rudolf kallinger 1
Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.
Albert Einstein
Vorwort: Einfachheit Für mich ist es immer wieder ein Wunder, das einzig aus Mehl, Wasser und Salz etwas derartig duftendes, schmackhaftes, wie ein Sauerteigbrot entstehen kann. Während einiger Jahre hat sich das Backen von reinen Sauerteigbroten ohne Hefe, zu meiner Leidenschaft entwickelt. Brotbacken ist für mich die reinste Freude. Vom Ansetzen des Teiges bis hin zum Verkosten eines frischen Brotes.
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Da ich berufstätig bin, beschränkte sich meine Backtätigkeit zunächst auf die Wochenenden, da so gut wie alle Rezepte sehr viel Zeit am Stück beanspruchten. Allmählich entwickelte ich ein Brotbackverfahren, das sich auch in eine volle Arbeitswoche integrieren lässt: Ich verkürzte Knetzeiten und ging sogar dazu über, den Teig nur mit der Gabel zu verrühren. Auch Arbeitsschritte wie Stück-
und Stockgare oder das Falten des Teiges in 30-Minuten-Abständen ließ ich weg. Meine Brotbackmethode entwickelte sich im Laufe der Jahre durch viele Experimente, die mir praktisch veranschaulichten, dass das Backen von reinen Sauerteigbroten viel einfacher und unkomplizierter funktioniert, als man gemeinhin glaubt. Zusätzlich befasste ich mich intensiv mit dem Wesen des Sauerteiges. Mir wurde klar: Je besser ich das Ökosystem Sauerteig verstehe, desto einfacher wird Brotbacken. Denn die Mikroorganismen des Sauerteiges stemmen den Teig in die Höhe, machen die Löcher in das Brot und sorgen für den feinen Sauer-
teiggeschmack. Damit ein Brot gelingt, benötigt es die fein abgestimmte Zusammenarbeit der verschiedenen Milchsäurebakterien. Durch ein Verständnis der Mikroorganismen kann Backen zudem sehr flexibler gestaltet werden und fixe Zeitangaben werden zur Nebensache. Das Heer der Mikroorganismen, nenne ich im Buch das Brotbackteam. Alle Rezepte sind mit einer Schritt für Schritt Anleitung und nachvollziehbaren Bildern unterlegt. In diesem Buch stelle ich zahlreiche einfache, selbst entwickelte Rezepte für reine Sauerteigbrote vor, die sich auch neben einem vollen Arbeitstag wirklich leicht backen lassen.
Ich wollte Brotbacken gemäß dem Zitat so einfach wie nur irgend möglich machen, aber nicht einfacher. Das Ergebnis ist: Sauerteigbrote brauchen Zeit, aber kaum meine Arbeitszeit. Für ein deftiges Roggensauerteig braucht es gut acht Stunden, wobei sich meine Arbeitszeit, dank der Mikroorganismen, auf gut fünf Minuten beschränkt.
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Meine Fünf-Minuten Backmethode auf einen Blick
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Meine Rezepte brauchen Zeit, aber kaum Arbeitszeit Sich meinen Prozess des Backens auf einen Blick zu veranschaulichen, verdeutlicht, wie gering der eigene Arbeitsaufwand einerseits ist und wie beweglich das Backen andererseits gestaltet wird. Da bei meiner Backmethode verschiedenen Garen und Zwischenschritte wegfallen, bleiben nur drei Arbeitsschritte übrig. Unter Meine Arbeitsschritte ist die reine Arbeitszeit des Bäckers zu verstehen. Mit dem Brotbackteam bei der Arbeit sind die Aktivitäten der Mikroorganismen gemeint, die beim Backen die meiste Arbeit verrichten. Die Gehzeiten von sechs bis zwölf Stunden sind Richtwerte. Ist es im Zimmer sehr warm, reichen gut vier Stunden, ist es hingegen eher kühl, kann der Teig auch länger als zwölf Stunden gehen. Zudem entscheidet über die Dauer der Gehzeiten beim Sauerteig unter anderen auch die Menge des Anstellgutes. Nimmt man sehr wenig Anstellgut, etwa 10 g, so kann der Sauerteig auch gut 20 Stunden aufgehen. Natürlich lässt sich über Gehzeiten und Temperatur bei Sauerteigbroten auch sehr gut der Geschmack, zwischen mild und säuerlich, steuern.
