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CORONAVIRUS: Alles wird gut

Alles wird gut

Es ist, als ob jemand den Alltag von Millionen Menschen auf Standby gesetzt hätte: Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieser Ausgabe des „Brixner“ steht auch in Brixen aufgrund des Coronavirus alles still. Wie lange diese Situation andauern wird, hängt vom Verhalten jedes Einzelnen ab.

Das ist der Krieg unserer Generation“, sagt ein Bekannter, den ich auf dem Weg von der Redaktion nach Hause antreffe. Vor 80 Jahren kämpften unsere Großväter gegen Bomben, wir kämpfen gegen ein Virus. Der Bekannte und ich halten natürlich einen Sicherheitsabstand ein. Dass lauter Straßenverkehr unsere Kommunikation stören könnte, ist sowieso unmöglich, denn an diesem Abend, 19 Uhr, gibt es in der Battististraße praktisch keinen Verkehr. Dort, wo an dieser Tageszeit normalerweise die Autos fast Stoßstange an Stoßstange stehen, herrscht heute gähnende Leere. Sogar auf der Brennerstraße beim BrixmediaKreisverkehr gibt es nur einzelne Autos. Motorenlärm war gestern, heute ist … Hörsturz. So fühlt sich die unheimliche Stille, die über Brixen liegt, jedenfalls an.

Es ist wie ein verheerender Kometeneinschlag, der das Leben von Millionen Menschen von einem Moment auf den anderen verändert. Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 ist ein hintertückisches Virus, das die Covid-19-Pandemie ausgelöst hat. Das Virus wird über Tröpfchen von Mensch zu Mensch übertragen; dessen Verbreitung bekommt man – solange es dagegen keine Impfung gibt – nur dann in den Griff, wenn zwischenmenschliche Kontakte auf Null gefahren werden. Dass weltweit alle Menschen einen Sicherheitsabstand voneinander einhalten – das stellt man sich einfach vor, ist es aber nicht. Es ist aber der einzige Weg, denn ein Infizierter merkt für viele Tage überhaupt nicht, dass er Träger ist und das Virus weitergibt. Alexander Kekulé, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Halle-Wittenberg, hat kürzlich in der Anne-WillShow in der ARD, in der man noch die Sinnhaftigkeit der Schließung von Schulen diskutierte, eine dramatische Kalkulation präsentiert: „Ein an Corona erkranktes Kind, das acht Wochen nicht erkannt wird, steckt statistisch rund 3.000 Menschen an. Davon müssen 200 bis 300 auf die Intensivstation, und etwa 15 sterben.“

Bei den Erwachsenen ist es genauso: Ein Träger, der im Pub mitten in einer Menschenmenge steht und sich durch den dort vorherrschenden Lärm lautstark unterhält, ist eine wahre Virenvon Ländern, die 2002 von der SARS-Epidemie verschont geblieben sind, können sich überhaupt nicht vorstellen, wie gefährlich eine Pandemie ist. Also müssen die Regierungen ihre Bürger zu ihrem Glück zwingen.

Mutige Entscheidungen. Das erreicht ein Staat nur durch sehr mutige Entscheidungen: Er muss alle Universitäten, Schulen und Kindergärten sperren und alle Geschäfte schließen, die nicht für die Grundversorgung der Menschen

Foto: Pablo Acero

Auch beim Weißen Kreuz hat Sicherheit die höchste Priorität

schleuder – ein „Super Spreader“. Ein infizierter, aber vollkommen symptomfreier Büronachbar, mit dem man den ganzen Tag beieinandersitzt, ist ebenfalls eine große Gefahrenquelle. Jemandem die Hand reichen, der infiziert ist, und sich danach an die Nase fassen – auch das reicht oft schon aus. Das Problem ist: Die Bürger notwendig sind. Menschenansammlungen jeglicher Art sind sowieso tabu, weil sich dort dieses Virus natürlich am schnellsten verbreiten kann. Das heißt, dass alle Veranstaltungen abgesagt werden müssen, alle Restaurants, Bars und Pubs müssen zusperren. Die Leute müssen zuhause bleiben – eine Ausgangssperre in dieser Dimension ist einzigartig in der Geschichte der Menschheit.

