bolero oktober 2012

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Bolero

Das Schweizer Magazin für Mode, Schönheit und Kultur

Hype um eine schöne Haut | Rote Haare | Elegant in Leder | Grünes San Francisco | Melody Gardot | 90 Jahre Akris OKTOBER 2012

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OKTOBER 2012 CHF 8.50 € 6.– www.boleromagazin.ch

MODE: Elegant in Leder Hosenanzug im Rock-Dandy-Stil 90 Jahre Akris – eine Hommage BOLERO LÄDT ZUR FASHION NIGHT

Die

AUSGABE 33 Seiten: Rote Haare im Trend – Superfood für die Haut – Schönheits-Proteine aus Island – Make-up-Looks à la Romy Schneider

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Rock DANDY DER HOSENANZUG FEIERT SEIN COMEBACK IN AUFREGENDEN MUSTERN, MATERIALIEN UND FARBVARIANTEN. UND STEHT IM ZEICHEN VON ROCK-DANDYS WIE DAVID BOWIE UND BRIAN FERRY. FOTOS: GIANLUCA FONTANA STYLING: MARTINA RIEBECK MAKE-UP: ADALBERTO P. USING CARLO BAY COSMETICS HAIR: NICHOLAS JAMES/GREENAPPLE MODEL: CECILY/BRAVEMODELS SETDESIGN & ARTBUYING: MARCO RONCHI

IM SEXY SIEBZIGER-LOOK MIT AUBERGINEFARBENEM SAMT Auberginefarbener Pannesamtanzug mit Hose im Herrenschnitt und einreihigem Blazer. Langärmliges, klassisches Hemd. Alles Paul Smith. Loafers mit Nieten, Church’s. Einstecktuch aus Seide, Miu Miu. Schals auf allen Bildern Vintage.

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STIL

VOLLBLUT

Zum angesagten Reiter- und GauchoLook trägt die Dame von Welt Christian Louboutins «Interlopa»-Stiefel. Aus rotem Wildleder, mit Stiletto-Absatz und Fransen versehen, trägt er alle Insignien eines Must-haves. Allein, eine Reitstunde würden wir mit ihm nicht empfehlen. Wo zu kaufen Seite 160. FOTO: ARMIN ZOGBAUM STYLING: ULRIKE MIEBACH/WWW.NINAKLEIN.COM RETUSCHE: OLIVIER YOSHITOMI

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STIL neuigkeiten

Milla Jovovich (li.). Kleid mit Leoprint und Lederjacke aus der aktuellen Kollektion (unten).

Kooperation

Marella + Milla im Wunderland «Der Spirit der Kollektion? Elegant, zeitlos, voller Energie, passend für Frauen jeden Alters», schwärmt Schauspielerin, Model und Sängerin Milla Jovovich. Die Kollektion, die Jovovich beschreibt, hat den klingenden Namen «Marella + Milla» und ist eine Capsule-Kollektion, die sie gemeinsam mit dem Designteam der Marke Marella entworfen hat. Und was dabei rauskommt, wenn ein urtypisch italienisches Unternehmen und eine Kosmopolitin mit ukrainischen Wurzeln gemeinsam am Nähtisch sitzen, lässt sich am besten als vielseitig kombinierbare Basics mit Rock ’n’ Roll-Attitüde umschreiben. Hauptthema sind farbige Animalprints, die sich wunderbar mit den schwarzen Eco-Lederhosen und -jacken, Blazern im Boyfriend-Stil, Trenchcoats und klassisch geschnittenen Wollhosen kombinieren lassen. | SAL Mehr Infos unter www.marella.com.