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Sauerteig ansetzen und verrühren Dazu Anstellgut mit Mehl und Wasser kurz verrühren und circa 8 h reifen lassen.
Sauerteig und Hauptteig verrühren Kastenbrote: Hauptteig nach dem Verrühren gleich in den Kasten füllen und aufgehen lassen. Topfbrote: Hauptteig nach dem Verrühren kurz formen und in einem Simperl aufgehen lassen.
Den Teig in den vorgeheizten Ofen geben und backen Kastenbrote: das aufgegangene Brot in den vorgeheizten Ofen schieben. Wasser zugießen und nach ein paar Minuten Restdampf ablassen. Topfbrote: Topf und Deckel mit vorheizen und den Teig direkt aus dem Simperl in den heißen Topf kippen. Topf mit Deckel in den Ofen stellen und backen. Nach halber Backzeit werden Topf und Kastenbrote aus ihren Formen genommen und freischwebend, d.h. ohne Kasten oder Topf, fertig gebacken.
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Sauerteig ansetzen und verrühren Anstellgut aus dem Kühlschrank nehmen, Sauerteig mischen, verrühren & reifen lassen 1 Anstellgut aus dem Kühlschrank nehmen 2 Einen großen Löffel herausnehmen und in eine Schüssel geben 3 Wasser und Mehl zugeben, verrühren 4 Bis keine Mehlreste mehr sichtbar sind 5 Abdecken und aufgehen lassen
Arbeitszeit – Lorem Ipsum niminul lab
Meine Arbeitsschritte
„Brotbackteam“ bei der Arbeit
Sauerteig
Mischen & Verrühren ca. 1–2 min
Aufgehen lassen ca. 6–12 h
Hauptteig
Verrühren & Formen ca. 2–4 min
Aufgehen lassen ca. 60–120 min
Backen
Ab in den Ofen ca. 1 min
Backen ca. 50–60 min
Gesamtzeit
ca. 5–8 min
ca. 10-14 h
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Sauerteig und Hauptteig verrühren Alle Zutaten verrühren, gleich darauf formen, in ein Simperl legen und aufgehen lassen. 6 Sauerteig mit Mehl und Wasser verrühren 7 Bis keine Mehlreste mehr sichtbar sind 8 Teig auf die Arbeitsfläche kippen und alles sehr gut einmehlen!
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9 Teig schonend und ganz kurz formen 10 Teigling nehmen und in ein Simperl legen 11 Abdecken und Aufgehen lassen
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Den Teig in den vorgeheizten Ofen geben und backen Teig in einen heißen Topf kippen, Deckel aufsetzen in den Ofen geben und backen 12 Den Aufgegangenen Teig in einen heißen Topf kippen und in den vorgeheizten Ofen stellen 13 Bei halber Backzeit aus dem Topf nehmen und 14 freischwebend fertigbacken
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Theoretische Hintergründe Wer macht beim Brotbacken die Arbeit? Im Grunde sind es zwei Fragerichtungen, die mich beim Brotbacken beschäftigen: Rein praktische Fragen, die Zeiten, Temperaturen und handwerkliches Geschick betreffen und wissenschaftliche Fragen, wie etwa, wer kam überhaupt auf die Idee, aus Mehl, Wasser und Salz Brot zu machen? Welche Kleinstlebewesen sind am Werk, wenn ein Sauerteig entsteht? Warum geht der Teig überhaupt auf? Wie kommen die Löcher ins Brot? Es sind im Grunde praktische und wissenschaftliche Fragen: Wer macht welche Arbeit beim Brotbacken? Was muss ich tun, damit die Mikroorganismen optimal arbeiten? Wenn ich nach Rezepten Brot backe, so stellten sich mir immer wieder dieselben Fragen: Muss ich den Teig wirklich 90 Minuten rasten lassen? Muss ich ihn jetzt tatsächlich alle fünf Minuten kurz falten, durchkneten oder nochmals wirken? Muss ich den Teig wirklich unbedingt mindestens zwölf Stunden gehenlassen oder 15 Minuten kneten? Beide Fragen haben miteinander zu tun: Wenn ich mehr von den wissenschaftlichen Fragen beantworten kann, werde ich beim Backen flexibler, da ich mich nicht so genau an die Rezepte halten muss, weil ich eine Ahnung von den übergeordneten Spielregeln habe. Brotbacken braucht einerseits fixe Regeln und Abläufe, andererseits braucht es Kreativität und einen „Experimentiergeist“. Ich scheine eine angeborene Neigung zu haben, alles Vorgesetzte und Festgeschriebene zu hinterfragen und folglich zu experimentieren. Brotbacken gehorcht Traditionen, die weit zurückreichen und schon ihren Sinn haben.
