Das Schweizer Magazin fürMode,SchönheitundKultur WINTER DOPPELNUMMER 2011 CHF 8.50 € 6.– www.boleromagazin.ch
Unsere Favoriten vom Laufsteg Coole Farben für die Nägel Die ersten Frühlingslooks Charity-Taschen: Westwood mit We der UN inAfrika
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29.11.2011
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MAROQUINARIS ZOOLOGICAE Im«Kuriositätenkabinett» begingLouisVuittonden 100.Geburtstagseiner Kleinlederwaren. Es wirkte etwas surreal, als die internationale Modewelt zu Deyrolle, der seit 1831 in Paris bestehenden Taxidermis-Werkstätte, pilgerte. Der Grund: Louis Vuitton bat zum Geburtstags-Cocktail seiner Kleinlederwaren. Und so tummelten sich Champagner trinkende Fashionistas zwischen ausgestopften Löwen, Bären, Füchsen, aufgespiessten Riesenspinnen und Schmetterlingen. Das alleine wäre schon kurios genug gewesen. Doch Louis Vuitton setzte noch eins drauf. Seine Portemonnaies, Schlüsselanhänger und andere Klein-Accessoires waren kunstvoll zu Tierskulpturen zusammengesetzt worden, die sich zu Deyrolles Schätzen gesellten. Gefertigt von der britischen Künstlerin Billie Achilleos. | SAL
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NEW LOOK
HARD-DÉCO
Neuer Designer bei CHRISTIAN DIOR. Und auch die Silhouette wirkt leichter und weicher.
Art-déco-Motive fusioniert mit Jazz-Age-Silhouetten ergibt den sexy GUCCI-Look.
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REISELUST
PERLWEISS
PURE ELEGANZ
Unangestrengte Mode mit einem Hauch Nomadentum der zwanziger Jahre bei HERMĂˆS.
Die Perle, Lieblingsschmuck von Coco CHANEL, als Kleider von Karl Lagerfeld interpretiert.
Unterschwelliger Sexappeal und eine klare Linie definieren die JIL-SANDER-Kollektion.
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28.11.2011
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STIL — Provozierende Erotik — Sein ästhetisches Prinzip war die Erotik. Diese liegt auch dem neuen Buch über den Designer Loris Azzaro zugrunde. TEXT: SARA ALLERSTORFER
Er hatte stahlblaue Augen, lebte wie ein Playboy und wusste die Frauen mit seinen Abendkleid-Kreationen zu verführen. Loris Azzaro, 1933 in Tunesien geboren und 2003 in Paris verstorben, war bereits zu Lebzeiten ein Star und definierte mit seinem sexy und glamourösen Stil die Nachtclub-Ära der siebziger und achtziger Jahre. Erst Anfang 2000 konnte er wieder an die alten Zeiten anknüpfen, in denen er Stars wie Rachel Welch, Claudia Cardinale oder Jane Birkin das perfekte Abendkleid auf den Leib schneiderte. Auf die Frage, was seine Definition des idealen Kleides sei, antwortete Loris Azzaro einmal: «Wenn eine Frau die Lust verspürt, es anzuziehen und ein Mann die Lust, es ihr auszuziehen.» Mit körperbetonenden Seidenjerseykleidern, unwahrscheinlichen Cut-outs und viel Transparenz wurden seine Kreationen zum Inbegriff des Partykleides für eine ganze Generation von Nachtschwärmern. Der Bildband zeichnet die Geschichte des Hauses und seine Höhepunkte nach.
Der Stardesigner der Stars, hier mit Marisa Berenson. Nach Loris Azzaros Tod 2003 führte die Argentinierin Vanessa Seward die kreative Leitung weiter. Ab der Winterkollektion 2012 zeichnet neu die francobrasilianische Designerin Mathilde Castello Branco für das Design verantwortlich.
«Loris Azzaro», Jéromine Savignon, Editions Assouline, CHF 36.90
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28.11.2011
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STIL neuigkeiten Das wünschen wir uns! Im Geschenke-Stress? Diese Accessoires verbreiten Winterglamour. Ob für die beste Freundin, die Mama oder sich selbst – die Geschenke versprühen Festtagsmagie auch nach Weihnachten. REDAKTION: ANDREA LUCIA BRUN WO ZU KAUFEN SEITE 136
FLAUSCHIG Den Teddybären mit Plüsch, Strasskette und Lederkleidchen von Prada gibt es in Hellrosa und Pastellblau. Der süsse Schlüsselanhänger ist für 210 Franken zu erstehen.
