Festakt
10. SEPTEMBER 2023
INTERNATIONALES BRUCKNERFEST LINZ 2023
Festakt
Feierliche Eröffnung des Internationalen Brucknerfestes Linz 2023
Sonntag, 10. September 2023, 10:30 Uhr Großer Saal, Brucknerhaus Linz
10. SEPTEMBER 2023
INTERNATIONALES BRUCKNERFEST LINZ 2023
Feierliche Eröffnung des Internationalen Brucknerfestes Linz 2023
Sonntag, 10. September 2023, 10:30 Uhr Großer Saal, Brucknerhaus Linz
Bundeshymne
Landeshymne
Europahymne
Begrüßung
Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer
Emilie Mayer (1812–1883)
Faust-Ouvertüre h-moll für großes Orchester, op. 46 (1880)
Festansprachen
Bürgermeister Klaus Luger
Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer
Louise Farrenc (1804–1875)
Ouvertüre Nr. 2 Es-Dur, op. 24 (1834)
Festansprache
Bundesministerin Karoline Edtstadler
Augusta Holmès (1847–1903)
La nuit et l’amour. Zwischenspiel aus der sinfonischen Ode Ludus pro Patria (1888)
Festrede
Anna Baar
Brucknerhaus-Premiere
Ethel Smyth (1858–1944)
Ouvertüre zur einaktigen Oper
The Boatswain’s Mate (1913–14)
The March of the Women für gemischten Chor und Orchester (1910)
Anna Baar | Festrednerin
Mozartchor des Musikgymnasiums Linz
Chor des musischen Gymnasiums Bad Leonfelden
Oberösterreichisches Jugendsinfonieorchester
Rebecca Miller | Dirigentin
Irene Suchy | Moderation
Ende des Festaktes ca. 13:00 Brucknerhaus-Debüt
„Wenn ich nicht drei Dinge besessen hätte, die absolut nichts mit Musikalität zu tun haben, nämlich erstens eine eiserne Gesundheit, zweitens einen recht ausgeprägten Kampfgeist und drittens – und das ist das Wichtigste – ein kleines, aber selbständiges Einkommen –, […] dann hätten Einsamkeit und Entmutigung mich schon vor vielen Jahren bezwungen“, schrieb die Komponistin Ethel Smyth. Die resolute Britin sprach damit wohl den meisten Kolleginnen ihrer Zeit aus der Seele. Nur wenige Komponistinnen gelangten damals zu Ruhm und Anerkennung – und das nicht etwa aus dem Grund, weil sie am Notenblatt unfähig gewesen wären, wie dies die Männerwelt seinerzeit steif und fest behauptete. Der Karriereweg war diesen Frauen vielmehr gründlich verbaut worden.
Zwar gehörte Klavier- oder Gesangsunterricht seinerzeit zum guten Ton für „höhere Töchter“. Doch diese Stunden dienten vor allem der Wertsteigerung auf dem Heiratsmarkt und waren nicht etwa als Berufsvorbereitung gedacht. Harmonielehre und Kontrapunktik, diese Schlüsselkenntnisse für den Komponist*innenberuf, wurden Frauen kaum vermittelt. Ein bewusster Ausschluss – und nicht das einzige Hindernis auf dem Weg zur Tonsetzerin. Um sich von den Anfeindungen einer männlichen Fachwelt und vermeintlichen Wahrheiten wie
„Das Weib gebiert Menschen, der Mann das Kunstwerk“ (Johann Wilhelm Ritter) nicht ins Bockshorn jagen zu lassen, benötigten Komponistinnen in spe eine stählerne Widerstandskraft. Und: Sie mussten sich der Gefahren eines konventionellen Liebeslebens für ihre Karriere bewusst sein. Nicht wenige Komponistinnen verzichteten auf Ehe und Nachwuchs, weil sie dies in das Pflichtenkorsett einer Hausfrau gedrängt hätte. Kurz: Die Tondichterin des 19. Jahrhunderts musste für ihr öffentliches Ansehen wesentlich mehr leisten als ein männlicher Kollege – und war nach ihrem Tod dennoch meist rasch vergessen, oft schon nach wenigen Jahren.
Eine dieser Frauen ist Emilie Mayer, zu Lebzeiten als „weiblicher Beethoven“ apostrophiert. 1812 im deutschen Mecklenburg in eine betuchte Apothekerfamilie hineingeboren, erhält sie schon im Kindesalter Unterricht im Klavierspielen und Komponieren. Die Mutter stirbt früh; der Vater nimmt sich das Leben, als die Tochter 28 Jahre alt ist.