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Zunächst hält man sich an Rezepte - so genau wie möglich –, denn sie dienen ja wie eine Landkarte der Orientierung: Mehle mischen, salzen, wiegen, messen, kneten, falten, wirken, wieder gehenlassen, wieder formen usw. Aber trotzdem kann ich nicht umhin, alles zu hinterfragen und zu experimentieren. Das tue ich nicht aus Respektlosigkeit gegenüber älteren Erfahrungswerten, sondern nur aus wissenschaftlicher Neugierde und vor allem aus praktischen Gründen mit einem einfachen Ziel: Brotbacken zu vereinfachen und die Qualität trotzdem zu halten. Dafür muss man Rezepte zweimal oder auch öfter backen, um den nötigen Vergleich zu bekommen, welche Schritte man weglassen kann und welche nicht. Daher das Credo meiner Arbeit beim Brotbacken:
Nur so viel wie nötig - so wenig wie möglich Gesagt, getan: Also wagte ich es irgendwann und wich von Originalrezepten ab und probierte herum. Dabei machte ich ein Brot mit Originalrezept und eins mit verkürztem und vereinfachtem Experimentierrezept, um schließlich die Ergebnisse zu vergleichen. Meistens gingen beide als Sieger hervor. Die Geschmacksunterschiede waren gering oder kaum merklich. Ästhetisch waren die Unterschiede oft leichter zu sehen.
Natürlich passierte es auch, dass ab und zu ein Brot nichts wurde. Aber der Misserfolg – sei’s, dass das Brot nicht recht aufgehen wollte, dass die Krumme etwas speckig und glitschig war - ließ sich, trotz „detektivischer“ Überlegungen, oft nicht so leicht eruieren. War’s dies oder das? War’s eine Kombination aus allem? Ahnungen und Vermutungen, aber keine ganz klaren Beweise. Natürlich gibt’s Brotbackfehler, aber nicht immer lassen sich einfache Ursache-Wirkbeziehungen erfassen, da mehreres ineinandergreift und zu den fatalen Ergebnissen misslungener Brote führt. Aus all dem entstand die tragende Frage: Was geschieht eigentlich zwischen den Handgriffen, die ich ausführe? Ich verrühre Mehl mit Wasser und in der Ruhephase - was ja gar nicht stimmt - wird gearbeitet und kleine Bläschen erscheinen. Ich mische einen Teig und in der Ruhephase geht er meist auf das Doppelte auf. Wo ist da die Ruhephase, wenn der Teig doppelt so groß wird? Wer stemmt den Teig in die Höhe? Fix ist nur: Ich bin’s jedenfalls sicher nicht gewesen. Ich habe nur Mehl, Wasser und etwas angesetzten Sauerteig mit einer Gabel verrührt. Das war es! Ein paar Stunden später quillt der Teig unter Umständen zum Überlaufen aus dem Topf. Nach reiflicher Überlegung stellte ich fest, dass ich beim Brotbacken mit Sicherheit nicht der eigentliche Arbeiter bin, sondern - um bei diesem Vergleich zu bleiben - so etwas wie der Arbeitgeber für Kleinstlebewesen, also Mikroben. Mein Job ist lediglich, sie gut zu entlohnen, was heißt, das Anstellgut regelmäßig zu füttern. Ihnen eine angemessene Zeit zu geben, damit sie in aller Ruhe ihre Arbeit verrichten können. Natürlich muss ich auf angenehme Temperaturen achten, damit die Kleinstlebewesen ihre Arbeit anständig verrichten. Denn wer arbeitet schon gern, wenn es zu kalt oder zu heiß wird?
