Das Schweizer Magazin für Mode, Schönheit und Kultur SEPTEMBER 2012 CHF 8.50 € 6.– www.boleromagazin.ch
71Seiten internationale DesignerKollektionen DavidLynch überKreativität Bhutan entdecken
Die
NEUEN
LOOKS 09 9 771420 394000
TRENDLOOKS Die DIE TRENDLOOKS DER KOMMENDEN SAISON SIND VIELFÄLTIG. TON ANGEBEND SIND NEUE VOLUMEN, LEDER, LAGENLOOKS, UND SCHMUCK. FOTOS: SVEN BÄNZIGER STYLING: JUNE NAKAMOTO/SHOTVIEW.COM MARTINA RIEBECK & MIRIAM DEMBACH MAKE-UP: FUSAKO OKUNO, CLARE READ/CAREN & ADALBERTO P./FREELANCER HAIR: STEPHANE, SELENA MIDDLETON/SOHO MANAGEMENT & GIANLUCA GUAITOLI/W-MMANAGEMENT MODELS: MILANA/WOMENMANAGEMENT, NADIA G./VIVA & ANNEMARA POST/VIVA PARIS
CÉLINE Cremefarbener, gefilzter Alpakamantel. Kunstledertop in Off-White. Lederschal. Hosen aus Techno-Ottomangewebe mit Zips an den Knien. Clutch aus Pythonleder. Styling: June Nakamoto.
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STIL
PRACHTSTÜCK
Dolce & Gabbanas Leitmotiv, das romantische und religiöse Sizilien, erhält kommenden Herbst und Winter einen barocken Spirit: Ihre «Dolce»Tasche wird mit GobelinMotiven und kostbarer Goldstickerei zum statement piece. Wo zu kaufen Seite 159. FOTO: ARMIN ZOGBAUM STYLING: ULRIKE MIEBACH/ WWW.NINAKLEIN.COM RETUSCHE: OLIVIER YOSHITOMI
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STIL neuigkeiten
Kooperation
SCHREI VOR GLÜCK KAVIAR GAUCHE DESIGNT FÜR ZALANDO. DAS DESIGNER-DUO ENTWARF ZWANZIG INDIVIDUELLE TEILE UND ACCESSOIRES Bolero: Was ist der Spirit der «Kaviar Gauche für Zalando Collection»? Alexandra Fischer-Roehler und Johanna Kühl: Der Spirit erinnert stark an den KaviarGauche-Stil: Modern Glamour! Weshalb sind Sie die Kooperation eingegangen? Wir lieben Abwechslung! Und wir lieben Design-Kooperationen! Uns gefällt der Gedanke, erschwingliche Mode für eine jüngere Klientel zu designen. Welches Kleidungsstück ist ein Must für diesen Herbst? Die «Draped Blouse» aus SeideBaumwolle in einem Ivory-Ton. Am Besten wird diese zu einer coolen Motorcycle-Pants von Kaviar Gauche kombiniert. | ALB
Fotos: Atelier Swarovski Diana Vreeland Legacy Collection (1)
Erhältlich ab 20. September unter www.zalando.ch.
