bolero juli august 2010

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INHALT juli/august 2010

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Trendreport 75

Herbst und Winter Die Key-Looks der Saison aus Paris, Mailand, London und New York

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Mad Men Die Fernsehserie aus den sechziger Jahren inspiriert die aktuelle Mode

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Die neuen Stars Frische Gesichter bei fast vergessenen Pariser Modehäusern

86

Die Dolce & Gabbana-DNA Die italienischen Designer über das Geheimnis ihres Erfolges

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Schmuck In Ketten gelegter Bling: Schmuck, der Ihre Garderobe in Szene setzt

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London calling Über welche Designer an der Londoner Fashion Week gesprochen wurde

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Blick in die Zukunft Die Forscherin Li Edelkoort; Probefahrt im Elektroauto von Mini

Stil 21

News Luftige Sommerkleider mit Blumenprints, dazu Accessoires in Nudetönen

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Trend Hommage an das Schneiderhandwerk; Sara Allerstorfer über den Trend zum Vollweib

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Alltag Die Marlene-Hose wird ausgehfein, Hosen mit tief angesetztem Schlag rocken

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Porträt Die Hochzeitsplanerin Evelyne Schärer ist nicht nur in ihrem Job Perfektionistin

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Im Fokus Die Kreationen des Schuhmachers Walter Steiger nun auch in der Schweiz

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Schmuck- und Uhren-News Marc Newson erfindet Jaeger-LeCoultres «Atmos» neu

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Schmuck Kostbare Insekten von Ileana Makri, Van Cleef & Arpels, Aurélie Bidermann

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Uhren Stahl ist zurück: sportlich-elegante Zeitmesser von Longines bis Omega

Cover MODEL Charlott Cordes/ Model Management Hamburg FOTO Joachim Baldauf/ Shotview.com REALISATION Martina Riebeck HAIR & MAKE-UP Helge Brandscheidt/Ballsaal OUTFIT Korsage, Rock, graue Strickjacke und Brosche, alles Dolce & Gabbana

Beauty 57

Black is beautiful Sechs Fotografen zeigen ihre eindrückliche Welt der dunklen Töne

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Vanity Case Neues Parfum von Comme des Garçons; Guerlain-Bräune; Lollipop-Lippen

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Health Seetang als Attraktion auf dem Teller und als Wundermittel für einen schönen Körper

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Wellness Drei neu eröffnete Spas für Sonnengöttinnen in Ascona, Vitznau und auf Sylt

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Test Wimpernwachstum? Miss B. testet fünf Produkte, die Wunder versprechen Unsere Titelthemen sind rot gekennzeichnet

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INHALT juli/august 2010

Kulturklub

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Kunst Der Fotograf Hannes Schmid inszeniert den «Marlboro Man» neu

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Ausstellungen Gruseliges von Matthew Barney, Rodney Graham, junge wilde Franzosen

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Agenda Film, Theater, Konzert, Festival und Galerien – von Lausanne über Bregenz bis Zürich

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Bücher Krimis von McGilloway bis Urban versprechen Nervenkitzel für den Sommer

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Musik Die düsteren Balladen der Karen Elson, dazu die fünf richtigen CDs des Monats

Report 46

Design Fundstücke aus Mailand: mehr Handwerkskunst, mehr Gefühl am Salone del Mobile

Gespräch

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Kunst Die beiden Trendsetter Trudie Götz und Klaus Littmann bilden ein Kultur-Gespann

Art de vivre 105

Brighton Der ehemalige Sommertreffpunkt der englischen Aristokraten in neuem Glanz

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Reisetipps Auf der Celebrity Eclipse übers Meer; Strandnixen-Tasche von Bottega Veneta

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Gourmet-Enzyklopädie Peter Brunner über die besonders delikaten Sommerböcke

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Sextrology Das Monatshoroskop für alle Sternzeichen von Stella Starsky und Quinn Cox

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Aeschbachers Welt Klar, Rauchen tötet. Bald wird auch die Kunst verboten

Rubriken 7

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Inhalt

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Editorial Sithara Atasoy über Wintertrends mitten im Sommer und Jubiläumsgeschenke

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Inside und Impressum

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Online Auf boleromagazin.ch gibts von Juni bis August tolle Preise zu gewinnen

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Salongespräch Der Fotograf Walter Pfeiffer über menschliche Fehler und Tugenden

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Angesagt Sophie Hunger ist international die derzeit erfolgreichste Schweizer Sängerin

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People Grace Jones als Attraktion in Cannes bei Belvedere Vodka und Moët Hennessy

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Objekt der Begierde Der kristallbesetzte Zeitmesser «Octea Sport» von Swarovski

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Leserangebot Geflochtene Lederarmbänder von Marjana von Berlepsch

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Verlosung «Aroma Blue»-Pflegeset von Lancôme

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Adressen Townhouse im Zürcher Oberdorf, neue Geschäfte, alles für Kinder im Netz

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Wo zu kaufen Sämtliche Bezugsquellen

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Verlosung «Acqua di Gioia» und «Acqua di Giò» von Giorgio Armani

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Kolumne Mona Vetsch und ihre neuen Nachbarn die Hausbesetzer Unsere Titelthemen sind rot gekennzeichnet

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INSIDE text: leoni jessica hof

SARA ALLERSTORFER Unsere stellvertretende Mode-Chefin berichtet über die tapferen Schneider Dolce & Gabbana (S. 86) und interviewte in Paris Walter Steiger (S. 30). – hat transparente Seidenstrümpfe als Fashionaccessoire für sich wiederentdeckt – träumt von einem Shooting mit Mario Sorrenti – liest meist 4–5 Bücher parallel – war noch nie auf Facebook – das Label Love Sex Money würde sie am liebsten verbieten – ist laut eigener Aussage ein Designer-Schuhjunkie Bolero: Was würde dich reizen? Sara Allerstorfer: Ich würde gern

ein eigenes Parfum kreieren. Oder in Zürich einen wirklich tollen Schuhladen eröffnen.

Bolero Zeitschriftenverlag AG Giesshübelstrasse 62i, 8045 Zürich Tel. 044 454 82 82, Fax 044 454 82 72 service@boleroweb.ch, www.boleromagazin.ch Abonnement/Vertrieb: Abo-Service Bolero Postfach, 4801 Zofingen Tel. 062 746 44 23, Fax 062 746 35 71 abo-service@ringier.ch, einzelverkauf@ringier.ch www.online-kiosk.ch Chefredaktorin: Sithara Atasoy Stv. Chefredaktorin: Marianne Eschbach Art Director: Jürg Sturzenegger Redaktion: Sithara Atasoy (sat), Mode (Leitung) Sara Allerstorfer (sal), Mode (stv. Leitung) Miriam Dembach (dmm), Mode-Redaktorin Marianne Eschbach (mes), Beauty & Health (Leitung) Leoni Jessica Hof (hfl), Kultur (Leitung) Tina Bremer (bm4), Reisen & Reportagen Béatrice Schmid, Korrektorat Grafik: Miki Karrer, Tamaki Yamazaki Bildredaktion: Duong Nguyen Textchefin: Tina Bremer Produktion: Bänz Lüthi Redaktionssekretariat und Honorare: Katarina Griesbach (kgr), Irina Possenti (pti) Giesshübelstrasse 62i, 8045 Zürich Mitarbeiterinnen im Ausland: Martina Riebeck (Modekorrespondentin Mailand) Elisabetta Cavatorta (Modekorrespondentin Paris) Mitarbeiter dieser Ausgabe: Kurt Aeschbacher, Salvi Atasoy, Christophe Badoux, Joachim Baldauf, Peter Brunner, Gian Marco Castelberg, Quinn Cox, Thomas De Monaco, Eliane Dürst, Vanessa Fink, Lucia Giacani, Zoren Gold + Minori, Justin Hession, Valentin Jeck, Alessandro Lucioni, Patrick Rohner, Jörg Schwerzmann, Tobias Stäbler, Claudia Landolt Starck, Stella Starsky, Gisela Tornes, Dimitri Tolstoï, Mona Vetsch, Marc Wetli, Armin Zogbaum, Monsieur Z Head of Marketing Zeitschriften: Thomas Passen Leitung Anzeigenmarkt Zeitschriften: Martin Tamas Anzeigenverkauf: Mehtap Bulut, Corinna Sarasin Leitung Produktion Zeitschriften: Roland Winkler Leitung Werbung Zeitschriften: Franziska Schmid Produkt Manager: Katja Bizjak Leitung Kooperationen: Mascia Thommen Anzeigenadministration: Beatrice Meyer Aloui, Tel. 044 259 61 97

MIRIAM DEMBACH Besuchte das wiederentdeckte Seebad Brighton, ab Seite 105.