Schmuck Tasche

PURISTISCHE WELLE Die Mode legt sich gerade ins Zeug und überhäuft uns mit Glanz und Gloria. Im Gegenzug geben sich die Taschen eher pur und zurückhaltend. Gelungenes Beispiel: die «Sculpture Bag» von Marni. Klare Linien. Klare Farben. Klar kaufen. Preis auf Anfrage. Über www.net-a-porter.com und www.marni.com

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— Anna’s Best — Sie ist die Ikone der Modeblogger und trägt stets die neuesten Designer-Entwürfe (in Totallooks, versteht sich). «Vogue Japan»-Fashion Director Anna dello Russo ist wohl das, was man einen lebenden Kleiderständer nennt. Jetzt hat sie ihren flamboyanten Stil in Accessoires für H&M umgesetzt. Ab 4. Oktober in ausgewählten H&M-Filialen. Mehr Infos unter www.hm.com

Schuhe

IM KAROLOOK Mit diesem Schuh von Christian Louboutin zeigen Sie gleich zweifach Ihr Trendbewusstsein. Erstens stehen Schottenkaros und königliche Embleme im Herbst wieder hoch im Kurs. Und zweitens sind die dandyhaften Loafers im Hausschuh-Look mit einer Prise Punk das Must-have im Herbst. Preis: ca. CHF 780.–. Über www.net-a-porter.com oder www.christianlouboutin.com

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BEAUTY

Remember ROMY «LA PASSANTE DU SANSSOUCI» Teint: «Diorskin Nude Fluid Foundation», «Glow Loose Powder» und «Hydrating Concealer», «Diorblush 849 Terre de Sienne». Augen: «Golden Jungle 001 Golden Khakis». Mascara «Diorshow New Look». Lippen: «Addict Lipstick 962 Daring». Alles Dior. Abendkleid, Christian Dior.

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IN DEN SIEBZIGER JAHREN WAR DIE DEUTSCHE SCHAUSPIELERIN DER STAR DES FRANZÖSISCHEN FILMS. DER LOOK DIESER ZEIT IST ZURÜCK. EINE HOMMAGE AN DIE SCHÖNHEIT VON ROMY SCHNEIDER, LA PARISIENNE. FOTOS: DIANA SCHEUNEMANN STYLING: WOO LEE MAKE-UP: MILY SEREBRENIK HAIR: RICHARD BLANDEL/B-AGENCY MODEL: HÉLÈNE FOIN-COFFE

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KULTUR

Fest der Farben – Das Musée d'Orsay zeigt uns, dass die Impressionisten mehr malten als Landschaften. TEXT: LEONI JESSICA HOF

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hielt es die Maler nicht mehr in ihren Ateliers. Mit Ölfarben, die es nun auch in Tuben gab, gingen sie hinaus und malten mit schnellen Strichen, was sie sahen. Die Farben und das Licht waren ihnen wichtig. Impressionisten wurden sie zunächst abschätzig genannt. Sie malten aber keinesfalls nur Landschaften. Der moderne Mensch und das, was er tagein, tagaus treibt – das interessierte die Impressionisten brennend. Das Pariser Museum d'Orsay, das Metropolitan Museum of Art in New York und das Art Institute in Chicago spannten für die Ausstellung «L'impressionnisme et la mode» zusammen. Das Museum Galliera, das Modemuseum von Paris, beteiligte sich ebenfalls. So sind neben Werken von Degas, Monet und Renoir auch historische Kleidungsstücke und Accessoires für die Dame und den Herrn zu sehen.

OBEN: James Tissot, Jacques Joseph, «Portrait du marquis et de la marquise de Miramon et de leurs enfants», 1865. UNTEN: Anonyme, «Robe de Madame Bartholomé porté dans le tableau d'Albert Bartholomé», 1880. Musée d'Orsay, dist. Fotos: RMN/ Hervé Lewandowski (1), RMN/Patrice Schmidt (1).

«L'impressionnisme et la mode», Musée d'Orsay, Paris, 25. September bis 20. Januar 2013

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KULTUR musik

Melodisches Risiko — Get Well Soon ist mehr als ein Konzept-Künstler. TEXT: SALVI ATASOY

Musik zu machen, gleicht manchmal einem akribischen Puzzlespiel. Am Anfang steht bei Konstantin Gropper alias Get Well Soon die Themen-Recherche. Meist wählt er etwas Skurriles, Unzugängliches: das Werk von Henry Darger etwa, einem postum berühmt gewordenen US-Schriftsteller, der ein wirres 15 000-Seiten-Epos hinterliess. Gropper liest sich ein, zieht sich während Monaten in sein Zimmer zurück und verarbeitet Musik-

FOTO: SIMON GALLUS

und Text-Teile zu einem Stück. Den Song selbst spielt er jeweils innerhalb eines Tages mit der Band im Studio ein. Weil das dann auch noch gut klingt, wird Gropper etwas einfallslos als KonzeptKünstler gefeiert. Dabei hat er eine Art Soundtrack geschrieben. Besser gesagt 13 davon. 13 Geschichten zu 13 Themen, verpackt in einem Album. Gropper ist mehr als ein Musiker, er ist ein Ausnahmetalent, das mit jedem Album Neues entdecken will.