Eine Familientragödie – doch sie öffnet der unverheirateten Frau die Tür zu einem selbstbestimmten Leben. Mayer finanziert sich mit dem beträchtlichen Erbe eine seriöse Ausbildung zur Komponistin, studiert unter anderem bei Carl Loewe in Stettin und Adolph Bernhard Marx in Berlin. 1850 veranstaltet sie im Berliner Schauspielhaus ein Konzert mit ausschließlich eigenen Werken, das Wagnis geht auf: Mayer avanciert zu einer der ersten Berufskomponistinnen Europas; ihre Musik wird international aufgeführt und (vergleichsweise) euphorisch gelobt. In einem Bericht der Neuen Berliner Musikzeitung aus dem Jahr 1878 heißt es zwar: „Die Production ist Domäne des männlichen Schöpfergeistes, und nur selten einmal zeigt eine weibliche Persönlichkeit, dass auch diese Regel nicht ohne Ausnahme ist.“ Aber: „Hier ist eine solche Ausnahm, hier zeigt uns ein weiblicher Componist, der nicht blos für das Pianoforte schreibt, sondern auch die schwierige, von tausenden Geheimnissen wimmelnde Aufgabe der Orchestercomposition löst – und wie löst!“
Während sich Mayer anfangs von Haydn und Mozart beeinflusst zeigte und in der Folge von Beethoven, zeichnet sich die Musik ihres Spätwerks durch einen gemäßigt romantischen Tonfall aus. Unverkennbar ist dieser in ihrer Faust-Ouvertüre h-moll, einem ihrer größten Konzerterfolge, wenige Jahre vor ihrem Tod 1883 entstanden. Die Sujetwahl zeugt von einem gesunden Selbstvertrauen – hatten davor doch bereits Genies wie Richard Wagner, Franz Liszt, Hector Berlioz und Robert Schumann Musik zum Faust-Thema vorgelegt.
Emilie Mayers Faust-Ouvertüre besitzt einen gekonnten Aufbau und suggestivkräftige Klänge. Ob das zwölfminütige Stück einzelne Szenen des Faust schildert und, falls ja, welche, bleibt allerdings eine offene Frage – Mayer hat darauf (fast) keine Hinweise hinterlassen. Eine Vermutung lautet jedoch, dass sie beim Komponieren vor allem an Margarete gedacht haben könnte, also Fausts Geliebte, die am Ende des ersten Teils im Kerker stirbt. Die dunklen Streicher-Unisoni zu Beginn könnten ihr Schmachten im Gefängnis schildern, auch die tristen Mollklänge würden in dieses Bild passen, die sich im Anschluss aufbäumen und resignativ in sich zusammensinken. Es folgt ein musi-
kalischer Szenenwechsel: Ein lebhafter 6/8 -Rhythmus gibt den Ton an und drängt heroisch-kämpferisch voran. Die markanteste Passage dieser Ouvertüre ist allerdings ein Bläserchoral. Dass er bei seinem ersten Auftritt nur von den Kontrabässen begleitet wird, eröffnet die Möglichkeit einer umso prachtvolleren Wiederkehr. Und zu der kommt es auch einige Minuten später, mit dem Schmuck festlicher Streicherlinien. Noch einmal verdunkelt sich die Musik, dann schlägt sie nach H-Dur um und steigert sich zu einem Happy End. Zumindest bei diesem Finale hat Mayer offenbar an Fausts Geliebte gedacht: „Sie ist gerettet“ hat sie über den erwähnten Tonartwechsel geschrieben –und mit „sie“ wohl Gretchen und deren Seelenheil gemeint.
