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Wälder, weit, weit weg
spannende Sache. Sie hat viele Menschen aus dem Tal zum ersten Mal in den kulturverein bahnhof geführt. So haben wir entschieden, das in unser Programm aufzunehmen. Es ist ja auch Kultur, wenn das Dorf zusammenkommt und im bahnhof Altes für die Zukunft repariert.“
Der kulturverein bahnhof bietet Platz für etwa hundert sitzende Besucher*innen. Im ehemaligen Schalterbereich befindet sich eine kleine Bar. „Der wichtigste Ort nach einer Veranstaltung, da stapeln sich die Gäste gut und gern.“ Der einstige Warteraum dient als Bühnen- und Besucherraum. Hinten ist Platz für Stehtische und eine Couch, vorne ist bestuhlt, die Bühne nah und kaum erhöht. „Ein ganz besonderes Setting. Die Künstlergarderobe befindet sich in einem alten Waggon vor der Tür, nichts ist hier weitläufig, so kommen sich alle wirklich nah. Eine freie Begegnungszone an einem Ort, der immer auch noch Erinnerungen ausstrahlt. Hier hielt das Wälderbähnle von 1902 bis 1980, das schwingt noch immer mit. Die einen sind selbst noch mit der Bahn gefahren, andere sind an Eisenbahnen generell interessiert. Auf alle anderen wirken die Räume mit ihrer Geschichte.“ Pöltl deutet auf Stellen in der Wand, die auch nach der Sanierung den Blick auf die ursprüngliche Tapete oder die darunterliegende Ziegelmauer freigeben. „Manche wollen es genauer wissen und stellen Fragen. Da kann ich zumindest mit ein paar Informationen aushelfen, etwa dass das Wälderbähnle auf der Spurweite von 760 Millimetern fuhr, der ,bosnischen Spurweite‘.“
Die meisten freilich kommen wegen des Programms. Das ist vor allem eines: vielfältig. „Was ich so großartig finde“, schwärmt Andreas Schwarzmann. „Es fließen so viele unterschiedliche Vorschläge in das Programm ein, dass der Einzelne nicht alles kennen kann. Etwa das Tanzwochenende. Ich bin selbst seit langem mit dem Irish Dance verbunden, aber andere Tänze waren für mich neu: Es gab Workshops, ein Tanzcafé und eine Disco. Jetzt fragen sehr viele nach einer baldigen Wiederholung.“ Pöltl ergänzt: „Wir können hier keine großen Konzerte veranstalten, aber wir können Künstler in einem intimen Rahmen präsentieren. Etwa Prinz Grizzley. Der füllt mit seiner Countrymusik und seiner Band Festivalarenen in weitem Umkreis. Sein erster Auftritt im kulturverein bahnhof war speziell: unter strengen Corona-Bedingungen. Publikum mit Maske, konzertant bestuhlt. Da wurde mit dem Klatschen gewartet, bis der letzte Ton ausgeklungen ist. Das war für alle sehr besonders. Wir haben hier Formationen, die sich ausprobieren können und vielleicht von hier aus eine Karriere starten. Wir präsentieren Musik, Literatur, Kunst oder Kabarett aus Richtungen, die man noch kaum kennt. Vor knapp 15 Jahren wurde ich gebeten, an der Bar auszuhelfen. Ein Konzert mit einem unbekannten Musiker: Herbert Pixner. Auf der Bühne ein Akkordeon, eine Harfe und eine Bassgeige. Vermutlich nix für mich. Ich machte den Bardienst, und weil da bald nichts mehr los war, ging ich in den Veranstaltungsraum. Fünf Minuten später passierte es – eine persönliche Epiphanie: Ich saß da und weinte in Sturzbächen, so ergriffen von der Musik. Sie hat mich so weit getragen, dass ich heute noch Gänsehaut bekomme, wenn ich daran denke. Dafür kann man den kulturverein bahnhof auch besuchen: Damit er Dinge näherbringt und Welten öffnet.“ Carina Jielg
Der Musiker Bartholomäus Natter berichtet von Menschen aus dem Bregenzerwald, die in der Fremde wirken
Stille im Wald, Trubel an der Donau
Andreas Broger stammt aus Mellau, lebt aber seit über elf Jahren als Musiker in Wien. Von dort aus tourt er durch die Welt. Seine Bregenzerwälder Wurzeln gehen tief, doch eine Rückkehr in das Dörfchen zwischen Hangspitze, Gopfberg und Kanisfluh ist nicht geplant.
Bevor er sich an der Donau niederließ, war Andreas als musizierender Soldat bei der Militärmusik in Bregenz tätig und studierte in Innsbruck klassisches Saxophon. Er war viel mit der Band „holstuonarmusigbigbandclub“ (kurz: hmbc) unterwegs, musste regelmäßig Zeit im Bregenzerwald verbringen, denn die Hälfte der Musiker wohnte zwischen Langenegg und Mellau.
Er schätzt vor allem die Nähe zur Natur, wenn er seine Verwandten im Bregenzerwald besucht: „Ich finde es schön, dass so viel Grün ist rund ums Haus, und gehe wirklich viel spazieren, wenn ich daheim in Mellau bin. Da genieße ich sehr, dass ich in wenigen Minuten mehr oder weniger im Wald stehe.“ Ein kraftvoller Kontrast zum Leben in Wien. „Die Vielfalt des kulturellen Angebots in Wien ist sehr hoch. Dass ich mitten unter der Woche in hochkarätige Konzerte und Museen gehen kann, ist toll. Ich setze mich auch gern ins Kaffeehaus. Der ganze Trubel, der dort herrscht, ist eine wunderbare Abwechslung zur Ruhe und Idylle im Bregenzerwald.“
Nach der Auflösung des hmbc vor fünf Jahren wurde der Kontakt zur alten Heimat etwas weniger. Doch das soll sich wieder ändern. „Vor einiger Zeit fing ich an, Volksmusikstücke zu schreiben. Mich interessiert die Tradition der Bregenzerwälder Volksmusik wieder mehr.“ Nach Jahren in verschiedenen Bands möchte er sich in der nächsten Zukunft mehr auf sich selbst konzentrieren: „Mittlerweile glaube ich, dass ich mein eigenes Ding machen muss. Ich möchte herausfinden, wo mich das hinführt. Dazu gehört wohl eben auch, meine Identität und meine Herkunft miteinzubeziehen – so kommt die Volksmusik ins Spiel und das, was ich damit verbinde.“
Eine permanente Rückkehr in den Bregenzerwald ist nicht geplant, er wird uns mit seinen musikalischen Projekten aber besuchen.