite Mann meiner Gruppe. Nachmittags ist Waffenappell. Klatetzky, mein Kraftfahrer, hat Geburtstag. Wir stellen deshalb unter den Obstbäumen eine Festtafel auf, machen Bratkartoffeln mit Ei, es kommen einige Flaschen Rotwein auf den Tisch, wir holen uns Kerner mit seinem Grammophon und sind lustiger Dinge. 08. 06. 1940 Wir bleiben auch heute noch in Ruhe. Am Nachmittag hält der Chef eine Stunde Unterricht über die allgemeine Kriegslage, und anschließend ist Appell in sämtlichen Ledersachen. Vom Assistenzarzt werden wir auf Läuse und Geschlechtskrankheiten untersucht. Tatsächlich hat ein Mann vom 3. Zug Kopfläuse. Abends um 20 Uhr erfahren wir, daß wir noch in der Nacht abrücken würden. Gegen 23 Uhr starten wir jeweils mit 10 Minuten Abstand von Fahrzeug zu Fahrzeug. Während der Fahrt kreisen französische Aufklärer über uns, werfen Leuchtfallschirme ab und erleuchten so das ganze Gelände taghell. Wir haben strikte Anweisung bekommen, in diesem Fall rechts heranzufahren und stehen zu bleiben. 44


Es geht daher nur sehr langsam vorwärts. Erst nach Mitternacht erreichen wir unseren Bereitstellungsplatz in der Nähe von ST. FERGEUX. Zweiter Angiff über den Fluß AISNE 09. 06. 1940 Heut ist wieder Sonntag. Punkt 4 Uhr 45 beginnt der Feuerzauber unserer Artillerie und dauert über eine Stunde an. Es kracht und bullert, als fiele der Himmel ein. Wir haben unsere Fahrzeuge im Gebüsch entlang eines Baches in Deckung gefahren und liegen daneben. Vorn mischt sich in das Bersten der Granaten nun auch ein lebhaftes, anhaltendes MG-Feuer. Ein Erkundungstrupp unserer Kompanie, der eine Brückenstelle über die AISNE erkunden sollte, kommt zurück. Wehrstädt, jung verheiratet, ist dabei gefallen, Gabronsky und Kaun sind verwundet. Sie sprechen nicht viel, sie meinen nur, daß da vorn die Hölle los sei. Ob unserer Infanterie der Übergang über die AISNE gelungen ist, wissen sie auch nicht. Jeder einzelne, der verwundet zurückkommt, wird begierig ausgefragt. Aber sie wissen alle nicht mehr zu berichten. Dann deckt uns plötzlich die französische Artillerie mit einem Hagel von Granaten ein. Um uns herum krepieren die schwersten Kaliber. Wir haben an der Uferböschung etwas Schutz gegen die Splitter gefunden, und manch einer muß dabei ein unfreiwilliges Bad in Kauf nehmen. Eine Viehherde rast wie irrsinnig auf den Feldern umher, bis etwa 50 m von uns entfernt ein Volltreffer hinein haut. Ein grausiges Bild und ein wüstes Gebrülle und Gestöhne der verwundeten Tiere ist alles, was übrig bleibt. Es ist verdammt dicke Luft. Abends liegen wir immer noch auf derselben Stelle. Ist die berühmte Weygand-Stellung der Franzosen tatsächlich uneinnehmbar? Geht es vorn nicht weiter? Das sind unsere bangen, inneren Fragen. Endlich kommt ein Melder und berichtet, daß eine andere Pionierkompanie bereits eine 8-to-Kriegsbrücke und eine Floßsackbrücke über den Fluß gebaut habe. Der Angriff ist also doch geglückt, und die Verfolgung der flüchtenden Franzosen wird aufgenommen. Unser Zug erhält den Befehl vorzufahren und die Brückenwache für beide Brücken zu übernehmen. Fahren um 20 Uhr los über CONDE LES HERPY bis kurz vor HERPY. Dort wird abgesessen, und in Schützenreihe geht es bis an den Fluß heran. 45


Von dem Dorf HERPY steht nicht mehr sehr viel. Erst lag es unter unserem Artilleriefeuer, und später funkte der Franzose wie wild hinein. An der Böschung der AISNE graben wir uns erst einmal Löcher zum Schutz gegen Flieger- und Artilleriebeschuß. Ich übernehme mit meiner Gruppe das Instandhalten der Floßsackbrücke. Da gibt es ständig etwas zu arbeiten und auszuflicken. An Schlaf ist gar nicht zu denken. Feindliche Flieger sind über uns. Sie scheinen die Übergangsstelle erkannt zu haben. Von unseren Scheinwerferbatterien werden sie jedoch schnell erfaßt und von dem einsetzenden Flakfeuer vertrieben. Ab 22 Uhr rollen bis zum Morgen des nächsten Tages in ununterbrochener Folge unsere Panzerkampfwagen über die Brückenstelle.

Brückendienst 10. 06. 1940 Vor den Übergangsstellen stauen sich die Wagen und Fahrzeuge unserer Division. Der 1. und 2. Zug werden deshalb nach vorne gezogen, und gemeinsam bauen sie eine weitere Brücke mit C-Gerät. Ich sehe mir die Weygand-Linie an und muß schon sagen, daß der Franzose diese in der kurzen Zeit fabelhaft und raffiniert ausgebaut hat. So erklären sich unsere hohen Verluste. Doch dem deutschen Soldaten ist eben nichts unmöglich. Zahlreiche Franzosen, darunter auch einige Verwundete, bringt man zurück. Sie werden von uns als Schiebekommando eingesetzt, wenn die Pferde allein die oft schweren Wagen die steile Böschung nicht hinaufziehen können. Plötzlich kommen in ganz niedriger Höhe 3 feindliche Bomber an, werden aber ihre Eier nicht los, da die Flak aus allen Rohren ballert. Die Flieger verschwinden so schnell, wie sie da waren. Um 16 Uhr werden wir abgelöst. Waschen uns im Fluß, obwohl das Wasser ganz rot ist und viele Leichen Gefallener darin schwimmen. Danach ruhen wir im Schatten der Bäume. Die Zahl der Gefangenen nimmt ständig zu. Begegne zufällig Herbert Haak, einem alten Bekannten aus Ketzin. Da ist die Freude natürlich groß! Heute hat Italien an Frankreich den Krieg erklärt. Auch diese Nacht sollen wir nicht zur Ruhe kommen. Müssen die Brücke aus C-Gerät abbauen. Fangen damit um 21 Uhr 30 an.

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Weitermarsch und Brückenbau am Fluß SUIPPES 11. 06. 1940 Um 1 Uhr 30 sind wir endlich mit dem Abbau und dem Verladen des Geräts fertig. Das war eine Sauarbeit in dieser Dunkelheit. Aber wir haben sie doch bewältigt. Bereits um 3 Uhr ist Wecken. Fahren dann über ST. LOUP, BERGNICOURT, LE CHATELET, MENIL, AUSSONCE bis PONTFAVERGER. Jedes dieser Dörfer gleicht einer Festung und ist total zerschossen.

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Vor AUSSONCE räumen wir eine Minenschnellsperre von der Straße. AUSSONCE selbst ist außerdem durch zahlreiche Barrikaden gesichert. Es gibt für uns viel Arbeit. PONTFAVERGER, das wir am Spätnachmittag erreichen, ist ein größeres, schön angelegtes Dorf mit Bahnstation. Wir ziehen als erste deutsche Truppen dort ein. Auch hier rund um das Dorf mächtige Verteidigungsanlagen, die aber verlassen daliegen. Unser Auftrag ist es, eine Behelfsbrücke über den Fluß SUIPPES zu bauen. Abends fangen wir damit an. Ich reiße mit meiner Gruppe Eisenbahnschienen aus den Gleisen. Die Schienen verwenden wir als Streckträger.

Marschroute in südlicher Richtung 12. 06. 1940 Von 3 bis 6 Uhr ist für uns Ruhezeit. Legen uns auf den Bürgersteig und pennen die 3 Stunden. Danach beginne ich mit meiner Gruppe den Oberbau der Brücke. Inzwischen sind Truppen über Truppen hier ins Dorf eingerückt. Die Kameraden liegen mitten auf den Straßen und schlafen. Der Infanterist muß doch ungeheure Leistungen erbringen. Immer marschieren und dem Feind auf den Fersen bleiben. Da ist es verständlich, wenn die Männer sich in einer Marschpause dort hinhauen, wo sie gerade stehen! Wie gut ist es, moto48


risiert zu sein. Als die l8 m lange Brücke kurz nach 7 Uhr steht, erzählt man uns erst, daß wir in der Nacht vorderste Linie gewesen seien. Wir hatten nicht einmal eine Infanteriesicherung vor uns. Während wir noch am Geländer arbeiten, fahren bereits die ersten Panzerspähwagen über die Brücke. Dann kommen die Panzerabwehrkanonen und schwere Artillerie. Plötzlich ist der General da, besieht sich die Brücke, läßt sich unseren Chef kommen, bedankt sich bei ihm und heftet ihm dafür das EKI an. Also dafür gibt es auch Auszeichnungen! Ich dachte, diese würden nur für besondere Tapferkeit verliehen. Mittags versuchen wieder französische Flieger, uns zu belästigen. Wir können wunderbar beobachten, wie ein Flugzeug, einen Rauchstreif hinter sich lassend, dicht bei uns brennend abstürzt.

Nachmittags fahre ich mit meiner Gruppe nach SELLES, ca. 8 km von PONTFAVERGER, um dort eine eingestürzte Brücke aus C-Gerät abzubauen. Es regnet in Strömen, als wir dort ankommen. Hier sieht man noch Spuren eines vorangegangenen Kampfes. Mitten auf der Straße steht ein ausgebrannter deutscher Panzer. Einige Lkw sind durch Granaten zerstört. Viele Ausrüstungsgegenstände liegen umher, und überall sieht man Blut. Entdecken einen französischen Raupenschlepper und machen ihn fahrbereit. Jenseits der Brücke steht eine französische Pak noch in Feuerstellung, allerdings ohne Bedienungsmannschaft. Mit dem Raupenschlepper ziehen wir mühsam die einzelnen Teile der eingestürzten Brücke aus dem Wasser. Wir sind bis auf die Haut durchnäßt. Verladen das Gerät und fahren wieder zur Kompanie. Dort wartet man bereits auf uns, denn um 19 Uhr ist Abfahrt. Ca. 30 km entfernt liegt der Ort, den wir erreichen sollen. Die Fahrt geht bis zum Ziel ständig über freies Feld auf selbst gemachten Wegen. Nicht ein einziges Dorf berühren wir auf dieser Tour. Dauernd hat sich einer der Lkw festgefahren und muß herausgeschleppt werden. Um 22 Uhr kommen wir endlich in ST. HILAIRE an. Wir sind also ostwärts an Reims vorbei gestoßen und bewegen uns nun hinter der MaginotLinie nach Süden. Die Absicht ist klar: Während andere Truppen die Maginotlinie von vorn angreifen, besteht unsere Aufgabe darin, die Verteidigungslinie zum Teil von hinten aufzurollen bzw. den Nachschub abzuschneiden. Vorausabtei1ung 13. 06. 1940 In einer Scheune haben wir wie die Götter geschlafen. Werden dann zusammen mit der Aufklärungsabteilung als Vorauskolonne vorgeschickt. Sollen also wieder einmal für die Infanterie den Weg bis zur MARNE freikämpfen und dort die Brücken in Besitz nehmen. Die Fahrt geht über SUIPPES, BUSSY bis POSSESSE.

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30 m vor mir kommt ein Wagen der Aufklärungsabteilung vom Wege ab und fährt auf eine Mine. Eine gewaltige Detonation, aber wie durch ein Wunder wird niemand verletzt. Lediglich das Rad des Pkw ist zum Teufel. In POSSESSE müssen wir liegen bleiben. Vorgeschickte Krad-Spähtrupps haben starken Feind gemeldet. Unsere Artillerie fährt hinter uns in Stellung und fängt an zu funken, was das Zeug hergibt. Doch auch der Franzmann schießt mit seiner Artillerie aus allen Rohren. Wir liegen mitten in diesem Feuerzauber. 14. 06. 1940 Ununterbrochen schießt unsere Artillerie. Macht Stellungswechsel nach vorn und schießt weiter. Die Kanoniere haben ihre Stahlhelme abgesetzt und arbeiten fieberhaft mit nacktem Oberkörper. Der Schweiß rinnt ihnen aus allen Poren. Dann ist es geschafft. Diesem Druck konnte der Franzose nicht widerstehen. Es geht weiter voran. Die ersten Gefangenen kommen uns mit erhobenen Händen und vor Angst verzerrten Gesichtern entgegen. Darauf folgen riesige Trupps Gefangener, die von deutschen Soldaten begleitet werden. Wiederum sieht man viele Farbige. In den Ortschaften, die wir durchfahren, liegen auf den Marktplätzen zahlreiche französische verwundete Soldaten. Sie stöhnen vor Schmerzen und verlangen nach Wasser, das ihnen bereitwillig gereicht wird. Die vielen Toten, die umherliegen, zeugen von den hier erst vor kurzem stattgefundenen Kämpfen. Immer dasselbe Bild bis CHARMONT. Auch hier ist es heiß hergegangen. Viele Häuser brennen lichterloh, und wir müssen mit unseren Fahrzeugen dazwischen hindurch. Ein nasses Tuch vor den Mund gepreßt, rasen wir mit erhöhter Geschwindigkeit durch diese sengende Hitze. Auf unserer Vormarschstraße bewegen sich Kolonnen über Kolonnen. Es wimmelt von Truppen. Bloß gut, daß sich kein feindlicher Flieger sehen läßt! So geht die Fahrt über VROIL bis REMENNECOURT. Hier soll unser Einsatzort sein. Werden jedoch wieder zurückgeholt und übernachten. Liegen hier unmittelbar vor dem MARNE-Kanal. Von unseren Nachrichtenleuten erfahren wir, daß heute der französische Ministerpräsident Renaud erschossen worden sein soll. Auch erfolgte am heutigen Tag um 11 Uhr 30 die Übergabe von Paris an die deutschen Truppen. Nun kann es doch nicht mehr allzu lange dauern bis zum Frieden.

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Flankensicherung 15. 06. 1940 Die ganze Nacht rollen die Kolonnen an uns vorbei. Gegen Morgen stoßen unzählige schwere Panzerkampfwagen nach vorn. Unübersehbare Mengen an Gefangenen werden nach hinten gebracht. Nicht der geringste Lärm eines Kampfes ist zu hören - selbst die Artillerie schweigt. Bis zum Abend bleiben wir in Ruhe liegen. Während dieser Zeit braten wir uns Hühner und Kaninchen. Gehen dann zur Flankensicherung bis an einen Fluß heran und wollen das jenseitige Ufer besetzen. Holz zum Behelfsbrückenbau nehmen wir mit. Bis auf l00 m sind wir herangekommen, als wir unerhörtes Infanteriefeuer erhalten. Schnell geht es in Deckung. Ich beobachte, daß der Feind jenseits des Flusses hinter einem Bahndamm liegt. Eine Stunde lang lassen wir uns auf ein Feuergefecht ein, dann werden wir zurückbeordert. Wir hören vom Fall der Festung Verdun. Es geht also mit Riesenschritten vorwärts. Was im l. Weltkrieg nicht in 2 Jahren gelang, das haben wir nun in wenigen Wochen erreicht. Ich bekomme den Befehl, mit meiner Gruppe nach SERMAIZE zu fahren und dort die Brückenwache zu übernehmen. Die anderen Gruppen der Kompanie werden zusammen mit den Panzerjägern vorgezogen und gehen zur Flankensicherung über. Unsere Division ist heute von der 3. Division abgelöst worden. Brückendienst 16. 06. 1940 Ich habe alle Hände voll zu tun, den Verkehr über die Brücke zu regeln. In einer Liste ist die Reihenfolge der Kolonnen genau festgelegt. Trotzdem kommen immer wieder Offiziere zu mir, um vorzeitig hinübergelassen zu werden. Alle haben sie einen Befehl vom General oder sonst etwas. Da heißt es energisch sein, sich auf nichts einlassen und höflich aber bestimmt ablehnen. Die Kampfesfreude der Truppen ist bewundernswert. Keiner will warten, jeder will der Erste am Feind sein. Um einen Nachrichtenfunkwagen scharen sich die Landser. So überbringt man mir das Neueste, daß die französischen Generale um Frieden gebeten und zweitens, daß die Spanier die Stadt Tanger in Marokko besetzt hätten. Ein Trupp Gefangener mit 500 Mann, begleitet von nur 8 Soldaten, kommt hier durch. Als um 9 Uhr die Kompanie die Brücke passiert, hänge ich mich mit meiner Gruppe hinten an. Es geht über MAURUPT bis CHEMINON usw. Hier sehen wir seit langem wieder in allen Ortschaften Zivilisten, die uns erstaunt und verwundert anstarren. Das haben sie sich wohl nicht träumen lassen, daß wir so schnell heran sind. Andere Bewohner kommen mit ihren Habseligkeiten, die sie auf Wagen verladen haben, aus den Wäldern zurück. Die Angst vor uns scheint verschwunden zu sein. Die Hetze der Pariser Presse trägt keine Früchte mehr. Sie wissen nun auch, daß wir keine Barbaren sind und uns so gar nicht als Sieger benehmen. Der Franzose befindet sich jetzt auf der Flucht, die schon in Panik ausartet. Deshalb wird unsere Division wieder eingesetzt und marschiert westlich der MARNE vor. Die Ablösung war also nur von kurzer Dauer. Zugweise werden wir zur Flankensicherung der Vormarschstraße eingeteilt. Unser Zug bleibt mitten im dichten Wald liegen. Insgesamt sind wir heute 75 km gefahren und haben reichlich Staub geschluckt. Jetzt müßte man baden können, aber wir haben nicht einmal die Möglichkeit, uns auch nur notdürftig zu waschen. 17. 06. 1940 Stromabwärts fahren wir die MARNE entlang bis CHAUMONT. In einer ehemaligen französischen Kaserne beziehen wir Quartier. Hier haben die Franzosen bei ihrem Abzug alles stehen und liegen lassen müssen. Die Bekleidungskammern sind bis an die Decke mit Ausrüstungsgegenständen aller Art gefüllt. Wir finden Uniformen, Wäsche, Schuhe und sonstige Ledersachen, Pullover usw. Kurz, alle möglichen Sachen, die der Soldat benötigt. Natürlich nimmt sich jeder erstmal das, was er gebrauchen kann. In einer Kantine finden wir sogar einige Kasten Bier, die uns hoch willkommen sind. In der Schreibstube liegen Generalstabskarten 51


mit Eintragungen und andere Geheimakten umher. Unser Chef verbietet sofort das Betreten. Vielleicht findet der Geheimdienst wichtige Unterlagen.

Ich erhalte mit meiner Gruppe den Befehl, zusammen mit 2 Pak die Brücken an der Vormarschstraße der 23. Division zu sichern. Fahren mittags los und gelangen nach 20 km Fahrt in ein kleines verlassenes Dorf, das noch von keines deutschen Landsers Fuß betreten wurde. Schicke einen Krad-Erkundungstrupp vor, der schon nach wenigen Minuten mit der Meldung zurückkommt, daß sich am Dorfausgang 2 Brücken befänden. Inzwischen standen wir tatenlos am Dorfeingang. 2 Frauen mit Fahrrädern kommen an und bitten mich, weiter durchs Dorf fahren zu dürfen. Ich lehne ab, und daß dies richtig war, sollte ich später erfahren. Nach allen Seiten sichernd gehen wir durchs Dorf. Weise meinen Leuten am Dorfausgang ihre Stellungen an und lasse eine Pak vorkommen. Sie soll jenseits der Brücken in Feuerstellung gehen. Aber kaum sind die Panzerjäger auf der Brücke, als ein MG zu rattern anfängt und die Kugeln um uns herum pfeifen. Rasch wird die Pak zurückgezogen, geht hinter einer kleinen Mauer in Stellung und schießt wahllos in den vor uns liegenden Wald hinein. Ein Kraftfahrer meldet mir, daß sie die Häuser durchsucht hätten und das Dorf feindfrei sei. Ich lasse meine Männer in den Häusern in Stellung gehen und gebe Anweisung, den Waldrand zu beobachten. Drüben sitzt also noch der Feind. Ich entschließe mich, eine Minenschnellsperre auszulegen. Denn kommt der Gegner mit Panzern ins Dorf, kann der weitere Vormarsch in Frage gestellt sein. Münchoff und Eckert melden sich freiwillig, mich zu begleiten. Machen die T-Minen scharf und verbinden sie mittels Druckschienen. Während mein MG den Feuerschutz übernimmt und den Waldrand abstreut, machen wir zu dritt einen geschlossenen Sprung über die Brücken. Der Franzose schießt ebenfalls, aber wir kommen unversehrt hinüber und führen unser Vorhaben aus. Inzwischen hat der Geschützführer der Pak ein Ziel erkannt und jagt einige Sprenggranaten aus seiner Kanone. Daraufhin schweigen sie drüben. Aufrecht gehen wir ins Dorf zurück. Die 2. Pak kommt vor und geht in Stellung. Nur gut, daß der Feind nicht weiß, wie schwach wir sind, und ich vorhin die beiden Frauen nicht habe weiterfahren lassen. Wahrscheinlich wollten sie den gegnerischen Truppen Nachricht von uns überbringen. Vergeblich lasse ich nach ihnen suchen. Sie bleiben verschwunden. 52


Noch ist die Gefahr nicht gebannt. Der Franzose könnte uns umgehen, um von der Flanke aus anzugreifen. Ich ziehe daher meine Gruppe nach links heraus. Man muß mit allem rechnen! Klatetzki und Baatz kommen mit Schokolade, Bier, Sekt, Wurst- und Fischkonserven, Zigaretten und eingemachtem Obst an. Sie haben große Beute gemacht, und wir stürzen uns darüber her. Der Feind schießt nicht mehr. Abends um 21 Uhr kommt endlich die Spitze der Marschkolonne an und löst uns ab. Wir fahren zurück nach CHAUMONT. Für die nächsten Wochen haben wir genug zu essen und zu trinken. Jede freie Stelle des Henschel ist mit Lebensmitteln ausgestopft. 18. 06. 1940 4 Uhr 30 weckt man uns. Der Marschweg wird bekannt gegeben. Es geht durch das MARNETal bis nach LANGRES.

Nördlich von LANGRES besetzen wir zusammen mit den Panzerjägern ein Waldstück und übernehmen die Flankensicherung für unsere Division. Es ist ein ganz herrlicher Tag, und wir liegen im Gras und faulenzen. Man munkelt wieder einmal von dem bevorstehenden Waffenstillstand mit Frankreich. Um 14 Uhr soll der Führer gesprochen haben. Wir sind alle sehr gespannt, was es Neues gegeben hat. Gegen Abend setzen wir unsere Fahrt bis SELONGEY fort. Hier merkt man nicht das Geringste vom Krieg und seinen grausamen Auswirkungen. In dieses Dorf hat noch keine Granate eingeschlagen, auch sind noch alle Bewohner anwesend. Ihre anfängliche Scheu ist schnell verflogen, und der Kontakt zu den “Siegern“ ist augenblicklich hergestellt. Ich spreche mit einigen Leuten, die ganz erstaunt sind, daß wir nicht - wie man ihnen erzählt hat - alles entzwei schlagen, rauben, morden und plündern, sondern höflich um Wein, Eier und Butter bitten und dafür bezahlen. Ich fahre mit meiner Gruppe und 2 Pak ein Dorf weiter. Auftrag: Die Brücken in Besitz nehmen und sie halten. Vorsichtig pirsche ich mich mit 2 Mann an das Dorf heran, und als ich festgestellt habe, daß kein Feind anwesend ist, ziehe ich den Rest der Gruppe und die 2 Pak nach. Es sind 2 Brücken. An jeder lasse ich eine Pak in Stellung gehen und teile jedem Geschütz 5 Pioniere zu. Danach werden Schnellsperren ausgelegt, und nun erwarten wir in aller Ruhe die Nacht. Etwas später besucht uns unser Zugführer, der uns erzählt, daß die l. Gruppe unseres Zuges die in IS SUR TILLE eingesetzt war - 160 Gefangene gemacht hätte. Das heißt, diese 160 Mann kamen ihnen mit Pferd und Wagen entgegen und ergaben sich. Man merkt es immer 53


mehr: der Franzose ist kampfesmüde geworden. Das sah man auch während der Fahrt nach LANGRES, als uns Scharen von französischen Soldaten lachend und winkend entgegen kamen. Der Waffenstillstand scheint nahe, denn heute trifft sich der Führer mit Mussolini, um über die Friedensbedingungen zu beraten.

Fahrt bis DIJON 19. 06. 1940 Es gibt Post, und für mich sind einige Päckchen mit Wurst, Schinken und Zigaretten dabei. Weiter geht die Fahrt bis DIJON. Der Franzose befindet sich auf eiliger Flucht, denn nirgends stoßen wir auf Feindwiderstand. DIJON ist eine hübsche Stadt. Es herrscht ein Leben und Treiben wie im tiefsten Frieden. Die Läden sind geöffnet, und die Einwohner gehen wie immer ihrer Beschäftigung nach. Nur vereinzelte Müßiggänger stehen in einzelnen Gruppen umher und schwatzen und bestaunen uns. Kurz hinter DIJON befindet sich ein riesiges Fort und in der Nähe ein neu erbautes Heim für Sportler mit fabelhaften Anlagen und Trainingsmöglichkeiten. In diesem Heim bezieht unsere Kompanie Quartier. Nachmittags schicke ich 2 Mann meiner Gruppe nach DIJON, um Einkäufe zu tätigen. Ich selbst mache einen Rundgang durch das Fort. Hier in den Kasematten haben die Franzosen alles fluchtartig im Stich gelassen. Da liegen Decken, Stahlhelme, Gewehre, Maschinengewehre, Munition, Koffer mit Privatsachen der Soldaten usw. In der Kantine stehen noch auf den Tischen halbgefüllte Bier- und Weingläser, und hinter dem Tresen finden wir eine Unmenge an Wein, Bier und Aperitifs. Selbst in der Küche sind die Kessel noch voller Erbsen. Auf Brettern liegen Fleisch und Wurst. Aber es ist alles ungenießbar. Die Fliegen sitzen in Schwärmen auf den Lebensmitteln. Ich nehme mir Kaffee und eine große Kiste voll Konser54


ven mit. In der Telefonanlage ist alles zerstört. Auch die Ferngeschütze - Kaliber 30 - sind unbrauchbar gemacht worden.

Ganz in der Nähe des Forts befindet sich ein Feldflugplatz der Franzosen, den ich mir anschließend ansehe. Hier stehen 15 französische Jagdmaschinen, vollkommen unversehrt zurückgelassen. Doch auch unsere Luftwaffe ist schon da und benutzt den Flugplatz. Unser Zug stellt hier für die Nacht die Sicherung. Zahlreiche Überläufer kommen an uns vorbei. Viele von ihnen sind betrunken und lallen nur immer: “La guerre est finie“ (der Krieg ist beendet). In der Nacht herrscht ein stürmisches Gewitter, so daß man kaum schlafen kann. 20. 06. 1940 Auch heute ist für uns noch ein Ruhetag, den wir mit Schlafen und Skatspielen verbringen. Mit dem Waffenstillstand scheint es nun doch nichts zu werden, denn der französische Marschall hat einen Aufruf an seine Armee erlassen, daß weitergekämpft werden soll. Ist dies nicht Wahnsinn, da der Franzose moralisch doch ganz fertig ist?! Ist dies nicht ein unnötiges Blutvergießen? Ich lasse mir aus der Stadt eine Taschenuhr mitbringen (20 Francs = 1.-RM) und erwerbe eine Tabakspfeife. Einige kaufen sich ganze Anzüge, Hemden, Damenwäsche, Stoffe usw. In DIJON gibt es eben noch alles. Einquartierung im Herrensitz 21. 06. 1940 Morgens um 4 Uhr 30 werden die Motoren angeworfen und dann geht die Fahrt nach PERNAND. Dort bezieht die Kompanie in einem alten Schloß Quartier, während ich mit meiner Gruppe in einem wunderschönen ehemaligen Herrensitz unterkomme. Wir wohnen dort wie die Grafen. Die Einrichtungsgegenstände sind ganz komfortabel. Von unserem Zimmer aus haben wir einen herrlichen Ausblick auf den terrassenförmig angelegten Garten und Park. Die Erdbeeren, Kirschen, Stachelbeeren usw. sind eine willkommene Bereicherung unserer Verpflegung. Münchoff, unser Smutje, kocht Bohnenkaffee, den wir auf der Terrasse 55


einnehmen.

Die Marschroute

Danach ziehe ich mit meiner Meute los, um das Dorf zu besichtigen. In der einzigen Kneipe herrscht reger Betrieb. Der Landser säuft und läßt den Rubel rollen. Dabei kann man fast kein Geld loswerden. Die Flasche Weißwein kostet 25 fr. Abends durchsuchen wir die Kellerräume unserer Unterkunft und entdecken mehrere Flaschen Sekt. Bis nachts 1 Uhr sitzen wir 56


dann noch bei Kartenspiel und Grammophonmusik auf der Veranda. Es wird geraucht und geplaudert. Jeder ist zufrieden. Hier würden wir es schon eine Zeitlang aushalten. Ausgliederung aus der 23. Division und Unterstellung unter General Gretzel 22. 06. 1940 Um 8 Uhr schmeiße ich meine Leute aus den Federn. Auf der Straße herrscht schon ein lebhaftes Treiben. Unsere Infanterie marschiert weiter nach vorn. Ich lasse unser Fahrzeug aufräumen, Munition nach gurten und Sprengmunition auffüllen, so daß wir wieder voll gefechtsbereit sind. Beim Waffenreinigen geht es leider nicht ohne einen Unfall ab. Beim 1. Zug spielt ein Mann mit einer gefundenen Pistole. Ein Schuß geht los und trifft den vorbeikommenden Uffz. Golz in den Oberschenkel. Sofort läßt der Chef sämtliche Pistolen einsammeln und verbietet unter Strafandrohung das Tragen und Verheimlichen fremder Schußwaffen. Von 14 bis 18 Uhr wird Mittagsruhe gehalten. Wie schön haben wir es doch im Vergleich zum Infanteristen, der dauernd tippeln muß. Der Chef teilt uns mit, daß unsere Kompanie aus dem Verband der 23. Division ausscheide. Dafür werden wir General Gretzel unterstellt, der alle motorisierten Truppenteile unter seinem Befehl vereinigt. Ein neues Unternehmen steht uns bevor. Es geht darum, den fliehenden Franzosen nicht zur Ruhe kommen zu lassen und weiter nach Frankreich hineinzustoßen. Endziel soll für uns MARSEILLE sein. Um 20 Uhr Abmarsch. Wir fahren über BEAUNE, CHALON, TOURNUS, PONT DE VAUX, PONT DE VEYLE, THOISSEY bis nach MONTMERLE. In südöstlicher Richtung den Italienern entgegen 23. 06. 1940 Um 5 Uhr 30 morgens treffen wir in MONTMERLE ein und bauen uns aus Preßstrohballen Unterschlupfe für die Schlafenszeit. Auch hier ist nichts vom Krieg zu merken. Um 7 Uhr öffnen die Geschäfte ihre Pforten, und so können wir Brötchen, Wurst und Schokolade einkaufen. Um 10 Uhr ist Weiterfahrt. Es geht über ROCHETAILLEE, LYON, MEYZIEU, REMIOLE, CREMIEU, TREPT bis nach COZANCE. Die Fahrt war ganz herrlich, in diesem bergigen Gelände. Die Orte sind wunderhübsch gelegen und die Chausseen in tadellosem Zustand. Im Hintergrund sahen wir die schneebedeckten Ausläufer der Alpen gen Himmel steigen. Wir erreichen unser Endziel um 21 Uhr 30 und schlafen eine lange Nacht hindurch auf einem Heuboden.

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Waffenstillstand 24. 06. 1940 Um 11 Uhr 30 wird Weiterfahrt befohlen. Es geht das ISERE-TAL entlang über PASSINS, MORESTEL bis BRANGUES. Auftrag und Lage: Der Italiener greift von Südosten an. Wir schneiden den Franzosen die rückwärtigen Verbindungen ab und greifen evtl. selbst in den Kampf ein. Unser Einsatzbefehl kann jede Minute eintreffen. Vorerst jedoch beziehen wir in dem Schloß, das dem französischen Gesandten in der Schweiz gehört, Quartier. Dieser geflüchtete Herr hatte nicht einmal soviel Zeit, um seine Gold- und Silbersachen mitzunehmen. Der Landser hat sich schnell eingelebt. Bereits nach einer halben Stunde sieht man Kameraden auf den Tennisplätzen in sportlichem Wettkampf. Aus weiter Ferne dringt zu uns der Lärm der Artillerie. Dort muß sich der Italiener im Kampf befinden.

Abends um 22 Uhr hören wir im Radio die Nachricht vom Waffenstillstand zwischen Italien und Frankreich, der in Rom unterzeichnet worden ist. Das bedeutet also, daß 6 Stunden später (um 1 Uhr 35) Waffenruhe an allen Fronten herrscht. 25. 06. 1940 58


Erledigen unsere Post. Wir sollen hier solange bleiben, bis der Italiener da ist. Waffen reinigen und Appell. Mit Uffz. Derleder gehe ich ins Dorf zum Essen. Für 1 Flasche Wein, 5 Rühreier und 1 Tasse Kaffee bezahlt man 10 ½ fr. (53 Pf.). Die Leute sind freundlich, und ich unterhalte mich mit ihnen, um die französischen Sprachkenntnisse zu erweitern. Wir beide machen eine nette Kneiptour und landen zum Schluß in einem Bäckerladen, wo wir die letzte Flasche zumpeln. Als wir das Schloß betreten wollen, ist das Tor verschloßen. Jetzt heißt es über die Mauer klettern, da wir den Zapfenstreich überschritten haben. Alles geht gut, und wir gelangen ungehindert ins Quartier. Zurück bis in die Nähe von BEAUNE (südl. DIJON) 26. 06. 1940 Von 9 bis 10 Uhr wird exerziert und anschließend haben wir bis Mittag Sport. Da der Italiener im Anmarsch ist, fahren wir um 14 Uhr über LYON, MACON, CLUNY bis BLANZY und MONTCEAU. Hier war unser Endziel für heute vorgesehen. Aber es sollte noch 60 km weiter gehen über CHAGNY, BEAUNE, ALOXE-CORTON bis zu unserem früheren Unterkunftsort PERNAND. Da dort aber alles bereits belegt ist, fahren wir ins Nachbardorf und übernachten unter freiem Himmel am Kirchplatz. 2 Uhr war es, als wir eintrafen. 300 km hatten wir damit an einem Tag zurückgelegt. Da unser Zugführer heute einen Krad-Unfall hatte, erhalten wir einen neuen Offizier und zwar Lt. Lindemann.

27. 06. 1940 Der Chef ist auf Suche nach einem Quartier. Wir lungern herum und kaufen Kaffee ein, um denselben nach Hause zu schicken (1/2 kg = 50 Pf.). Gegen Abend ziehen wir nach ALOXE-CORTON um. Dort kommt die Kompanie wieder in einem Schloß unter, mit einer großen Weinkelterei (Burgunder) von P. A. Andre´. Tausende von Flaschen stehen hier herum. Doch der Chef stellt sofort Wachen auf, damit keiner heran kommt. Allerdings können wir soviel wir wollen käuflich erwerben. Dies tun wir dann auch reichlich. Um Mitternacht ist fast jeder berauscht. 28. 06. 1940 Große Wäsche. Den Rest des Tages verbringen wir mit Nichtstun und Burgunder-Trinken. 59


Uffz. Schutte, Derleder und ich gehen abends zu luxemburgischen Flüchtlingen, die uns zu einer Feier eingeladen haben. Es gibt Zwetschgenschnaps, Wein und gutes Essen. Zudem sind sie sehr deutschfreundlich und sprechen auch ein einwandfreies Deutsch. Gegen Morgen erst suchen wir unsere Lagerstatt auf. 29. 06. 1940 Appell in sämtlichen Ledersachen. Uffz. Protsch, Derleder und ich beschließen nach BEAUNE zu gehen. Gesagt, getan. Nach dem Mittagessen pilgern wir los. Ca. 5 km ist BEAUNE von ALOXE entfernt. Wir halten ein Auto an und fahren mit. Nachdem wir die Stadt besichtigt und genügend Lokalkenntnisse gesammelt haben, machen wir uns um 22 Uhr mit Paketen schwer beladen auf den Heimweg. Wieder nimmt uns ein Auto mit. Inzwischen war jedoch Antreten der gesamten Kompanie, und der Chef hat uns vermißt. Ein Donnerwetter fährt auf uns hernieder. Das Ende vom Lied ist, daß wir drei nun bis auf weiteres abwechselnd UvD [Unteroffizier vom Dienst] machen müssen. Wir haben eine Stinkwut und sitzen noch bis 2 Uhr morgens beim Burgunder. 30. 06. - 04. 07. 1940 Ich übernehme die Bekleidungskammer. Gegen Abend kommt unser Bataillonskommandeur und verteilt EKII. Dabei wird unser erster Schreiber, Paul Müller, zum Unteroffizier befördert. Im Kreise der Unteroffiziere feiern wir dieses Ereignis bis Mitternacht. Wie man erzählt, soll unsere Division von der l2. Armee die meisten Toten haben - nämlich 500 Mann. Es folgen nun wunderbare Tage in ALOXE-CORTON. Den Rotwein kann bald keiner mehr sehen. Ja, es ist sogar soweit, daß wir uns die Füße darin baden und den edlen Tropfen als Rasierwasser benutzen. Einmal fahre ich von dort mit dem Verpflegungswagen nach LE CREUSOT, das ca. 70 km entfernt ist. Hier ist die größte Waffenschmiede Frankreichs. 60.000 Arbeiter sind dort in Arbeit und Brot. Bei der Hinfahrt bemerke ich, daß auf den Bahnhöfen bereits deutsche Eisenbahner ihren Dienst tun.

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Ostwärts zur schweizerischen Grenze 05. 07. 1940 Am 5. Juli verlassen wir das idyllische ALOXE-CORTON und fahren über BEAUNE, SEURRE, DOLE, BESANCON, MORRE, NANCRAY, AISSEY, VAUDRIVILLERS, SANCEY, BELLEHERBE bis kurz vor MAICHE. Auf einer Wiese werden die Zelte aufgeschlagen und in gemütlicher Runde ein paar Flaschen geleert. 06. 07. - 10. 07. 1940 Am nächsten Tag geht die Fahrt über MAICHE nach CHARQUEMONT. In einer Schule kommen wir unter. Nur noch 5 km sind es bis zur Schweiz. Mit einigen Männern gehe ich gleich auf Erkundung, und reich bepackt kommen wir mit Speck, Wurst und Büchsen zurück. Bier gibt es hier auch und es schmeckt nicht mal schlecht. Nur Zigaretten sind nirgends aufzutreiben. Es ist alles spottbillig. Für 1 Pfund Schmalz zahle ich z.B. 40 Pfennige. Unsere Kompanie erhält die Aufgabe, an der Grenze Drahthindernisse zu bauen und die Brücken zur Schweiz mit spanischen Reitern zu verbarrikadieren. Daneben haben wir noch Wache zu stellen. In einer Kneipe sind wir schnell Stammgäste. Die kleine Cecile ist sehr freundlich und brät und kocht für uns. Bald bin ich unabkömmlich und mache den Dolmetscher.