Get Well Soon – The Scarlet Beast O'Seven Heads, City Slang/TBA, LIVE: 3. 11. Mascotte ZH, 4. 11. Schüür LU

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Unsere fünf Richtigen des Monats

Frank Ocean Channel Orange Def Jam / Universal

Calexico Algiers !K7 Records / Namskeio

Keith Jarrett Sleeper ECM / Musicora

Gerardo Núñez Travesía ACT / MV

Die amerikanische R 'n' BSzene erlebt derzeit eine fantastische Renaissance. Mit Künstlern wie Aloe Blacc, dem unglaublichen Comeback von Bobby Womack oder dem brillanten Solo-Debüt von Frank Ocean hat die Mischung aus Soul und Hip-Hop wieder neuen Schwung erhalten. | SAD

Algiers, der historische Stadtteil von New Orleans, zerfällt seit dem Hurrikan Kathrina 2005. In diesem heruntergekommenen Viertel entstand das neue Calexico-Album. Einmal mehr vermischt die US-Band mexikanische Einflüsse mit Country zu Intelligenzia-Pop. | SAD

Zusammen mit Jan Garbarek, Palle Danielsson und Jon Christensen gab Jarrett am 16. April 1979 ein Konzert in Tokio. Nun hat der Produzent Manfred Eicher dieses Ereignis auf einer DoppelCD herausgegeben. Und das ist auch nach 33 Jahren immer noch unglaublich hörenswert. | JSC

Wer meint, Flamenco sei ausschliesslich eine ausgelutschte Show-Musik für Spanientouristen, sollte sich diese CD unbedingt anhören (alle anderen Musikfans natürlich auch!). Da wird auf einem unglaublich hohen Niveau Jazz mit spanischer Folklore vermischt, ein wahrhaftig musikalisches Feuer werk. | JSC

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LIVE: 21. 9. Volkshaus ZH, 15. 11. Volkshaus BS

Gustavo Dudamel Beethoven 3 «Eroica» Deutsche Grammophon / Universal Der venezolanische Dirigent Gustavo Dudamel ist der neue ShootingStar der E-Musikszene. Mit seinem «Simon Bolivar Symphony Orchestra of Venezuela» fetzt er uns Beethovens Dritte um die Ohren, dass die nur so wackeln. So macht Klassik wirklich Spass. | JSC

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ANGESAGT

Phönix aus der Asche Melody Gardots Lebensgeschichte ist genauso packend und inspirierend wie ihre Musik. TEXT: LEONI JESSICA HOF FOTO: SHERVIN LAINEZ

Unterhält man sich über die Musik von Melody Gardot, kommt man unweigerlich auch auf ihre Lebensgeschichte zu sprechen. Es mag pathetisch klingen, aber ein Drama hat die 27-Jährige zu dem gemacht, was sie heute ist. Ein Star, vielleicht eine Diva, sicher eine geniale Sängerin. Mit Turban, glamourösen Roben und Federweste steht sie auf den Bühnen dieser Welt, seufzt, flüstert, schnalzt mit der Zunge. Hat dem Jazz ihr Gesicht gegeben. Sie singt die Lieder ihres neuen Albums «The Absence», als hätte sie schon immer im Rampenlicht stehen wollen. Dabei hatte sie eigentlich andere Pläne. Modedesignerin wollte sie werden, mit 19 studierte sie an der Modeschule ihrer Heimatstadt Philadelphia. An einem Novembertag 2003 radelt sie vom Unterricht nach Hause, sie hat grünes Licht, als sie über eine Kreuzung fährt. Und von einem Geländewagen überfahren wird. Der Fahrer fährt davon, Gardot bleibt mit mehrfach gebrochenem Becken und schweren Schädel-, Hirn- und Wirbelsäulenverletzungen auf der Strasse zurück. An dieser Stelle könnte die Geschichte zu Ende sein, ohne Happy End. Ist sie aber nicht – was folgt, ist nicht weniger als eine Weltkarriere. Heute sitzt Melody Gardot im Glitzerkleid auf einer Couch im Backstage-Bereich des KKL Luzern. Zwei Stunden hat sie gesungen und mit dem Publikum geflirtet («Ist das heiss hier, das liegt sicher daran, dass ihr alle so gut ausseht!»), sich inszeniert wie ein Filmstar längst vergangener Tage. Gardot hat ihre hohen Hacken ausge- >