Würdigung
The Queen of Style Diana Vreeland (1903-1989) ist eine der einflussreichsten Frauen in Sachen Mode und Stil des 20. Jahrhunderts. In den dreissiger Jahren war sie Moderedaktorin bei «Harper`s Bazaar», in den Swinging Sixties übernahm sie den Chefposten bei der «US Vogue». Ihre Handschrift machte diese zur meistgelesenen Zeitschrift überhaupt. Auch mit siebzig scheute sich die zierliche, kettenrauchende Dame nicht, eine Karriere im Metropolitan Museum Costume Institue anzugehen. Ihre Standards sind nach wie vor revolutionär. Atelier Swarovski ehrt Diana Vreeland jetzt mit einer Schmuckkollektion. Inspiriert von ihrem Schmuck-Nachlass, reflektieren die Colliers oder Armreifen Vreelands Philosophie: «Die einzig wahre Eleganz besteht im Verstand. Wenn Du das hast, kommt der Rest ganz von allein.» | ALB www.swarovski.com
Mokassins
Ausstellung
— Shiny Shiny — Dekorativ und funkelndglamourös sind die neuen Mokassins von Miu Miu. Gewählt werden kann zwischen glänzendem Pythonleder, Lackleder oder mit Glitzer versehenem Leder. Die Schuhe eignen sich als Hingucker, aber auch für den All-GlamourLook. Ab ca. CHF 440.–. | ALB
MADAME GRÈS ZU GAST BEI MOMU
www.miumiu.com
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Die französische Modeschöpferin Madame Grès (1903 – 1993) gilt als Meisterin skulpturartiger Kreationen und nahtloser Kleidungsstücke. Sie selbst verstand sich als Künstlerin. Die Fusion von Skulptur und Mode in Grès’ Schaffen thematisiert die Ausstellung «Madame Grès – Sculptural Fashion» im MoMu in Antwerpen. | ALB «Sculptural Fashion» läuft vom 12. September bis 2. Februar 2013. www.momu.be
BEAUTY
«I’ve got you... ... under my skin. I’ve got you deep in the heart of me. So deep in my heart that you’re really a part of me...» Für Frank Sinatra eine musikalische Affäre, für uns der Swing des Parfum-Herbstes! Diese sechs Düfte adoptieren wir auf der Stelle. FOTOS: SANDRA KENNEL REDAKTION: MARIANNE ESCHBACH/VANESSA FINK WO ZU KAUFEN SEITE 159
Nights in white jasmin: «Grand Bal», Hommage an opulente Feste. Christian Dior Collection Privée.
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BEAUTY parfum
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Die Entfaltung von Nashi-Birne und Patchouli im ersten Modeduft des PlissĂŠe-Meisters Issey Miyake.
KULTUR
Bekannt verzogen – Das Zürcher Löwenbräukunst-Areal feiert Eröffnung. TEXT: LEONI JESSICA HOF
Wenn der neue Hotspot des Zürcher Kulturgeschehens zur Einweihungsfeier lädt, darf man gespannt sein: Das Löwenbräukunst-Areal öffnet am 31. August offiziell seine Tore. Die Umzugskisten ausgeräumt haben das Migros Museum, die Kunsthalle Zürich und private Galerien. Zum Einstand darf man sich auf die Ausstellung von Wolfgang Tillmans (*1968) in der Kunsthalle freuen. Für den Künstler ist es ein Heimspiel – startete er 1995 seine internationale Karriere doch hier. Im Jahr 2000 erhielt er als erster Nicht-Brite den «Turner-Prize». Tillmans arbeitet mit Fotografie und Video, in den Neunzigern bildete er vor allem Ikonen (s)einer Generation ab. Seine «Ästhetik des Unschönen» brachte er in kommerzielle Mode-Shootings, es folgten abstrakte Naturaufnahmen und Experimente mit Chemikalien. Die Schau in der Kunsthalle zeigt ungesehene und neue Arbeiten. Auch die Ausstellung des Isländers Ragnar Kjartansson im Migros Museum sollte man gesehen haben. Seine Performances sind geprägt von melancholisch-absurden Momenten. Und ja, manchmal hält er seinem Publikum sogar ein Ständchen.
OBEN: «Neue Welt 132 – 133», 2012. RECHTS: Der Künstler Wolfgang Tillmanns. Courtesy Galerie Buchholz, Köln/Berlin.
Die Eröffnung des Löwenbräukunst-Areal findet statt am 31. August.