GIAN MARCO CASTELBERG Porträtiert Persönlichkeiten, für uns hielt er das Kunstgespräch ab Seite 50 fest.

KURT AESCHBACHER In seiner Kolumne geht es um die Unwägbarkeiten des Lebens, Seite 112.

– wohnt in London in einem umgebauten Stall von 1850 – liebt Pimm's im Sommer – schlendert sonntags gerne über den Columbia Road Flower Market – ist nie über die erste Gitarrenstunde hinausgekommen

– fotografiert gern unter Zeitdruck, es hilft, das Bild auf das Wesentliche zu reduzieren – liebt den Geruch fremder Städte, er reist gern und viel – ist oft unterwegs, hasst darum Staus auf der Autobahn

– steht seit dreissig Jahren vor den Kameras des Schweizer Fernsehens – seine Wohnung ist mit Kunst vollgestellt – liebt «Lappilabrador» Bombay und hasst Hundehasser

Bolero: Wer inspiriert dich? Gian Marco Castelberg: Richard

Bolero: Was treibt Sie an? Kurt Aeschbacher: Meine

Lithos & Druck: Swissprinters St.Gallen AG, Bolero ist auf chlorfreiem Papier gedruckt

Avedon hätte ich gern kennen gelernt. Seine Bilder haben mich zur Fotografie gebracht.

Passion sind Menschen und ihre Träume, denn sie inspirieren mich für meine eigenen Höhenflüge. Die bestehen letztendlich darin, immer wieder Neues zu wagen.

Abonnementspreise: 1 Jahr CHF 110.–, 2 Jahre CHF 200.–, ab 3. Bezugsjahr Treuerabatt CHF 74.– statt CHF 110.– (inkl. MwSt.). Auslandpreise auf Anfrage, Studentenrabatt: 50%, 3-mal im Jahr sind BoleroMen sowie weitere Sonderausgaben im Abopreis von Bolero enthalten.

Bolero: Was ist dein kuriosestes Souvenir? Miriam Dembach: Eine aus-

gestopfte Mandarin-Ente namens «Mandy», die ich mir während der Brighton-Reise gekauft habe.

Anzeigenverkauf Italien: Studiopep srl, Via Popoli Uniti 20, 20135 Milano, Tel. +39 02 2870496, Fax +39 02 2870171 Anzeigenverkauf Deutschland: Ringier Anzeigen International, Dufourstrasse 49, 8008 Zürich Tel. 044 259 65 11, Fax 044 259 69 96 Anzeigenverkauf übrige Länder: Ringier Anzeigen International, Dufourstrasse 49, 8008 Zürich Tel. 044 259 64 83, Fax 044 259 69 96

Einzelverkaufspreis: CHF 12.– (inkl. MwSt.), Bolero erscheint monatlich (10-mal pro Jahr) Bolero wird von der Bolero Zeitschriftenverlag AG, einem Unternehmen der Ringier AG, 4800Zofingen,herausgegeben.DerVerwaltungsratsetzt sich wie folgt zusammen: Kurt Aeschbacher, Thomas Trüb, Martin Werfeli.

OBJEKT DER BEGIERDE, MAI 2010 Gratulation an Nataliya Babenko aus Zürich, sie ist die Gewinnerin der Lammnappaleder-Tasche aus der aktuellen «Boss Black Womenswear»Kollektion. Gefragt war das Gründungsjahr der Firma Hugo Boss. Richtig ist: Hugo Boss wurde im Jahr 1924 von Hugo Ferdinand Boss gegründet. Für alle, die dieses Mal ihr Glück versuchen wollen: Schauen Sie auf Seite 115. Wir verlosen eine luxuriöse Uhr.

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Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von Redaktion und Verlag jede Haftung abgelehnt. ISSN 1420-3944

Die Boleroausgabe 09/2010 erscheint am 11. Augsut 2010.


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IT-BAG Bally weiss, was angesagt ist: Diesen Sommer werden knallige Farben zu Puderund Apricot-Tönen kombiniert. Mit etwas Glück gewinnnen Sie die BallyTasche mit Portemonnaie im Nudelook.

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JAHRE BOLERO Sommer-Verlosung 8 Wochen tolle Preisegewinnen

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16. Juni YSL-Make-up | 17. Juni GiolitoGlacé-Gutscheine & -Gourmet-Dinner | 18.–20. Juni Bally-Tasche und -Portemonnaie | 21. Juni Wonderwood von Comme des Garçons | 22. Juni Maryan-Mehlhorn-Bikini| 23. Juni Tickets Montreux Jazz | 24. Juni Clarins Spa-Treatment | 25.–27. Juni NavybootBallerinas & -Tasche | 28. Juni LancasterSonnenpflege | 29. Juni Nespresso CitiZdot | 30. Juni Wolford-Forming Capris | 1. Juli Wallander-Romane & -Hörbuch | 2.–4. Juli Victorinox-Uhr | 5. Juli Juvena-Pflege | 6. Juli Sonnenbrille von Mykita | 7. Juli Bolero-Jahresabos | 8. Juli Swarovski-Ring | 9.–11. Juli Lederjacke von Strellson| 12. Juli Nars-Orgasm-Set | 13. Juli Dom Pérignon Black Box | 14. Juli Frass-Seidenschal | 15. Juli Canon-Kamera | 16.–18. Juli Nina-van-RooijenJacke | 19. Juli Acqua-di- Parma-Parfums | 20. Juli Diesel-Jeans | 21. Juli Flo-Rochenlederarmband | 22. Juli Panton Chair | 23.–25. Juli Wochenende im Hotel Guarda Golf & Spa | 26. Juli Spa-Tag im Dolder Grand mit Treatment | 27. Juli Stuart-WeitzmanGutschein | 28. Juli Mizensir-Duftkerzenset | 29. Juli Carrera-Sonnenbrille | 30. Juli– 1. August «Jade Bag» von Griesbach | 2. August Kérastase-Haarpflege und Coiffeurbehandlung | 3. August Wochenende im Parkhotel Delta Ascona | 4. August Les Bijoux de Ghislaine-Vintage-Schmuck | 5. August Outdoor-Jacken von Columbia | 6.–8. August Goldanhänger mit Kette von Kurz | 9. August Make-up und Duft von Serge Lutens | 10. August Diamant-Uhr von Ebel aus der Linie «Brasilia» |


ANGESAGT text: salvi atasoy foto: marco zanoni

Sophies Weg So mancher Radiosender meidet ihre Musik. Trotzdem ist Sophie Hunger international die derzeit erfolgreichste Schweizer Musikerin. Bolero sprach mit ihr über Anerkennung, die besten Tage ihres Lebens und Bands, die ihr «die Schuhe ausziehen».