FESTLICH Der Armreif von Chanel ist mit funkelndem Strass bestückt und hat Potenzial, selbst die schillerndsten Weihnachtsbaumkugeln zu überstrahlen. Preis auf Anfrage.
DURCHBLICK
COCKTAIL-PARTY: Man nehme ein kleines Schwarzes und peppe es mit funkelnden Accessoires auf. Zum Beispiel mit der paillettenbesetzten Clutch von Dolce & Gabbana. Preis auf Anfrage.
Während die Täler nun im dicken Nebel versinken, scheint auf den Bergen die Sonne. Passend dazu gibt es die Sonnenbrille von Balenciaga im AvantgardeLook für 380 Franken.
HALLO 2012! Die Agenda fürs neue Jahr soll schön sein. Wie wäre es mit der «Damier Illustré» von Louis Vuitton? Das Motiv kommt aus dem Archiv und weckt Nostalgiegefühle. CHF 295.–
CANVAS CHARITY BAG
WINTERWUNDERLAND
Für das Projekt«Children’s Imaginary World» trägt Marni die Zeichnungen von Kindern aus Entwicklungsländern auf VintageTextilien. Der Erlös geht an Schulen und Spitäler. Ca. CHF 300.–.
Der Lackstiefel «Dina» von Geox weckt Gefühle von Winterzauber und Schneeromantik. Der Stiefel ist gefüttert, wasserfest, atmungsaktiv und kostet 240 Franken.
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28.11.2011
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BEAUTY
HANDZEICHEN Hände setzen sich in Szene. Die Accessoires der Saison sind kostbarer Schmuck – und eine perfekte Maniküre, sagt die New Yorker Lack-Queen Essie Weingarten. FOTOS: DINAH HAYT STYLING: CÉLINE MARIONI MANIKÜRE: ALEXANDRA TSHITEYA MAKE-UP: MILY SEREBRENIK HAIR: CHRISTIAN ATULLY/B4 AGENCY MODELS: BIANCA O’BRIAN/IMG, KSENIA/NEXT PRODUKTION: MARIANNE ESCHBACH, JÜRG STURZENEGGER DANK AN LADURÉE.
FRECH SCHILLERND WIE IN DEN ACHTZIGER JAHREN «Stayin’ alive» ist wieder das Motto der Party. Nagellack: «Essie Turquoise & Caicos». Schmuck: Diamantringe aus Weissgold von Chopard (links) und aus Gelbgold von Lorenz Bäumer (rechts). Uhr: «Ladymatic» von Omega. Kleid: Paco Rabanne. Wo zu kaufen Seite 136.
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28.11.2011
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KULTUR
— Puderzucker auf der Welt — Im Kunsthaus Aarau hält die kalte Jahreszeit Einzug – «Winterwelten» lassen uns frösteln. TEXT: LEONI JESSICA HOF
Sollte es in diesem Jahr mit dem Schnee in unseren Städten nichts werden, empfehlen wir einen Ausflug nach Aarau. Hier hat Kurator Dr. Thomas Schmutz in den Sammlungsbeständen gestöbert und präsentiert nun Werke, die sich dem Thema «Winterwelten» widmen. Dabei kommt es zu überraschenden Bezügen zwischen so unterschiedlich schaffenden Künstlern wie dem Duo Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger und Franz Gertsch oder Ingeborg Lüscher und Giovanni Segantini. Blicken Sie in Stuben, die zum Rückzugsort werden und die Aussensicht zur Innensicht machen. Oder über verschneite Landschaften unter grau-gelb leuchtenden Himmeln. Die grosse Geste wird hier zum stillen Zeichen. Raue Erfahrungen stehen poetischen und melancholischen Momenten gegenüber. Diese Ausstellung schafft eine ganz eigene Stimmung, lassen Sie sich von ihr die Wangen rot färben.
OBEN: Thomas Flechtner, «La Chaux-de Fonds», 2000. UNTEN: Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger, «Bergunfall», 2005/Aargauer Kunsthaus Aarau/ProLitteris, Zürich
«Winterwelten», Kunsthaus Aarau, 3. Dezember 2011 bis 22. April 2012
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28.11.2011
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KULTUR lookbook LINKS: Fotoserie mit der Schauspielerin Joan Crawford. UNTEN: der opulente Bildband.
