Keiner liebt mich: Basiswissen attraktiv vermitteln

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Grundlagen sind bei Studierenden nicht sonderlich beliebt und als Dozent müht man sich oft vergeblich, ihnen das wertvolle Basiswissen schmackhaft zu machen. Manchmal gelingt es einem jedoch, die trockene Materie rüber zu bringen und man merkt, dass man die Studierenden erreicht hat. Der vorliegende Band stellt diese kleinen Erfolge der Lehre in den Grundlagenfächern vor. Er enthält die praxisnahen Beiträge von Lehrenden der Hochschule Niederrhein, die sie im Rahmen der Workshopreihe Qualität der Lehre vorgestellt haben.

Stefan Brall und Michael Lent (Hrsg.)

Keiner liebt mich Basiswissen attraktiv vermitteln


Eine VerÜffentlichung zur Workshopreihe Qualität der Lehre an der Hochschule Niederrhein


Stefan Brall und Michael Lent (Hrsg.)

Keiner liebt mich – Basiswissen attraktiv vermitteln


Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN: 978-3-842-33090-0 Stefan Brall und Michael Lent (Hrsg.) Keiner liebt mich – Basiswissen attraktiv vermitteln Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Autors ist unzulässig. © 2010 Hochschule Niederrhein Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt


Inhalt Stefan Brall und Michael Lent Verlockende Grundlagen............................................................................... 7 Steffen Goebbels Herausforderung Mathematikunterricht im Bachelor-Studiengang Elektrotechnik ......................................................... 11 Ulrich Tipp Einsatz des Computeralgebrasystems SAGE in der mathematischen Grundlagenausbildung für Informatikstudenten ............... 17 Matthias Brandt Chemie für Maschinenbauer – ein ungeliebtes Fach .................................. 25 Christof Menzel Sechsmal Nein zu Prinzipien der Mathematik-Didaktik der Hochschulen ... 29 Dorothee Frings Rehabilitationsrecht - biographisch gesehen.............................................. 37 Werner Heister Die Fallstudienmethode „Klaus Höhnerbach“.............................................. 45 5


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Verlockende Grundlagen Stefan Brall, Michael Lent

Grundlagenveranstaltungen bestimmen in der Regel den Alltag von Studierenden in den ersten Semestern an der Hochschule und legen damit den Grundstock für ein erfolgreiches Studium. Oft werden sie als quälender Start in eine bessere Zukunft im fortgeschrittenen Studienverlauf erlebt und zuweilen auch so von den Dozierenden selbst angepriesen. Die Kritik an den Grundlagenveranstaltungen verdichtet sich zumeist auf die verwendete Lehrform der Vorlesung, in der eine Lehrperson den Studierenden Wissen vermitteln möchte, oder manchmal auch vermitteln muss. Diese Vermittlungsbemühungen werden von den Studierenden nicht selten als trocken, praxisfern und ohne jeglichen Mehrwert zu den Lehrbüchern und Skripten erlebt. Die Kritik bedeutet jedoch nicht zwingend, dass auf die Vorlesung komplett verzichtet werden muss, wie es zuweilen gefordert wird. Dies ist auch vielfach nicht möglich, da ein Hauptgrund für den Einsatz der Vorlesung unter anderem die beschränkten Ressourcen sind, die an der Hochschule ein Lernen in kleinen Gruppen nur partiell ermöglichen. Gabi Reinmann geht sogar soweit die Frage aufzuwerfen, ob sich Hochschulen, vor dem Hintergrund der steigenden Studierendenzahlen, überhaupt noch entscheiden können die Vorlesung als Lernform abzuschaffen, oder ob sie zumindest derzeit nicht die einzig realisierbare Form zur Bewältigung des Zustroms von Studierenden ist (Reinmann 2009). Vorlesungen können jedoch auch jenseits eines monologisierenden Vortrags einen wertvollen Beitrag zum Lernen der Studierenden liefern. In diesem Sinne sollen sie für die Studierenden attraktiv, anziehend, anlockend, ansprechend, begehrenswert, faszinierend, fesselnd, reizvoll, unwiderstehlich, verführerisch, hinreißend oder verlockend sein. Dies allerdings nicht durch das mundgerechte Vorkauen der Inhalte oder möglichst einfacher Prüfungsanforderungen, sondern durch das abwechslungsreiche Wecken von Interesse am Thema. Hierfür ist es jedoch notwendig, sich als Lehrender zunächst von der Vorstellung zu lösen, Studierenden mit der monologisierenden Vorlesung das notwendige Wissen in hinreichender Form vermitteln zu können. Nur wenn ich als Lehrender meine Rolle als Lernbegleiter sehe, 7


dann wird auch die Vorlesung zu einem Instrument, mit dem ich das Lernen der Studierenden anregen kann. Da stellt sich dann die zentrale Frage, welchen Mehrwert meine Veranstaltung den Studierenden bringt: Wie kann ich Lehrbuchwissen erläutern und vertiefen? Wie kann ich den Lernenden Orientierung im Quellendickicht geben? Wie kann ich theoretisches Wissen praktisch veranschaulichen und die Anwendung im Berufsalltag verdeutlichen? … Ausgehend von den zu erlangenden Kompetenzen sollte sich der Aufbau der Veranstaltung so gestalten, dass diese an ihrem Ende auch tatsächlich erreicht werden können. Diese Überlegungen können dazu führen, dass die Vorlesung die Methode der Wahl ist, um diese Lernanforderungen zu bewältigen. Sie können aber auch zu einem gegenteiligen Ergebnis führen. Dann muss man als Lehrender kreativ den zur Verfügung stehenden Gestaltungsraum nutzen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass man an den Stellen, wo es möglich ist, gänzlich auf die Vorlesung verzichtet, und diese durch projektorientiertes oder forschendes Lernen ersetzt, dass man, wie Daniel Pink (2010) von einem Lehrer berichtet, die Studierenden die aufgezeichneten Lehrinhalte zu Hause betrachten bzw. die Lehrbuchinhalte lesen lässt, um so den Anteil der Präsenzzeiten zur Übung, Veranschaulichung und Vertiefung zu erhöhen. Dies bietet Raum, um auch auf die verschiedenen Voraussetzungen der Studierenden eingehen zu können, dass man das Vorlesen unterbricht und durch Nachfragen und kleine Interaktionsmethoden die Studierenden aktiviert oder dass man durch den Einsatz von Fallbeispielen und Demonstrationen auch theoretische Inhalte praxisnah vermitteln kann. Eine Lehre, welche die Kompetenzerfordernisse des angestrebten Abschlusses in den Mittelpunkt stellt, ist automatisch gefordert die Lehre hierauf auszurichten. Sie verfällt so schnell auch nicht in die klassische Vollständigkeitsfalle. Die Orientierung an den zu erlangenden Kompetenzen ist aber gerade in den Grundlagen eine besondere Herausforderung. Nicht immer ist der praktische Nutzen für den Studierenden direkt erkennbar. Hier sind die Dozierenden gefordert, die Praxis in die Veranstaltung zu holen. Das ein Weniger an Inhalt und ein Mehr an praktischer Anwendung zunächst auch ein Mehraufwand für Lehrende bedeutet ist kein Geheimnis. Aber es ist ein Mehraufwand, der sich lohnt und von den Studierenden honoriert wird.

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Der vorliegende Sammelband dokumentiert Beispiele von Professorinnen und Professoren an der Hochschule Niederrhein. Sie haben in ganz unterschiedlicher Weise die Herausforderung von Grundlagenveranstaltungen erlebt und für ihr Fachgebiet spezifische Modelle entwickelt. Dies beginnt bei der Beachtung unterschiedlicher Voraussetzungen der Studierenden (Goebbels) und es setzt sich fort mit der Integration von Elementen zur Veranschaulichung (Tipp) sowie der Interaktion (Brandt). Zuweilen kommt man auch nicht umhin, eine Anpassung seines Stoffkanons an die notwendigen Kompetenzen eines Studiengangs vorzunehmen und dabei ein Stück seiner fachlichen Ansprüche der Realität anzupassen (Menzel). Die praktische Veranschaulichung bietet auch die Arbeit mit Fallbeispielen. Diese können für die Studierenden eine anschauliche und nachvollziehbare Verbindung zwischen den fachlichen Inhalten und ihrem Studienschwerpunkt schaffen (Frings) indem Sie auch fachferne Inhalte mit dem späteren Berufsalltag verbinden (Heister). Die exemplarisch vorgestellten Beispiele zeigen nur einen minimalen Ausschnitt der Bandbreite von Gestaltungsmöglichkeiten guter Lehre in den Grundlagenfächern. Sie zeigen aber, dass trotz der Vielfalt der Herausforderungen eine kontinuierliche Verbesserung, hin zu einer attraktiven Veranstaltung, möglich ist.

Literatur Pink, D. (2010) Flip-thinking - the new buzz word sweeping the US. Telegraph vom 12 Sep 2010 http://www.telegraph.co.uk/finance/ businessclub/7996379/Daniel-Pinks-Think-Tank-Flip-thinking-thenew-buzz-word-sweeping-the-US.html Reinmann, G. (2009) Auslaufmodell Vorlesung oder Chance einer Renaissance? http://medienpaedagogik.phil.uni-augsburg.de/denkarium/ ?p=696

Dr. Stefan Brall ist Mitarbeiter der Koordinierungsstelle Evaluation und hochschulspezifische Weiterbildung der Hochschule Niederrhein und Mitglied des Cominovo Beraternetzwerks. Er schafft u.a. Räume für den fachübergreifenden Austausch von Lehrkonzepten sowie für die individuelle hochschuldidaktische Entwicklung und er berät Dozierende bei der innovativen Gestaltung ihrer Lehre. Prof. Dr. Michael Lent ist seit 1993 Professor für Thermische Verfahrenstechnik und Verfahrensentwicklung an der Hochschule Niederrhein. Er war von 2002-2006 Dekan am Fachbereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik. Seit 2006 war er zunächst als Prorektor für Lehre, Studium und Studienreform und heute als Vizepräsident für Lehre und Studium für die Gestaltung von Lehren und Lernen an der Hochschule Niederrhein verantwortlich.