WERTSCHÄTZUNG DURCH DIE FACHWELT
Sie sei „die Verkörperung des größten symphonischen Talents unter allen Frauen“, heißt es 1847 in einem Bericht der Revue et gazette musicale de Paris über Louise Farrenc. 43 Jahre davor wird die Französin unter dem Namen Dumont in ein denkbar günstiges Milieu für eine Künstler*innenkarriere hineingeboren: Ihre Familie hat seit Generationen bedeutende Maler*innen und Bildhauer*innen hervorgebracht; ihre Eltern leben in wilder Ehe in einer Künstler*innenkolonie in Paris. Hier erlernt Louise als Kind das Klavierspielen und die Grundlagen des Komponierens, hier begegnet sie ihrem späteren Gatten, dem Flötisten und Notenverlagsgründer Aristide Farrenc. Die beiden unterstützten einander in der Ehe auch künstlerisch; Aristide überzeugt seine Frau, ihre Selbstzweifel zu überwinden und mit ihren Kompositionen an die Öffentlichkeit zu treten. In der Presse häufen sich daraufhin die positiven Kritiken für die Frau, die vom einflussreichen Antonín Reicha ausgebildet worden war; Farrencs Orchesterstücke, darunter drei Sinfonien, werden von der Fachwelt goutiert; ihre Kammermusiken erhalten zweimal den Prix Chartier. 1842 tritt Louise Farrenc außerdem eine Professur für Klavier am Pariser Konservatorium an, eine seltene Würde für eine Frau des 19. Jahrhunderts. An der Akademie erweist sie sich auch als Vorkämpferin gegen den heute sogenannten Gender-Pay-Gap: Farrenc beschwert sich beim Rektor über das deutlich höhere Gehalt eines männlichen Kollegen; ihr Protest führt spät, aber doch zu einer Erhöhung ihres Verdienstes.
Louise Farrenc sind leichte Erfolge suspekt: Sie vernachlässigt die in Paris populäre Vokalmusik und widmet sich Instrumentalwerken, dabei gerne auch der unbeliebten Kammermusik. Die breite Masse erreicht sie so nicht, wohl aber ein Fachpublikum, das ihrer Musik „Schwung, Kraft und Esprit“ attestiert. Beeinflusst von der Wiener Klassik, namentlich Ludwig van Beethoven, spielt in Farrencs Partituren motivisch-thematische Arbeit eine prominente Rolle; dem emotionsgeladenen Pathos der Hochromantik steht die Komponistin skeptisch gegenüber. Ihre Musik glänzt durch fantasievolle Themen und geistreichen Aufbau, handwerkliche Meisterschaft verleiht ihr einen scheinbar mühelosen Fluss. Das trifft auch auf die Ouvertüre Nr. 2 in Es-Dur zu, im Jahr 1834 entstanden und erst 1840 uraufgeführt.
Die rund sieben Minuten beginnen mit düsteren Akkorden und einem dramatischen Spannungsaufbau; nach einer Generalpause setzt das Hauptthema mit freundlichen Dur-Akkorden ein und wird von einem agilen Rhythmus vorangetrieben; das delikate Seitenthema stellt sich unter der Feder führung der Holzbläser vor. In der Durchführung kehrt die Düsternis des Beginns zurück, kann sich jedoch nicht halten: Die Stimmung schwankt zwischen spritziger Fröhlichkeit und dunklen, schicksalhaften Passagen. Am Ende setzt sich die Beschwingtheit durch und gipfelt in einem furiosen Endspurt.
Im Gegensatz zu Farrenc sucht Augusta Holmès das große Publikum – und findet es auch. Auf der Höhe ihres Erfolgs in Paris macht die Tochter britischer Einwander*innen mit einem Monumentalwerk von sich reden: Zur Hundertjahrfeier der französischen Revolution schreibt sie eine Festmusik für nicht weniger als 300 Orchestermusiker*innen und 900 kostümierte Chorist*innen; diese Ode triomphale wird mehrfach vor jeweils Tausenden Menschen aufgeführt.
Auch Holmès – ihr Name lautet ursprünglich Holmes – wächst in einem günstigen Umfeld für eine Künstler*innenkarriere auf: Ihr Vater, ein ehemaliger englischer Offizier, ist Wagnerianer der ersten Stunde und lässt seine 1847 geborene Tochter schon früh am Klavier und im Gesang, aber auch in Harmonielehre und Kontrapunkt ausbilden. Die Soireen im Hause der Familie bieten dem talentierten Teenager eine erste Bühne. „Ohne sich bitten zu lassen, setzte Augusta sich ans Klavier. Während mehr als zwei Stunden verzauberte sie uns mit ihrer fremdartigen Altstimme […] ihre schillernd farbigen Lieder bewegten sich in eigenartigem Rhythmus, schmeichelnd und wiegend […]“, berichtet der Schriftsteller André Theuriet.