Deren Veröffentlichung war nicht vorgesehen – die Bögen zeigen nämlich auch solche Aufnahmen, die bei der Auswahl durchgefallen sind. Gerade das macht sie für uns so spannend, macht doch gerade neugierig, was nicht gezeigt werden sollte. Heute ermöglicht der Blick auf die Bildersequenzen eine Rekonstruktion der Geschichte der fotografischen Ikonen – das Davor und Danach. Dabei hat jedes Jahrzehnt sein eigenes Gesicht – etwa das von Joan Crawford. Die Fotografin Eve Arnold machte das im Buch gezeigte Bild 1959 in Los Angeles. Zu dieser Zeit entstanden viele der Porträts der Fotografin. Für die Zeitschrift «Woman’s Home Companion» entstand jene Fotoserie mit Joan Crawford – unter nicht ganz einfachen Bedingungen. Crawford nämlich soll arg beschwipst gewesen sein, als Arnold sie das erste Mal traf. Splitterfasernackt zog sie sich aus und verlangte, so abgelichtet zu werden. Arnold – sich der Brisanz dieser Aufnahmen durchaus bewusst – brachte sich im Schnellverfahren die Entwicklung von Farbfilmen bei und übernahm die Entwicklung selbst. Die Diva soll ihr beim Erhalt der Fotos einen Kuss aufgedrückt und mit ihrem Wodkaglas den Toast ausgesprochen haben: «In Liebe und ewigem Vertrauen, stets die Ihre.»
Im Badezimmer mit Joan Crawford Der Bildband «Magnum Contact Sheets» enthüllt die Geschichten um die bekanntesten Fotografien aus siebzig Jahren Reportage-Fotografie. Ein Bild geht um die Welt, wird zur Ikone. Was aber ist auf denen zu sehen, die kurz vor- oder nachher geschossen wurden? Den Geschichten um diese anderen Fotografien neben dem einen berühmten Bild geht der grossformatige Bildband «Magnum Contact Sheets» nach. Er vereint die bekanntesten Bilder aus fast siebzig Jahren Reportage-Fotografie, aufgenommen von den Fotografen der 1947 gegründeten, heute legendären Agentur Magnum. Gezeigt wird das intimste Arbeitsmaterial der Fotografen: ihre Kontaktbögen.
Wenige Jahre später schlug Arnold dem Magazin «Life» vor, erneut eine Fotoreportage mit der Schauspielerin zu machen. Crawford willigte ein, bat allerdings darum, beim Entwickeln mit in die Dunkelkammer zu kommen (wie es die Monroe bei Richard Avedon immer gemacht hatte). Sprich, die Auswahl zu bestimmen. Schliesslich war sie aber doch einverstanden mit der Reportage, nicht ohne Arnold vorzuwarnen, dass – gefalle ihr das Ergebnis nicht – sie das letzte Mal in Hollywood gearbeitet habe... Acht Wochen dauerte das Shooting, von dem Arnold sagt, man hätte zum Schluss eine ganze Enzyklopädie bebildern können. «Die Wochenenden verbrachten wir in Joan Crawfords Haus in Bel-Air, wo ich sie auf ihren Wunsch hin bei der Schönheitspflege fotografierte. Ob Maniküre, Beinenthaarung, Färben von Haaren oder Augenbrauen – alles sollte zeigen, wie sehr sie sich ihrem Publikum verpflichtet fühlte.» Auf diese Weise entstand eine Reportage, «die es in sich hatte». Über eine Diva, der Arnold wohl so nah wie wenige andere kam. «Magnum Contact Sheets», Schirmer/Mosel, CHF 139.–
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28.11.2011
ANGESAGT text: leoni jessica hof foto: gian paul lozza
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28.11.2011
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Was Design auch sein kann Auszeichnung und ein neues Projekt am Start: ein Besuch bei den Machern der «Senior Design Factory». Wer bei ihnen mitmachen will, muss im gesetzten Alter sein – alles über 70 ist schon mal ein guter Anfang. Die «Senior Design Factory» trägt ihren Namen nicht umsonst. Die Zürcher Debora Biffi und Benjamin Moser gründeten vor vier Jahren den gemeinnützigen Verein, von dem man sich weniger erzählen lassen, sondern ihn erleben sollte. Kurz gesagt geht es hier um den Austausch zwischen den Generationen, in der Realität kommt dabei aber schon mal so etwas wie eine fast fünf Meter lange Socke