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Herausforderung Mathematikunterricht im Bachelor-Studiengang Elektrotechnik Steffen Goebbels

In diesem kurzen Aufsatz soll von den Erfahrungen mit Mathematik-Kursen für Bachelor-Studierende der Elektrotechnik berichtet werden.

Der Aufbau der Veranstaltung Die Module Mathematik 1 und 2 bestehen jeweils aus zwei zweistündigen Vorlesungen und einer zweistündigen Übung in Kleingruppen. Das Modul Mathematik 3 hat einen geringeren Vorlesungs- und Übungsanteil, der aber durch ein Praktikum ergänzt wird, bei dem einfache mathematische Verfahren mit dem Mathematikprogramm Matlab, welches in der Ingenieurpraxis weit verbreitet ist, programmiert werden. Die Vorlesungen sind als Frontalunterricht mit interaktiven Elementen, wie Fragen oder eingestreute kleine Aufgaben, gestaltet. Da diese Vorlesungen im Stundenplan am frühen Vormittag liegen, sind aufgrund verschiedenster Gründe einige Studierende deutlich früher da, während andere regelmäßig verspätet kommen. Die frühzeitig Anwesenden haben vor Beginn der Vorlesung die Möglichkeit einen Kurzfilm zu sehen, der einen lockeren Bezug zum aktuellen Thema hat. Die Filme sind überwiegend englischsprachig, so dass über die Mathematik hinaus auch das Sprachverstehen gefördert wird. Die Vorlesungen beginnen mit einer kurzen Wiederholung der letzten Stunde in Form einer Folienpräsentation, wohingegen die neuen Inhalte ausschließlich an den Tafeln entwickelt werden. Die Projektionsfläche wird nur genutzt, um aufwändigere Grafiken zu zeigen. Die Visualisierung geschieht hierbei mit Programmen wie Mathcad und Matlab, zu denen die Studierenden im ersten Semester in einem Computerkurs eine Lizenz erhalten. Die Entwicklung des Stoffes an der Tafel ermöglicht den Teilnehmenden nach eigenen Vorlieben ein Mitschreiben oder alternativ ein Markieren der entsprechenden Inhalte im Skript. Es hat darüber hinaus den Effekt, dass es das Tempo des Dozenten etwas verringert.

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Mathematik ist in meinen Veranstaltungen ein Werkzeug für die Elektrotechnik und nicht Selbstzweck. Daher soll den Studierenden zur Motivation verdeutlicht werden, was man in der Elektrotechnik mit dem neuen Wissen erreichen kann. Ausgangspunkt mathematischen Vorgehens sollte ein zu lösendes Problem sein, aus dem das mathematische Verständnis entwickelt wird. Denn ein vertieftes Verständnis kann anhand spezieller Situationen besser gewonnen werden, als über möglichst allgemein formulierte Sätze. Besonders wird daher auf das Aufstellen und Lösen von Gleichungssystemen zur Berechnung von Strömen und Spannungen in einem elektrischen Netzwerk eingegangen. Komplexe Zahlen werden darüber motiviert, dass das zum Teil bekannte Rechnen mit Zeigerdiagrammen sehr aufwändig ist und die Wechselstromrechnung durch komplexe Zahlen wesentlich einfacher wird. Allerdings ist dazu ein Vorgriff auf die Inhalte der ElektrotechnikVorlesung im zweiten Semester erforderlich. Differentialgleichungen werden zur Berechnung von Einschwingzuständen genutzt, und für die FourierAnalysis werden Anwendungen zu Wechselströmen sowie aus der Nachrichten- und Regelungstechnik diskutiert. Auch dies kann nicht ohne Vorgriffe auf Inhalte höherer Semester geschehen, da die Platzierung der Mathematik in den ersten drei Semestern zwangsläufig auch ein Lernen auf Vorrat für die höheren Semester umfassen muss. Der Frontalunterricht in der Vorlesung stellt sicher, dass der geplante Stoffumfang auch tatsächlich behandelt wird. Während die Vorlesung zumindest versucht eine Vorstellung davon zu vermitteln, warum die Rechenverfahren funktionieren, konzentrieren sich die Übungen nur auf die Anwendung der Techniken. Dazu sind die Übungen mit der Vorlesung synchronisiert. Die Übungsblätter werden eine Woche vor der Übung verteilt, so dass die Aufgaben bereits zu Hause bearbeitet werden können. Die Übungen sind Pflichtveranstaltungen von denen sich jedoch die Studierenden befreien können, wenn sie die Übung selbstständig zu Hause rechnen und vor der Veranstaltung in einen Briefkasten am Büro einwerfen. Dieses Verfahren, von dem auch gelegentlich Gebrauch gemacht wird, ist ein zusätzlicher Anreiz für die guten Studierenden, die sich ansonsten in der Übung gelangweilt fühlen. Dagegen fand die Einladung, Zusatzaufgaben zur Korrektur abzugeben, überhaupt keine Resonanz. Vermutlich fehlte hier eine entsprechende Belohnung. In den Übungen werden die Inhalte der Vorlesung soweit wiederholt, wie es zum Rechnen der Aufgaben nötig ist. Zusammen mit dem verteilten Skript führt das (leider) dazu, dass nach einigen Wochen nur noch die Hälfte der 12


Studierenden die Vorlesung besucht. Ohne eine Wiederholung der Inhalte wären aber die Übungsaufgaben für viele Studierende nicht bearbeitbar. Trotz der in den ECTS-Punkten berücksichtigten Nacharbeit ist eine hinreichende Vorbereitung eher die Ausnahme. Das liegt auch an der hohen Stundenbelastung im Semester. Mathematik ist eine Tätigkeit, welche man nicht durch passives Konsumieren lernen kann, sondern man muss selbst aktiv Mathematik betreiben. Daher bieten die Übungen Gelegenheit zum Selbstrechnen. Die Bearbeitungszeiten zur Lösung einer Aufgabe variieren aber bei den einzelnen Studierenden extrem. Während einige eine Aufgabe bereits gelöst haben, haben andere noch nicht mit der Bearbeitung begonnen. Hier gilt es, als Lehrender einen Kompromiss zu finden und nach einer adäquaten Zeit zum Vorrechnen der Musterlösung überzugehen. Im ersten Semester findet kurz vor Weihnachten eine Probeklausur statt, die unter realistischen Bedingungen geschrieben wird. Um die Korrekturarbeit zu vermeiden wird anschließend eine Musterlösung verteilt anhand der sich die Studierenden selbst bewerten können. Die abschließenden Klausuren greifen die Aufgabentypen der Übungen wieder auf. Zur selbstständigen Vorbereitung auf die Prüfungen sind die Musterlösungen alter Klausuren im Internet verfügbar. Damit sind frühzeitig die Prüfungsanforderungen bekannt. Bei den Klausuren sind das Skript und die persönlichen Aufzeichnungen zugelassen, da es uns vorrangig auf die Fähigkeit ankommt, Mathematik praktisch anzuwenden und Studierende auch außerhalb von Prüfungen Fachwissen nachschlagen können. Technische Hilfsmittel sind in den Klausuren allerdings nicht gestattet, da sonst einfache Aufgabentypen, wie z.B. Differenzieren und Integrieren, nicht möglich wären.

Unterschiedliche Startbedingungen Unsere Bachelor-Studierenden im ersten Semester (96 im WS 09/10) haben etwa zur Hälfte ein Abitur (mit und ohne Mathematik-Leistungskurs) und zur anderen Hälfte eine betriebliche Ausbildung. Neben dem BachelorVollzeitstudiengang beginnen etwa 20 Studierende eine kooperative Ingenieursausbildung (KIA), die in den ersten vier Semestern aus einem Teilzeitstudium mit paralleler betrieblicher Ausbildung besteht. Diese Studierenden haben Abitur und mussten sich bereits im Bewerbungsverfahren ihres Ausbildungsbetriebs beweisen. Die Mathematikkenntnisse sind daher auf einem sehr unterschiedlichen Niveau, das sich auch in den Klausuren zur Mathematik 1 über eine bimoda-

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le Verteilung der Noten ausdrückt. Für den Unterricht besteht damit die Herausforderung, Studierende mit ausgeprägten Vorkenntnissen nicht zu unterfordern und gleichzeitig einfache Rechenfertigkeiten zu vermitteln.

Maßnahmen für Studierende mit wenig Vorkenntnissen Um das Niveau der Einsteiger bereits zu Beginn des Semesters etwas anzugleichen, bietet der Fachbereich in der vorlesungsfreien Zeit einen Vorkurs Mathematik an, in dem der Schulstoff bis zur Klasse 10 wiederholt wird. Fehler bei der Bruchrechnung sowie falsche Äquivalenzumformungen sind die häufigsten Fehler in der ersten Klausur. Der von studentischen Tutoren durchgeführte einwöchige Kurs kann diese in vielen Jahren Schulzeit aufgebauten Schwächen nicht vollständig eliminieren, aber er kann den Teilnehmern Wege zum Selbststudium aufzeigen. Zu Beginn des Semesters bieten wir eine Einführungswoche Mathematik an. Im Vergleich zum Vorkurs sind die Themen deutlich anspruchsvoller und decken mit vier bis fünf Vorlesungen und zugehörigen Übungen den Oberstufenstoff ab. Diese Themen werden später in den regulären Vorlesungen noch einmal systematisch behandelt. Wir haben die Hoffnung, dass die Studierenden dann aber teilweise bekannte Inhalte vorfinden und so einen leichteren Einstieg haben.

Maßnahmen für Studierende mit wenig bis durchschnittlichen Vorkenntnissen Die Studierenden werden während der Vorlesungszeit und vor Klausuren von studentischen Tutoren unterstützt. Auch wenn die Tür unseres Büros sehr oft offen steht und Fragen auch außerhalb der Sprechstunden gestellt werden können, ist die Hemmschwelle Kommilitonen zu fragen wesentlich geringer. Aufgrund der Studiengebühren konnten wir mit mindestens vier Tutoren zwei Veranstaltungen pro Woche anbieten, in denen alte Aufgaben vorgerechnet und Fragen beantwortet wurden. Auch wenn es keine formale Evaluierung der Tutorien gab, so bekamen wir regelmäßig positive Rückmeldungen der 10-20 Teilnehmer. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass insbesondere auch sehr gute Studierende die Tutorien regelmäßig besuchen, während einige schwache das Angebot nicht nutzen.

