FRANZ WELSER-MÖST & THE CLEVELAND ORCHESTRA

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4. September 2024, 19:00 Uhr

Open Air in Ansfelden

FRANZ WELSER-MÖST & THE CLEVELAND ORCHESTRA

»Happy Birthday, Anton!« Konzert zu Bruckners

200. Geburtstag in Ansfelden

Höhepunkt des Jubiläumsjahres

Ganz Oberösterreich feiert – nicht nur heute, sondern das ganze Jahr über – ›seinen‹ großen Komponisten Anton Bruckner! Der Höhepunkt des Jubiläumsjahres ist zweifellos der 200. Geburtstag des Musikgenies. Auf den Tag genau vor 200 Jahren erblickte Anton Bruckner in Ansfelden das Licht der Welt. Das Internationale Brucknerfest Linz beginnt daher auch in diesem Jahr an seinem Geburtsort, wo Sie heute Abend ein ganz spezielles Eröffnungskonzert erwartet. Die Open­Air­Bühne in Ansfelden wird feierlich vom in Linz geborenen und in Wels aufgewachsenen Stardirigenten Franz Welser­Möst eingeweiht. Begleitet wird er dabei von seinem renommier ten Cleveland Orchestra. Gemeinsam ehren sie den Jubilar mit einem unvergesslichen musikalischen Geburtstagsgruß.

Auf dem Programm des Jubiläumskonzerts steht Bruckners 4. Sinfonie, die »Romantische« – ein Werk, das die Tiefe und Schönheit seiner Musik eindrucksvoll widerspiegelt. An diesem besonderen Abend feiern wir aber auch Sie, liebes Publikum, denn Sie begleiten uns bei diesem außergewöhnlichen Anlass. Wir freuen uns besonders, dass das Konzert auch live im Donaupark Linz übertragen wird, damit noch mehr Menschen die Möglichkeit haben, dieses einmalige Ereignis mitzuerleben. Unser herzlicher Dank gilt unseren Sponsor:innen und Partner:innen, ohne deren großzügige Unterstützung dieses Fest nicht möglich wäre. Die LIVA wünscht Ihnen einen unvergesslichen Abend voller musikalischer Höhepunkte. Lassen Sie sich von den Klängen Anton Bruckners verzaubern und feiern Sie mit uns.

»Happy Birthday, Anton!«

Kaufmännischer Geschäftsführer der LIVA

Auftakt unter freiem Himmel

Am 4. September 1824 – also vor exakt 200 Jahren – wurde Anton Bruckner in Ansfelden geboren. Seit 2018 wird an diesem Tag das Internationale Brucknerfest Linz mit einem Konzert in Ansfelden eröffnet. Anlässlich des diesjährigen Jubiläums wird das Auftaktkonzert erstmals als Open­Air abgehalten. Für einen unvergesslichen Abend sorgt dabei das renommier te Cleveland Orchestra unter der Leitung des Stardirigenten und gebürtigen Oberösterreichers Franz Welser­Möst. Gemeinsam werden sie eines der bekanntesten und populärsten Werke Bruckners zum Besten geben, die Sinfonie Nr. 4 Es­Dur, auch bekannt als »Romantische«. Das Internationale Brucknerfest Linz stellt ein jährlich wiederkehrendes kulturelles Highlight in Oberösterreich dar. Es leistet einen wichtigen Beitrag dazu, die Identität unseres Landes zu stärken. Schließlich ist das musikalische Erbe Bruckners tief in der oberösterreichischen Kultur ver wurzelt. Wir unterstützen die Konzertreihe gerne, denn die enge Verbindung zwischen Kultur und Wirtschaft ermöglicht neue Perspektiven und Impulse.

Zu seinem 200. Geburtstag wird Anton Bruckner in besonderer Weise gewürdigt: Das Cleveland Orchestra unter der Leitung von Franz WelserMöst begeistert Musikliebhaberinnen und ­liebhaber rund um den Globus mit einzigartigen Klangerlebnissen und unnachahmlicher Virtuosität. Als Raiffeisenlandesbank sind wir besonders stolz, dass uns seit vielen Jahren eine enge Freundschaft und gute Zusammenarbeit verbindet. Besonders möchten wir uns auch bei unseren Kundinnen und Kunden für ihr Vertrauen bedanken und freuen uns auf einen unvergesslichen Konzertabend!