heraus. Der stricktechnische Grossanlass liegt vier Jahre zurück und war die Diplomarbeit der beiden Trendforschungs-Studenten Biffi und Moser. Im Visier hatten sie die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe 75+, die bis anhin kaum Beachtung fand. Gestrickt hatten am Werk denn auch zehn Seniorinnen aus dem Altersheim Limmat in Zürich. «Wir wollten gezielt an einen Ort gehen, wo Design noch nicht zum Alltag gehört und dort unser Experiment wagen», so die beiden. Mittlerweile hat es die Socke bis ins Museum geschafft, die damalige Diplomausstellung war die Initialzündung für die «Senior Design Factory». «An der Ausstellung waren nur junge Leute – bis auf unseren Stand, da sah man fast nur weisses Haar», sagt Moser. Schnell merkten die beiden, dass hier Ressourcen brachliegen, die nur darauf warten, genutzt zu werden. Ein Jahr lang putzten Biffi und Moser Klinken, mit einem Businessplan und einem Miniaturmodell der Kreativfabrik sprachen sie bei verschiedenen Stiftungen für Fördergelder vor. Neun Stiftungen und die Altersheime der Stadt Zürich gehören mittlerweile zu den Förderern. Ziel ist es, selbsttragend zu wirtschaften. Mit der Meinung, dass aus dem Zusammenspiel der Generationen etwas Besonderes erwächst, sind sie nicht mehr allein. Die Factory erfährt regen Zulauf und wurde in diesem Jahr mit dem «Design Preis Schweiz» im Segment «Market» ausgezeichnet – als Wettbewerbsliebling, wie die Jury verlauten liess. Im neuen Ableger der Factory, dem Café an der Zürcher Josefstrasse, wird Berner Rosentee getrunken. Das Projekt entwickelt sich weiter, besteht mittlerweile aus vier Elementen. Nur ein paar Häuser entfernt
befindet sich das Atelier, das Herzstück. Hier treffen die jungen Gestalter auf handwerklich versierte Senioren. Dabei erinnert der Name «Senior Design Factory» nicht durch Zufall an Warhols Kreativfabrik. «Andy Warhol hat ursprünglich Kunst und Kommerz verbunden. Wir wollen Jung und Alt, Vergangenheit und Zukunft verbinden», sagt Moser. Im Atelier wurden schon Projekte wie der Wettbewerb «Flower Power» realisiert, für den die Senioren Zeichnungen zum Thema einschickten. Die besten Sujets wurden auf T-Shirts gedruckt und in einer Filiale von Globus verkauft. Oder für die Ausstellung «Smart Urban Stage» 30 Kilo Wolle zum grössten gestrickten Rollschuh der Welt verarbeitet. Im Atelier arbeiten die Senioren aber nicht nur im Grossformat, vom Schal zum Topflappen wird gelismet, was die Nadeln hergeben. Manche arbeiten von daheim aus. Bezahlen lassen sich die wenigsten, die meisten spenden die Einnahmen dem Verein. Im eigenen Shop werden die handgearbeiteten Produkte vertrieben, dies ist das zweite Standbein der «Factory». Hier wird angeboten, was die Mitglieder der Factory gestrickt, gehäkelt und gefilzt haben, ausserdem gibt es altbewährte Objekte für den Alltag, Backformen, Porzellan, Rezeptkarten und am Samstag frische Backwaren nach Grossmutter Art – von den Senioren gemacht. Eingekochte Früchte, Marmelade und Sirup vervollständigen das Angebot. Denn Traditionelles steht bei der jüngeren Generation hoch im Kurs und Qualität ist immer in Mode. Eine Marktlücke haben Biffi und Moser ausserdem entdeckt: schön gestaltete Accessoires für alte Menschen. Hier findet man Gehstöcke in Lila, Orange, Grün und bedienungsfreundliche Handys. Nicht zu vergessen Strickzubehör, tolle dicke Wolle und die dazu passenden Stricknadeln. Was «Wool and the Gang» für New York ist, ist die «Senior Design Factory» für die Schweiz – aber mit stilechten Protagonisten, die selbst Hand anlegen. Wie Elisa Ballerini aus dem Altersheim Limmat, die von der ersten Stunde an mit dabei ist. Die 91-Jährige leitet unter anderem einen der Strick-Workshops – das dritte Element der Factory. Während eine junge Designerin Tipps gibt, um die Kreationen der Laufstege nachzustricken, gibt Seniorin