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KULTUR bücher
Bolero
BLICKPUNKT
Was Sie noch lesen sollten:
Hoffnung im Gepäck — Julie Otsuka legt mit ihrem Roman ein kleines Wunderwerk vor. TEXT: LEONI JESSICA HOF
Gerade mal 150 Seiten ist er lang, der Roman «Wovon wir träumten», und doch stösst die Autorin in ihm so viele Geschichten an, dass sich ein ganzer Kosmos auftut. «Auf dem Schiff waren die meisten von uns Jungfrauen», so beginnt Julie Otsuka (*1962). Sie geht zurück in die zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und erzählt die wahre Geschichte so genannter «Picture Brides». Die jungen Japanerinnen kommen nach Amerika, um hier zu heiraten und ein neues Leben zu beginnen. Grosse Hoffnungen im Gepäck, müssen sich die Frauen schnell eingestehen, dass in der Realität nicht alles so schön ist, wie auf den Fotos der Heiratsvermittler. Otsuka streift diese Geschichten von Hoffnung und Ohnmacht, von Machtlosigkeit und Rebellion. Sie erzeugt mit ihren präzise gesetzten Worten Schlaglichter und beleuchtet Lebensgeschichte um Lebensgeschichte. Die Autorin Julie Otsuka wollte eigentlich Malerin werden. Aufgewachsen in Kalifornien, studierte sie in Yale und Columbia und entschied sich dann doch fürs Schreiben. Heute lebt sie in New York, ihre Bücher entstehen in einem Café an der Upper West Side. Für diesen, ihren zweiten Roman, wurde sie in diesem Jahr mit dem «PEN/Falkner Award» ausgezeichnet. Der Roman habe ihr das Herz gestohlen, sagte eine Jurorin. Massenhaft Recherche habe sie betrieben für ihr zweites Buch, so die Autorin. Geschichtsbücher, historische Zeitungsartikel und mündlich Festgehaltenes habe sie gelesen und einige Notizbücher vollgeschrieben. Auffällig ist die konsequent durchgehaltene WirForm des Romans, die den Leser gleichsam einschliesst. Die Frauen sprechen wie in einem Chor. Und obwohl es keine Hauptfigur gibt, berührt dieses Buch tief und gibt Einblicke in eine Welt, die während des Lesens lebendig wird. Julie Otsuka, «Wovon wir träumten», Mare Verlag, CHF 25.90
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Kulturredaktorin
Juli Zeh hat einen neuen Roman geschrieben und da treibt es die promovierte Juristin recht düster, sie selbst bezeichnet «Nullzeit» als Psychothriller. Die Geschichte spielt auf einer Insel, die man nicht wirklich besuchen will, wenn es einen nicht gerade unter Wasser zieht. Hier lebt Tauchlehrer Sven, der Jurist hat Deutschland den Rücken gekehrt. Raushalten ist seine Devise. Als die attraktive Jola mit ihrem Lebensgefährten Theo auf die Insel kommt, entspinnt sich eine Dreiecksbeziehung, bei der der Leser bald nicht mehr weiss, wer hier mit falschen Karten spielt. Ein Kammerspiel, das tatsächlich an Patricia Highsmith denken lässt. Wer lieber das Original liest, dem empfehle ich mit «Der talentierte Mr. Ripley» den Klassiker der Krimiliteratur schlechthin. Neu erscheint der Roman mit rätselhaften 3D-Illustrationen von Alexandra Rügler. «Der zweischneidige Charakter des Tom Ripley und die teilweise verzerrte, schon groteske Sicht auf die Welt durch dessen Augen brachten mich zu meinen Illustrationen», sagt sie. Ein Erlebnis! Das Debüt von Chad Harbach ist dies auch. «Die Kunst des Feldspiels» hat mich erst ob seiner Baseball-Szenen abgeschreckt – zu Beginn befinden wir uns auf dem Spielfeld mit dem hageren Protagonisten des Romans, der ein Genie auf dem Platz ist – dann aber habe ich das Buch nicht mehr aus der Hand gelegt. Denn eigentlich geht es hier nicht so sehr um Baseball, sondern mehr um das Erwachsenwerden, um Augenblicke, die ein Leben verändern, und um die Liebe. Ein grosser amerikanischer Roman. Der Autor liest am 15. 9. im Zürcher Kaufleuten. Juli Zeh, «Nullzeit» Schöffling & Co., CHF 28.50 Patricia Highsmith, «Der talentierte Mr. Ripley», Edition Büchergilde, CHF 35.50 Chad Harbach, «Die Kunst des Feldspiels» DuMont, CHF 32.90
Fotos: Robert Bessoir (1)
Die Autorin Julie Otsuka schreibt über eine wahre Geschichte.