Eine Autofahrt bringt uns über DAMPRICHARD, CHARMAUVILLERS bis GOUMOIS. Dieses Dorf befindet sich direkt an der Grenze. Landschaftlich ist es einfach bezaubernd schön. Eine Brücke trennt hier die Schweiz von Frankreich. Drüben steht der Schweizer Soldat und diesseits der deutsche Landser. Dazwischen ein Gewirr von Drahthindernissen. Wuchtige, halbfertige Bunker hat der Franzose hier gebaut. Warum nur? Dachte er, wir würden von der Schweiz aus nach Frankreich einfallen? Ein Sonderauftrag - für einen Kameradschaftsabend Bier besorgen - führt mich nach MORTEAU, einer hübschen, sauberen Stadt mit ca. 20.000 Einwohnern. 450 Ltr. Bier kann ich käuflich erwerben. Der Liter kostet 2 francs und 40 centimes (12 Pf.). Abends um 19 Uhr bin ich - schon ziemlich in Stimmung wieder zurück. Dann beginnt das große Schlürfen. Um 23 Uhr ist bereits das gesamte Bier getrunken. Der Chef scheint guter Laune, denn er läßt einen Soldaten aus dem Spritzenhaus

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holen, wo dieser zur Verbüßung einer Arreststrafe eingesperrt war.

11. 07. - 15. 07. 1940 Am 11. Juli heißt es wieder Stellungswechsel! Über MAICHE, ST HIPPOLYTE, CLERVAL bis RANG SUR LE DOUBS. Da hier der DOUBS fließt, riecht es sehr nach Wasserdienst. Wir sollten uns darin nicht getäuscht haben. Mit meiner Gruppe beziehe ich ein leer stehendes Haus, und wir richten uns wohnlich ein.

Das letzte Geld ist verbraucht. Man muß also zu Hause bleiben. Bloß gut, daß mein Henschel noch reichlich Flaschen Wein birgt. So kann man es sich wenigstens in dem neuen Zuhause behaglich machen. Die große Mode ist hier das Angeln und Reusenstellen. Ganz Schnelle fischen auch mit der Handgranate. Für unseren Smutje gibt es in der Küche immer etwas zu tun, um die 14 Mäuler satt zu bekommen. Da es bald darauf Löhnung gibt, sind wir oft in der Kneipe, wo gespielt und gelärmt wird. Ein Leben nach Landsknechtsart! Lerne eine schweizerische Familie kennen. Der Mann war früher in Tremmen, also in demselben Dorf, in dem ich eine Fleischereifiliale hatte. Die Leute sprechen fabelhaft Deutsch und sind sehr gastfreundlich. Außer mir treffen sich dort ständig noch 4 Unteroffiziere, der 62


Kompaniechef und der Assistenzarzt zum Essen. Noch machen wir keinen Dienst und sind deshalb ständig in der Kneipe. 16. 07. - 26. 07. 1940 Am 16. Juli beginnt der Dienst nach alter preußischer Art. Wir Unteroffiziere dürfen auf einmal nicht mehr mit den Männern zusammen hausen und erhalten Einzelquartiere. Ich bekomme ein fabelhaftes Zimmer bei einer älteren, netten Rentnerfamilie zugewiesen. Die Leute sind sehr besorgt um mich und lesen mir jeden Wunsch von den Augen ab. Ich unterhalte mich oft mit ihnen, um mein Französisch zu vervollkommnen. Einmal marschieren wir nach LISLE, wo wir die Rede des Führers hören und uns den Film: “Kennwort Maschin“ ansehen. Der ständige Dienst, wie in der Rekrutenzeit, hängt uns zum Halse heraus. Muß das denn sein? Doch da kommt wieder der Befehl zum vorübergehenden Stellungswechsel. Über CLERVAL, PONT DE ROIDE, ST. HIPPOLYTE geht die Fahrt bis nach VAUFREY. Hier haben wir die Aufgabe, eine Behelfsbrücke zu bauen. Die Betonbrücke, die über den Fluß führte, ist von einer polnischen Freiwilligen-Division bei ihrem Marsch in die Schweiz zerstört worden. Mit dem Bau habe ich nicht viel zu tun, dafür bin ich für den Materialtransport verantwortlich. Bereits nach 3 Tagen steht die Brücke. Eine Prachtleistung! Auf einem Spaziergang komme ich mit Walter Derleder zu einer Ferme. Die Besitzerin spricht gut Deutsch und lädt uns zu einer Flasche Wein ein. Wir trinken und plaudern. Sie ist guter Dinge, hat sie doch die Nachricht erhalten, daß sich ihr Sohn in deutscher Gefangenschaft befinden soll. Bald sind wir jeden Abend dort zu Gast; essen, trinken, betrachten uns Bilder und unterhalten uns. 27. 07. 1940 Am 27. Juli kommen wir nachts wieder in RANG an. In meinem Bett schlafe ich wie ein Gott. Am anderen Tage erfahre ich, daß ich in Urlaub fahren soll. Das kostet mich wiederum eine Kleinigkeit. Dann dampfe ich nach Deutschland ab. Urlaub 29. 07. - 19. 08. 1940

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Vor dem Russland-Feldzug Wiederum quer durch Deutschland - diesmal von West nach Ost - nach Polen 19. 08. 2009 Als ich aus den Ferien zurückkomme ist die Kompanie schon beim Packen und Verladen. Bei Dunkelheit fahren wir in Richtung Deutschland. Bei BREYSACH haben wir Gelegenheit, uns die Maginot-Linie anzusehen. Ich bin erstaunt über diese gigantische Kampfanlage, die unserem Westwall überlegen ist. Dennoch ist die Linie bezwungen worden. Wer sie mit eigenen Augen gesehen hat, weiß erst die Leistung des deutschen Soldaten richtig zu würdigen. Einquartierung im Elsaß Im Elsaß verleben wir noch einige schöne Tage. In OBER BURNHAUPT (südwestl. von MUHLHOUSE) bin ich bei älteren, sauberen Leuten einquartiert. Mein Erstaunen ist groß, als sie mir zum Kaffee auch Kuchen und ein riesiges Glas Zwetschgenschnaps hinstellen. Auf meine Frage antworten sie, daß das immer so sei. Zum Nachmittagskaffee gibt es einen Schnaps. Die freie Zeit verbringen wir damit, uns in den Kneipen und Gasthäusern umzusehen. Wein gibt es noch genug. Mit Uffz. Protsch gehe ich eines Abends an einem Hause vorbei, aus dem einschmeichelnde Melodien eines Akkordeons klingen. In unserer Weinlaune fangen wir an zu pfeifen. Eine feine ältere Dame öffnet und fragt nach unserem Begehr. Als wir erklären, daß wir begeisterte Musikliebhaber seien, lädt sie uns ein, näher zu treten. Sie holt ein paar Flaschen Wein aus dem Keller und ruft ihre Tochter - denn diese war die Virtuosin! In gemütlicher Runde sitzen wir so noch bis 3 Uhr morgens, und das kleine Mädchen wurde nicht müde, uns vorzuspielen und zu singen. Die Mutter war längst eingeschlafen, und auch Uffz. Protsch und ich mußten uns ständig gegenseitig wecken. Aber ehe nicht die letzte Flasche geleert war, sind wir nicht gegangen. Der nächste Tag war ein Sonntag. Da mein Freund gerade Geburtstag hatte, waren wir wieder eine Klicke in der Kneipe zusammen. Ein Landser mit einer Gitarre, einer mit Mundharmonika und einer mit Akkordeon machten Musik. Gegen 16 Uhr beschließen wir Stellungswechsel zum anderen Gasthof. Ich vorne weg, dann die drei Mann Kapelle und im Anschluß 12 Mann Gefolge. So ziehen wir in Marschordnung los. Da kommt aus einer Querstraße plötzlich unser Zugführer Lt. Page. Im Achtungsmarsch geht es an ihm vorbei. Lachend dankt er. Das ist also noch einmal gut gegangen. Wie er mir am anderen Tag erzählte, hätte er am liebsten an unserem Umzug teilgenommen. Einige Tage im Schwarzwald Später liegen wir einige Tage im Schwarzwald bei FREIBURG. Drei Tage lang sind wir vom Nachmittag bis zum Morgen im Gasthof. Vormittags werden einige Stunden geschlafen und dann geht der Trubel weiter. Die Runde besteht immer aus Lt. Page, 3 Feldwebel und uns 5 Unteroffizieren. Es sind tolle Saufabende oder -nächte, die mit viel Lärm und Geräuschen verbunden sind. In FREIBURG werden wir dann eines Tages mit unseren Fahrzeugen auf die Bahn verladen, und ab geht es nach dem Osten. Ins besetzte Polen Oktober 1940 In LESLAU [WLOCLAWEK] an der WEICHSEL [WISLA] werden wir in einer ehemaligen polnischen Kaserne untergebracht. Das erste Mal machen wir Bekanntschaft mit Wanzen. Gott sei dank bin ich immun dagegen. Am anderen Tag beginnt ein großes Säubern, Schwefeln und Reinemachen. Die Betten werden auf den Hof geholt und mit der Lötlampe bearbeitet. Jetzt beginnt wieder ein strammer Dienst. Wir bekommen neue Rekruten. Ende Oktober 64


verlassen wir LESLAU und fahren mit unseren Lkw zum Truppenübungsplatz STABLACK [STOPKI? - Kreis GERDAUEN/ZELEZNODOROZNY in Ostpreußen].

Truppenübungsplatz STABLACK [STOPKI?] in Ostpreußen Während die “alten Knochen“ vor Offizierslehrgängen Stoßtruppübungen vorführen, sind wir dabei, aus den Rekruten anständige Soldaten zu machen. Sonst ist es sehr eintönig. Man ist nur auf die Kantinen angewiesen, deren es 10 Stück gibt. Lustige Gelage werden gefeiert. Bald haben sich die Pioniere zu Herren des ganzen Truppenübungsplatzes gemacht. Auch wir Unteroffiziere müssen einmal einen Spieß von der Infanterie auseinander nehmen, als dieser mit seinen Unteroffizieren in unsere Kantine kommt und nach unserem Schirrmeister mit dem Bierglas wirft. In 10 Minuten war von der Infanterie nichts mehr zu sehen. Nur die blauen Augen sah man bei ihnen am anderen Tag.

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Sonntags waren wir des öfteren in PREUßISCH EYLAU [BAGRATIONOVSK] oder in KÖNIGSBERG, wo wir im Kaffee Musik hörten oder ins Kino gingen. Einmal ging das gesamte Unteroffiziers-Korps zu einem Feuerwehrball auf einem Dorf. Als wir dort ankamen, war schon alles besetzt. Also besorgte sich jeder von uns einen Stuhl und wir setzten uns ohne Tisch in die Runde. Den Höhepunkt des Abends bildete die Rede des Führers der Feuerwehr, bei der sämtliche Feuerwehrleute (6 Mann) stillstanden. Im Anschluß wurde das Lied: “Wir fahren gen Engelland“ aufgesagt, da es niemand singen konnte. Wir bogen uns vor Lachen. Dann wurde getanzt, und den Abschluß bildete eine Tombola, bei der ein Kalb zu gewinnen war. Leider hatten wir dies Glück nicht. Aber ich sehe immer noch Fw. Koall, wie er dem Tier die Schnauze öffnete und eine halbe Flasche Sekt hineingoß. Der Nachhauseweg war ein Kapitel für sich. Jeweils 4 Unteroffiziere taten sich zu Gruppen zusammen und jeder wollte einen kürzeren und besseren Weg wissen. Der Schnee lag beachtlich hoch, so daß die letzten Kameraden erst nach einem Marsch von über 24 Stunden in der Kaserne eintrafen. Wir waren am besten dran, da wir der Chaussee entlang gingen. Allerdings mußten wir meinen Freund Protsch fast dauernd tragen, so blau war er.

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Zurück nach LESLAU Nach der Ausbildungszeit der Rekruten ging es per Achse zurück nach LESLAU. Wegen Kraftfahrermangels mußte ich wieder einspringen. An einem stürmischen Tag, an dem es heftig schneite, traten wir die Reise an. Da passierte mir mein erster Unfall, bei dem ich mit dem Lkw auf den meines Vordermannes rutschte. 2 Lamellen, die dabei kaputt gingen, wechselten wir selbst aus. Die Kompanie war inzwischen weitergefahren, ohne daß ich die Fahrtroute kannte. Nach vielen Irrfahrten mit Festfahren und Schippen kam ich aber mit zweitägiger Verspätung doch an. Weihnachtsurlaub 18. 12. 1940 - 05. 01. 1941 Ein paar Tage später fuhren wir alle in Weihnachtsurlaub: vom 18. 12. 1940 - 05. 01. 1941. Weihnachten daheim! Was gibt es Schöneres? 1941 Danach begann wieder der Dienst in der Kaserne. Aber bereits nach 6 Wochen konnte ich erneut in Erholungsurlaub fahren. Urlaub 15. 02. - 07. 03. 1941 Vier ganze Wochen, vom 25. 02. bis 16. 03. 1941, waren vorgesehen. Aber ein Telegramm rief mich am 07. 03. 41, einen Tag nach meinem Geburtstag, zur Truppe zurück. Nahe der neuen russisch-deutschen Grenze (Demarkationslinie) März - Juni 1941 Dort ging es gleich wieder ans Packen und Verladen. Dann fuhren wir eines Tages bis in die Gegend von OSTROW-MAZ. Dort werden wir in einem Waldlager untergebracht. Die Tage verbringen wir mit Wege ausbessern, Brückenbau und Gerätepflege. Aber darüber hinaus bleibt uns noch sehr viel Freizeit, die wir meistens mit Sonnenbädern ausfüllen. Es ist sehr hübsch im Lager. Als wir ankamen, standen nur offene Schuppen da. Aber bald haben wir es uns nicht nur wohnlich, sondern auch hübsch eingerichtet. Tische, Bänke, Geländer, Waschgelegenheiten usw. aus Birken zieren die Behausung. Bald sehen wir wie die Neger aus. Was wir hier sollen, wissen wir nicht, sondern ahnen es nur. Wenn auch von den Offizieren immer wieder betont wird, daß es keinen Krieg zwischen Rußland und uns geben wird, so deuten unsere Vorbereitungen doch darauf hin. Z.B. bessern wir Wege aus, bekommen Unterricht über russische Flugzeuge und Panzer usw. 67


Zum Bereitstellungsplatz 21. 06. 1941 Am 21. 06. 41 erfolgt dann ganz plötzlich unser Aufbruch und Abmarsch zum Bereitstellungsplatz. Noch will keiner an einen Krieg gegen die Sowjetunion denken! Unterricht durch den Kompaniechef: Wir sind der 4. Armee von Generalfeldmarschall Kluge unterstellt und bilden den äußersten linken Flügel. Neben uns ist nichts, d.h. unsere linke Flanke ist offen. Um 20 Uhr 30 verliest der Chef die Erklärung des Führers, also die Kriegserklärung gegen Rußland. Mit uns treten die Streitkräfte der verbündeten Nationen Rumäniens und Finnlands an. Die Stimmung unter den Soldaten ist gut, aber mir sagt eine Ahnung, daß es diesmal ein ganz anderer Krieg werden wird. Warten wir es ab. Morgen geht es also in meinen 3. Feldzug.

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Krieg gegen die Sowjetunion

Die Einheit 4. Armee:

23. Div.: PiBtl. 23: 3. Komp.(mot):

l. Zug: 3. Zug: 2. Zug: stv. Zugfhr.: l. Gruppe: stv. Grpfhr.: 1. MG-Schütze: 2. MG-Schütze: 3. MG-Schütze: Schütze: Schütze: Schütze:

Kluge [02.07.41: 4. Armee, 7. Armeekorps, 05.07.41: 2. A, 08.07.41: PzGr 2, 46. AK-Pz, 14. - 24.l0.41: 4. A, 9. AK, 01.02.42: 4. Pz-A, V. AK - General Wetzel] Generalmajor Hellmich Oberstlt. Bless Olt. Scheibe gefallen: 24.06.41 bei SURAZ [Nachfolger: Lt. Page, vorher Zugfhr. l. Zug] Spieß: Ofw. Inacker Lt. Page Nachfolger: Lt. Goetz gefallen: 13.10.41 vor WJASMA Lt. Senftleben Lt. Frhr. v. Rössing gefallen: 02.10.41 a. d. DESNA [Nachfolger: Ofw. Hohme, vorher stv. Zugfhr.] Ofw. Hohme [Nachfolger: Uffz. Harre, vorher Grpfhr. 1. Grp.] Uffz. Harre [Nachfolger: Uffz. Kaufmann] OGef. Hattenhauer [20. 08. 1941: Grpfhr. 4. Grp.] OGef. Uttecht Pion. Just verwundet: 24.06.41 bei SURAZ Pion. Krüger gefallen: 24.07.41 vor MOGILEW Pion. Lawnizak gefallen: 06.03.42 vor GSHATSK OGef. Pohle gefallen: 24.07.41 vor MOGILEW OGef. Adelsberger 69


Schütze: Schütze: Schütze: Fahrer: Beifahrer:

Pion. Becker Pion. Jordan Gef. Wahn OGef. Höcker Pion. Winkens

Spätere Zugänge: 10.08.1941 25.08.1941 25.08.1941 25.08.1941 23.09.1941 23.09.1941

Pion. Meier Pion. Wolk OGef. Grewatsch OGef. Zaruba Pion. Turn Uffz. Kaufmann

verwundet: gefallen:

05.03.42 vor GSHATSK 13.10.41 vor WJASMA

verwundet:

06.03.42 vor GSHATSK

gefallen: 06.03.42 vor GSHATSK verwundet: 06.03.42 vor GSHATSK Erfrierungen: 06.03.42 beide Hände

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Wir treten an 22. 06. 1941 Um Mitternacht fahren wir mit unserem Lkw weiter und bleiben 3 km vor der russischen Grenze [neue Demarkationslinie nach der Aufteilung Polens zwischen der Sowjetunion und Deutschland] in einem Wald liegen. 50 bis l00 m vor uns stehen 2l-cm-Mörser in Feuerstellung; rechts von uns einige schwere Eisenbahngeschütze. Demnach können wir uns auf etwas gefaßt machen, falls der Russe die Stellungen erkennen sollte! Punkt 3 Uhr 15 erfolgt ein Feuerschlag aus Hunderten von Rohren, der eine Stunde andauert. Es ist als wäre die Hölle los. In jeder Minute rechnen wir mit dem russischen Gegenschlag, aber wie durch ein Wunder antwortet die feindliche Artillerie nicht. Als Reserve bleiben wir bis Mittag an unserem Bereitstellungsplatz liegen, während die beiden anderen Kompanien unseres Bataillons den Infanterie- Regimentern 67 und 68 unterstellt sind. Allmählich bekommen wir auch Einzelheiten zu erfahren. Danach kämpft der Russe zäh und verbissen und vor allen Dingen mit gemeinen Listen. Die Überraschung ist aber auf der ganzen Linie geglückt. IR 67 hat zwar mit einem verbissenen Gegner zu tun, aber es dringt weiter vor. IR 68 dagegen marschiert mit Musik über die Grenze. Bereits um 8 Uhr morgens hat unsere 23. Division, der wir angehören, ihr Tageziel (15 km) erreicht. Die ersten Radionachrichten besagen, daß der Russe auf der ganzen Linie weiche. Deutsche Flugzeuge sind im rollenden Einsatz gen Osten, dagegen ist kein feindlicher Flieger zu sehen. Der Divisionskommandeur, Generalmajor Hellmich, gibt Befehl, weiter zu marschieren. Wir bleiben zwar Reserve, fahren aber 10 km vor bis WIESKIRZ. Auf der Fahrt kommen uns zahlreiche Gefangene (Kaukasier) entgegen. An einem allein stehenden Gehöft machen wir Halt und richten uns zur Nacht ein. Um sicher zu gehen, durchkämmen wir die riesigen Kornfelder und lernen dabei die Kampfesweise der Russen kennen. Ein Bolschewist, der im Kornfeld liegt, läßt uns bis auf 3 m herankommen und eröffnet dann das Feuer, wobei Pionier Müller neben mir am Kopf getroffen zusammensinkt. Aber mehr 71


Opfer fordert es Gott sei Dank nicht, denn schon ist der Russe von mehreren Schüssen erledigt. Während wir Feldposten aufstellen und uns zur Ruhe begeben, wird unser 3. Zug zur Bunkerbekämpfung nach vorn geholt.

Vorauskommando zum Fluß NAREW (siehe auch Polenfeldzug vom 14. 09. 1939) 23. 06. 1941 Um 3 Uhr ist die Nacht vorbei. Ein Schluck heißen Kaffees belebt uns, und schon geht es weiter bis DMOCLY. Hier hatte sich der Widerstand des Feindes versteift. Unsere Artillerie hat mächtig in dem Dorf gewirkt. Zu Haufen liegt das tote Vieh umher, und dazwischen brüllen die verwundeten Tiere. 10 km ist die Infanterie uns schon voraus, aber immer noch schießt der Russe aus den gut getarnten Bunkern. Infanterie bildet einen Stoßtrupp, um die Stellungen auszuheben. Wir geben Feuerschutz. Da zeigt sich eine weiße Fahne - sie wollen sich ergeben. Ein Unteroffizier geht zum Bunker, als er heran ist, öffnet sich die Tür, er wir herein gezogen und der Russe feuert weiter. Später finden wir den Bunker leer. Durch einen unterirdischen Gang sind sie entkommen, jedoch nicht ohne diesen vorher gesprengt zu haben. Mittags kommt der Chef von der Besprechung zurück und verkündet uns, daß wir Vorausabteilung geworden seien. Unser Auftrag ist es, 70 km bis zum Fluß NAREW vorzustoßen und dort die Brücke unversehrt in unsere Hand zu bekommen. Mit unserer Kompanie fahren 3 schwere Sturmgeschütze, 3 Kompanien Radfahrer und eine Pak-Abteilung sowie 4 bespannte Artilleriegeschütze. Unterwegs kleinere Gefechte mit verstreuten Russen, die aus den Kornfeldern schießen. Zum Teil kümmern wir uns gar nicht darum, denn wir müssen schnell an den Fluß NAREW kommen. In einem Dorf waren vor 10 Minuten noch die Kosaken. Jedes Haus wird durchsucht, aber es ist nichts weiter zu finden als zurückgelassene Bekleidungsstücke. Im Schutze der Dunkelheit schieben wir uns durch brennende Dörfer hindurch weiter an den Fluß heran. Um 24 Uhr liegen wir etwa 1 km davor und erhalten schweres Artilleriefeuer. Graben uns ein, und unser Zug übernimmt die Flankensicherung.

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24. 06. 1941 Im Morgengrauen beziehen wir eine verlassene Stellung auf einem Hügel und bleiben dort bis abends 19 Uhr als Flankensicherung. Der Russe hat uns erkannt und beharkt uns mit seiner Artillerie schwersten Kalibers. Inzwischen gehen Stoßtrupps unserer Kompanie auf einem 1 km langen Bahndamm, der unter schwerem Beschuß liegt, ins Dorf SURAZ vor. Durch dieses Dorf fließt der Fluß NAREW. Einigen gelingt es, über die durch Artillerietreffer beschädigte Brücke das jenseitige Ufer zu erreichen und dort Fuß zu fassen. Aber es ist ein schwieriges Unterfangen und kostet viele Opfer. Uns gegenüber liegen immerhin 3 Inf.Divisionen und 2 Panzerbrigaden, während wir nur eine kleine Vorausabteilung sind. Der Feind ist noch dazu sehr hartnäckig! Wir kommen nicht recht weiter. Der Vormarsch scheint ins Stocken zu kommen. Da sind plötzlich die Kameraden der Luft heran. Wir sind Zeugen eines imposanten Schauspiels: Ein Stuka-Angriff auf den vom Feind besetzten Teil des Dorfes. Mittags ist auch unsere motorisierte Artillerie da und eröffnet sofort das Feuer. Jetzt haben wir etwas Luft. Unser Aufklärer sucht die feindlichen Artilleriestellungen, aber die russischen Geschütze sind nicht zum Schweigen zu bringen. Panzerwarnung wird durchgegeben. Auch drüben schießen die Kameraden blaue Rauchbündelpatronen. Wird der Iwan jetzt mit seinen Panzern zum Gegenstoß ansetzen? Fast sieht es so aus, denn wir erhalten Befehl, die Stellung aufzugeben und nach vorn zu kommen. In der sengenden Sonne arbeiten wir uns in Abständen und sprungweise auf dem Bahndamm vor, umtobt von den berstenden Granaten, die in dem Sumpfgelände riesige Trichter reißen. An stöhnenden Verwundeten vorbei geht es voran. Im Dorf selbst knallt es aus allen Richtungen. Man weiß nicht, wo Freund oder Feind ist. Jedes zweite Haus ist in Flammen, und überall steht zurückgelassenes Kriegsmaterial der Russen umher: Sanitätswagen, Panzer, Lkw usw. usw. Ohne Verluste komme ich mit meiner Gruppe bis zur Brücke und melde mich beim Kompaniechef. Ich verteile meine Leute auf das freie Feld und warte auf weitere Befehle. Um uns herum ist ein einziges Heulen und Krachen. Viele Kameraden sind schon verwundet. Unsere Artillerie schießt zu kurz, dazu die feindliche Artillerie und Granatwerfer, die uns mit unverminderter Heftigkeit beharken. 5 Schritte neben mir haut plötzlich ein Ding ein. Ich werde zur Seite geschleudert und mit mir noch 2 Unteroffiziere. Aber wir bleiben unverletzt, 73


während mein Chef zusammenbricht und röchelnd da liegt. Splitter im Kopf, in der Brust und in den Beinen. Nach 3 Stunden ist er tot. Unser Auftrag ist es, eine Brücke zu schlagen. Schon kommt das Gerät nach vorn. Daß ein Brückenschlag in diesem Feuer unmöglich ist, wird jedoch rasch erkannt. Für heute werden wir 15 km weiter zurück in ein Dorf befohlen. Die Infanterie, die inzwischen nachgekommen ist, löst uns ab. Auf der Rückfahrt werden wir wieder aus den Kornfeldern beschossen. Beim Troß angekommen, hören wir, daß sie einen feindlichen Panzerangriff erfolgreich abgewehrt und dabei 2 Panzer vernichtet hätten. Ein russischer Offizier, der nicht in Gefangenschaft geraten wollte, hat sich selbst den Hals durchschnitten. Die Kompanie hatte heute 2 Tote und 10 Verwundete zu beklagen.

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Brückenbau über den Fluß NAREW 25. 06. 1941 Der Zugführer des l. Zuges, Olt. Page, ist Kompanieführer geworden. Wir liegen an der Straße und warten auf den Einsatzbefehl. Deutsche Panzer rollen an stehen gelassenen russischen Panzern und Kriegsmaterial nach vorn, jubelnd von uns begrüßt. Reinigen unsere Waffen und das Gerät. Der Nachschub rollt auch schon, denn ich erhalte 2 Päckchen mit Zigaretten. Um 14 Uhr werden wir nach vorn gezogen. Wir müssen wieder durch SURAZ, das unter heftigen Beschuß der Russen liegt. An der Brücke bleiben wir im Schutz einer Böschung liegen. Kaum daß man den Kopf hochheben kann, in solchen Maße hat sich das Artilleriefeuer verstärkt. Uffz. Greetz wird durch Splitter an der Hand verwundet. Abends um 19 Uhr kommt das Brückengerät und wir beginnen, 200 m von der alten Brücke entfernt, eine 8-to-Kriegsbrücke mit B-Gerät zu bauen. Der Russe stört unsere Arbeit durch Artilleriefeuer, trifft aber nicht. Die Infanterie hat am jenseitigen Ufer einen Brückenkopf gebildet. Verwundete kommen zurück und erzählen von schweren Verlusten auf unserer Seite und erbitterten Kämpfen. Nach dem Bau von 2 Pontonfähren mache ich mit meiner Gruppe Dienst an einer Furt und schleuse die Gefechtsfahrzeuge der Infanterie nach drüben. In SURAZ steht kein Stein mehr auf dem andern. Zivilpersonen, die diesem Inferno entronnen sind, kommen händeringend und klagend durch die Furt zu uns. Inzwischen sind auch unsere Fahrzeuge nach vorn gelangt. Nachts hört das Artilleriefeuer auf. Der Feind scheint sich zurückzuziehen.

Brückendienst 26. 06. 1941 Morgens um 4 Uhr ist unsere Brücke fertig. In ununterbrochener Folge nutzen die Fahrzeuge den neuen Übergang. Es geht wieder vorwärts. Die Infanterie gewinnt Boden. Bis Mittag mache ich mit meiner Gruppe Brückenwache, dann haben wir Freizeit. Waschen unsere Wäsche und baden in der NAREW. Von 20 bis 24 Uhr habe ich wieder Brückenwache. Noch immer rollt der Verkehr. Für den schnellen Brückenschlag erhalten wir von höchster Stelle Anerkennung. 76


27. 06. 1941 Von 8 bis 12 Uhr habe ich mit meiner Gruppe wieder Brückenwache. l00 m neben unserer Brückenstelle beginnt ein Baubataillon eine Behelfsbrücke zu errichten. Ich habe 1 Mann meiner Gruppe abgestellt, der für uns 2 Gänse kocht. Von dem Viehzeug gibt es hier genug und ist für uns eine willkommene Bereicherung der Verpflegung. Lt. Goetz hat den l. Zug übernommen. Er ist der richtige Mann: jung und draufgängerisch. Wenn ich dagegen an meinen Zugführer denke! Als Gefreiter in meiner Gruppe war er schon so unbeholfen, und jetzt ist er Leutnant und mein Zugführer. Es ist nur gut, daß Ofw. Hohme in Wirklichkeit den Zug führt. Um 18 Uhr fangen wir an, unsere Brücke abzubauen und sind damit gegen 21 Uhr 30 fertig. Am jenseitigen Ufer sehen wir uns die russischen Stellungen an, wo ein Toter neben dem anderen und auf dem anderen liegt. Fahrt bis vor BIALYSTOK (siehe auch Polenfeldzug vom 18. 09. 1939) 28. 06. 1941 3 Uhr Wecken. 4 Uhr Abfahrt über GROCHY bis kurz vor BIALYSTOK. Hier sind vor Tagen unsere Panzer durchgestoßen. Überall, wo das Auge hinschaut, entsetzliche Bilder. Rechts und links neben der Rollbahn stehen gelassene Autos, Panzer, Geschütze und Fahrzeuge aller Art. Dazwischen tote Russen, tote Pferde und niedergekämpfte Batterien. Eine unübersehbare Menge von Kriegsmaterial steht noch in den Wäldern umher. Auch die Wirkung unserer Flieger sieht man auf jedem Kilometer. Haargenau rechts und links neben der Straße sitzen die Einschläge der Bomben. Sie müssen bei dem Iwan eine große moralische Wirkung gehabt haben. An einem russischen Flugplatz machen wir kurzen Halt. 8 zerstörte russische Jäger und 48 vollkommen unversehrte zählen wir.

Abends erfahren wir, daß auch Ungarn auf unserer Seite kämpfen würde. Spanien, Portugal und Norwegen bildeten Freiwilligen-Legionen. Ein Gefangener, der recht gut Deutsch spricht, berichtet uns Einzelheiten über das Leben beim russischen Militär. Zur Verpflegung hätten sie in letzter Zeit fast nur getrockneten Fisch 77


bekommen. Als Löhnung habe es 6 Rubel gegeben, und Bier durften nur Soldaten trinken, die 4 Jahre dienten. Den Nachmittag verbringen wir schlafend in einem Waldstück. Gegen Abend besichtige ich eine in der Nähe liegende, neu erbaute Kaserne. Hier müssen die Russen fluchtartig das Weite gesucht haben. Die Kammern sind noch mit nagelneuen Ausrüstungsgegenständen gefüllt. Auf dem Kasernenhof stehen an die 50 nagelneue Panzerkampfwagen aufgebockt. Das Kasernentor versperrt ein riesiger 72-to-Panzer mit 15-cm-Kanone. Einige Landser haben den Koloss schon in Gang gesetzt.

Schwere Kämpfe haben hier stattgefunden. Zahlreiche schlichte Birkenkreuze an den Straßenrändern zeugen von dem Heldentod unserer Soldaten. Von einer Kompanie Radfahrer sind hier z.B. nur 55 Mann zurückgekommen. Auch ein Massengrab für 30 Mann befindet sich hier. 4 km vor uns liegt BIALYSTOK. Der Vormarsch geht weiter 29. 06. 1941 Heute ist ein Sonntag. Bleiben bis abends in Ruhe liegen. Begierig wird jede Sondermeldung vom Funkwagen aufgenommen. Man spricht von 1800 vernichteten Flugzeugen des Feindes am l. Tag. Um 18 Uhr 30 brechen wir auf und fahren über BIALYSTOK, GRODEK bis nach LESZCANA. Auf der Hauptrückzugstraße der Russen geht es weiter voran. Wiederum sehen wir ein tolles Durcheinander und grauenhafte Bilder. Auf einer Strecke von 20 km stehen Geschütze, Fahrzeuge, Panzer usw. dicht an dicht hintereinander oder auch zu mehreren nebeneinander. Eine unbeschreibliche Beute allein an Rohstoffen. Die Organisation Todt ist schon mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt. Kolonnen von Gefangenen ziehen nach rückwärts. Wir gelangen gegen 22 Uhr an unseren Bestimmungsort. Unser Zug hat Feldwachdienst und muß außerdem noch 150 Gefangene bewachen. Der Kreis um die 2 eingeschlossenen russischen Armeen wird immer enger gezogen. Unsere Division ist daher etwas abgedrückt worden und liegt nun weiter zurück.

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30. 06. 1941 Wie ein Toter habe ich bis 9 Uhr 30 geschlafen. Nicht einmal das MG-Feuer unserer Posten habe ich in der Nacht gehört. Sonst ist nichts weiter los. Die Russen kommen von selbst aus den Wäldern und ergeben sich. Um 14 Uhr fahren wir ca. 12 km weiter bis nach KRUSZYNIONY [KRUSZYNIANY], wo bereits unser Bataillon liegt. Dort angekommen, durchkämmen wir die Kornfelder. Die eingeschlossenen russischen Armeen werden immer mehr zusammengedrängt. Falls sie bis morgen nicht kapitulieren, sollen sie zusammengehämmert werden. 79


An unserer Feldküche herrscht Hochbetrieb. 2 Färsen und ein Schwein werden geschlachtet. 01. 07. 1941 Frühmorgens Weiterfahrt über MOSZNY nach DRZEWIATKOWCE. Gehen dort zur Ruhe über. Verbringen die Zeit mit Wäsche waschen und Skat spielen. Unser Rechnungsführer zahlt Geld aus: für 10 Tage l4.-RM. Aber was soll man damit anfangen? Es gibt hier nichts zu kaufen. Abends ist auf der Dorfstraße ein Leben wie im Manöver. Vor den Häusern sitzen wir in kleinen Gruppen und singen und musizieren. 02. 07. 1941 Gerätepflege. Erfahren, daß die eingeschlossenen russischen Armeen vernichtet seien. Unser 7. Armeekorps setzt deshalb gegen Abend den Vormarsch fort. Mit unserer Division marschieren die 7. und die 268. [4. Armee, 20. AK]. Wir fahren bis WOLKOWYSK [VAUKAVYSK]. Hier haben die Stuka-Bomben ihre Arbeit geleistet. Der Ort ist total abgebrannt. Ab und zu schwelt und glimmt es noch in der Asche, ansonsten ist das Städtchen wie ausgestorben. Man sieht keinen einzigen Menschen.

03. 07. 1941 Fahren um 4 Uhr weiter bis nach ZELWA [ZELVA]. Auch diese Stadt ist ein Trümmerhaufen. Allerdings sind hier die Menschen schon wieder damit beschäftigt, aus den Trümmern alles Gebrauchsfähige herauszuzerren. Wir bessern eine Brücke aus und fahren weiter bis nach SLONIM. Auch SLONIM liegt zum größten Teil in Schutt und Asche. Es wimmelt hier von deutschen Truppen. In dem riesigen Gefangenenlager fallen besonders die russischen Flintenweiber ins Auge. Schlafen die Nacht auf unserem Lkw. 04. 07. 1941 Fahren 15 km weiter und rasten in SAKOWICZE-DEREWNA. Ein Wolkenbruch verwandelt die Wege in Schlamm und Morast. Bleiben in Ruhe liegen, da bereits 3 Divisionen vor uns sind. 05. 07. 1941 Der Kompanie-Chef hält Unterricht über die allgemeine Lage. Demnach gehören wir jetzt zur 2. Armee. Die Küche schlachtet ein Schwein, das 10 Zigaretten und einen Gutschein gekostet hat, der die Worte trug: “Der liebe Gott bezahlt!“ Um 20 Uhr fahren wir 60 km weiter bis HORODYSZOZE. Dort ziehen wir auf Ortssicherung. 80


06. 07. 1941 Meine Männer organisieren Speck und Schmalz. Dann werden den ganzen Vormittag Kartoffelpuffer gebacken. Sehe mir nachmittags die Stadt an, die typisch russischen Charakter hat. Hier befindet sich auch ein Soldatenfriedhof von 1916, auf dem deutsche und ungarische Kameraden gebettet sind. Baue mit meiner Gruppe einen Knüppeldamm über eine unpassierbare Wegstrecke. Abends geht es weiter über MIR nach WIELKIE-SCOLO. MIR ist vollkommen abgebrannt. Wo man hinsieht nur Ruinen. Auf freiem Feld machen wir Quartier.

07. 07. 1941 Immer mehr motorisierte Truppen sammeln sich hier. Wasser gibt es nicht. Treffe einen alten Kameraden vom Ruderklub Plaue, und zwar den Apotheker Zarnack. Große Freude. Mein stellvertretender Gruppenführer hat Wodka besorgt und so feiern wir ein wenig. Abends fahren wir 30 km weiter. Über STOLPCE [STOUBCY] gelangen wir nach SLABODA [SLABADA], hier ist bereits ein Feldflugplatz von uns errichtet worden. Es herrscht rege Flugtätigkeit. Wir sind also ziemlich weit von der Front entfernt. Die alte russische Grenze ist erreicht 08. 07. 1941 Um 1 Uhr nachts treffen wir in SLABODA [SLABADA] ein. Adelsberger macht noch in der Nacht einen Streifzug durch das Dorf und kommt mit 5 Hühnern zurück. Der Chef erklärt uns, daß wir jetzt dem 46. Armeekorps (Panzer) innerhalb der 4. Armee zugeteilt seien. Wir unterstehen nunmehr dem Regimentsstab der Gruppe Thieme-Gehrmann. Um 17 Uhr Abfahrt über STOLPCE, KOJDANO nach MINSK (100 km). Haben um 19 Uhr die alte russische Grenze passiert. MINSK brennt noch an allen Ecken und Enden. Viele Flüchtlinge strömen zurück in die Stadt. Unterwegs begegnen uns ständig russische Soldaten, die sich nach hinten begeben. Niemand kümmert sich um sie, kein einziger deutscher Posten ist dabei. Am Fluß BERESINA [BJAREZINA] 09. 07. 1941 Um 6 Uhr morgens fahren wir weiter über TSCHERWIN [CERVEN] nach BERESINO [BERAZINO]. Machen Bekanntschaft mit den russischen Straßen. Eine dortige Hauptver81


kehrsstraße entspricht bei uns einer Landstraße. Am Straßenrand ein abgeschossenes 4motoriges russisches Flugzeug, das noch glimmt. Ausgebrannte deutsche Panzer zeugen von der Schwere des Kampfes um diesen Ort. Hier haben die Russen einen Teil unserer Truppen über die BERESINA gelassen und dann die Brücke gesprengt. Andere Pioniere erbauten hier eine Pontonbrücke. Wir übernehmen die Brückenwache und bilden einen kleinen Brückenkopf. Stoßen dabei auf ein russisches Minenfeld, welches von uns abgegrenzt wird. Die Russen kommen kompanieweise an und begeben sich in unsere Hände.