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Die guten Studierenden profitieren dabei aber zusätzlich dadurch, dass sie Mitstudierenden die Zusammenhänge erklären und so die Inhalte selbst noch besser verstehen.

Maßnahmen für Studierende mit guten Vorkenntnissen Die Lehrveranstaltung orientiert sich am Durchschnitt der Studierenden. Um zusätzliche Anreize für überdurchschnittliche Studierende zu schaffen, gibt es anspruchsvollere Zusatzaufgaben, die in den Übungen nicht gerechnet, deren Lösung aber nach der Bearbeitungszeit im Internet publiziert werden. Zur Vorlesung gibt es ein gedrucktes Skript, dessen Aufbau mit der Vorlesungsmitschrift übereinstimmt, daneben aber zusätzliche Anwendungsbeispiele aus der Elektrotechnik enthält und insbesondere auf Beweise der Sätze eingeht. Beweise werden in der Vorlesung nur dann angesprochen, wenn sie kurz sind und beim anschaulichen Verständnis von Aussagen, z.B. beim Fundamentalsatz der Integralrechnung, helfen. Die Darstellung von Beweisen und weiterer Sätze ist eine Einladung an die Studierenden mehr als das Nötigste zu machen.

Resümee Die gelebte Unterrichtsform der vorgestellten Grundlagenveranstaltungen hat Stärken und Schwächen. Positiv sind die Rückmeldungen von Studierenden höherer Semester, die die Inhalte z.B. in Regelungstechnik praktisch einsetzen konnten. In gewisser Weise funktioniert also das Lernen auf Vorrat. Dennoch könnte man über eine Aufteilung der fortgeschritteneren Inhalte auf die Elektrotechnik-Veranstaltungen nachdenken, in denen sie benötigt werden. So könnten zum Beispiel von Mathematikern gehaltene Vorlesungstermine in die Veranstaltungen der höheren Semester eingeflochten werden. Konkret würde sich das für die Laplace-Transformation im vierten Semester und für die Wahrscheinlichkeitsrechnung anbieten. Auch die Vektoranalysis könnte im Rahmen der Behandlung der elektrischen Feldtheorie (ggf. im Masterstudium) behandelt werden. So könnten dann auch Kurven- und Oberflächenintegrale diskutiert werden, für die jetzt keine Zeit vorhanden ist. Eine große Schwäche des Klausursystems besteht darin, dass gezielt die Aufgaben der alten Tests gelernt werden ohne diese zu verstehen. Aufgabentypen, die über das bloße Rechnen auf Verständnis und Zusammenhänge zielen, haben sich als nicht praktikabel erwiesen. Trotz der Beschränkung auf das Wesentliche mag das auch an der großen Stofffülle liegen, die in nur 15


drei Semestern vermittelt werden soll. Auch das spricht für eine Verteilung von Inhalten auf höhere Semester.

Prof. Dr. Steffen Goebbels ist am Fachbereich Elektrotechnik und Informatik der Hochschule Niederrhein in Krefeld tätig. Zuvor arbeitete er als zertifizierter IT-Architekt bei IBM Business Global Business Services. Neben Ingenieur-Mathematik sind Software-Engineering und Qualitätsmanagement Arbeitsschwerpunkte.

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Einsatz des Computeralgebrasystems SAGE in der mathematischen Grundlagenausbildung für Informatikstudenten Ulrich Tipp

Die Mathematikausbildung in den ersten Semestern eines Informatikstudiums stellt für Dozenten eine besondere Herausforderung dar. Zum einen sind Studierende - und nicht nur Studierende - der Meinung, Mathematik wäre überflüssig für ihr Studium. Diese Meinung führt zu einer sehr geringen Motivation; die Studierenden investieren ihre Kraft und Zeit lieber in Informatikthemen und Programmierung als in das Fach Mathematik. Zum anderen sind die Vorkenntnisse häufig sehr unterschiedlich, aber auf einem insgesamt sehr niedrigen Niveau. Der Fachbereich Informatik der Hochschule Niederrhein beteiligt sich seit drei Jahren regelmäßig an einem „Einstufungstest Mathematik“ des Arbeitskreises Ingenieurmathematik, der Kenntnisse der Schulmathematik anhand von Aufgaben ermittelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Aufgabenbereichen der Mittelstufe (Maßeinheiten umrechnen, Potenzgesetze, Strahlensatz, ...). Diese Aufgaben werden aber besonders schlecht bearbeitet. Die Durchschnittspunktzahl bei diesem Test lag kaum über 3 bei einer Maximalpunktzahl von 10. Auch der Landesdurchschnitt lag in den Jahren 2002-2010, in denen der Test durchgeführt wurde, nie über 4 Punkten (Knospe 2008). Gerade Informatikern fallen algorithmische Lösungen in der Mathematik leichter, als die rein durch abstrakte induktive Schlussweise gefundenen Erkenntnisse. Abstraktionen, die über das bloße Ersetzen konkreter Zahlen durch Variablen hinausgehen, können nur von wenigen Studierenden nachvollzogen werden. Es liegt daher nahe, in der Mathematikausbildung für Informatiker den Computer von Anfang an mit einzubeziehen. In letzter Zeit sind verschiedene Lehrbücher erschienen, die genau diesem Aspekt Rechnung tragen. So benutzt das Buch „Mathematik für Informatiker“ von G. und S. Teschl (2007) Beispiele, die mit Hilfe des Computeralgebrasystems Mathematica erstellt wurden. Sie erscheinen jeweils am Ende eines Kapitels und sind damit losgelöst vom mathematischen Text. Im Vorwort zu dem

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Buch heißt es „..., dass die meisten Studenten es bevorzugen, wenn Stoff und Computeralgebra getrennt sind, um nicht zwei neue Dinge auf einmal verstehen zu müssen.“ Matthias Schubert (2009) geht in seinem Lehrbuch „Mathematik für Informatiker“ noch einen Schritt weiter und ergänzt sämtliche mathematische Algorithmen durch C/C++-Programmquelltexte. Dies ist auch aus meiner Erfahrung hilfreich für die Studierenden, die im ersten Semester bereits programmieren können und günstigstenfalls sogar die Programmiersprache C/C++ bereits kennen. Aber auch für die anderen Studierenden ist es motivationsfördernd zu sehen, dass die Mathematik mit der Programmierung, die sie parallel in den ersten Semestern lernen, in Zusammenhang steht.

Computeralgebrasysteme (CAS) Was ist ein Computeralgebrasystem? Hauptkennzeichen eines CAS ist die Fähigkeit, symbolische Rechnungen durchzuführen. Mit anderen Worten kann ein solches System nicht nur mit Zahlen rechnen, sondern mit vielen unterschiedlichen mathematischen Objekten, wie Gruppen, Polynomen, Mengen, etc. Dabei gibt es einerseits Systeme, die einen sehr großen Anwendungsbereich abdecken, wie z. B. Maple oder Mathematica, sowie andererseits speziellen Systeme für einzelne mathematische Disziplinen, wie z.B. Singular, Macaulay2 für Kommutative Algebra, KANT und Pari für Algebraische Zahlentheorie, R für statistische Berechnungen. Die universelleren CAS bieten in der Regel auch Möglichkeiten, zwei- und dreidimensionale Funktionsgraphen darzustellen. Sie sind daher in vielfältiger Weise in der Lehre einsetzbar. Das Computeralgebrasystem, welches ich verwende und welches vielleicht noch nicht so bekannt ist, heißt SAGE. Es ist ein OpenSource-Projekt lizensiert unter der GPL, die die kostenlose Benutzung und auch Veränderung des Quelltextes ermöglicht. Dies bietet für die Studierenden zwei Vorteile. Zum einen sparen sie Lizenzkosten, zum anderen haben sie als Informatiker die Möglichkeit an der Gestaltung eventuell selbst mitzuwirken. SAGE benutzt dabei für die einzelnen Funktionen andere spezielle Open-SourceSoftwarelösungen, wie die bereits erwähnten Programme Pari, R, Singluar. SAGE kann in der Lehre für verschiedene Zwecke eingesetzt werden: Veranschaulichung, insbesondere der geometrischen Objekte, Dynamisches Skript, welches vom Studierenden verändert werden kann, 18


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Erzeugung sinnvoller Übungsaufgaben mit Kontrolle des Ergebnisses, Erlernen eines mächtigen Werkzeugs zur Computer-unterstützten Problemlösung.

Für die ersten drei Aspekte müssen die Studierenden nur die Bedienung erlernen. Der vierte Punkt bedeutet eine detaillierte Einarbeitung in die Strukturen des Systems und ggf. in eine proprietäre Scriptsprache. Dieser erhebliche Aufwand kann vom Durchschnittsstudierenden im Rahmen der normalen Mathematikveranstaltung nicht geleistet werden. Ich realisiere in meiner Veranstaltung daher nur die ersten drei Aspekte.

Veranschaulichung Typische Themen der Mathematikausbildung für Informatiker sind „Lineare Algebra“ mit ihrer Anwendung als „Analytische Geometrie“ sowie Grundzüge der Analysis. In beiden Bereichen kann das Verständnis durch Abbildungen erheblich verbessert werden. Die Möglichkeit, im CAS dreidimensionale Darstellungen mit Hilfe der Computermaus im Raum zu drehen, erzeugt eine gute räumliche Vorstellung dieser Gebilde. SAGE kann auch dreidimensionale Darstellungen für Rot/Grün- bzw. Rot/Cyan-Brillen erstellen. In Vorlesungen ist dies aufgrund der schlechten Farbqualität der meisten Beamer jedoch nicht einsetzbar.

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Dynamisches Skript Das Verständnis abstrakter mathematischer Ideen wird durch konkrete Zahlenbeispiele sehr erleichtert. Manche Studierende sind aber mit der Abstraktion der konkreten Zahlen überfordert und erkennen bei Veränderung der Zahlen die gemeinsame Struktur nicht. Um diesen Abstraktionsprozess zu unterstützen, wähle ich die Form eines „dynamischen Skripts“. D.h. die mathematische Idee wird an einem konkreten Zahlenbeispiel erläutert, der Studierende kann die Zahlen aber ändern, so dass anschließend die Erklärung mit diesen geänderten Zahlen dargestellt wird. Die folgenden beiden Screenshots sollen dies verdeutlichen.