Es hat eine Weile gedauert, bis alle von uns verstanden haben, worum es eigentlich geht und dass alle Maßnahmen Makulatur sind, wenn wir die Ausgangssperre missachten. Anstatt im gesperrten Pub zu feiern, haben viele in den ersten Tagen zuhause noch eine Party veranstaltet.

Maßnahmen wie die vorhin genannten waren vor zwei Wochen noch undenkbar – heute sind sie Realität. Brixen steht still.

Südtirol steht still. Italien steht still. Österreich steht still. Deutschland steht still. Spanien steht still. Frankreich steht still. Belgien steht still. Alles zu. Als ob jemand auf die Pause-Taste des alltäglichen Lebens gedrückt hätte.

Italien hat allerdings – wie alle anderen Länder – einige Tage zu spät reagiert. Und bei diesem

UNGEWOHNTES BILD: Die menschenleere Brixner Altstadt an einem Freitag Nachmittag

Drastische Maßnahme: Bis auf Lebensmittelläden, Drogerien und Apotheken bleiben alle Geschäfte geschlossen, und auch die Acquarena ist gesperrt

Virus ist jeder Tag entscheidend. Politiker handeln manchmal etwas zögerlich, weil sie natürlich von allen Seiten enormen Druck bekommen. Wer die Pause-Taste drückt, setzt die Wirtschaft in einem ganzen Land fast auf Null – diesen Mut muss man als Entscheidungsträger erstmal haben.

Alles begann in China. Begonnen hatte alles am 26. Dezember 2019 in China, genauer gesagt in der Region Hubei. Der Arzt Jixian Zhang hatte bemerkt, dass es in einer einzigen Familie vier unübliche Fälle von schwerer Lungenentzündung gab. Am nächsten Tag sandte er einen entsprechenden Bericht an ein Zentrum für Seuchenkontrolle. Einen Tag danach gab es drei weitere Fälle im selben Krankenhaus. Das SARS-erprobte China reagierte schnell: Bereits am 31. Dezember benachrichtigte man die Weltgesundheitsorganisation. Am 7. Jänner 2020 wurde das Virus schon identifiziert, am 13. Jänner waren die ersten Testverfahren erhältlich. Nur sieben Tage später, am 20. Jänner, hat China die Millionenstadt Wuhan abgeriegelt – und das bei nur 400 neuen Fällen an einem Tag. Drei Tage später wurden 15 weitere Städte im Umkreis von Wuhan gesperrt – fast 60 Millionen Einwohner befanden sich plötzlich in einer De-facto-Quarantäne.

Die anderen Regionen in China wurden von der Zentralregierung gut koordiniert, sodass dort sofort

drastische Maßnahmen ergriffen wurden. Während also Hubei isoliert war, konnte man die Verbreitung des Virus im restlichen China sofort stoppen.

Doch dann kamen Südkorea, Italien und der Iran.

In Italien wurden die ersten beiden Fälle am 30. Jänner diagnostiziert, worauf die Regierung noch am selben Tag alle Flüge von und nach China verboten hat. Da waren die beiden Chinesen aber bereits seit einer Woche in Italien gewesen. Am 31. Jänner erklärte die italienische Regierung den Ausnahmezustand. Dann aber verging zu viel Zeit: Erst am 23. Februar wurden jene Gemeinden um Codogno, in denen die meisten Fälle registriert worden waren, isoliert. Codogno ist nur 60 Kilometer von der Millionenstadt Mailand entfernt. 23 Tage – das ist bei einem Virus, das sich exponentiell verbreitet, eine Ewigkeit.

Dass Italien so lange gebraucht hat, hat seine Gründe: Die Entscheidungen Chinas zu Wuhan hielten viele für überzogen. Gnadenlos verbreitete sich die irrige Meinung, bei Covid-19 handle es sich um eine etwas stärkere Grippe. „Wer wird denn wegen einer Grippe ganze Städte sperren?“ Und: „Auch ohne dieses Virus sterben jedes Jahr sehr viele Menschen an der normalen Grippe.“ Es hat auch bei uns in Südtirol viel zu lange gebraucht, bis die meisten verstanden haben, warum das neue Coronavirus eben keine „normale“ Grippe verursacht: 80 Prozent der Infektionen verlaufen zwar mild und meist unproblematisch, 10 bis 15 Prozent brauchen aber medizinische Betreuung und 5 bis 10 Prozent müssen intensivmedizinisch behandelt werden, und das für mehrere Wochen. Südtirols Krankenhäuser haben aber heute insgesamt lediglich 40 Intensivstationsbetten.