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10. 07. 1941 Bis 2 Uhr hat unser Zug Wache, dann löst uns der 2. Zug ab. Um 8 Uhr sind wir wieder dran. Es herrscht lebhafter Betrieb. Truppen über Truppen fahren weiter nach Rußland hinein, während sich entgegengesetzt große Mengen an Zivilbevölkerung bewegen. Im Fluß schwimmen die Leichen der Soldaten. Werden dann von anderen Pionieren abgelöst. Baden und waschen Wäsche. Die Kompanie hat 2 Fässer Bier besorgt, die ich abends ausschenke. Um 17 Uhr geht die Fahrt weiter über POGOST [PAHOST], MOSCHTSCHANIZA [MASCANICA] nach GOLOWSCHIN [HALOUCYN]. Das waren ca. 90 km. Vorn scheint sich etwas anzubahnen, denn viel Artillerie und eine große Anzahl schwerer Mörser fahren an uns vorbei und vor allen Dingen Pioniere und nochmals Pioniere. Wo aber Pioniere gebraucht werden, da ist etwas los! Der Zugtrupp des 3. Zuges nimmt Minen auf. Zum ersten Mal sehen wir russische Minen und sind über die Einfachheit der Zünder erstaunt. Was haben wir dagegen für komplizierte Apparate. Am Fluß DNJEPR [DNJAPRO] 11. 07. 1941 Sind die ganze Nacht hindurch gefahren und kommen morgens um 2 Uhr 30 in GOLOSCHWIN [HALOUCYN] an. Bauen uns Fliegerdeckungsgräben. 25 km vor uns liegt der DNJEPR, über den um 5 Uhr 30 ein Großangriff gestartet wird. Es geht zügig voran, und wir werden um 7 Uhr nachgezogen. Bauen unterwegs eine Behelfsbrücke. Plötzlich russische Flieger über uns. Wie der Blitz waren sie da und beharken uns mit ihren MG und Bordwaffen. Es grenzt an ein Wunder, daß niemand verletzt wird. Dann kommen die Bomber, und wir beobachten, wie 4 Flugzeuge von unserer Flak abgeschossen werden. Der Russe hat sich kurz, aber heftig gewehrt. Sanitätsautos mit Verwundeten rollen nach hinten. PiBtl. 43 (die brandenburgischen Pioniere), die unsere erste Welle mit Floßsäcken übersetzte, hat schwer bluten müssen. Als wir um 20 Uhr an den DNJEPR herankommen, ist PiBtl. 85 gerade mit dem Bau der Pontonbrücke fertig. Wir übernehmen die Brückenwache. Vorn scheint der Vormarsch etwas zu stocken. Wir hören den Donner des Artillerieduells. Nordostwärts von uns liegt SMOLENSK.

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12. 07. 1941 Werden um Mitternacht abgelöst und können bis 5 Uhr ruhen. Dann bessern wir die An- und Abfahrtswege zur Brücke aus. Pausenlos rollt der Verkehr über den Fluß. Die schweren Panzer machen uns immer wieder Arbeit. Inzwischen hat der Iwan unsere Brückenstelle ausfindig gemacht und schickt seine Flieger. Doch die niederprasselnden Bomben fallen ins Wasser, ohne die Brücke zu beschädigen. Dazwischen ballert unsere Flak, verdrängt und verjagt sie. Am jenseitigen Ufer lagern die gefangenen Russen zu Tausenden. Als ich mir davon 20 Mann zum Arbeiten holen will, treffe ich Kurt Panknin aus Ketzin, der die Gefangenen bewacht. Eine freudige Begrüßung, schnell rauchen wir gemeinsam eine Zigarette, dann gehe ich mit den 20 Mann los. 13. 07. 1941 Obgleich der DNJEPR-Brückenkopf laufend verstärkt wird, haben sie vorn alle Hände voll zu tun, ihn gegen die wütenden Angriffe der Russen zu halten. Der DNJEPR, diese natürliche Verteidigungslinie, bedeutet für den Iwan viel, und darum wirft er immer wieder neue Truppen in die Schlacht, um den Brückenkopf einzudrücken. Bis Mittag bessern wir Wege aus. Dann werden wir mit anderen Pionieren zu einem Sperrverband zusammengestellt. Sollen vorn Minen verlegen, um unsere Infanterie zu entlasten. Erhalten den Auftrag, die Vormarschstraße gegen einen Flankenangriff zu sichern. Dort erreicht uns um 23 Uhr der Befehl, die Stellungen zu räumen, da der Russe durchgebrochen sei. 14. 07. 1941 Auf Umwegen fahren wir bis BELY, einem zerschossenen, weit auseinander gezogenen Dorf, umrankt von wogenden Kornfeldern. Hier sichert bereits auf einer kleinen Anhöhe “GROSSDEUTSCHLAND“ [ein Infanterieregiment; siehe Anlage] gegen den Wald. Befinden uns nun in vorderster Linie und sollen GROSS-DEUTSCHLAND [GD] verstärken. Es hatte bei dem Durchbruch der Russen viele Ausfälle. Beim Gegenangriff wurde der Iwan wieder zurückgeworfen und ihm beträchtliche Verluste zugefügt. Die Toten liegen wie gesät. Beziehen unsere Stellungen. Wir müssen den Regimentsstab sichern. Dabei geraten wir in das schönste russische Artilleriefeuer. Einige von uns werden verwundet. An der linken Flanke kriechen wir schließlich in unsere Löcher, die wir uns allerdings erst buddeln müssen. 15. 07. 1941 Eine schlaflose Nacht, in der jeder gespannt in die Dunkelheit starrt. Ab und zu ein paar Schüsse oder eine MG-Salve, sonst passiert nichts. Muß mit meiner Gruppe einen Spähtrupp zu einem Waldgelände unternehmen.

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Eine Straße führt auf den Wald zu, links und rechts des Weges mannshohe Getreidefelder. Schicke einen Mann zur Sicherung nach links, einen nach rechts, während ich mit meiner Gruppe in Schützenreihe im Straßengraben vorgehe. In den Feldern finden wir 2 verwundete Russen, die nun schon 48 Stunden dort liegen. Ich schicke sie mit einem Mann zurück. Aus einem Bunker holen wir noch 2 Russen heraus. Sie werden hoffentlich einiges über den Gegner aussagen. Bis auf 200 m sind wir an den Wald heran. Auf einer kleinen Erhöhung lege ich mein MG in Stellung und pirsche mit Malke auf den Wald zu. Es geht gut. Dringen weiter vor, finden aber nichts außer einer großen Kiste mit russischen Zigaretten. Wir nehmen sie mit und ziehen uns sorglos zurück. Unser Auftrag ist erfüllt. Wir haben festgestellt, daß der Waldrand feindfrei ist. Auf dem Rückweg untersuchen wir noch ein allein stehendes Gehöft und finden als Beute 50 Eier. Gehen dann wieder in unsere Stellungen. An Schlaf ist nicht zu denken. Man rechnet mit einem russischen Panzerangriff, daher erhöhte Alarmbereitschaft. Wir haben lediglich ein paar geballte Ladungen bei uns, und ferner stehen nur 2 Pak-Geschütze zur Abwehr bereit. Gott sei Dank bleibt der Angriff aus. 16. 07. 1941 Spähtrupptätigkeit. Karl Badouzek geht mit seiner Gruppe denselben Weg wie ich gestern. Wird von einem feindlichen Funktrupp, der sich in der Nacht im Kornfeld eingenistet hat, angeschossen. Feuergeplänkel. Ein Russe wird erschossen. Karl kommt ohne Verluste zurück. Rechts von uns knallt es lebhafter. Aus dem Waldstück dort kommen Russen und ergeben sich. GD macht wenig Federlesens und erschießt viele. Sie sind noch zu verbittert, haben sie doch bei der Rückeroberung ihrer Stellungen viele Kameraden gefunden, die vom Gegner grausam verstümmelt worden waren. Die Gefangenen müssen die umher liegenden, einen tollen Gestank verbreitenden, Leichen und das tote Vieh vergraben. Der Kompanie-Chef hat Minen angefordert, und wir verlegen dieselben im Schutze der Nacht. 17. 07. 1941 Ich habe Mühe, die Leute in der Nacht wach zu halten und bin selbst zum Umfallen müde. Versteckt wird eine Zigarette nach der anderen geraucht, um den Schlaf zu bezwingen. Auch diese Nacht verlief ohne Ereignisse. Am Tage erhalten wir endlich die verdiente Ruhe und können abwechselnd schlafen.

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Aus einem hinter uns liegenden zerschossenen Haus holen einige Landser, die Kartoffeln suchten, einen russischen Leutnant. Über 3 Tage hat er dort inmitten von 4 toten Russen gehaust. Sogar eine Pistole hat er noch bei sich. Er wird erschossen. Warum? Frage ich mich! Überläufer sagen aus, daß vor uns im Wald eine russische Armee, 30 km in der Tiefe gestaffelt, in Bereitstellung liege. Die Russen benutzen ihre eigenen Landsleute, vorwiegend Bauern, zum Schleppen von Munition. Wer sich weigert, wird erschossen. In der Mittagszeit plötzlich ein wüstes Geschrei, und in unübersehbaren Haufen kommen die Russen aus dem Wald gestürmt. Ein wahnwitziger Angriff ohne Artillerievorbereitung, am hellen Tag. Nur die Überraschung konnte ihnen den Erfolg bringen. So aber werden sie von unseren MG und sMG wie die Fliegen niedergemäht. Innerhalb weniger Minuten ist alles vorbei. Wer nicht tot oder verwundet am Boden liegt, sucht sein Heil in der Flucht oder erhebt die Hände. Wir sind gewarnt und rechnen in der Nacht mit weiteren Angriffen. Wahrscheinlich war dies nur ein Scheinangriff, um die Stärke unserer Stellungen zu erkunden. Wieder erhöhte Alarmbereitschaft. Eine stockdunkle Nacht. Mit fiebrigen Augen starren wir zum Feind. Der Brückenkopf am Fluß DNJEPR muß aufgegeben werden 18. 07. 1941 Nehmen um 3 Uhr unsere T-Minen wieder auf und begeben uns im Morgengrauen nach rückwärts zur Kompanie. Diese hat in einem Dorf Quartier bezogen. Aber jetzt ist keine Zeit mehr zum Waschen und Rasieren. Wir müssen weg hier. Nicht nur die Stellung, sondern der gesamte Brückenkopf soll aufgegeben werden. Sämtliche Truppen müssen sich über den DNJEPR zurückziehen. War alles vergeblich gewesen?

19. 07. 1941 Angeblich will man den Russen in eine Falle locken. Wenigstens gibt man uns diese Erklärung für den Rückzug. Eine Sondermeldung im Radio besagt, daß Smolensk gefallen sei und man dort ein Frauenbataillon gefangen habe. In einer Papierfabrik in SCHKLOW [SKLOU] beziehen wir Quartier und waschen und rasieren uns mal wieder. Es ist ein kalter, windiger Tag, und in der Nacht kommt Regen. Wir schlafen nach den Strapazen der Vortage wie die Murmeltiere. 86


20. 07. 1941 Ein Melder beordert uns zurück zur Division. 70 km südwestlich geht die Fahrt bis vor MOGILEW [MAHILEU]. Hier nimmt die Division Bereitstellung ein. Es gibt Löhnung: 33.-RM. Da man hier mit dem Geld nichts anfangen kann, schicke ich l20.-RM nach Hause. Plötzlich startet von unserer Seite ein Angriff. 3 Divisionen greifen auf breiter Front an, darunter auch unsere Division. Meine Kompanie ist Bataillonsreserve, während die 1. und 2. Kompanie die Infanterie mit Floßsäcken über einen Fluß setzt. Der plötzliche Angriff ist darin begründet, daß der Russe südlich von uns mit 3 Divisionen bis zur BERESINA durchgebrochen ist. Nun will man wieder einen Kessel schließen. Der Angriff gewinnt gut an Boden, und so können wir gegen Abend Stellungswechsel 20 km nach Südosten machen. Dabei geht die Fahrt 5 km durch dichten Urwald. An die Kraftfahrer sind unheimliche Anforderungen gestellt. Mein Lkw bahnt den Weg. Gegen Mitternacht geht die Kompanie zur Ruhe über. Sichere mit meiner Gruppe die ruhende Truppe.

Dnjepr

Erneuter Angriff über den Fluß DNJEPR 21. 07. 1941 Morgens 5 Uhr fahren wir zum neuen Bereitstellungsplatz am DNJEPR. Rege Artillerietätigkeit. Kommen nicht weiter. Hier haben wir Teile der Armee des Generals Budjenny in einem Kessel vor uns, die verzweifelt versuchen auszubrechen. Löhnung, Post und Nachersatz aus der Heimat treffen ein. Abends rücken wir bis an den DNJEPR vor. Hier leistet der Feind zähen Widerstand. IR 9 ist zwar schon drüben, aber IR 67 und IR 68, die beiden anderen Regimenter unserer Division liegen fest (IR 9: Potsdam, IR 67: Spandau, IR 68: Brandenburg). Ein Stoßtrupp, der in MOGILEW eingedrungen ist, wird dort eingeschlossen. Brückenschlag über den Fluß DNJEPR 22. 07. 1941 Beginnen nachts um 1 Uhr mit dem Abladen des Brückengeräts, das im Schutze der Dunkelheit an den Fluß herangezogen wird. Im Morgengrauen fangen wir mit dem Brückenschlag (ca. 60 m) an. Da die Ufer diesseits und jenseits sehr steil sind, haben wir außerordentlich 87


schlechte An- und Abfahrtswege. Der Kampf um MOGILEW ist auf seinem Höhepunkt. Beiderseits hämmern die MG pausenlos, dazwischen krachen und bersten die Granaten der Artillerie. Viele Verwundete kommen zurück. Ein Infanteriegeschütz ist auf eine Mine gefahren. “Pioniere nach vorn!“, hallt da der Ruf. Wir nehmen 15 russische Minen auf. Man läßt Fesselballons aufsteigen, um wichtige Ziele in der Stadt besser bekämpfen zu können. Ziehen uns dann in den Wald zurück zur Ruhe. Ich schlachte für meine Gruppe ein Schwein. Abends müssen wir wieder nach vorn, wo wir uns für die Sicherung der Brücke einrichten.

Spähtrupp am jenseitigen Ufer 23. 07. 1941 Um 10 Uhr werden wir abgelöst. Mittags überschreiten wir den DNJEPR und lösen eine Radfahrerschwadron in ihrer Stellung ab. Ich erhalte den Auftrag, mit meiner Gruppe einen Spähtrupp in das vor uns liegende Dorf zu gehen. Durch Sumpf, Morast und alte Torfstiche pirschen wir uns an den Dorfeingang heran. Dann baue ich mein MG so auf, daß es die Dorfstraße bestreichen kann und uns vor unliebsamen Überraschungen bewahrt. Durchsuchen jedes Haus. Als wir am Dorfausgang ankommen, haben wir 7 Gefangene gemacht. Sie sind des Kampfes müde. 1 Mann genügt, sie zu bewachen, während ich mit der Gruppe weiter vordringe. An einem Berghang ziehen sich die russischen Stellungen hin, die jetzt verlassen daliegen. Trotzdem holen wir noch 2 Russen aus einem Unterstand heraus. Auf den Feldern findet man überall Kästen mit Munition, die von den russischen Fliegern abgeworfen worden sind. Ein Fallschirm wird mitgenommen. Dann untersuchen wir noch eine vollkommen zerstörte Funkstation, bei der aber nichts mehr aufzuspüren ist. Bei der Kompanie angekommen, erstatte ich Bericht. Mit 2 Mann und Sprengmunition bewaffnet, unternehme ich denselben Weg noch einmal. Sprengen 3 Pak und 6 sMG und vergraben die zusammengetragene Munition. Kein Zivilist ist zu sehen. 2 russische Soldaten kommen uns aber entgegen und ergeben sich. Inzwischen ist auch Fw. Hohme mit 30 Gefangenen von seinem Spähtrupp zurückgekehrt. MOGILEW ist so gut wie genommen 24. 07. 1941 Die Nacht verbringen wir in unsren Deckungslöchern am Waldrand. Vor Mücken kann man kein Auge zu machen. Um 3 Uhr rückt unser Zug ins Dorf ein. Diesmal sammeln wir 33 Gefangene. Untersuchen nochmals Häuser und Stallungen gründlich, erbeuten aber nur noch Eier. Werden mittags abgelöst und rücken nachmittags bis vor MOGILEW. 88


Ausgerüstet mit Minensuchapparaten, nehmen wir Minen auf. Ohne mein Wissen schickt inzwischen der Zugführer 2 Mann meiner Gruppe zum Minenentschärfen zu einem Minenstapel (etwa 100 Stück), der von Infanterie-Pionieren errichtet wurde. Meine Leute haben die Hälfte entschärft, als das Unglück passiert und der ganze Stapel in die Luft fliegt. 2 meiner besten Männer, der Ogefr. Pohle und der Pion. Krüger werden zerrissen. Im Umkreis von bis zu 50m liegen die Gliedmaße umher. Wir sammeln die Teile in einer Zeltbahn und bestatten die beiden gemeinsam. An der Straße nach MOGILEW liegt ihr Soldatengrab, geschmückt mit einigen Feldblumen und einem schlichten Holzkreuz aus Birke. Deprimiert kehrt unser Zug zur Kompanie zurück. Es ist schon 20 Uhr, trotzdem nehmen wir erst ein erfrischendes Bad. MOGILEW ist so gut wie genommen. Die Verluste unserer Division betragen 80 Offiziere und 1200 Mann. Es wäre mit weniger Opfern gelungen, die Stadt (130.000 Einwohner) einzunehmen, aber man wollte sie, wegen der darin befindlichen Lager, Magazine und Fabriken, schonen. Ungestört können wir schlafen. Vorauskolonne und Brückenbau 25. 07. 1941 In der Nacht wird unsere Division abgelöst, und um 3 Uhr starten unsere Fahrzeuge zusammen mit den Panzerjägern als Vorauskolonne zu neuen Taten. Vorbei an zerschossenen russischen Fahrzeugen und Geschützen geht die Fahrt südlich der Stadt weiter. Gelangen um 17 Uhr an ein Dorf. Durch die Sprengung der Holzbrücke ist die Zufahrt gesperrt. Die Kompanie beginnt sofort eine Behelfsbrücke zu bauen, während ich mit meiner Gruppe die Arbeiten sichere. Um 19 Uhr ist die Brücke fertig, und die Fahrt geht weiter durch das Dorf in ein Kusselgelände. Wir schlagen unsere Zelte auf. Die Feldküche gibt warmes Abendbrot aus. Gestern wurden 4 Schweine geschlachtet.

Unsere Henschel pendeln dauernd, um unsere Infanterie nach vorn zu holen. Einzelne Kompanien haben beim Kampf um MOGILEW besonders schwer gelitten. So kehrten von einer Kompanie z.B. nur 32 Mann zurück. Übernehme mit meiner Gruppe bis 1 Uhr die Brückenwache.

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26. 07. 1941 5 Uhr Wecken. Fahre mit meiner Gruppe einige Kilometer ostwärts und bessere eine Kurzbrücke aus.

Die Lage ist folgende: Der Gegner zieht sich geordnet zurück. Wie stark seine vor uns liegende Vorhut ist, weiß man nicht. Links von uns befindet sich die 7. Division [4. Armee, 7. AK]. Rechts schließt die 78. Infanterie-Division [4. A, 13. AK] an. Es ist ein fürchterlich heißer Tag. Ich habe derart Durchfall, daß ich die Hose gar nicht hochzuziehen wage. Dazu kommen starke Magenschmerzen. Unser Zug baut eine Brücke. Um 19 Uhr zurück bei der Kompanie. Zur Verpflegung gibt es heute eine Tafel Schokolade für 3 Mann. 90


Begegne Herbert Haak aus Ketzin. Rege Artillerietätigkeit unsererseits, schwach antwortet der Iwan. Unser Zug tritt wieder zur Vorausabteilung. Fahren 10 km und gehen um 23 Uhr auf freiem Feld zur Ruhe über. Erfahren, daß MOGILEW fest in unserer Hand sei. Man habe dort Vorräte gefunden, die für 2 Armeen 1/2 Jahr reichen würden. In MITISLAWL [MSCISLALJ] 27. 07. 1941 Die Kompanie baut eine Behelfsbrücke. Hier hat gestern eine Pak-Kompanie von uns 50 russische Lkw, die sich verfahren haben müssen, zusammengeschossen. Während wir beim Arbeiten sind, kommen 4 Lkw mit weißer Fahne auf uns zu. Diese sind gestern entkommen, fanden dann aber offenbar keinen Anschluß an ihre Truppe. Die Hälfte der Kompanie leidet unter Magenschmerzen. Als Vorauskolonne unserer Division fahren wir 70 km ohne Feindberührung bis MITISLAWL. Hier sind vor uns GD, SS-Verbände und General Guderian mit seinen Panzern durchgestoßen. In einer Schlucht bei einer allein stehenden Wassermühle beziehen wir Quartier. Den ganzen Tag ohne Verpflegung. Schlachten 1 Schwein und braten und kochen. Um 24 Uhr in der Nacht kommt schließlich unsere Küche an. 28. 07. 1941 Welche Wohltat war es, bis 8 Uhr schlafen zu können. Baden, Wäsche wechseln, waschen, Wagen aufräumen und Gerätepflege. Der 2. und 3. Zug fahren nach oberstrom und sichern dort eine andere Brücke. Flugaufklärung hat ergeben, daß starke feindliche Kräfte von Südwesten (DNJEPR) im Anmarsch sind. Wir bleiben bei der von uns erbauten Brücke und richten es uns wie im Frieden ein. Pausenlos rollen unsere Truppen vorwärts. Adelsberger sitzt schon seit 6 Uhr am Feuer und brät Koteletten und Leber und läßt Schmalz aus. Am späten Nachmittag erscheinen ganz plötzlich 3 russische Tiefflieger und feuern aus allen Rohren. Ehe unsere Fliegerabwehr-MG zum Schuß kommen, sind sie längst verschwunden. Die auf der Straße befindlichen Truppen haben dabei beträchtliche Verluste erlitten. Pferde schlagen um sich und drohen alles ins Chaos zu stürzen. Dann ein herrlicher, ruhiger Abend. Einer spielt Ziehharmonika. Wir rauchen und jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach. Welch schöne Erinnerungen, und wie dunkel liegt die Zukunft vor uns.

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In PARODINA [PARADZINA] 29. 07. 1941 Liege mit Durchfall im Zelt. Fahren mittags 10 km nach Osten bis PARODINA, wo wir unsere 1. und 2. Kompanie bereits vorfinden. Beginnen mit dem Bau einer etwa 25 m langen 20-to-Behelfsbrücke. Eine Baukompanie unterstützt uns. Sie legt vor die Anfahrt einen Knüppeldamm. Abends überrascht uns ein Feuerüberfall der Russen mit Pak und Flak, der aber keinen Schaden anrichtet. Ein russischer Flieger wirft Bomben wahllos in die Gegend. Um 22 Uhr machen wir Feierabend. Ich habe den ganzen Tag nichts essen können. Mir ist hundselend, und ich bin schlapp zum Umfallen. 30. 07. 1941 Habe noch immer Durchfall. Gehe aber trotzdem mit zur Brückenstelle, wo wir morgens um 3 Uhr unsere Arbeiten fortsetzen. Im Laufe des Vormittags kommt der BtlKdr. Oberstlt. Bless, um sich vom Stand der Dinge ein Bild zu machen. Fw. Hohme und ich werden zu ihm gerufen, dann heftet er uns beiden das EKII an die Brust. Mittags um 12 Uhr ist die Brücke fertig. Es gibt Post. Mein Kraftfahrer und der Beifahrer haben inzwischen mit Handgranaten im Fluß Fische gefangen und sind nun dabei, sie zu braten. Dazu gibt es Kartoffelpuffer. Baden im Fluß. Ruhe. Wegeerkundung 31. 07. 1941 In der Nacht hat der Russe die Gegend mit seiner Artillerie abgestreut. Er sucht die Brücke und unsere Bereitstellungsplätze. Ich habe während des Schlafs von dem Getöse nichts gehört. 6 Uhr Wecken. 7 Uhr 30 bis 9 Uhr 30 Gewehre reinigen und Sachen instand setzen. Mit einem Beiwagen-Krad muß ich eine Wegeerkundung bis zur vordersten Linie durchführen.

Es knallt uns dabei ganz schön um die Ohren, aber wir haben Glück. Als ich zurückkomme, bringt meine Gruppe gerade das Gerät in Ordnung. Nachmittags Ruhe. Ich schreibe an die Angehörigen eines gefallenen Kameraden, die mich um nähere Auskünfte gebeten hatten. Fühle mich wieder gesund. Geldempfang. Habe schon wieder l25.-RM gespart. Zur Bereicherung des Abendbrots bringt Adelsberger Rettiche. 92


Vorstoß nach ROSSLAWL [ROSLAVL] 01. 08. 1941 Es tut sich etwas. Wir greifen an. 2 Divisionen von Norden und 1 Division von Süden. Unsere Division steht an der Spitze, rechts IR 68, links JR 67. Wir sind IR 9 unterstellt. Der Auftrag lautet bis ROSSLAWL vorzustoßen. Diesen wichtigen Straßenknotenpunkt hat sich Guderian für weitere Operationen ausgesucht. Morgens um 3 Uhr fangen schon die Artillerieduelle aller Kaliber an. Bomber, Jäger und Aufklärer sind über uns. Wir fühlen uns jedoch in unserer Schlucht ziemlich sicher und braten unsere Kartoffeln ruhig weiter. Beim Holzhacken verletze ich mir einen Finger beträchtlich. 10 Uhr Abfahrt. Nach 40 km treffen wir auf unsere Panzerjäger. Eine tolle Fahrt durch die Wälder haben wir hinter uns, da die Straßen verstopft waren. Werden sogar von eigenen Fliegern angegriffen: 2 Bomben vernichten 4 Gespanne und verursachen 10 Tote und mehrere Verwundete. Fahren dann mit ausgebreiteter Hakenkreuzflagge auf dem Kühler weiter. Um das vor uns liegende Dorf wird noch gekämpft. Gegen 16 Uhr ist es feindfrei, und wir werden vorgezogen. Beginnen mit dem Bau einer Behelfsbrücke über eine Schlucht. Nur etwa 20 m lang ist sie, aber die Unterstützungen sind über 4 m hoch. 30 gefangene Russen müssen uns helfen. Rege russische Flugtätigkeit. Nachts um 23 Uhr ist die Brücke fertig gestellt.

02. 08. 1941 Sofort rollen sämtliche Truppenteile über die Brücke. Am Vormittag bessern wir noch einige Stellen aus. Ein russischer Tiefflieger wirft 50 m von unserer Brücke 3 Bomben -1 Verwundeter. Unser DivKdr. General Hellmich ist an der Übergangsstelle. Heute soll Sonntag sein. Da wir vor Staub wie die Neger aussehen, waschen und rasieren wir uns. Postempfang. Muttchen schickt mir 30 Zigaretten, die mir sehr gelegen kommen. Um 11 Uhr lege ich mich schlafen und erwache erst - ohne Mittagessen - gegen 17 Uhr. Jede Gruppe kocht für sich. Brot muß knapp sein, denn jeder Mann empfängt nur 1/2 Laib für 2 Tage. Um 20 Uhr fahren wir 20 km weiter und bauen bei stockdunkler Nacht eine Kriegsbrücke (2 Landstrecken, 2 Rampenstrecken und 2 Fähren). Es regnet dabei in Strömen. Hier im freien Feld hat die 2. Kompanie 93 Minen aufgenommen. Ein Mann ist dabei verwundet worden. Um 4 Uhr sind wir mit dem Bau fertig und bis auf die Haut durchnäßt. Der General spricht uns für die geleistete Arbeit seine vollste Anerkennung aus. 93


Russische Propaganda 03. 08. 1941 Das Getreide ist schon gemäht und steht in Garben auf den Feldern. Wir schlafen bis Mittag in den Zelten und haben nicht einmal gehört, daß russische Flieger Bomben abgeworfen haben. Aber Flugblätter finden wir genug. Jetzt fängt der Russe auch mit dieser Propaganda an. 18 Uhr Weiterfahrt. Die Wege sind vollkommen verschlammt. Wir müssen an den Fahrzeugen Gleisketten aufziehen, um vorwärts zu kommen. 5 km vor ROSSLAWL machen wir um 23 Uhr in einem kleinen zerschossenen Dorf Halt. Die Küche gibt Brühreis aus und auf den Fahrzeugen sitzend verbringen wir die Nacht. Adelsberger war schon wieder organisieren und kommt mit 4 Gänsen an. In ROSSLAWL 04. 08. - 07. 08. 1941 Fahren bis in die Stadt hinein. An der Peripherie bezieht unser Zug in einem Obstgarten Quartier. Haben einige Tage Ruhe, die wir mit Schlachten, Braten, Backen und Kochen verbringen. Gut getarnt schlagen wir unter den Bäumen die Zelte auf. In einem Magazin finden wir nagelneue Hängematten, die wir zwischen den Bäumen anbringen. Rege Flugtätigkeit beiderseits. Bis zum 7. 8. gibt es für uns absolut nichts zu tun. Wir gehen in die Stadt und bringen zwischendurch unsere Sachen und das Gerät in Ordnung. Die Henschel transportieren Infanterie nach vorne. Stukas erledigen hier 2 Panzerzüge. Wir beobachten wie sie sich fallen lassen und ihre Bomben ausklinken. Der Russe ist ins Laufen gekommen. Pausenlos bringen unsere Fahrzeuge Infanterie nach vorn, um am Feind zu bleiben. Der Kompanie-Chef gibt die allgemeine Lage bekannt und spricht einige Beförderungen aus.

Heeresgruppenreserve 08. 08. 1941 3 russische Jäger kreisen über uns. Flak vertreibt sie. Während alles soweit zur Abfahrt vorbereitet ist, backen wir noch Kartoffelpuffer. Die Fahrt soll 14 km zurückgehen. Unsere Division ist von der 197. [4. A, 7. AK] abgelöst worden - einer nagelneuen Division, die am 94


1. 8. das erste Mal eingesetzt wurde - und bleibt Heeresgruppenreserve. Es sind die tollsten Gerüchte im Umlauf. Die einen erzählen, wir kämen zur Neuaufstellung nach Frankreich, die anderen wollen genau wissen, daß wir für den Einmarsch in Berlin bestimmt sind. Was für Gedanken! Meine persönliche Meinung ist: Wir werden noch lange in Rußland sein und bald wieder eingesetzt werden. 10 Uhr Abfahrt. Bauen dann eine kleine, aber 20 m breite Brücke für unsere Sturmgeschütze. Begegne Otto Nagel aus Plaue. Um 20 Uhr sind wir am Ziel, mitten im Wald. Seit langem sind wir heute wieder einmal auf einer Chaussee gefahren, die unseren Panzern als Rollbahn dient. Mehrere ausgebrannte deutsche Panzer. Post von zu Hause und Gott sei Dank wieder 20 Zigaretten. 09. 08. 1941 Ruhetag. Vormittags Gewehr reinigen, nachmittags Waffenappell Adelsberger war diesmal für die Küche organisieren. Bringt 8 Schweine an und für uns noch 20 Pfund gesalzenen Speck, den wir zu Schmalz auslassen. Der Adelsberger, ein Laubenbesitzer aus Brieselang bei Berlin, ist auf seine Art ein Prachtkerl. Er organisiert immer gleich für die ganze Gruppe und ihm ist keine Arbeit zuviel, wenn es sich darum handelt, etwas für unser leibliches Wohl zu tun. Dagegen sind Wahn, ein bebrillter Student, 185 groß, Lawnizak, ein volksdeutscher junger Bauernsohn, Becker, ein junges Bürschchen, Jordan, ein großer junger Schiffer, keine Leuchten. Hattenhauer, als MG-Schütze, ist zufriedenstellend, während Uttecht ängstlich ist. Alles in allem genommen habe ich in meiner Gruppe kein gutes Menschenmaterial. So muß ich sehr auf sie einwirken, um sie unter eine Decke zu bekommen. Als ich dies einmal meinem Kompanie-Chef gegenüber äußerte, meinte er, daß er mir deshalb gerade diese Gruppe gegeben habe, denn wer sollte sie sonst führen.

10. 08. 1941 Sonntag. Um an Wasser zu kommen, müssen wir 1 km bis ins nächste Dorf laufen. Wenn dort die Brunnen leer sind, geht es bis zum nächsten Bach. Ruhe. Die Nächte sind schon empfindlich kalt. Kraftfahrer waschen ihre Fahrzeuge. Wir baden. Stabsarzt hält Gesundheitsappell. Post- und Löhnungsempfang. 2.-RM werden für das Rote Kreuz abgezogen. Bei der Marketenderei können wir pro Mann 60 Zigaretten kaufen. In der Nähe ist ein deutsches Massengrab für 101 Mann. 95


11. 08. 1941 Gerätepflege. Wir bereiten uns Kartoffeln mit Schweinskopf. Mein Gruppen-Lkw fährt nach ROSSLAWL, um den Aufbau ausbessern zu lassen. 200 m von uns werfen russische Bomber ihre Last auf die Rollbahn ab. Stiefel-Appell. Abends gibt es Bratkartoffeln mit Leber. Wir nähern uns dem Fluß DESNA 12. 08. 1941 Fahrzeug- und Geräteappell durch den Kompanie-Chef. Adelsberger bringt Milch, und so kochen wir uns Kakao. Unser 7. Armeekorps soll das 9. AK ablösen. Auf der Chaussee, die nach Moskau führt, fahren wir an vielen stehen gelassenen russischen Autos vorbei, 30 km in südöstlicher Richtung bis MURINKA. 13. 08. 1941 Russische Flieger bringen uns den Morgengruß. Wieder ist kein deutscher Jäger da! Aber unsere Flak schießt ausgezeichnet. Schlafen auf Vorrat. Abends stellt unser Zug die örtliche Sicherung für das Bataillon. 14. 08. 1941 8 feindliche Bomber stören unser friedensmäßiges Lagerleben empfindlich. Besprechung beim Zugführer über die allgemeine Lage. Im Süden haben unsere Truppen ein wichtiges Erzgebiet erobert. Somit sind 61% der russischen Erze in unserer Hand. Im Norden geht es allerdings nicht recht vorwärts. Deshalb wird auch unser Angriff über den Fluß DESNA etwas verschoben. Es ist vorgesehen, daß JR 9 rechts, JR 67 links und JR 68 in der Mitte frontal angreifen. Unsere beiden Fußkompanien sind den Regimentern unterstellt, während unsere Kompanie die Brücke über die DESNA schlagen soll. Gefangene haben ausgesagt, daß jenseits des Flusses auf 40 km Frontbreite 1 russische Division liegen würde. Die Höhen sollen durch Feldstellungen stark befestigt sein. Nachdem ich mit meinen Leuten über alles diskutiert habe, liege ich noch lange wach. Es ist eine sternklare Nacht, die das Heimweh und alte Erinnerungen aus der Jugendzeit und Kindheit wachruft. Ich denke an meine Mutter und die Sorgen, die sie sich meinetwegen macht.

15. 08. 1941 Wasche meine Wäsche. Uffz. Protsch kommt auf ein Plauderstündchen zu mir. Er sieht alles in den schwärzesten Farben und behauptet vor meinen Männern - noch ehe ich ihn beiseite ziehen konnte - daß wir den Krieg gegen Rußland verlieren. Als wir alleine sind, meint er, wir könnten wohl bis MOSKAU kommen, aber der Winter würde uns zurücktreiben. Obgleich ich ihm vollkommen Recht gebe, verurteile ich sein Verhalten vor den Männern. Wenn er sich als Uffz. so gehen läßt und mutlos ist, was soll man da von den Soldaten erwarten. Nachdem er 96


weggegangen ist, sitze ich noch lange mit meiner Gruppe ums Feuer und mache durch viel Reden die ungünstigen Äußerungen wieder zunichte. Sie haben zum Schluß der Debatte das alte Selbstvertrauen zu sich und die Zuversicht auf ein gutes Ende zurückgewonnen. Im Norden sollen die Generäle Dietl und Mannerheim mit seinen Finnen die Stadt Murmansk wieder aufgegeben haben. [Anmerkung: Murmansk war nicht eingenommen worden]. Die Verpflegung könnte besser sein 16. 08. 1941 Eine Gruppe ist zum Minen suchen und findet auch 2 Stück. Ein Lkw fährt für die Küche organisieren. Außer 25 Eiern keine Beute. Die Verpflegung von der Division ist nicht besonders. Wenn wir nicht selbst schlachten würden, wäre das Essen katastrophal. Seit einer Woche haben wir schon kein Fett mehr erhalten. Mit Rauchware sieht es genauso aus. Was ist dagegen schon die halbe Tafel Schokolade, die wir ab und zu bekommen? Als Abendverpflegung gibt es entweder Fischkonserven in Tomatensoße oder Leber- bzw. Blutwurst in Büchsen. Nachmittags erledige ich meine Schriftsachen und beantworte die soeben erhaltene Post. Um 23 Uhr fahren wir 5 km weiter nach Norden. 17. 08. 1941 Sonntag. Als ich erwache, muß ich daran denken, daß sie daheim jetzt in der Wirtschaft ihren Frühschoppen nehmen. Wann werden wir das wieder können? Haben für unsere Begriffe einen ungünstigen Bereitstellungsplatz in einem kleinen Wäldchen. 1/4 Stunde Weg ist es, um im nächsten Dorf Wasser zu holen. Nördlich von uns ballert die Artillerie. Dort muß etwas los sein. Können beobachten, wie unsere Flak einen russischen Bomber abschießt. Sind gerade auf Feldwache gezogen, als der Befehl kommt: Wache einziehen! 18. 08. 1941 1 Uhr Wecken. 3 Uhr Abfahrt zum neuen Bestimmungsort. Lagebesprechung beim Chef. Demnach gehen die finnischen Truppen im Norden zurück. Die Heeresgruppe Süd ist dagegen weiter im Vormarsch. Wir warten, bis dort ein Stillstand eintritt. Man rechnet mit 8 bis 10 Tagen. In dieser Zeit wird auch der Fall von Petersburg erwartet [Anmerkung: Petersburg ist nicht eingenommen worden]. 63 Divisionen soll der Russe nur noch zur Verfügung haben. An höherer Stelle besteht die Vorstellung, daß Mitte September Kriegsende sein wird. Abends meldet sich unser Zug beim Bataillonsgefechtstand des IR 67, dem wir unterstellt sind.