LEONI JESSICA HOF
ANGESAGT
Designer mit Herz «Ich war keines dieser Wunderkinder», sagt Modedesigner Julian Zigerli, heute geht der Schweizer in die Vollen. TEXT: LEONI JESSICA HOF FOTOS: JONAS LINDSTROEM
Googelt man seinen Namen, erscheinen unzählige Modeblogs. Von diesem Phänomen kann man halten, was man will, auf jeden Fall scheint Julian Zigerli (*1984) im Netz ein Dauerthema zu sein. Begeistert wird über neue Kollektionen geschrieben, Stoffe, die regenfest sind und winddicht, Shows, die man erlebt haben muss. Auf den Bildern sieht man viele Prints, Oberteile, in die ein Rucksack integriert ist, so genannte Jackpacks, Mützen aus gebogenem Klett. Der Designer Julian Zigerli macht sein Ding und ist erfolgreich damit. Selbst die sonst eher verhaltene Presse schreibt lobend über den Designer aus dem eigenen Land. Stimmig sei das, was er mache und handwerklich einwandfrei, urban und progressiv. In Asien haben die Kreationen des Schweizers schon etliche Fans. 2011 gründete er das Label, das seinen Namen trägt und das er von Zürich aus führt, und bereits in diesem Jahr gewann er in der Kategorie Mode- und Textildesign den «Eidgenössischen Preis für Design». Zigerli selbst möchte seine Mode nicht lokal verorten, Inspiration schert sich nicht um Landesgrenzen. Geprägt worden sei er in der deutschen Hauptstadt: «Ich bin ein Schweizer Designer, der mit der Berliner Mode gross geworden ist. Die wichtigsten Jahre, in denen ich mich mit Mode befasst habe, waren die während meines Studiums in Berlin.» Den Stempel Schweizer Mode will er sich nicht aufdrücken lassen und doch gibt es einen essenziellen Bezug zu seiner Heimat, arbeitet er doch meist mit Schweizer Textilhändlern zusammen. Qualität ist ihm wichtig. Wiedererkennungswert haben ausserdem die >
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ANGESAGT
Julian Zigerli und Künstler Fabian Fobbe. Models kurz vor der Show an der Berliner Fashion Week.
Prints auf seinen Kleidungsstücken. Die fotografiert er meist selber oder bearbeitet bereits vorhandene Fotos. Und er tut sich mit anderen Kreativen zusammen: An der vergangenen Fashion Week in Berlin zeigte er seine neue Kollektion «My Daddy was a Military Pilot», die in Kooperation mit dem Künstler Fabian Fobbe entstand. Aufgewachsen in Uster, begann Zigerlis kreative Karriere mit 17. Und zwar dort, wo so einige Träume vom (Über)leben als Künstler geboren und manchmal genauso schnell wieder begraben werden: im gestalterischen Vorkurs der Zürcher Hochschule der Künste. «Ich bin keines dieser besessenen Wunderkinder, die bereits mit sieben ihre ersten Kleider anfertigen», sagt er. Er sei ein Jungspund voller Ideen, aber ohne Richtung gewesen. Mit 20 hatte er seine Ausbildung in der Tasche, aber immer noch keine Ahnung. Mode hatte ihn schon immer irgendwie interessiert, sich einzigartig zu kleiden war immer ein Teil seiner Persönlichkeit. «Mein Problem war aber, dass ich die Materie und die Arbeit nicht richtig fassen konnte. Das Mode-Business ist viel Schein und Sein. Es war wichtig, am eigenen Leib zu erfahren, wie die Maschinerie funktioniert.» Diese lernte er bei verschiedenen Praktika kennen, unter anderen im Design-Büro Winkreative in London, das von Tyler Brûlé geleitet wird, oder bei der Modedesignerin Trelise Cooper Ltd. in Neuseeland. Als Zigerli seine ersten Kleidungsstücke entwarf, sei das gewesen,