Das ist das Problem. Wenn man nichts tut und die Verbreitung des Virus nicht eingebremst wird, geraten die Krankenhäuser sehr schnell an ihre Grenzen. Unabhängig davon, dass das notwendige Personal sowieso fehlt, ist das Aufstocken der Strukturen auch nicht so einfach: Beatmungsmaschinen kann man nicht bei Amazon bestellen. Allein der Erwerb der für die Sicherheit der Krankenhausbediensteten notwendigen Atemschutzmasken ist heute eines der größten Probleme des Zivilschutzes. Sie sind aber absolut notwendig, damit das Personal in den Krankenhäusern sich nicht infiziert. Das Brixner Krankenhaus schrammte vor einigen Tagen knapp an einer erzwungenen Schließung vorbei, weil es in einer Abteilung mehrere Infizierte gab. Man schaffte es schnell genug, die Verbreitung innerhalb des Krankenhauses zu stoppen.

Wenn die Krankenhäuser an ihre Grenzen kommen, dann passiert das, was bis vor zwei Wochen ebenfalls noch undenkbar war: Ärzte müssen über Leben und Tod entscheiden. In manchen Krankenhäusern in der Lombardei sollen heute – wir schreiben den 16. März – Patienten ab 70, die eine Vorerkrankung haben, gar nicht mehr aufgenommen werden – es ist einfach kein Platz mehr für sie da. Wissenschaftler und Virologen haben schon frühzeitig eindringlich darauf hingewiesen, dass überlastete Krankenhäuser zu höheren Todesraten führen werden. Wer will dafür schon die politische Verantwortung übernehmen?

FRIEDRIC H UBERBACHER

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Boris Vinatzer unterrichtet seit zehn Jahren einen Kurs an der Virginia Tech Universität über Infektionskrankheiten wie COVID-19, wie diese Krankheiten entstehen und wie man sie bekämpft. Für den „Brixner“ hat er „eine kleine historische Perspektive” geschrieben.

Menschen (sowie Tiere und Pflanzen) haben bereits in unserer Evolutionsgeschichte Ausbrüche von Infektionskrankheiten erlebt. Das Pockenvirus trat zum ersten Mal vor Tausenden von Jahren auf, hatte eine Todesrate von 30 Prozent und tötete im 20. Jahrhundert wahrscheinlich bis zu 300 Millionen Menschen, bis wir es durch Impfung aus der menschlichen Bevölkerung ausrotteten. Die Pest verursachte die erste Pandemie unter dem Römischen Kaiser Justinian und trug zum Ende des römischen Reiches bei. Im Mittelalter tötete sie dann 30 bis 60 Prozent der europäischen Bevölkerung und ungefähr 50 Prozent der Bevölkerung Chinas; es dauerte 150 bis 200 Jahre, bis sich die europäische Bevölkerung erholt hatte. Die Spanische Grippe tötete weltweit zwischen 1918 und 1920 in nur zwei Jahren etwa 17 bis 50 Millionen Menschen. AIDS hat zwischen 1980 und heute 32 Millionen Menschen getötet. All diese Krankheiten sind dadurch entstanden, dass irgendwo auf der Welt ein Virus oder ein Bakterium von einem Tier auf einen Menschen übergesprungen ist, sich durch ein paar Mutationen an den Menschen angepasst hat und sich dann in der menschlichen Bevölkerung verbreiten konnte. Dasselbe geschah mit dem Virus, das die Lungenkrankheit COVID-19 verursacht. Es war also nicht das erste Mal, und es wird nicht das letzte Mal sein. Nun die guten Nachrichten. Aufgrund der unglaublichen Fortschritte in der biomedizinischen Wissenschaft wurde das Virus, das COVID-19 verursacht, innerhalb von nur zwei Wochen nach dem ersten Auftreten ungewöhnlicher Lungenentzündungen in Wuhan, China, vollständig sequenziert (in anderen Worten, die Gen-Sequenzen des Virus wurden komplett gelesen). Die Technologie, die dazu verwendet wurde, ist erst nach dem Jahr 2000 entwickelt worden! Weil das Virus so schnell identifiziert wurde, konnten Wissenschaftler sogleich einen Test entwickeln, um es bald darauf bei neuen Patienten zu diagnostizieren. Dies ist das allererste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass wir dies so schnell tun konnten. Dies hat es ermöglicht, die Ausbreitung des Virus innerhalb von Wochen nach seinem Auftreten in der menschlichen Bevölkerung weltweit zu verfolgen und die Ausbreitung wenigstens etwas zu verlangsamen. Ohne die schnelle Sequenzierung des Virus und ohne die schnelle Testentwicklung würden wir überhaupt nicht wissen, dass es sich um ein neues Virus handelt. Wir hätten keine Ahnung, wie viele Leute sich infiziert haben! Anstatt Tausenden von Toten hätten wir wahrscheinlich schon Zehntausende oder Hunderttausende Tote! Außerdem: Sobald die Gen-Sequenz des Virus identifiziert wurde, haben Unternehmen auf der ganzen Welt begonnen, mit Hilfe der Biotechnologie Impfstoffe gegen das Virus zu entwickeln. Die Technologie dazu ist auch erst in den letzten zehn Jahren ausgereift! Die ersten Impfstoffe werden heute bereits am Menschen getestet. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit werden wir möglicherweise innerhalb eines Jahres einen Impfstoff gegen ein neues Virus haben.