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ANGESAGT

zogen und nascht von einem Teller Chorizo. Dazu balanciert sie ein Glas Weisswein in der anderen Hand. Gibt es etwas, das sie hasst an ihrem «neuen» Leben, am Berühmtsein? «Bin ich denn berühmt?», kokettiert sie. «Ich hasse nichts, vermisse aber etwas und das ist eine Küche! Es gibt nichts, dass wie Kochen bei sich zuhause ist. Da hast du alles, was du brauchst, die Zutaten, die Töpfe, die Musik, den Wein und die Zeit.» Die ist bei Gardot gerade mit Auftritten ausgefüllt, sie lebt aus ihren Koffern. «Ich arbeite elf Monate im Jahr.» Wenn ihre Freunde sie um ihr – ach so glamouröses – Leben beneiden, sage sie ihnen: «Wir sitzen meist elf Stunden im Bus, ich kann mich nicht mal anständig duschen. Es ist ein Zigeunerleben in einem Wohnwagen. Du schläfst ein vom Rütteln im Bus, dann kommst du an und gehst auf die Bühne. Das einzig glamouröse sind diese zweieinhalb Stunden des Auftritts. Danach, wenn du dich umgezogen hast, bist du einfach ein ganz normaler Mensch.» Aber ist das nicht genau das Leben, das sie sich ausgesucht hat? Sie gurrt nonchalant: «Honey, ich weiss nicht, wie das bei dir ist, aber ich muss dafür arbeiten, um die Miete zahlen zu können.» Gardots Lebensgeschichte beginnt nach diesem Unfall vor neun Jahren ein zweites Mal. Ein Jahr lang lag sie im Krankenhaus, konnte sich nicht bewegen, sich nicht erinnern. Es war ihr behandelnder Arzt, der ihr zu einer Musiktherapie riet. Während des

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Studiums hatte Gardot in Bars Cover-Versionen am Klavier gespielt. Jetzt lernte sie Gitarre, denn die kann man auch im Liegen spielen. Sie summte vor sich hin und dachte sich Texte aus. Dass das mit dem Improvisieren so gut klappte, überraschte sie selbst, überwältigt sei sie gewesen, als sich Worte und Melodien zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügten. Ihre Lieder brannte sie auf CD, um sich am nächsten Tag zu erinnern, was sie gespielt hatte. Irgendwie gerieten diese Aufnahmen in die Finger einer lokalen Radiomoderatorin, die sie spielte. Aufgenommen im Krankenbett, in mieser Qualität. Und doch riefen Zuhörer an und wollten wissen, wer da singt. 2005 bringt Gardot diese Lieder, die sie mit «Some Lessons – The Bedroom Sessions» überschreibt, heraus und ein Plattenlabel wird auf sie aufmerksam. Sie erhält einen Vertrag, es folgen die Studio-Alben «Worrisome Heart» und «My One and Only Thrill», letzteres erhält in Frankreich Doppel-Platin-Status. Gardot tourt um die Welt, wird interviewt, fotografiert, gefeiert. Sie ist das Gesicht der Schweizer Luxusmarke Piaget. Ihre Geschichte könnte selbst einem Song entstiegen sein. Heute hat sie immer noch Schmerzen, ihre Sonnenbrille schützt die empfindlichen Augen, laute Geräusche kann sie nicht ertragen, die Band spielt darum leiser, wenn sie auf der Bühne ist. Gardot benutzt einen Gehstock. Und doch lässt sie sich nicht daran hindern, Highheels zu tragen und um die Welt zu touren. Was nicht nur ihre Musik, sondern

