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erzählt von Reich und Arm im Bregenzerwald
Reich und Arm
Der Vorarlberger Historiker Alois Niederstätter erzählt aus der Geschichte des Bregenzerwaldes. Diesmal über die historische Vermögensverteilung in der Talschaft
Als kürzlich publik wurde, dass die reichsten zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung 56 Prozent des Nettovermögens besitzen, erinnerte ich mich an die Daten, die Mathias Moosbrugger im Rahmen seiner Diplomarbeit aus Bregenzerwälder Steuerbüchern gewonnen hatte: Im Jahr 1617 belief sich der Anteil des reichsten Zehntels am Gesamtvermögen in den Gemeinden Au und Schoppernau auf gut 51 Prozent.
Das mag irritieren: Heißt es doch, der Bregenzerwald sei einstmals eine egalitäre „Bauernrepublik“ gewesen. Dem Bauern, Dichter und Sozialreformer Franz Michael Felder (1839–1869) diente dieser Mythos, zu dessen Verbreitung er selbst wesentlich beitrug, jedoch in erster Linie als Projektionsfläche für seine Vision von einer besseren Zukunft. Wie weit die soziale Schere im eigenen dörflichen Umfeld offen stand, thematisierte er eindrücklich in „Reich und Arm“, seinem zweiten Roman.
Am Grundmuster sozialer Ungleichheit änderte sich jahrhundertelang kaum etwas: Kleine Spitzengruppen dominierten ihr näheres Umfeld aufgrund ihres Vermögens, durch die Ausübung öffentlicher Ämter, durch ein Naheverhältnis zu den Vertretern der Obrigkeit, durch den ihnen zugestandenen Ehrenvorrang sowie durch den Aufbau einer Klientelschaft und von verwandtschaftlichen Netzwerken.
Große Bedeutung kam der Heiratspolitik zu, die sich nicht nur am Besitz, sondern auch an „Stand und Namen“ orientierte. Nicht selten machte es das Erfordernis „standesgemäßer“ Heirat notwendig, Partner aus der engeren, ja engsten Verwandtschaft zu wählen, wozu es eines kirchlichen Dispens bedurfte. Josef Anton Feurstein, der sich mit seiner Cousine Anna Katharina Metzler vermählen wollte, gab aus diesem Anlass zu Protokoll: „Wenn ich meinen Verhältnissen angemessen heurathen will, so bin ich gezwungen, [...] eine so nahe Anverwandte zu ehelichen.“ Von ausgeprägtem Standesbewusstsein zeugt auch die Stellungnahme der Braut: „Wollte ich wirklich einen unter meinen Verhältnissen heurathen, so müsste ich selbst sprechen, denn es getraut sich keiner, mir einen Antrag zu machen aus Furcht, er werde eine abschlägige Antwort erhalten. Mich selbst aber antragen könnte ich nicht,