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Ihre Konzerte sind ausverkauft, zwei ihrer drei Alben belegten die vorderen Plätze der Schweizer Albumcharts, das europäische Feuilleton feiert sie seit Monaten als Ausnahmetalent. Sophie Hunger setzt Folk, Pop und Jazz auf faszinierende Weise neu zusammen, ihre Musik ist kein zarter Experimentalpop mehr, sondern hat in den vergangenen Jahren einen eigenen starken Stil entwickelt. Die 27 Jahre alte Bernerin, die eigentlich Emilie Jeanne-Sophie Welti heisst, ist Autodidaktin. Gesangsunterricht hat sie nie genommen. Sophie Hunger interpretiert Musik eigenwillig, fast ein wenig störrisch, seichte Mainstream-Melodien sind nicht ihr Ding. Trotzdem, oder gerade deshalb, erhielt Hunger im April als erste Schweizer Künstlerin eine Einladung ans renommierte «Glastonbury Festival of Contemporary Performing Arts», das wichtigste britische Open-Air-Festival; am 14. Juli spielt sie am Jazzfestival in Montreux. Der Erfolg ist der Diplomatentochter nicht zu Kopf gestiegen. Beim Interview wirkt die zierliche junge Frau mit den schulterlangen braunen Haaren schüchtern. Bevor sie spricht, denkt sie gründlich über ihre Antworten nach. Fragen zu ihrer Musik beantwortet sie nicht. Ihre Musik, sagt Sophie Hunger, spreche für sich selbst.

Bolero: Sophie Hunger, welchen Stellenwert hat die Hitparade für einen Musiker? Sophie Hunger: Das ist eine Erfindung der Musikindustrie, um die eigenen Güter besser zu verkaufen. Was bedeutet Ihnen der 1. Platz der Albumcharts? In meinem Fall hat das etwas Witziges. Es gibt ja Umstände, die eine solche Platzierung fördern. Für mich waren diese alles andere als ideal. Ich werde von keinen kommerziellen Radiosendern gespielt. Ihre Bekanntheit hat immerhin für eine Einladung ans Glastonbury-Festival gereicht. Das ist eine grosse Ehre, die ich nicht erwartet habe. Das Konzert an sich ist mir nicht mal so wichtig. Die Einladung alleine ist schon eine sehr grosse Anerkennung. Was hat Sie auf ähnliche Weise berührt wie Glastonbury? Die erste Einladung nach Montreux. Was bedeutet Ihnen Montreux? Als ich 20 Jahre alt war, hatte ich einen Freund, der in Montreux als Techniker gearbeitet hat. Von ihm habe ich einen Festival-Pass gekriegt. Mit diesem Pass konnte ich fünf Tage lang hinter die Kulissen von Montreux blicken.


Das waren ein paar der besten Tage meines Lebens. Ich traf Musiker, Carlos Santana lief an mir vorbei. Im Lift begegnete ich Jamie Cullum, mit dem ich dann vier Jahre später zusammen auftreten durfte. Für mich war es das Paradies. Ich habe das alles aufgesogen.

Ein Archiv, das so mancher Journalist gerne sehen würde... Das kann sein. Aber dass Journalisten keinen Zutritt haben, macht das Haus so besonders. Denken Sie, Sheryl Crow würde mit ihrem Sohn im Garten Ping-Pong spielen, wenn es von Journalisten wimmeln würde?

Was haben Sie dort sonst noch erlebt? Ich war tagsüber vor allem in der Werkstatt unten. Dorthin gehen die Musiker, wenn sie ihre Instrumente reparieren oder ersetzen müssen. Von Zeit zu Zeit konnte ich mit Leuten jammen, beispielsweise mit Santanas Sohn. Der Mythos Montreux existiert. Es ist wie ein grosses Klassenlager. Die Musiker sind mit ihren Familien und Haustieren unterwegs. Sie zeigen sich beispielsweise gegenseitig die neuesten Effektgeräte. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch das Haus des Jazzfestival-Organisators Claude Nobs.

Nein, da haben Sie wohl Recht. Aber ist die Stimmung an Open-Air-Festivals hinter der Bühne nicht ähnlich? Nein, finde ich nicht. Die Musiker sind dort meist sehr gestresst. Das Zeitprogramm ist sehr knapp bemessen. Zudem gibt es keine Soundchecks. Du musst auf die Bühne und gleich losspielen. Das macht die meisten Musiker nervös. Musikalisch ist ein Festival daher selten ein Highlight. Das Publikum, die Masse macht das dann jeweils wett. Ich persönlich spiele aber lieber drinnen.

Inwiefern? Jeder Musiker wird von Nobs in sein Haus in Montreux eingeladen. Du kommst rein und überall siehst du Künstler, auf dem Balkon, beispielsweise Van Morrison. Sie essen, sie reden oder sehen fern. Überall stehen riesige Fernseher, die Konzerte aus vergangenen Tagen zeigen, Nina Simone etwa überdimensional gross. Im Keller hat Nobs sein riesiges Musik-Archiv.

Besuchen Sie das Jazzfestival in Montreux auch privat? Ja, ich gehe selber auch hin, allerdings früher häufiger als heute.

(Dann deutet sie mit dem Finger auf Roger Cicero.) Das ist Horror. Oh, Elvis Costello kommt mit seiner Frau (zeigt auf Diana Krall). Das muss man sehen. Herbie Hancock tritt auch auf, aber der ist ja eh oft da. Und natürlich De La Soul, meine Lieblingsband in Sachen Hip-Hop. Und Jamie Lidell habe ich auch noch nie gesehen. Sprechen wir noch über Sophie Hunger im französischen Fernsehen, Sophie Hunger in Tschechien. Es ist lange her, dass eine Schweizerin im Ausland derart gefragt war. Bedeutet Ihnen das etwas? Für das, was ich mache, ist das völlig egal. Im Ausland bin ich einfach eine Musikerin. Und meine Musik klingt überall gleich. Trotzdem gibt es viele Schweizer Bands, die international nicht so erfolgreich sind. Ist es schwer, den richtigen Ton zu treffen? Ja. Wenn wir auf Europa-Tour sind, treffe ich manchmal Musiker, da zieht es mir die Schuhe aus – und die kennt praktisch niemand. <

Haben Sie das diesjährige MontreuxProgramm bereits gesehen? Nein. Gut, dann gehen wir das Programm gemeinsam durch. Was empfiehlt Sophie Hunger? Brad Mehldau, Regina Spektor, Keith Jarrett.

Sophie Hungers aktuelles Album «1983» ist bei TwoGentlemen/Irascible erschienen. Am 14.Juli spielt Sophie Hunger in der Miles Davis Hall am Montreux Jazzfestival. Infos: www.montreuxjazz.com

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STIL

IM UHRZEIGERSINN Kleid von Stella McCartney; www.stellamccartney.com. Hut von Christian Dior, Preis auf Anfrage; www.dior.com Sonnenbrille mit Metallbügeln von Bottega Veneta, Preis ca. CHF 440.–; www.bottegaveneta.com Gold-Bracelet aus der «Possession Celebration Kollektion» von Piaget, Preis CHF 9700.–; www.piaget.com Sandalen von Bally, Preis ca. CHF 625.–; www.bally.com Tasche «Bea» aus Stoff und Kalbsleder von Sportmax, Preis ca.CHF 850.–; www.sportmax.it

—News und Trends. Endlich Sommer! Luftige Kleider mit grosszügigen Blumenprints in Kombination mit Accessoires in Nudetönen sind eine gute Wahl für Stadt und Strand. REDAKTION: MALENA RUDER LAUFSTEGFOTO: ALESSANDRO LUCIONI

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STIL trend Bolero

BLICKPUNKT SARA ALLERSTORFER

Das Eva-Prinzip Stellvertretende Leitung Mode oder das Vollweib Bolero Und Gott erschuf die Frau, als Geschöpf mit Busen, Hüften und Taille. Diese hervorstechenden Merkmale wusste schon Regisseur Roger Vadim erfolgreich zu inszenieren und schuf mit seinem Film eine Göttin namens Brigitte Bardot. Auch Marilyn Monroe war stolz auf ihren üppigen Busen und ihre Hüften, deren legendären Schwung sie angeblich durch ungleich hohe Schuhe erzielte.