Also handelte Italien endlich und isolierte zehn Gemeinden um Codogno. Das war am 23. Februar; da hatte es in Italien zwar bereits die ersten Todesfälle, aber gerade einmal 220 positiv Getestete gegeben – die Dunkelziffer war aber natürlich viel höher. Deshalb wäre das aus heutiger Sicht der richtige Zeitpunkt gewesen, den Alltag auf dem gesamten Stiefelstaat herunterzufahren. Wenn man damals alles gesperrt hätte, wenn man es geschafft hätte, die Bevölkerung davon zu überzeugen, auf soziale Kontakte für zwei oder drei Wochen gänzlich zu verzichten, dann hätte man am Ende nur jene behandeln müssen, die zu diesem Zeitpunkt bereits infiziert waren. Das alles ist aber leichter gesagt als getan.

Shut-down. Italien tat das, wofür man den jeweiligen politischen Konsens fand, weil die Zahl der positiv Getesteten von Tag zu Tag anstieg: Man fuhr das Land Schritt für Schritt herunter. Zuerst isolierte man, wie gesagt, 60.000 Leute in einigen Gemeinden der Lombardei. Am 5. März sperrte man landesweit die Kindergärten, Schulen und Universitäten, was einen aus heutiger Sicht etwas diskutabel wirkenden Aufschrei von verzweifelten Eltern hervorrief, die eine Kinderbetreuung organisieren mussten, wenn beide berufstätig waren. Anschließend

Wir müssen dankbar sein für die Fortschritte, die die Wissenschaft gemacht hat. Und wir haben großes Glück, heute zu leben! Noch vor zehn Jahren wäre die heutige Situation noch viel schlimmer gewesen. Leider ist das Problem, mit dem wir jetzt konfrontiert sind, die Unvollkommenheit unserer menschlichen Natur. Da wir uns seit der Spanischen Grippe nicht mehr mit einer Pandemie befasst haben, die sich so schnell von Mensch zu Mensch ausbreitet, waren wir nicht auf COVID-19 vorbereitet und haben zu langsam reagiert. Wird schon nicht so schlimm werden, dachten wir uns. So haben wir zwar die Wissenschaft und die Technologie entwickelt, aber wir haben nicht effizient und schnell genug gehandelt. Daraus müssen wir lernen, sodass wir auf die nächste Pandemie besser vorbereitet sind und das nächste Mal nicht mehr Tausende Tote zu beklagen haben, sondern vielleicht nur Hunderte oder sogar nur Dutzende. Jetzt heißt es also zunächst: zuhause bleiben, damit das Virus sich immer langsamer ausbreitet und wir Zeit gewinnen, die entwickelten Impfstoffe zu testen, zu verbessern und in Massenproduktion herzustellen.