Dr. Heinrich Schaller

Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich

Besetzung

The Cleveland Orchestra

Franz Welser-Möst | Dirigent

Programm

Anton Bruckner 1824–1896

Sinfonie Nr. 4 Es-Dur WAB 104 »Romantische« // 1874, 1876–78, 1880–81 ›Fassung 1878/80‹

I Bewegt, nicht zu schnell

II Andante quasi Allegretto

III Scherzo. Bewegt – Trio. Nicht zu schnell. Keinesfalls schleppend

IV Finale. Bewegt, doch nicht zu schnell

Konzertende ca. 21:15 Uhr

Diese Veranstaltung findet im Rahmen des 24­Stunden­Geburtstagsfests für Anton Bruckner statt.

Das Jubiläumskonzert wird live in den Linzer Donaupark übertragen – powered by LINZ AG.

alla breve

Das Programm auf einen Blick

»Erlösende Geister sind oft dort geboren, wo sie am wenigsten erwartet wurden.«

August Göllerich im 1923 erschienenen 1. Band seiner Bruckner-Biografie

Das Internationale Brucknerfest Linz 2024 beginnt dort, wo alles begann: Am 4. September 1824 um 4:15 Uhr erblickt im Schulhaus von Ansfelden das erste von elf Kindern des Lehrers Anton Bruckner (sen.) und seiner Frau Theresia das Licht der Welt; am selben Abend wird es in der benachbarten Pfarrkirche getauft. Es trägt den Namen des Vaters und wird sich damit gleichsam ›einen Namen machen‹, in Linz, in Wien, in Europa, in der ganzen Welt.

200 Jahre später, am 4. September 2024, feiern wir die­sen Tag am selben Ort mit der Aufführung von Bruckners 4. Sinfonie, die er selbst als »Romantische« bezeichnete und deren Faszination seit der Uraufführung am 20. Februar 1881 durch die Wiener Philharmoniker ungebrochen ist.

Happy Birthday, Anton!

Revidierte Romantik

Anton Bruckners Sinfonie Nr. 4 Es-Dur »Romantische«

Erleichterung, Zufriedenheit, wohl auch ein gewisser Stolz lassen sich aus den einleitenden Worten herauslesen, mit denen sich Anton Bruckner am 12. Jänner 1875 an seinen Linzer Freund Moritz von Mayfeld wendet: »Euer Hochgeboren! Meine 4. Symfonie ist fertig.« Doch wer Bruckner kennt und wer um seine Lebensumstände jener Tage weiß, der ahnt, dass dieser künstlerische Erfolg ihm nur ein Nebengeräusch inmitten trauriger Realität ist. Schon wenige Zeilen weiter ist jeder noch so zarte Optimismus bereits verflogen: »Ich habe nur das Conservatorium, wovon man unmöglich leben kann. Mußte schon im Sept[ember] u[nd] später wieder Geld aufnehmen, wenn es mir nicht beliebte, zu verhungern. […] Kein Mensch hilft mir. […] Zum Glücke sind einige Ausländer gekommen, die Lectionen bei mir nehmen –; sonst müßte ich betteln gehen. […] Wohin soll ich mich wenden! In meinem ganzen Leben hätte man mich nicht nach Wien gebracht, wenn ich das geahnt hätte. […] Mein Leben hat alle Freude u[nd] Lust verloren – umsonst, u[nd] um nichts. Wie gerne ginge ich wieder auf meinen alten Posten! Wäre ich doch damals nach England! So stehen die Dinge.«

Gute sieben Jahre ist es zu diesem Zeitpunkt her, dass Bruckner von Linz nach Wien übersiedelt ist, um die Nachfolge seines ehemaligen Lehrers