auch ihre Einstellung zum Leben zur Inspiration für ihre Fans macht. Wie geht die Sängerin damit um, dass alle ihr Schicksal kennen? «Wenn du eine Flasche Wein aus dem Regal nimmst, liest du auch auf dem Etikett, woher er kommt, welchen Jahrgang er hat. Wenn du etwas konsumierst, das für die Sinne ist, Wein, Musik, Kunst oder Lyrik, willst du verstehen, warum etwas so ist, wie es ist. Was mir passierte, ist in einer bestimmten Phase meines Lebens geschehen und hat mich dahin gebracht, wo ich heute stehe. Das ist meine Geschichte, aber die verändert sich im Lauf der Zeit. Was ich vor einigen Jahren war, bin ich heute nicht mehr.» Die Songs ihres neuen Albums sind so zwar ebenso elegant wie die auf ihren Vorgängern, aber fröhlicher, weniger melancholisch. Gespeist sind sie von ihren Touren in Spanien und Portugal, den Reisen nach Argentinien, Brasilien und Nordafrika. Ein Jahr lang war sie unterwegs, wollte «das Leben aufsaugen». Sie lernte die Sprachen und landestypischen Instrumente und packte diese Zeit in Musik, die Anklänge an Samba, Rumba, Fado und Tango hören lässt. Mit ihrer Experimentierfreude gehört Melody Gardot zu den derzeit interessantesten Musikerinnen. Sie sagt: «Jeder Tag ist ein Neubeginn, immer gleich zu bleiben, bedeutet Stillstand. Ich werde etwas sehr schnell müde, schon wenn wir eine Tour beendet haben, möchte ich ganz andere Musik machen. Ich bin wie Steve Jobs, der kam jede Saison mit einem neuen iMac, ich komme mit einem neuen Arrangement.» Warum hat sie sich eigentlich ausgerechnet für den Jazz entschieden, um sich auszudrücken? «Ich habe mich nicht für den Jazz entschieden, sondern er sich für mich.» <

Fotos: Getty Images (1)

Melody Gardot führt ein Zigeunerleben, wenn auch ein glamouröses.

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ART DE VIVRE Die neuen Blumenkinder San Francisco mausert sich zum grünen Zentrum der USA. Auch dank Kreativer wie der Künstlerin Amy Franceschini. TEXT: TINA BREMER FOTOS: DIRK PODBIELSKI

Das jägergrüne Fahrrad steht im ersten Stock, im Raum rechts, gleich neben dem Treppenaufgang. Scheinwerferlicht fällt von der Decke, rechts und links hängen Papierzeichnungen und gerahmte Bilder. Papageien, Menschen, Autos. «Bikeborrow» steht auf der Plexiglastafel, die an der Wand neben dem Fahrrad befestigt ist. «Schubkarrenfahrrad». Das Fahrrad ist Teil von Amy Franceschinis Projekt «Victory Gardens» und steht im Museum of Modern Art in San Francisco. «Das Projekt habe ich vor fünf Jahren ins Leben gerufen, ich wollte an die Regierung appellieren, die Freiräume der Stadt sinnvoll zu nutzen», erzählt Amy. Die Multi-Media-Künstlerin und Designerin unterrichtet an der Stanford University sowie am California College of the Arts und lebt seit ihrer Studienzeit in San Francisco. Jener Stadt an der Nordküste Kaliforniens,

die das Mekka der Beat-Generation war und in der die Hippie-Bewegung ihren Anfang nahm. An der Strassenkreuzung Haight/Ashbury proklamierten Blumenkinder im Sommer 1967 freie Liebe und Frieden, heute findet eine neue Revolution statt: San Francisco mausert sich zum Öko-Zentrum der USA. Bürgermeister Gavin Newsom, der die Stadt bis Anfang 2011 regierte, hatte sich auf seine Wahlfahnen geschrieben, San Francisco «so schnell wie möglich so grün wie möglich» zu machen. Mit ihren «Victory Gardens» hat Amy bei Newsom offene Türen eingerannt. «Es gab in den vierziger Jahren bereits ein ähnliches Projekt, das habe ich mir zum Vorbild genommen», erzählt die 42-Jährige mit den geflochtenen Zöpfen und dem Strohhut auf dem dunklem Haar. In den vergangenen Jahren haben sie und ihre Mitstreiter dank finan- >