verbot man Veranstaltungen und Menschenansammlungen jeglicher Art; sogar Serie-A-Spiele mussten vor leeren Rängen ausgetragen werden. Dann erweiterte man die „rote Zone“ auf die gesamte Lombardei, den Veneto und die Emilia Romagna. Am 10. März erklärte man ganz Italien zur „roten Zone“; Restaurants, Bars und Cafés zwang man, bereits um 18 Uhr zuzusperren, und auch Skigebiete wurden geschlossen. Und am 12. März schließlich verbot man den Betrieb von Einzelhandelsgeschäften – mit Ausnahme einiger Warengruppen, die zur Grundversorgung der Bevölkerung dienen. Am Ende erweiterte man die Totalsperrung auf Restaurants und Bars. Und schließlich zwang man 60 Millionen Menschen, möglichst in ihren eigenen vier Wänden zu bleiben – mit Ausnahme unbedingt notwendiger Bewegungen – um Lebensmittel zu kaufen zum Beispiel oder aus Arbeitsgründen. Innerhalb einer Woche fuhr man das ganze Land herunter – meist mit einem Dekret, das am späten Abend von Ministerpräsident Giuseppe Conte unterzeichnet wurde und am nächsten Morgen bereits galt. Resteuropa blickte verdutzt auf das, was Italien da tat.

Es gibt einen positiven Aspekt: Conte erwies sich als glaubwürdiger und charismatischer Krisenmanager – ein Glücksfall für Italien. Und die Abgeordneten

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Minutenlang kein einziges Auto: So leer sah man die Autobahn noch nie

aller Parteien übten sich in dem, worin sie normalerweise leider nicht fähig sind: Sie schwiegen. Bis auf Matteo Salvini natürlich, der wie gewohnt polterte. Wir erinnern uns daran, dass es nur durch die kluge Entscheidung der Koalition zwischen PD und Cinque Stelle gelungen war, Salvini als Ministerpräsidenten zu verhindern. Am 27. Februar, als Conte die ersten Dekrete zur Schließung von Schulen und Betrieben unterschrieben hatte, schimpfte Salvini: „Aprite tutto!“ Man mag sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn anstelle des klugen Jura-Professors Conte heute ein Matteo Salvini oder ein Luigi Di Maio die Verantwortung für Italien tragen würde.

Und jetzt möchte ich den Fokus auf ein enormes Problemfeld dieser Pandemie lenken, und das sind … wir. Conte musste deshalb immer drastischere Maßnahmen setzen, weil die Bevölkerung in den jeweiligen Stufen nicht verstehen wollte, worum es eigentlich geht. Schloss er die Bars, feierten die Leute Privatpartys. Schloss er die Schulen, fuhren die Studenten zu Tausenden auf die Skipiste und standen vor den Aufstiegsanlagen Schlange. Und am Abend genehmigte man sich im überfüllten Gastlokal eine Pizza. Und danach ging es vielleicht sogar noch in die Disco, denn am nächsten Tag war ja … schulfrei!

Wir Südtiroler verhielten uns keineswegs vernünftiger. Auch bei uns wurde privat gefeiert, auch wir gingen in die Pizzeria, zum Eishockey-Spiel, und wenn es möglich gewesen wäre, wären wir wohl auch ins Konzert oder zur hl. Messe gegangen. Es ist leicht, heute mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Fehleinschätzungen zu zeigen, die noch Anfang März zirkulierten – im Nachhinein sind viele schlauer. Neben der Pandemie gab und gibt es nämlich noch eine Epidemie der Fehlinformation – vor allem in den sozialen Medien. Zweifelhafte Links mit noch zweifelhafteren Inhalten wurden und werden immer wieder geteilt, per Facebook oder Whatsapp. Zum Beispiel, dass es gegen das Virus helfen würde, wenn man in jedem Raum im Haus eine Schale mit Zwiebeln aufstellen würde. Oder dass „ein gutes Immunsystem, eine gesunde und zufriedene Lebensweise“ hilfreich seien. Vermeintliche Experten aus Taiwan sollen den Megaknaller-Selbsttest erfunden haben, mit dem man erkennen kann, ob man infiziert ist: „Tief einatmen und den Atem für mehr als zehn Sekunden anhalten.“

LH Arno Kompatscher: #bleibzuhause! Besser wurden die Verhaltensweisen in Südtirol eigentlich erst, als Südtirol mit ganz Italien zur Schutzzone erklärt wurde und Landeshauptmann Arno Kompatscher einen Tag später eine Kommunikationsoffensive startete: „#bleibzuhause. Bewegen wir uns nur, wenn wir unbedingt müssen. Wenn die Zahl der Kranken so niedrig wie möglich bleibt, kann das Gesundheitswesen diese Aufgabe bewältigen. #schützedichundandere.“ Kompatscher, aber auch Zivilschutz-Landesrat Arnold Schuler, Gesundheitslandesrat Thomas Widmann und Wirtschaftslandesrat Philipp Achammer haben es in wenigen Tagen geschafft, die Südtiroler zu überzeugen.