Simon Sechter als Hoforganist sowie als Professor für Harmonielehre, Kontrapunkt und Orgel am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde anzutreten. Es geht ihm, stets geplagt von Zukunftsängsten, nicht zuletzt um finanzielle Sicherheit, um sich fortan ganz der Komposition widmen zu können. Vorsorglich bittet er das bischöfliche Ordinariat in Linz sogar darum, seinen Posten als Linzer Domorganist »für einige Jahre gnädigst reservieren zu wollen«, sollte er in Wien künstlerischen Schiffbruch erleiden. Und tatsächlich scheinen sich seine Befürchtungen schon bald nach seiner Ankunft in der Kaiserstadt zu bewahrheiten: Zwar gelingt ihm mit der Uraufführung seiner zweiten Messe f­Moll ein Ach tungserfolg, die vielstimmige und lautstarke Kritik an seiner am 26. Oktober 1873

Anton Bruckner
Anton Bruckner, Fotografie von Wilhelm Jerie, um 1875

erstaufgeführten 2. Sinfonie c­Moll jedoch schürt seine Zweifel am Wert der eigenen Schöpfungen und bildet damit gewissermaßen den »Startschuß für jenes fatale Karussell der Umarbeitungen und Mehrfach­Fassungen« (Bernhard Rzehulka) innerhalb seiner Sinfonik. Mehrmalig sucht er beim Kultusministerium erfolglos um eine fes te Professur oder Lehrstelle an der Universität Wien an, um, wie er schreibt, »Zeit u[nd] Muse zur musikalischen Composition« zu gewinnen. Im Oktober 1874 verliert er auch noch seine Position als Hilfslehrer für Klavier an der Präparandie St. Anna, die er vier Jahre zuvor einzig zum Zweck angetreten hatte, sein als karg empfundenes Einkommen aufzubessern.

Titelblatt der Handschrift des 1. Satzes der 4. Sinfonie in der Bearbeitung von 1878

So also steht es um Bruckner, als er mit der Komposition der 4. Sinfonie Es­Dur – seiner ersten in einer Durtonart – beginnt, deren Partitur er am 22. November, dem Gedenktag der heiligen Cäcilia, Patronin der (Kirchen­) Musik, abschließt. In dieser ersten Fassung wird er das Werk allerdings nie hören, weder in Wien, wo er sich noch immer um die Aufführung seiner 3. Sinfonie bemüht, noch in Berlin, wo der Musikschriftsteller Wilhelm Tappert, den Bruckner 1876 während der ersten Bayreuther Festspiele kennengelernt hat, sich vergebens für das Werk einsetzt: »Für mich wäre eine Aufführung in Berlin von höchster Wichtigkeit«, teilt Bruckner ihm mit, »und tausendmal besser als in Wien«. Doch auch in Berlin, fernab der missgünstigen Wiener Kritik, stößt die Vierte nicht auf offenen Ohren. Auch Benjamin Bilse, Dirigent der berühmten Bilse’schen Kapelle, aus der 1882 das Berliner Philharmonische Orchester (heute: Berliner Philharmoniker) hervorgehen wird, lässt sich nicht zu einer Aufführung bewegen.

