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NEUES PROJEKT IN BRIXEN Ein ZeLT für die Literatur

Ein ZeLT

für die Literatur

BRIXEN: Ende Oktober wurde „ZeLT“ in Brixen gegründet – mit der Verlesung und Unterzeichnung des Gründungsaktes des Europäischen Zentrums für Literatur und Übersetzung in der Stadtbibliothek und einem Fest für die Literatur. Das Pilotprojekt will Impulsgeber sein und interkulturelle Praxis voranbringen.

„ZeLT“ ist eine Initiative der Südtiroler Autoren- und Autorinnenvereinigung (SAAV). Der Name ist dem Gründungsteam „zugeflogen“, ein Akrostichon, gebildet aus dem Namen der Initiative in vier verschiedenen Sprachen: Z findet sich im ladinischen „Zenter europeich per leteratura y traduzion“, e im italienischen „Centro europeo di letteratura e traduzione“, L im „Europäischen Zentrum für Literatur und Übersetzung“ und T im englischen „European Center for Literature and Translation“. Der Name ist Programm: ZeLT versteht sich als sprachenübergreifende Initiative, die neben den drei anerkannten Südtiroler Landessprachen auch den anderen in Südtirol gesprochenen Sprachen einen Platz bieten möchte. Der Name ZeLT lässt weitere Assoziationen zu: die Idee des Nomadischen oder auch die Vorstellung, etwas wie ein Zelt zu überspannen, und zwar sowohl verschiedene Sprachen als auch mehrere Generationen.

Wie alles begann

Maria C. Hilber, die Geschäftsführerin der Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung (SAAV), erzählt von den Anfängen. Der Gedanke eines Literaturhauses für Südtirol sei schließlich nicht neu, sondern in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder diskutiert worden. Zur Umsetzung kam es aber nicht. In den letzten Jahren erlebte Hilber eine Aufbruchstimmung in der SAAV, verbunden mit dem Bestreben zu verstehen, wie sich Autorinnen und Autoren in Südtirol verorten, wie das Nebeneinander und Miteinander von Sprachen und Literatur funktioniert.

Im Jahr 2018 initiierte Kulturstadträtin Monika Leitner den Kulturprozess der Stadt Brixen, zu dem auch Maria C. Hilber und Arno Dejaco als Vertreter der SAAV eingeladen wurden. Hier wurde die Idee für ein Zentrum für Literatur und Übersetzung geboren. Zusammen mit Monika Leitner und Bruno Kaser, dem Direktor der Stadtbibliothek Brixen, entwickelte ein Gründungsteam der SAAV ein Konzept, um die Initiative ZeLT in der neuen Stadtbibliothek in Brixen zu verankern.

Verortet in Brixen

Alma Vallazza, Mitglied des achtköpfigen Gründungs- und aktuellen Programmteams von ZeLT, zeigt sich begeistert über die räumlichen Möglichkeiten, die die Stadtbibliothek bietet. „Das ist einerseits ein fester Arbeitsplatz für ZeLT, und andererseits sind es Räume, in denen Literatur zusammen mit dem Publikum stattfinden kann.“ Im dritten

„ZeLT will ein Ort sein, an dem das Verfassen und Vermitteln von Literatur in vielen Sprachen im Mittelpunkt stehen“_

Maria C. Hilber, Geschäftsleiterin der SAAV

Stock verfügt die Bibliothek über einen Veranstaltungssaal, und auch der Garten lädt geradezu ein, ihn für Veranstaltungen zu nutzen. Im Konferenzraum der Bibliothek organisierte ZeLT bereits Ende Oktober eine dreitägige Übersetzungswerkstatt mit dem Titel „Fjordarbeiten“: Zusammen mit Versatorium, einer Gruppe von Übersetzern, Wissenschaftlerinnen und Künstlern aus Wien, erarbeiteten und diskutierten die Teilnehmenden Übersetzungen von Gedichten des norwegischen Autors Arild Vange. Der Workshop richtete sich dabei dezidiert an alle, die an den Prozessen des literarischen Übersetzens interessiert sind. Weder Norwegisch- noch Übersetzungskenntnisse waren Voraussetzung.

Literatur für alle

„ZeLT will ein Ort sein“, so Maria C. Hilber, „an dem das Verfassen und Vermitteln von Literatur in vielen Sprachen im Mittelpunkt stehen. Zugleich möchten wir Sensibilisierungsarbeit leisten und die interkulturelle Praxis voranbringen.“ Alma Vallazza ergänzt: „Unser Ziel ist das Sprachenübergreifende, auch als Reaktion auf die Realität in Südtirol, wo inzwischen rund 140 verschiedene Sprachen gesprochen werden. Das Übersetzen von Texten bedeutet p IN BRIXEN VER-

ORTET: Literaten und Übersetzer der SAAV starteten mit ZeLT ein interkulturelles

Pilotprojekt

nicht nur das Schaffen von Verständlichkeit, sondern auch von Reflexionsräumen.“ Unterschiede sollen nicht Mauern aufbauen. Es gilt, aus ihnen Potential zu ziehen und untereinander in einen Austausch zu treten. Gerade das lateinische Wort für Übersetzung – „Translatio“ – verweise auf das Übertragen, auf das Hinübertragen von Überlegungen und Gedanken, auf einen Transfer von Mensch zu Mensch und von Kultur zu Kultur.