TEXT: MALENA RUDER

Blazer, hochwertige Stoffe, Elemente aus der Herrenbekleidung: Viele Winterkollektionen sind eine Hommage an das Schneiderhandwerk. Dieser Trend bedingt einen weiteren: Kleidungsstücke werden wieder individueller. Damit ist nicht gemeint, um jeden Preis aufzufallen. Es geht um Passform und Proportionen; man gönnt sich den Luxus eines Kleidungsstücks, das sitzt und nicht nur passt. Grieder Stores Director Franco Savastano: «Wir hatten schon immer eigene Ateliers. Nicht zuletzt durch den Trend zum Blazer, ausgelöst von Balmain, werden ihre Dienste vermehrt in Anspruch genommen.» Junge Schweizer Designer gehen noch weiter: Nicht nur die Passform, auch das Material wird angepasst. Heiner Wiedemann bietet bei seinem Label Heinrich Brambilla schon seit einiger Zeit Demi-Couture an: «Die Kundinnen schätzen sehr, aus meinen Entwürfen Ihre Lieblingsstücke auswählen zu können. Mein Angebot, einen Stoff auszuwählen und die Modelle in Proportion und Silhouette anzupassen, macht das Teil noch individueller.» Zrinka Tomasovic bietet diesen Service für Schuhe an. In ihrem Shop Tak Manufacture lassen sich Farbe, Form und Material auswählen, die Breite der Füsse wird ebenfalls berücksichtigt. 1

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1. Interpretierte Herrenschnitte in der Winterkollektion von Alexander Wang. 2. Demi-Couture-Modelle vom Schweizer Designerlabel Heinrich Brambilla. 3. Schuh von Tak Manufacture.

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Kurz: sinnliche Frauen im Stil der Spätfünfziger wohin man blickte. Wenn das bei den Männern nicht einschlägt wie das iPad! Und bei den Frauen? Brigitte Bardot ist das eine. Die Hausfrauen der Fünfziger sind das andere. Und dann fällt mir noch ein Bild dazu ein, nämlich das der zahlreichen Heimatfilme, in denen die Heldin nach Irrungen und Wirrungen das wahre Glück findet, das darin besteht, Hausfrau zu sein. Ob ich so eine Mode tragen will? Fragen Sie mich in einem halben Jahr nochmals. Die Rolle jedenfalls werde ich nicht einnehmen. SARA ALLERSTORFER ist stellvertretende Leiterin Mode und interessiert sich mehr für Stil als für schnelllebige Modetrends.

Foto: Getty Images (1), Roland Frutig (1)

Passt perfekt! Kleidung wird individueller. Neben Customizing spielt auch die Passform eine Rolle.

Nur der Modewelt schien die Tatsache, dass wir normalsterblichen Frauen nun mal üppiger gebaut sind, seit Jahren egal zu sein. Wie erfrischend war es da – im ersten Moment – zu sehen, dass Marc Jacobs für seine nächste Louis-VuittonHerbst/Winter-Kollektion die Busen nach oben schnallte und die Hüften mit Tellerröcken betonte. Miuccia Prada dachte in eine ähnliche Richtung. Bei ihr trugen die Models Kleider, die auf der Höhe des Busens wie eine Art leere WC-Papierrolle geformt waren oder mit einem Rüschenbalkon versehen wurden. Zugegeben, ein bisschen komisch sah das schon aus. Aber Prada ist ja nun mal bekannt dafür, dass man auch mit einer Ästhetik des Ungewöhnlichen Erfolg haben kann.


STIL im alltag

WILD THING: SCHWARZ, GOLD UND EIN WENIG HIPPIE-CHIC MISCHEN KLASSISCHE MUSTER AUS DER HERRENMODE AUF.

VON OBEN NACH UNTEN: Hut aus Rochenleder und Filz von a cuckoo moment..., ca. CHF 810.–. Sonnenbrille «Glossy Gold» von Dior, limitiert, ca. CHF 1400.–. Collier von Fendi, ca. CHF 450.–. Peeptoe von Sportmax, ca. CHF 825.–. Clutch von Valentino Garavani, Preis auf Anfrage.

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SCHLAGARTIG: Bluse und voluminöse Wolljacke von Blugirl, ca. CHF 650.– und 800.–. Weich fallende, in die Taille geschnittene Schlaghose im Hahnentrittmuster von Trussardi, ca. CHF 930.–. Tasche von Tod’s, ca. CHF 1530.–. Pumps von Casadei, ca. CHF 660.–. Wo zu kaufen Seite 120.


STIL porträt

Mit Stoffblüten besetztes kleines Schwarzes und Halsketten aus Dubai.

Langärmeliges Tunikakleid mit Ethnomuster von Stella Forrest, Leggings von Fogal, Schuhe von Boutique 9. Sofa von Flexform.

Romantikerin mit klarer Linie Evelyne Schärer ist Gründerin und Präsidentin des VUSH, dem Verband Unabhängiger Schweizerischer Hochzeitsplaner. Ihre Agentur «Your Perfect Day» hat vielen Paaren zum perfekten Tag verholfen. REDAKTION: MALENA RUDER FOTOS: GIAN MARCO CASTELBERG

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Mein Stil Ich bin eher eine Perfektionistin, was mein Äusseres betrifft – das verlangt mein Job. Clean Chic, abends auch mal glamourös, aber mit Stil und Bedacht. Lieblingskleidungsstück Eine helle Annex-Lederjacke aus der Zeit, als Dorothée Vogel noch für die Kollektion verantwortlich war. Als die Jacke ziemlich abgenutzt war, habe ich selbst Hand angelegt und mein Glück mit goldener Lederfarbe versucht. Seither ist sie noch schöner geworden. Schmuck Ich versuche, mir jeden Tag ein Strahlen ins Gesicht zu zaubern! Ausser einigen Halsketten trage ich nur Uhren. Nebst meiner IWC liegt mir die «J12» von Chanel sehr am Herzen. Leidenschaft Die Liebe. Romantik, Emotionen, Sehnsüchte, Träume und Wünsche. Nicht nur im Privatleben, sondern natürlich auch in meinem Beruf als Hochzeitsplanerin, Shopping habit Die vergangenen Jahre bin ich regelmässig für eine Woche nach Dubai geflogen und habe dort eingekauft. So muss ich hier nur ab und zu für Basics auf einen Streifzug gehen. Wohnen Da ich viel unterwegs bin, bedeutet mir mein Zuhause sehr viel. Ich mag es gradlinig und aufgeräumt; helle Farben und klare Formen sorgen für Wohlbefinden. Ausgehen Unter der Woche finden abends meist Beratungsgespräche statt, am Wochenende Hochzeitsparties, deshalb gehe ich selten aus. Ich treffe mich meistens eher am Vormittag mit Freunden auf einen Latte und ein gutes Gespräch.


STIL im fokus

Der Schuh-Konstrukteur In Paris hat er sich schon vor Jahren mit starken, aber puren Schuhkreationen einen Namen gemacht. Allerhöchste Zeit, dass der Schweizer Walter Steiger auch unsere Füsse verschönert. INTERVIEW: SARA ALLERSTORFER FOTOS: SÉBASTIEN RANDE

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Er arbeitete mit Mary Quant und Emanuel Ungaro, entwarf in den Siebzigern die Laufsteg-Schuhe für Chloé, Montana, Lagerfeld, Kenzo und Alaïa und eröffnete vor kurzem in Paris ein Atelier für Massschuhe. Der 1942 in Genf geborene Walter Steiger ist ein Meister seines Faches. Mit 15 Jahren geht er nach Zürich, um beim prestigeträchtigen Haus Molnar Bottier seine Ausbildung zu beginnen. 1962 zieht es ihn nach Paris, wo er im Studio Capucine die Kollektion «Bally Madeleine» entwirft. «In Paris habe ich die Mode schon


STIL schmuck

II: Coccinella septempunctata

I. Melolontha melolontha

III. Saturnia pavonia VII. Apis mellifera

V. Lucanus cervus

VI. Libellula quadrimaculata

IV. Phalangium opilio

Entomologie de Luxe Wenn uns diese Insekten zufliegen, lassen wir den Schädlingsspray im Giftschrank stehen... REDAKTION: MARIANNE ESCHBACH, MALENA RUDER

I. I. Ileana Makri. Maikäfer aus Roségold mit farbigen Diamanten. Euro 3250.–. II. Meister Juwelier. Brosche «Coccinelle», Gold, Email, Smaragde und Brillanten. CHF 5050.–. III. Van Cleef & Arpels. Schmetterlingsclip, Weissgold mit Diamanten, Granaten, Saphiren, Spinellen und Onyx. Preis auf Anfrage. IV. Lorenz Bäumer. Zimmermann-Brosche, Weissgold und 1,28 Karat Diamanten. Euro 5850.–. V. Aurélie Bidermann. Brosche aus einem Skarabäus, in Gold getaucht. Euro 265.–. VI. André Schweiger. Libellenflügel-Ohrstecker, Weissgold und Brillanten. CHF 3550.–. VII. Chopard. Bienen-Brosche. Weissgold, Diamanten und Brillanten. Preis auf Anfrage. Wo zu kaufen Seite 120.