Und Bruckner? Der beginnt wieder einmal zu zweifeln. Nachdem er seine 2. und 3. Sinfonie umfassend revidiert hat, unterzieht er gleich auch seine Vierte einer kritischen Durchsicht und Umarbeitung: »Gestern nahm ich die Partitur der 4. Sinfonie zu Hand u[nd] sah zu meinem Entsetzen, d[a]ß ich durch zu viele Imitationen dem Werke schadete, ja oft die besten Stellen der Wirkung beraubte. Diese Sucht nach Imitationen ist Krankheit beinahe«, gesteht er Tappert am 1. Mai 1877 reumütig und fügt einige Monate später hinzu: »Ich bin zur vollen Überzeugung gelangt, d[a]ß meine 4. romant[ische] Sinfonie einer gründlichen Umarbeitung dringend bedarf. Es sind zum Beispiel im Adagio zu schwierige, unspielbare Violinfiguren, die Instrumentation hie u[nd] da zu überladen u[nd] zu unruhig.« Die Umarbeitung seiner Vierten konzentriert sich zunächst auf die Ecksätze sowie den zweiten Satz, wobei Bruckner neben umfassenden Kürzungen und einer Regulierung des Taktgruppenbaus vor allem die äußerst dichte Motivik und die damit einhergehende ›überladene‹ Orchestrierung zugunsten klarer melodischer und rhythmischer Strukturen ausdünnt. Dabei gilt es allen voran, der selbst diagnostizierten »Sucht nach Imitationen« beizukommen. Ist die Erstfassung der Vierten an vielen Stellen von einem schier undurchdringlichen Dickicht motivischer Verflechtungen überwachsen, hinter dessen thematischer Überfülle die Musik ihr klangliches Potenzial oft nur mit Mühe entfalten kann, so spricht die revidier te Fassung eine weitaus rationalere Sprache, in der die ungezügelte

Anton Bruckner Sinfonie Nr. 4 Es-Dur »Romantische«

Fantastik von 1874 zugunsten einer deutlicher und feiner konturierten Form gebändigt wird. Im November 1878 ersetzt Bruckner zudem das von spukhaften Tremoli und Trillerketten durchzogene Scherzo durch einen gänzlich neu komponierten Satz, der, wie er an Tappert schreibt, »die Jagd vorstellt, während das Trio eine Tanzweise bildet, welche den Jägern während der Mahlzeit aufgespielt wird«. Doch auch in dieser Fassung wird die 4. Sinfonie zu Bruckners Lebzeiten nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Statt in den Konzertsaal wandert das Werk abermals in die ›Werkstatt‹, wo Bruckner ein Jahr später für die durch das neue Scherzo von Grund auf veränderte Architektur des Gesamtwerks ein neues Finale als passenden Schlussstein anfertigt. Vom 19. November 1879 bis zum 5. Juni 1880 komponiert er den neuen Satz auf Grundlage der 1878 revidierten Version, die er im Autograf mit dem Titel »Volksfest« versehen hat. Nun endlich scheint die Zeit reif für das lange nur auf dem Notenpapier existierende Werk: Am 20. Februar 1881 findet die Uraufführung der 4. Sinfonie durch die Wiener Philharmoniker unter Hans Richter im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins statt und beschert Bruckner den bis dahin größten Triumph seiner Karriere, von dem er noch 1888 an den Dirigenten Hermann Levi schwärmt: »Der Erfolg in Wien ist mir unvergeßlich.«

Der lange Weg zur Romantik

›BrucknerRhythmus‹ von Bruckner oft verwendetes rhythmisches Motiv, bestehend aus zwei Vierteln gefolgt von einer Viertel-Triole

Bruckner-Rhythmus (4.9., S. 10 & 14)

›Romantisch‹ hebt schon der Beginn der Sinfonie mit seinem geheimnisvoll archaischen Hornruf an, dessen markantes Quintmotiv vor dem Hintergrund einer von Streichertremoli heraufbeschworenen Nebellandschaft aufsteigt. Das Thema dient nicht nur dem Kopfsatz, sondern erstmals in Bruckners Schaffen der gesamten Sinfonie als sinnstiftendes ›Leitmotiv‹, bis hin zur mit Pauken und Trom peten einherschreitenden Wiederkehr in der Coda des Finales. Langsam schält sich aus dieser melodischen Urzelle das im majestätischen Tutti vorgestellte Hauptthema mit dem markanten ›Bruckner­Rhythmus‹ heraus, dem sich die verspielte Gesangsperiode – so bezeichnete Bruckner die zweiten Themen seiner Sinfoniesätze – anschließt: Aus der Verschränkung des Quintmotivs mit dem rhythmischen Modell

(4.9., S. 14)

des Hauptthemas erwächst in der Durchführung ein von aufsteigenden Akkordbrechungen der Violen begleiteter Choral der Blechbläser, der in eine sinnliche Streicherkantilene überleitet, ehe der erneute Hornruf die Ankunft der Reprise ankündigt. In der anschließenden Coda zeigen sich die Auswirkungen von Bruckners Revisionen besonders augen­ und ohrenfällig: Anstelle engmaschig miteinander verwobener motivischer Fäden in der ersten Version erstrahlt das Quintmotiv in der Fassung von 1878/80 frei von überflüssigem Zierrat im Glanz der Hörner, deren feierlicher Ruf über fünf kraftvollen Tuttischlägen den Satz beschließt.