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Verstärkung der HKL (Hauptkampflinie) 19. 08. 1941 Werden einer Infanterie-Kompanie zugeteilt und machen uns nachts um 2 Uhr auf den Weg. Eine Stunde Fußmarsch. Die hier provisorisch errichtete Verteidigungsstellung sollen wir durch Sperren verstärken. Unser Zugführer geht mit der 2. Gruppe ein Waldstück verminen. Die 3. und 4. Gruppe mit dem stellvertretenden Zugführer verlegt T-Minen gegen Panzer, während ich mit meiner Gruppe eine Scheune, die einsam in einer Kusselschonung liegt, durch allerhand Schreckladungen verseuche. Die Scheune steht 1 km vor unserer HKL und wird nachts zeitweilig von Russen aufgesucht. Müssen also sehr vorsichtig sein und lautlos arbeiten und uns dazu noch selbst sichern. Dichter Nebel herrscht, der einesteils unsere Aufgabe erleichtert, uns aber andererseits jederzeit mit dem Feind zusammenprallen lassen kann. Um 7 Uhr morgens sind wir wieder durch unsere dünne Infanterie-Linie hindurch. Schlafen bis Mittag. Nachmittags Fliegeralarm. Unsere Flak schießt einen von 3 russischen Bombern ab. Im Radio sprach man heute von den fabelhaften Erfolgen unserer Truppe in der Ukraine. 20. 08. 1941 0 Uhr 30 denselben Weg wie gestern nach vorn. Vermine mit der Gruppe das Kusselgelände um die Feldscheune mit Stolperdrahtminen usw. Die anderen Gruppen legen Minen in den Kornfeldern. Dort ist gestern schon ein eigener Infanterie-Spähtrupp in ihre Minensperren gelaufen, obwohl der Spähtrupp genauestens eingewiesen worden war. Um 5 Uhr zurück - Auftrag erfüllt. Die Infanterie sieht uns Pioniere sehr gern. Jetzt fühlen sie sich in ihren Stellungen viel sicherer. Es deutet hier alles auf einen längeren Stellungskrieg hin. Bauen die Zelte auf. Das ist unser Glück, denn abends gibt es ein schweres Gewitter und starken Regen. Die Artillerie schießt sich ein. Gebe Hattenhauer als Gruppenführer für die 4. Gruppe ab. Auf den Höhen vor der DESNA 21. 08. 1941 Unser Spieß bringt uns Geld. Es gibt Nachzahlung und ich schicke erneut 180.-RM nach Hause. Die Infanterie will ihre Stellungen verbessern und weiter an den Fluß heran verlegen. Hattenhauer muß mit, um die verlegten Minen zu entfernen und so den Weg freizumachen. Er kommt mittags zurück und berichtet von schwerem Artilleriezunder. Unsere ArtillerieBeobachtungsstelle ist durch Volltreffer vernichtet worden. Lebhafte Tätigkeit der 15-cmGeschütze. Die angreifende Infanterie kommt an einigen Stellen sehr gut vorwärts und besetzt 98


ohne nennenswerte Verluste die Höhen vor der DESNA. Anders sieht es bei dem 1. Bataillon aus, das zurückgeschlagen wird und abends erneut einen Angriff startet. Um 20 Uhr erhalten wir plötzlich den Befehl eine 500 m breite Schlucht zu verminen. Schnell beginnen wir mit den Vorbereitungen und um 22 Uhr setzt sich unser Zug in Marsch. Finden keinen Einweisungsposten der Infanterie und irren durchs Gelände. Es herrscht absolute Stille, so daß es direkt unheimlich ist. Wo ist unsere Infanterie, wo der Feind? Der Leutnant hat längst die Orientierung verloren. Dann sind wir an einem Dorf. Ich erkunde und stelle fest, daß es feindfrei ist. Plötzlich dicht bei uns Schüsse. Lautlos ziehen wir uns in das Innere des Ortes zurück und sichern uns. 22. 08. 1941 Als es um 3 Uhr 15 anfängt hell zu werden, können wir feststellen wo wir uns befinden und treten den Rückmarsch an. Schlafen den ganzen Tag. Zum Abendbrot stellt mir Uttecht Bratkartoffeln und ein gebratenes Hähnchen hin. Um 19 Uhr Abmarsch. 2 Stunden Weg bis zum Kompanie-Gefechtsstand der Infanterie. Ich vermine mit meiner Gruppe eine 70 m breite Schlucht mit Stolperdraht und Schreckladungen. Die 2. und 3. Gruppe hat denselben Auftrag an anderer Stelle, während der Leutnant mit der 4. Gruppe eine Barrikadensperre im angrenzenden Dorf errichtet und dieselbe mit Sprengkörpern verseucht. 23. 08. 1941 Um 2 Uhr nachts sind wir fertig. Unsere Artillerie jagt wieder Schuß auf Schuß aus ihren Rohren. Alles hat nun Stellungswechsel nach vorn gemacht. Der Leutnant und der stellvertretende Zugführer sind ebenfalls voraus, um mit einem Infanterie-Spähtrupp zu erkunden. Wir sitzen auf unseren Fahrzeugen, singen und denken an zu Hause. 24. 08. 1941 Gleich morgens meldet uns die Infanterie, daß die Barrikadensperre in die Luft geflogen sei. Etliche Zivilisten wurden getötet oder verwundet. Auch die von mir gelegte Sperre ist zum Teil detoniert. Aber kein russischer Spähtrupp ist hineingelaufen, sondern das Federvieh des Dorfs. Gehe abends im Dunkeln mit einem Mann zur Sperre und baue wieder neue Ladungen ein. Erhalte mehrere Päckchen mit insgesamt 125 Zigaretten. 25. 08. 1941 Fahren zur Kompanie zurück. Tarnen die Fahrzeuge. Hier liegt auch Infanterie. Treffe Herbert Haak aus Ketzin. Erhalte 2 Mann Nachersatz für meine Gruppe. Es sind Reservisten. Der eine, Wolk, ist 30 Jahre alt und ziemlich redselig. Der andere, Zaruba, aus dem Sudetengau ist bedeutend jünger und ruhiger. Letzteren setze ich als MG-Schützen ein. 26. 08. 1941 Neueste Nachrichten besagen, daß Russen und Engländer im Iran einmarschiert seien. Der Iraner leiste Widerstand. Wir werden hier bis Anfang September liegen bleiben. Als Verpflegung gibt es seit langem wieder mal Butter, dazu 3 Zigarren und eine Schachtel Schokolade pro Mann. Erich Malke, der Gruppenführer der 2. Gruppe, lädt mich zum Milchreis-Essen ein. Fahndung nach einem russischen Fliegeroffizier 27. 08. 1941 Nachts um 1 Uhr werde ich geweckt. Ein Funkspruch vom Bataillon besagt, daß sich ein russischer Fliegeroffizier, bekleidet mit weißem Hemd und schwarzer Hose, in unserem Divisionsabschnitt befände. Fahndung solle sofort aufgenommen werden. Stelle an den Wegen abwechselnd 4 Mann zur Wache auf. 99


Sachen instand setzen und Bekleidungsappell. Die Küche hat Kakao gekocht. Die Infanterie, die ein Platzkonzert gibt, bewirtet uns mit Rotwein. 28. 08. 1941 Melde mich frühmorgens mit meiner Gruppe beim Bataillonsgefechtsstand. Man zeigt mir auf der Karte eine Brücke, die ausgebessert werden soll. Mache mir schnell eine Strichskizze und fahre los. Mittags ist die Arbeit beendet. Es bläst ein starker Ostwind. Bauern arbeiten auf den Feldern, um die Ernte noch rechtzeitig unter Dach zu bringen. Abends muß ich zum Chef. Ich erhalte seinen Fahrer für meine Gruppe und gebe Menzel an die 2. Gruppe ab. Um 19 Uhr ist es schon stockdunkel. Wir kriechen in unser Zelt. Draußen stürmt und regnet es. Vieh für die Küche besorgen 29. 08. 1941 Erhalte vom Spieß den Auftrag, mit 2 Mann und dem erbeuteten russischen Lkw loszufahren, um Vieh für die Küche zu besorgen. Kein beneidenswerter Auftrag, denn die Dörfer hier ringsum sind alle mit Landsern voll gestopft, und zudem hat man mir noch aufgetragen, mich ja nicht erwischen zu lassen. Nach 40 km Fahrt, vorbei an zerstörten und stehen gebliebenen russischen Lkw und Panzern, gelangen wir in ein großes Dorf. Es ist keine Menschenseele zu sehen. Aber auf der Weide finden wir eine Viehherde. Wir pirschen uns an sie heran, und es gelingt uns, 2 Kälber zu fangen und 3 Stück Jungvieh in einen Stall zu treiben. Haben schon 2 Stück auf unseren Lkw geladen, als ein Pkw ankommt und die beiden Insassen sich als Feldgendarmerie ausweisen. Ich erkläre, daß ich das Vieh kaufen wolle, aber bisher keinen Menschen gesehen hätte. Während wir diskutieren, kommen - weiß der Teufel woher - immer mehr Einheimische. Zum Schluß bezahle ich dem Starost 30,-RM, dann treten wir die Rückfahrt an. Der Russe ist durchgebrochen 30. 08. 1941 Unsere 21-cm-Mörser und schwere Artillerie beginnen vormittags einen Feuerzauber. Dazwischen das helle Ballern der Flak, die die russischen Flieger vertreiben. 11 Uhr Alarm! Bei IR 68 ist der Russe durchgebrochen. Unsere Infanterie befindet sich in heller Auflösung und flutet unhaltbar zurück. Sie haben ihr Gerät und ihre Waffen liegen gelassen und denken nur an Flucht. Unzählige deutsche Verwundete, dazwischen auch ein paar gefangene Russen. Es ist eine Panik. Dieser Leichtsinn, auf 35 km Frontbreite nur eine Division einzusetzen, führt zu der bitteren Folge, daß sich ein Großteil von IR 68 sogar ergibt. Wir werden eingesetzt, um den Ansturm des Feindes abzufangen und der Infanterie Gelegenheit zu geben, sich wieder sammeln zu können. Besetzen eine Höhe. Der Russe kommt mit Panzern. Die Luft ist erfüllt von Eisensplittern. Schwere Sachen krepieren um uns herum, und die Kugeln pfeifen uns um die Ohren. Gut getarnte Pak und schwere Flak schießen 12 Panzer ab. Die Russen kommen in hellen Scharen. Ich rufe meinen Männern zu, sorgfältig zu zielen und Munition zu sparen. Neben uns gehen 100


sie schon zurück, da kommt ein Offizier vom Regiment mit der Meldung, die Höhe um jeden Preis zu halten. Zwischenzeitlich sollen sich die anderen Einheiten in die neue Auffangstellung zurückziehen. Zur Unterstützung erhalten wir Sturmgeschütze. Graben uns Panzerdeckungslöcher. Der Iwan kommt wieder mit Panzern. Einigen gelingt es bis auf unsere Höhe und durch unsere Stellung vorzudringen. OGefr. März wird von einem Ungetüm zerquetscht. Der neben ihm liegende Pion. Wächter kommt mit Schrammen und Abschürfungen davon. Uffz. Renner und Schörner werden beim 2. Zug vermißt. Schellhorn und Hoffmann sind verwundet worden. Unser Zugführer erwies sich heute wieder mal unfähig, einen Zug zu führen. Warum gibt man uns nicht einen alten Feldwebel?! Um 20 Uhr 30, in der Dunkelheit, ziehen wir uns bis an den Dorfrand zurück und graben uns ein. Haben hier auch links und rechts Anschluß. Um Mitternacht kommt der Befehl zum Rückzug in unser altes Quartier. 31. 08. 1941 Russische Artillerie bepflastert unser Dorf. Machen deshalb Stellungswechsel in ein kleines Waldstück. Ein durchgebrochener Panzer setzt uns plötzlich 3 Brocken 20 m vor mein Fahrzeug. Bringen uns und den Henschel hinter einen Hügel in Sicherheit. Werden dem Bataillon von IR 68 unterstellt und machen uns fertig zum infanteristischen Einsatz. Durch die vorderste Linie der Infanterie hindurch gehen wir ins Niemandsland und besetzen die Höhe 112.

Die Lage wird bereinigt 01. 09. 1941 Der Russe schickt uns seine eisernen Grüße auf die Höhe. Wir ziehen uns an einen Abhang zurück. Der Feind rüstet wieder zu einem Angriff. Radiomeldungen sprechen von dem gestrigen Durchbruchsversuch der Russen und davon, daß wir denselben gestoppt hätten. Der Moskau-Sender meldet dagegen die vollständige Vernichtung unserer Division. Ich spreche mit Ofw. Hübner, dem Spieß der 2. Kompanie, die ebenfalls gestern eingesetzt war. Er schimpft mächtig auf das JR 68, das so schmählich die Flucht ergriffen hätte, obwohl noch genug Munition vorhanden gewesen wäre. Unsere 2. Kompanie hat einen Gegenstoß gemacht und den Russen, die alle betrunken waren, ungeheure Verluste zugefügt. Bei dem gestrigen russischen Durchbruch sollen im Abschnitt der IR 68 2 Fuß- und 3 Panzer-Divi101


sionen eingesetzt worden sein. Unser Divisionsabschnitt ist jetzt enger geworden. Links von uns hat man noch eine Division eingeschoben. Um 16 Uhr tragen wir, gut von unserer Artillerie unterstützt, einen Angriff vor und erreichen das gesteckte Ziel, einen Friedhof auf einer kleinen Anhöhe. Werden abends abgelöst. Regimentsreserve (erst Ende September wird die DESNA für das Unternehmen „Taifun“ überquert, also für den Angriff auf Moskau) 02. 09. 1941 Liegen in einem Dorf als Regimentsreserve. Post und Rauchware von zu Hause. Abends zurück bis MAROSOWKA, wo die Kompanie liegt. Viele russische Gefangene. Unser 3. Zug wird der Infanterie unterstellt. Bei einem unserer Gegenstöße fand man die beiden Unteroffiziere [siehe 30. 08. 1941] mit Kopfschüssen tot im Graben. IR 68 erhält Nachersatz. 03. 09. 1941 Unfreundliches Wetter. Sachen reinigen und Post beantworten. Unser Divisionskommandeur ist Generalleutnant geworden. 04. 09. 1941 Unsere Kompanie erhält Nachersatz. Stellen Flieger-MG auf, da uns die Russen mit Tieffliegern belästigen. Es regnet. Löhnungsempfang: Für 11 Tage: 28,50 RM. Abends gibt es Glühwein. Will Herbert Haak besuchen und erfahre, daß er vom Pferd gefallen sei und im Lazarett liege. Ob wir mal Obst zu sehen bekommen? In 4 Wochen ist Winter. Was wird dann aus uns werden? Dieses untätige Herumliegen ist auch nicht das Richtige. Wie soll man sich die Zeit vertreiben? Skat spielen kann man nicht den ganzen Tag. Die Zeitungen sind alt. Fängt man erst mal an zu grübeln, kommt man überhaupt nicht weiter. Ein Kommando ist für die Küche Vieh besorgen. Von meiner Gruppe ist Adelsberger dabei. Für 1,50 RM bringt er einen Hammel extra für die Gruppe mit, den ich sogleich schlachte. 05. 09. 1941 Ruhe. Langweilig! Ein Zug baut eine Brücke. Unsere 2. Gruppe bereitet Holz vor. Die neuesten Parolen besagen, daß wir in 4 Wochen in unserer Garnison Spandau seien. -

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06. 09. 1941 Bei dem Durchbruchversuch der Russen am 30. 08. hat allein unsere Division 96 Panzer vernichtet. Nach Mitternacht lebhafte Artillerie-Tätigkeit. Der Russe hat versucht, bei JR 9 durchzubrechen, aber vergebens. Adelsberger und Hattenhauer müssen zum Kommandeur und kommen mit dem EKII zurück. Unsere Jagdflugzeuge sind heute sehr rege. Krieche schon um 19 Uhr ins Zelt. Es muß viel Post verloren gehen, denn Mutter schickt täglich einen Brief mit Zigaretten ab, die ich längst nicht alle erhalte. Rauchware ist überall sehr knapp. Jeder Zigarettenrest wird gesammelt und in die Pfeife gestopft. Was sind schon die 3 Zigaretten, die es täglich zur Verpflegung gibt? Winterbekleidung abgelehnt 07. 09. 1941 Man spricht davon, daß die Winterbekleidung für unsere Division abgelehnt sein soll. Demnach müßten wir aus Rußland herauskommen. Adelsberger beschäftigt die ganze Gruppe. Einer muß Holz holen, einer Holz hacken, andere schälen Kartoffeln, wieder andere reiben sie, während er am Feuer sitzt und die Kartoffelpuffer bäckt. Winkens, der Kraftfahrer, bringt 6 Hühner an, die es zum Abendbrot gibt. Bekomme wieder keine Post. 08. 09. 1941 Müssen das Dorf für die Infanterie freimachen und werden einen Ort weiter zurückverlegt. Ich erhalte mit meiner Gruppe eine Scheune als Quartier zugewiesen. Diese müssen wir erst entmisten. Haben dann den ganzen Tag damit zu tun, uns die Unterkunft wohnlich zu gestalten, da wir mit einem 4-wöchentlichen Aufenthalt rechnen. Abends fahren wir zu einer Infanterie-Kompanie, wo bisher der 2. und 3. Zug Minen verlegt haben, wegen einer weiteren Minensperre. Der Einweiser des 3. Zuges, der uns durch die bestehende Minensperre hindurchschleusen soll, läuft in der Dunkelheit jedoch in diese hinein und wird am Fuß schwer verletzt. Der Leutnant kommt mit einer Schramme am Kopf davon, während wir ungeschoren bleiben. Brechen daraufhin das Unternehmen ab und fahren zurück. 09. 09. 1941 Kommen um 3 Uhr in unser Quartier. Schlafen bis 10 Uhr. Erhalte endlich Post und Rauchware. Fahre mittags mit meiner Gruppe nach vorn, um die 3. Gruppe abzulösen, die in einem Dorf Holz für einen Brückenschlag vorbereitet hat. Hier spürt man wieder etwas vom Krieg. 2000 Kilometer gefahren 10. 09. 1941 Werden unsanft geweckt. Die russische Artillerie beschießt unser Dorf. 3 russische Bomber und Jäger sind über uns. Es fallen Flugblätter. Dann sehen wir, wie 2 deutsche Jäger hinter den feindlichen Fliegern her sind. Der eine jagt eine Rata, während der andere auf die 3 Bomber zuhält und dabei aus allen Bordwaffen feuert. Da plötzlich eine Stichflamme aus einem Bomber. Wir jubeln: Getroffen, Hurra! Der russische Pilot reißt die Maschine noch einmal hoch, dann trudelt sie, eine lange Rauchfahne hinter sich lassend, nach unten weg. Eine dicke Qualmwolke verrät uns die Stelle des Aufschlags. Mittags gibt uns die russische Artillerie wieder ein Konzert. Einige Häuser fangen an zu brennen. Abends dasselbe. Unser Kilometerzähler am Fahrzeug zeigt an, daß wir seit dem 20. 6. genau 2000 km gefahren sind. Gestern haben wir in der Gruppe einen ganz weißen, kleinen Hund bekommen. Irgendeiner hat ihn mitgebracht. Nachdem er gründlich gewaschen ist, geben wir ihm den Namen “Stalin“. Partisanenunwesen 11. 09. 1941 Um Mitternacht 2 Stunden lang lebhaftes MG- und Granatwerferfeuer. Alarmiere meine Gruppe. Man muß mit allem rechnen. Wir haben uns wegen der Kälte ein Feuer gemacht. Ge103


gen Morgen kommt ein Trupp Reiter. Sämtliche Bewohner der Dörfer werden zusammengetrieben und mitgenommen. Die Infanteristen können ebenso wenig wie wir begreifen, daß wir nicht überall bis an die DESNA vorgegangen sind. Es gibt Stellen, wo der Russe noch diesseits liegt und uns ständig mit Spähtrupps belästigt. Wir Pioniere haben daher auch soviel Arbeit mit dem Verlegen von Minen. Nachmittags löst uns endlich eine andere Gruppe ab. Wir fahren zur Kompanie zurück. Arbeiten an unserer Quartiereinrichtung. Liegen in Alarmbereitschaft, da eine Partisanen-Kompanie ihr Unwesen treibt. Minen aufnehmen 12. 09. 1941 Fahre mit meiner Gruppe zu den Panzerjägern, die in der Nähe ihres Dorfes Minen festgestellt haben. Nehmen 112 Panzerminen auf. 3 Stück muß ich sprengen. Auf dem Rückweg sehen wir uns einen 4-motorigen russischen Bomber an. Die Spannweite eines Flügels beträgt 20 m. Quartierverbesserungen. Nachts Wache.

Das Quartier wird zum “Alaska-Wigwam“ 13. 09. 1941 Sachentausch, Aufräumarbeiten im Kompanie-Bereich. Großes Kartoffelpuffer-Essen. Veranstalten ein Fußballturnier zwischen den Zügen. Der Sieger erhält 6 Flaschen Sekt. Heute spielt der 2. gegen den 3. Zug; morgen wir gegen den Kompanie-Trupp mit Troß. Um 19 Uhr ist es jetzt schon dunkel. Unsere Unterkunft ist nun fertig. Wir haben den Boden mit Stroh belegt. Da das Scheunendach undicht war, wurde eine riesige erbeutete Zeltplane aufgespannt. Die Seitenwände sind mit Stroh tapeziert. So können wir wind- und regengeschützt schlafen. Ferner haben wir Strohwände eingezogen und Rolljalousien angebracht. Mein Kraftfahrer legt noch eine Elektroleitung vom Fahrzeug aus, so daß wir auch Licht haben. Diesen unseren Bungalow taufen wir “Alaska-Wigwam“. Wir sind sehr stolz auf unser Werk und fühlen uns darin sehr wohl. Spiele mit Wahn eine Partie Schach.

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14. 09. 1941 In der Nacht mußten plötzlich eine Gruppe des 2. Zuges und dazu unsere Flammenwerfergruppe nach vorn, um sich einem Infanterie-Stoßtrupp anzuschließen. Räucherten einige russische Feldstellungen aus und brachten einen Gefangenen mit. Ich muß 3 Mann meiner Gruppe zur Wache zum Stab schicken. Als sie zurückkommen, sind sie ziemlich verbittert. Die Herren dort haben die ganze Nacht hindurch gesoffen, und zwar derart, daß sie sich übergeben mußten. Solche Orgien sollen die jede Nacht feiern. Wenn wir nur diesen Kommandeur bald loswürden, der sich um seine Kompanien überhaupt nicht kümmert. Im Einsatz war er noch nie mit vorn. Werden nachmittags gegen Cholera geimpft. Im Fußballturnier besiegt uns der 3. Zug mit 3:1 Toren. Es gibt pro Mann 30 Zigaretten und 10 Stumpen zu kaufen, ferner pro Gruppe 1 Flasche Schnaps. 15. 09. 1941 Machen für die Panzerjäger 10 geballte Ladungen fertig. Sie müssen für jedes Geschütz jetzt eine Sprengladung bereithalten, zur Sprengung im Falle des Rückzuges. Wegeverbesserungen. Beantworte die Post. Bis an die DESNA heran 16. 09. 1941 Bauen vormittags einen Knüppeldamm. Abends fährt unser Zug nach SWITKOWKA, wo wir in Alarmbereitschaft liegen bleiben. Heute Nacht will das 2. Bataillon von IR 67 das Dorf SACHOWKA, das unmittelbar an der DESNA liegt, dem Russen entreißen. Der Angriff glückt. Als Bereitschaftgruppe eingeteilt 17. 09. 1941 Nachts um 1 Uhr wieder in unserem Quartier. 8 Uhr Wecken. Unerfreuliches Wetter: Regen und Sturm. Meine Gruppe wird - innerhalb unseres Zuges- als Bereitschaftsgruppe eingeteilt. Das heißt, daß ich jederzeit und zu jedem Einsatz bereit sein muß. Mache Ladungen und Zündungen zurecht und belade mein Fahrzeug zweckmäßig. 2 russische Jäger sind hinter unserem Aufklärer her, ohne ihn zu erwischen. Unsere Flak verjagt sie. 80 m entfernt von uns geht ein Blindgänger der Artillerie nieder. Träumen vom Urlaub 18. 09. 1941 105


Scheußliches Wetter. Bis Mittag liegen wir auf der Bärenhaut, in unsere Decken gehüllt, um etwas warm zu werden. Wie mag jetzt der Infanterie in ihren Löchern zumute sein. Das Getöse der Artillerie will kein Ende nehmen. Was mag wieder los sein? Oberschirrmeister Mohler stellt mir die Frage, ob ich den Unterschied zwischen Gewitter und Urlaub wüßte. Als ich verneine, erklärt er mir: Den Donner hört man, den Blitz sieht man, aber vom Urlaub hört und sieht man nichts. Tja, Urlaub wäre nicht schlecht. Wie schön müßte es jetzt daheim am warmen Ofen sein! Mein Kraftfahrer erklärt mir, daß er für die bisher zurückgelegten 2000 km 1500 Liter Brennstoff verfahren habe. Das ergibt einen 3/4 Ltr. auf den Kilometer. Erhalte Post mit 100 Zigaretten. Abends beim Zugführer Lagebesprechung. Das Neueste: l. Petersburg ist eingeschlossen. Es befinden sich darin 1 Million Soldaten (50 Divisionen). Man will die Stadt mit der Luftwaffe zur Kapitulation zwingen. 2. Kiew soll von der Pest heimgesucht worden sein. 3. Deutsche Panzertruppen stehen bereits ostwärts Charkow. 4. In unserem Abschnitt ist ein russischer Regimentsschreiber übergelaufen. Er gibt an, daß sie drüben 2.000 Minen verlegt hätten. Er habe genaue Angaben über die Lage der Minen gemacht. Der Russe hat eine neue Schützenmine aus Blech mit 100-g-Ladung herausgebracht. 19. 09. 1941 2. Impfung gegen Cholera. Man traut sich bei diesem Sturm gar nicht aus dem Bau. Keine Beschäftigung. Wieder Post und Päckchen für mich. Abends gibt es Bratkartoffeln mit Pilzen. 20. 09. 1941 Die Sonne scheint, und man ist gleich ein anderer Mensch. Habe für die Gruppe zum Frühstück Hackepeter gemacht. Kompaniechef Olt. Page hält Unterricht vor der Kompanie ab. Für mich ist wieder sehr viel Post dabei. 21. 09. 1941 Sonntag, daher erst um 8 Uhr Wecken. Löhnungsempfang. Schicke 70.-RM an Tante Lene nach Ketzin. Laut Radiomeldung betragen unsere Verluste in diesem Feldzug (22. 6. - 30. 8.) im Heer: 84.000 Tote, 18.000 Vermißte, 292.000 Verwundete; in der Luftwaffe: 1.500 Tote, 1.200 Vermißte und 3.000 Verwundete. 780 Flugzeuge gingen verloren. Abends gibt es pro Gruppe 1 Ltr. Wodka. Mein MG-Schütze Zaruba erhält das EK II. Klasse. Zu Gast bei den Panzerjägern 22. 09. 1941 Wir stellen Knallnetze (verknotete Knallzündschnur) zum Sprengen einer Gasse in minenverseuchtem Gelände her. Fahre mittags mit dem Krad zu unseren Panzerjägern und führe dort einige Versuchssprengungen an einem alten Panzer durch. Sie sollen Vertrauen zu unseren Sprengmitteln bekommen und sich an die Detonation gewöhnen. Sie bewirten mich anschließend mit belegten Broten und Wein. Um 17 Uhr zurück. Unsere Division und auch unsere Kompanie haben aus der Heimat Nachersatz erhalten. Es ist beabsichtigt, jede einzelne Kompanie über die Sollstärke hinaus aufzufüllen. Wir erhalten 2 Unteroffiziere und 8 Mann, alles Ostmärker. 23. 09. 1941 Bekomme für meine Gruppe einen Mann zugewiesen. Ein junger, schlanker Kerl mit Namen Thurn. Er hat sich später noch gut bewährt. Ferner erhalte ich einen Unteroffizier, den ich anlernen soll. Treffe zufällig Christoph Förderer, einen Berufskollegen, der auch in Ketzin gearbeitet hat. Fahren nach vorn, um die Wache an dem Holz zu übernehmen, das für eine Brücke vorbereitet ist. Graben uns für die Nacht einen Unterstand. Erster Frost 24. 09. 1941 Heute Nacht hat es schon gefroren. Vormittags scheint die Sonne jedoch herrlich warm. Der 106


Chef, der zur Erkundung war, besucht uns. Mehrere russische Artillerie-Serien sind unsere Begrüßung. Die anderen Gruppen des Zuges werden vorgezogen, um eine Brücke zu bauen. Fahren ins alte Quartier und erhalten die 3. Cholera-Impfung. Kaufen uns Zigaretten, Schuhcreme und Zahnpasta und kehren zur Brückenstelle zurück. Pendele dann mit dem Fahrzeug hin und her, um Holz für den Brückenbau zu holen. Brückenbau 25. 09. 1941 Bauen an der Brücke, die 24 m lang wird. 3 Unterstützungen sind nötig. Als Träger benutzen wir T-Eisen und 30-cm-Rundhölzer. Das Anfahren des Holzes klappt nicht. 26. 09. 1941 Brücke ist fertig. Vormittags wird geschlafen, nachmittags arbeitet meine Gruppe an Kleinigkeiten an der Brücke und der Übergangsstelle. Unser 2. Zug, der auch hier eingesetzt ist, soll in der Nacht eine Behelfsbrücke über einen Nebenarm der DESNA schlagen. Vorbereitungen für den DESNA-Übergang 27. 09. 1941 Der Sanitätsunteroffizier bringt uns Pillen gegen die Ruhr. Unser Zug hat einen anderen Auftrag erhalten. Wir sollen Holz für eine Brücke über die DESNA vorbereiten. In der Nacht hat es wieder gefroren. Ich schicke 2 Mann ins Dorf, um für uns Felle oder Stoff für Fußlappen zu besorgen. Mitten in der Arbeit werden wir als Bataillonsreserve zurückbeordert. IR 9 macht einen Angriff zur Verbesserung seiner Stellungen. Abends gibt es Kartoffelbrei. 28. 09. 1941 Sondermeldung: Kiew ist gefallen und 665.000 Gefangene wurden gemacht. Bekomme den Befehl, mit meiner Gruppe in MOROSOWKA und SWYTKOWKA Minen zu suchen. Rüste 2 Suchtrupps mit elektronischen Minensuchgeräten aus und fahre los. Finden 26 Stück, die wir entschärfen und aufnehmen. Baukompanien sind hier überall dabei, die Wege auszubessern. Furt durch den Fluß DESNA 29. 09. 1941 Fw. Koall wird zur 1. Kompanie als Zugführer versetzt. Wir verlieren ihn nur ungern. Durch sein ruhiges Wesen und sein Können erfreute er sich bei jedermann großer Beliebtheit. Gegen Abend fahre ich mit meiner und der 3. Gruppe bis an die DESNA heran und stecke eine Furt aus. Endlich haben wir den für uns so sagenhaften Fluß zu Gesicht bekommen. Bessern dann die An- und Abfahrtswege aus.

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Desna

Brückenbau über den Fluß DESNA 30. 09. 1941 Es liegt was in der Luft. Man fühlt, daß es jeden Tag mit dem Vormarsch wieder weitergehen kann. Auch in unserer Kompanie trifft man so mancherlei Vorbereitungen, die auf einen Abmarsch hindeuten. Abends wird von einer bevorstehenden Offensive gesprochen, noch mächtiger als die an der AISNE im Frankreichfeldzug [09.06.1940]. Der 2. und 3. Zug bauen nachts eine Brücke über die DESNA. Ich habe Versuche unternommen, mittels eines russischen Traktors Minen aufzufinden und unschädlich zu machen. Die Erfolge sind nicht so, wie sie sein sollten. Endsieg in 3 Wochen? 01. 10. 1941 Große Freude in der Kompanie, da unser Verpflegungswagen aus Deutschland zurückgekehrt ist und 20.000 Zigaretten, 600 Ltr. Schnaps und sonstiges mitgebracht hat. Bekanntgabe der Lage: Die südliche Heeresgruppe des General Budjenny ist vernichtet. Die Nordarmee des General Woroschilof ist eingeschlossen, und der Fall von Petersburg steht bevor. Morgen soll nun die Heeresgruppe Mitte, der wir angehören, zum entscheidenden 108


Stoß ansetzen. Man rechnet mit 3 Wochen Dauer bis zur endgültigen Vernichtung des Gegners. Unserer Heeresgruppe ist zusätzlich eine ganze Luftflotte sowie Teile der freigewordenen Verbände von Süden und Norden zugeteilt, ferner eine nagelneue Panzerdivision, die für Afrika bestimmt war und dementsprechend noch die kakifarbene Tarnung hat. Verteilung der mitgebrachten Marketendersachen. Jeder erhält: 120 Zigaretten, 20 Zigarren, 1 Paket Tabak, Zahnpasta, Hautcreme, Kamm, Traubenzucker, Schuhcreme, Schreibpapier, Feuerzeug und Schnaps. Dafür sind 11.-RM zu bezahlen. Abfahrt in ein anderes Dorf. Es gibt für die Gruppe nochmals 4 Ltr. Schnaps (Likör und Rum).

Angriff über den Fluß DESNA 02. 10. 1941 Werde um 5 Uhr plötzlich geweckt und erfahre, daß der Leutnant mit der 2. Gruppe in der Nacht vorn war, ein Minenfeld zu kennzeichnen, damit die Infanterie bei ihrem Angriff nicht hineingerät. Dabei ist er selbst hineingelaufen und zusammen mit Uffz. Malke und weiteren 4 Mann von den detonierenden Minen verletzt worden. Die Unverletzten haben sich daraufhin schnell zurückbegeben. Ich soll nun mit meiner Gruppe den Verwundeten helfen und sie bergen. Gerate bei diesem Unternehmen in den Angriff, den unsere Infanterie vorträgt. Um 5 Uhr 30 beginnt das große Trommeln der Artillerie. Man setzt auch die neuen DoverGeschütze und Werferbatterien ein. Der Einweiser, den ich mitgenommen habe, findet den Weg zur Sperre nicht. 2 Stunden irren wir umher, ständig vor den Granaten, die um uns herum krepieren, in Deckung gehend. Endlich finden wir den Weg und gelangen bis auf 200 m an die Minensperre heran. Bekommen dann starkes MG-Feuer von jenseits des Flusses. Lasse das Feuer erwidern. Zwecklos, wir sind zu schwach. Da von unseren Verwundeten nichts zu sehen ist, ziehen wir uns zurück. Bei der Kompanie angekommen, finden wir alle Verwundeten, bis auf den Leutnant, vor. Als die Infanterie überall jenseits der DESNA ist, gehe ich mit 109


2 Freiwilligen nochmals nach vorn und finde den Leutnant inmitten des Minenfeldes tot auf. Wir bringen ihn zurück und beerdigen ihn an der Straße im Dorf. Der ganze Zug ist angetreten, der Chef spricht ein paar Worte, dann eine Salve über dem Grab. Wir zimmern noch ein Birkenkreuz und machen einen Birkenzaun ums Grab. Nachrichten besagen, daß Petersburg gefallen sei. Das gibt neuen Auftrieb. [Anmerkung: Petersburg wurde nicht eingenommen]. Die 1. Kompanie hat bisher 2 Tote und 19 Verwundete, die 2. Kompanie 9 Tote und 10 Verwundete. Abends macht alles Stellungswechsel nach vorn. Der Angriff über die DESNA ist vorschriftsmäßig vor sich gegangen. Jetzt ist man bei der Verfolgung des Feindes. Ich fahre mit meiner Gruppe bis zu dem Dorf, wo unser Leutnant in der Minensperre getötet wurde (100 m von der DESNA). Die 2. Kompanie, die dort die Minen verlegt hat, ist gerade dabei, sie aufzunehmen. Warum hat man nicht jemanden von denen zum Kennzeichnen der Sperre geschickt? Das wäre doch das Natürlichste gewesen. Dann bin ich mit meiner Gruppe allein. Stelle Doppelposten aus und quartiere unsere Feldwache in einem Heuhaufen ein. Mein Lkw steht ein Dorf weiter rückwärts. Was soll ich eigentlich hier? Wir wurden herbefohlen, um auf Abruf zu warten. Weit und breit keine Menschenseele und kein Schuß zu hören. Das vor uns liegende Dorf existiert nur noch dem Namen nach. Kein einziges Haus steht mehr. 03. 10. 1941 Mutti‘s Geburtstag. Gehe mit 2 Mann ins zerstörte Dorf. Vor einer Furt durch die DESNA entdecken wir eine T-Minensperre. Auch in der Furt liegen sichtbar einige T-Minen. Am jenseitigen Uferrand sind etliche von ihnen, die der Russe mit einem langen Seil bereits an Land gezogen hat. Wir nehmen die restlichen Minen auf, machen sie unwirksam und stapeln sie. Während der Arbeit zeigt sich am gegenüberliegenden Waldrand - 300 m vom Fluß entfernt ein Mensch mit einer weißen Fahne. Wir winken, und er kommt auf uns zu. Er macht uns klar, daß drüben noch mehr Soldaten seien, die sich nicht zu uns herüber trauten. Ich gebe ihm zu rauchen und fordere ihn auf, die anderen Soldaten zu holen. Tatsächlich bringt er noch 10 Mann mit, die aus Angst vor Minen auf den Zehenspitzen laufen. Ein Grammophon haben sie dabei, auch Platten dazu. Wir untersuchen sie gründlich auf Waffen - nichts. Nehme mir dann einen Russen, der mich mit 2 Mann drüben durch die Minen schleusen muß, um zu dem Wald zu gelangen, wo ihre Waffen liegen. Unerhört gute Feldstellungen. Schlagen die Gewehre kaputt, das MG dagegen nehmen wir mit. Munition ist genügend vorhanden. Probieren es gleich aus. Es schießt sehr gut und hat den Vorteil, daß es sehr leicht ist. Mit 2 Mann Bewachung schicke ich die Gefangenen zurück. Meine Kraftfahrer waren nicht untätig. Sie haben ein Schwein geschlachtet. Der Küchenzettel lautet: Mittags Kotelett, Soße und saure Gurken, nachmittags Milch und Kaltverpflegung und abends gebratene Leber mit Bratkartoffeln. Weiter voran 04. 10. 1941 Morgens kommt ein Krad-Melder. Er bringt den Befehl, die Minensperre vor der Furt aufzunehmen. Das haben wir bereits gestern getan. Ferner soll er uns zur Kompanie nachführen. Markieren am jenseitigen Ufer das russische Minenfeld. Mein Kraftfahrer bringt zum Frühstück für jeden ein gebratenes Hähnchen. Mittags Erbsen mit Schweinefleisch. Danach machen wir uns auf die Suche nach unserer Kompanie. Nach 30 km treffen wir in einem Dorf den Troß der l. Kompanie und hängen uns hinten an. Die Straßen sind mit Fahrzeugen verstopft. Vor uns eine Brücke. Jede Einheit hat einen wichtigen Auftrag, nur um schneller vorwärts zu kommen. Bis wir weiter können, müssen wir 4 Stunden im Dorf warten. Dann geht es ständig durch dichten Wald. Fahren uns fest und verfahren uns. Finden aber doch wieder Anschluß. 3 russische Jäger schießen in unsere dichten Kolonnen. Stoßen auf unseren Zug, der eine Brücke ausbessert. Um 21 Uhr bei der Kompanie, wo ich dem Chef sogleich Bericht

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erstatte.

Wieder Vorauskolonne 05. 10. 1941 Nach dem Tod des Leutnants hat Ofw. Hohme den Zug übernommen. Ich werde stellvertretender Zugführer und Zugtruppführer. Übergebe meine Gruppe an Uffz. Kaufmann, den ich bisher angelernt habe und verpacke meine Sachen im Zug-Pkw. Es wird wieder eine Vorauskolonne gebildet, zu der eine Kompanie der Aufklärer-Abteilung, Panzerjäger, 2l-cm-Mörser, Flak und unser Pionier-Zug gehören. Der General fährt an der Spitze. Keine Feindberührung. Unsere Bomber fliegen zu Hunderten gen Osten. Bei SHURY bauen wir eine kleine Behelfsbrücke und 20 m Knüppeldamm. Fahren dann bis GNESJELOWO [GNEZDILOVO] ostwärts von JELNA [ELNJA], wo wir Quartier beziehen. Braten uns eine Gans und backen Brot. Brückenbau 06. 10. 1941 Wir erhalten neue Abschnittskarten und fahren um 10 Uhr weiter. Unterwegs eine vollkommen zerschlagene Vorauskolonne unseres Korps. Sie hatten sich hier im Dorf zu sicher gefühlt, sind von Russen überfallen und aufgerieben worden. Um 18 Uhr gelangen wir an den Fluß OKRA [UGRA], wo wir mit dem Bau einer 36 m langen Behelfsbrücke beginnen. Eine Kompanie der Korps-Pioniere hilft uns. Fahre mit dem Krad zum Bataillon Verpflegung holen. Dabei komme ich an einer verlassenen russischen Fahrzeugkolonne vorbei. Hier haben unsere Stukas ganze Arbeit geleistet. Der Russe hat alles stehen und liegen gelassen. Arbeiten die Nacht hindurch.

