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der Bäume“ Conrad Amber erzählt von der Wirkung eines Waldes
Frisch im Wald und erholt
Der Wald hilft uns, zu gesunden. Vorausgesetzt, wir begehen ihn sorgsam, langsam, eben behutsam. Und wenn möglich barfuß. Das garantiert einen Sinngewinn in höchstem Maße. Man geht bewusst, vorsichtig und leise – die beste Möglichkeit, auch die Tiere des Waldes zu Gesicht zu bekommen und seine Kraft auf sich selbst zu übertragen
Seit Menschen den Bregenzerwald besiedeln, leben sie in einer engen Beziehung und Abhängigkeit zum Wald. Die steilen Bergwälder beschützen das Tal und erbringen das Holz fürs Heizen und zum Hausbau. Das typische Bregenzerwälderhaus ist seit jeher großteils aus Holz gebaut und mit Holzschindeln beschlagen. Fichte, Weißtanne, Rotbuche, Bergahorn und Esche sind die vorherrschenden Baumarten in dieser Region mit einer rekordverdächtigen Dichte an holzverarbeitenden Betrieben. Die Qualität des Holzhandwerks ist weit über die Grenzen hinaus bekannt und wird seit Jahrhunderten gepflegt, verfeinert und weitergegeben. Der Bregenzerwald trägt seinen Namen also zurecht.
Nicht nur dort sind einige von uns öfters im Wald, arbeiten in und mit ihm, entspannen sich darin oder fürchten ihn. Doch was ist ein Wald genau? Wie funktioniert er, und was haben wir von ihm? Wie können wir ihn lesen, nützen, schützen?
Der Wald ist das wohl komplexeste Ökosystem unserer Welt. Die Wissenschaft spricht von einem Organismus, in dem alles seine Funktion hat. Der Wald ist ein Sammelsurium unzähliger Lebensformen. Jede hat ihren Platz und ist abhängig von anderen. Im Wald gibt es keinen Abfall, alles hat eine Bedeutung, wird wiederverwertet. Er ist ein Recylingspezialist, von dem wir sehr vieles lernen können.
Das Geheimnis des Waldes fängt im Waldboden an. Dort, wo sich die Wurzeln ausweiten, manchmal metertief und -weit hinaus zu den nächsten Bäumen. Dort, wo die Pilze ihr riesiges System an Myzelien in kilometerlangen Fäden spinnen und so die Wurzeln der Bäume in symbiotischer Weise verbinden. Wo Nährstoffe ausgetauscht und Informationen versendet werden, leben Millionen kleinster Lebewesen: In einer Handvoll Walderde gibt es mehr Mikroorganismen als Menschen auf der Welt. Waldbäume kommunizieren durch ihre Wurzelenden und ihre Ausatmung. Bei der Photosynthese wird CO2 in Sauerstoff und nährstoffreichen Zucker umgewandelt. Dabei werden Botenstoffe, sogenannte Terpene, frei. Blätter und Nadeln verströmen diese Duftmoleküle; so kommunizieren Bäume derselben Art untereinander. Bislang wurden über 200 unterschiedliche Signalstoffe analysiert. Man kann sie etwa mit Worten unserer Sprache gleichsetzen. Insofern sind unsere Bäume gar nicht so wortkarg.
Das Einatmen dieser Terpene tut uns gut. Die Botenstoffe dringen über Atemwege und durch unsere Haut in unseren Körper ein und verändern messbar unser Blutbild. Es wird besser, je länger wir im Wald verweilen. Allergene und Cholesterinspiegel nehmen ab, Killerzellen und weiße Blutkörperchen werden mehr. Das alles geschieht quasi nebenbei, ohne dass wir uns besonders anstrengen oder bestimmte Übungen absolvieren müssen. Der Wald hilft uns zu gesunden, er stärkt uns durch seine Botenstoffe. In naturnahen Wäldern atmen wir die beste Luft dieser Erde ein. Nirgendwo sonst gibt es mehr Sauerstoff, werden Feinstäube durch die Blatt- und Nadeloberflächen so stark absorbiert. So bleibt uns die reinste Atemluft, wohlriechend und gekühlt. Angenehmer und schneller kann man sich nicht erholen.
Im Wald kann ein Mensch nicht schlecht gelaunt sein. Das geht einfach nicht. Wer einen Wald erlebt hat, wird mir recht geben. Bereits nach wenigen Minuten verfliegt der Stress des Alltags, ordnen sich die Sorgen und Probleme zu einer wunderbaren Klarheit, lässt man los und findet mit Hilfe der Natur zu sich. Conrad Amber