Auch das lyrische Violoncellothema zu Beginn des für Bruckner ungewöhnlich markant voranmarschierenden zweiten Satzes lässt sich mit seinem melodischen Quintfall und ­sprung auf das Hornmotiv des Kopfsatzes zurückführen. Der weit ausladenden Melodik und farbenreichen Harmonik des Beginns steht das zweite Thema der Violen mit seinem kurzatmigen, den sprichwörtlichen Faden nach wenigen Takten stets neu aufgreifenden Gestus entgegen. Bruckner hatte es in der ersten Fassung noch in doppelt so schnellen Notenwerten, dafür aber mit der verlangsamenden Tempoangabe Adagio notiert und mit dem programmatischen Zusatz »Ständchen« versehen. Die ursprünglich aus der variativen Verarbeitung des Materials hervorgehenden »unspielbare[n] Violinfiguren«, die in der ›Fassung 1874‹ eine großformatige, überwältigende Coda einleiten, milderte Bruckner in der deutlich gekürzten revidierten Version zu schlichten aufsteigenden Dreiklangsfiguren ab, deren Wirkung gleichwohl durch die größere klangliche Transparenz nicht weniger effektvoll ist.

»›Auf der Stadt-Kirche‹ des mittelalterlichen ›Linz‹ – bemerkte Bruckner einst hiezu –›wird der Morgen-Weckruf geblasen.‹ Von den Türmen und Zinnen der Stadt hallt der MorgenWeckruf wieder [...]. Auf sinnendem Hornklange hebt die wundersame Gesangsgruppe an. In der anmutigen, mit dem Horn-Ruf des Beginnes korrespondierenden […] Vogel-Lockung hat der Tondichter nach seiner oft gegebenen Erklärung das Zwit­schern der in Oberösterreichs Forsten vielverbreiteten Waldmeise (bei uns ›BeeMoas’n‹ genannt) thematisch verwendet.«

August Göllerich/Max Auer über den Beginn des 1. Satzes

Sinfonie Nr. 4 Es-Dur »Romantische«

Duole Folge von zwei Noten, die im Dreiertakt dieselbe Dauer wie drei Noten einnehmen

Handelte es sich bei der Erstfassung des dritten Satzes um ein ›konventionelles‹ Scherzo im 3/4Takt, dessen Thema allerdings in eigenwillig ›sturen‹ Duolen gegen den Takt komponiert war, so kehrt Bruckner diese Doppelbödigkeit im 1878 neu komponierten Satz um. Die nun innerhalb eines 2/4­Taktes miteinander wetteifernden Triolen der Blechbläser beschwören Bruckners eigenem Bericht zufolge eine Jagdgesellschaft herauf und tragen mit ihrer kunstvollen rhythmischen Verzahnung und dem anschließenden harmonisch ebenso eigensinnigen ›Halali‹ in den Blechbläsern im ›Bruckner­Rhythmus‹ bis heute zur Popularität des Satzes bei. Das kurze idyllische Trio zeichnet mit seinen brummenden Bordunquinten dagegen das Bild eines Leierkastens, zu dessen Begleitung Flöte und Klarinette eine heitere Ländlermelodie anstimmen.