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IM UHRZEIGERSINN: Ein blühender Victory-Garden. Amy Franceschini mit Bananen – bio natürlich! Frischer Mangold. Das Museum of Modern Art, in dem Amys Fahrrad ausgestellt ist.

zieller Unterstützung der Stadt 15 Brachflächen in San Francisco in blühende Gärten verwandelt. «Wir haben interessierte Leute gefunden, sie mit einem Starter Kit ausgestattet, welches Samen von einheimischen Pflanzen und eine Bewässerungsanlage enthielt, und ihnen erklärt, wie man Obst, Gemüse, Kräuter und Blumen zieht.» Seitdem wachsen in der ganzen Stadt Tomaten und Gurken, Fenchel und Kakteen. In Vorgärten, aber auch auf öffentlichen Plätzen. Einer der «Victory Gardens» befindet sich südlich des Golden Gate Parks. Es ist Samstagnachmittag und Blair Randall, der Direktor der Victory Gardens, hat zu einem Sommerfest geladen. In einem Steinofen backen Pizzen, Kinder spielen Fangen, lautes Gelächter mischt sich unter die Klänge, die von einer Geige und einer Gitarre kommen. Ursprünglich hat der 35-jährige Blair Fotografie und Bildhauerei studiert, seit fünf Jahren widmet er sich hauptberuflich der Aufzucht und dem Kompostieren von Pflanzen und Gemüse. Die überschüssigen Erträge werden an Obdachlose gespendet. «Mittlerweile arbeiten in diesem Garten fünf Festangestellte und zirka 40 Freiwillige mit», erzählt Blair stolz, während er eine Gruppe von Wissbegierigen über die mit Moos bewachsenen Wege führt. Keine Ökos mit weissen Socken und Korksandalen, sondern junge Menschen, die die Nase schlichtweg voll haben von der virtuellen Welt und die es zurück in die Natur zieht. Bio statt Bits und Bites, Farming statt Facebook. Dass in San Francisco auf Nachhaltigkeit und Ökologie gesetzt wird, ist eine Ausnahme in den USA. Noch immer überziehen Fastfood-Ketten das Land, können die Klimaanlagen nicht laut und die Autos nicht gross genug sein. In San Francisco dagegen setzt man auf Solarenergie, die Busse fahren mit Biodiesel und Hybridantrieb, grosse Supermärkte und Kaufhäuser dürfen keine Plastiktüten mehr herausgeben. Erst vor kurzem wurde San Francisco als amerikanische Stadt mit dem geringsten Abfallaufkommen gekürt, die Recycling-Rate liegt derzeit bei 70 Prozent, bis 2020 soll sie auf 100 Prozent gesteigert werden. Unter Newsom und dessen Nachfolger Lee wurde auch die Anzahl der Fahrradwege verdoppelt. Zwar ist das Fahrradfahren in der mit Hügeln überzogenen Stadt schweisstreibend, manchmal aber wird die Strampelei belohnt. Wie zum Beispiel in der Bäckerei Arezmendi: Wer mit dem Velo kommt, erhält zehn Prozent Rabatt auf Bio-Brötchen oder Fair-Trade-Kaffee. Die Bäckerei ist kein gewöhnlicher Laden, sondern eine Kooperative. «Davon gibt es sehr viele in San Francisco», erzählt Amy. Etwa den Käseladen The Cheese Board Collective oder die Rainbow Grocery bei ihr um die Ecke. Sämtliche Angestellten, von der Kassiererin bis zum Geschäftsführer, sind auch Inhaber. So sollen faire Arbeitsbedingungen >

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