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als habe er das fehlende Puzzleteil gefunden: Mode, das ist es! Zigerli ging in die Vollen und gründete mit einer Freundin das Minilabel PutPut, sie kreierten T-Shirts und Accessoires. Fürs Modedesign-Studium ging er nach Berlin und kehrte nach sechs Jahren frisch diplomiert nach Zürich zurück. Eine Stelle als Kostümdesigner am Theater Neumarkt hatte ihn hergelockt. Wurzeln schlagen wollte er eigentlich nicht und doch befindet sich genau hier nun die Basis, von welcher aus der Jungdesigner loslegte: London, Paris, Berlin, Seoul und Florenz – überall waren Zigerlis Kreationen schon zu sehen. In Zürich wohnt er mit zwei seiner besten Freundinnen zusammen, zum Arbeiten geht er ins Atelier. «Das ist gleichzeitig Anlaufstelle für geliebte Menschen. Die kommen nicht nur vor den Messen, wenn alle mal an der Nähmaschine sitzen – auch sonst ist mir eine familiäre Atmosphäre am Arbeitsplatz wichtig.» Das hört sich alles sehr entspannt an, warum gehen denn so viele junge Kreative weg von hier? «In der Mode muss man international denken. Die Schweiz ist zwar reich und schön, aber avantgardistische Mode tut sich hier schwer. Ich bin angewiesen auf die Verrücktheit der grossen Metropolen hinter der Grenze.» Besonders schwierig sei die Situation für die, die erst am Anfang stehen. «Deshalb ist es wichtig, dass man flexibel bleibt. Flexibilität und eine sorglose Leichtigkeit sind meine Stärken.»
Stark ist auch sein Spiel mit Materialitäten: «Bis heute haben mich die beiden ungleichen Liebenden, Natur und Technik, nicht losgelassen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil meines Labels.» Wenn Baumwolle, Seide und Wolle auf funktionelle Textilien, wie sie für Sportbekleidung gebraucht werden, treffen, entsteht dieses «urban Progressive», das seinen Kleidungsstücken attestiert wird. Intuitiv probiere er aus, experimentiere mit Materialkombinationen und Prints, das Kollektionsthema immer im Hinterkopf. «Ich versuche, an Grenzen zu stossen. Gleichzeitig sind meine Stücke simpel und naiv. Bei einem Shooting am Meer in Italien meinte meine Mutter: Deine Kleidung passt unglaublich gut zur Natur. Sie ist fast ein Teil davon. Das hat mich sehr gefreut, denn die Flora und Fauna sind meine Grundinspiration.» Eine Frage, die Zigerli nicht zum ersten Mal hört, ist die nach einer Damenkollektion: «Werden das die Designer, die Damenmode kreieren auch immer gefragt? Ich bin grundsätzlich nicht abgeneigt, für die Dame etwas Hübsches zu kreieren. Das habe ich schon im Studium gemacht. Gerade habe ich aber alle Hände voll zu tun mit meiner Jungs-Kollektion.» Viele der Kleidungsstücke könnten ausserdem gut von Frauen getragen werden. Bleibt zu fragen, was es mit all den Herzen auf sich hat, auf seiner Webseite, dem Logo? «Das Herz ist Bestandteil meines Logos und so etwas wie mein Markenzeichen. Das Herz habe ich da hingepflanzt, weil ich glücklich darüber bin, wohin es mich gebracht hat.» < www.julianzigerli.com
ART DE VIVRE Es rumort im Land des Donnerdrachens. Bhutan galt lange als letztes Shangri-La. Jetzt hält das 21. Jahrhundert auch im Land des Donnerdrachens Einzug. Wer den Zauber des buddhistischen Königreiches erleben möchte, sollte sich beeilen. TEXT UND FOTOS: TINA BREMER
Mit dem Glück sei das so eine Sache, sagt Tashi und wiegt den runden Kopf von links nach rechts. Wer will schon sagen, was Glück wirklich ausmacht? Die Liebe? Gesundheit? Die Segnung eines Mönches? Oder doch der Toyota Landcruiser vor der Haustür? Am liebsten in Knallrot, natürlich, zumindest, wenn es nach ihm ginge. Nein, meint Tashi, mit dem Glück, das sei schon eine verzwickte Angelegenheit. Obwohl der 32-jährige Fremdenführer eigentlich ein Experte in Sachen Glückseligkeit sein sollte: Bedeutet sein Name in Dzongkha, der Landessprache Bhutans, doch «der Glückverheissende». Von den Anstrengungen seiner Regierung, das Glück zu messen, hält dieser jedenfalls wenig, Name hin oder her.