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Der erste Schnee 07. 10. 1941 Um 1 Uhr nachts ist die Brücke fertig gestellt. Der erste Schnee. Schlafen auf den Lkw, da das ganze Dorf voller Soldaten liegt, die auf den Übergang warten. Im Morgengrauen müssen wir 2 Brückenstrecken ausbessern, die von den Kettenfahrzeugen zerfahren wurden. Es weht ein eisig kalter Wind.

Der Vormarsch stoppt, und alles staut sich vor der Brücke. Auf einmal pfeifen uns die Kugeln um die Ohren. Versprengte Russen versuchen uns zu überraschen. Vergeblich! Wir nehmen 100 Russen gefangen. Abends Weiterfahrt. Nur sehr langsam geht es voran. Ein Kessel wird eingedrückt 08. 10. 1941 Schlafen von 2 bis 6 Uhr in einer Scheune. Hier ist ein kleiner Kessel gemacht worden, in den unsere Division hineinstößt. Gehe bei der Infanterie mit meinem Zugtrupp zur Minenerkundung mit nach vorn. Erbeuten 5 russische Lkw und machen nach einem kleinen Feuergeplän112


kel 300 Gefangene, darunter Frauen, Jünglinge und Greise. Gehen weiter vor, mit uns 3 Sturmgeschütze. Erhalten schweres Granatwerferfeuer. Unsere Artillerie schießt in eine riesige Autokolonne der Russen. Sie hauen ab, lassen ihre Fahrzeuge stehen. Es ist eine Panik unter ihnen. Gefangene über Gefangene. Finden auf einem Lkw 20 Pfund Butter, dazu Kekse. Gegen Abend beläuft sich die Zahl der Gefangenen auf 9.000 Mann. Der Angriff stoppt, und ich begebe mich zurück zur Kompanie. Es gibt wieder viel Arbeit für uns. Die l. Kompanie baut eine 16-to-Behelfsbrücke (12 m), unser Zug legt 50 m Knüppeldamm an, der 3. Zug dasselbe, während der 2. Zug Holz besorgt. Die Gefangenen müssen Holz tragen. Um 3 Uhr fertig. 09. 10. 1941 Schlafen bis 8 Uhr im Pkw. Schnee und Regen. Aufgeweichte Straßen, so daß wir oft stecken bleiben. In 12 Stunden sind wir 20 km gefahren, ständig durch Wald. Unübersehbare Mengen von Gefangenen. Um 20 Uhr in einer geheizten Schule im Quartier. 20 Kilometer südwestlich von WJASMA [VJAZMA] 10. 10. 1941 Es hat gefroren. Infanterie-Einsatz. Im umliegenden Wald müssen noch Russen sitzen. Geknalle, ohne etwas zu sehen. Dann Ruhe. Dringen in den Wald ein, ohne Russen anzutreffen. Es schneit in dichten Flocken, dann scheint die Sonne. Unsere Division hat gestern 14.000 Gefangene gemacht. Seit 3 Tagen wieder mal gewaschen. Fahren abends 5 km weiter. Vor einem Wald werden wir erneut beschossen. Sitzen ab und dringen vor. Ohne Verluste fangen wir 5 Offiziere und 200 Mann. Hinter dem Wald in einem Dorf, 20 km südwestlich von WJASMA, kommen wir in einem Feldlazarett der Russen unter. Ziehen auf Feldwache. 11. 10. 1941 Fahren von morgens bis abends kreuz und quer durch die Gegend, ohne das befohlene Endziel zu erreichen. Kommen auch auf eine Rollbahn, wo unübersehbares Heeresgerät des Feindes stehen geblieben ist. Überall befinden sich noch russische Truppen. Man ist hier nur durchgestoßen und hat sich nicht um links und rechts gekümmert. Das Dorf, wo wir mittags gegessen haben, ist abends wieder in russischer Hand. Bleiben auf der Rollbahn stehen und schlafen auf unseren Fahrzeugen. MG-Geknatter, grüne und weiße Leuchtkugeln steigen in die Luft. Von fern hören wir das Urräh-Gebrüll der Russen. Wo ist unsere Luftwaffe? 12. 10. 1941 Fw. Hohme, der beim Stab war, kommt mit dem Pkw zurück, den er mit Müh und Not gerettet hat. Die Russen haben gestern in einer Stärke von 700 Mann unseren Stab mitsamt anderen Truppenteilen überfallen. Sie mußten alles stehen und liegen lassen, nur um ihr Leben zu retten. Als sie später einen Gegenstoß machten, fanden sie sämtliche Fahrzeuge zerstört vor. Den Wohnwagen unseres Kommandeurs haben sie dabei auch demoliert, worüber wir nicht traurig sind. Bei Nahkämpfen hatte die 1. Kompanie 7 Tote. Unserer Division werden zur Unterstützung 2 andere angeschlagene Divisionen beigegeben. Es kommen endlose Reihen von Gefangenen vorbei. Deutsche Flieger sieht man überhaupt nicht mehr. Fahren mittags weiter in ein Dorf, das bereits voller Truppen ist. Grunow kommt allein mit dem Tankwagen zurück. Auf der Fahrt, um Benzin zu holen, ist er überfallen worden. Sein Fahrer wurde erschossen. Ich stelle Feldwachen aus. Sitze dann bei Lt. Goetz im Quartier, wir hören Radiomusik, plaudern aus der Heimat und blubbern dabei eine Flasche Schnaps leer. Russische Ausbruchsversuche aus dem Kessel 13. 10. 1941 Um 6 Uhr Alarm. Schüsse peitschen durchs Fenster. Rasch haben wir umgeschnallt und sind draußen. Unsere Männer stehen noch in ihren Löchern. Es wird Zeit, daß wir sie verstärken. Bis auf 200 m ist der Feind an das Dorf heran. Zum Glück habe ich gestern 2 MG auf eine 113


kleine beherrschende Anhöhe aufbauen lassen. 3 Stunden dauert das Gefecht. Dann zieht sich der Russe zurück, von uns mit Hurra verfolgt. Wir haben viele Verluste. Aus meiner ehemaligen Gruppe ist Wahn gefallen; ferner noch Weichselbauer und Lt. Goetz. Letzterer durch eigenen Leichtsinn. Aufrecht, nicht der um ihn pfeifenden Kugeln achtend, stolzierte er auf unserem Feldherrnhügel umher und gab Ziele an. Badouzek, Klick und Dräger sind verwundet. Insgesamt beklagt unsere Kompanie 5 Tote und 7 Verwundete.

Gefangene sagen aus, daß hier noch überall Russen wären und zwar Teile von 3 Divisionen unter Führung eines Generalleutnants, der den Befehl habe, durchzubrechen. Man will unsererseits nun die Wälder durchkämmen. Nachts Feldwache, diesmal verstärkt. Ich mache Offz. vom Grabendienst. Leuchtkugeln steigen in die Nacht. Aus dem Zwischenfeld das Geschrei der Verwundeten. Tolles Schneetreiben, daher ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Glücklicherweise haben die Russen keine schweren Waffen und Granatwerfer. WJASMA ist schon gefallen 14. 10. 1941 Die Nacht verläuft ohne Ereignisse. Infanterie zieht aus dem Dorf, dafür geht unsere Artillerie in Stellung. Wir igeln uns ein. WJASMA ist schon gefallen, und unsere Truppen stoßen immer weiter vor. Unsere Division wird dem 9. Armeekorps unterstellt. Kaufe mir eine Flasche Rum und nehme eine gründliche innere Reinigung vor. Abends im nächsten Dorf heftiges Infanterie-Feuer. Der Russe versucht dort durchzubrechen, um an die Rollbahn zu gelangen. Vergeblich! Als ich nachts die Posten kontrolliere, sichte ich einen feindlichen Spähtrupp, den wir durch MG-Feuer verjagen. 9. Armeekorps ist OKH (Oberkommando des Heeres) - Reserve 15. 10. 1941 Bin nicht recht auf dem Posten: Husten und Schnupfen. Unser 9. Armeekorps ist OKH-Reserve. Wieder Schneetreiben. Man ist jetzt schon darauf angewiesen, in die Häuser zu ziehen. Eine Behausung ist so ärmlich wie die andere. Ein roh gezimmerter Tisch, eine Bank, ein Bett, eine Truhe, das ist die ganze Einrichtung. Dazu wimmelt es von Wanzen und anderem Ungeziefer. Machen die erste Bekanntschaft mit Läusen. In den Dörfern: kein elektrisches Licht, 114


kein Geschäft, keine Gastwirtschaft, kein Bäcker, kein Fleischer, kein Kaufladen, nichts. Friedhöfe sind nicht zu sehen. Auch Aborte findet man nirgends. Für unsere Begriffe ist dies alles nicht zu fassen. Nachts rattern plötzlich unsere MG. Wir stürmen hinaus, aber da ist schon alles vorbei. Einige Russen waren bis auf 30 m an die Stellung herangekommen, wurden dann aber zusammengeschossen. In diesem Buschgelände ist ein Anschleichen sehr gut möglich, so daß es heißt, wachsam zu sein. 16. 10. 1941 15 Grad Kälte. Bauen auf unserem “Feldherrnhügel“ ein sMG auf. Einige Gefangene sagen aus, daß vor uns im Wäldchen noch 800 Mann seien, die ihren Kommissar erschlagen hätten und zu uns überlaufen wollten. Bin zum Hammelbraten-Essen bei Oberschirrmeister Mohler eingeladen. Einen weiteren Ausbruchversuch abgewehrt 17. 10. 1941 Kurz nach Mitternacht: Alarm. Links von uns bei der Artillerie Urräh-Geschrei der Russen und heftiges Feuer. Schicken einen Spähtrupp dorthin, der feststellt, daß die Russen versucht haben, mit den Fahrzeugen durchzubrechen, aber dabei zusammengehämmert wurden. Sondermeldung: Kaluga und Kalinin gefallen. Odessa erstürmt. Unsere Division ist Heeresgruppenreserve geworden. Sollen als 2. Welle nördlich von MOSKAU marschieren. Die Artillerie schießt 600 Schuß in den Wald, in dem die 800 Mann sein sollen. Liegen in höchster Alarmbereitschaft. 18. 10. 1941 Ostwind, der durch und durch geht. Unsere armen Jungens, die noch immer auf Feldwache stehen müssen! Wir spielen Skat. Sondermeldung: Bei der Doppelschlacht von WJASMA und BRIJANSK sind bisher 684.196 Gefangene gemacht worden. Ferner wurden 1.197 Panzer und 5.229 Geschütze vernichtet oder erbeutet. Über WJASMA hinaus 19. 10. 1941 3 Uhr Abfahrt. Ca. 30 km über WJASMA hinaus. Kraftwagen neben Kraftwagen, Geschütze und Panzer in endloser Reihe auf der Rollbahn. Der Russe mußte alles stehen lassen. Wenn man das sieht, ‚ sollte man meinen, Rußland wäre erledigt. Als wir an unserem Bestimmungsort ankommen, fehlen 2 Lkw unseres Zuges. Der 2. Zug baut l00 m Knüppeldamm. Verschlammte Wege und das Elend der Pferde 20. 10. 1941 Mittags Weiterfahrt. Ca. 20 km auf total verschlammten Wegen. Die bespannten Truppen haben Schwierigkeiten mit ihren Pferden. Die Tiere bekommen kaum noch Hafer, so daß viele vor Entkräftung umfallen und erschossen werden. Während unser Zug eine Brücke ausbessert, schlachte ich einen Hammel. Es ist hier ein toller Krieg. Unsere Panzer- und motorisierten Verbände sind schon 100 km voraus und wir müssen hier noch kämpfen. Es gibt weder Front noch Etappe im alten Sinne. Die Nachschubkolonnen und Trosse sind fast mehr gefährdet als wir, da sie schlecht bewaffnet sind. 21. 10. 1941 Nachts um 1 Uhr 30 treffen unsere beiden LKW ein, die unterwegs Panne hatten. Stoßen gegen Morgen wieder auf unsere Kompanie, welche auf freiem Feld vor einer Furt steht und nicht weiter kann. Wir entschlammen die Wege. Gehe in das 500 m vor uns liegende Dorf und mache Quartier. Die anderen versuchen inzwischen mit Hilfe eines russischen Treckers die Fahrzeuge durch die Furt zu ziehen. Es mißlingt. Schließlich kommt doch ein Henschel, der mit Raupenketten ausgerüstet ist, hindurch. Jetzt werden mit der Spillvorrichtung die weiteren Fahrzeuge herübergezogen. 115


Die Quartiere sind in Ordnung. Man kann von einer gewissen Sauberkeit reden. Die wenigen Leute, die noch hier sind, zeigen sich sehr religiös. Sogar eine großartige Kirche ist in dem Dorf, allerdings wird sie als Getreidespeicher benutzt. Brot ist sehr knapp. Kein Wunder, denn auf diesen Wegen ist es mit dem Nachschub schlecht bestellt. Nachschubschwierigkeiten bei der Brennstoffversorgung 22. 10. 1941 Können nicht weiter, da wir ohne Brennstoff sind. Müssen auf den Tankwagen warten. Schlafen uns richtig aus und säubern die bis zur Unkenntlichkeit verdreckten Sachen. Seit einer Woche gibt es wieder einmal Post. Trinken abends unsere letzte Flasche Sekt. 23. 10. 1941 Unsere Mattka, die Quartierswirtin, hat uns in der Nacht Brot gebacken, dazu kochen wir uns Bohnenkaffee. Schließen unser Radio an und spielen bei Musik einen wuchtigen Skat. Fw. Hohme, unser Zugführer, bekommt das EKI. Der Tankwagen ist da. Jedes Fahrzeug bekommt 20 Ltr. Sprit. Damit können wir auf diesen Wegen vielleicht 10 km weit fahren. Die 23. Division als selbstständig operierende Einheit 24. 10. 1941 Mattka hat unsere Wäsche gewaschen. Die neuesten Nachrichten besagen, daß die 3 russischen Heerführer Timoschenko, Budjenny und Woroschilof abgesetzt worden seien. Divisionen aus Deutschland, mit kompletter Winterbekleidung, sind zu unserer Ablösung im Anmarsch. Die 23. Division ist aus dem Verband des 9. Arrneekorps ausgeschieden und operiert zukünftig als selbstständige Einheit. Unsere Nachbardivision wird als Sicherungsdivision eingesetzt. Wir hoffen alle hier herausgezogen zu werden und zur Neuauffrischung nach Frankreich zu kommen. Die Division gibt das Kommando: Das Ganze halt! Unser Bataillonsstab begibt sich zum Divisionsstab. Spielen wieder Skat. Weiterfahrt 25. 10. 1941 Fahre morgens mit dem Krad die Wege und Brücken in der Umgebung erkunden. Treffe auf eine Hammelherde und schieße mit dem Karabiner 2 Stück heraus. Haben wieder Benzin bekommen. Bilden mit den Panzerjägern eine motorisierte Marschgruppe. Fahren 20 km und machen in METINA, einem rings von Wald umgebenen Dorf, Quartier. Holen dabei noch 2 Russen mit Gewehren aus den Häusern. Sie werden erschossen. Zu frisch ist bei uns noch der Eindruck von dem überfallenen deutschen Sanitätswagen und den an der Seite liegenden Toten, wie wir es auf der Fahrt hierher sahen. Ich schlachte die beiden Hammel und verteile das Fleisch auf die Gruppen. Die Schlammperiode wird immer schlimmer 26. 10. 1941 Sonntag. 6 Uhr Weiterfahrt auf total verschlammten Wegen. Kommen gerade 2 km weiter bis vor JURINA. Unser Zug bessert eine Furt aus. Erkunde in JURJNA [JURINO] die Unterbringungsmöglichkeiten für die Kompanie. Sie sind gut. Unser Zug hat sich inzwischen festgefahren. Die Fahrzeuge können weder vor noch zurück, stecken im Schlamm fest. Wir laufen zu Fuß nach FEDKOWA. Strömender Regen. 2 Stunden Marschweg. Die Kompanie liegt in JURINA im Quartier. In einer Schlucht, unmittelbar vor dem Dorf, fahren sich unser Pkw und ein Lkw fest. Lassen sie stehen, denn für heute reicht es uns. 27. 10. 1941 Bis Mittag habe ich damit zu tun, die beiden festgefahrenen Fahrzeuge flott zu machen. Nachmittags sind wir im Quartier am warmen Ofen. Mit uns bewohnen noch 2 Frauen und 1 Mann das Haus. Ich brate Hammelkoteletten. Bis 22 Uhr sitzen wir beim Wodka zusammen und erzählen von Frankreich. Stelle Feldwachen aus. 28. 10. 1941 -

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Wegeverbesserungen, dann Ruhe. Haben unser Radio aufgebaut und spielen Karten. Heute bereite ich für meinen Zugtrupp Hammelschnitzel und Kartoffeln zu. Der Gefr. Müller, der am 13. 10. bei Babj-Gora verwundet wurde, ist im Lazarett gestorben. 29. 10. 1941 Es hat stark gefroren. Die Wege sind fest. Ruhe. Es gibt Rauchware zu kaufen. Spielen Karten. Von dem letzen Hammelfleisch mache ich Buletten. 30. 10. 1941 Seit 8 Tagen wieder Postempfang. Ein Sauwetter: Ostwind, Kälte und feiner Regen. Glatteis. Das Radio meldet, daß unsere Truppen den Zugang zur Krim genommen hätten und der Russe sich auf der Flucht befände. Bisher seien 209 russische Divisionen vernichtet worden. Erhalten Abmarschbefehl für morgen früh. Der Schlamm stoppt den Vormarsch 31. 10. 1941 Fahren um 8 Uhr los und sitzen nach 300 m fest. Die Wege sind wieder aufgeweicht. Befehl vom General: Alles wieder in die alten Unterkünfte zurück. 01. - 02. 11. 1941 Es regnet. Als wir aufstehen, hängt ein Hammel im Flur. Der Dolmetscher erklärt uns, daß die Leute denselben für uns aus Gastfreundschaft geschlachtet hätten. Ich zerlege ihn und gebe die Hälfte den Spendern. Wegeverbesserungen. Auch der nächste Tag ohne besondere Ereignisse. Verpflegung mit dem Panjewagen holen 03. 11. 1941 Bin beim Braten, als unser Spieß kommt. Er gibt mir den Auftrag, Verpflegung zu holen. Mit 4 russischen Gäulen und einem Panjewagen mache ich mich mit meinem Melder auf den Weg. Erreichen unser Ziel: ein kleines Dorf an einer kleinen Rollbahn. Treffen dort unseren Zahlmeister, der uns anweist, bis morgen zu warten. Suchen Quartier. Hier ist die Hauptverpflegungsausgabestelle der Division. Es wimmelt von bespannten Fahrzeugen, die ebenfalls auf Verpflegung warten. 04. 11. 1941 Mittags ist es endlich soweit, daß die Ausgabe beginnen kann. Aber wir bekommen nichts ausgehändigt. Unser Zahlmeister vom Bataillon ist verschwunden. Was tun? Ich entschließe mich, bis morgen zu warten und es nochmals zu versuchen. Warum gab man uns nichts? 05. 11. 1941 Die Fahrzeuge unserer andern beiden Kompanien sind auch noch hier. Ihnen ging es wie mir. Sie wissen auch nicht, was sie tun sollen. Da auch heute mein Bemühen wieder umsonst war, fahre ich ohne Verpflegung zur Kompanie zurück. Dort hatten sie mich schon als vermißt betrachtet. Das Bataillon hat zwischenzeitlich Verpflegung gebracht. Finde Post vor und erhalte abends nochmals Briefe. Es setzt Frost ein. Ich schlachte 3 Hammel. 06. 11. 1941 Beantworte meine Post. Mache dann vom Hammel Schabefleisch. Empfangen neue Pistolen (Modell 38). Wir können etwas Schnaps und Tabak kaufen. Abends Abmarschbefehl. Um 3 Uhr soll es 60 km weiter vorangehen. Nachts bäckt ein Mann unseres Zuges für uns Brot. Haben gestern Korn requiriert und dasselbe in einer 10 km entfernten Mühle gemahlen. 80 Kilometer voran, an GSHATSK [GZATSK oder GAGARIN] vorbei 07. 11. 1941 Um 3 Uhr Abfahrt bei Ostwind, Schnee und Regen. Die Füße sind wie Eisklumpen. Fahren 80 km und bleiben - der Dunkelheit wegen - 2 Dörfer vor unserem Endziel stehen. Nur mit Mühe finden wir in dem eng belegten Dorf Quartier. Hier liegen Teile der 11. Panzerdivision. Befinden uns jetzt auf der Höhe von MOSKAU. GSHATSK [Anmerkung: heute auch GAGARIN] haben wir links liegen gelassen. Krank 117


08. 11. 1941 Wache um 7 Uhr mit Husten und Kopfschmerzen auf und muß mich erbrechen. Dieses Zusammengepferchtsein und die verbrauchte Luft sind schuld. Machen Quartierwechsel. Zivilisten sind noch hier. Unser Alter sieht aus wie Rasputin, während seine Alte eine Zigarette nach der anderen raucht. 09. 11. 1941 Viel Post für mich. Von zu Hause allein 6 Päckchen; eins davon vom 8. 9. 10. 11. 1941 Gehe nicht aus der Stube. Abends die Nachricht, daß Tischwin [TIHVIN] gefallen sei. Dabei wurden 20.000 Gefangene gemacht. 11. 11. 1941 Fahren 25 km nach Norden. Es herrscht bannige Kälte. Fahre Erkundung bis NIKOLSKOJE und finde schlechte Wege vor. Beziehen in einem Dorf Quartier. Abends fällt Schnee. 12. 11. 1941 Bessere mit dem Zug die Wege bis NIKOLSKOJE aus. Es ist eine saumäßige Arbeit und wir können sie nicht bewältigen. 20 Grad Kälte. Man hört starkes Artilleriefeuer. 21 Grad Kälte 13. 11. 1941 Wieder Wegeausbesserung. Nachmittags große Entlausung. Ich zähle bei mir 15 “Abschüsse“. 21 Grad Kälte. Nachmittags muß ich nochmals mit meiner Gruppe raus, um eine Brücke auszubessern. 19 Uhr zurück. 14. 11. 1941 Es scheint wieder einmal die Sonne. Unglaublich viel Post. Von zu Hause 4 große Päckchen mit Schnaps, Zigaretten, Büchsenwurst und warme Sachen; ferner 3 Briefpäckchen und 6 Briefe. Gewinne beim Lotteriespiel 14.-RM. 15. - 16. 11. 1941 Post beantwortet. Ruhetag. Auch der 16. 11. bringt nichts Neues. 17. 11. 1941 Die Erkundungsfahrt, zwecks besserer Unterkünfte, verläuft erfolglos. Es liegt alles voller Truppen. Besuche dabei den Spieß der 2. Kompanie (Papa Filz). Wir zumpeln eine Flasche Schnaps. Der Stellungswechsel der Kompanie wird abgeblasen. 18. 11. 1941 Bauen eine Brücke und müssen dabei für die Unterstützungen bereits Erdsprengungen machen. Sind um 15 Uhr wieder im Quartier. Unsere Division ist jetzt noch 16.000 Mann stark. An der Desna waren es 24.000 Mann. Also 1/3 Ausfälle. Abends kommt der Mann unserer Quartierswirtin, der auch Soldat war, zurück. Ein frohes Wiedersehen der beiden. Er meint: “Ruski kaputt“. 30 Kilometer nach Norden 19. 11. 1941 Rege Flugtätigkeit unserer Luftwaffe. Ich mache mit dem Krad Wegekennzeichnung. Um 16 Uhr Weiterfahrt: 30 km nach Norden. 20. 11. 1941 Es gibt reichlich Post. Auszeichnungen werden verliehen. Bisher hat unsere Kompanie 81 EKII und 11 EK1 erhalten. Baden uns in einer russischen Sauna. Es ist herrlich. Vor Hitze kann man kaum atmen, anschließend wird man mit Rutenbündeln geklopft und schließlich reibt man sich draußen mit Schnee ab. Danach ist man wie neugeboren. 40 Kilometer nordostwärts 21. 11. 1941 4 Uhr Weiterfahrt: ca. 40 km nordostwärts. Müssen die Straßen mit Sand bestreuen, um bei dem Glatteis voranzukommen. Mittags im neuen Quartier. Hier hat der Russe mit 3 Regimen.

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tern Kosaken vor 2 Tagen angegriffen. Die Gesamtlage wird günstig beurteilt. Unsere Truppen stehen schon vor Klin. Der Feind befindet sich auf der Flucht.

Moskau

Weiterfahrt nach Osten 22. 11. 1941 Weiterfahrt nach Osten. Vor einer Brücke müssen wir 6 Stunden warten, bis man uns passieren läßt. Inzwischen hat der Spieß Quartier gemacht. Auf der Fahrt sehen wir die Russen kompanieweise tot auf den Feldern liegen. Welche Waffenart mag hier gewirkt haben? Mein Zugtrupp bekommt ein gutes Quartier. Sauber, wie ich es noch nie in Rußland angetroffen habe. Sie braten uns ein Huhn, decken den Tisch mit weißer Tischdecke und stellen uns sogar Teller hin. Wir sind über diesen Luxus sprachlos, lassen es uns aber gut schmecken. Das Radio meldet den Fall der Stadt Rostow. Die bisherigen Verluste der Russen betragen 4,2 Millionen Tote oder Verwundete und 3,8 Millionen Gefangene. Ferner hat der Feind 18.000 Flugzeuge, 22.000 Panzer, 24.000 Geschütze und 700.000 Fahrzeuge verloren. 119


23. 11 .1941 Morgens in die Sauna. Es ist nur gut, daß die Dörfer hier unbeschädigt sind und wir so bei dieser Kälte in den Häusern unterkommen können. Sie haben uns wieder ein Huhn und Bratkartoffeln auf den Tisch gestellt. Ich erkunde wegen des Holzbedarfs für eine Brücke. Diese soll 38 m lang, 5,2 m breit werden mit 7 Unterstützungen bis zu 4 m Höhe. 8 Tage hat die Kompanie dafür Zeit. Brückenbau 24. 11. 1941 Brückenbau. Müssen das Holz dazu etwa 10 km weit anfahren. Quartierwechsel zur Stabskompanie. Sitze abends mit meinem Fahrer und den beiden Meldern um den Tisch. Unsere Mäntel und Schußwaffen haben wir an Nägeln an die Wand gehängt. Unerklärlicherweise fällt eine Maschinenpistole herunter. Trotzdem sie entladen und entspannt war - Magazin allerdings eingesetzt - löst sich ein Schuß und trifft meinen Fahrer Stuckmann in den Rücken (Steckschuß). Wir sind wie vor den Kopf geschlagen. Obwohl er nicht blutet, wird er vorerst verbunden. Ein Sanitätswagen bringt ihn sofort ins Lazarett. Noch einen weiteren Ausfall hat die Kompanie zu beklagen. Uffz. Barger läuft auf eine Panzermine und wird, wie durch ein Wunder, nur an beiden Füßen verletzt. Auch er kommt ins Lazarett. 25. - 28. 11. 1941 Brückenbau. Unserem Kommandeur geht die Arbeit zu langsam vonstatten. Die Division liegt schon 60 km voraus und hat uns bereits angefordert. Lt. Senftleben kommt mit der Nachricht von der Division zurück, daß man einen russischen Offizier gefangen habe, der sämtliche Minenpläne von MOSKAU bei sich gehabt hätte. Stuckmann soll es gut gehen, er liegt mit Barger in einem Zimmer. Die Kugel hat die Leber gestreift und sitzt im Brustkorb. Er hat schon 2 Blutübertragungen bekommen. Bis zum 28. 11. vergeht ein Tag wie der andere: mit Brückenbau. 29. 11. 1941 Es hat geschneit. Der Kommandeur hat befohlen, daß die Brücke heute fertig werden muß. Beantworte die Post von zu Hause. Nachmittags fahre ich zur Brückenstelle. Arbeiten die Nacht hindurch. 70 Kilometer nach Osten 30. 11. 1941 Um 4 Uhr morgens ist die Brücke befahrbar. Um 5 Uhr sind wir im Quartier, und 3 Stunden später fahren wir bereits weiter nach Osten. Endlich nach 70 km finden wir in einem Dorf unseren Divisionsstab. Hier ist allerdings kein Quartier zu bekommen. Erkunde in 3 anderen Dörfern die Unterbringungsmöglichkeiten kein Erfolg. Treffe Dr. Zarnack aus Plaue. Fahren schließlich wieder 15 km zurück und übernachten in einem ehemaligen Feldlazarett. -

Weiterfahrt zur Front 01. 12. 1941 Um 9 Uhr Weiterfahrt zur Front. Die russischen Flieger sind sehr lebhaft. Werden von 4 russischen Tieffliegern angegriffen. Hier ist etwas los. Rundherum knallt es. Vor uns in einem Dorf kämpft die Infanterie. Die Russen sitzen fest in den Häusern. Die eine Hälfte des Ortes ist in deutscher Hand, die andere wird vom Feind erbittert verteidigt. KAMENKA heißt der Ort. Wir fahren mit unseren Henschel in der Dunkelheit in das Dorf hinein und erhalten von allen Seiten Infanterie- und Granatwerferfeuer. Schnell machen wir kehrt und retten uns hinter einen Hang. Hier läuft die Rollbahn, daher das zähe Sichfestkrallen der Russen. Haben für unseren Zug Sperrauftrag bekommen. Fw. Hohme und ich gehen in der Nacht los, um den Regimentsstab des IR 9 zu suchen. Absolute Ruhe. Kein Schuß fällt. Umso unheimlicher ist unser Marsch durch den Wald. Keiner 120


weiß genau, wo der Feind steht. Wir können jederzeit auf ihn stoßen. Auf einer Anhöhe sehen wir in einer Lichtung ein Dorf liegen; 500 m rechts davon noch eins. In welchem sind unsere Soldaten? Das ist die Frage. Die entsicherten Pistolen in der Hand, gehen wir auf ersteres Dorf zu. Am Eingang des Ortes steht ein deutsches Krad. Aber keine Menschenseele ist zu sehen. Dann fängt die Artillerie wieder an zu schießen, und uns fliegen einige Brocken um die Ohren. MG-Feuer setzt ein. Wir sind bis in die Mitte des Dorfes vorgedrungen, ohne einem Menschen zu begegnen. Durch ein Fenster fällt ein winziger Lichtstrahl. Wir pirschen uns heran und hören - Gott sei Dank - deutsche Laute. Es ist der Regimentsgefechtsstand, den wir suchen. Unser Zug hat inzwischen die Sicherung des Dorfes BUDINA (2 km vor KAMENKA) übernommen. Man rechnet mit dem Durchbruch einiger russischer Panzer. Für diesen Fall haben wir Schnellsperren für die Straßen bereitgelegt. Die unglaublichen Verluste zehren an der Kampfkraft 02. 12. 1941 Rege russische Fliegertätigkeit. Ganz in der Nähe fallen die Bomben. Stellen Flieger-MG auf. Unsere Infanterie hat unglaubliche Verluste. Das 2. Bataillon des IR 9 ist nur noch 180 Mann stark. Schwierige Suche nach Quartier 03. 12. 1941 Erkundungsfahrt nach Quartier. Dies ist jetzt ein großes Problem. In einem Haus finde ich 3 kleine Kinder, die von einer Handgranate getötet wurden. So eng geht es in den Häusern zu, daß fast einer auf dem anderen liegt. Man muß noch dazu froh sein, wenn man im Warmen sein kann. 04. 12. 1941 Funkspruch der Division: Der 2. Zug wird dem IR 67, der 3. Zug dem JR 9 und unser Zug dem IR 68 unterstellt. Melden uns beim Regimentsgefechtsstand und werden dem 2. Bataillon zugeteilt. Da aber die Infanterie nicht vorwärts kommt, gehen alle Truppenteile, Troß usw., die den ganzen Tag bei 30 Grad Kälte draußen gestanden haben, in die Quartiere zurück. Mit Mühe kommen wir unter. In einem Raum von 5 mal 5 m liegen 42 Mann. Die Unterbringung ist zurzeit das größte Problem. Der Russe hat auf seinem Rückmarsch viele Ortschaften zerstört, andere wurden während des Kampfes vernichtet. Ein Munitionswagen der Artillerie fliegt nachts in die Luft. 2 Häuser brennen, und uns sausen die explodierenden 21-cm-Granaten um die Ohren. 34 Grad Kälte - Fehlgeschlagener Angriff und die zunehmenden Erfrierungen 05. 12.1941 34 Grad Kälte. Ein Angriff unserer Infanterie bleibt wiederum ergebnislos. Mit vielen Verlusten muß sie sich sogar zurückziehen. Diese Kälte sind wir nicht gewöhnt und dafür auch gänzlich ungenügend bekleidet. Soldaten mit Erfrierungen an den Händen und Füßen sind längst keine Seltenheit mehr. Ich bessere mit einer Gruppe eine kleine Brücke aus. Übernachten in GORKI einem Dorf mit 6 Häusern, mitten im Wald auf einer Anhöhe. Um 20 Uhr erhalten wir den Auftrag, eine aufgegebene Brücke zu verminen. Mit einer Gruppe mache ich mich auf den Weg. Müssen dabei durch die vorderste Linie der Infanterie und haben dann noch 2 km mitten durch Wald zu laufen. Es geht alles gut, und nach Erfüllung des Auftrages kehren wir zurück. Schlaflose Nacht. Verteufelte Situation. Mit 20 Mann allein in diesem unheimlichen Dorf. Zwar haben wir Funker bei uns, aber diese haben keine Verbindung herstellen können. -

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Werner Haupt: Die Schlacht um Moskau, Wölfersheim-Berstadt, 1986 06.12.1941 Der Russe beschießt unser Dorf mit Artillerie. Sind der 3. Kompanie JR 68 unterstellt, die ein Dorf an der Rollbahn zu sichern hat. Dieser hart umkämpfte Ort sieht toll aus. Nur wenige Häuser stehen noch. Viele verbrannte Menschen in den Trümmern. Zusammengehauene russische und deutsche Geschütze und Fahrzeuge. In einem Haus finden wir etwa 20 verwundete Russen ein ekelhafter Gestank. Der Russe greift an, und wir ziehen uns kämpfend zurück. Mittags neuer Einsatzbefehl. Sollen uns beim 1a der Division, Major Hetzel, melden. Bessern eine Brücke aus und werden von russischen Fliegern angegriffen. Fahren zurück zur Kompanie nach POPOWKA [POPOVKA] und von dort nach SCHLEWKOWA, wo wir als einzige Soldaten Quartier beziehen und uns sichern. Die Front reißt auseinander 07. 12. 1941 Fahre mit 2 Gruppen nach SCHICHOWO [SIHOVO] und bessere dort eine Brücke aus. Russische Bomber und Flieger sind sehr rege. Von unserer Luftwaffe ist nichts zu sehen. Während der Arbeiten erhalte ich Befehl, mich mit einer Gruppe zu IR 68 zu begeben. Nehme meine alte Gruppe und fahre los. Werde der 11. Kompanie unterstellt und soll den Rückzug der Infanterie decken. Na denn: Glück auf. Es geht wieder nach GORKI. 70 Mann ist die 11. Kompanie noch stark. GORKI [siehe obige Karte] soll um jeden Preis gehalten werden. Liegen in höchster Alarmbereitschaft. Der vorderste Artilleriebeobachter ist ohne Verbindung zu seiner Batterie. Auf Artillerieunterstützung können wir also im Fall eines Gefechts nicht rechnen. Das Dorf LEWKOWO [LEVKOVO] ist vollkommen unbesetzt. Verfluchte Kiste! Ich rüste mich abends gerade mit 10 Infanteristen und 3 Mann von mir zu einem Spähtrupp dorthin, da kommt ein anderer Spähtrupp zu uns. Er meldet, daß LEWKOWO von IR 9 besetzt worden sei. Aufatmen bei uns. Eine durchgehende Front gibt es nicht mehr. Man hat unsererseits Kampfgruppen gebildet und muß sich mit Stützpunkten begnügen, die durch pendelnde Spähtrupps verbunden werden -

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Ende des Vormarschs - Beginn des Rückzuges 08. 12. 1941 Bekommen Artillerie- und Granatwerferfeuer zu spüren. In letzterem ist der Russe Meister. Sprenge die Brücke, die ich vor kurzem vermint habe. Rechts von uns ist der Feind schon auf unserer Höhe. Zerstören die Fahrzeuge, die wegen Benzinmangels stehen blieben. Demolieren die Häuser und ziehen uns auf LEWKOWO zurück. Als letzte verlassen ich und meine Pioniere GORKI. Sprenge unterwegs sämtliches Gerät, das zurückgelassen wurde. Verlege Minen im Streueinsatz, um das Vordringen des Gegners zu verzögern. LEWKOWO muß von uns unbedingt bis 18 Uhr gehalten werden, andernfalls müßten wir es zurückerobern. IR 9 ist längst weiter zurückgegangen. Olt. Nachtigall, der Chef der 11. Kompanie, tut alles für die Verteidigung des Ortes. Aber immer näher kommt der Russe, und wir können es nicht verhindern, daß er am Dorfeingang Fuß faßt. Seine MG-Salven und sein Infanteriefeuer peitschen die Dorfstraße entlang. Jetzt beginnt meine Arbeit. Ich sprenge mit meinen Männern 5 schwere deutsche Panzer, die an den Häusern in Deckung stehen. Pelze, Fotoapparate, Stoffe, usw. - all dies befindet sich noch darinnen. Wegen Benzinmangels mußten sie stehen gelassen werden, wie so manches andere wertvolle deutsche Fahrzeug und Geschütz. Die im Panzer befindlichen Granaten fliegen uns um die Ohren. Vielleicht war dies unsere Rettung, denn der Russe dringt nicht weiter ins Dorf ein, im Gegenteil, er verhält sich ruhiger. Russische Geschütze, deutsche Lkw, Raupenschlepper, Mannschaftspanzerwagen usw. alles jagen wir in die Luft und stecken zum Schluß die Häuser in Brand. Inzwischen ist auch der Unteroffizier mit 3 Mann, die ich fortgeschickt hatte, eine Holzbrücke zu sprengen, zurückgekommen. Die -

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Infanterie haut ab. Wir sprengen noch einen Lkw mit Minen und folgen nach. Die Sprengmunition haben wir auf Schlitten verladen. Verlegen unterwegs Minen. Unsererseits wird alles getan, um die Russen hinzuhalten. Kurz vor SWISTUCHA [SVISTUHA], dem heiß umstrittenen Dorf an der Rollbahn, wird ein Mann von mir von einer russischen Mine, auf die er getreten ist, schwer am Fuß verwundet.