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Vom Studierenden geändertes Skript:

Für die Erstellung eines Skripts ist noch zu erwähnen, dass SAGE mit dem Textsatzsystem LaTeX auf zwei verschiedene Arten zusammen arbeiten kann. Einerseits ist es möglich, LaTeX in den Browserdarstellungen der Worksheets zu benutzen. Andererseits kann SAGE aber auch aus einem LaTeX-File heraus aufgerufen werden.

Übungsaufgaben Die dynamische Veränderung vorgefertigter Worksheets ermöglicht es, den Studierenden Übungsaufgaben leicht selbst zu erzeugen. Das Programm liefert ihm jeweils eine Musterlösung. Natürlich lässt sich dies nur auf rein 21


algorithmische Aufgaben anwenden. Als Beispiel gebe ich hier die Berechnung der ganzzahligen Linearkombination des größten gemeinsamen Teilers mit Hilfe des Euklidschen Algorithmus.

Fazit Durch Nutzung des Computeralgebrasystems SAGE konnte ich zum einen die Motivation der Studierenden fördern. Andererseits hat der Gebrauch des Systems zu einem tieferen Verständnis für die Abstraktion in der Mathematik beigetragen. Die typischen Fehler, die durch reines Assoziationslernen und begreifen entstehen, können durch die geschilderten Einsatzmöglichkeiten des CAS von den Studierenden vermieden werden. Durch das selbständige Erzeugen von Übungsaufgaben erhalten die Studierenden die Möglichkeit, umfangreiches Material zur Klausurvorbereitung zu generieren. Dadurch erkennen sie, wie schematisch entsprechende Aufgaben und ihre Lösungen sind und können sie anschließend deutlich erfolgreicher bearbeiten.

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Literatur Knospe, H. (2008) Der Mathematik-Eingangstest an Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen, Proceedings des 6. Workshops Mathematik für Ingenieure, Wismarer Frege-Reihe, Heft 03/2008, S. 6-11. http://www.nt.fh-koeln.de/fachgebiete/mathe/knospe/ eingangstest_pre.pdf Teschl, G.; Teschl, S. (2007) Mathematik für Informatiker. Berlin: Springer. Schubert, M. (2009) Mathematik für Informatiker. Wiesbaden: Vieweg + Teubner.

Prof. Dr. Ulrich Tipp ist seit 2006 Professor für Mathematik und Informatik am Fachbereich 03 – Elektrotechnik und Informatik. Er ist verantwortlich für die Mathematik-Grundlagenvorlesung im Bachelorstudiengang Informatik.

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Chemie für Maschinenbauer – ein ungeliebtes Fach Matthias Brandt

Chemie ist für die Maschinenbau- und Mechatronik-Studierenden sicherlich ein absolutes Nebenfach, und für die meisten von ihnen obendrein ein ungeliebtes, wenn nicht gar gefürchtetes Fach. Und auch viele unserer Verfahrenstechnik-Studierenden haben sich nicht wegen, sondern trotz des chemischen Anteils für ihren Studiengang entschieden. Ich habe diese Herausforderung gerne an- und mir vorgenommen, möglichst vielen unserer Studierenden zu zeigen, … ...dass man vor Chemie keine Angst zu haben braucht, ...dass Chemie gar nicht so schwer zu verstehen ist, ...dass man es im Alltag immer wieder mit Chemie zu tun hat, ...und dass Chemie vielleicht sogar Spaß machen kann (zumindest manchmal)! Ich bin der Meinung, dass elementare chemische Grundkenntnisse zur Allgemeinbildung gehören (klar, dass ich als Chemiker das so sehe), und sehe folglich meine Aufgabe als Dozent für das Modul Chemie I in unserem Fachbereich auch darin, die Allgemeinbildung unserer Studierenden in diesem Punkt zu verbessern. Und wenn der eine oder die andere später mal (ob im weiteren Verlauf des Studiums, in der Praxisphase, der Bachelorarbeit oder im Beruf) im fachlichen Kontext mit Chemie in Berührung kommen und sich dann an das, was er oder sie bei mir gelernt hat, erinnern wird – umso besser! Die Teilnehmer am Modul Chemie I sind nicht nur in puncto ihres Studiengangs, sondern auch hinsichtlich ihrer chemischen Vorkenntnisse eine ziemlich heterogene Gruppe, was ich jedes Jahr in der ersten Vorlesung durch eine kleine Umfrage deutlich mache: Wer hat Chemie in der Schule so früh wie möglich abgewählt? Wer hatte Chemie immerhin bis zur 12. oder 13. Klasse? Und wer hatte gar Chemie-Leistungskurs? Wer hat seit mindestens fünf Jahren keinen Chemieunterricht mehr

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Bei jeder Antwortmöglichkeit heben Studierende ihre Hände – mal mehr, mal weniger, aber sogar bei der Frage nach dem Chemie-Leistungskurs gibt es vereinzelte Handzeichen. Ich habe es also (als Extremfälle) sowohl mit Teilnehmern zu tun, die bis vor wenigen Monaten im Chemie-Leistungskurs saßen, als auch mit solchen, die in der Schule nur ein Mindestmaß an Chemieunterricht gehabt haben – und das auch noch vor mehr als fünf Jahren! Die Lehrveranstaltung so zu gestalten, dass ich es allen Recht mache, ist folglich schlicht unmöglich: Entweder, ich unterfordere die einen, oder ich überfordere die anderen. Das erkläre ich den Studierenden, um dann – nach einer dramaturgischen Pause – anzukündigen, dass ich mich für die Variante „Lieber die Guten unter- als die Schlechten überfordern“ entschieden habe, denn erstens möchte ich auf keinen Fall, dass wegen des Nebenfachs Chemie viele Studierende „die Segel streichen“ und womöglich manch talentierter angehender Ingenieur an einer hohen Chemie-Hürde hängen bleibt, und zweitens profitieren auch die Studierenden mit guten Chemiekenntnissen von meiner Vorgehensweise, denn sie müssen weniger Lernaufwand in dieses Fach stecken und haben dadurch mehr Zeit, um sich anderen Disziplinen (beispielsweise der Mathematik) zu widmen. Nach dieser Ankündigung kommt schon mal spontaner Applaus auf. Auf jeden Fall ist bei Vielen das Eis gebrochen – sooo schlimm scheint das Fach Chemie I ja doch nicht zu sein. Nachdem ich auf diese Weise, unterstützt durch einen inhaltlich sanften Einstieg in die Materie – ich beginne gewissermaßen bei Adam und Eva, sprich mit dem Atom, den Elementen und dem Periodensystem – bei der Mehrzahl der Teilnehmer (hoffentlich!) Ängste und Vorbehalte gegenüber dem Fach Chemie abgebaut habe, versuche ich im weiteren Verlauf des Semesters, die Aufmerksamkeit und die Anwesenheitsquote der Studierenden auf einem möglichst hohen Level zu halten. Dazu lockere ich den Vorlesungsstoff immer wieder durch verschiedene Einschübe auf: Mit Quizfragen à la Günther Jauchs „Wer wird Millionär?“, z. B. „Welches chemische Element macht mehr als die Hälfte der Masse eines menschlichen Körpers aus?“. Antwortmöglichkeiten: a) Kohlenstoff; b) Kalzium; c) Sauerstoff; d) Eisen. Anhand dieses Beispiels kann ich übrigens den Nutzen von chemischem Grundwissen im Alltag bzw. als Bestandteil einer guten Allgemeinbildung hervorragend illustrieren: Die richtige Antwort (und die ist ja nun wirklich nicht sonderlich

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Mit Exkursen zu „rekordverdächtigen“ Elementen – welches ist beispielsweise das häufigste Element im Universum? Die Antwort fällt sicherlich denjenigen Studierenden leichter, die sich für Kosmologie interessieren, wobei die heutige Studentengeneration Hoimar von Ditfurths „Im Anfang war der Wasserstoff“ wohl kaum noch kennen dürfte. Durch kleine Aufgaben mit starkem Bezug zur Praxis und zum Alltag, in denen das Erlernte angewendet und veranschaulicht werden soll. So frage ich das Publikum, nachdem wir über grundlegende Zusammenhänge der Stöchiometrie gesprochen haben: „Wie viel Mol Ethanol enthält eine Maß Oktoberfestbier?“. Dies sollen die Studierenden ohne Taschenrechner lösen, denn mit solchen Aufgaben möchte ich ihnen auch das „Pi-mal-Daumen“-Rechnen nahebringen, also das schnelle Überschlagen mit vereinfachenden Annahmen und gerundeten Werten, die man sich als Faustzahlen gut merken kann (und auch sollte!). Durch Zitate aus dem Buch „Eine kurze Geschichte von fast allem“ von Bill Bryson, einer überaus gelungenen populärwissenschaftlichen Darstellung der Naturwissenschaften, in der viele chemische Sachverhalte so verständlich und anschaulich beschrieben werden, dass ich an passenden Stellen das Wort „Vorlesung“ gerne mal wörtlich nehme und Passagen aus dem Buch vorlese. Mit Exkursen zu aktuellen Themen mit chemischen Anknüpfungspunkten, wobei mir besonders ökologische Aspekte wichtig sind. Ein Paradebeispiel ist der Treibhauseffekt - nach dem Besuch meiner Lehrveranstaltung soll jeder Studierende wissen, was Kohlen(stoff)dioxid ist, durch welche Prozesse wir Menschen es massenhaft in die Atmosphäre freisetzen, und was die Einheit ppm bedeutet, in der der Kohlendioxidanteil in der Atmosphäre üblicherweise angegeben wird. Den genauen Wert muss ich übrigens in jedem Wintersemester aktualisieren, denn er steigt derzeit pro Jahr um ca. 2 ppm – auch das bleibt in meiner Vorlesung natürlich nicht unerwähnt.