Alles in allem beschränkt sich meine Tätigkeit auf wenige Handgriffe: Anstellgut füttern, Mehl mit Wasser verrühren, hin und wieder auf die Uhr sehen und auf die Temperatur achten, dann ein wenig das Gewordene in Form bringen, den Ofen vorheizen und den Teigling in den heißen Ofen stecken.
Vielleicht könnte man noch sagen, dass ich der Vorarbeiter bin, der den Plan in der Hand hat, wann, was wie zu geschehen hat. Wenn ich weiß, wie die Löcher in den Teig kommen, so kann ich auch Einfluss darauf nehmen, wie die Löcher aussehen sollten: große, luftige Löcher wie bei echt italienischem Ciabatta, etwas feinere wie bei französischem Weißbrot oder ganz feine wie bei Bagles. Dieses praktische Wissen setzt allerdings ein paar theoretische Kenntnisse voraus. Angefangen von den Mehlsorten und deren Backeigenschaften bis hin zu den Mischverhältnissen und den Behandlungsmethoden der Teige sowie den Zeiten und Temperarturen. Je nach Zeit und Temperatur entwickeln sich unterschiedliche Aromen in den Broten. Einfaches Grundwissen reicht aus, um Brote frei und ohne vorgegebene Rezepte zu backen. Beherrscht man diese Regeln, so dienen vorgegebene Rezepte nur mehr als Inspirationsquellen, die Spielraum für Abänderungen oder Neugestaltungen offenlassen. Dabei spielen zentrale Themen wie Mengenangaben und Zeiten nur mehr eine Rolle, die in bestimmten, weit gefassten Bahnen verläuft. Rezepte, in denen 199 g Mehl und 139 ml Wasser, mit 28Grad stehen, sind in vielen Backbüchern zu finden, aber nicht in diesem, da derartige Angaben völlig überzogen sind und auf einen Mangel der zugrundeliegende Biologie eines Sauerteigs beruhen.
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Was hingegen im Vordergrund steht, sind Informationen, die darüber Auskunft geben, wie möglicherweise ein Brot sich entwickelt und schmeckt, wenn ich etwas Wasser weglasse oder statt Vollkornmehl normales Mehl verwende oder wenn ich den Teig aus Zeitgründen nicht zwei Stunden gehen lasse, sondern nur eine Dreiviertelstunde, und ihn dafür auf die Heizung stelle. Es geht um die Freude des Experimentierens, um flexibles und den jeweiligen Erfordernissen angepasstes Backen und schließlich um einen minimalen Aufwand an eigener Arbeitszeit mit einem maximalen qualitativen Backergebnis.
Das essentielle Trio: Mehl, Wasser, Salz und weitere Zutaten Es reichen drei Zutaten aus, um ein gutes Brot zu machen: Mehl, Wasser und Salz. Im Grund wundert es mich immer wieder, dass man aus diesen dreien so köstlich schmeckendes Brot machen kann. Unfassbar einfach und doch so genial! Einzeln betrachtet geben diese Zutaten, Mehl, Wasser und Salz, nicht viel her. Das Mehl ist ohne Verarbeitung weder schmackhaft noch sonst etwas. Aus Wasser und Salz allein kann man auch nichts machen. Aber die Kombination aus den dreien reicht aus, um deftiges Brot zu machen. Das Triebmittel, der Sauerteig, lässt sich ebenfalls aus Mehl und Wasser gewinnen. Hefen und Bakterien sind überall! Die Grundvoraussetzung ist einzig Mehl mit Wasser zu verrühren, in ein Glas zu geben, es zu verschließen und am nächsten Tag, wieder etwas Mehl mit Wasser zu verrühren. Meistens verwenden wir heute noch zusätzlich oder
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statt dem Sauerteig Trockenhefe oder Hefewürfel, was aber nicht erforderlich ist. Im Grund reicht dieses einfache vorgehen völlig aus.