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KULTUR abendmode | fashion | bolero

—Rauchzeichen aus der Vergangenheit Ein Schweizer Künstler hat den «Marlboro Man» zur Ikone gemacht. TEXT: JÖRG SCHWERZMANN

Hannes Schmid, 1946 in Zürich geboren, hat zwischen 1993 und 2002 unzählige Fotos für die Werbung der Zigarettenmarke Marlboro geschossen. In Inseraten und auf Plakaten verkündeten Schmids grossartige Bilder weltweit die Botschaft von Marlboro: Mit dem Genuss einer Marlboro-Zigarette sind Freiheit und Abenteuer, harte Kerle mit weichem Kern, wilde Mustangs und atemberaubende Landschaften verbunden. Es entstand eine Werbekampagne, die sich ins kollektive Gedächtnis von Generationen eingebrannt und den «Marlboro Man» zu einer Ikone des 20. Jahrhunderts stilisiert hat. Schmid hat sich auch als Modefotograf einen Namen gemacht. In jüngster Zeit verwendet er seine legendären Marlboro-Fotos als Vorlagen für monumentale fotorealistische Malereien, die derzeit in Winterthur zu sehen sind. «Hannes Schmid – Never Look Back», Fotostiftung Schweiz,Winterthur, 12.Juni bis 19. September. www.fotostiftung.ch

OBEN: Hannes Schmid «Cowboy # 30», 2010, Symbol einer ganzen Generation für Freiheit und Abenteuer. UNTEN: Hannes Schmid «Cowboy # 11», 2008, Harte amerikanische Kerle mit einem weichen Kern, Ikonen des 20. Jahrhunderts.

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KULTUR agenda Ausstellung

Liebesakt mit Metzgermessern Schön extrem: Drastisches von Künstler Matthew Barney im Schaulager Basel. Majestätisch bewegt sie sich durchs Wasser, die «Nisshin Maru», das Mutterschiff der japanischen Walfangflotte. Eine schwimmende Zerlegefabrik – Sinnbild einer alten Tradition und rotes Tuch für Umweltschützer. An Bord sind der amerikanische Künstler Matthew Barney und seine isländische Frau Björk. Mit Fischerbooten kam das Paar getrennt an Bord, wurde von Geishas gebadet, in üppige Gewänder gehüllt und pompös ausstaffiert. Auf dem Höhepunkt des Films verstümmeln sie sich hingebungsvoll. Fleisch wird vom Knochen geschnitten, Haut zerteilt, es wird filetiert und geschnitzt, dass es eine Lust ist und bis alle Gliedmassen abgetrennt sind. Fleischfetzen und Blutstropfen schweben im Wasser. Und dann: Im Nacken der Protagonisten tut sich ein Blasloch auf, in der nächsten Einstellung sieht man zwei friedlich davonschwimmende Wale. Statt Splatter geht es also um Metamorphose und Wiedergeburt. Das ist in seiner drastischen Ästhetik so eindrücklich, dass – treffendes Zitat eines Journalisten – «man am Ende nicht weiss, ob man würgen oder jubeln soll». Der Film ist Teil der Ausstellung «Prayer Sheet with the Wound and the Nail», in der das Basler Schaulager die 16-teilige Reihe «Drawing Restraint» zeigt. Barney begann damit als Student in Yale. In ersten Performances bewegt er sich in Enviroments mit Rampen, Schrägen, an elastischen Gurten und probt das «Zeichnen unter Einschränkungen». Im Erdgeschoss wird das gesamte Archiv ausgebreitet – Skulpturen, Schauvitrinen, Zeichnungen und Videos, kontrapunktiert von Holzschnitten, Stichen und Zeichnungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Im unteren Bereich werden drei monumentale Skulpturen präsentiert sowie erstmals ein neues Werk. Kuratiert von Neville Wakefield, New Yorker Ausstellungsmacher und intimer Kenner von Matthew Barneys Werk, ist die Ausstellung ausschliesslich im Schaulager zu sehen. | HFL

Aus dem Film: «Drawing Restraint 9» mit Björk und Matthew Barney als Hauptdarsteller. Begleitet wird der Film von der Musik von Björk. 135 Minuten, USA/Japan 2005.

Ausstellung

KUNST KOMMT VON KUNST – RODNEY GRAHAM INSZENIERT SICH ALS KUNSTMASCHINE.

«Allegory of Folly: Study for an Equestrian Monument in the Form of a Wind Vane», 2005.

Der kanadische Künstler Rodney Graham (*1949) bedient sich in seinem Werk allem, was Kunst- und Kulturgeschichte der vergangenen Jahrhunderte zu bieten hat. Er zitiert Sigmund Freud ebenso wie seinen Lehrmeister Jeff Wall, holt sich Texte und Bilder bei Donald Judd oder Pablo Picasso, und verwurstet diese ganze Kulturmasse zu einem sehr eigenwilligen, sehr ironisch bestimmten Gesamtkunstwerk namens Graham. Denn die eigene Person ist die Klammer, die all das Zitierte, in Fussnoten Abgehandelte zu schlüssigen Kunstwerken macht. Und zu lustigen, das muss auch gesagt sein. Etwa wenn sich Rodney Graham rückwärts auf einem künstlichen, mit Elektromotor betriebenen Trainingspferd sitzend als Renaissance-Gelehrter Erasmus von Rotterdam in Szene setzt. Anstelle von gewichtigen Schmökern liest er im Telefonbuch – das Tableau ist in der Art inszeniert, wie sie Jeff Wall in die aktuelle Kunst eingeführt hat. Ein guter Witz zur Befindlichkeit der momentanen Kunstrezeption. Grahams Kunst gibt zu denken. Aber sie bringt auch zum Lachen. | JSC «Rodney Graham, Through the Forest», Museum für Gegenwartskunst Basel. 13. 6. bis 26. 9. www.kunstmuseumbasel.ch

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Fotos: Installation Rodney Graham: Courtesy the artist/Scott Livingstone (1), Archives Charlotte Perriand/ADAGP/ProLitteris (1), Thomas Struth/Kunsthaus Zürich (1)

«Matthew Barney. Prayer Sheet with the Wound and the Nail», Schaulager Basel, 12. 6. bis 3. 10. Eine Reihe von Veranstaltungen wird die Ausstellung begleiten und es erscheint eine Publikation. Informationen unter www.schaulager.org


«WirwollenSehgewohnheitenirritieren» EinmutigesEngagement:DieTrendsetterKlausLittmann undTrudieGötzzeigeninZürichThomasVirnichsInstallation «FliegendeKatakomben».Damiteröffnensiedenneuen «Projektraum455a»inder«Wöschi»,derZürichsKunstszene umeineFacettereichermachensoll. TEXT: SITHARA ATASOY FOTOS: GIAN MARCO CASTELBERG MAKE-UP: EMMANUEL FLORIAS


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BEAUTY blackis

beautiful! bolerohat

6 fotografen

umihreansicht gebeten... REALISATION/REDAKTION: JĂœRG STURZENEGGER

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valentin jeck

Warum haben Sie gerade dieses Motiv ausgewählt?

Was bedeutet Schönheit für Sie? Schöne Körper,

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit den Stillleben grosser Meister.

schöne Menschen, schöne Dinge, schöne Kunst, schöne Häuser, schöne Landschaft, schöne Natur, schöne Farben, schöne Musik, schöner Lärm, schöne Autobahn, schöne Wolken, schöner Schnee, schöne Lawine, schöner Sturm, schöne Stille. Wer hinschaut, findet die Schönheit überall, sie ist ein Empfinden, ein persönliches Urteil.