Durch diese Einschübe gelingt es mir recht gut, die Studierenden „bei Laune zu halten“, was meines Erachtens eine wichtige Voraussetzung dafür ist, ihnen chemische Grundkenntnisse vermitteln zu können, von denen viele vorher gar nicht geglaubt hätten, dass sie sie jemals begreifen würden. Ein relativ geringer „Schwundfaktor“ über den gesamten Verlauf des Semesters und die Tatsache, dass sich alljährlich nicht nur die meisten Teilnehmer für 27


die direkt an das Semester anschließende Klausur anmelden, sondern die allermeisten der Angemeldeten auch zur Klausur erscheinen, sind für mich deutliche Indizien dafür, dass meine Herangehensweise an die Herausforderung „Chemie für Maschinenbauer“ so verkehrt nicht sein kann.

Prof. Dr. Matthias Brandt, Jahrgang 1969, ist seit Juli 2006 Professor für Chemische und BioVerfahrenstechnik im Fachbereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. Er studierte Chemie an der Technischen Universität Braunschweig und promovierte dann an derselben Hochschule im Institut für Technische Chemie. Anschließend war er mehr als acht Jahre in verschiedenen Funktionen bei der Bayer AG in Leverkusen tätig.

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Sechsmal Nein zu Prinzipien der Mathematik-Didaktik der Hochschulen Christof Menzel

Einleitung Die hier dargestellten Gedanken sind sicherlich nicht neu. Sie stehen vermutlich irgendwo, sind mir nur bisher nicht (zumindest nicht explizit) über den Weg gelaufen. Sie werden von mir der Einfachheit halber als Ablehnung didaktischer Prinzipien bezeichnet. Wenn diese Prinzipien auch nicht explizit formuliert sein sollten, so zeigt doch die Erfahrung, dass sie unausgesprochen, aber lebendig, in den Köpfen der Mathematik-Dozenten (vor allem in meinem eigenen) Wirkung entfalten. Dieser Text dient mir vornehmlich dazu, mich mit diesen Prinzipien auseinanderzusetzen, sie explizit zu machen und damit von ihrer Irreleitung befreit zu werden. Ich bin Mathematiker und gewohnt, meine Aussagen mit guten Argumenten zu untermauern. Darum begründe ich in ausführlichen Endnoten alle ablehnenden Antworten mit Zitaten, Belegen und anekdotischen Erfahrungen. Damit sichere ich mich vor allem gegen viele sicherlich begründete Einwendungen meiner Fachkollegen ab. Darüber hinaus gelten nicht alle Neins in mathematikintensiven Studienfächern wie z.B. Elektrotechnik im selben Maße wie in eher mathematikfernen Fächern. Im Übrigen möchte ich betonen, dass eine möglicherweise pointierte Darstellung auch dem Unterhaltungswert dient. Für einen Mathematiker stellt die Anpassung seines Stoffkanons an die Notwendigkeiten eines interdisziplinären Studiengangs, sozusagen nach unten, eine nicht zu vernachlässigende Beeinträchtigung seines Selbstverständnisses als Mathematiker dar. Man hat als Einzelkämpfer dieser Disziplin an einem interdisziplinären Fachbereich nur die Wahl zwischen der Charybdis der schleichenden Vereinfachung von Prüfungen bis zur Bedeutungslosigkeit und der Skylla der hohen Nichtbestehensquoten mit nachfolgender Isolation des Faches am Fachbereich, wiederum bis zur Bedeutungslosigkeit 29


– es sei denn, man löste sich aus seinem Elfenbeinturm und setzte selbst und proaktiv sein Fach im interdisziplinären Interesse ein. Die sich daraus ergebenden Folgerungen sind Gegenstand der nachfolgenden Gedanken.

Mathematik muss systematisch gelehrt werden Nein! Der durchschnittliche Fachhochschulstudent hat in der Regel eine Schulkarriere mit mindestens zwölf Jahren regulärem Mathematikunterricht hinter sich. In den meisten Fällen sind dies mindestens zwölf Jahre allgemeinbildende Schule, manchmal auch zehn Jahre Schule und zwei bis drei Jahre Berufsschule mit fachbezogenem Mathematikunterricht, beispielsweise Fachrechnen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dieser sehr systematisch angelegte und sorgfältig aufbauende Unterricht nicht bei allen unseren Studierenden die erwünschten Spuren hinterlassen hat und dass hier sogar 1 eine gewisse Abwärtstendenz erkennbar ist. Dies wird durch das Abitur nach 12 Jahren sicherlich nicht besser. Betrachten wir als Beispiel das Nebenfach Mathematik im Studiengang Oecotrophologie der Hochschule Niederrhein. Einschließlich Übungen belegen die Studierenden bis zum Bachelor vier Semesterwochenstunden Pflichtfach Mathematik. Ein Mathematik-Grundkurs der gymnasialen Oberstufe hat 18 Semesterwochenstunden. Angesichts dieser Ressourcen braucht man nicht einmal daran zu denken, etwa die Lücken aus 13 vorangegangenen Jahren zu schließen, geschweige denn gar aufbauend auf dem Pflichtschulstoff Mathematik systematisch fortzufahren. Im Zentrum des Nebenfaches Mathematik steht das Phänomen. Mathematische Fertigkeiten müssen wachgehalten und auf unklare Situationen angewandt werden. Es darf jedoch nicht auf den großen Packen unverstandener Mathematik noch ein kleiner Packen gleichermaßen unverstandener Mathematik obenauf gelegt werden.

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Die zu lehrende Mathematik kann als Teilmenge der normalen Universitätsmathematik aufgefasst werden Nein! Leider wird von vielen Professoren der Stoffkanon ihrer MathematikGrundveranstaltungen als Teilmenge der normalen Universitätsmathematik aufgebaut. Unter einer Lehrveranstaltung „Mathematik für Biologen“ darf man sich häufig getrost (fast) das gleiche vorstellen wie unter einer Veranstaltung „Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler“. Ich führe wiederum als Beispiel den Studiengang Oecotrophologie an: Der Begriff des Integrals beispielsweise wird nur in der anschaulichen Form der Fläche unter einem Funktionsgraphen verwendet, und das auch nur in wenigen mir bekannten Fällen. Einen Grundkurs in Integralrechnung durchzuführen (oder in Anlehnung an den Schulstoff zu wiederholen), nur um beispielsweise mit der Verteilungsfunktion der Normalverteilung besser argumentieren zu können, wäre eine Verschwendung von Lernleistung und Lebenszeit der Studierenden sowie eine Vergeudung von Steuergeldern. Aber nicht nur die Stoffauswahl, sondern auch die Stoffpräsentation sollte den Erfordernissen des Leitfaches, nicht der universitären Mathematik folgen. Hier verweise ich kurz auf den erfrischenden Kontrast der Darstellung der Neyman-Pearsonschen Testtheorie für Anwender in Rüger 1996 und für Statistiker in Rüger 2002.

In der Mathematik wird alles bewiesen Nein! Hier bin ich mir der Zustimmung der meisten Kollegen sicher. Wie Ralph Boas es ausdrückte: „Nur professionelle Mathematiker lernen etwas aus Beweisen. Andere Leute lernen aus Erklärungen.“ Die Erklärungen dienen den gewöhnlichen Menschen dazu zu verstehen, warum die in der Mathematik aus den Alltagsbegriffen abstrahierten Begriffe und Argumentationsmuster die „richtigen“ sind und warum sie an ganz anderer Stelle auf zunächst sehr verschieden wirkende Probleme Anwendung finden können. Selbstverständlich ist der Beweis die einzig richtige Methode der Wahrheitsfindung in der Mathematik. Fachhochschulen sind jedoch Hochschulen der

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Mathematische Lehrziele sind kognitive Ziele Nein!2 Ich möchte hier sogar so weit gehen zu behaupten, dass selbst in der universitären reinen Mathematik die anzustrebenden Lehrziele keine ausschließlich kognitiven Ziele sind, sondern mindestens zum Teil „motorische“: Der Taxonomie für den psychomotorischen Bereich nach Dave (1970) folgend, lauten diese (aufbauend): Imitation, Manipulation, Präzision, Handlungsgliederung, Naturalisierung. Jeder, der sein Mathematikstudium noch nicht ganz vergessen hat, erkennt darin Stadien des Lernens von mathematischen Methoden, speziell Beweismethoden. Aber auch Rechen- und Argumentationsfertigkeiten, wie sie von Studierenden anderer Fachrichtungen lediglich benötigt werden, fallen hierunter. Vielleicht täte man gut, diese Ziele weniger „motorische“ als vielmehr „handwerkliche“ zu nennen. Die Tatsache, dass Mathematik im Geiste betrieben wird, verschleiert den Fakt, dass in der Mathematik Begriffe und Argumente manipuliert und zusammengesetzt, Strukturen und Beweise konstruiert und argumentative Werkzeuge auf Probleme angewandt werden. Analyse, Synthese und Beurteilung hingegen (die höchsten kognitiven Ziele) sind nicht Lernziele der Mathematik.

Alles muss richtig sein Nein! Ich bin mir sicher, hier den größten Widerspruch zu erhalten. Und natürlich wurde die sehr harsche Formulierung dieser Überschrift zu einem gewissen Teil auch um des Unterhaltungswertes willen gewählt. Bei genauerer Betrachtung kann man aber feststellen, dass diejenigen Autoren, welche sich wirklich mit dem Leitfach auseinandersetzen, für welches sie Mathematik lehren, häufig Ungenauigkeiten bis zur Falschheit in ihren Texten hinneh3 men.

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In der Tat: Ist den Studierenden, die sich für die genaue Methode der Wahrheitsfindung in der Mathematik gar nicht interessieren und die aus Beweisen nichts, hingegen alles aus anschaulichen Erklärungen lernen, die die gelernte Methode im richtigen Kontext erkennen und anwenden wollen – ist solchen Studierenden damit geholfen, dass der Mathematik-Professor sich aus fachlichem Ehrgeiz noch in Bezug auf die sonderlichsten Sonderfälle absichert? Benötigen sie nicht vielmehr eine Orientierungs- und Argumentationshilfe in Anwendungsproblemen, die einer mathematischen Betrachtungsweise zugänglich sind? Hierbei sind teilweise unrichtige Argumentationen aus heuristischen Gründen, auch Irrtümer, nicht entscheidend, solange die Studierenden sich darauf verlassen können, dass die Mathematiker als Dienstleister sich um die Korrektheit ausreichend Gedanken gemacht ha4 ben. Entscheidend hingegen ist das Erkennen von Anwendbarkeit mit nachfolgendem Einsatz von Fachliteratur.