Begebe mich mit meinen Pionieren nach RAKOWO [RAKOVO], wo sich der Regimentsgefechtstand befindet und melde mich dort bei Major Lattorff. Unser Henschel wartet hier auf uns. Muß mit der Gruppe in der Nacht 3 Wege nach SCHABROWO [HRABROVO] verminen. Nachdem 2 Wege vermint sind, fahren wir mit dem Henschel 2 Dörfer weiter zum letzten. Dort soll ein Zug Infanterie liegen, der uns bei den Arbeiten sichert. Aber es ist keine Seele zu sehen. Wir machen kehrt. Auf halbem Wege begegnet uns der Zug, der erst jetzt das Dorf besetzen will. Ich lade sie auf den Lkw und fahre zurück. Sie besetzen ein paar wichtige Punkte im Gelände, und ich verlege die Sperre. 09. 12. 1941 Bin um 3 Uhr im Quartier. Kochen uns Kaffee und schlafen. Vormittags muß ich zum Major. Er bedankt sich und entläßt uns. Fahren nach PUTJATINO (ein einziges Haus), wo sich der Regimentsgefechtsstand befindet und melden uns dort zum weiteren Einsatz. Noch immer haben wir den Schwerverwundeten bei uns. Er wird hier erneut verbunden. Man schickt uns weiter nach DIDEREWA. Dort treffen wir unseren 3. Zug und schließen uns an. Fahren zusammen die Rollbahn entlang bis SSOLNJETNAJAGORA [SOLNECNOGORSK]. In einem geräumten Lazarett, einem großen Steinbau, quartiere ich uns ein. Um 16 Uhr werde ich endlich den Verwundeten los. Japan hat nun auch Rußland den Krieg erklärt. [Anmerkung: Dies entspricht nicht der Realität!]. Hier auf der Rollbahn strömt alles zurück. Ein Glück, daß uns der Russe mit seinen Fliegern verschont. Der Rückzug wird zur heillosen Flucht 10. 12. 1941 Nicht Benzinmangel soll der Grund für die stehen gebliebenen Fahrzeuge sein, sondern die 124


Wegeverhältnisse und der hohe Schnee. Bis 8 Uhr geschlafen. Russische Luftwaffe ist sehr aktiv. Russische Gefangene lungern hier ohne Aufsicht herum und kratzen vor Hunger die stehen gebliebenen Feldküchen aus. Die Kälte hat etwas nachgelassen. Hier an der Rollbahn steht zahlreiches deutsches gesprengtes Material. Teile unserer Kompanie treffen ein, darunter unser Spieß mit der Feldküche. Ofw. Hohme, der mit 2 Gruppen eingesetzt ist, schickt 2 Melder: er weiß nicht, wie er sich verhalten soll. Abends kommt unser Chef. Ich fahre mit 4 Lkw los, um den Rest der Kompanie, der infanteristisch eingesetzt ist, zu holen. Werde unterwegs auf der Rollbahn mit dem Ruf angehalten: “Panzer von vorn!“ Eine endlose Kolonne kommt uns entgegen. Also kehrt und zurück. Es befinden sich alle motorisierten Truppenteile und Trosse in heilloser Flucht. Einige Leute unserer Kompanie haben sich zu uns durchgeschlagen. Sie sprechen von durchgebrochenen Panzern und davon, daß die Infanterie alles stehen und liegen gelassen habe und getürmt sei. Verlassen die Stadt und fahren bis RUBSCHINA, westlich der Rollbahn nach KLIN. Ein trostloser, panikartiger Rückmarsch. 11. 12. 1941 Kein Zweifel, der Russe hat eine groß angelegte Gegenoffensive gestartet. Die Ortskenntnisse, die Kälte, die kurzen Nachschubwege, all dies sind seine Vorteile. Soll es uns so wie Napoleon ergehen? In RUBSCHINA ist alles überfüllt. Notdürftig kommen wir unter. Nachmittags erreichen uns die restlichen Teile unserer Kompanie. Sie mußten ebenfalls ihr Heil in der Flucht suchen. Vorn muß es toll zugehen. Viele Tote und Verwundete. Die Infanterie hat keinen Kampfgeist mehr, die Kälte tut ihr übriges. Allein der Anblick eines Panzers genügt, um sie zu veranlassen, sich zur Flucht zu rüsten. Von uns mußten sie den Uffz. Golz liegen lassen, der durch Brustschuß verwundet wurde. Schade um ihn. Es ist nun mal so, daß in der größten Not der Selbsterhaltungstrieb stärker ist als die Kameradschaft. 12. 12. 1941 Untergraben die Rollbahn an mehreren Stellen, füllen die Löcher mit Sprengmunition und bereiten alles für eine Sprengung vor. Zeit gewinnen und den russischen Vormarsch stoppen, das ist unser Ziel. Artillerie geht in Stellung. Ich fahre mit einem Henschel Wegeerkundung. 13. 12. 1941 Nachdem unsere motorisierten Teile das Dorf passiert haben und sich vor uns nur noch ein dünner Schleier von Infanterie befindet, sprengen wir die Rollbahn und machen sie unbefahrbar. Wir ziehen uns nach ADRIANOWA zurück. Verfahren uns dabei gründlich. Ein einheimischer Führer bringt uns durch diesen verteufelten Wald an Ort und Stelle. Der Russe drückt unglaublich nach 14. 12. 1941 Der Russe drückt unglaublich nach und ist nicht aufzuhalten. Bedeutet dies unsere Vernichtung und unser Ende? Es droht eine Katastrophe zu werden. Heute sollen wir wieder 15 km zurück bis DASCHKOWA. Fahrzeug an Fahrzeug; alle Straßen sind verstopft. Die russischen Flieger greifen laufend an. Keine Abwehr unsererseits. Nur schrittweise geht es vorwärts! Bis Mitternacht haben wir gerade 6 km zurückgelegt und bleiben vor einer Brücke liegen. Eine schrecklich kalte Nacht und kein Dach über dem Kopf. Russische Luftüberlegenheit 15. 12. 1941 Gehe zu Fuß zu unserem Bestimmungsort. 9 km Weg, aber man hat wenigstens warme Füße. Eine Welle russischer Tiefflieger und Bomber nach der anderen. Nachts um 23 Uhr sind endlich alle Fahrzeuge hier. Liegen wie die Heringe im Quartier. Die Rollbahn für den Rückmarsch freikämpfen 16. 12. 1941 125


Es ist zum Weinen, wenn man bedenkt, daß dies mit so schweren Opfern erkämpfte Land wieder aufgegeben werden muß. Unsere Ju‘s [Junker-Flugzeuge] werfen Benzin mit Fallschirmen ab. Endlose Kolonnen von Fahrzeugen bewegen sich nach Westen. Auf dieser Rollbahn marschiert eine ganze Armee rückwärts. Die Verkehrspolizei hat alle Hände voll zu tun, Ordnung in dieses Zurückfluten zu bringen. Sie machen von ihrer Pistole oft Gebrauch. Ihren Anordnungen ist zwar unbedingt Folge zu leisten, aber es gibt viele, die sich darum nicht kümmern und nicht schnell genug zurückkommen können. Oft stoppt die Kolonne. Flieger sind ständig über uns. Ein Glück, daß sie immer quer zur Straße angreifen. Wir kommen nicht weiter. Der Russe hat in Stärke eines Regiments und mit 2 Panzern die Rollbahn gesperrt. Gegenstoß unsererseits. Die Rollbahn wird für den Rückmarsch freigekämpft. Das wiederholt sich noch dreimal an diesem Tag. Jedes Mal kostet es uns viele zerstörte Fahrzeuge, viele Verwundete und Tote und vor allem Zeit. “Vor Moskau beginnt die Zerschmetterung der Hitler-Armee“ 17. 12. 1941 Ein Henschel, mit dem ein Leutnant Erkundung fährt, wird überfallen. Der Fahrer ist tot, das Fahrzeug verwüstet. Mit Mühe können sich der Leutnant und der Beifahrer - beide verwundet - retten. Folgende Fahrzeuge sind in unserer Kompanie schon ausgefallen: 2 Henschel, 2 Funkwagen, 2 Pkw und 4 Kräder. Werden von einem Oberst aufgehalten. Er hat den Befehl, sämtliche Versprengte zu sammeln und mit ihnen den Ort zu verteidigen. Wir kamen ihm gerade recht, denn seine zusammen gewürfelte Truppe besitzt nicht viel Kampfgeist. Stellen Stoßtrupps auf. Flugzettel der Russen tragen die Aufschrift: “Vor Moskau beginnt die Zerschmetterung der Hitler-Armee“. Ferner fordert man uns darin auf, die Waffen wegzuwerfen und überzulaufen. Wir erhalten Verstärkung durch Flak und Artillerie. Bereiten Sprengladungen vor und stellen Sicherungen aus. 18. 12. 1941 Werden wir die Russen aufhalten können? Wie sieht es bei den Heeresgruppen Süd und Nord aus? Das sind die Fragen, die uns am meisten beschäftigen. Wir waschen und rasieren uns, wechseln die Wäsche und fühlen uns wieder wie Menschen. Die Feldküche gibt Schnaps aus. Auch Post ist da, aber nichts für mich. Ich habe nicht mehr eine Zigarette. Die Auffangstellung am LAMA-Fluß (Karte Seite 127) 19. 12. 1941 Fahren 5 km weiter zurück. Wenn man die Rückzugstraßen sieht, kann man verzweifeln. Wie konnte es nur so weit mit uns kommen?! Was ist der Grund dafür und wer trägt die Schuld? Das frage ich mich. Gleichzeitig muß ich mich wundern, woher der Russe nach den gewaltigen Niederlagen und dem Landverlust diese Kraft nimmt. Wir tun doch alles, um ihn aufzuhalten: sprengen die Straßen und Brücken, brennen die Dörfer ab usw. Trotzdem steht der Russe oft weiter im Westen als wir. Wo soll das nur hinführen? Der deutsche Infanterist wirft alles von sich. In den Chausseegräben liegen Gewehre, Tornister und Bekleidungsgegenstände. Bauen eine Auffangstellung aus. Finden ein Grabensystem der Russen mit tadellosen Bunkern vor. Brauchen nur einige Verbesserungen vorzunehmen und Schnee zu schaufeln. Um 18 Uhr mit den Arbeiten fertig. Diese HKL am LAMA-Fluß soll unbedingt gehalten werden, ansonsten ist unsere Heeresgruppe Mitte erledigt. Amerika ist nun auch in den Krieg gegen uns eingetreten. Da ist vorerst an kein Ende zu denken. Japan hat zwar schon 50% der amerikanischen Flotte vernichtet, aber was will das schon besagen! Bleiben mit 2 Zügen in JUROSOWA. Stellungsbau 20. 12. 1941 Weiterer Stellungsbau in tollem Schneesturm. Der Boden ist bis zu 60 cm tief gefroren. Wir 126


benötigen sehr viel Sprengmunition. 21. 12. 1941 Weiterer intensiver Stellungsbau an der LAMA-Stellung. Unser General besichtigt die Bunker und MG-Stände. Unser Bataillonskommandeur hat dies noch nicht nötig gehabt. Sichten nachmittags eine Kompanie russischer Soldaten. Unsere Artillerie hält dazwischen. In unser Dorf ziehen Pak, Flak, Infanterie und eine sMG-Kompanie ein. Der Russe schießt mit Granatwerfern in den Ort. Eine Granate durchschlägt das Dach meines Quartiers. Bleibe bis Mitternacht wach und warte auf unsere Essenholer. Gerade bin ich draußen, um Ausschau nach ihnen zu halten, da geht plötzlich eine tolle Ballerei los. Rings um uns knallt es. Man weiß nicht, wo ist der Freund, wo steht der Feind. Nach 2-stündigem Gefecht herrscht wieder Ruhe. 22. 12. 1941 Im Schutze der Nacht hatte sich der Russe bis an unser Dorf herangepirscht. Ski und Schneehemden erleichterten dies. Teilweise war er schon im Ort. Als ich die Stellungen kontrolliere, zähle ich 30 tote Russen. Von unserem Zug ist ein Mann verwundet worden. Wir versprengen die letzte Munition. Abends bringt Fw. Hohme auf einem Schlitten neue Sprengmittel. Die Gruppen arbeiten die Nacht hindurch im Wechsel. Die Parole lautet: Schnell in die Erde hinein. Eine Gruppe des 2. Zuges wird uns unterstellt. Brauchitsch ist als Oberbefehlshaber des Heeres abgesetzt. Bataillonsstärke 22 Mann 23. 12. 1941 Der Vormarsch des Feindes scheint zum Stehen gekommen zu sein. Der Schneesturm hält an. Wege und Straßen gibt es nicht mehr. Besichtige unsere Arbeiten. Verpflegung kommt. Ein Lt. der Infanterie erklärt mir, daß im Dorf je ein Bataillon von IR 68 und IR 67 liege. Die Wirklichkeit sieht aber wesentlich anders aus, denn diese beiden Truppenteile existieren nur noch dem Namen nach. So besteht das Bataillon 68 aus einer Kompanie und diese nur aus 60 Mann. Das andere Batl. ist noch schwächer, nämlich lediglich 22 Mann. So hat man uns schon zusammen getrümmert. Arbeiten bis nachts 1 Uhr. Weihnachten? - Der Rückzug ist zum Stehen gekommen 24. 12. 1941 Um 6 Uhr Wecken durch russisches Granatwerferfeuer. 7 Uhr Arbeitsbeginn. Auch der Russe fängt an, sich einzuschanzen. Unsere Artillerie hält dazwischen. Der Russe hat seine Artillerie auch bereits vorgezogen und antwortet. 12 russische Bomber werfen ihre Last in das Dorf und die Stellungen. 6 Tiefflieger beharken uns mit ihren Bordwaffen. Der Russe kann unseren Ort einsehen und beschießt die Dorfstraße gern mit Pak. Wir ziehen Bretterwände über die Straße. Gestern wurden wir von einem Flugzeug bombardiert, das deutsche Erkennungszeichen trug. Unsere Truppen sind zum Stehen gekommen. Unsere Division hat nun einen Abschnitt von 5 km Breite. Links von uns in der Stadt JEROPLES [JAROPOLEC] liegt eine - soeben aus Deutschland eingetroffene - Lehrbrigade, daneben die 14. Panzer-Division. Rechts von uns ist die l06. Inf.-Div. [9. Armee, 5. AK] angeschlossen. IR 9 sitzt in einer Flankenstellung. Die Infanterie ist fest davon überzeugt in 5 Wochen abgelöst zu werden. Truppen aus Frankreich sollen zum Entsatz unterwegs sein. Bei uns ist die Lage einigermaßen ruhig. Der Fluß LAMA wird als panzersicher angesprochen. Zum größten Teil sitzt die Infanterie schon in Löchern. Wir bauen vorwiegend Bunker. Da heute Heiliger Abend ist, stellen wir um 16 Uhr die Arbeiten ein. Der Ortskommandeur, ein Major, besichtigt die Stellungen. Der Schneesturm hat nachgelassen, dafür ist es kälter geworden. 2 Mann sind mit einem Schlitten 12 km zurück zur Kompanie gefahren, um Verpflegung zu holen. Um 17 Uhr sind sie wieder bei uns und bringen sogar einen Tannenbaum mit. Dieser wird achtlos in die Ecke gestellt, denn keiner hat Lust, ihn zu schmücken. Was uns genügt, ist Ruhe, eine warme Stube und Schnaps. Letzteren bringen sie jedoch nicht mit keinen einzigen Tropfen. Auch Post aus der Heimat ist nicht angekommen. Ein trostloser Hei127


ligabend. Als Verpflegung gibt es pro Mann für die beiden Feiertage: 1/2 Brot, 4 Riegel Schokolade, Butter, Leberwurst, Schinken, Hackepeter, 25 Zigaretten und 20 Bonbons. Funken an die Kompanie folgenden Weihnachtsgruß: “Weihnachtsverpflegung erhalten, Stimmung ganz groß. Im Osten nichts Neues. Aus der HKL wünschen wir dem Führer der Kompanie sowie den in rückwärtigen Diensten befindlichen Teilen der Kompanie ein herzliches Weihnachtsfest.“ Etwas Humor haben wir uns doch noch bewahrt. Um 19 Uhr lassen wir die Gruppenführer zu uns kommen. Sitzen mürrisch um den Tisch, eine Petroleumlampe spendet ein trübes, spärliches Licht, die Funker klappern auf den Morsegeräten, und das Gespräch dreht sich um ganz alltägliche Dinge. Es kommt keine feierliche und festliche Stimmung auf. Hoffentlich läßt uns der Feind in dieser Nacht in Ruhe. 25. 12. 1941 l. Weihnachtsfeiertag. Das einzige Beförderungsmittel ist der einheimische Schlitten geworden. Selbst der General ist darauf angewiesen. So ziehe auch ich morgens mit dem Schlitten und 2 Panjepferden zur Kompanie, um Verpflegung und Post zu holen. 2 1/2 Stunden dauert die Tour. Entlause, wasche und rasiere mich. Hier ist doch ein weitaus besseres und ruhigeres Leben. Bin um 16 Uhr ohne Post, aber mit viel Sprengmaterial, zurück. Unsere 5. Panzerdivision soll im Rücken der Russen operieren. Der Feind beschießt unser Dorf mit Stalinorgeln [Raketenwurfgeschütz]. Die Einschläge liegen für uns ungefährlich. Aus sämtlichen Ortschaften werden jetzt die Zivilisten ausgewiesen und nach hinten geführt. Ein trostloser Anblick, diese in Lumpen gehüllten Gestalten. Alte Männer mit dem notdürftigsten Gepäck versehen, Frauen mit kleinen Kindern auf dem Arm, so wanken sie dahin. Dazu diese eisige Kälte. Wir stellen vor jedes Haus Alarmposten aus. Der Russe soll uns nicht so überraschen, wie eine Gruppe der 2. Kompanie, die nachts im Haus überfallen und durch Handgranaten und Kolbenstöße vollkommen vernichtet wurde. 26. 12. 1941 2. Weihnachtstag. Eiskalter Nordwind. Trotzdem müssen wir an die Arbeit. Schneetreiben setzt ein. Wieder keine Post. Das war also Weihnachten. In Gedanken verlebe ich das Fest daheim. Dieser strahlende, geschmückte Baum, die Geschenke: wochenlang hatte man sich darauf gefreut. Überall frohe Gesichter. Wie ganz anders ist es hier. Lange liege ich noch wach, grüble und schicke meine Grüße durch den Äther nach Hause. 27. 12. 1941 Das Batl. 68 wird herausgezogen. Wahrscheinlich stinkt es am rechten Flügel, wo andauernd lebhaftes Feuer im Gange ist. Wir sollen zur 2. Kompanie nach SPASSKOJE verlegt werden. Immer noch dieses Schneetreiben. Fritz Stuckmann ist am 3. 12. seinen Verletzungen erlegen. Links von uns bei JAROPLES [JAROPOLEC] scheint sich der Russe einen Schnupfen ge

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Lama

holt zu haben, denn dort ist es sehr ruhig geworden. Auch in unserem Abschnitt ist es still. Nur rechts, bei IR 9, ist immerzu etwas los. Dort soll der Feind sogar in die HKL eingedrungen sein. Für das herausgezogene Batl. 67 kommt ein Batl. des Regiments 455 der 255. Infanterie-Division [9. Armee, 8. Armeekorps] in unseren Abschnitt. Auch wir bleiben bis auf weiteres hier. Trotz des Schneetreibens sind russische Flieger über uns. Von unserem Zug sind schon 4 Mann krank (dicke Köpfe usw.), etliche quälen sich so herum. Was mag das nur für eine Krankheit sein? Ich habe fast nichts zu tun. Lediglich einmal vormittags bzw. nachmittags gehe ich die Arbeiten kontrollieren. Es kommt für 2 Tage Verpflegung an: Käse, Butter, Ölsardinen, Bonbon, Schokolade und Zigaretten. Wir schicken ein Sprengkommando nach ALFERJEWO [ALFEREVO], außerdem einen MG-Trupp zurück zur Kompanie, zum Schutz des Kommandeurs. Die haben Sorgen! Viele Kranke 28. 12. 1941 Die Kranken mehren sich. Heute klagen wieder 5 Mann über Durchfall, Kopfschmerzen und Schwäche. Bei IR 9 ist der Russe eingebrochen. Stukas wirken dort den ganzen Vormittag. Gehe mit Fw. Hohme nach SPASSKOJE. Wir nehmen dort mit dem Chef der 2. Kompanie, Hptm. Brand, Verbindung auf. Unser Chef ist zufällig ebenfalls vor Ort. Wir können noch nicht umziehen, da keine Quartiere frei sind. Der Russe schießt Störfeuer mit Artillerie und Granatwerfern. Er scheint sich einzuschießen. Schreibe abends. 29. 12. 1941 Wieder ein Kranker. Notdürftig flickt sie der Sani zusammen. JR 67 hat 80 Mann Nachersatz erhalten. Kurzfristig ausgebildete Soldaten. Russische Tiefflieger versuchen unsere Arbeiten zu stören. Die feindliche Pak schießt wieder, trotz der Blenden, die Dorfstraße entlang. Sämtliche Fahrzeuge des Bataillons machen Stellungswechsel nach NIKOLSKOJE (25 km rückwärtig gelegen). Die ganze Nacht belästigt uns der Russe mit seinen schweren Waffen. Wir aber bleiben stur in unseren Häusern. Man stumpft ab und wird mit der Zeit gleichgültig. Brot ist jetzt äußerst knapp. 30. 12. 1941 Wieder mit Fw. Hohme bei Hptm. Brand. Die Lage bei IR 9 ist äußerst bedenklich. In dem einen Teil von LATSCHINI sitzt der Russe, im anderen deutsche Infanteristen, verstärkt durch den 3. Zug. Sie dürfen sich tagsüber nicht aus den Häusern wagen. Die Do-Geschütze unterstützen unsere Soldaten so gut wie möglich. 129


Abends erhalten wir Befehl umzuziehen. Laden unser Gerät und Munition auf Schlitten und verlassen um 21 Uhr JURSEWO. In SPASSKOJE gibt es für uns keine Unterkunft. Einbruch bei der 106. Infanterie-Division 31. 12. 1941 Man spricht schon wieder von einer neuen HKL. Wir bekommen bereits die neuen Abschnitte zugewiesen. Die 106. ID [9. A, 5. AK] zieht sich immer weiter zurück. Dem Feind ist dort schon ein tiefer Einbruch gelungen. Was der deutsche Soldat hier leidet, ist einmalig. Bestes deutsches Blut wird geopfert. Die Verwundeten bieten einen jammervollen Anblick. Man kann ihnen nicht mehr die nötige Pflege angedeihen lassen. Zuviel ist beim Rückmarsch verloren gegangen. Unser Verpflegungsschlitten bringt zu Silvester für je 5 Mann eine Flasche franz. Kognak sowie Zigarren und Stumpen. Um 21 Uhr schickt die Kompanie für jeden Mann noch ein 1/4 Ltr. Glühwein. Sitzen bis nach Mitternacht zusammen. Draußen herrscht Ruhe. Das Feuerwerk zum neuen Jahr bereitet uns die russische Artillerie - verspätet - morgens um 6 Uhr.

1942

Stellungsbau 01. 01. 1942 In unserem Nachbardorf lebhaftes Gewehr- und MG-Feuer. 3 russische Panzer sind dort bis zum Dorfeingang vorgedrungen und ballern nun in den Ort hinein. Bauen an den Stellungen weiter. Ich erhalte den Auftrag, im Vorgelände einen Schartenbunker zu errichten. Die russische Artillerie belegt den Dorfausgang von POMMERSKINO [POMAZKINO], durch das ich mit meiner Gruppe hindurch muß, mit Granaten. Kann deshalb erst um 17 Uhr die Arbeiten beginnen. Es muß alles lautlos geschehen. Mit Pickeln arbeiten wir uns ca. 60 cm in die Erde. Bekommen noch 30 Mann eines Bauzuges zugeteilt, die das Holz herantragen müssen. Arbeiten die Nacht hindurch. 02. 01. 1942 Um 4 Uhr wieder im Quartier. Schlafe bis 10 Uhr. Stellen bis 16 Uhr den Bunker fertig. 3 Mann unseres Zuges erhalten das EK. Die erste Weihnachtspost trifft ein. Ich erhalte 2 Päckchen. Um 17 Uhr erreicht uns ein neuer Auftrag. Sollen zwischen POMMERSKINO und SENINIZY 2 Mannschaftsbunker bauen. 12 Mann vom Bauzug unterstützen uns. Es wird die Nacht hindurch bei 40 Grad Kälte mit 3-stündlicher Ablösung gearbeitet. Entweder Fw. Hohme oder ich sind zur Aufsicht ständig draußen. Ein russischer Aufklärer wirft uns - als wir mitten auf freiem Feld sind - Bomben und Handgranaten vor die Nase. Wir rennen um unser Leben in Deckung. Es mehren sich die Erfrierungen 03. 01. 1942 Um die Arbeiten schneller beenden zu können, erhalten wir 50 Infanteristen zugeteilt. Man muß mächtig hinter denen her sein und sie zur Arbeit antreiben. Sie stehen lieber herum und frieren. Es mehren sich die Erfrierungen. Unser Zug hat nur noch 10 Arbeitskräfte. Die Toten, die man auf Schlitten zurückbringt, um sie hier der Erde zu übergeben, bieten mit ihren starren Gliedmaßen ein schreckliches Bild. 130


Nebelwerfer sind im Ort in Stellung gegangen und schicken Salve um Salve gegen den Feind. Bei meinem Rundgang durch die Stellungen werde ich von Pak beschossen. Russische Artillerie schießt in den Ort. Sie suchen die Nebelwerfer, die aber längst Stellungswechsel gemacht haben. In der Nacht schippen die 50 Infanteristen, während wir unsere Pioniere schonen. 04. 01. 1942 Habe bis 8 Uhr wie ein Murmeltier geschlafen. Große Entlausung. Man kann sich vor diesen Quälgeistern kaum noch retten. Wir wimmeln voller Läuse. Endlich nach 6 Tagen wasche und rasiere ich mich mal wieder. Ein Mannschaftsbunker ist fertig. Bin die Nacht hindurch in der Stellung. Unsere Artillerie macht einen Feuerüberfall. Von daheim 2 Päckchen erhalten. 43 Grad Kälte 05. 01. 1942 43 Grad Kälte waren es in dieser Nacht. Der Führer erläßt einen Aufruf an die Ostarmee. Darin heißt es, daß die Lage ernst sei. Wir sollten ausharren, denn schon seien Armeen und Ski-Bataillone unterwegs. Heute wird wieder ein Mannschaftsbunker fertig. Nachmittags schreibe ich an einige verwundete Kameraden unseres Zuges und arbeite EK-Vorschläge aus. Der Antrag für mein EKI ist vorerst von der Division abgelehnt worden. Bilanz: Sollstärke unseres Zuges ist einschließlich Unteroffizieren 45 Mann. Davon sind 4 Mann Kraftfahrer, 1 Sanitätsunteroffz., 6 Uffz., 8 Mann krank. Bleiben also noch 26 Mann. Davon sind wiederum 2 Mann Melder, 2 Mann holen die Verpflegung und 2 Mann sind beim Stab als MG-Wache. Somit bleiben uns noch 20 Arbeitskräfte. Von diesen 45 Mann haben bereits 22 das EK und 9 weitere sind eingereicht. 06. 01. 1942 Werden um 4 Uhr durch russisches Artillerie- und Granatwerferfeuer unsanft geweckt. Die Einschläge liegen ganz dicht bei unserem Haus (3 m vom Eingang). Wir verstärken die Posten. Gehe vormittags mit Paul Hohme die Stellungen ab. Der Russe schießt mit Gewehrfeuer auf uns. Bin erneut zum EKI eingereicht. Mittags kommt Uffz. Protsch mit dem 2. Zug, um uns abzulösen. Wir weisen ihn ein und gehen zur Kompanie zurück, wo wir um 21 Uhr eintreffen. Tadellos hat sich diese in sehr schönen Quartieren eingerichtet. Sogar Betten haben sie gebaut. Die ersten Ski treffen ein 07. 01. 1942 Jeder Zug wird mit 4 Paar Ski und 3 Paar Schneereifen ausgerüstet. Es gibt Post. Wir stellen unser Radio auf. Bringen unsere Kleidung in Ordnung. Nachmittags stehe ich erstmals auf Brettern. Sitzen abends mit den Gruppenführern bei Radiomusik und trinken Schnaps. Hier hört und sieht man nichts vom Krieg. 08. 01. 1942 Vormittags unternehme ich zur Entspannung bei Sonnenschein einen 2-stündigen Spazierritt auf einem Panjegaul in die winterliche Landschaft. Nachmittags wieder auf Skiern. 09. 01. 1942 Wie wohl tut diese himmlische Ruhe den Nerven, und wie schön ist es am warmen Ofen. Bin den ganzen Tag draußen auf den Brettern. Ich will so schnell wie möglich Skifahren lernen. Von zu Hause schickt man mir eine Flasche Rum. 1 km entfernt wird ein russisches Flugzeug zur Notlandung gezwungen. Als wir hinkommen, hat man den Piloten, der sich bis zur letzten Patrone verteidigte, schon gefangen genommen. 10. 01. 1942 Heftiges Artilleriefeuer des Russen; auch die Stalinorgel spricht mit. Es muß da vorn wieder etwas im Gange sein. Unglaublicher Schneesturm. ZACHARINO ist das Ziel des Angriffs. Fahre mit Fw. Hohme nach SPASSKOJE, den Zug führt Uffz. Bauerrichter nach. Er kommt 131


aber nur bis ILLINSKOJE [ILINSKOE] und wird dort aufgefangen. Wir begeben uns dorthin zurück und werden Lt. Lütke von der 1. Kompanie unterstellt. Sollen morgen einen Gegenstoß auf ZACHARINO, das in russischer Hand ist, machen. Angriff auf ZACHARINO 11. 01. 1942 Schicke 50.-RM an Tante Lene. Rücken morgens um 6 Uhr zu unserem Bereitstellungsplatz ab. Derselbe befindet sich in einem Waldstück vor ZACHARINO. Noch während des Marsches stoßen wir mitten im Wald auf ein Bataillon Russen. Es entwickelt sich eine wüste Knallerei. Die Russen werden von 3 Panzern gut unterstützt. Unsere Infanterie läuft davon. Nur wir Pioniere und die Panzerjäger versuchen zu retten, was zu retten ist. Hptm. Dageförde, der den Ort von Norden angreift, kommt erst gut voran, muß dann aber liegen bleiben. Uns fehlt Pak, dann wäre alles anders. Der Druck des Feindes verstärkt sich, und so müssen auch wir uns kämpfend zurückziehen. Dabei geht es über eine freie Fläche durch 1 m hohen Schnee nach ILLINSKOJE. Der Russe beharkt uns mit MG- und Gewehrfeuer. Erhalten 100 T-Minen zum Verlegen, ferner sollen wir Schützenlöcher sprengen. LECHINITZKY ist auch verloren gegangen. Wir haben die Bunker also umsonst gebaut. Verlege nachts 50 T-Minen und sperre sämtliche Wege von Westen, Osten und Süden gegen Panzer. Stalinorgel schießt in unser Dorf. Die LAMA-Stellung ist nicht mehr zu halten 12. 01. 1942 Auch in SPASSKOJE sitzt der Russe. Unsere 2. Kompanie und unser 2. Zug mußten der Übermacht weichen. Dort fehlte es, wie bei uns, an panzerbrechenden Waffen. Ein Unteroffizier und 6 Mann seiner Gruppe wurden von Panzern überfahren und zermalmt. Ein Mann seiner Gruppe - der verwundet worden war - stellte sich tot und konnte später entkommen. Er berichtet, daß die Russen alles, auch die Verwundeten, niedergemetzelt und jeden einzelnen ausgeplündert hätten. Ich fahre mittags mit dem Schlitten zur Kompanie zurück. Habe Stirnhöhlenkatarrh und muß zum Arzt. Hier rüstet schon alles zum Aufbruch. Es geht 6 km zurück bis NASAREWO [NAZAREVO]. Dort angekommen, werden wir gleich mit einem Artilleriesegen empfangen. Am Hauptverbandsplatz 13. 01. 1942 Mache mich morgens mit noch 6 Mann auf den Weg zum Hauptverbandsplatz. Alles ist von Verwundeten überfüllt. Die Ärzte haben alle Hände voll zu tun. Es fehlt am Nötigsten. Müssen auf den ungeheizten Fluren warten und diese später für die Schwerverwundeten freimachen. Ziehen in ein Haus um, das schon überfüllt ist. Hier steht einer dicht an den anderen gedrängt, an Sitzmöglichkeit ist gar nicht zu denken. Treffen zufällig unsere Feldküche und den Troß unserer Kompanie. Dem schließen wir uns an. Mit uns können die Ärzte jetzt doch nicht viel anfangen. Die Verwundeten und Schwerkranken nehmen schon ihre ganze Zeit in Anspruch. Übernachten bei der Flak in selbstgebauten Betten. 14 .01. 1942 Fahren 6 km in südwestlicher Richtung bis zur Division. Abends erreicht uns der Befehl, daß die Trosse und Kranken bis SEREDA (16 km) zurück sollen. Nach 8 km Fahrt machen wir in einem Dorf Station. Brot ist wieder knapp. Pro Mann gibt es einen Laib für 3 Tage. In SEREDA 15. 01. 1942 Schlafen von 3 bis 7 Uhr und fahren dann weiter. In SEREDA gute Quartiere. Wir sind ja so anspruchslos geworden. Wir entlausen uns. 16. 01. 1942 Der gesamte Troß unseres Bataillons ist hier einquartiert. Auch ein Zug unserer Kompanie stößt zu uns, während die beiden anderen Züge noch vorn liegen und der Infanterie den Rück.

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zug decken. Unser Zug trifft ein. Die Männer haben sich Kisten auf die Ski genagelt und kommen schwer beladen daher. Ein Verpflegungsdepot wurde von ihnen in die Luft gejagt und vorher natürlich einiges mitgenommen. Auserlesene Sachen kommen da zum Vorschein: Erdbeeren in Büchsen, Kaviar, Kekse, Pralinen, Schokolade, die besten Zigaretten. Gierig fallen wir über die Leckerbissen her. Für wen war dies alles bestimmt? Wenn es die Verwundeten in den Lazaretten bekommen sollten, ist es gut, aber... Schwere Tage haben die Jungens hinter sich. Mußten wieder vor den russischen Panzern türmen. Diese russischen T-34 sind doch gut. Während unsere Panzer fast vollkommen ausfallen, können die T-34 mit ihren breiten Ketten überall operieren, selbst da, wo wir es für ausgeschlossen halten. Haben wieder Verluste zu beklagen: Neumann ist durch Hodenschuß verwundet, Füllgraf hat 3 Schüsse im Bein und durch Splitter den Daumen und Zeigefinger der rechten Hand verloren, Dükomy hat es am Fuß erwischt. Gott sei Dank konnten sie mit zurückgebracht werden. Dagegen mußten Klauser und Schorrstedt mit ihren Verwundungen liegen gelassen werden. Hat der Russe seine Kampfmethoden geändert? Sie erzählen uns, daß die Panzer höchst anständig gewesen wären. Sie seien um die Verwundeten herumgefahren und diejenigen, die die Hände erhoben hätten, seien unbehelligt geblieben. Russische Flieger werfen Bomben ab. Wir bereiten eine Brücke zur Sprengung vor und verlegen Minen an der Rollbahn. Die 1. Kompanie brennt in der Umgebung sämtliche Dörfer ab. 17. 01. 1942 Rücken aus SEREDA ab. Unsere Kompanie hat jetzt 35 Tote und 50 Verwundete zu beklagen. 18 km hinter NIKOLSKOJE, der altbekannten Gegend vom Vormarsch [siehe 11. 11. 1941], machen wir einen Halt. Abends sind wir Unteroffiziere beim Kompanie-Chef zum Hackepeter-Essen eingeladen.