Trotz ihres Gesangstalents zweifelt Augusta Holmès keine Sekunde an ihrer Bestimmung zur Komponistin. Sie ändert allerdings ihre stilistische Ausrichtung: Anfangs eine glühende Wagnerianerin, wendet sie sich im Gefolge des Deutsch-Französischen Krieges César Franck zu. Holmès wird seine Schülerin und das einzig weibliche Mitglied ei-
ner Komponistengruppe, die um eine Erneuerung der französischen Musik bemüht ist. 1878 und 1880 scheitert sie zweimal knapp am ersten Platz des Prix de la Ville de Paris, wird dafür aber in dessen Jury berufen. Die Karriere nimmt Fahrt auf: Als „absolut männliches“ Ausnahmetalent gepriesen, eilt sie mit Orchesterwerken von Erfolg zu Erfolg, kann sogar in der Pariser Königsdisziplin Flagge zeigen und mit La Montagne Noir einen Publikumserfolg an der Oper landen. Dass Holmès, seit den 1870er-Jahren französische Staatsbürgerin, patrio-
tische Themen schätzt, dürfte die Überzeugungskraft ihrer Musik noch gesteigert haben. Diese Neigung fürs Nationale zeigt sich etwa bei der erwähnten Ode triomphale oder bei der sinfonischen Ode Ludus pro Patria, einem Stück für Chor und Orchester, inspiriert vom gleichnamigen Gemälde des Impressionisten Pierre Puvis de Chavannes.
Ein Bestandteil dieser Komposition, der seinerzeit zu eigenständiger Popularität gelangte, ist das orchestrale Zwischenspiel La nuit et l’amour. Das knapp sechsminütige Stück bildet gewissermaßen eine Ruheinsel innerhalb des Werkkorpus. Mit seiner pastellfarbenen Orchestrierung und der weitgespannten, sanft-sanglichen Streichermelodie erinnert es ein wenig an den Tonfall einer Adagio-Kantilene von Camille Saint-Saëns. Mehr oder minder symmetrisch angelegt, steigert sich dieses eingängige Lied ohne Worte zu einem Ausbruch von leidenschaftlicher Inbrunst, bevor die Melodie eine Wiederholung er fährt und die leise Einleitung diesmal leicht abgewandelt als Nachspiel wiederkehrt.
Besonders steinig ist der Weg von Ethel Smyth zur anerkannten Komponistin. 1858 in London geboren, muss die Engländerin schon als Kind Barrieren bezwingen. Angeregt durch eine Beethoven-Sonate, steht bereits bei der Zwölfjährigen der Berufswunsch Komponistin unverrückbar fest, auch der Studienort Leipzig. Smyths Vater, ein Generalmajor der königlichen Artillerie, fährt dagegen aber schwere Geschütze auf: Er würde die Tochter lieber „unter der Erde sehen“, sagt er. Diese verweigert daraufhin so lange alle gesellschaftlichen Pflichten, bis der Vater sie dennoch ziehen lässt.
In Leipzig angekommen, ist Smyth enttäuscht: Sie vermisst das Niveau. Dafür findet sie dort in dem Österreicher Heinrich von Herzogenberg einen privaten Lehrer und kommt in Kontakt mit Stars wie Edvard Grieg, Clara Schumann-Wieck oder auch Johannes Brahms, den Smyth wegen seines Sexismus gegenüber Komponistinnen aber bald nur noch musikalisch verehrt. Zurück in England, kommt ihre Karriere auf Touren: Ethel Smyth, die zeitlebens einem romantischen
The March of the Women
Stil treu bleibt, landet mit ihrer großen Messe in D-Dur einen Erfolg. Unter den Bewunder*innen ist nicht zuletzt der deutsche Dirigent Hermann Levi, bis dahin skeptisch gegenüber der Schaffenskraft des „schönen Geschlechts“. Er bescheinigt Smyths Musik „dramatische Kraft“ und rät ihr, eine Oper zu schreiben.
Ethel Smyth widmet sich dem Musiktheater mit der ihr eigenen Unbeirrbarkeit und lässt sich von den Verrissen für ihren Erstling (Fantasio) nicht entmutigen. Das Zweitwerk Der Wald wird bereits in Berlin, London und New York gespielt; die folgenden The Wreckers (Das Strandrecht) erweisen sich als durchschlagender Erfolg und gehen ins englische Opernrepertoire ein. Der Dreiakter arbeitet mit einer raffinierten Kontrapunktik, kühnen Harmoniewechseln und streut englische Volkslieder ein – und ringt sogar Sexisten wie dem Wiener Kritiker Richard Specht Bewunderung ab. Einst belächelt oder scheel beäugt, setzt sich die bisexuelle Komponistin Smyth in der Musikwelt mehr und mehr durch, erhält Ehrendoktorhüte und wird 1922 zur Dame Commander of the Order of the British Empire ernannt.