Wir machen einfach Mathematik Nein! Den meisten Studierenden der Fachhochschulen ist mit dem „Betreiben von Mathematik“ nicht geholfen. Die Erfahrung aus dem Berufsleben zeigt, dass selbst Absolventen von mathematikintensiven Studienfächern wie z.B. Elektrotechnik oder Informatik an teilweise elementaren Problemen scheitern, die bei verständiger Anwendung eines Stückchens Mathematik trivial lösbar 5 gewesen wären. Hans-Werner Heymann schreibt: „Kaum eines der ungelösten Probleme, mit denen wir uns als Menschen im globalen Raum konfrontiert sehen (und im privaten Bereich gilt das nicht minder), ist darauf 6 zurückzuführen, dass zu viele von uns zu wenig Mathematik können.“ Es ist die (sehr graue) Grauzone zwischen der Mathematik und der schmutzigen Anwendung, welche Gegenstand der Mathematik-Lehrveranstaltung an Fachhochschulen sein muss. Dabei ist besonders der interdisziplinäre Charakter der meisten heutigen FH-Studiengänge zu berücksichtigen, der sich noch nicht bis zu allen Mathematikern herumgesprochen hat und den 7 einzubeziehen mit größten Anstrengungen verbunden ist.

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Literatur Baruk, S. (1989) Wie alt ist der Kapitän? Über den Irrtum in der Mathematik. Basel [u.a.]: Birkhäuser Verlag. Dave, R. H. (1970) Psychomotor Levels in Armstrong, R. u.a. Developing and writing behavioral objectives. Tucson, Arizona: Educational Innovators Press. Di Gulio, A; Defila, R. (2008) Die Beurteilung fächerübergreifender Leistungen in der interdisziplinären Lehre. In: Dany S, Szczyrba B, Wildt J (Hrsg.). Prüfungen auf die Agenda: Hochschuldidaktische Perspektiven auf Reformen im Prüfungswesen. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Heymann, HW. (1996) Allgemeinbildung und Mathematik. Weinheim [u.a.]: Beltz Verlag. Rüger, B. 1996 (u.a.J.) Induktive Statistik: Einführung für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. München [u.a.]: R. Oldenbourg Verlag. Rüger, B. (2002) Test- und Schätztheorie. Band II: Statistische Tests. München [u.a.]: R. Oldenbourg Verlag.

Anmerkungen 1

Hier kann ich nur aus dem Gedächtnis eine kleine Studie zitieren, die in den Jahren 1995 bis 2005 von einem Berliner Fachhochschulprofessor und einem Gymnasiallehrer durchgeführt und ungefähr im Jahre 2006 in der Zeitschrift des hlb veröffentlicht worden war; die Durchführung eines Mathematiktests (Rechenfertigkeiten ohne Taschenrechner und Formelsammlung) mit Studienanfängern (eines technischen Fachhochschulstudiengangs) in den Jahren 1995, 2000 und 2005 hatte gezeigt, dass der Beste des Jahres 2005 schlechter abschnitt als der Median des Jahres 1995.

2 Für diese Anregung bin ich besonders Herrn Dr. Stefan Brall mit der Veranstaltung „Microtraining – Lehrveranstaltungen entwickeln und verändern“ und dort zitierter Literatur zu Dank verpflichtet. 3 Als erstes Beispiel sei hier auf die allgemein übliche Praxis hingewiesen, in der Statistik für Nichtmathematiker alle mit der Ereignisalgebra zusammenhängenden wahrscheinlichkeitstheoretischen Probleme gar nicht erst zu erwähnen und mehr oder weniger stillschweigend davon auszugehen, dass sie in alltäglichen Anwendungen keine Rolle spielen. (Vgl. z.B. den Klassiker (Rüger 1996).) – Ein zweites Beispiel aus der Statistik: In der echten Anwendung kommen nur rationale Zahlen, sogar nur eine endliche Teilmenge der rationalen Zahlen vor. In bisher keinem Standardlehrwerk habe ich aber einen Hinweis darauf gefunden, dass damit alle Überlegungen zu Tests mit stetigen Merkmalen mit echten (nicht treppenförmigen) Wahrscheinlichkeitsdichten – allen voran normalverteilte Merkmale – immer auf Robustheitsüberlegungen führen müssten. – Als drittes

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Beispiel sei die weit verbreitete unsorgfältige Behandlung des Unterschiedes zwischen Standardabweichung und Stichprobenstandardabweichung genannt. – Als letztes Beispiel betrachte man den Umgang der Statistiklehrbücher mit den Begriffen Histogramm und Freiheitsgrad. 4 Zur Rolle des Irrtums in der Mathematik siehe das auch heute noch sehr lesenswerte Werk (Baruk 1989). 5

Man lasse als Beispiel einen Informatiker oder Elektrotechniker den Servicelevel „Verfügbarkeit“ eines zusammengesetzten IT-Systems auf der Basis eines einfachen, selbst zu wählenden wahrscheinlichkeitstheoretischen Modells und einiger Erfahrungswerte näherungsweise abschätzen. Der hier einzusetzende mathematische Stoff geht für eine gute Abschätzung nicht über Kenntnisse der Klasse 9 hinaus; ich habe Diplom-Elektrotechniker (Universität und FH, Fachrichtung Software-Entwicklung) vor diesem Problem vollkommen ratlos gesehen. 6

(Heymann 1996), S. 280.

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Vgl. (Di Gulio e.a. 2008).

Prof. Dr. Christof Menzel arbeitete mehrere Jahre als Entwickler und IT-Projektleiter bei einem europäischen Internet-Portal. Seit 2004 lehrt er die Fächer Mathematik, Statistik und angewandte EDV am Fachbereich Oecotrophologie der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach.

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Rehabilitationsrecht - biographisch gesehen Dorothee Frings

Juristen arbeiten mit Tatbeständen, die Soziale Arbeit mit komplexen Lebensgeschichten. Aufgabe der Lehrenden des Rechts ist es, Brücken zwischen diesen Welten zu bauen.

Ausgangspunkt Juristisches Handwerkszeug wird von jeher an „Fällen“ gelehrt. Um abstrakte Definitionen und logische Abfolgen zu verstehen und zu speichern, bilden wir uns ständig selbst Beispiele oder versuchen uns an Vorgänge im realen Leben zu erinnern, auf die sich der abstrakte Grundsatz anwenden lässt. Dieses Grundprinzip des Lernens lässt sich ausbauen, in dem aus den Fällen Geschichten werden, mehr noch, ganze Biographien. Der emotionale Bezug lässt sich, wenn er durch reale Erfahrungen noch nicht vorhanden ist, durch die Identifikation mit einer vorgestellten Geschichte zumindest ansatzweise herstellen.

Lernziele -

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Kenntnis des Spektrums der verfügbaren Sozialleistungen, der juristischer Anspruchsgrundlagen und ihrer Voraussetzungen. Die Fähigkeit, rechtliche Kenntnisse auf neue unbekannte Lebenssachverhalte anzuwenden (Transfer). Handlungskonzepte für die Soziale Arbeit innerhalb des vorgegebenen sozialrechtlichen Rahmens und Positionen zur sozialpolitischen Ausrichtung zu entwickeln. Entwicklung von Engagement für Klienten/innen die für die Gestaltung eines menschenwürdigen Lebens auf Sozialleistungen angewiesen sind.

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Methodik Der Stoff der Veranstaltung wird nicht an einzelnen Fallbeispielen, sondern entlang biographischer Abläufe vermittelt. Das Spektrum der Sozialleistungen wird dadurch an reale Lebensabläufe angebunden und lässt sich so aus dem Blickwinkel der Sozialen Arbeit besser strukturieren und speichern. Die Studierenden schlüpfen in die Haut einer solchen Biographie, indem sie während der gesamten Veranstaltung die Vertretung der Geschichte einer Person übernehmen und zu deren Sachwalter werden. Die Anwendung des Gelernten auf „ihre Geschichte“ erfolgt eigenständig während der Lehrveranstaltung, so kann die Transfer-Kompetenz stärker integriert werden. Durch die Identifikation mit Personen ergeben sich Fragen der Realisierung von Ansprüchen, der Interaktion von Sozialarbeitern/innen und Klienten/innen, der Entscheidungsfreiheit und der Stärkung der Handlungskompetenz der Klienten/innen aus der „Geschichte“ und müssen nicht von den Lehrenden an die Studierenden herangetragen werden. Das Konzept verzichtet auf den Anspruch auf systematische Vollständigkeit der Kenntnis des Rechtsgebiets. Es geht von der Annahme aus, dass Recht für die Soziale Arbeit vorrangig die Methodik der Rechtsanwendung zu vermitteln hat. Die Berufliche Praxis erfordert den Umgang mit immer wieder neuen oder geänderten Gesetzen, die zugeordnet und eigenständig angewendet werden müssen. Geeignet ist die Methode sowohl für Seminare als auch für Vorlesungen. In Seminaren können sich die Teilnehmer/innen eine der angebotenen Biographien aussuchen, in Vorlesungen müssen sie nach dem Zufallsprinzip verteilt werden. Grundsätzlich lässt sich die Methode auf alle Bereiche des Sozialrechts anwenden, ebenso gut auch auf andere Rechtsgebiete übertragen. Für das Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht lassen sich Organisations- oder Firmenbiographien entwickeln.

Beispiel: Seminar zum Rehabilitationsrecht Die Hilfen für Menschen mit Behinderungen sind außerordentlich verstreut und komplex im Sozialrecht geregelt. Es gibt allein sechs Rehabilitationsträger, die in vier Bereichen (medizinische Reha, berufliche Teilhabe, Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, ergänzende Leistungen, insb. zum Lebens38


unterhalt) tätig werden, und zwar für drei Gruppen von Menschen mit Behinderungen (körperlich, geistig oder psychisch). Diese Leistungsstrukturen zu erfassen und die unzähligen verschiedenen Einzelleistungen hier einzupassen, erfordert eine erhebliche Anstrengung seitens der Studierenden.