Getreidesorten, Inhaltsstoffe und praktische Verarbeitung Mehle sind natürlich das Um und Auf beim Brotbacken. Bei unseren typischen Brotbackmehlen handelt es sich um Süßgräser, aus denen unser Getreide gezüchtet wird. Am bekanntesten bei uns sind nach wie vor Roggen für eher dunkle, schwere und würzig schmeckende Bauernbrote und Weizen für hellere, weichere, lockerere und luftige Brote. Neben dem uns allen vertrauten Weizen sieht man heute in Bioläden vermehrt auch Getreidesorten wie Dinkel, Kamut, Emmer und Einkorn, die alle zu den Weizensorten zählen und daher ähnlich zu verarbeiten sind. Eine andere Verarbeitung erfordern Mehle aus klassischem Roggen oder dem Waldstauden-Roggen, da sie nicht wie die Weizenteige über hinreichend Gluten verfügen, die das Klebergerüst in den Weizenteigen aufbauen.
Betrachtet man ein Getreidekorn unter der Lupe, sieht man mehrere Schichten: Im Wesentlichen besteht es aus einem Mehlkörper, dieser vorwiegend aus Stärke, einem Keimling, der hochwertige Eiweiße, Fette, Mineralstoffe und Vitamine enthält und der Schale, die unter anderem Ballaststoffe und Minerale enthält. In der Mitte sitzt sozusagen der Mehlkörper, in diesem eingeschlossen lagert der Keimling, der Embryo, dessen erste Nahrung die mitgelieferte Stärke des Mehlkörpers darstellt. Ganz außen, als Schutz, ist das Korn von der Schale umgeben.
Angeblich wurden in einem ägyptischen Pharaonengrab Getreidekörner gefunden, die nach Jahrtausenden noch über ihre Keimfähigkeit verfügten. Das Getreidekorn als Ganzes ist ein von Energie und Kraft strotzender Winzling, der, sehr fein abgestimmt, wesentliches für unsere Nahrung liefert. Obwohl Getreide heute bei vielen in Verruf ist, wird meist auf die Unterschiede zwischen Auszugsmehlen, die fast nur mehr als Stärke bestehen, und wertvollen Vollkornmehlen, in denen das ganze Korn enthalten ist, nicht geachtet. Die bei uns meist verwendeten Mehle haben verschiedene Typenbezeichnungen wie „Weizenmehl Type 450“ oder Weizenmehl Type 1050 oder Roggenmehl mit der Typenbezeichnung 960, was auf den jeweiligen Ausmahlungsgrad hinweist. Ohne nun auf die Details der Ausmahlungsgrade einzugehen, muss man sich nur eine einfache Richtung merken: Je niedriger die Typenbezeichnung, desto höher der jeweilige Ausmahlungsgrad und je höher der Ausmahlungsgrad, desto mehr an Inhaltsstoffen. Gängige Weizenmehle mit einem Ausmahlungsgrad Type 405 bestehen fast nur mehr aus dem Mehlkörper, der reine Stärke ist. Der Anteil an Mineralstoffen, Vitaminen und Ballaststoffen ist dementsprechend gering. Reine Vollkornmehle weisen keine Typenbezeichnung auf, da sie noch alles enthalten. Warum man Mehle mit hohem Ausmahlungsgrad verwendet, ist einfach: Werden der Keimling und die Schale entfernt, so wird das Mehl fast uneingeschränkt haltbar. Da im Keimling am meisten Fett enthalten ist und da Fett ranzig werden kann, wird aus Gründen der Haltbarkeit der Rest entfernt. Dies stammt aus einer Zeit, wo man dachte, dass die reine Stärke wie der Name schon sagt - reicht und das alles übrige nur unnötige Ballaststoffe - wie eben-