Zehn Jahre früher wäre eine solche Würdigung wohl undenkbar gewesen: 1910 beginnt Smyth, den Kampf der Suffragetten um das Frauenwahlrecht zu unterstützen. Sie schenkt der Bewegung eine Hymne (den siegessicheren March of the Women, der auf der Melodie eines Volksliedes aus den Abruzzen basiert) und beteiligt sich ganz handfest an den aggressiven Demonstrationen von Emmeline Pankhursts
Women’s Social and Political Union. 1912 provoziert Smyth ihre Verhaftung, indem sie gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen Fenster eines Regierungsgebäudes einschmeißt. Der Dirigent Thomas Beecham besucht Smyth daraufhin in der Haftanstalt Holloway und berichtet in seinen Memoiren von einer denkwürdigen Aufführung des March of the Women hinter Schloss und Riegel: „Ich kam im Gefängnishof an und fand die edle Gesellschaft der Märtyrerinnen vor, wie sie auf und ab marschierten und mit Herzenslust ihr Kriegslied ‚March of the Women‘ sangen, während die Komponistin wohlwollend aus einem höher gelegenen Fenster zusah und dazu mit nahezu bacchantischer Energie den Takt mit der Zahnbürste schlug.“
Solche launigen Worte sollen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, wie viel Risiko die englischen Suffragetten auf sich nahmen: Einige mussten in der Haft Prügel über sich ergehen lassen, einige kehrten als Invalidinnen aus dem Strafvollzug zurück. Erst 1928 erreichten die Frauen in Großbritannien ihre Ziele.
Ethel Smyth machte sich aber nicht nur im Rahmen der SuffragettenBewegung für den Feminismus stark. Dieses Engagement ist auch etlichen ihrer Werke eingeschrieben, darunter der komischen Oper The Boatswain’s Mate, die 1916 Uraufführung feierte. Die Handlung basiert auf einer Kurzgeschichte von W. W. Jacobs: Ein ältlicher Bootsmann will das Herz einer resoluten Wirtin erobern und fingiert einen
Überfall auf ihr Gasthaus, um sich als Retter zu inszenieren. Doch die gewiefte Frau durchschaut die Pläne und sorgt dafür, dass sich der Möchtegern-Strippenzieher in seinen eigenen Fäden verheddert. Den feministischen Drive dieses Stücks macht bereits die Ouvertüre deutlich: Sie baut auf Melodien auf, die Smyth für die Suffragetten geschrieben hat, in erster Linie auf dem bereits erwähnten March of the Women: Im Laufe der Ouvertüre steigert sich die feministische Melodie von zarten Piano-Tönen hin zu triumphaler Wucht. Trotz seiner Kampfsymbolik gestaltet sich dieses Vorspiel in erster Linie unterhaltsam: Rasende Rhythmen, fröhliche Bläsersätze und Momente grotesker Düsternis (die wohl schon auf den fingierten Überfall vorausdeuten) bescheren ein kurzweiliges Hörvergnügen.
Bundeshymne
der Republik Österreich
Text: Paula Preradović (1887–1951)
Musik: vermutl. Johann Baptist Holzer (1753–1818)
Land der Berge, Land am Strome, Land der Äcker, Land der Dome, Land der Hämmer, zukunftsreich!
Heimat großer Töchter und Söhne, Volk, begnadet für das Schöne, Vielgerühmtes Österreich. Vielgerühmtes Österreich.
Landeshymne
Hoamatgsang
Text: Franz Stelzhamer (1802–1874)
Musik: Hans Schnopfhagen (1845–1908)
Hoamatland, Hoamatland, di han i so gern!
Wiar a Kinderl sein Muader, a Hünderl sein Herrn.
Europahymne
Ode an die Freude
Text: Friedrich Schiller (1759–1805)
Musik: Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum. Deine Zauber binden wieder, Was die Mode streng geteilt, Alle Menschen werden Brüder, Wo dein sanfter Flügel weilt.
Ethel Smyth (1858–1944)
The March of the Women
Text: Cicely Hamilton (1872–1952)
Shout, shout, up with your song! Cry with the wind, for the dawn is breaking; March, march, swing you along, Wide blows our banner, and hope is waking. Song with its story, dreams with their glory Lo! they call, and glad is their word!