Der Ablauf 1. Sitzung Die erste Sitzung dient einer allgemeinen Einführung in das Thema und wird im Seminar durch eine interaktive Übung zur Sensibilisierung für die Perspektive von Menschen mit Behinderung ergänzt (z.B. eine Diskussionsrunde mit der Fishpool-Methode zum Thema: „Braucht Deutschland die Behindertenkonvention der UN?“). 2. Sitzung In der zweiten Sitzung werden Fallbiographien an die Studierenden ausgeteilt. Es sollten so viele verschiedene Biographien sein, dass mindestens drei und höchsten zehn Personen dieselbe Biographie erhalten. Die Spielregeln werden erklärt Die Biographien enthalten einzelne Lebensstationen, die mit der Frage nach Leistungsansprüchen, Verfahren, Ausgestaltung, Ansprechpartnern und Finanzierung verbunden sind. Aufgabe ist es, im Laufe der Veranstaltung diesen Fragen nachzugehen, juristische Subsumtionen vorzunehmen, Handlungsabläufe zu entwickeln und auf die sozialpädagogischen Fragen in diesen Zusammenhängen einzugehen. Die Vorgaben des Falls sollen nicht verändert werden, dürfen aber nach freier Phantasie ausgeschmückt und ergänzt werden. Wenn eine Wahl zwischen mehreren möglichen Ansprüchen getroffen werden kann, sollen die Gründe der Klienten (nicht der Sozialarbeiter/innen) für die Wahl erläutert werden. Der Stoff des Seminars liefert die Grundlage für die Bearbeitung, indem in den Sitzungen die Rechtsfragen erarbeitet werden, die zur Beantwortung erforderlich sind. Es werden nicht die konkreten Sachverhalte durchgesprochen, die die Studierenden vor sich haben. Die Teilnehmer/innen werden aber aufgefordert, ständig eine Verbindung zwischen der Ebene des Lernstoffs in der Veranstaltung und „ihrer Biographie“ herzustellen und sich mit Fragen einzubringen, die aus ihrer Fallgestaltung herrühren. 39


Fallbiographie 1 Im Mai 2009 wurde Jonas geboren. Seine Eltern, Karin und Klaus, stellen nach etwa sechs Monaten fest, dass das Kind nicht auf Geräusche reagiert. Sie wenden sich zunächst an den Kinderarzt. Wie könnten Hilfen für das Kind und die Familie jetzt entwickelt werden? Haben Jonas oder seine Eltern Ansprüche auf Leistungen? Welche? Mit drei Jahren sollte Jonas das Leben mit anderen Kindern kennen lernen. Welche Optionen gibt es für den Besuch eines Kindergartens? 2015 müssen Karin und Klaus Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Schulbesuch treffen. Sie haben sich für den Besuch einer Regelschule entschieden. Die nächstgelegene Grundschule möchte Jonas jedoch nicht aufnehmen, weil sie keine Möglichkeit sieht, den besonderen Bedürfnissen eines gehörlosen Kindes Rechnung zu tragen. Wie können die Eltern ihren Wunsch durchsetzen? Welche Hilfen können eingesetzt werden, um den Schulbesuch im unmittelbaren Umfeld des Elternhauses angemessen zu gestalten? Jonas schließt die Regelschule mit einem guten Realschulabschluss ab. Er interessiert sich für eine berufliche Zukunft im Medienbereich. Zusammen mit seinen Eltern wird er sich von einem Reha-Berater der Arbeitsagentur bera¬ten lassen. Welche Möglichkeiten eines beruflichen Einstiegs werden Jonas aufgezeigt werden? Jonas möchte sich in einer außerbetrieblichen Einrichtung zum Fachinformatiker ausbilden lassen. Von welchen Voraussetzungen wird die Finanzierung durch die Arbeitsagentur abhängen? Nach dem Ende der Ausbildung findet Jonas trotz intensiver Bemühungen nicht sofort einen Arbeitsplatz. Es scheint, dass die Firmen vor der Einstellung eines Gehörlosen zurückschrecken. Hat Jonas die Möglichkeit, Leistungen zu erhalten, die es Firmen erleichtern könnten, sich für Jonas als Mitarbeiter zu entscheiden? Jonas, nunmehr 22 Jahre alt, überlegt, aus seinem Elternhaus auszuziehen und alleine zu wohnen. Über eigenes Einkommen oder Vermögen verfügt er nicht. Seine Eltern verdienen zu diesem Zeitpunkt zusammen 3.000 € netto. Jonas möchte wissen, ob er einen Anspruch auf Finanzierung seines Lebensunterhalts hat und gegen wen. Die Eltern fragen sich, ob sie auch nach einem Auszug weiter Unterhalt für ihr Kind bezahlen müssen. Auch werden verschiedene Hilfen zur Unterstützung des eigenständigen Wohnens erforderlich. Von wem kann Jonas diese Hilfen erhalten und wer muss dafür aufkommen?

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Begleitend wird ein Skript ausgegeben. In der Lehrveranstaltung wird es nicht systematisch durchgearbeitet, sondern dient den Studierenden als Begleitung, Vertiefung (es enthält viele Hinweise auf weiterführende Informationen im Internet) und Anleitung bei der eigenständigen Erarbeitung. Die Zusammenarbeit mit anderen Studierenden ist erwünscht; möglich sind sowohl Gruppen zu den „Biographien“ als auch gemischte Gruppen zum intensiveren Vergleich der Lebenskonstellationen.. Der weitere Verlauf der Lehrveranstaltung Hinsichtlich der Stoffbearbeitung kann die gesamte Methoden-Vielfalt eingesetzt werden. Empfehlenswert ist eine kleine Exkursion am Anfang des Seminars, um eventuell vorgefasste Grundannahmen über Menschen mit Behinderungen aufzubrechen und vor allem die Bedeutung von Rechtskenntnissen aus der Perspektive der Praxis zu vermitteln. Eine erste Sitzung wird für die Vermittlung des Strukturwissens benötigt, damit die Studierenden die Sachverhalte nach Art der Behinderung, Rehabilitationsform und Leistungsträgern zuordnen können. Im weiteren Verlauf wird der Stoff lebenschronologisch bearbeitet, beginnend mit der Frühförderung, der vorschulischen Heilpädagogik, der Hilfen zum Schulbesuch, der Übergänge von Schule zum Beruf, der Arbeitsunfälle, Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, der Wiedereingliederung ins Arbeitsleben, der betreuten Wohnformen, der Leistungen zur Pflege. Es wechseln sich dabei ab: Prüfung eines Anspruchs an einem Fallbeispiel als Lehrgespräch (Erlernen der Subsumtionsmethode); Fallbearbeitung in Gruppen (Anwendung der Subsumtionsmethode); häusliche Erarbeitung eines Ausschnitts aus dem Skript und anschließende Diskussion der offenen Fragen in der Veranstaltung; häusliche Vorbereitung einer Rechtsfrage und Simulation von Beratungsgesprächen in der Lehrveranstaltung (Rechtsberatung im Zusammenhang mit sozialpädagogischen Zielsetzungen). Auch die Lehrende hat natürlich die Biographien im Kopf und wird den Transfer immer wieder mit Hinweisen und Vergleichen unterstützen. Durch die verschiedenen Fallgestaltungen kann der Lernstoff vertieft werden, in 41


dem die Unterschiede zwischen der einen oder anderen Konstellation herausgearbeitet werden. Den Studierenden wird durchgängig eine hohe Aufmerksamkeit abgefordert, weil sie zum einen ständig auf die Brauchbarkeit der Lehrstoffes für ihre Aufgabenstellung achten und den Unterschied zu den Sachverhaltskonstruktionen der anderen nachvollziehen müssen. Zum anderen hängt die Unterstützung durch die Lehrende und die Seminargruppe ganz entscheidend davon ab, dass immer wieder Fragen, die sich aus dem eigenen Fall ergeben, in die Gruppe eingebracht werden. Prüfung Die Prüfungsleistung besteht in der Anfertigung eines Portfolios, welches entlang der Biographie zu jeder Lebensstation folgende Bearbeitungen enthält: a.) Prüfung der Leistungsansprüche. b.) Handlungsablauf: Ansprechpartner, Wahlmöglichkeiten, Unterstützung bei der Entscheidungsfindung, Stärkung der Handlungskompetenz. c.) Vergleich mit anderen Biographien (eigene Auswahl). d.) Reflexion des eigenen Lernprozesses. Das Portfolio wird als Einzelarbeit von den Studierenden angefertigt.

Erfahrungen Die Studierenden reagieren am Anfang teilweise mit Verunsicherung auf die Anforderung an Eigenständigkeit. Es gibt viele Nachfragen zum Erstellen des Portfolios. Einige Studierende müssen mehrfach ermutigt werden, die Fallbiographien nach ihrer eigenen Phantasie auszugestalten und die Beteiligten zwischen mehreren Möglichkeiten wählen zu lassen. Auch der „Mut zur Lücke“, den diese Methode erfordert, kann verunsichern. Nach Beginn der eigentlichen Stoffvermittlung stellen sich schnell ein erhöhtes Interesse und eine aktive Teilnahme an der Lehrveranstaltung ein. Die Studierenden nehmen im Einsatz für „ihre Klienten“ Fahrt auf, die Nachfragen gehen deutlich tiefer und es werden auch mehr Probleme der Rechtsumsetzung selbst entdeckt und kritisch reflektiert. Das Aufmerksamkeitsniveau und die Anwesenheit bleiben durchgehend bis zum Schluss der Lehrveranstaltung erhalten. Gelegentlich muss die Lehrende darauf achten, dass die Identifikation mit den „eigenen Klienten“ nicht zu einer Ignoranz der Problemlagen aus den

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anderen Fallbiographien führt. Verschiedene Fallgestaltungen unmittelbar gegenüber zu stellen wirkt hilfreich, da durch den direkten Vergleich die jeweiligen Besonderheiten präziser erfasst werden können. Die Qualität der Portfolios gelingt durchweg auf einem hohen Niveau. Die erhöhte Motivation lässt sich in der Bearbeitung wieder erkennen. Die Prüfungsform wird von den Studierenden geschätzt, weil sie die Leistung sukzessive während des Semesters erbringen können.