Was bedeutet die Farbe Schwarz für Sie?

Schwarz ist neutral.

Wer sind Sie? Ich heisse

Wann tragen Sie Schwarz?

Valentin Jeck.

Meistens.

Wie heisst Ihr Bild?

Sind Sie schon einmal schwarzgefahren?

Das Bild hat keinen Namen. Wann haben Sie das Bild fotografiert? Letzten Herbst. Was zeigt das Bild?

Auch schon.

Früchte und Beeren.

Ein Vollbad.

Welches ist Ihr persönliches Schönheitsritual? Weshalb brauchen wir Schönheit auf dieser Welt?

Sie macht irgendwie glücklich.

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Valentin Jeck ist in der Schweiz vertreten durch www.aich.ch


BEAUTY health Nein, man muss sie nicht mögen. Algen schmecken intensiv nach Meer, nach Gras, Muscheln, Jod. Doch während die einen die Nase rümpfen, sind andere Feuer und Flamme für die marine Pflanze. Algen sind so reich an Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen und Proteinen wie kaum ein anderes Naturprodukt. Ihr Gehalt an Mineralstoffen ist sieben Mal höher als der von Soja, sie enthalten aber fast 20 Mal weniger Fett. Algen können wertvolle Vitalstoffe aus dem Meerwasser filtern und in sehr hoher Konzentration speichern. Als einziges Gemüse enthalten sie das Wachstumsvitamin B12 in hoher Konzentration. B12 unterstützt die reibungslose Funktion des Nerven- und Immunsystems und fördert die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit. In Algen stecken auch viele Ballaststoffe, deshalb werden sie von Ernährungswissenschaftlern angepriesen. Sie regen den Stoffwechsel und die Verdauung an, senken erhöhten Blutdruck, lindern Gicht, Rheumatismus und heilen Allergien und Ekzeme. Das «Sushi-Gen» Algen erlangten Berühmtheit, weil sie fester Bestandteil im japanischen Speiseplan sind und die Japaner und Japanerinnen eine verblüffend tiefe Rate an bestimmten Darmtumoren und Brustkrebserkrankungen aufweisen. Auch die Osteoporose, eine in Europa und den USA weit verbreitete Knochenschwäche, ist in Japan gänzlich unbekannt. Wahrscheinlich, dass auch hier ein Zusammenhang mit der Ernährung besteht. Denn Algen enthalten bis zu fünfmal mehr Kalzium als Milch.

Wunderwaffe aus dem Meer Seetang ist immer öfter auch in europäischen Küchen anzutreffen. Als bekömmliches und linienfreundliches Nahrungsmittel beugt es Krankheiten vor und macht von innen schön. TEXT: CLAUDIA LANDOLT STARCK FOTO: THOMAS DE MONACO

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Hoher Suchtfaktor: Der Algensalat Jetzt erobert Seetang auch den westlichen Markt. Arame und Wakame, die dunklen Algensalate, stehen bereits in den Regalen der hiesigen Grossverteiler. Dieser Salat, optisch etwas gewöhnungsbedürftig, ist sehr gesund und schmackhaft. Angereichert mit Sesamkörnern, Sesamöl, Sojasauce und Chili bekommt er eine Würze, die hohen Suchtfaktor hat. Der Salat enthält wenig Fett, ist sättigend und trotz seines Salzgehaltes ein basisches, also schlackenfreies Nahrungsmittel. André Jaeger, preis-


BEAUTY wellness 3 neu eröffnete Sommerspas, die uns zur Sonnengöttin machen. Sie lassen uns nicht nur gut aussehen, sondern erfrischen zudem: Unsere Favoriten liegen direkt am See oder Meer. TEXT: TINA BREMER

1 ASCONA: DAS HAUS AM SEE Nein, Orangenbaumblätter liegen nicht auf dem Weg. Peter Fox würde das Haus am Ende der Strasse dennoch gefallen. Eine Magnolie wirft Schatten auf den Rasen des Eden Roc Hotels, die Sonne glitzert im Pool, auf dem Steg lässt ein Pärchen die Beine im See baumeln. Direkt am Ufer des Lago Maggiore gelegen, nur wenige Schritte von der Piazza, findet sich kaum eine schönere Lage in Ascona. Im Inneren des Hotels hat der ortsansässige Designer Carlo Rampazzi für grosses Theater gesorgt: Kronleuchter, auf denen bunte Lampenschirmchen sitzen, Wände, auf die Vorhänge gemalt wurden und ein geradezu verschwenderischer Einsatz von Farbe sorgen für eine Kulisse, deren Üppigkeit man mögen muss. Pünktlich zum Sommeranfang wurde der neue Wellnessbereich eingeweiht – und der Stammgast wird sich verwundert die Augen reiben: Mit für ihn ungewohnter Zurückhaltung hat Rampazzi den 2000 Quadratmeter grossen Spa für 20 Millionen

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Franken in das Hotel integriert. Der Loungebereich empfängt in Hellbeige, bei der Auswahl der Mosaiksteine für die Saunaund Wasserwelt hat Rampazzi sich einzig von den Farben des Lago Maggiore inspirieren lassen. Die Behandlungsräume tragen die Namen von Blumen, die im Tessin wachsen.

anschliessende Reinigung vorbereitet. Während eine Multivitaminmaske einwirkt, werden Dekolletee und Gesicht massiert. Es riecht nach Ringelblumen und Kamille. Ein Serum, das mit hochkonzentriertem Vitamin C angereichert ist, wirkt schliesslich gegen Falten und Pigmentflecken. Dank des neuen Ganges, der von den Treatment-Räumen zum Wellnessbereich und Garten führt, muss man nicht mehr mit dem Bademantel durch die Lobby tapsen. Mit einem Glas Gurkenwasser sinkt man in die weichen Polster der Liegestühle, die auf dem Rasen stehen. Auf dem Lago Maggiore kreuzen kleine Schiffe, Wellen schwappen ans Ufer und fast meint man, dass der Duft > von Orangenbäumen in die Nase steigt.

Für die Ganzkörpermassage benutzt Christina Zappenfeld Avocadoöl mit dem Aroma von Zitronengras. Nachdem sie die Verspannungen aus Armen und Beinen geknetet hat, folgt eine Fussreflexzonenmassage. Den Abschluss macht eine Massage mit heissen Lavasteinen aus Hawaii, deren Wärme tief in die Muskulatur eindringt. «Bei Vollmond soll man die Steine nach draussen legen, dann tanken sie neue Energie auf», verrät Christina.

Hotel Eden Roc

Beim «Dermalogica-Facial» ist keine Magie im Spiel. Das Peeling auf Reisbasis wirkt mit Fruchtsäure, sanft wird die Haut auf die

Via Albarelle 16, Ascona, Tel. 091 785 71 71, www.edenroc.ch. DZ ab CHF 360.– Behandlungen: «Eden Roc Massage» (75 Min.) CHF 230.–; «Dermalogica-Facial» inkl. Hautanalyse (90 Min.) CHF 210.–.


TREND REPORT Key-LooksHerbst/Winter2010/11 Jacken,wieaufdenKörpergeschneidert.RöckeimFifties-Look. KleidermitCouture-AnmutungundjedeMengeOutdoor-Looks. DieModesetztaufPraktischesundBeständiges,ohnedenBlick aufdieSchönheitzuverlieren.VieleHäuserfindeneinenneuen Weg,GeschichteundBestselleraufdenLaufstegzubringen. REDAKTION: SARA ALLERSTORFER

LAUFSTEGFOTOS: ALESSANDRO LUCIONI

WO ZU KAUFEN SEITE 120

DER BLAZER Diesen Herbst in zahlreichen Variationen. Bei DOLCE & GABBANA am schönsten.

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DER MANTEL

DAS CAPE

MARINEBLAU

Bei MAX MARA erh채lt der hochgeschlossene Milit채r-Mantel eine feminine Note.