Loud and louder it swells, Thunder of freedom, the voice of the Lord!
Long, long — we in the past Cowered in dread from the light of heaven, Strong, strong — stand we at last, Fearless in faith and with sight new given. Strength with its beauty, Life with its duty, (Hear the voice, oh hear and obey!)
These, these — beckon us on! Open your eyes to the blaze of day.
Comrades — ye who have dared First in the battle to strive and sorrow! Scorned, spurned — nought have ye cared, Raising your eyes to a wider morrow, Ways that are weary, days that are dreary, Toil and pain by faith ye have borne; Hail, hail — victors ye stand, Wearing the wreath that the brave have worn!
Life, strife — those two are one, Naught can ye win but by faith and daring. On, on —that ye have done But for the work of today preparing. Firm in reliance, laugh a defiance, (Laugh in hope, for sure is the end) March, march — many as one, Shoulder to shoulder and friend to friend.
Anna Baar wurde in Zagreb geboren und wuchs zweisprachig in Wien, Dalmatien und Kärnten auf. Nach der Matura kehrte sie nach Wien zurück, wo sie Theaterwissenschaften, Serbokroatisch und Publizistik studierte und für verschiedene Auftraggeber*innen zu schreiben begann. Ihr 2015 erschienener Debütroman Die Farbe des Granatapfels – ein Auszug daraus wurde bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert – stand mehrere Monate auf Platz 1 der ORF-Bestenliste. Für ihren Roman Als ob sie träumend gingen erhielt sie 2017 den Theodor Körner Preis, Nil stand zwei Monate lang auf Platz 1 der ORF-Bestenliste und wurde für den Österreichischen Buchpreis 2021 vorgeschlagen. 2022 folgten der Erzählband Divân mit Schonbezug sowie die Publikation der anlässlich der 46. Tage der deutschsprachigen Literatur gehaltenen Klagenfurter Rede zur Literatur Die Wahrheit ist eine Zumutung
Immer wieder wendet sich Anna Baar mit ihrem Schreiben Künstler*innen unterschiedlicher Sparten zu. Ihr Libretto zur Musik von Dieter Lehnhoff, eine Collage von Zitaten aus James Joyces Ulysses und assoziativer Dichtung, wurde anlässlich des Bloomsday 2022 unter dem Titel Rosenkränze aus Korken an der Universität Mozarteum Salzburg vom Gunnar Berg Ensemble Salzburg uraufgeführt. Im selben Jahr wurde unter dem Titel Günther Domenig: Dimensional. In Resonanz ihr Essay über den österreichischen Architekten mit Fotos von Gerhard Maurer veröffentlicht. 2023 erschienen das Porträt Über Dorothea Zeemann sowie zuletzt der Sammelband He, holde Kunst! mit Texten zu Werken und Persönlichkeiten aus Musik, bildender Kunst und Literatur.
Für ihr Schreiben wurde Anna Baar vielfach ausgezeichnet. 2022 erhielt sie den Großen Österreichischen Staatspreis. Im November 2023 wird ihr für Divân mit Schonbezug der Brüder-Grimm-Preis der Stadt Hanau verliehen. Die Autorin lebt in Klagenfurt und Wien.
Das Musikgymnasium Linz, 1974 von Balduin Sulzer am Adalbert Stifter Gymnasium Linz gegründet, zählt zu den wichtigen Musikinstitutionen Oberösterreichs. Die Erarbeitung großer Chor- und Orchesterwerke steht im Mittelpunkt des Konzepts, das unter der Leitung von Michael Wruss und Stefan Kaltenböck ständig weiterentwickelt wird. Ein Fokus liegt dabei auf der Pflege der Stimmen in Vokalensembles, Klassenchören und im Gesamtchor des Musikgymnasiums, dem Mozartchor. Neben der Aufführung von Bachs „JohannesPassion“ unter Andreas Spering im Rahmen der Konzertreihe Musica Sacra 2022 zählen die Mitwirkung an Charles Ives 4. Sinfonie mit dem ORF RadioSymphonieorchester Wien unter Wayne Marshall sowie ein Beethoven gewidmetes Konzert unter der Leitung von Emmanuel Tjeknavorian in der Saison 2022/23 des Brucknerhauses Linz zu den aktuellen Höhepunkten im Konzertreigen des Musikgymnasiums.