Ganz diesen Überlegungen entspricht auch die kommende geplante Veranstaltung von ZeLT in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek Brixen und dem Folio Verlag: Am 3. Dezember stellt die italienische Autorin Dacia Maraini im Gespräch mit ihrer Übersetzerin Ingrid Ickler ihr jüngstes Buch „Trio“ vor, das im vergangenen Jahr erschienen ist und inzwischen auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Dacia Maraini ist die erste Schriftstellerin Italiens, die sich in ihrem Werk mit Themen wie Vergewaltigung, Inzest oder Prostitution aus feministischer Sicht auseinandersetzte. „Wir wollen mit unseren Veranstaltungen Modi finden, die ein Gespräch ermöglichen“, betont Maria C. Hilber. So soll sich auch die Buchvorstellung im Dezember zu einem Gespräch entwickeln und nicht zu einem rein einseitigen Vortrag werden, dem das Publikum zu folgen hat. Die Moderation des Abends wird Donatella Trevisan übernehmen.

Eines ist sowohl Maria C. Hilber als auch Alma Vallazza ganz wichtig zu betonen: „ZeLT möchte kein Literaturhaus sein, sondern ist bewusst eine mobile Initiative, die sich in Brixen verortet.“ Als Konkurrenz zu historisch gewachsenen Orten, die laut Hilber und Vallazza – stets bezogen auf die Literatur – Großartiges leisten, wie Lana oder Bruneck, sieht man sich nicht. Die Verankerung in Brixen ist beiden sehr wichtig, denn gerade Brixen habe eine lange Tradition als Bildungsstätte, nicht zuletzt für Ladiner, und verfüge über einen Universitätsstandort. Zudem agiere auch die Stadtbibliothek Brixen als Mittelpunktbibliothek schon lange als gemeinsame Anlaufstelle für deutsch- und italienischsprachige Literaturfreunde.

Noch sieht das Gründungsteam ZeLT als Pilotprojekt. „Es gibt erste Projekte, die vorzeichnen, wohin der Weg gehen soll.“ Eines davon ist eine Literaturausstellung über Gerhard Kofler (1949–2005), einen Südtiroler Schriftsteller, der den Großteil seines Lebens in Wien verbrachte. Er schrieb nicht nur in deutscher Sprache, sondern veröffentlichte auch Gedichte in spanischer Sprache oder in neapolitanischem Dialekt und verstand sein Schreiben als ein Schreiben in verschiedenen Sprachen. „Damit ist er eine Galionsfigur im Sinne unseres Selbstverständnisses von ZeLT“, betont Alma Vallazza. Stadträtin Monika Leitner: „Kulturprozess der Stadt Brixen als Starthilfe für neue Initiativen“

Offen für Kooperationen

ZeLT will zudem ein Impulsgeber sein und sich über seine regionale Verankerung hinaus auch international etablieren. Die Initiative ist offen für Kooperationen mit kulturellen Vereinigungen und Bibliotheken, mit Universitäten und mit Literatur- und Übersetzungszentren. Der Fokus liegt auf der Praxis der Literatur, auf den Schreib- und Übersetzungsprozessen.

Unerlässlich ist dem Gründungsteam der Austausch mit der literaturinteressierten Öffentlichkeit. „Dabei möchten wir“, so Maria C. Hilber, „auch neue Modi entwickeln, um einen Diskurs zu fördern und Literatur zu präsentieren, und zwar sowohl Arbeiten angehender und etablierter Autorinnen als auch literarischer Übersetzer. Schließlich verzeichnen wir auch hier in Südtirol eine Professionalisierung.“

Der derzeitige Aufbruch in der SAAV habe viele aus einer Art Ohnmacht geholt. Es gelte nun verstärkt, selbst die Rahmenbedingungen für ein gelingendes Arbeiten zu schaffen.

Das Gründungs- und aktuelle Programmteam besteht aus Maria C. Hilber, Alma Vallazza, Arno Dejaco, Stefano Zangrando, Toni Bernhard, Rut Bernardi, Greta Maria Pichler und Erika Wimmer Mazohl – allesamt Mitglieder der SAAV. „Bei uns sind zumindest alle drei anerkannten Landessprachen vertreten“, resümiert Maria C. Hilber. „Wir möchten aber auch Protagonisten anderer Muttersprachen einladen, sich bei uns einzubringen und am Pilotprojekt ZeLT mitzubauen.“

johanna.bampi@brixner.info

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