Seit fast fünfzehn Jahren versucht ein Komitee, das Glück in Bhutan auszuloten. Es zu berechnen, so, wie die indischen Gastarbeiter die engen Strassen vermessen, die sich durch das buddhistische Königreich schlängeln, das wie Lummerland zwischen den mächtigen Nachbarn China und Indien liegt. 113 Seiten lang ist der Fragebogen, mit dem die Mitarbeiter des Königs von Dorf zu Dorf ziehen, von Haus zu Haus. Lebt ein Mönch in Ihrer Nähe? Von wem haben Sie am meisten gelernt? Was macht Sie glücklich? 1979 beschloss der damalige König Jigme Singye Wangchuk, in seinem Land das «Bruttosozialprodukt» durch den Begriff «Bruttosozialglück» zu ersetzen. Sogar in der Verfassung wurde der Anspruch auf spirituelles Wohlergehen festgehalten, in >
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Artikel 9, mit Brief und Siegel. Das Glück der Menschen sei wichtiger als wirtschaftliches Wachstum, verkündete Jigme. Und irgendwie klingt das schön. Lange Zeit galt Bhutan als letztes Shangri-La. Ein kleiner Garten Eden auf der Erde, versteckt an den Hängen des östlichen Himalayas, abgeschottet vom Rest der Welt. Eine schillernde Seifenblase inmitten eines Orkans. Während anderswo Korruption und die Gier nach Macht wüteten, regierten in Bhutan einzig
OBEN: Das Hotel Amankora Punakha. Das Haupthaus stammt aus dem 17. Jahrhundert. RECHTS: Die Klosterburgen und die Nationaltracht sind der Schmuck des Landes.
der Glaube an die Nächstenliebe – und die Schutzgeister und Götter, die auf den schneebedeckten Bergen und in den Tiefen der Seen leben. Eine Gesellschaft, deren buddhistischer Glaube das Wort «Ich» durch «Wir» ersetzt hat. Empathie statt Ellenbogen, Gemeinschaft statt Globalisierung. Erst Mitte der siebziger Jahre wurden Touristen ins Land gelassen, zaghaft und nur vereinzelt, schliesslich galt es, die Kultur und Natur des Landes zu schützen. Einen Massentourismus wie in Thailand, wo Backpacker wie Heuschrecken über das Land herfallen, wollte der König mit allen Mitteln verhindern. Es ist ihm gelungen – wenngleich zu einem hohen Preis. Rund 250 Dollar am Tag müssen Touristen an den Staat zahlen, um «Druk Yul», das Land des Donnerdrachens, zu bereisen. Aus schwangeren grauen Wolken fallen Tropfen auf uns herab – die Götter scheinen es gut mit uns zu meinen. «Regen bedeutet Glück», erklärt Tashi, während wir die letzten Stufen zum Kloster Taktsang erklimmen. Schnaufend, mit bebenden Nasenflügeln, die Beine weich und die Gesichter rot vor Anstrengung. Mit jedem Schritt baut sich das «Tigernest» grösser vor uns auf. Unwirklich, fast wie eine Fata Morgana, hockt das Kloster auf einem Granitfelsen, 900 Meter