falls aus dem Namen hervorgeht - sind. Früher galt einmal: Stärke ist gut, Ballaststoffe sind unnötig. Das ganze Korn, ob es von Reis oder Getreide stammt, enthält in einem sehr ausgewogenen Verhältnis verschiedene essentielle Nährstoffgruppen wie Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße und Mineralstoffe, Ballaststoffe und Vitamine. Das Verhältnis zwischen Kohlenhydraten und Eiweißen entspricht bei vollem Korn jenem Verhältnis von der Zusammensetzung wie der Muttermilch. Die Fette, die im Getreidekeimling vorkommen, sind ungesättigt und daher besonders wertvoll. Sie enthalten mehr Proteine als Fleisch. Aber im Getreide lassen sich die Proteine leichter abbauen, da im Getreide Mineralstoffe vorhanden sind, durch die das Eiweiß abgebaut werden kann, ohne dass es zur Säurebildung kommt. Die Kohlenhydrate des Getreides gehören zu den so genannten Polysacchariden, was komplexe Mehrfachzucker sind, die den Körper mit Energie versorgen. Im Gegensatz zu sehr schnell verbrennenden Kohlenhydraten, etwa Zucker, hält das Sättigungsgefühl bei vollem Korn eindeutig länger an. Auch die Schale enthält wertvolle Minerale und Vitamine. In ihrem ganzen Zustand bergen Getreidekörner eine sehr langlebige Energie in sich, was sich auch in der Haltbarkeit und Lebenszeit des ganzen Korns - wenn es richtig gelagert wird - zeigt. Gesundheitlich betrachtet spricht vieles dafür, das gesamte Korn zu verwenden oder zumindest einen Anteil an Vollkornmehlen, zu den einzelnen Mischungen hinzuzufügen. Ich verwende häufig Mischungen, die ich meist ohne abzuwiegen zusammenstelle. Macht man ein Brot aus reinem Vollkornmehl, so sollte man ca. 10 % mehr Wasser als in dem Standardrezept aus Auszugsmehlen verwenden. Ist der Teig allerdings schon sehr flüssig, braucht man dies nicht.
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Kleines Einkorn-Dinkel-Saatenbrot mit Mohn aus dem Topf Durch das Quellstück mit Saaten und den hohen Flüssigkeitsanteil ein helles Brot, das außergewöhnlich lang frisch bleibt. Zudem ein sehr schmackhaftes Frühstücksbrot. Kurzum: Eines von den hellen Broten, das ich am mache. Beim Mohn nicht sparsam sein. Man kann durchaus den ganzen Teigling mit Mohnsaaten bestreuen.
1 Für den Sauerteig: Anstellgut mit Wasser und Mehl gut verrühren (ca. 1–2 Min.) und über Nacht abgedeckt warm stellen (ca. 8–12h). Für das Quellstück ebenfalls Saaten mit Wasser verrühren (ca. 1 Min.) und über Nacht stehen lassen (ca. 8–12h). 2 Am nächsten Tag alle Zutaten mit der Gabel gut miteinander verrühren. (ca. 1–2 Min.)
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Sauerteig 80 g Anstellgut 120 g Einkorn 140 ml Wasser
Gesamtarbeitszeit Meine Arbeitsschritte
ca. 5–8 Min.
Brotbackteam bei der Arbeit
ca. 8–14 h
Quellstück 20g Leinsamen 20 g Sonnenblumenkerne 20 g Chia Samen 90 ml Wasser Hauptteig Sauerteig 160 g Roggen VK 130 ml Wasser 8 g Salz
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Simperl ø 16 cm Topf ø 16–18 cm
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3 Nun den Teig aus der Schüssel nehmen und auf eine bemehlte Arbeitsfläche geben, mit nassen Händen oder Teigkarten zwei Mal Falten (ca. 1–2 Min.) 4 Den Teig in ein bemehltes Brotsimperl geben (ca. 1 Min.) Anschließend bei Zimmertemperatur aufgehen lassen. (ca. 60–120 Min.) 5 Topf und Deckel vorheizen und den Teig direkt aus dem Brotsimperl in den Topf kippen. Den Teig mit einer Sprühflasche an der Oberfläche gut befeuchten und den Mohn darüber verteilen. 6 Den Topf zudecken und in den Ofen schieben. Bei 240 Grad ca. 50 Minuten backen und nach der Hälfte der Backzeit das Brot aus dem Topf nehmen und freischwebend fertig backen.