In die neue Auffangstellung vor GSHATSK (siehe 07. 11. 1941) 18. 01. 1942 Wieder 20 km weiter zurück bis kurz vor GSHATSK. Hier haben Korps-Pioniere eine Art Auffangstellung gebaut, die wir verbessern und vervollständigen sollen. In 3 Tagen wird unsere Infanterie hier erwartet. Auch unsere 2. Kompanie liegt bereits hier. Wann wird der Russe endlich zum Halten gebracht? Wird diese neue HKL von Bestand sein? Graf Hoffmannseck, der Kommandeur der Panzerjäger, ist gefallen. So geht einer nach dem 133


anderen dahin, und immer sind es die Besten. Die sagenhafte HKL 19. 01. 1942 Betrachten uns die sagenhafte HKL, von der man schon 8 Tage sprach und sich erzählte, daß dieselbe bestens ausgebaut sein soll und mit frischen Truppen besetzt sei. Was wir vorfinden, sind dagegen lediglich einige MG-Schartenstände - weiter nichts. Kein Graben - nichts. Unser Zug reißt im Dorf einige Häuser ab. Wir brauchen das Holz für den Bau von Unterständen. In dem meterhohen Schnee fangen wir an Gräben zu schaufeln und Mannschaftsbunker zu bauen. Der Russe sitzt bereits in SEREDA und wird folglich spätestens in 2 Tagen hier sein. Was dann? Man hört schon deutlich den Geschützdonner. 2 Mann unseres Zuges gehen ins Lazarett. Sämtliche Spezialtruppen, die ihre Waffen verloren haben, werden als Infanterie eingesetzt. Alles, was im Dorf untergebracht ist, muß uns bei den Arbeiten helfen. 20. 01. 1942 Fw. Hohme und ich sind den ganzen Tag auf Skiern unterwegs. Legen die einzelnen Bunker und die Plätze für die Geschützstellungen fest. Neun Stück 8,8-cm-Flak sollen in unserem Abschnitt zum Einsatz kommen. Es ist auch vorgesehen hier in der HKL Panzer einzugraben. Wenn wir nur mehr Zeit hätten. Unsere Feldküche fährt weiter nach hinten. Werden verpflegungsmäßig der 2. Kompanie unterstellt. 25 km von hier liegt GSHATSK. 38 Grad Kälte. Erhalten viele T-Minen, um die riesige Ebene vor der HKL und insbesondere die Straßen gegen Panzer zu sperren. 21. 01. 1942 Fahre auf Skiern die Stellungen ab. Die Kälte - 41 Grad - stellt hohe Anforderungen an die arbeitenden Männer. Uffz. Bauerrichter ist mit einer Gruppe im Vorfeld, um einige Dörfer und Scheunen niederzubrennen. Der Feind soll in unserem Abschnitt keine Unterkünfte vorfinden. Flak kommt und wird von uns eingewiesen. Sie haben wunderbares Schußfeld für direkten Beschuß. Post wird verteilt, und wir erfahren bei dieser Gelegenheit, daß unsere Division beim Rückzug 2 Omnibusse mit Post vernichten mußte. 22. 01. 1942 Alles schaufelt und pickelt in der HKL unter unserer Anleitung. Die Division hat einen Abschnitt von 4 bis 5 km Breite erhalten. An Waffen besitzen wir: 18 Artillerie- Geschütze, 6 Nebelwerfer, 4 Flak (8,8 cm), 6 Flak (2 cm) und 4 Panzer Nr. 4. Immerhin eine schöne Feuerkraft. Beginnen mit dem Bau von Drahthindernissen. 23. 01. 1942 Stellungsbau bei mörderischer Kälte. 24. 01. 1942 Es gibt Post. Die meinige trägt das Datum vom November. Der Russe schießt schon mit Artillerie und Granatwerfern in unsere Stellungen. Arbeiten bei 42 Grad Kälte. An den Augenbrauen und Wimpern Eisklumpen. Eine Sauarbeit dieses Sprengen in die gefrorene Erde hinein. Alle Unteroffiziere des Zuges erkrankt 25. 01. 1942 Die Unteroffiziere unseres Zugs sind alle krank. So bleibe ich den ganzen Tag draußen. Ein Bunker ist fertig gestellt. Eine große Freude, denn nun haben wir doch einen Schutz gegen die Kälte, das Schneetreiben und sonstige Unbill der Witterung. -

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Der Russe ist heran 26. 01. 1942 In Afrika hat Rommel unsere Truppen zum Stehen bekommen. Als erster Offizier des Heeres erhält er die Schwerter zum Eichenlaub des Ritterkreuzes. Wir arbeiten intensiv an den Stellungen weiter, denn der Russe ist bereits heran. Das Dorf links von uns, wo die 35. Infanterie-Division [9. A, 5. AK] liegt, ist in der Nacht von russischen Skitruppen in Stärke eines Bataillons heimgesucht worden. Der Russe wurde jedoch hinausgedrängt und hat sich nach Norden zurückgezogen. Man vermutet ihn jetzt vor unserem Abschnitt. Also: Augen auf! Es bleibt aber alles ruhig, während links von uns wieder ein Durchbruchsversuch erfolgt, diesmal mit Panzern. Er mißlingt, und der Russe büßt 9 Panzer ein. 27. 01. 1942 Es gibt Marketenderware zu kaufen. Der Iwan stört unsere Arbeiten mit Granatwerferfeuer. Nachrichten besagen, daß unsere U-Boote an der amerikanischen Küste und im Hafen von New York 300.000 to Schiffsraum versenkt hätten. Bei Rschew seien 4 russische Divi-sionen eingeschlossen. Gefangene sagen aus, daß es auch bei den Russen viele Erfrierungen gäbe und die Verluste bei den Panzertruppen sehr hoch sein sollen. Eine Panzerdivision bestehe nur noch aus 6 Panzern. 28. 01. 1942 Lasse 2 Mann im Quartier, die für unseren Zug eine Kuh schlachten müssen; unsere letzte, die wir bis hierher mitgeschleppt haben. Hier im Dorf selbst ist nichts mehr zu finden keine Maus. Schneetreiben. Bunkerbau. Ein Mann wird beim Sprengen durch gefrorene Erdklumpen im Gesicht verletzt. 29. 01. 1942 Russische Fallschirmtruppen sind zwischen Smolensk und WJASMA gelandet. Bunkerbau. Ziehen 2 Dörfer weiter zurück bis BOL-TALINO, wo wir als Stoßreserve liegen. 30. 01. 1942 Es geht ein scharfer Wind, der alle Wege zuweht. Wir müssen jetzt 6 km laufen, um zu unseren Arbeitsstellen in der HKL zu gelangen. Im Nachbarabschnitt hat der Russe in deutschen Uniformen vergeblich angegriffen. Beförderung zum Feldwebel 31. 01. 1942 Die Kameradschaft im Zug ist wieder gefestigt und gut. 2 bis 3 Mann unseres Zuges lasse ich immer im Quartier. Dies darf natürlich keiner wissen. Ich denke aber, sie haben etwas Ruhe verdient. Dafür müssen sie allerdings für den Zug kochen. Wir haben noch Schweine- und Hammelfleisch, das vorsorglich eingesalzen wurde, als Vorrat. Unsere sämtlichen Truppen benutzen landesübliche Fahrzeuge - man sieht nur noch Panjepferde und Schlitten. Diese Russenpferde sind ja so genügsam. Eine Handvoll Heu oder Stroh genügt ihnen. Die Trosse der Kompanien bestehen fast nur noch aus gefangenen Russen, die sich in unsere Dienste begeben haben. Haben keine Zündmittel mehr, schippen daher Schnee. Gegen Abend muß ich im Dienstanzug zum Chef. Er heftet mir ein Paar neue Schulterklappen mit den Worten an: “Ich habe den freudigen, ehrenvollen Auftrag ihnen hiermit die Schulterklappen eines preußischen Wachtmeisters zu überreichen. Machen Sie weiter wie bisher und haben Sie Dank für Ihre Einsatzbereitschaft.“ Das war so richtig Olt. Page. Er ist ein feiner Kerl: ruhig, sicher, auf seine Leute bedacht. Kurz gesagt: er ist, wie ein Chef sein soll. So hat er auch alle Sympathien jedes Einzelnen, und jeder geht für ihn durchs Feuer. Danach großes Händeschütteln. Meine Männer freuen sich mit mir. 01. 02. 1942 Die Schneestürme haben alle Wege verweht, und nichts wird dagegen getan. Zündmittel treffen ein. Nun kann das Sprengen für die Unterstände wieder beginnen. Abends beim Chef. Wir plaudern von vergangenen Zeiten, von gemeinsamen Erlebnissen im Frankreich-Feldzug usw. -

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Alle Offiziere und Portepeeträger sind anwesend, und so feiern wir meine Beförderung zum Feldwebel mit Schnaps. 02. 02. 1942 Beförderungen zu Gefreiten und Obergefreiten werden bekannt gegeben. Bunkerbau. Erhalte mit der Post ein Weihnachtspäckchen und ein Briefpäckchen vom 10. 11. Behelfsmäßige Winterbekleidung 03. 02. 1942 Die Kompanie hat einige Pelzmäntel bekommen. Sie werden verteilt. Unser Zug erhält 3 Stück. Erledige meine Post und gehe vormittags die Stellungen ab. Die Arbeiten schreiten jetzt besser voran. Wir sind schichtweise eingeteilt. Immer 10 Mann sind draußen. Es gibt Schnaps: für 5 Mann 1 Ltr. Nachmittags besuche ich die Flak. In den von uns errichteten Bunkern haben sie es sich sehr gemütlich gemacht. Hoffentlich ist es für längere Zeit. Ihre Geschütze stehen fabelhaft getarnt in Stellung. Die Offiziere, Olt. Löck, Lt. Schubert und Lt. Wäscher sind Pfundskerle, Kameraden und Vorgesetzte wie sie sein sollen. Ich sehe mir die Geschütze an und berechne die Sprengladung, die nötig ist, um die Kanonen unbrauchbar zu machen. Bei einem eventuellen Rückzug sollen sie dem Feind nicht funktionsfähig in die Hände fallen. Rege Spähtrupptätigkeit beiderseits. JR 68 läßt einen russischen Spähtrupp dicht an die Stellungen herankommen und mäht ihn mit MG nieder. JR 67 nimmt einen Kosakentrupp gefangen. Erkundungstrupps von IR 9 waren 7 km bis zur Rollbahn vorgegangen, ohne auf Feind zu stoßen. 2 Ratas sind über unseren Linien und klären auf. 04. 02. 1942 Ich mache die Sprengladungen und Zündungen für die Geschütze der Flak und Artillerie fertig. Spielen abends mit dem Chef einen 1/2-Pfennig-Skat. Um Mitternacht beträgt mein Gewinn 1.-RM. Erfahre, daß der Vorschlag, mir das EKI zu verleihen, bei den Rückzügen verloren gegangen sei. Es soll eben so sein! 05. 02. 1942 Frühmorgens macht unsere Artillerie einen Feuerüberfall. Gehe im Pelz die Stellungen durch. Der Russe beschießt uns bereits mit sMG. Man darf nicht mehr so frei und offen umherspazieren. Unsere Schneehemden leisten uns gute Dienste. Tarnung ist alles, und darin können wir vom Russen viel lernen. Nachmittags erledige ich schriftliche Arbeiten: Anforderungen von Material, Erfahrungsberichte, Verbesserungsvorschläge usw. Verteile dann die Marketenderwaren. Beim Skatspielen gewinne ich heute 2.-RM. Spielen jetzt eine Art Preisskat: wer zuerst auf 3.000 ist, erhält eine Pulle Schnaps. Die Unterkunft brennt ab 06. 02. 1942 Weise morgens den Männern die neuen Arbeiten an und schlafe bis mittags. 4 Mann des Zuges erhalten das EKII. Nachmittags ist alles raus an die Arbeit. Nachts muß ich einige Sprengtrupps stellen, derweil die Infanteristen, Artilleristen usw. schaufeln müssen. Die 106. ID wird heute abgelöst. Unsere Division muß den Abschnitt zusätzlich übernehmen. Demnächst sollen wir 2.000 Mann Ersatz bekommen. Abends wieder beim Chef. Mitten im schönsten Skatspiel kommt plötzlich einer hereingestürmt und brüllt: “Das Nebenhaus brennt!“ Als wir hinauseilen, steht es schon in hellen Flammen. Nur 1 m ist unser Haus entfernt. In Eile wird das Notwendigste zusammengerafft und ins Freie gebracht. Auch unsere Unterkunft fängt an zu brennen und steht in 5 Minuten lichterloh in Flammen. Durchs Fenster müssen wir uns in Sicherheit bringen. Die im Nebenhaus gelagerten 8,8-cm-Granaten krepieren. Das dritte Gebäude fängt Feuer. Unser Quartier, von dem wir vor ein paar Tagen hierher umgezogen sind, wird überfüllt. Ich verspüre wahnsinniges Brennen in den Augen und bekomme die Lider nicht mehr auf. Unser San.-Uffz. 137


führt mich zum Arzt eines Baubataillons, der mir Tropfen einträufelt. Nach 3 Stunden lassen die Schmerzen nach und ich kann schlafen. 07. 02. 1942 Noch immer bekomme ich die Augen nicht auf. Wieder zum Arzt. Endlich am späten Nachmittag tritt Besserung ein. Es muß eine Brandwache in Stärke eines Uffz. und 2 Mann gestellt werden. Unser Chef hat einen Rüffel von oben bekommen. 3 Häuser, wichtige Unterkünfte für die Soldaten, sind abgebrannt. Wir haben nicht mal dem Feuer alles entreißen können. Jeder muß über die Sachen, die ein Opfer der Flammen wurden, eine Verlustmeldung schreiben. Da kommen Dinge wie: Fotoapparate, Stiefel, Rasierzeug usw. zum Vorschein. 08. 02. 1942 Es geht mir wieder gut. Bleibe aber den Tag noch im Quartier. Abends spielen wir wieder den unvermeidlichen Skat. Stehe an zweiter Stelle von uns 5 Mann und gewinne 3.-RM. Um 22 Uhr erscheint unser Spieß, Ofw. Inacker, mit Post neueren Datums. 09. 02. 1942 Bin den ganzen Tag in den Stellungen. Schneesturm. Beantworte meine Post und halte vor dem Zug Unterricht über das Thema: Disziplin. Auch die neue Unterkunft brennt 10. 02. 1942 Nachmittags zieht unser Zug nach KOSLOWKA um, etwa 2 km zurück. Die Unterkunft ist sehr eng. Bauen uns 2-stöckige Betten, um Raum zu gewinnen. Unser Stall fängt nachts an zu brennen. Wie kam das? Können den Brand löschen. Sahen heute seit langer Zeit wieder einmal 2 deutsche Panzer, die nach vorn fuhren. Was das gleich für neuen Mut und Zuversicht gibt! 11. 02. 1942 Neue Arbeitseinteilung: 6 Uhr Abmarsch zur Arbeitsstelle, bis 11 Uhr wird gearbeitet, dann 1 Stunde Frühstück und um 16 Uhr ist Feierabend. Es gibt wieder Post. Die Lage um WJASMA, wo russische Partisanen die Gegend unsicher machten, soll geklärt sein. Nachts muß ich 3 pferdebespannte Schlitten zur 1. Kompanie schicken, die dort für den Holztransport benötigt werden. 12. 02. 1942 Untersuche die Brücke vor KOSLOWKA auf Beschaffenheit und Höchsttragkraft. Paul Hohme, unser Zugführer, geht zum Zahnarzt. Bleibe die Nacht hindurch vorn in BOLTALINO und mache eine Skizze für die gedachten Stellungen der Ortsverteidigung. 13. 02. 1942 Teile die Gruppen ein und gehe die Baustellen ab. Die Jungens sehen wie die Muselmänner aus. Nur die Augen sieht man, der übrige Körper ist mit Lumpen und Wollsachen verhüllt. Besuche die 1. Kompanie, die rechts von uns Stellungen baut. Hier stehen Panzer eingegraben und gut getarnt. Sie haben viel unter Artilleriebeschuß zu leiden. Bekomme ein Päckchen mit Rauchware vom 5. 11. 14. 02. 1942 Paul Hohme ist noch nicht vom Zahnarzt zurück. Von zu Hause bekomme ich eine Flasche Bier geschickt, die aber leider zerbrochen ist. So ein Pech. Ferner schicken sie mir Wollsachen - wie: Leib-, Kopf-, Knieschützer usw., die mir sehr willkommen sind.

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Unsere Fahrzeuge sind wohl verloren 15. 02. 1942 Wo mögen wohl unsere Fahrzeuge stecken? Ob wir sie jemals wieder sehen werden? Laufe erneut die Stellungen ab. Die Sonne zeigt sich bereits höher am Horizont. Zwar ist es nachts und morgens noch empfindlich kalt, aber mittags ist es so herrlich, daß man nicht mal Ohrenschützer benötigt. Mache einige Fotoaufnahmen mit dem Chef vor der Tür [Olt. Page] unseres Quartiers. Erhalte heute 6 Briefe. Hatte ich gestern beim Kartenspiel 4,50 RM gewonnen, so sind es heute nur 2,50 RM. 16. -17. 02. 1942 Muß die Arbeiten an einigen Stellen abbrechen, da wir einzusehen sind und das Feuer des Gegners bedenklich nahe liegt. Arbeiten dafür in der Nacht. Außer Artillerie- und Granatwerferbeschuß werden wir nicht belästigt. Der 17. 2. bringt nichts Neues. Die HKL steht 18. 02. 1942 Es hat sich hier alles wieder gefunden. Die HKL steht. Die Verteidigung wird unsererseits offensiv geführt. Infanterie-Stoßtrupps suchen den Feind.

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Meine Mutter hat für meine Verwendung in rückwärtigen Diensten ein Gesuch eingereicht. Gemäß Führerbefehl dürfen letzte Söhne nicht in der kämpfenden Truppe verwendet werden. Man will mich zur leichten Pionierkolonne versetzen. Dies lehne ich ab. Da bleibe ich lieber bei meinen Kameraden. Der Russe hat sich tadellos eingeschossen. Man darf sich nicht mehr sehen lassen. Sogar auf den einzelnen Mann richtet er sein Feuer. Beim heutigen 1-Pfennig-Skat verliere ich 1.-RM. 19. 02. 1942 Gehe zum Zug nach KOSLOWKA. Dort werden Sachen getauscht. Jeder erhält eine neue Feldbluse und Tuchhose. Paul Hohme kommt vom Zahnarzt zurück. Mittags das herrlichste Wetter. Ohne Mantel bewegen wir uns durch die Gegend. In der Wertung beim Preisskat stehe ich immer noch an zweiter Stelle hinter Olt. Page. Es folgen: Gerhard Protsch, Paul Hohme und Lt. Senftleben. Spät abends gibt, es noch Post. 20. 02. 1942 Gasmasken- und Stahlhelmappell. Aber wer hat diese Dinge noch? Damals an der DESNA befreiten wir uns schon davon. Was nutzt uns ein Stahlhelm, wenn wir einen Bauchschuß bekommen, hieß es bei uns. Die Gasmaskenbüchse wurde Behälter für Rauchware. Links von uns ist die Hölle los. Artillerie-Trommelfeuer! Bei uns werfen 3 russische Flieger Bomben mit Zeitzündern. Russischer Angriff abgewiesen 21. 02. 1942 Dort, wo gestern das Höllenkonzert war, hat der Russe mit 2 Regimentern angegriffen. Sie wurden vor unseren Linien zusammengeschossen. Zugleich griffen 30 russische Panzer an, 15 davon wurden vernichtet, 13 beeilten sich zurückzukommen und nur 2 konnten durchbrechen. In unserem Abschnitt ist nachts ein russischer Spähtrupp gestellt worden. Erhöhte Alarmbereitschaft 22. 02. 1942 Der 2. und unser Zug ziehen wieder um ins alte Quartier nach BOL-TALINO. Der 3. Zug wird ein Dorf weiter zurück in MALTALINO untergebracht. Liegen in erhöhter Alarmbereitschaft. Teile Panzerzerstörertrupps ein und rüste sie zweckmäßig aus. Man erwartet einen Angriff. Legen Minensperren fest. Unglaublich viele Weihnachtspäckchen treffen ein. 23. 02. 1942 In der Nacht nördlich von uns Artillerie-Trommelfeuer. Wie wir am nächsten Morgen erfahren, sind dort 24 Panzer - meist durch Zerstörertrupps - vernichtet worden. Mittags wird der Alarmzustand für uns aufgehoben. Wir gehen wieder an die Arbeit. 24. 02. 1942 Es fällt Schnee. Wir arbeiten in den Stellungen. Reges MG-Feuer. Wieder Post da. Schließen unser Radio an. 25. 02. 1942 Mache Waffendurchsi-cht im Zug.

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26. 02. 1942 Schneesturm. Chef muß zum Batl. Es stehen große Veränderungen bevor. Man munkelt, daß unsere Division hier weg soll. Nur IR 68 und unsere Kompanie sollen bleiben. 27. 02. 1942 Besprechung beim Chef. Gehen dann gemeinsam die Stellungen ab. Der Russe beschießt uns mit Pak, die drüben am Waldrand steht. 28. 02. 1942 Stellungsbau. Einige schwache Stellen in der HKL werden vermint und die Wege panzersicher gemacht. Haben schon 10 Kranke im Zug. Die erste Pferdewurst 01. 03. 1942 Verstärken die Stellungen durch Verlegen von K-Rollen vor der HKL. Wieder Postempfang. Als Verpflegung gibt es bereits Pferdewurst. Ich bin Offz. vom Ortsdienst. Grabendienst 02. 03. 1942 Den ganzen Tag in den Gräben. Von daheim bekomme ich wieder 1 Flasche Bier geschickt. Der Inhalt ist leider zu Eis gefroren. Ich taue ihn auf und er schmeckt mir dennoch. In unserem Dorf stehen nur noch 10 Häuser. Die übrigen wurden abgerissen, das Holz zum Stellungsbau verwendet. Von den verbliebenen Häusern sind 5 unbewohnbar, da Türen, Fenster und Ofen fehlen. Zivilisten kommen von GSHATSK, um etwas zum Essen zu holen. Sie kommen vergebens, selbst wir haben seit Wochen keine Kartoffel mehr gegessen. 03. 03. 1942 3 Mann unseres Zuges gehen ins Lazarett. Jetzt ist unsere Stärke nur noch 3 Gruppen mit je 1 Uffz. und 6 Mann. Es werden immer weniger. Mache eine Skizze zur Verteidigung des Dorfes. Wir müssen immer mit einem Durchbruch des Feindes rechnen und sollen uns dann hier einigem. Einbruch bei der 35. ID 04. 03. 1942 Der Russe knallt mit Artillerie und Stalinorgeln nach MONTAJEWO hinein. Dazu ballern die Tiefflieger aus allen Waffen. Rechts von uns ist die Hölle los. Der Feind sucht noch immer die schwächste Stelle in unserer Verteidigung und vermutet sie wahrscheinlich dort, wo es heute so heiß hergeht und wo er schon die Tage zuvor vergeblich angerannt ist. Abends kommt der Befehl dorthin zu marschieren. Dem Gegner ist ein Einbruch bei der 35. Infanterie-Division [9. A, 5. AK] gelungen und wir sollen verstärken bzw. das Gelände zurückerobern. Auf Umwegen erreichen wir PLISKY, wo der Regimentsstab liegt. Unser Gegenangriff wird gestoppt 05. 03. 1942 Nachts um 2 Uhr marschieren wir nach vorn und besetzen die Riegelstellung, die sich durch einen Wald zieht und tadellos ausgebaut ist. Gegen morgen soll der Einbruch bereinigt werden. Pünktlich um 6 Uhr beginnt unsere Artillerie auf das vor uns liegende Dorf zu hämmern. Pausenlos 30 Minuten lang. Brände steigen auf, Explosionen erfolgen. Unser Zug geht als erste Welle zum Sturm vor. Ohne nennenswerten Widerstand und ohne eigene Verluste kommen wir ins Dorf und säubern Haus um Haus vom Feind. Viele ergeben sich und werden sofort zurückgebracht. Im Dorf selbst sieht es toll aus. 4 Häuser sind gerade noch einigermaßen heil geblieben. Unsere Granaten haben ihre Arbeit geleistet. Sehr viele russische Tote, zum Teil verbrannt, liegen vor den Häusern und auf den Straßen umher. Verkohlte Leichen in den schwelenden Trümmern. Grauenhafte Bilder. Das erste Ziel unseres Gegenstoßes ist erreicht. Sichern den Ort, denn nun muß mit dem Angriff des Feindes gerechnet werden. Inzwischen sind auch die Infanteristen ins Dorf gekommen. Während sie unsere Stellungen ein-

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nehmen, rüsten wir uns zum weiteren Vorstoß. 2 Panzer unterstützen den Angriff. Der General der 35. I D - ein Ritterkreuzträger - ist unter uns und leitet das weitere Vorgehen. Einen Kilometer kommen wir gut voran, dann setzt schlagartig der erwartete Gegenangriff des Feindes ein, das Feuer seiner Pak und Panzer liegt mitten unter uns. Neben mir wird der Uffz. Schlewe am Fuß verwundet, hinter mir schreit Jordan auf. Dort färbt sich der Schnee rot. Andere laufen blindlings ins Dorf zurück und brechen getroffen zusammen. Zu allem Unglück schießt auch noch die eigene Artillerie zu kurz. Eng an die Erde gepreßt erwarten wir weitere Befehle. Der Sanitäter kriecht von einem zum andern und leistet erste Hilfe. Einige Beherzte haben Schwerverwundete auf ein Brett geladen und ziehen sie zurück. Im Schutze unseres Artilleriefeuers, das Gott sei Dank vorverlegt worden ist, ziehen wir uns zerschlagen ins Dorf zurück. Bilden einen Igel um den Ort. Es ist bitter kalt. Vom 3. Zug sind 5 und von unserem Zug 1 Mann verwundet. Können das Dorf bis zur Ablösung halten 06. 03. 1942 Mein Geburtstag. Abwechselnd haben wir in der Nacht in den Schneelöchern gehockt. Morgens, es ist noch schummrig, ruft uns ein Geknatter allesamt in die Stellungen. Am Dorfausgang steht der Russe mit 2 Panzern. Seine Infanterie hat schon in den Ruinen Fuß gefaßt. Unsere Infanteristen reißen aus. Wir sammeln den Zug hinter einer Scheune und gehen zusammen mit einem Panzer vor. Panzerduell. Ein russischer T-34 brennt, der andere kehrt daraufhin um und verschwindet. Nun ist es für uns ein Leichtes, die Russen aus ihren Verstecken zu holen. Wer sich nicht ergibt, wird niedergemacht. Trommelfeuer der russischen Artillerie haust schrecklich unter uns. Zaruba und Lawnizak fallen. Letzterer durch Kopfschuß. Drüben müssen Scharfschützen sitzen. Eine Minute zuvor saß ich in dem Loch. Hat der Schuß mir gegolten? Kerner, Thurn, Meyer und Lück werden verwundet. Uffz. Kaufmann hat sich beide Hände erfroren. Röder und Weight haben schwere Erfrierungen an den Füßen. Ausfälle über Ausfälle. Unser Zug besteht jetzt noch aus Ofw. Hohme, mir, 2 Uffz. und 5 Mann. Die Gesamtverluste unserer Kompanie betragen 2 Tote, 11 Schwerverwundete, 5 Leichtverwundete und 5 Erfrierungen. Ein äußerst schwarzer Tag. Jetzt kommt der Russe auch noch mit Bombern. Abends werden wir abgelöst. Bergen und bestatten die Toten und beziehen einen Bunker in der Riegelstellung. Während der Nacht werfen russische Flieger Leuchtfallschirme. Das war also mein Geburtstag. Mit 4 Mann in die Riegelstellung 07. 03. l942 Es gibt sehr viel Post. Lippert wird vor unserem Bunker durch Granatsplitter am Fuß verwundet. Der Russe pflügt mit seinen Granaten das Gelände um. Der Spieß schickt uns Schnaps, die Medizin, die wir brauchen. Gehe abends mit 4 Mann nach vorn und baue eine provisorische Beobachtungstelle für die Artillerie. Um Mitternacht, als ich gerade zurück bin, setzt lebhaftes MG- und Gewehrfeuer ein. Der Russe greift an. Auch ich gehe mit meinen 4 Männern, dem Rest unseres stolzen Zuges, in die Riegelstellung in Bereitschaft. GRUSTJEWO wird gehalten 08. 03. 1942 Erst morgens um 6 Uhr ebbt das Feuer ab. GRUSTJEWO ist in unserer Hand geblieben. Der Feind hat sich eine schwere Abfuhr geholt. Seine Toten liegen zu Haufen vor unseren Stellungen. Mittags Artilleriezauber des Feindes. Die von uns besetzte Riegelstellung ist sein Ziel. Baumkrepierer. Ganz in der Nähe explodieren die schweren Brocken. Jetzt den Bunker verlassen bedeutet Selbstmord. Tiefflieger tun das übrige. Ob wir noch mal herauskommen? Das wäre fast ein Wunder.

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Endlich werden wir zurückbefohlen 09.03.1942 Beziehen vormittags einen anderen Bunker. Es gibt wieder viel Post. Der Spieß traut sich selbst bis hier vorne hin. Am Nachmittag kommt endlich der von uns so sehnsüchtig erwartete Abmarschbefehl. Gehen nach NIKOLSKOJE, wo unser Kompanietroß liegt und von dort weiter nach BOL-TALINO [seit 29. 01. 1942] in unser altes Quartier. 20 km sind wir marschiert. Schlafen wie die Ratten. Kompaniestärke: 2 Offz., 5 Fw., 1 Uffz., 60 Mann 10. 03. 1942 Welche Wohltat sich wieder einmal waschen und rasieren zu können. Die Kompanie besteht jetzt nur noch aus 2 Offz., 5 Fw., 1 Uffz. und 60 Mann. Davon gehen der Troß, die Funker, Fahrer und Kranke ab, so daß 30 Mann Grabenstärke verbleibt. Beantworte vormittags meine Post. Vom Bataillon kommt ein Melder mit dem neuesten Befehl. Danach bin ich sofort zum Ersatzbataillon nach Berlin-Spandau in Marsch zu setzen. Alles beglückwünscht mich. Ich bin der am meisten beneidete Mensch in der Kompanie. Abends Abschiedsfeier beim Chef. Alle Uffz. sind anwesend. 6 Flaschen Kognak spendiere alleine ich. Der Chef und der Leutnant geben Wein und Rauchware dazu. Über 8 Monate Russland -Einsatz gehen zu Ende 11. 03. 1942 Feiere noch etwas mit den Männern meines Zuges. In mir ist eine große Leichtigkeit, aber es fällt mit auch schwer fort zu gehen. Zu viel verbindet mich mit den Kameraden, die ich hier lassen muß: gemeinsames Erleben in Not und Gefahr und frohe Stunden zwischen den Einsätzen. Mit dem Verpflegungswagen begebe ich mich zurück zur Kompanie, wo ich noch für einen Tag Gast des Hauptfeldwebels bin. Hier brechen meine Aufzeichnungen ab. Das Folgende schrieb ich aus dem Gedächtnis nieder.

Im Ersatzheer Fahrt nach Berlin 12. 03. 1942 Am 12. 3. 1942 fahre ich mit dem Güterzug nach GSHATSK. Es geht durch das Partisanengebiet von WJASMA. Dabei passiert ein böser Zwischenfall, der leicht schlimme Folgen haben konnte. Die beiden auf der Lok als Heizer fahrenden Russen ermorden während er Fahrt den deutschen Lokführer, zwingen den ukrainischen Hilfslokführer langsam zu fahren, springen ab und verschwinden. Der Ukrainer bringt den Zug wohlbehalten bis zur nächsten Station. Nach 8 Tagen Bahnfahrt komme ich in BERLIN an.

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Beim Pionier-Ersatzbataillon 23 in BERLIN-SPANDAU 20. 03. 1942 - Januar 1943 Melde mich in SPANDAU beim Ersatzbataillon. Hier hat sich vieles verändert. Alles fremde Gesichter, nur ab und zu begegnet man einem alten Kameraden aus der aktiven Dienstzeit oder solchen, die draußen an der Front verwundet worden sind und von hier aus wieder zur kämpfenden Truppe abgestellt werden sollen. Der Kommandeur des ErsBatl. ist der ehemalige deutsche Eishockey-Torwart in der Nationalmannschaft, Major Linke. Sein Adjutant ist Olt. Schnuer, ein früherer Rekrut von mir. Ich werde der Marschkompanie zugeteilt, die in dem Kasernenblock untergebracht ist, in dem ich meine Rekrutenzeit verbrachte. Viel Dienst. Als Portepeeträger ist man dauernd angespannt: Offz. vom Kp.-Dienst, Offz. vom Batl.Dienst, Offz. vom Ortsdienst, Lotsendienst, Luftschutzdienst, Streifendienst usw. Es bleibt kaum ein freier Abend. Fronturlaub April 1942 Nach 14 Tagen erhalte ich meine 2 Woche Fronturlaub, die ich in PLAUE und KETZIN verbringe. Jeder Tag ist ein Feiertag! Vorbereitung auf die Hauptfeldwebel-Prüfung (Spieß-Prüfung) April - Mai 1942 Zurückgekehrt vom Urlaub, tritt man mit der Frage an mich heran, ob ich nicht Hauptfeldwebel werden möchte. Meine gute Beurteilung vom Feldheer gäbe dazu Anlaß. Ich sage zu. Arbeite mich dann 6 Wochen in der Schreibstube und beim Rechnungsführer ein. Hauptfeldwebel-Lehrgang und Prüfung 01. - 06. 06. 1942 Gehe nach FRANKFURT/ODER zur Prüfung. 5 Tage bin ich dort. Von den 8 Teilnehmern bestehe ich als einziger das Examen mit dem Prädikat “gut“. Hauptfeldwebel in der Genesenden-Kompanie Juni - September 1942 Als ich zum Bataillon zurückkomme, werde ich sofort als Hauptfeldwebel in der GenesendenKompanie eingesetzt. Der bis dahin amtierende Hfw. muß zur Front abgestellt werden. Bekomme die Ärmelstreifen - das Abzeichen für die “Mutter der Kompanie“ - verliehen. Die GenKp. ist für sich alleine auf der Eiswerder-Insel, wo sich auch unser Wasserübungsplatz befindet, untergebracht. Eigene Küche und eigene Kantine. Die Kompanie, wie ich sie vorfinde, ist ein Sauladen. Mein Vorgänger hat sich überhaupt nicht darum gekümmert. Das Personal in der Schreibstube ist gut, macht aber, was es will. Der Kp.-Chef, ein älterer Hauptmann, Reservist und früherer Bankdirektor kommt nur von 10 bis 11 Uhr vormittags, um Unterschriften zu leisten. Sonst läßt er sich nicht sehen. Ich knie mich mit aller Kraft in mein neues Aufgabengebiet und bringe Ordnung in den Laden. 600 Mann ist die Kp. karteimäßig stark, aber morgens sind nur 200 Mann zum Antreten da. Die anderen befinden sich -

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in Lazaretten, im Urlaub oder in ambulanter Behandlung. KV-Untersuchungen, Abstellungen und Neuzugänge sind an der Tagesordnung. Es ist wahnsinnig viel Arbeit vorhanden, aber ich habe die Abende für mich. Da wir sehr viele Freikarten für Theater, Varieté und Kino erhalten, bin ich oft unterwegs in Berlin: Scala, Plaza, Wintergarten, Ufa-Palast, Gloria-Palast, Theater des Volkes, Admiralspalast, Großes Schauspielhaus usw. Überall bin ich zu finden. Dienst wird mit den Männern nicht gemacht. Ich habe sie nur zu Arbeitskommandos einzuteilen. Am Wochenende bin ich in PLAUE oder KETZIN. Anderenfalls miete ich mir ein Paddelboot und fahre die Umgebung ab. Verleihung des Sturmabzeichens 30. 05. 1942 Von meiner Kp. erhalte ich das Sturmabzeichen nachgeschickt.

Spieß bei der aufzustellenden Stammkp. des ErsBatl. September 1942 - Januar 1943 Im September 1942 wird das Ersatzbataillon geteilt in ErsBatl. und Ausbildungsbatl. Zum ersteren gehört die GenKp. und ferner wird noch eine StammKp. gebildet. Ich erhalte den Auftrag, diese neue Kp. aufzubauen. Mein Chef der GenKp. wird Kommandeur des ErsBatl. Ziehe mit meinen Männern in die Kaserne am Askanierring um. Das Schreibstuben-Personal bleibt dasselbe. Zum Kp.-Führer wird Olt. Blosfeld - mein früherer Oberschirrmeister - ernannt. Wir verstehen uns sehr gut, und unsere Zusammenarbeit klappt tadellos. Diese Neuaufstellung bedeutet für mich natürlich kolossal viel Arbeit. Aber es bleibt abends doch immer noch etwas Zeit für ein paar Stunden der Entspannung. Eine Weinstube am Kaiserdamm ist das Stammlokal meines Personals. Die Luftschutzmaßnahmen werden verbessert. Bau von Splittergräben und einer unterirdischen LS-Befehlstelle, Abstützung von Kellerräumen und Errichtung von MG-Ständen auf den Dächern. Täglich muß jede Kp. 60 Männer zur LS-Bereitschaft stellen. Schon mehrmals hat man mir vom Batl. angeboten, doch Offizier zu werden. Ich lehne ab. Urlaub - ich lerne Margot kennen Dezember 1942 Weihnachten bin ich daheim im Urlaub und sehe erstmals Margot. Silvester lernen wir uns kennen. 146


1943 Beförderung zum Oberfeldwebel 01. 01. 1943 Spieß bei der 2. Kp. des Ausbildungsbataillons Januar - September 1943 Im Januar 1943 werde ich als Hauptfeldwebel zur 2. Kp. des AusbBtl. versetzt. Der dortige Spieß übernimmt dafür die StammKp. (er ist dauernd g.v.H.) [garnisonsverwendungsfähig in der Heimat]. Hier muß ich meinen ganzen persönlichen Einfluß geltend machen, um mich durchzusetzen. Der Chef, Olt. Breig, ist gewohnt, nur mit dem 1a-Schreiber über die Kompanie-Geschäfte zu sprechen. Ich lasse dies nicht zu. Bin gewohnt, daß alles durch meine Hände geht. Nach und nach bekomme ich die alten Fw. auf meine Seite, und es herrscht ein sehr gutes Verhältnis. Jeden Tag kontrolliere ich den Fourier, die Waffenkammer, die Bekleidungskammer, den Rechnungsführer usw. Sie können nicht mehr machen, was sie wollen, wie zuvor. Besonders liegt mir daran, mit den Rekruten - junge und ältere Leute, die 12 (später 8) Wochen ausgebildet werden - Kontakt zu bekommen. Im März 1943 übernimmt Olt. Schmidt die Kompanie, da Olt. Breig an die Front geht. Bin anerkannt und mein Wort gilt etwas, beim Batl. Der Kantinenwirt unseres Batl. ist in meiner Kp. Zugführer. In seiner Wohnung fließt der Wein und franz. Kognak. Mein neuer Chef, ein Junggeselle, kümmert sich um alles, und es herrscht zwischen uns das beste Einvernehmen. Er beantragt für mich das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse. Osterurlaub Ostern bin ich in BAD HOMBURG. Verlobung Pfingsten 1943 Desgleichen Pfingsten. Ich verlobe mich mit Margot. Hochzeit 14. 08. 1943 Am 14. August 1943 heiraten wir. 14 Tage habe ich Urlaub. Nur kurz sind die Flitterwochen. 01. 09. 1943 Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes II. Klasse

Tag der Wehrmacht 1943

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Spieß bei der 2. Kp. an der Heeresunteroffiziersschule NEU BREISACH September 1943 - September 1944 Im September ist meine Zeit beim ErsBatl. abgelaufen. Ich muß wieder ins Feld abgestellt werden. Meine alte Feldeinheit, die bei Rom liegt, ist mein Ziel. Es geht jedoch nicht, da durch den Abfall Italiens keine neuen Grenzübertrittscheine für deutsche Soldaten ausgestellt werden. Major Linke, der inzwischen als Kdr. eines Festungspionierstabes nach Paris versetzt worden ist, fordert mich an. Das OKH gibt mich dafür nicht frei, mit der Begründung, daß auf den Pionierschulen gute Hfw. benötigt würden. Ich darf wählen und entschließe mich für die HUS der Pioniere in NEU BREISACH [NEUF BRISACH] im Oberelsaß. Oberst Behrisch ist dort Kommandeur. Werde in der 2. Kompanie als Hfw. eingesetzt. Mein Vorgänger, ein Uffz., kommt in den Außendienst. Er hat wohl die Schreibarbeiten gut ausgeführt, aber das andere vernachlässigt. Mein Chef, ein ehemaliger Hfw., ist ein Pedant. Nach 6 Wochen geht er Gott sei Dank fort und Olt. Schlosser übernimmt die Kp. Mit ihm ist es ein fabelhaftes Zusammenarbeiten. Im Dienst Soldat durch und durch, in der Freizeit Kamerad. 150 Mann ist die Kompanie stark. Junge Menschen, die sich die Uffz.-Laufbahn im Heer als Beruf erwählt haben. Auch 20 Rumänen sind darunter. Strenger, langer Dienst. Sehr viel politische Schulung. Viele Ritterkreuzträger an der Schule. Sie sollen ihre praktischen Erfahrungen von der Front dem Nachwuchs vermitteln. Sämtliche Waffen stehen zur Ausbildung zur Verfügung. Die modernsten und neuesten Errungenschaften werden ausprobiert. Viele Unfälle. Für mich gibt es hier besonders viel zu tun. Nicht nur um den inneren Dienst bekümmere ich mich intensiv, sondern ich wohne auch oft dem Außendienst bei. Hier lerne ich die Jungens viel besser kennen. Fliegeralarm gibt es wöchentlich mindesten zweimal. Jede Woche findet eine Nachtübung statt. Im Gefechtsdienst wird ganz besonders Wert auf Tarnung gelegt. Russische Lehrfilme und erbeutete Bücher dienen als Anhalt. In dieser Umgebung verbringe ich eine der schönsten Zeiten meines Soldatenlebens. Eine Stunde Bahnfahrt ist es bis FREIBURG im Breisgau und genauso lange fährt man bis KOLMAR im Elsaß. Im Schwarzwald am TITTISEE und auf dem Feldberg laufen wir am Wochenende Ski. Am KAISERSTUHL, der wärmsten Gegend Deutschlands, feiern wir unsere Uffz.-Abende und den Tag der Wehrmacht. Der Wein dort ist ausgezeichnet. Zum Schulschießen müssen wir in die VOGESEN. Auch dort gibt es einen hervorragenden Tropfen.

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1944 Winterausbildung in den Vogesen Anfang 1944 Dort, bei DIEDOLSHAUSEN [LE BONHOMME], auf der Skihütte LA MAZE sind wir mit der Kp. 4 Wochen zur Winterausbildung. Minen verlegen im Schnee, Bau von Iglus, Tarnen usw. wechseln im Dienst ab. Dazwischen wird Skilaufen gelernt. 6 km von hier ist das nächste Dorf entfernt. Mit Mulis muß ich hinunter, um Verpflegung usw. zu holen. In der Mittagszeit liegen wir nackt im Schnee und nehmen Sonnenbäder.

Margot kommt zu Besuch August 1944 Margot kommt oft hierher. Ich fahre alle 3 Wochen in Urlaub. Im August ist sie 4 Wochen bei mir. Eine unvergeßlich schöne Zeit. Im September fährt sie wieder ab.

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Geburt unseres Sohnes Norbert 10. 09. 1944 Kurze Zeit darauf erhalte ich ein Telegramm, das mir die Geburt unseres Jungen anzeigt. Es wird geb端hrend gefeiert.