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über dem Tal, eine Versuchung für Liebes- und Seelenkranke. Der Sage nach flog Guru Rinpoche vor mehr als 1200 Jahren auf dem Rücken einer Tigerin über den Himalaya, diesen wütenden Dämon, mit dem nicht gut Kirschen essen war, und landete im Tigerkloster. Im Gepäck: den tibetischen Buddhismus, den er fortan verbreitete und mit dessen Hilfe er sich feindliche Geister und Dämonen untertan machte. 104 Klöster soll Guru Rinpoche errichtet haben – an einem Tag. Die schönste Klosterburg steht im Westen Bhutans, der Dzong von Punakha, eine Mischung aus Kloster, Tempel und Verwaltungsgebäude. Weisser Kalkstein, auf dem ein Pagodendach sitzt, verziert mit Holzschnitzereien. Ein Gebäude wie ein Stillleben, umrahmt von Reisterrassen, Weizenfeldern und Apfelbäumen. 63 Kilometer Serpentinen mussten wir zurücklegen, alle drei Sekunden eine Kurve, Lehrstunden der Langsamkeit. Über den 3050 Meter hohen Dochu-Pass sind wir gefahren, haben heilige Chörten umrundet und Gebetsmühlen gedreht. Wieder und wieder und wieder, bis die Hand schmerzte und die Fürbitten Karussell gefahren sind. Haben auf Siebentausender mit weissen Zipfelmützen geschaut, nach Schneeleoparden Ausschau gehalten und den Duft von Silberpinien, Tränenkiefern und Rhododendron eingesogen. Uns nicht sattsehen können an den bunten Gebetsfahnen, die das ganze Land schmücken, Wälder, Brücken, Täler; ein Meer aus Wünschen, die der Wind in die Welt trägt. Und auch wir wollen ein kleines Stück von dieser Glückseligkeit – und streifen die Schuhe ab. Schon von draussen hören wir die Musik, einen dumpfen Singsang, getragen von Gebetstrommeln und Oboen, die den Takt vorgeben. Rund 30 Mönche sitzen im Schneidersitz auf dem Lehmboden des kleinen Tempels. Barfuss, in roten Roben, mit kahl geschorenen Köpfen, tibetische Mantras murmelnd, deren Bedeutung sie selbst kaum verstehen. An den Wänden Brokat und Malereien, die von Buddha und dem Rad des Lebens erzählen, von Wiedergeburt und Erlösung. Durch ein kleines Fenster fällt Sonnenlicht. Eine Szene, so mystisch schön wie aus dem Film «Sieben Tage in Tibet». Ob wir uns segnen lassen wollen, fragt Tashi und führt uns zu einem Mönch, der goldgelbes Wasser in unsere rechte Handfläche giesst. Der Duft von Safran und Sandelholz liebkost die Nase. Wir nehmen einen kleinen Schluck von dem gesegneten Nass und streichen den Rest ins Haar. Anschliessend legen wir ein paar Geldscheine in eine Opferschale. Der Altar sieht aus wie die Tafel eines Kindergeburtstages. Chipstüten, Coca-Cola-Flaschen, Kaugummis und Schokolade stapeln sich in den silbernen Schalen. Aber Kinder, das sind die meisten Mönche auch. Gerade einmal sechs Jahr alt war Tashis zweitjüngster Bruder, als er ins Kloster geschickt wurde. Wie unzählige andere Söhne aus armen Bauernfamilien, die sich für ihren Nachwuchs ein besseres Leben erhoffen. Schliesslich sichert der Staat die Existenz der Klöster und kommt für deren Unterhalt auf. Das Leben auf dem Land dagegen >
EVENT
LINKS: Schaufenster mit Kusama-Puppe im Louis-Vuitton-Flagshipstore. RECHTS: Der 5th-Avenue-Store im Tupfenlook.