Denn das Virus hat in Italien längst Ausmaße angenommen, die erschreckend sind. Zwischen 25. Februar und heute, 16. März, stieg die Anzahl der positiv getesteten Personen in Italien von 322 auf knapp 28.000, und leider haben

auch die Todesfälle dramatische Ausmaße erreicht: Bis heute sind es 2.158, die meisten davon in der Lombardei. Angelo Borrelli, Chef des Staatlichen Zivilschutzes, hat die deprimierende Aufgabe, in der täglich um 18 Uhr stattfindenden Pressekonferenz die neuen Fallzahlen zu veröffentlichen. 30.000 Italiener schauen sich jeden Tag den Stream dieser Pressekonferenz im Internet an. Es gibt nur einen Grund, warum die ganze Nation jeden Tag auf die neuen Zahlen wartet: Es ist die Hoffnung, dass Italien „il picco“ endlich hinter sich hat und dass die jeweilige Anzahl der neuen Fälle endlich wieder sinkt. Heute, 16. März, 18 Uhr, gibt es in dieser Hinsicht einen vorsichtigen Hoffnungsschimmer.

Eigentlich müsste die Trendwende leider noch etwas auf sich warten lassen: Italien liegt zwar inzwischen seit einer Woche flach, aber die ersten Auswirkungen sind frühestens zwölf Tage später zu erwarten, denn die Infizierung kann ja bereits bis zu zwei Wochen vorher passiert sein.

Die Fallzahlen in Südtirol sind übrigens auch erheblich, aber natürlich weit vom „Epizentrum“ Lombardei und Veneto entfernt: Bis heute, 16. März, wurden 244 Menschen positiv getestet, und leider gab es auch schon die ersten acht Todesfälle. Während diese Zeilen entstehen, höre ich gerade, dass es heute ein erstes Brixner Opfer gibt.

Europa macht es auch nicht besser. Es ist übrigens sehr spannend zu beobachten, dass Deutschland, Österreich und die Schweiz ebenfalls viel zu zögerlich handeln – ganz zu schweigen von den USA oder Großbritannien. Eigentlich hätten diese Länder von der Entwicklung der Fallzahlen Italiens lernen können, was sie aber nicht taten. In Deutschland dauerte es schon einige Tage, bis sich die einzelnen Bundesländer auf eine einheitliche Schließung der Schulen einigen konnten. Die Bevölkerung reagierte auf diese zögerliche Haltung ebenfalls mit Unvernunft: Wir dürfen nicht in das Stadion zum Fußballspiel? Macht nix – wir treffen uns alle beim Eingang des Stadions und feiern dort den Sieg unserer Mannschaft. Es ist offenbar unendlich schwierig, einer Gesellschaft die unbedingte Notwendigkeit der sozialen Distanznahme zu vermitteln, wenn sie nicht schon einmal eine Pandemie erlebt hat.

Und trotzdem: Alles wird gut. Die Menschheit wird auch diese Pandemie in den Griff kriegen, wie sie eben alle bisherigen Pandemien irgendwie überstanden hat. Wie lange das dauern wird, und wie viele Opfer wir am Ende beklagen werden, hängt primär von unserem eigenen Verhalten ab.

Eine andere Frage ist natürlich, wie die Wirtschaft diese Situation mittelfristig überstehen wird, denn davon hängen Arbeitsplätze und damit einzelne Existenzen ab. Fieberhaft arbeitet jetzt schon die Politik an Abfederungsmaßnahmen, damit so wenig Arbeitsplätze wie möglich verloren gehen. Südtirol befindet sich dabei im Vergleich zu anderen Ländern in einer privilegierten Situation: Bis gestern boomte die Wirtschaft, und auch das Land hat die finanzielle Möglichkeit, unterstützende Maßnahmen zu setzen. Im Moment aber ist es wichtig, dass die Verbreitung des Virus eingedämmt wird.

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