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Die Zeit an der Heeresunteroffiziersschule geht zu Ende September 1944 Kurz darauf verlasse ich die Schule. Nur ein Jahr darf ich tätig sein. 14 Tage Abstellurlaub kommen mir gerade recht. Zwei Wochen ist Norbert alt, als ich zu Hause ankomme. Am Sonntag darauf wird er getauft, und als ich meinen Urlaub abbrechen muß, ist er 4 Wochen alt.

Zum Pionierbataillon der Panzergrenadier-Division “Brandenburg“ Oktober 1944 In BERLIN-SPANDAU angekommen, soll ich mit einer Volksgrenadier-Kp. ins Feld. Ich habe aber schon Verbindung mit meinem Chef, Olt. Schlosser, der inzwischen zur Division Brandenburg abgestellt worden ist, aufgenommen. Ein paar Tage fahre ich noch nach PLAUE und KETZIN. Dann kommt meine Anforderung. Melde mich beim Batl.Kdr. Hptm. Müller in WIENER-NEUSTADT. Von dort fahre ich zur Kp., die in LICHTENWÖRTH liegt. Frohes Wiedersehen mit Olt. Schlosser. Meine Stelle als Hfw. ist schon besetzt. Ich mache daher Kompanietruppführer. Das PiBatl. der Division Brandenburg wird hier neu aufgestellt. Erhalten die beste, zweckmäßigste Bekleidung, die neuesten Waffen, wie Sturmkarabiner usw. und nagelneue Fahrzeuge.

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Drengfurt Osterode

Arys

Spandau Petrikau

Neu-Breisach W.Neustadt

Zusammenbruch an der Ostfront Verlegung nach DRENGFURT [TRYGORT] in Ostpreußen 01. 11. 1944 Am 1. November 44 werden wir nach Ostpreußen verlegt. DRENGFURT bei ALLENSTEIN [OLSZTYN] ist unser neuer Aufenthaltsort. Hier ist schon alles zur Verteidigung hergerichtet. An allen Straßen stehen Pak und Flak, denn der Russe steht in der Romintener Heide. Kriegsmäßige Tag- und Nachtübungen. Der Chef gibt keine Ruhe. Lehrgang in OSTERODE [OSTRODA] in Ostpreußen Ende 1944 Ich fahre zu einem 3-wöchigen Lehrgang zur Heerespionierschule. Dieselbe besteht aus Baracken mitten im Walde, 6 km von OSTERODE entfernt. Neuzeitliche Minen und Zünder, Herstellung von Minenplänen, ausländische Minen, Verlegungsarten usw. werden gelehrt. Rückkehr nach DRENGFURT 31. 12. 1944 Silvester kehre ich nach DRENGFURT zurück.

1945

[Anmerkung: Im folgenden Text sind in die Tagebuchaufzeichnungen, Mitteilungen aus Briefen vom 27. 02. und 13. 04. 1945 sowie Auszüge aus dem “Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht“(KTB-OKW), 1940 bis 1945, Sonderausgabe 1964, Herausgeber: P.E. Schramm, Bernard und Graefe-Verlag, Bonn, aufgenommen] 152


Der vorgesehene Einsatz in Ostpreußen wird abgeblasen Januar 1945 Am 13. 01. 45 beginnt der Russe zu trommeln. Wir kommen zum Truppenübungsplatz ARYS [ORZYS] und werden dort verladen. Brief vom 27. 02. 1945: Am 10. 01. 1945 kommen wir ganz plötzlich von DRENGFURT zum Truppenübungsplatz ARYS. Von dort fuhr ich gleich als Vorkommando nach WILLENBERG ... wo ich die Nacht in einem polnischen Dorf verbrachte ... Am nächsten Tag wird alles abgeblasen und wir werden verladen Richtung LITZMANNSTADT [LODZ]. Rückzugskämpfe von LODSCH [LODZ] bis LISSA [LESZNO] Januar 1945 Kämpfe um diese Stadt. Unsere Schützenpanzerwagen-Kompanie (SPWKp.) wird vollkommen aufgerieben. Immer sind wir in den Brennpunkten der Schlachten eingesetzt. Man erwartet und verlangt etwas von der Elitedivision “Brandenburg“ [zu dieser Zeit Teil des Panzerkorps Großdeutschland]. Brief vom 27. 02. 1945: Die Fahrt ging bis kurz vor PETRIKAU [PIOTRKOW], wo wir ausgeladen wurden. Dort stieß ich auch wieder auf meine Kompanie, die auf der Fahrt von Tieffliegern angegriffen worden war und schon mehrere Verwundete hatte. Mein Stubenkamerad aus LICHTENWÖRTH ist dabei gefallen. Schade drum, er war ein ruhiger und guter Kamerad und hinterläßt Frau und einen Jungen. Von dort mußten wir uns kämpfend weiter zurückziehen, immer dicht bedrängt von russischen Panzern. In SCHIERATZ [SIERADZ] wurde unsere Kp. eingesetzt, während der Chef und ich zurückblieben, um Fahrzeuge zu requirieren. Dabei wurde die Kp. eingeschlossen und kam nicht mehr zurück. Dann ging es über KALISCH [KALISZ], KROTOSCHIN [KROTOSZYN] bis LISSA [LESZNO]. KTB-OKW (Heeresgruppe Mitte): 18. 01. 1945: Ostwärts Litzmannstadt (Lodz) noch eigene Kräfte. 20. 01. 1945: Lodz verloren. 21. 01. 1945: Gruppe Nehring kämpft sich bis Petrikau zurück. Die Div. Großdeutschland versucht, ihr durch Stoß nach Südosten den Weg freizumachen. 23. 01. 1945: Über Ostrowo kam der Gegner vor in Richtung von Krotoschin. 24. 01. 1945: Der Kampfgrp. Nehring ist die Vereinigung mit den bei Kalisch stehenden Kräften noch nicht gelungen, Kalisch selbst wurde angegriffen. 25. 01. 1945: Heeresgrp. Weichsel - unter Führung von Himmler - wird eingeschoben. 29. 01. 1945: Bei Lissa heftige Angriffe abgewiesen. Weiterer Rückzug bis in die Nähe von SPROTTAU [SZPROTAWA] Ende Januar - Anfang Februar 1945 In Schlesien kriegen wir den Gegner etwas zum Stehen. Vorher erbitterte Kämpfe um LISSA und FRAUSTADT [WSCHOWA]. Letztere Stadt hat der Russe nach unserem Durchmarsch wieder besetzt. Gegenstoß unsererseits mit Panzern. Erbitterte Nahkämpfe um den Bahnhof. In Schlesien stehen uns die Truppen des General Seydlitz gegenüber. Sie kämpfen für ein freies Deutschland in russischen Diensten. Wir stehen also unseren eigenen Landsleuten gegenüber. Tag und Nacht verlegen wir Minen. Ich fertige Minenplan um Minenplan an und bin ständig beim Kommandeur zum Bericht. Brief vom 27. 02. 1945: In LISSA bleiben wir bei einer Kampfgruppe und waren mehrere Tage eingeschlossen. Wir kämpften uns frei und kamen bis FRAUSTADT. Daselbst starteten wir mit Panzern einen Gegenangriff und fügten den Russen schwere Verluste zu. Bei GLOGAU [GLOGOW] gin153


gen wir 端ber die ODER und hielten den Russen mal 3 Tage auf. Dann ging es weiter zur端ck, und in der Gegend von SPROTTAU wurde ich verwundet.

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KTB-OKW: 30. 01. 1945: Die Gruppe Saucken und Jauer gewannen Anschluß an das linke Oderufer. Vor Glogau wurde der Feind abgewiesen. Verwundung in der Nähe von SPROTTAU 11. 02. 1945 Am 11. 02. wurde ich bei PARCHAU [PARCHOW] verwundet. Dies war ein schwarzer Tag unserer Kompanie. Die Kp. in Stärke von 40 Mann mußte ein Dorf für den Durchmarsch der Division freihalten. Mit Granatwerfern und MG hielten wir uns den Feind schlecht und recht vom Halse. Bei einem infanteristischen Gegenstoß ohne Unterstützung schwerer Waffen, unter Führung unseres Div.-Kdr. Oberst Schulte Heuthaus dem Kdr. mit dem einen Arm, hatten wir viele Ausfälle. Wir sollten halten, bis auf Abruf. Es kommt kein Befehl, und als wir abrücken, sind wir eingeschlossen. Über eine 2 km weite, freie Fläche müssen wir um unser Leben rennen, verfolgt von den Geschossen der Pak und MG. Rechts und links von mir fallen die Kameraden. Durch 2 Bäche müssen wir - bis an den Leib im Wasser - waten. Wir spüren die Kälte nicht. Viele sind verwundet, aber die Angst, dem Feind in die Hand zu fallen, gibt ihnen Riesenkräfte und sie rennen weiter. Mit 27 Mann kommen wir bei der Kp. an. Alle Restteile unserer Div. sind hier im Walde aufgefahren. Sämtliche Fahrzeuge und Geschütze sind voller verwundeter Soldaten. Wir sind eingeschlossen und sollen uns durchkämpfen. Vorneweg 2 Tiger-Panzer, so setzen wir uns um Mitternacht in Marsch. Wir Pioniere sind auf den SPW aufgesessen, die gleich hinter den Panzer fahren. Unsere Fahrzeuge, -

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Funkwagen usw. mußten wir in PARCHAU stehen lassen. Dann kracht es plötzlich um uns herum. Die in Schützenreihe neben den Fahrzeugen marschierenden Infanteristen schreien auf. Verwundete stöhnen. Keiner kümmert sich um sie. Auch mich erwischt es am Hals und an der linken Schulter. Will in einen SPW hineinklettern. Vergebens! Von drinnen hauen sie mit ihren Gewehrkolben auf meine Hände. Entsprechend geht es mir beim nächsten und übernächsten. Ich gehe wieder nach vorn zum ersten SPW. Ein Kamerad und mein Melder verbinden mich während der Fahrt notdürftig. Der Kdr. der Einheit reicht mir eine Flasche Kognak heraus, wovon ich gierig trinke. Als ich dann erwache, ist es Tag. Wir haben uns freigekämpft. Mein Chef verstaut mich in einem San.-Wagen, bringt mir noch Schokolade und Zigaretten und läßt mich vom Batl.-Arzt richtig verbinden. Nur 3 Stunden bin ich auf dem Hauptverbandsplatz. Dann geht es im Güterwagen in das Heimatlazarett LEISNIG bei CHEMNITZ. 10 Tage bin ich nur dort. KTB-OKW: 11. 02 .1945: Druck des Feindes auf Sprottau. 13. 02. 1945: Das Korps Großdeutschland im weiteren Absetzen in Richtung Sprottau. Glogau ist abgeschnitten. 14. 02. 1945: Sprottau in der Hand des Feindes. von Arys

nachSteinfeld

Cottbus,

Sprottau, Glogau, Lissa, Krotoschin, Kalisch, Sieradz,

Petrikau

Zur Genesung in Schleswig-Holstein Ende Februar 1945 Muß mich beim zuständigen Ersatzbataillon Großdeutschland in COTTBUS melden. Dort rüstet man schon zum Abmarsch. Es wird fieberhaft gepackt. Am nächsten Tag geht die Verladung los. Nach 5 Tagen Bahnfahrt kommen wir in SCHLESWIG an. Ich werde der MarschKp. zugeteilt und in STEINFELD bei SUDERBRARUP einquartiert. Nette Leute. Brief vom 27. 02. 1945 aus Steinfeld: Nun habe ich heute und morgen erst mal Ruhe. Das heißt, ich bin wegen des gezogenen Zahnes stubenkrank. Dann muß ich nochmals zum Arzt, um durchröntgt zu werden. Aus dem Kiefer habe ich schon einen Splitter unter der Zunge mit der Zunge herausgepult. Vielleicht sind noch mehrere drin, etwas dick ist es noch. Meinen linken Arm kann ich auch wieder gut bewegen, und alles ist verheilt. Lediglich wenn ich mich auf den Arm stütze, schmerzt es ... Das einzige, was ich im Moment besitze, ist ein Rasierapparat, ein Bleistift und einige Feldpostbriefe. Ich laufe herum wie ein Zigeuner: Mütze und Rock von der Luftwaffe, Hose von ..

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den Fallschirmjägern, Filzstiefel und Mantel von der Eisenbahn. Da meine Sachen voll Blut waren, gab man mir dies bei der Lazarettentlassung mit. 06. 03. 1945 Feiere meinen Geburtstag bei Torte, Schlagsahne und Bohnenkaffee. Weitere Auszeichnungen März 1945 Von meiner Feldkompanie erhalte ich das KVK I. Klasse und die Nahkampfspange in Bronze nachgesandt. Das Lazarett schickt das Verwundetenabzeichen. Neuaufstellung einer Kompanie in SIESEBY bei ECKERNFÖRDE März 1945 Man setzt mich wieder als Hfw. ein. Ich soll eine neue Kompanie aufstellen. Werde mit meinen Ausbildern und den Funktionern nach SIESEBY bei ECKERNFÖRDE verlegt. Unterführerausbildung und Vorbereitungen für die zu erwartenden Rekruten. Eine herrliche Zeit. Aber sie währt nicht lange. Immer weiter dringt der Feind in deutsches Land ein. Menschen werden gebraucht. Mit dem Marschbataillon wieder zum Einsatz Anfang April 1945 Ein Marschbataillon wird aufgestellt. Führer des Batl. ist Hptm. Wendorff. Ich bin Ordonnanzoffizier. In HAMBURG haben wir die ersten 11 Fahnenflüchtigen. Ich schreibe Meldung um Meldung. In BERLIN-DÖBERITZ steht unser Transport einen Tag. Besuche Ebners in FINKENKRUG. In SPANDAU stehen wir wieder einen Tag. Statten dem Kantinenwirt vom PiBatl. 23 einen Besuch ab und feiern bei Sekt und Kognak ein Wiedersehen. Berauscht kommen wir - Hptm. Wendorff, ein Fw. und ich - morgens zurück. Erneut sind 20 Mann fahnenflüchtig geworden. Brief vom 13. 04. 1945: Seit gestern befinden wir uns mit 2 Marschkompanien auf dem Weg zur Front. Es soll nach SPREMBERG gehen. Ob wir aber noch bis dahin kommen, ist eine andere Frage. Seit heute morgen liegen wir schon bei HAMBURG fest. Jetzt um 20 Uhr 30 soll es bis WITTENBERGE weitergehen. Ich selbst mache Ordonnanzoffizier bei dem Führer der beiden Kompanien, einem Hptm. Wendorff aus Pommern. Derselbe ist ein prima Kerl. Wieder beim Bataillon Brandenburg Ende April 1945 [Anmerkung: Truppengliederung nach P.E.Schramm: 30. 04. 1945: Heeresgruppe Mitte: 4. Pz-Armee, Pz-Korps Großdeutschland mit Panzergrenadierdivision Brandenburg] Werden in SPREEFURT in einer Waldstellung eingesetzt. Der Kdr. unseres Marschbatl. schießt sich mit der Pistole in die große Zehe. Er wird wegen Selbstverstümmelung erschossen.

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Spreefurt

Dt.Brod

M채hr.Ostrau

von

von Arys-

Nach der Genesung von Sieseby nach Spreefurt an die Front, R체ckzug bis Dresden(Okrilla), mit der Bahn nach M채hr.Ostrau, R체ckzug bis Dt. Brod, Gefangenschaft in Tabor

von Sieseby

Dresden

Tabor

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Gegenstöße unsererseits durch die Wälder auf total zerstörte Dörfer. Abwehr feindlicher Panzer. Nach 10 Tagen gelangen wir zu unserem alten Batl. Brandenburg. Bei einer Brückensprengung vernichte ich einen Panzer durch eine T-Mine und nehme die dreiköpfige Besatzung gefangen. Weitere Auszeichnungen Erhalte das Panzervernichtungsabzeichen und 5 Tage später das EKI. Kämpfe um BAUTZEN Kämpfen dann hartnäckig um BAUTZEN. Von dort ziehen wir uns nach OTTENDORFOKRILLA bei DRESDEN zurück. KTB-OKW: 20. 04. 1945: Im Einbruchsraum Görlitz-Bautzen-Weißwasser warfen unser Verbände nach Westen vorgedrungene Kräfte der Russen zurück. 21. 04. 1945: Die tapferen Besatzungen von Bautzen und Spremberg zerschlugen alle Angriffe. Das Ende Hitlers und letzter Einsatz in der Tschechoslowakei 02. 05. 1945 Am 2. Mai erreicht uns hier die Nachricht vom Tode Adolf Hitlers. Admiral Dönitz ist sein Nachfolger. 03. 05. 1945 Werden am 3. Mai in DRESDEN verladen. Es geht in die Tschechoslowakei: MÄHRISCH OSTRAU [OSTRAVA]. Kein Zusammenhang mehr. Selbst Schörner ist trotz seiner vielen Todesurteile machtlos. Vor DEUTSCHBROD [NEM. BROD] werden wir zusammengehauen. KTB-OKW: 03. 05. 1945: In Mährisch Ostrau und beiderseits Brünn vereitelten unsere Verbände die Durchbruchversuche, der bei Wittkowitz, Wischau, Brünn, Nikolsburg mit erheblichen Kräften angreifenden Bolschewisten. 04. 05. 1945: Gegen die Flanke unseres Frontbogens südöstlich Mährisch Ostrau warfen die Bolschewisten neue Kräfte in den Kampf und konnten nordöstl. Wischau und bei Wagstadt Boden gewinnen. 05. 05. 1945: Die Rücknahme des Frontbogens südöstlich Mährisch Ostrau verläuft planmäßig. Kapitulation 08. 05. 1945 Kapitulation. Die Tschechen bewaffnen sich mit den von unseren Soldaten weggeworfenen Gewehren und machen Jagd auf jeden Deutschen. Marsch in Richtung auf Deutschland 05. - 10. 05. 1945 Mein Kp.-Führer, Lt. Koch, (Olt. Schlosser war bei RITZEN gefallen) der Kraftfahrer, 2 Melder und ich wollen uns auf eigene Faust durchschlagen. 5 Nächte hindurch marschieren wir nach dem Kompaß in Richtung Westen. Am Tage halten wir uns in den Wäldern verborgen. Wir haben noch unsere Waffen bei uns. Tschechen durchkämmen die Wälder. Wenn sie uns finden, sind wir des Todes. Keine 5 m entfernt, gehen sie zweimal an uns vorüber. Dann zwingt uns der Hunger, daß wir uns einer singend marschierenden, deutschen Truppe anschließen. Sie sind frohen Mutes, hat man ihnen doch gesagt, sie würden in die Heimat entlassen. -

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In TABOR in die Gefangenschaft 12. 05. 1945 Nach zweitägigem Marsch kommen wir in TABOR an und werden dort in einer ehemaligen deutschen Kaserne untergebracht. Hier sind schon Tausende anwesend auch Zivilisten. -

Gefangenschaft 12. 05. 1945 - 21. 10. 1947 Warten auf den Transport 12. 05. - 01. 06. 1945 Wir werden in einer Fahrzeughalle untergebracht und schlafen auf dem Betonboden. Haben wenigstens ein Dach über dem Kopf, viele liegen draußen im Freien. Die Russen sind sehr auf Uhren und Ringe versessen. Aber auch Feuerzeuge, Taschenmesser usw. sind für sie genauso wertvoll. Wir werden alles los bis auf die Bekleidung. Ich habe meinen Trauring dauernd im Mund. Der “Sieger“ haust wie ein Barbar. Deutsche Krankenschwestern werden in Gegenwart von deutschen Soldaten und Kindern vergewaltigt. Es sind Bestien. Stündlich kommen neue Züge von Gefangenen an. Sie sind froh, dem Blutrausch der Tschechen entgangen zu sein. Oft ist Antreten, und wir werden von russischen Offizieren bis auf die Haut durchsucht. Zu essen gibt es 3-mal täglich einen Kochgeschirrdeckel voll dicken Erbsen und 200g Brot. Pfingsten liegen wir bei einem tollen Unwetter - der Hagel prasselt in Taubeneigröße auf uns nieder - im Freien. Ehemalige KZ-Häftlinge sind unsere Reihen durchgegangen. Man schert uns den Kopf kahl. Deutsche Offiziere vom “Freien Deutschland“ halten große Propagandareden. Zwischendurch exerzieren. Abtransport 01. 06. 1945 Nach 3 Wochen, am l. Juni 45, werden wir verladen und nach 14 Tagen in FOKZANI (Rumänien) ausgeladen. 3 Tage später geht die Fahrt weiter und Ende Juni kommen wir in SARATOW (Wolga) an. Von dort werden 600 Mann, unter denen auch ich bin, auf dem Wasserweg nach MARKS (Wolga) - etwa 80 km - verfrachtet. Ankunft in MARKS an der Wolga 01. 07. 1945 Treffen dort am l. Juli ein. Ein tolles, mit Brennesseln und anderem Unkraut überwuchertes Gelände mit 3 Holzhäusern und Stacheldraht umgeben. Dies finden wir als Unterkunft vor. Zwei Häuser dienen uns als Behausung, in einem sind die Küche und der Speisesaal untergebracht. Zu dritt müssen wir auf Holzpritschen übereinander wohnen. Unsere zusätzliche Bekleidung wie Mäntel, Decken, Zeltbahnen usw. wird uns abgenommen. Einen Brunnen gibt es nicht. Manchmal dürfen wir uns außerhalb der Umzäunung in einem toten Nebenarm der Wolga waschen. Auch das Vieh der Bevölkerung wird hier getränkt und gleichzeitig holt unsere Küche das Wasser zum Kochen von dort. Bewacht werden wir von 16 bis 17-jährigen russischen Soldaten, die gegenseitig wetteifern, uns zu schikanieren. Unser russischer Lagerführer der Natschalnik ist ein großer Deutschenhasser. Der deutsche Lagerkommandant, zugleich Dolmetscher, ist ein Obergefreiter, der damit prahlt, früher Kommunist gewesen zu sein. Um sich bei den Russen hervorzutun, schlägt er die Soldaten wegen kleinster Vergehen. Die ersten 8 Tage haben wir im Lager Arbeit genug. Zu essen gibt es morgens, mittags und abends eine dünne Hirsesuppe und jeweils 200g Brot. -

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Weg von Tabor 端ber Focsani nach Saratow an der Wolga und zur端ck nach Marburg


Arbeitseinsatz im Lager 368/15 in MARKS (bis 06. 12. 1946) Juli 1945 Dann ist eines Tages Arbeitseinteilung. Etwa 400 Mann gehen in die Fabrik “Kommunist“, die Dieselmotoren für Barkassen herstellt. In der Kolchose des Lagers Juli - September 1945 Ich komme mit den restlichen Leuten zum Kolchos. Müssen täglich 5 km marschieren. Haben aber den Vorteil, daß wir ab und zu mal ein paar Zwiebeln, Mohrrüben oder Weißkohlköpfe stibitzen können. Sehen darf es aber niemand. 162


In der Fabrik des Lagers Mitte September 1945 - 06. 12. 1946 Mitte September werde ich mit noch einem Kameraden in die Fabrik gesteckt. Wir beide haben ein eigenes Kommando. Müssen Kohlen und Koks sieben für die Gießerei, Öl abfüllen für das E-Werk, Eisen in die Eisensägerei schleppen und im Magazin arbeiten. Unser Arbeitgeber ist ein Jude, wie überhaupt alles hier von Juden wimmelt, die hierher evakuiert worden sind. Schwere Arbeit. Dazu dieser Hunger. Hat man gegessen, so wartet man schon auf die nächste Mahlzeit. Um uns zusätzlich etwas zum Essen zu verschaffen, fangen wir mit dem Klauen an. Die Russen zeigen es uns, wie man es machen muß. Trotz der scharfen Bewachung und Kontrolle schmuggeln sie die halbe Fabrik hinaus. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, von dem niedrigen Lohn können sie nicht leben. Wir nehmen Stearin, Papier, Blechplatten, Öl usw. für die Küche mit und erhalten so eine Suppe mehr. Wir arbeiten die Mittagszeit durch, schaufeln Kohlen für die Zivilisten und bekommen dafür Brot. Aber satt werden wir nie! Kein Sonntag Einen Sonntag oder freien Tag gibt es für uns nicht. Wohl ruht die Arbeit in der Fabrik, wir aber müssen zu den Wolgakähnen, um Kohle, Holz oder Eisen auszuladen. Die Offiziere, wir haben 60 davon im Lager, müssen genauso arbeiten wie wir. Mein Kamerad stirbt an Lungenentzündung November 1945 Mein Arbeitskamerad stirbt im November an Lungenentzündung. Drei Tage lag er mit schwerem Fieber in der Baracke, erst dann brachte man ihn ins Lazarett. Natürlich zu spät. Ich halte mich von allen abseits, bin immer für mich allein. Man darf seinen besten Kameraden nicht mehr trauen. Eine unbedachte Äußerung, und schon ist man beim NKWD [russ. Geheimpolizei]. Wörterbuch von Heinz Harre in der Kriegsgefangenschaft Heinz Harre Lager 7368

Bad Homburg

(Taunus) bei Frankfurt/M Brüningstr. 34

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Langsam bessern sich die Verhältnisse Langsam verbessert sich unser Leben im Lager. Wir bauen uns eine Latrine, streichen die Baracken innen und außen usw. Von Läusen und Wanzen wimmelt es. In Bezug auf Hygiene wird nichts getan. Ärztliche Betreuung gibt es nicht. Es würde uns einigermaßen gut gehen, wenn man uns das geben würde, was uns zugedacht ist. Aber jeder von dem russischen Personal arbeitet nur in seine Tasche. Wir wissen es und sind machtlos. Von SARATOW muß die Verpflegung mit dem Lkw geholt werden. Bis sie ins Lager gelangt, ist die Hälfte verschwunden. Die Kälte macht uns sehr zu schaffen. Wir erhalten zwar Wattezeug, aber die fettlose Ernährung hat unsere Körper zu sehr geschwächt. Weihnachten 1945 Erhalten einen weiblichen Unterleutnant als wachhabenden Offizier. Die Frau beschafft uns einen Weihnachtsbaum und Lichter zum Fest. An Heiligabend singen wir ein paar Lieder. Ein Akkordeon haben wir ausgeliehen. Danach fangen dann einige an zu tanzen und zu grölen. Ich verziehe mich auf meine Pritsche. 1946

Zusatzbrot ab Januar 1946 Im Januar fängt man an, uns Zusatzbrot zu geben. Wer 50% seines Solls schafft, erhält 100g Brot, bei 80% - 150g, bei 100% - 200g und über 100% - 300g Brot. Der Winter fordert viele Kranke. Er beginnt Anfang Oktober und endet Mitte April. Holz und sonstiges Brennmaterial zum Feuern müssen wir uns selbst besorgen - das heißt: in der Fabrik stehlen. Gearbeitet wird in 3 Schichten. Kommen wir um 17 Uhr von der Tagschicht zurück, müssen wir 5 km marschieren und Holz für die Küche holen. Abend für Abend. Die Verpflegung bessert sich etwas März 1946 Im März beginnt man damit, uns mittags zusätzlich einen Hirsebrei (4 Löffel) zu geben und 15g Zucker. Die meisten Kriegsgefangenen verdienen jetzt auch Geld. 150 Rubel im Monat ist der Höchstsatz. 300 Rubel werden für unsere Bekleidung, Wohnung und Essen angerechnet und einbehalten. Was darüber ist, bekommt man zu 80% ausgezahlt. Ich bin leider nicht bei den Glücklichen, verdiene mir aber auf meine Art etwas Geld für Tabak. Es wird für Musikinstrumente und ein Radio gesammelt. Wir bauen ein neues Krankenrevier und eine Waschbaracke. 400 Mann sind wir nur noch stark und können uns etwas breiter machen.

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In der Fabrik als Schlosser Juli 1946 Im Juli fange ich an, in der Fabrik als Schlosser zu arbeiten. Mit noch einem Kameraden stelle ich Kupplungen her. Für eine Kupplung haben wir 24 Stunden Zeit und bekommen 50 Rubel. 24 Stück müssen wir im Monat herstellen und prüfen. Dies wäre bequem zu schaffen, wenn die Mechaniker laufend das fertige Material liefern würden. Aber an den alten Maschinen haben sie derart viel Ausschuß, daß wir erst Mitte des Monats richtig zu arbeiten anfangen können. Auch ich verdiene jetzt 150 Rubel im Monat. Aber was will man damit schon anfangen. Für 1 Paket Machorka (50g) bezahlt man 5 - 7 Rubel, Feinschnitt kostet sogar 12 - 14 Rubel, eine Zeitung zum Zigaretten-Drehen: 1 Rubel, 100g Butter: 12 Rubel, 1kg Brot: 15 Rubel. Russen, die in Deutschland gearbeitet haben, sind in die Fabrik auf 5 Jahre verpflichtet worden. Sie möchten sofort wieder zurück. Mit Durchfall ins Revier Ende November 1946 Ende November komme ich mit Durchfall ins Revier. Mit Ruhr ins Lazarett in SARATOW 07. 12. 1946 Am 7. Dezember 46 werde ich mit Ruhr ins Lazarett SARATOW eingeliefert.

1947 Februar 1947 Bis 20. 2. 47 liege ich dort. Die Betreuung durch russische Ärztinnen und deutsche Arzte ist gut. Medikamente und Verbandsmaterial fehlen. Das Essen ist gut, aber viel zu wenig. Das Lazarett ist überbelegt. 2 Mann in einem Bett und wer derart nicht unterkommt, liegt auf Matratzen auf dem Fußboden. So lagen wir mit 101 Mann in einer Stube, in der für 36 Mann Betten vorhanden waren. Im Lager 368/14 in ENGELS 20. 02. - 18. 07. 1947 Werde ins Lager ENGELS - gegenüber SARATOW - abgestellt. Die Zustände in den Lagern haben sich inzwischen wesentlich verbessert. Jeder hat eine Decke und einen Strohsack. Es ist ein Aufenthaltsraum und eine Bibliothek vorhanden. Deutsche Zeitungen gibt es zu lesen. Das Lager ENGELS ist sehr schön. Anlagen, Bäume, Blumenbeete usw. Eine zehnköpfige Kapelle mit allen Schikanen, Radio und Lautsprechern im Freien. Alle 14 Tage gibt die Theatergruppe eine Gastrolle. Mindestens einmal in der Woche werden wir ärztlich untersucht und in Klassen eingeteilt. Die Schwächsten sind Arbeitsgruppe III und brauchen nicht zu arbeiten. Auch ich gehöre 4 Wochen dazu. Die Baracken befinden sich in der Erde, und es wimmelt von Flöhen und Wanzen. Läuse haben wir nicht mehr. Das Essen ist gut - zu jeder Mahlzeit gibt es einen Löffel Öl - aber viel zu wenig. Seit November 46 gibt es nur noch 470g, 570g und 670g Brot. Im Sägewerk und in der Waggonfabrik Später arbeite ich zuerst in einem Sägewerk und danach in der Waggonfabrik. Wieder mit Ruhr ins Lazarett in SARATOW 18. 07. - 06. 10. 1947 Im Juli ziehe ich wieder mit Durchfall ins Revier und komme dann erneut mit Ruhr ins Lazarett SARATOW. Von einer Kommission werde ich für die Heimreise bestimmt.

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Heimreise 07. 10. 1947 4 Wochen Nervenprobe, dann am 7. 10. 47 rollt der Transport nach Deutschland los.

Wieder auf deutschem Boden 21. 10. 1947 Am 21. 10. 47 treffen wir in FRANKFURT/ODER ein. Wieder auf deutschem Boden. Gott sei gedankt. Der Hölle entronnen.

Erkrankung und Genesung in MARBURG 01. 11. 1942 Über ERFURT, wo wir 3 Tage liegen bleiben, kommen wir zum Entlassungslager HERSFELD. Werde von dort zur Kur nach MARBURG geschickt, wo ich am 1. 11. 47 mit 116 Pfund eintreffe. Liege dann mit einer Lungenentzündung danieder, anschließend die Windpocken. Erhole mich zusehends.

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Kriegsende Ende Januar 1948 Ich werde Ende Januar mit 80 kg Gewicht entlassen. Endlich wieder daheim. Ein neues Leben beginnt.

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Anhang Militärische Laufbahn 02. 11. 1937 Eintritt ins PiBatl. 23 - 3. Kp. (mot) 01. 10. 1938 Gefreiter 01. 12. 1939 Obergefreiter 01. 03. 1940 Unteroffizier 01. 02. 1942 Feldwebel 01. 01. 1943 Oberfeldwebel Auszeichnungen 03. 06. 1940 Westwallmedaille (Dt. Schutzwall-Ehrenzeichen) 30. 07. 1941 Eisernes Kreuz II. Klasse 30. 05. 1942 allg. Sturmabzeichen (Silber) 13. 08. 1942 Medaille “Winterschlacht im Osten“ 01. 09. 1943 Kriegsverdienstkreuz II. Klasse März 1945 Verwundetenabzeichen in schwarz März 1945 Kriegsverdienstkreuz I. Klasse März 1945 Nahkampfspange in Bronze April 1945 Panzervernichtungsabzeichen [Ärmelstreifen] April 1945 Eisernes Kreuz I. Klasse [Hier enden die Aufzeichnungen von Heinz Harre Anmerkung: Von den im März/April 1945 verliehenen Auszeichnungen wurde nur das Verwundetenabzeichen in den Wehrpaß der Bundeswehr (siehe auch unten) eingetragen, da von den übrigen nach dem Krieg keine Unterlagen verfügbar waren].

Nachwort von Norbert Harre Nach dem Krieg wollte mein Vater nicht wieder in seinem erlernten Beruf arbeiten. Die Gastwirtschaft seiner Mutter - nunmehr in der Sowjetischen Besatzungszone gelegen - kam als Erwerbsgrundlage auch nicht in Frage. Nach einer Beschäftigung bei den amerikanischen Streitkräften in BAD HOMBURG trat er 1956 in die Bundeswehr ein und wurde Kompaniefeldwebel (Spieß - Mutter der Kompanie - bei der Wehrmacht: Hauptfeldwebel genannt) beim Pionier-Lehrbataillon der Pionierschule in MÜNCHEN. 1958 ist mein Vater zum Hauptfeldwebel befördert worden. Es folgte eine kurzzeitige Versetzung zur Wallmeistertruppe in REGENSBURG. Schließlich versah er beim Pionierstab des Wehrbereichskommandos VI in MÜNCHEN bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1969 seinen Dienst. Durch eine anschließende Tätigkeit bei der Bank konnte er seine Pension aufbessern und schließlich ein Eigenheim in TITTING/KALDORF erwerben. Aufgrund eines Asthmaleidens (das wohl auch im Zusammenhang mit seinem Zigarettenkonsum stand - siehe auch die Aufzeichnungen im Hinblick auf die „Rauchware“) konnte er sein neues Heim nur kurz genießen und verstarb schließlich früh im Jahre 1980. Möge vorstehende Zeitdokumentation zum Frieden gemahnen. Norbert Harre

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Abkürzungen: A AK Art Batl/Btl Bär B- oder C-Gerät Div Do-Geschütz EKII Fhr Flak Fw GD Gefr Grp gvH Hfw HKL Hptm ID Inf IR KdF Kdr Komp / Kp K-Rollen K-Säge KTB kv KVK LS Lt MG mot Olt Offz Ofw OKH OKW Pak Pi / Pion Pz Sani Stuka T-34 T-Mine Uffz SPW SS

Armee Armeekorps Artillerie Bataillon Rammbock Typenbezeichnung für Kriegsbrückengerät Division Dover-Geschütz (weit reichendes Artillerie- Geschütz) Eisernes Kreuz II. Klasse Führer Fliegerabwehrkanone Feldwebel Truppenteil “Großdeutschland“ Gefreiter Gruppe garnisonverwendungsfähig in der Heimat Hauptfeldwebel Hauptkampflinie Hauptmann Infanteriedivision Infanterie Infanterieregiment Kraft durch Freude Kommandeur Kompanie Stacheldrahtrollen Kettensäge Kriegstagebuch kriegsverwendungsfähig Kriegsverdienstkreuz Luftschutz Leutnant Maschinengewehr motorisiert Oberleutnant Offizier Oberfeldwebel Oberkommando des Heeres Oberkommando der Wehrmacht Panzerabwehrkanone Pionier Panzer Sanitäter Sturzkampfbomber russischer Panzertyp (Tank-34) Tankmine (heute Panzermine) Unteroffizier Schützenpanzerwagen Schutzstaffel 169


Einsatz der Einheiten Anonym: Deutsches Rotes Kreuz - Suchdienst - Divisionsschicksale Selbstverlag, 1958 -1960 23. InfanterieDivision 26. PanzerDivision (ab Juli 1942) Standort: Potsdam (bis Juni 1942) 1940 West Mai - Juni Vormarsch durch Luxemburg und Belgien nach Frankreich, Vorstoß nach Südwesten, über Charleville, die Aisne bei Rethel, die Marne bei St. Dizier, das Plateau von Langres bis zur schweizerischen Grenze 1941 Ost Juni - Oktober Vormarsch aus dem Raum Ostrow über Bialystok, Slonim, Minsk, die Beresina zum Dnjepr bei Mogilew, Vorstoß südlich Smolensk über den Sosh, Roslawl bis zur Desna, Abwehrkämpfe an der Desna und bei Jelnja, Doppelschlacht von Wjasma-Brjansk Oktober - Dezember Vorstoß über Gshatsk, Sjerjeda südlich Klin zum Moskwa-Kanal nördlich Moskau Rückmarsch in die »Lama-Stellung“ nördlich Wolokolamsk 1942 Ost Januar - Februar [März] Rückzug in die Winterstellung Gshatsk Februar - Mai Kämpfe südlich Wjasma Juni Partisanenbekämpfung im Raum Dorogobush ostwärts Smolensk Verlegung nach Belgien

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Infanterie-Regiment Großdeutschland Aufstellung Juni—September 1939 unter Umgliederung des Wachregiments Berlin (bis April 1942) Infanterie-Division (mot.) GD (April 1942 - Juni 1943) Panzer-Grenadier-Division GD (Juni 1943 - Dezember 1944) Panzerkorps Großdeutschland (ab Januar 1945)

1945 Januar Umgliederung zur Aufstellung des Panzerkorps Großdeutschland in Ostpreußen, Raum Rastenburg-Sensburg (Rückkehr der I./Pz. Rgt. GD, Zuführung der Pz. Gren. Div. Brandenburg, die im Raum Angerburg-Lötzen versammelt wird)

Getrennte Einsätze des Panzerkorps Großdeutschland a) Panzer-Grenadier-Division GD b) Panzer-Grenader-Division Brandenburg c). Führer-Begleit-Divison d) Führer-Grenadier-Division e) Panzer-Grenadier-Division Kurmark f) Ponzer-Grenadier-Einsatz-Brigade GD g) Wachregiment GD Panzer-Grenadier-Division Brandenburg (Umgliederung der Division Brandenburg, Dezember 1944 - Januar1945 in Ostpreußen) 1945 Ost Januar - Februar E-Transport von Ostpreußen in den Raum Petrikau-Lodz-Kutno Abwehr- und Rückzugskämpfe von Lodz-Petrikau über Sieradz, Ostrowo, Militsch hinter die Oder bei Koben bzw. von Kutno über Konin, die Warthe bei Schrimm, Lissa hinter die Oder bei Glogau, Rückzug von der Oder über Sprottau, [H. H. Verwundung!] Sagan, Sorau hinter die Lausitzer Neiße März - Mai Abwehrstellung im Raum Weißwasser-Muskau, Verlustreiche Abwehrkämpfe im Raum Rothenburg (OL) - Penzig nördlich Görlitz, Rückzugskämpfe über Löbau, [H. H. wieder im Einsatz!] Bautzen in den Raum nördlich Dresden E-Transport in die CSR Abwehrkämpfe im Raum Olmütz Rückzug in den Raum Deutsch-Brod Kapitulation Russische Gefangenschaft

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