— Love Forever — Mit einer pompösen Schaufenster-Enthüllung im New Yorker Store zelebrierte Louis Vuitton seine Kollektion, die in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Yayoi Kusama entstanden ist. Überall waren Tupfen. An der Fassade des New Yorker Louis-VuittonFlagshipstores. In dessen Schaufenstern. Auf Taschen, Portemonnaies, Sonnenbrillen und Schuhen. Halb New York stand, wie schon vor mehr als 40 Jahren, wieder im Banne der Polka Dots der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama. Dieses Mal machte sie nicht durch avantgardistische Performances und Happenings auf sich aufmerksam. Die 83-Jährige war zur Eröffnung ihrer Retro-
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spektive im Whitney-Museum of American Art angereist, die von Louis Vuitton unterstützt wird. Und natürlich, um ihre CapsuleKollektion, die sie für Louis Vuitton kreiert hat, zu enthüllen. Die Gäste liessen sich von den Polka Dots bezaubern. | SAL V.L.N.R.: LV-CEO Yves Carcelle, Yayoi Kusama, Jordi Constans (designierter LV-CEO). Joshua Jackson und Diane Kruger. Lauren Santo Domingo. Sofia Coppola. Waris Ahluwalia. Harley Viera-Newton.
— MADE IN BERLIN — Die Berlin Fashion Week wird von Saison zu Saison spannender. Ihre Designer bekommen für ihre Kreationen unterdessen auch international Beifall. Hier unsere Favoriten.
VON LINKS NACH RECHTS: Augustin Teboul, Blacky Dress, David Tomaszewski, Dimitri, Guido-Maria Kretschmer, Hannes Kettritz, Hugo, Kaviar Gauche, Laurèl, Kilian Kerner, Marcel Ostertag, Michael Sontag, Perret Schaad, Michalsky, Malaikaraiss und Mongrels in Common gaben sich die Ehre.
NICHT NUR DIE PROMINENZ WAR ANGETAN – HUGO BY HUGO BOSS BEGEISTERTE MIT SEINER FRÜHJAHR/SOMMER-KOLLEKTION 2013 WEIT ÜBER DIE GRENZEN BERLINS HINAUS. Geradliniges schickten die Designer Eyan Allen und Bart de Backer im Eisstadion Mitte über den Laufsteg – kombiniert mit futuristischen Metalliceffekten (siehe Silhouette oben) und zart-starken Farben wie Mint, Rosa, Blau. Für die Männer gabs zudem als Hingucker Farbverläufe bei den Anzügen. Die Show vor der Show ist bei Hugo nicht minder spektakulär: Nirgendwo sonst ist die Promidichte zur Fashionweek höher. Neben dem deutschen Schauspieladel entdeckt man immer wieder internationale Grössen. In der ersten Reihe konnten wir mal Schauspielerin Kate Bosworth und den aus «A Single Man» bekannten Matthew Goode erspähen. | MKA
V.L.N.R.: Schauspielerin Kate Bosworth mit Claus-Dietrich Lahrs (CEO HUGO BOSS AG), Model Poppy Delevigne, Schauspieler Matthew Goode, Model China Chow, Cosma Shiva Hagen, Schauspielerin Hannah Herzsprung, Musiker Tim Bendzko.
MICHALSKY STYLENITE Als grossen Abschluss der Berliner Fashion Week zeigte der Designer Michael Michalsky im Tempodrom seine neuen Men’s und Women’s Kollektionen für Frühjahr/Sommer 2013. Zu sehen gab es raffiniert lockere und bequeme Sportswear für die Herren – tragbare und gleichzeitig glamouröse Mode für die Damen. | JST
Impressionen der Michalsky StyleNite. OBEN: Der Designer mit Model-Muse. Music Act Elektro-Pop-Künstlerkollektiv Blitzkids.
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