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Mischbrot mit Karotten aus dem Topf Ein wirklich saftiges Brot. Die Karotten für dieses Brot einfach roh grob raspeln und unter den Hauptteig mischen. Ansonsten ist es sehr leicht zu machen, da der Teig recht weich ist und sich daher leicht verrühren lässt und nur zusammengeschoben und geformt wird.
1 Für den Sauerteig: Anstellgut mit Wasser und Mehl gut verrühren (ca. 1–2 Min.) und über Nacht warm stellen (ca. 8–12 h.). 2 Am nächsten Tag alle Zutaten mit der Gabel gut miteinander verrühren (ca. 1–2 Min.).
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3 3 Nun den Teig aus der Schüssel nehmen und auf eine bemehlte Arbeitsfläche stülpen. 4 Mit ein paar Handgriffen rund formen und in ein gut bemehltes Brotsimperl geben (ca. 1–2 Min.). Anschließend bei Zimmertemperatur aufgehen lassen (ca. 60–90 Min.). 5 Topf und Deckel vorheizen und den Teig direkt aus dem Brotsimperl in den Topf kippen. Den Topf zudecken und in den Ofen schieben. (ca. 1 Min.) 6 Bei 240 Grad ca. 50 Minuten backen und nach der Hälfte der Backzeit das Brot aus dem Topf nehmen und freischwebend fertig backen.
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Sauerteig 80 g Anstellgut 120 g Roggen Vk 140 ml Wasser Hauptteig Sauerteig 80 g Dinkel Vk 80 g Roggen 960 100 ml Wasser 80 g Karotten 8 g Salz
Gesamtarbeitszeit Meine Arbeitsschritte
ca. 5–8 Min.
Brotbackteam bei der Arbeit
ca. 8–14 h
Simperl ø 16 cm, Topf ø 17, H 7–9 cm.
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Gesamtarbeitszeit Meine Arbeitsschritte
ca. 5 Min.
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Brotbackteam bei der Arbeit
ca. 6–9 h
Alles auf einmal: Roggen-Dinkel-Haselnuss Kastenbrot Ein großartiges Brot, dass durch die Haselnüsse, die Mischung aus Roggen und Dinkel, ein ganz besonderes Aroma bekommt. Am einfachsten ist es zuerst das Anstellgut, dann das Wasser und am Schluss Mehl und Salz zugeben und den Teig mit der Gabel kurz verrühren. Bei dieser Methode ist es wichtig halbwegs auf die Zeit zu achten. Bei 80 g aktiven Anstellgut, dass an Vortag gefüttert wurde und bei warmer Zimmertemperatur braucht der Teig circa 6–8 Stunden zum Aufgehen.
80 g Anstellgut 200 g Roggen Vk 80 g Dinkel Vk 80 g Roggen 960 340 ml Wasser 50 g Haselnüsse 8 g Salz
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1 Alle Zutaten vermengen und zu einem geschmeidigen Teig verrühren (ca. 1–2 Min.). 2 Den Teig einen Kasten füllen und glatt streichen (ca. 1–2 Min.). 3 Eventuell mit Saaten belegen, einschneiden (ca. 1 Min.) und aufgehen lassen (ca. 6–8 h). 4 Anschließend den Kasten bei 240 Grad ca. 50 Minuten backen. Bei der Hälfte der Backzeit das Brot aus dem Kasten nehmen und freischwebend fertigbacken.