Das Finale galt weiten Teilen der zeitgenössischen Kritik als problematisch. »Der letzte Satz ist – an sich betrachtet – außerordentlich; jedoch scheint er uns organisch nicht zu den drei vorhergegangenen zu gehören«, mäkelte etwa Johann Paumgartner nach der Uraufführung in der Wiener Abendpost. Von einer Kritik des Chorleiters Heinrich Porges anlässlich einer Aufführung am 10. Dezember 1890 in München, der den seiner Meinung nach gescheiterten Versuch tadelte, die Motivik der drei vorherigen Sätze im Finale aufzugreifen, zeigte sich Bruckner ernstlich gekränkt: »Die Themen alle zusammenfassen, das beabsichtige ich gar nicht. Das kommt nur in der 8. Sinfonie im Finale vor.« Es erscheint einigermaßen paradox, dass sich Bruckner dieses Vorwurfs so entschlossen erwehrte, zeigt sich doch in der umfassenden Neugestaltung des Finales

Verworfene Variante des Trios zur zweiten Fassung des Scherzos mit programmatischer Überschrift, die Bruckner in der Letztfassung wieder strich: »Tanzweise während der Mahlzeit auf der Jagd«, um 1878

aus dem Jahr 1880 eine deutliche Tendenz, die thematischen Stränge der anderen Sätze noch einmal zusammenzuführen und damit dem Anspruch der Sinfonie als zyklischem Gesamtwerk gerecht zu werden. Während das aus den Revisionen des Jahres 1878 her vorgegangene, in der Partitur mit »Volksfest« überschriebene Finale mit einem völlig neuen, im Verlauf der Sinfonie bis dahin nicht zum Einsatz gekommenen chromatischen Motiv der Violinen anhebt, das Bruckners Biografen August Göllerich und Max Auer zufolge ein »Regenwetter« darstellen soll,

Anton

Sinfonie Nr. 4 Es-Dur »Romantische«

beginnt das neu komponierte Finale mit einem Gedanken, dessen absteigende Oktavsprünge und Streichertremoli hörbar auf den Beginn des Kopfsatzes verweisen. Das sich in beiden Fassungen aus einem mächtigen Crescendo entwickelnde Hauptthema lässt mit seinem ›rohen‹ Unisono und der archaischen Melodik wohl kaum die Assoziation eines Volksfestes zu und auch Bruckner selbst soll seinem Schüler Viktor Christ mitgeteilt haben, es handle sich hierbei viel eher um die »Schauer der Nacht« als um kurzweilige Vergnügungen. Während das auch hier omnipräsente Quintmotiv im »Volksfest«­Finale noch Bruckners »Sucht nach Imitationen« zum Opfer fiel und dementsprechend vielgestaltig verarbeitet ist, macht es in der Fassung von 1880 zunächst den ›Jagdtriolen‹ des Scherzos Platz, ehe es vor dem Übergang in die Gesangsperiode von den Hörnern exponiert wird. Auch das schwelgerische Gesangsthema, dessen ›Bruckner­Rhythmus‹

Bruckner-Rhythmus (4.9., S. 10 & 14)

Bruckner-Rhythmus (4.9., S. 10 & 14)

Quintole (4.9., S. 14)

Quintole (4.9., S. 14)

Sextole und Viertel (8.9., S. 8); bitte im PH wie folgt: Sextolennotenzeichen = Viertelnotenzeichen der Komponist in der ersten Fassung von 1874 noch als Quintole

Sextole und Viertel (8.9., S. 8); bitte im PH wie folgt: Sextolennotenzeichen = Viertelnotenzeichen notiert hatte, bettete er in seiner Neukomposition in das zyklische Geschehen ein, indem er ihm einen trauermarschartigen Abschnitt in c­Moll voranstellte und damit an den Gestus des zweiten Satzes anknüpfte. Das neu komponierte, streitlustige dritte Thema leitet schließlich zur Durchführung über, die Bruckner, wie auch die Reprise, gegenüber der »Volksfest«­Fassung völlig neu konzipierte, wobei letztere sich in beiden Versionen nach einer düster getönten Sequenz zur gewaltigen Klangwoge steigert, aus der sich zuletzt die triumphalen Klänge des Quintmotivs erheben.

Und ist das nun Programmusik?