Der Chor des musischen Gymnasiums Bad Leonfelden besteht seit der Einführung dieses Schulzweiges im Jahr 2001. Geprobt wird wöchentlich in den Klassenchören. Bei gegebenen Anlässen formieren sich diese zum gemeinsamen Chor, der bei seinen Auftritten nicht nur stimmlich, sondern auch durch passende Choreographien und Kostüme überzeugt. Das Repertoire des Chores ist auf die Möglichkeiten und Interessen der jugendlichen Sänger*innen abgestimmt. Höhepunkte für die jungen Vokalist*innen sind die regelmäßigen ARTig-Produktionen der Schule, die Teilnahme an Wettbewerben, das gemeinsame Singen mit Menschen mit Beeinträchtigung beim Sozialprojekt 72 Stunden ohne Kompromiss, Kooperationen mit außerschulischen Chören sowie zuletzt der Sieg bei der SIE-Challenge der OÖNachrichten und der Poxrucker Sisters. Geleitet wird der Chor von Maria Gidl, Stefan Kapeller und Barbara Wolfmayr.
Die in Kalifornien geborene Dirigentin Rebecca Miller ist international bekannt für ihre überzeugende und energiegeladene Präsenz auf dem Podium und für ihre Fähigkeit, mit Publikum aller Altersgruppen zu kommunizieren. Sie arbeitet mit Profi, Amateur und Jugendorchestern und -chören und setzt sich leidenschaftlich für die Bedeutung der Musik für unsere Gesellschaft sowie für zu Unrecht negierte Komponistinnen ein. Derzeit ist sie Direktorin der Orchester der Royal Holloway University, Chefdirigentin der Royal Orchestral Society in London sowie der Bishop’s Stortford Sinfonia und Erste Gastdirigentin des Orchestra of the Swan. Von 2019 bis 2023 war sie Chefdirigentin des Uppsala Chamber Orchestra in Schweden.
Als Gastdirigentin leitete sie unter anderem Orchester in Finnland, Schweden, England, Schottland und Wales sowie das Buffalo Philharmonic Orchestra. Die Erste Preisträgerin des Internationalen Eduardo Mata Dirigierwettbewerbs hat in ganz Mexiko dirigiert, einschließlich wiederholter Engagements beim Orquesta Sinfónica Nacional, dem Orquesta Filarmónica de la UNAM und den Staatsorchestern von Yucatan, Aguascalientes und Sinaloa. Im Jahr 2017 trat sie bei der Bruno Walter National Conductors Preview mit dem Nashville Symphony Orchestra auf.
Rebecca Miller hat eine Leidenschaft für die Arbeit mit jungen Musiker*innen. Sie arbeitet regelmäßig mit dem National Children‘s Orchestra und dem LSO Discovery zusammen und hat als Gastdirigentin die Nationalen Jugendorchester von Schottland, Wales und Großbritannien sowie jenes von Venezuela dirigiert. Sie war viele Jahre lang Dirigentin des Junior Department der Royal Academy of Music, wo sie das einzigartige JA Classical Orchestra gründete. Zudem war sie feste Gastdirigentin der Southbank Sinfonia in London und Paul Woodhouse Junior Fellow für Orchesterdirigieren am Royal College of Music in London.
Das Oberösterreichische Jugendsinfonieorchester (JSO) besteht seit mehr als 25 Jahren und setzt sich aus den besten Nachwuchsmusiker*innen des Landes zusammen. Begleitet von erfahrenen Dozent*innen aus dem Bruckner Orchester Linz, der Anton Bruckner Privatuniversität und dem Oö. Landesmusikschulwerk werden unter der Leitung renommierter Dirigent*innen Meisterwerke der sinfonischen Orchesterliteratur erarbeitet und anschließend bei Konzerten im Inund Ausland präsentiert. So arbeitete das JSO bereits mit Markus Poschner, Ola Rudner, Dennis Russell Davies, Gábor Káli, Adrien Perruchon oder Giuseppe Mancini sowie mit Solist*innen wie Nigel Kennedy, Benjamin Schmid und Julia Hagen zusammen. Seit 2022 hat Raphael Kasprian die künstlerische Leitung des JSO inne, das seit 2018 jährlich mit der musikalischen Gestaltung der feierlichen Eröffnung des Internationalen Brucknerfestes Linz betraut ist.