Das Bed체rfnis nach Schutz interpretiert YVES SAINT LAURENT mit Plastik und Strenge.

Schicke Relaxmode in angesagtem Dunkelblau beim Japanar YOHJI YAMAMOTO.

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BOHEMIAN CHIC

MINIMALISMUS

RECYCLING

ROBERTO CAVALLI kreiert Mode für den «Gypset», den Jetset mit Hang zum Hippie.

Reduktion auf die Spitze getrieben. Wenn Schlichtheit einen Namen hätte, hiesse sie CELINE.

Sich selber ironisch zu zitieren, ist bei PRADA nächsten Herbst und Winter de rigueur.

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SITHARA ATASOY Chefredaktorin Bolero

Meine Favoriten Für die neue Saison: ein Hut, ein Anzug, ein Ring aus dem Kuriositätenkabinett. Und ein Anlauf zur Entschleunigung.

1 Mein Abendlook Eine tolle Jacke, wie man sie bereits seit einigen Saisons immer wieder bei Balmain findet, ist eines der besten ModeInvestments, glamourös und funktionell.

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2 Mein Lieblingsring Früher hätte ich es nie für möglich gehalten, heute weiss ich: Ein Ring allein kann einem schlichten Outfit Glanz verleihen. Ring aus Ebenholz, Gold und Diamanten. «Afrika-Kollektion» der Pariser Schmuck-Kreateurin Lydia Courteille.

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3 Mein Lieblingsschmuck Lanvin macht zurzeit coolen Schmuck, wie etwa die rockig-elegante Manschette. 3

4 Meine Lieblingsmodenschau Sensationell: Karl Lagerfeld zeigte im Grand-Palais für Chanel Kreationen aus imitiertem Fell – mitten in einem 265 Tonnen schweren Eisberg. Das Eis wurde aus Schweden importiert. 5 Mein Lieblingsrestaurant Eines meiner Lieblingsrestaurants in Paris ist die Brasserie La Coupole am Boulevard Montparnasse. Am späteren Nachmittag zu zweit ein Plateau «Fruits de Mer» zu geniessen, gehört schon fast zur Tradition. Die Coupole wurde 1927 im neoklassizistischen Stil erbaut.

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6 Herrenhut Ich liebe Herrenhüte gegen Sonne, Regen oder Schnee. Jetzt dürfte es mal einer im Leopardenlook sein, von Wunderkind.

MUSTERSPIEL AKRIS’ Silhouette spielt mit den Siebzigern. Der Print dagegen sagt hier und jetzt.

7 Anzug Einen passenden Hosenanzug zu finden, war bislang eine echte Herausforderung. Jetzt scheint sich das Blatt zu wenden. Dolce & Gabbana zeigten perfekte Anzüge. Auch Givenchy, siehe Foto.

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Entschleunigung Ich lese gerade Frank Schirrmachers Buch «Payback» und habe einen Schnellkurs im Meditieren absolviert. In der Hoffnung, dass es mir hilft im Kampf gegen Internet und E-Mail. SITHARA ATASOY ist Chefredaktorin von Bolero. Ihre Leidenschaft gilt der Mode und den Menschen, die dahinter stecken.

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SARA ALLERSTORFER Stellvertretende Leitung Mode Bolero

Meine Favoriten Man sucht nicht mehr den Kaufrausch, sondern besinnt sich wieder auf Werte wie Klassik, Qualität und Authentizität. 1

1 Meine Lieblingskollektion Ich habe gerade eine romantische Phase. Da ich aber noch nie der Rosa-Zuckerwatte-Streublümchen-Typ war, entspricht mir die düster-elegante Romantik von Ann Demeulemeester besonders. 2 Mein Abend-Look Die Zeiten des Blendens und des NouveauRiche-Stils sind endgültig vorbei. Man sucht wieder zeitlose Eleganz und raffinierten Sexappeal. Gefunden habe ich diesen Stil bei Haider Ackermann. 3 Do it yourself Es mag ein bisschen skurril erscheinen, aber mir gefiel die Idee eines Nähcafés auf Anhieb. Realisiert haben dieses die Österreicherin Sissi Holleis und die Schweizerin Martena Duss in Paris. Im Sweatshop können sich Gleichgesinnte bei Café und Kuchen Kleider nach Anleitung nähen oder sich bei den Betreiberinnen und Gast-Designern Nachhilfe im Schneidern und Stricken holen. Genäht wird auf Singer-Nähmaschinen, die zu diesem Zweck stundenweise oder pauschal gemietet werden können. www.sweatshopparis.com

4 Wiederentdeckt Wer meint, dass Marketing eine Erfindung der Moderne sei, der sei eines Besseren belehrt. Schon Emile Zola beschrieb in seinem Roman «Das Paradies der Damen» minutiös, wie die Kundschaft im ausgehenden 19 Jahrhundert umgarnt und zum Verkaufen verführt wird. Eine sozialgeschichtliche Fallstudie für Modefans.

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5 Mein Sehnsuchtsort Wahrscheinlich habe ich eine romantisch verklärte Vorstellung, aber ich möchte unbedingt einmal durch das Königreich Bhutan reisen.

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6 Mein Lieblings-Accessoire Schuhe und Taschen? Nein danke. Diese Wintersaison investiere ich nur in ein Accessoire. Und das ist die Sonnenbrille von Hogan. Einfach ideal, um die Spuren durchwachter Nächte wegzuzaubern. SARA ALLERSTORFER ist stellvertretende Leiterin Mode und interessiert sich mehr für Stil als für schnelllebige Modetrends.

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LEDER-LADIES Die schicksten britischen Geheimagentinnen gab es diesmal bei HERMÈS.


KLASSIKER

FRIVOLER STRICK

DAS DEUX-PIÈCES

MARC JACOBS Vorliebe gilt den Kleidern, die man schon seit Ewigkeiten zu besitzen scheint.

So pariserisch sexy kann zurzeit nur eine Designerin Strick präsentieren: SONIA RYKIEL.

Architektonisch mit einer futuristischen Note: So sieht LANVIN das Kostüm.

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Die tapferen Schneiderlein «Wir haben uns wieder frisch in unsere Marke und unsere Geschichte verliebt»: Domenico Dolce und Stefano Gabbana über die Werte ihres Labels und ihre Arbeit.


ARTDE VIVRE —EinSeebadspieltzumTanzauf.Brightonwarglamouröser SommertreffpunktderAristokraten,dannkamdasSeebad herunter.HeutestrahltderOrtanEnglandsSüdküsteinneuem GlanzundmachtsichalsFestivalhauptstadteinenNamen. TEXT: MIRIAM DEMBACH FOTOS: JAMES HARDY

In den verwinkelten Gassen der Altstadt herrscht emsiges Treiben. Rockbands spielen auf den Strassen, Künstler präsentieren ihre Bilder und Skulpturen in den eigenen vier Wänden, das London Philharmonic Orchestra gastiert in der Konzerthalle. Es ist Mai, die Hochsaison der Festivals in Brighton. Dabei herrscht in dem englischen Seebad, das nur 60 Zugminuten südlich von London liegt, das ganze Jahr über Festtagsstimmung. Bis zu zwei Dutzend Veranstaltungen, von Comedy über das Schwulen- und Lesben-Festival «Brighton Pride» bis zur «Great Escape», einer Konzertveranstaltung für Nachwuchsbands, > finden von Januar bis Dezember statt.

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Dass Brighton heute die Festivalhauptstadt Englands ist, dafür hat Edward II. die Weichen gestellt. 1313 erteilte er dem Fischerdorf die Erlaubnis, ein dreitägiges Volksfest abzuhalten – schon damals ein Grund für einen Besuch. Heute verzeichnet Brighton 156 000 Einwohner und acht Millionen Touristen im Jahr, die neben dem Festivalangebot das Meer riechen wollen. Der Brighton Pier mit seinen Essbuden, Spielhallen und Schaustellern hat zwar sein mondänes Flair verloren. Es lohnt sich aber trotzdem, mit einer Portion Fish & Chips und dem obligaten Brighton Rock, einem bunten Schleckstängel, am Kieselstrand zu sitzen, dem Meeresrauschen und den Schreien der Möwen zu lauschen, während sich am Ende des Piers Wagemutige ihren Kick auf dem Freefalltower holen.