Unzweifelhaft hat der Beiname »Romantische«, der im Gegensatz zu denjenigen anderer Sinfonien – ›Linzer‹ (Nr. 1), ›Wagner-Sinfonie‹ (Nr. 3), ›Katholische‹ (Nr. 5) oder ›Mysterium‹ (Nr. 8) – von Bruckner selbst sowohl in der Partitur vermerkt als auch in Briefen und Gesprächen verwendet wurde, zur Popularisierung der 4. Sinfonie beigetragen. Zwar ist das keine programmatische Sinfonik im Sinne Hector Berlioz’ oder gar Franz Liszts, doch lassen die außermusikalischen Erläuterungen die vagen Grundzüge eines Programms erkennen, das der Komponist dabei möglicherweise erst im Nachhinein auf sein Werk projizierte. Gegenüber dem Schriftsteller Paul Heyse etwa erklärte er sich am 22. Dezember

Anton Bruckner Sinfonie Nr. 4 Es-Dur »Romantische«

1890 brieflich: »In der romantischen 4. Sinfonie ist in dem 1. Satz das Horn gemeint, das vom Rathause herab den Tag ausruft! Dann entwickelt sich das Leben; in der Gesangsperiode ist das Thema: der Gesang der Kohlmeise Zizipe. 2. Satz: Lied, Gebeth, Ständchen. 3. Jagd und im Trio, wie während des Mittagsmahles im Wald ein Leierkasten aufspielt.«

Bruckners Biograf August Göllerich dagegen bietet eine etwas andere Version des ersten Satzes: »›Auf der Stadt­Kirche‹ des mittelalterlichen ›Linz‹ – bemerkte Bruckner einst hiezu – ›wird der Morgen­Weckruf geblasen.‹« Der Musikkritiker Theodor Helm wiederum überliefert folgende Version, die Bruckner dem St. Florianer Regens Chori Bernhard Deubler erzählt haben soll: »Mittelalterliche Stadt – Morgendämmerung – von den Stadttürmen ertönen Morgenweckrufe – die Tore öffnen sich – auf stolzen Rossen sprengen die Ritter hinaus ins Freie – der Zauber des Waldes umfängt sie – Waldesrauschen, Vogelgesang – und so entwickelt sich das romantische Bild weiter.« Über den zweiten Satz, den Bruckner im Brief an Heyse als »Lied« und »Gebeth« bezeichnete, wird der Komponist an anderer Stelle zitiert, hier wolle »ein verliebter Bub ›Fensterln‹ gehn, wird aber nicht eingelassen«. »Und im letzten Satz«, soll Bruckner Deubler schließlich gestanden haben, »ja da woaß i’ selber nimmer, was i’ mir dabei denkt hab!«

Andreas Meier

Franz Welser-Möst

Dirigent

23 Jahre lang prägte der in Linz geborene Dirigent Franz Welser­Möst als Musikdirektor des Cleveland Orchestra eine unverwechselbare Klangkultur. Unter seiner Leitung wurde das Orchester wiederholt von internationalen Kritiker:innen für seine musikalische Exzellenz gelobt. Durch Innovation und Kooperation hat das Cleveland Orchestra heute einen der jüngsten Publikumskreise in den USA. Während Franz Welser­Mösts Amtszeit setzte das Orchester sein starkes Engagement für Neue Musik fort und brachte die Oper wieder auf die Bühne des Severance Music Centers, der Heimstätte des Cleveland Orchestra. Neben Residenzen in den USA, Europa und China sind der österreichische Dirigent und das US­amerikanische Orchester regelmäßig zu Gast bei allen großen internationalen Festivals. Franz Welser­Möst wird bis 2027 Musikdirektor des Cleveland Orchestra bleiben, die längste Amtszeit eines Musikdirektors, die das Orchester je hatte. Im Jahr 2020 gründete das Orchester unter Welser­Mösts Leitung seine eigene Streaming­Plattform: Adella. live. Verschiedene Aufnahmen aus dem Severance Music Center sind ebenfalls als Stream, Download und auf CD erhältlich.