Die gebürtige Wienerin Irene Suchy absolvierte Studien in Wien und Tokio. Sie ist Musikredakteurin bei Ö1, Lehrbeauftragte an verschiedenen Universitäten, Ausstellungsmacherin, Moderatorin, Dramaturgin, Librettistin und Literatin. Die „Kulturjournalistin des Jahres 2017“ ist Trägerin des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich und des Landes Niederösterreich, des Bank Austria Kunstpreises für Kulturjournalismus und des Dr.-Karl-Renner-Preises. Sie hat mehrere Publikationen zur neueren Musikgeschichte, zur Geschichte der abendländischen Musik in Japan, zu NS-Verfolgten und zur NS-Musikexilgeschichte, zu feministischer Musikologie sowie zur Zeitgeschichte herausgebracht. Seit 2018 betreibt sie mit ihrem Verein maezenatentum.at intensive künstlerische Forschung an Komponistinnen. Gemeinsam mit Michael Mautner leitet sie das Ensemble REIHE Zykan + für höchste Ansprüche in Neuer Musik.
Kent Nagano | Dirigent
MO 1 JÄN 17:00
NEUJAHRSKONZERT
Eröffnungskonzert mit dem Bruckner Orchester Linz A. Bruckner: Scherzi aus der ‚Nullten‘ und ‚Neunten‘ u. a.
SA 23 MÄR 18:30 GROSSER
ZUBIN MEHTA & WIENER
PHILHARMONIKER
Festkonzert zum 50-Jahr-Jubiläum des Brucknerhauses Linz mit Bruckners ,Siebenter‘
DI 10 SEP 19:30
GROSSER SAAL
DO 19 SEP 19:30
GROSSER SAAL
FR 4 OKT 19:30
GROSSER SAAL
PHILIPPE HERREWEGHE & ORCHESTRE DES CHAMPS-ÉLYSÉES
Übersteigern – Bruckners
,Achte‘ im Originalklang
CHRISTIAN THIELEMANN & WIENER
PHILHARMONIKER
Bruckners ,Erste‘
KENT NAGANO & CONCERTO KÖLN
Verklären – Bruckners
,Vierte‘ im Originalklang
Cäcilienmusik von Georg Friedrich Händel in Bearbeitungen von Wolfgang Amadé Mozart
Sonntag, 24. September 2023, 18:00 Uhr
Großer Saal, Brucknerhaus Linz
Georg Friedrich Händel/Wolfgang Amadé Mozart
Das AlexanderFest. Kantate in zwei Teilen, HWV 75/KV 591
Ode auf St. Caecilia, HWV 76/KV 592
Yeree Suh | Sopran, Mario Lerchenberger | Tenor, Yannick Debus | Bariton
Chor Ad Libitum, Barucco, Heinz Ferlesch | Dirigent
Karten und Info: +43 (0) 732 77 52 30 | kassa@liva.linz.at | brucknerfest.at
Herausgeberin: Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz
CEO: Mag. Dietmar Kerschbaum, Künstlerischer Vorstandsdirektor LIVA, Intendant Brucknerhaus Linz; Dr. Rainer Stadler, Kaufmännischer Vorstandsdirektor LIVA
Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte: Mag. Jan David Schmitz
Redaktion: Peter Blaha | Der Text von Christoph Irrgeher ist ein Originalbeitrag für dieses Programmheft.
Biographien & Lektorat: Romana Gillesberger | Gestaltung: Pamela Stieger, Anett Lysann Kraml, Lukas Eckerstorfer
Abbildungen: M. Creutziger (S. 29 [4. v. o.]), M. Grabner (S. 30), Gymnasium Bad Leonfelden (S. 23), M. Hendryckx (S. 29 [3. v. o.]), National Portrait Gallery, London (S. 15), J. Pfaffeneder (S. 22), privat (S. 7, 10 & 12), J. Puch (S. 21), S. Quigley (S. 25), M. Rittershaus (S. 29 [2. v. o.]), A. Schlager (S. 27), Shutterstock (S. 1), S. Veranes (S. 29 [5. v. o.]), V. Weihbold (S. 29 [1. v. o.]), R. Winkler (S. 26) Programm-, Termin- und Besetzungsänderungen vorbehalten
LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz
Mit unserer eigenen Hammerkopfproduktion entfesseln wir das volle tonliche Spektrum unserer Flügel und Klaviere –eine Kunst, die Leidenschaft, Erfahrung und Disziplin erfordert. www.bechstein-linz.de