Ballerini Hilfestellung beim Maschenabheben. Da möchte man sie nicht nur wegen ihres Namens vom Fleck weg heiraten. Mit der Eröffnung des Cafés starten die Macher der «Senior Design Factory» ein weiteres Projekt. «Es geht darum, nicht mehr nur Produkte, sondern auch Begegnungsorte zu schaffen. Vom Angebot und der Einrichtung her soll es sowohl Alte als auch Junge anziehen.» Während die jüngeren Semester im Service arbeiten, sind die älteren die guten Seelen, die der Örtlichkeit ihre besondere Atmosphäre verleihen. Szene-Cafés gibt es in Zürich genug, wo aber kommt man schon mit einem Achtzigjährigen ins Gespräch, der einem das beste Rezept für Holunderschnaps verrät? Begegnungen, von denen beide profitieren. Die Alten, weil endlich wieder «etwas geht», sie gebraucht werden. Die Jungen, weil sie am Erfahrungsschatz teilhaben und merken, dass Tempo nicht alles ist. Sind Biffi und Moser mit ihren Senioren «on tour» an Ausstellungen, Messen und Vernissagen, erleben sie genau das. «In der Gruppe kommen wir in interessante Gespräche mit Ausstellern und Gestaltern. Das Feedback ist bislang hervorragend – es ist unglaublich, wie wenig ein grosser Teil der Bevölkerung auf alte Menschen sensibilisiert ist und wie viel das Projekt beim Gegenüber auslöst.» So haben die beiden Designer herausgespürt, was an Bedürfnissen gerade in der Luft liegt. Schaut man sich den demografischen Wandel der nächsten Jahre an, ist dies nicht nur ein Projekt, das Sympathien weckt, sondern das in seiner Notwendigkeit zukunftsweisend ist. Wird heute inflationär all das Design genannt, dem ein Anstrich von Modernität verliehen werden soll, fragen Biffi und Moser nach dem, was wir wirklich in Zukunft brauchen. Sie gestalten eine Vision, wie wir in Zukunft miteinander leben könnten. Und sie zeigen, dass Design nicht an der Oberfläche aufhört, sondern die Generationen zusammenbringen kann. Damit treffen sie den Nerv der Zeit. < Neuigkeiten aus der «Senior Design Factory» erfährt man unter www.senior-design.ch. Interessierte Servicekräfte oder Strickerinnen 70+ melden sich unter info@senior-design.ch.
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ARTDE VIVRE — AufTuchfühlung— Eine Reise mit der Sea Cloud, der berühmtesten Segeljacht der Welt, verspricht vor allem eins – übers Meer zu segeln wie zu vergangenen Zeiten. Mit an Bord: viel Historie. TEXT & FOTOS: TINA BREMER
Aufgeregt zupft der kleine Junge am Hemdsärmel seines Vaters. «Guarda, papà, guarda!», ruft er – schau, dort! – und streckt seinen Zeigefinger in die Höhe. Zu dem Mast, der so weit in den Himmel ragt, als würde er ihn kitzeln wollen. Und zu den hellen Segeln, die das Sonnenlicht einfangen. «Che bella», seufzt ein älterer Herr und verfolgt neidvoll, wie die Passagiere des Segelschiffs die Gangway heruntertrippeln. Rechts und links klicken die Fotoapparate. Ob in Palermo, Catania oder Syrakus – in jedem Hafen, in dem die Sea Cloud festmacht, die gleichen «Bräute»: Passanten,
die mit glänzenden Augen am Kai stehen, die Köpfe tief in den Nacken gelegt, Sehnsucht im Blick. Das massige Containerschiff aus Russland? Der Kreuzfahrtdampfer mit dem bunten Schriftzug am Bug? Ihre Kapitäne müssen tapfer sein, kein Blick wird ihren Schiffen gewidmet. Selbst den Schwergewichten stiehlt die filigrane alte Dame die Schau. Als die Sea Cloud vor achtzig Jahren unter dem Namen Hussar vom Stapel lief, war sie das letzte Viermastsegelschiff, das gebaut werden sollte. Eine Liebeserklärung des Börsentycoons Edward Francis >
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OBEN U. UNTEN LINKS: Seefahrerromantik pur auf der Sea Cloud. Das Schiff aus dem Jahr 1931 ist eine schwimmende Antiquit채t. UNTEN RECHTS: Die Kabine No. 1, die ehemalige Kabine der Eignerin Marjorie.
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