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Nur wenige hundert Meter von der Promenade entfernt beginnen die North Laines, eine verschachtelte Gassenformation, die noch aus dem Mittelalter stammt. Originale Pubs, Boutiquen und Kunstgalerien haben sich im ältesten Teil der Stadt angesiedelt. Beim Bummeln durch die Gassen landet man unweigerlich vor den Toren des Royal Pavillions, dem Wahrzeichen Brightons. Das aussen indisch anmutende und innen pseudo-asiatisch eingerichtete Lustschloss von George IV. bietet einen berauschenden Anblick. Die Überreizung der Sinne, die der Palast beim einen oder anderen hinterlässt, bringt man am besten mit einer Tasse Tee wieder ins Lot. Die Haupteinkaufsstrasse North Laine mit ihren Hippie-


ART DEVIVRE enzyklopädie des genusses Stichwort: Sommerbock Rehböcke sind besonders zart im Frühsommer. Denn dann sind sie entspannter, weiss Peter Brunner. FOTO: ARMIN ZOGBAUM

Das beste Reh gibt es im Frühsommer. Die weit verbreitete Meinung, die Wildsaison sei im Herbst, ist falsch – zumindest teilweise.

Der Herbst ist vor allem in den Bergen die Jagdsaison. Im Schweizer Mittelland beginnt sie im Frühling mit der Revierjagd. Dann ziehen sich die trächtigen Rehgeissen ins dichte Unterholz zurück, um auf die Geburt ihrer Kitze zu warten. In dieser Zeit benehmen sich die Rehböcke mit ihrem überschäumenden Hormonhaushalt wie Hooligans. Sie würden enorme Waldschäden anrichten, wenn man sie nicht gezielt dezimierte, um das ökologische Gleichgewicht zu wahren. Geschossen werden im Frühling nur männliche Tiere, im Mai nennt man sie Maiböcke, später dann Sommerböcke. Der Jagdaufseher legt fest, wie viele und welche Tiere pro Revier in dieser Zeit erlegt werden dürfen. Die Jäger kennen meist die Lebensgewohnheiten der einzelnen Tiere in ihrem Revier und entscheiden, welche diese Saison erlegt werden. Genau genommen sind unsere Rehe keine Wildtiere, sondern frei lebende Zuchttiere, die unter Bedingungen leben, von denen andere Zuchttiere wie Rinder oder Schweine nur träumen können. Das Fleisch des Sommerbocks ist besser als das des Herbstwildes. Es ist vollfleischiger und zarter, weil die Tiere ausgeruht

und nicht durch die Treibjagd gestresst sind. Fleisch von gestressten Tieren ist immer zäher. Ein Qualitätsfaktor, der mehr und mehr auch bei der Rinder- und Schweinezucht Beachtung findet. Den Sommerbock bekommt man nicht beim Grossverteiler. Die meisten Jäger arbeiten mit Metzgereien auf dem Land zusammen. Am besten erkundigt man sich bei den Jagdgesellschaften in der Umgebung oder bei Metzgereien in ländlichen Gebieten. Das folgende Rezept kann man auch im Herbst zubereiten. Wahlweise auch mit einem dünnen Rindsfiletschnitzel. SOMMERBOCKSCHNITZEL MIT WACHOLDERBRÖSEL Pro Person in einem Teller etwa 1 EL grobes Paniermehl mit 1 TL fein gehackten Wacholderbeeren und etwas abgeriebener Orangenschale mischen. Am besten eignen sich Orangen aus biologischem Anbau.

120 g dünne Rehschnitzel leicht salzen und in Mehl wenden. Ein Ei verquirlen, die Schnitzel darin wenden und anschliessend in die Wacholderbrösel legen. Diese beidseitig kräftig andrücken.

In einer grossen Bratpfanne mit viel Butter bei milder Hitze in kleinen Portionen ausbraten, damit sie rundherum von Butter umgeben sind und schnell knusprig werden. Dazu passt ein lauwarmer Kartoffelsalat.

Peter Brunner ist Mitinhaber des Restaurants Kaiser’s Reblaube in der Altstadt von Zürich. Der gebürtige Zürcher ist Koch aus Leidenschaft und hat in den vergangenen Jahren mehrere Kochbücher verfasst.

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AESCHBACHERS WELT illustration: christophe badoux

Kunst macht krank Der Schilderwald wird dichter und dichter. Selbst Kunst wird zur Bedrohung, meint Kurt Aeschbacher. Wer es noch nicht gemerkt hat: Die Folgen der

Globalisierung bekommt nicht nur die Wirtschaft zu spüren. Der Euro mag in der Krise stecken, Staaten die Pleite drohen, die Banken mögen am Boden liegen. Aber wenigstens sorgen Verbote für eine gewisse gesellschaftliche Stabilität. Sie haben weltweit Hochkonjunktur. Immerhin etwas, an das man sich in einer Welt halten kann, in der nichts mehr ist, wie es vor kurzem noch war. In Sachen Paffen herrscht ja schon länger friedlicher internationaler Konsens: Als Raucher

bringt man nicht nur sich selbst, sondern auch seine nähere und weitere Umgebung systematisch um. Wer mit einem grossen Chlapf durch die Strassen kurvt, ist ein Umweltsünder, dem sein Spielzeug subito verboten gehört. Wer sich nicht mindestens zweimal wöchentlich an Fitnessgeräten abmüht (und in Folge laut BMI anderthalb Kilo zu viel am Bauch oder an den Oberschenkeln herumträgt), wird wohl bald mit höheren Krankenkassenprämien bestraft. Nun ängstigt mich das drohende Kunstverbot. Ja, meine Lieben, ihr habt richtig gelesen. Gaugin ist gefährlich, lebensgefährlich. Van Goghs «Sonnenblumen» sind pures Gift, Monets «Seerosen» Krebs erregend, Raffaels «sixtinische Madonna» schwer pigmentstaubverdächtig und damit ein Fall für die Lungenliga. Kurz: Kunst macht krank. Giftiges Chrom für kraftvolles Gelb der Sonnenblumen, Cadmiumsulfit bei Gaugins Schönen von Tahiti, Arsen im Seerosenteich, die ganze Kunst ist voller fötusschädigender Stoffe. Nun ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis eifrige Politiker und Umweltaktivisten diese galoppierenden Gefahren für

Mensch und Umwelt zu bannen versuchen. Ich warte auf das Verbot von Museumsbesuchen für Schwangere. Bald werden Museumswärter nur noch mit Gesichtsmasken zur Arbeit dürfen. Und zweifellos gruppieren amerikanische Anwälte jetzt schon ihre Sammelklagen von geschädigten Museumsbesuchern. Es gibt unbestätigte Gerüchte, wonach die Lungenliga eine Volksinitiative plant, um pigmentstaubverdächtige Kunst im öffentlichen Raum zu verbieten. Darum nehme ich jetzt jede Gelegenheit wahr, Ausstellungen zu besuchen. Solange ich die gefährlichen Meisterwerke nicht ablecke oder küsse, scheint mir das Gesundheitsrisiko vertretbar. Schwieriger wird es mit den Helgen, die bei mir zuhause hängen. Mit diesen neuen Gifterkenntnissen wird meine Wohnung sozusagen zur Sondermüll-Kampfzone, und ich muss damit rechnen, dass ich Besucher in Zukunft nur noch empfangen darf, wenn sie eine Verzichtserklärung unterschreiben und ausdrücklich auf Schadenersatzforderungen verzichten.

Kurt Aeschbacher prägt seit 25 Jahren das Schweizer TV-Geschehen, in der Vergangenheit unter anderem mit Sendungen wie «Grell Pastell» und «Casa Nostra». Der Berner moderiert den TV-Talk «Aeschbacher». Dieser wird in seinem Club, der «Labor Bar» in Zürich, aufgezeichnet.

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