Prof. Dr. Dorothee Frings ist seit 1997 Professorin für Verfassungs-, Verwaltungs- und Sozialrecht am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Niederrhein. Zuvor war sie von 1983 bis 1997 als selbständige Rechtsanwältin in Köln und Düsseldorf tätig. Ihre Schwerpunkte in der Lehre und Forschung liegen in den Bereichen Grundsicherung, Europäisches Sozialrecht, Migration und Diskriminierungsschutz.

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Die Fallstudienmethode „Klaus Höhnerbach“ Werner Heister

Bei der Methode „Klaus Höhnerbach“ ist neben den reinen Theorieteilen (Betriebswirtschaftslehre allgemein, Rechnungswesen) eine durchgehende Fallstudie – die „praxiserprobte“ Höhnerbach-Geschichte von wesentlicher Bedeutung. Das Ziel des Einsatzes eines praxisnahen Fallbeispiels ist die erleichterte Navigation durch die sich verändernde Wissensbasis eines Studiums. Die Lernenden können neu erworbene Informationen unmittelbar in die bestehenden Strukturen einbauen. Diese Möglichkeit kann als besonders gehirngerecht angesehen werden. Die skelettartige Grundkonstruktion der Fallstudie fördert die Konkretisierung abstrakter Inhalte in ein praxisnahes Konzept und ermöglicht überdies den Transfer der theoretischen Inhalte auf ein praxisrelevantes Feld. Die mögliche Identifikation mit den sympathischen Persönlichkeiten der Fallstudie kann überdies die Studierenden motivieren, mittels der Persönlichkeit im Stoff voran zu gehen.“ Das besondere der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre mit Klaus Höhnerbach ist 1. eine durchgängige Fallstudie, die 2. vermittelt, wie konkrete praktische Probleme unter Hinzuziehung der Theorie gelöst werden können. Die Problemlösungsansätze der Betriebswirtschaftslehre werden also mittels eines praxisnahen, durch das gesamte Modul durchgängiges Unternehmen sowie der Person Klaus Höhnerbach „verpackt“. Bei Klaus Höhnerbach wird der Einsatz der Theorie zur Lösung eines praktischen Problems in den Vordergrund gestellt, viel transparenter und damit die Theorie leichter verständlich und eingehender. Im Mittelpunkt steht der Zusammenhang zwischen den Entscheidungsproblemen und den Methoden. Und so macht Lernen Spaß und ist erfolgreich!

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Die Figuren des Höhnerbach-Comic werden nur stilisiert, jedoch nicht charakterisiert. Damit soll erreicht werden, das die Lernenden, wenn sie hier einen Bezug zu „lebenden“ Personen aufbauen, die Personen wählen, die ihnen in diesem Zusammenhang „sympathisch“ erscheinen.1

Die in den E-Learning Elementen verwandten Figuren, Zeichen und Symbole (wie etwa Maschinen, Geldscheine etc.) werden nur stilisiert, jedoch nicht charakterisiert. Der Lernende soll hier sich und sein Lernumfeld sehen und sich nicht daran stoßen, das beispielsweise bei einer Maschine eine Kurbel links abgebildet ist, die in seinem Arbeitsumfeld sich auf der rechten Seite befindet etc. Mit der Story und der Darstellung werden die Inhalte teilweise direkt verbunden.

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Die Comics stammen von Dipl.-Kfm. Dipl.-Theol. Peter Plaumann.

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Die Geschichte ist auch Gegenstand eines E-Learning Moduls „Betriebswirtschaftslehre“, das im Rahmen des Bundesleitprojektes „Virtuelle Fachhochschule“ (siehe hierzu http://vfh147.beuth-hochschule.de/vfhsite/) entwickelt wurden. Hier finden viele multimediale Elemente Anwendung und werden mit der „Höhnerbach-Geschichte“ verbunden: Animationen werden beispielsweise zur Einführung in neue Stoffinhalte verwendet. Durch diese Darstellungsform kann sich der Lernende auf motivierende Weise mit Grundaussagen beschäftigen und eine erste Einführung erhalten. Optisch ansprechend visualisierte Inhalte werden mittels „Pop-Ups“ (als aufklappbare Zusatzinformationen) vertieft und veranschaulicht. Abstrakte Inhalte werden in einzelne Elemente aufgelöst und innerhalb unterschiedlicher Multimediaboxen dargestellt, komplexe Zusammenhänge sind dadurch singulär verfügbar. Die Lernziele werden aufgabenorientiert formuliert und im Text dargestellt. Die Lernziele werden auch akustisch dargeboten. Ein Einstufungstest (Check) ermöglicht es den Lernenden, ihren eigenen Wissensstand einzuschätzen. Aufgrund dieser Einschätzung 47


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können sie dann grob ermitteln, wie intensiv und mit welchem Aufwand sie das Studienmodul durcharbeiten müssen. Weiterhin erhalten sie durch den Check einen ersten Eindruck von den Inhalten. Zur Vermittlung der Methodenkompetenz dienen die Methodensteckbriefe. Sie enthalten wiederkehrend ähnliche Elemente, die zur Anwendung der Methoden notwendig sind, wie Definition, Herleitung der Formel, Beispiel und unterstützende Elemente, wie z.B. Excel-Tabellen. Die Herleitung der Formeln, die innerhalb der Methodensteckbriefe über links ausgewählt werden können, werden mittels Animationen z.B. “Flying Text“ und Sprache schrittweise entwickelt. Wesentlich Elemente im Rahmen des selbstgesteuerten Lernens sind interaktive Multimediaboxen. Hier liegt das eigentliche Salz in der Suppe. Die Lernenden können mittels eines „Mischpultes Kapitalwertmethode“ z.B. die Auswirkungen von Veränderungen in Zins und zeitlichen Anfalls (bzw. der entsprechenden Höhe) von Ein- und Auszahlungen „erleben“. Jede Methode ist immer auch durch eine kleine „Episode“ der problemorientierten Fallstudie erläutert. Den Lernenden wird somit die Einordnung der Theorie in die betrieblichen Aufgaben wesentlich erleichtert. Zusätzlich werden Tools (z.B. Excel-Worksheet zur Berechnung des internen Zinsfuss, Word-Dokument als Gliederung einer Machbarkeitsstudie) angeboten. Diese unterstützen in besonderer Weise das aufgabenorientierte Lernen und den Einsatz der Erkenntnisse in der Praxis. Links ins Internet unterstützen den Gedanken des weltweit vernetzten Lernens. Die gesamte Theorie wird den Lernenden in einem Theorie-Skript dargeboten. Das Theorie-Skript kann in der Form von PDF-Dokumenten am Bildschirm eingesehen werden, es kann aber auch ausgedruckt. Zwischen PDF-Dokument und Multimediaboxen bzw. Aufgaben und Internet-Verweisen bestehen Verlinkungen. Übungsaufgaben dienen dazu, das in der Multimedia-Box oder im Theorie-Skript theoretisch erworbene Wissen anhand von Praxisbeispielen anzuwenden. Besonderer Wert wird dabei darauf gelegt, den Problemlösungsprozess möglichst realitätsnah zu gestalten.


Fazit Die attraktive Vermittlung von Grundlagen lässt sich mit der „Methode Klaus Höhnerbach“ und ähnlichen Ansätzen sehr gut meistern. Exemplarisch zwei Rückmeldungen von Studierenden: -

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„Sie unterrichten eines der meist gefürchteten Fächer, Rechnungswesen. Ohne Zweifel ist anzuerkennen, dass Ihnen dieses mit großem Erfolg und neuen Methoden hervorragend gelingt. Weiter so! :-)“ „Humor ist ein wichtiger Faktor im Leben und man muss ja nicht alles so tierisch ernst nehmen!“

Die Vermittlung bereitet dann nicht nur den Lernenden, sondern auch den Lehrenden besondere Freude. Und Freude – also insbesondere positive Emotionen – sind im Bezug auf „schnelles und nachhaltiges Lernen“ von besonderer Bedeutung. Schon Jan Amos Comenius, Verfasser der Didactica Magna, schreibt ca. 1650: „Alles, was beim Lernen Freude macht, unterstützt das Gedächtnis“. Diese Tatsache ist weiterhin durch die Wissenschaft belegt. Diese und ähnliche Methoden können insofern als besonders gehirngerecht bezeichnet werden.

Literatur zum Thema: Heister, W.; Zum Management virtueller Hochschulen, in: J. Cordes / F. Roland und G. Westermann (Hrsg.), Hochschulmanagement - Betriebswirtschaftliche Aspekte der Hochschulsteuerung, Wiesbaden, 2001, S. 63 - 77. Heister, W.; Die Chancen der Virtualität nutzen - Die Potenziale sind noch längst nicht ausgeschöpft, in: Die neue Hochschule, Heft 6, 2002, S. 13 f. Heister, W.; E-Learning - Wunschdenken oder Wunderwaffe? - Erfolgsfaktoren aus Hochschulsicht, in: CoPers, Heft 4, 2003, S. 28 - 33. Heister, W; Weßler-Poßberg, D.; Studieren mit Erfolg: Wissenschaftliches Arbeiten für Wirtschaftswissenschaftler, Stuttgart, 2007. Heister, W.; Wälter, D.; Weßler-Poßberg, D.; Finke, M.; Studieren mit Erfolg: Prüfungen meistern - Klausuren, Kolloquien, Präsentationen, Bewerbungsgespräche, Stuttgart, 2007.

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Heister, W.; Studieren mit Erfolg: Effizientes Lernen und Selbstmanagement in Bachelor-, Master- und Diplomstudiengängen, 2. Aufl., Stuttgart, 2009. Prof. Dr. Werner Heister beschäftigt sich seit Jahren mit der effektiven Vermittlung von Schlüsselqualifikationen und der effizienten Nutzung von Multimedia in der Lehre. Der Autor ist ordentlicher Professor für „Betriebswirtschaft im Sozialen Sektor“ an der Hochschule Niederrhein und Studienleiter „Marketing“ an der APOLLON Hochschule für Gesundheitswirtschaft (Bremen). Im Jahr 2003 erhielt er den Lehrpreis der Hochschule Niederrhein für herausragende Leistungen in der Lehre.

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