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Inhalt Vorwort: Einfachheit
Keine Angst vor Sauerteig Reine Sauerteigbrote mit Urgetreide ohne Zusatzstoffe Grasessen auf hohem Niveau und das Brotbackteam Wissenswertes zu Topf- und Kastenbroten Meine Fünf-Minuten-Backmethode
6 8 10 12 14 24
Theoretische Hintergründe
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28 39 44 46 48 52 56 60 66
Der Sauerteig: ein Ökosystem Wer macht beim Brotbacken die Arbeit? Nur so viel wie nötig - so wenig wie möglich Das essentielle Trio: Mehl, Wasser, Salz Getreidesorten, Inhaltstoffe und praktische Verarbeitung Die Frischhaltung beginnt bei den Zutaten und der Zubereitungsform Teigbearbeitungen im Detail Variable Gehzeiten für flexibles Brotbacken Brot und Gesundheit
Praktische Anleitung: Vom Anstellgut zum fertigen Brot
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Der Sauerteig: Vom Ansetzen bis zum Verwenden Ansetzen von Quellstücken Topfbrote Kastenbrote Teigreife Die wichtigsten Kurzhinweise für Anfänger & Fortgeschrittene Alltägliche Tipps und Anregungen zum Brotbacken (= oft gestellte Fragen)
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Rezepte
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Alles auf einmal Methode Roggen-Dinkel Kastenhaselnussbrot Roggen-Dinkel-Saatenkastenbrot Dinkel-Saaten Mohnkastenbrot Naan und Pizza aus Sauerteig
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Dunkle Roggenbrote und Roggenmischbrote K Roggen-Einkorn-Saatenbrot aus dem Kasten M & G Roggen- Dinkel Saatenbrot aus dem Topf K Waldstaudenroggenwalnussbrot aus dem Kasten K Dreikornsonnenblumenbrot aus dem Kasten
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K & M Roggenhausbrot aus dem Topf K & M Waldstaudenroggenvollkornbrot aus dem Topf M Roggen-Dinkel-Leinsamenbrot aus dem Topf K Roggen-Apfelbrot aus dem Topf G Extra saftiges Waldstaudenroggenvollkornbrot aus dem Topf G Mischbrot mit Saaten aus dem Kasten G Roggen-Dinkel Flockenhaselnussbrot aus dem Kasten G Dreikornbrot aus dem Topf K Mischbrot mit Karotten aus dem Topf Vinschgauer „Laberl“
Dinkel-Einkorn-Emmerbrote
K & M & M Einkorn-Dinkel-Saatenbrot mit Mohn aus Topf M Helles Dinkel Sonnenblumenbrot M Einkorn-Dinkelsaatenbrot mit Kürbiskernmehl aus dem Kasten K Emmer-Dinkelbrot aus dem Topf K & G Emmer-Dinkel-Saatenbrot aus dem Topf K Emmer-Einkorn-Dinkel- Flockenbrot aus dem Kasten K & G Dinkel-Kartoffel-Oliven-Tomatenbrot aus dem Topf K & G Einkorn-Dinkel-Zwiebelkartoffelbrotbrot aus dem Topf K Emmer-Dinkel-rote Rübenbrot aus dem Topf K & M Emmer-Dinkel- Zucchini-Karottenbrot aus dem Topf K & G Dinkel-Kartoffelbrot aus dem Topf G Dinkel-Buchweizen-Saaten-Flockenbrot aus dem Topf
Einblicke in meine Experimentierbackstube
Erfahrungswerte zusammengefasst Sauerteigbrot mit Hefe – ist das zulässig? Geknetetes und verrührtes Brot Brot mit einer und zwei Garen Brot mit und ohne Dehnen und Falten als Zwischenschritte Unterschiedliche Gehzeiten beim Sauerteig Brote mit unterschiedlicher Flüssigkeitsmenge Wie viel Temperaturschwankungen verträgt ein Sauerteigbrot? Detmolder Dreistufensauerteigführung im Vergleich Meine Brotbackphilosophie: Die „ Fast-Nichts-Tun“ Methode
Glossar und Kurzzeichen
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190 190 202 208 214 218 226 232 236 244 252
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