Eine besonders enge und produktive künstlerische Partnerschaft verbindet Franz Welser­Möst mit den Wiener Philharmonikern. Er dirigiert das Orchester regelmäßig in Abonnementkonzerten im Musikverein Wien sowie bei den Salzburger Festspielen und auf Tourneen in Europa, Japan, China und den USA und stand bereits dreimal am Pult des gefeierten Neujahrskonzerts (2011, 2013 und 2023). Bei den Salzburger Festspielen hat er als Operndirigent neue Maßstäbe in der Interpretation gesetzt, mit einem besonderen Schwerpunkt auf den Opern von Richard Strauss.

Franz Welser­Möst ist Träger zahlreicher bedeutender Ehrungen und Auszeichnungen, darunter die Ehrenmitgliedschaft der Wiener Philharmoniker, die ihm 2024 verliehen wurde.

The Cleveland Orchestra

Das Cleveland Orchestra, das seit 2002 unter der Leitung von Franz Welser­Möst steht, ist einer der gefragtesten Klangkörper der Welt. Jahr für Jahr stellt das Orchester außergewöhnliche künstlerische Leistungen, kreative Programme und gesellschaftliches Engagement unter Beweis. In den letzten Jahren bezeichnete die New York Times seine Virtuosität, seine klangliche Eleganz, seine Farbenvielfalt und seinen kammermusikalischen Zusammenhalt als »das Beste in Amerika«, »wenn nicht der Welt«. Das von Adella Prentiss Hughes gegründete Orchester gab sein Eröffnungskonzert im Dezember 1918. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts hatten jahrzehntelanges Wachstum und anhaltende Unterstützung das Ensemble zu einem der meistbewunderten Orchester der Welt gemacht. Seit seiner Gründung haben sieben Musikdirektoren – Nikolai Sokoloff, Artur Rodziński, Erich Leinsdorf, George Szell, Lorin Maazel, Christoph von Dohnányi und Franz Welser­Möst – das Orchester geleitet und dessen

Wachstum und Klang geprägt. Die Saison 2024/25 markiert Franz WelserMösts 23. Jahr als Musikdirektor, eine Zeit, in der das Cleveland Orchestra in der ganzen Welt beispiellose Anerkennung gefunden hat. Eine Reihe von Residenzen im Musikverein Wien kennzeichnet die ersten dieser Art für ein amerikanisches Orchester. Durch Konzerte in Ohio und auf Tourneen, Rundfunkübertragungen und einen Katalog hochgelobter Aufnahmen wird das Cleveland Orchestra heute von einer wachsenden Zahl von Fans in aller Welt gehört.

In den letzten zehn Jahren besuchten immer mehr junge Menschen die Konzerte, was dem legendären Klang und der engagierten Programmgestaltung des Cleveland Orchestra neue Aufmerksamkeit bescherte. Im Jahr 2020 hat das Orchester mehrere mutige digitale Projekte gestartet, darunter eine Streaming­Sendereihe und ein eigenes Plattenlabel.

Impressum

Herausgeberin

Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz

René Esterbauer, BA MBA, Kaufmännischer Geschäftsführer

Redaktion

Andreas Meier

Biografien & Lektorat

Romana Gillesberger

Gestaltung

Anett Lysann Kraml

Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte

Mag. Jan David Schmitz

Abbildungen

V. Weihbold (S. 2), W. Harrer (S. 3), Wien Museum (S. 7), Österreichische Nationalbibliothek, Wien (S. 8), Wienbibliothek im Rathaus (S. 12–13),

J. Wesely (S. 17), R. Mastroianni (S. 18–19)

Programm-, Termin- und Besetzungsänderungen vorbehalten

LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz

Mit freundlicher Unterstützung der TYLE-Privatstiftung

Wir danken für Ihren Besuch und wünschen Ihnen ein schönes Konzert!

Mit unserer eigenen Hammerkopfproduktion entfesseln wir das volle tonliche Spektrum unserer Flügel und Klaviere –eine Kunst, die Leidenschaft, Erfahrung und Disziplin erfordert. www.bechstein-linz.de

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