Macao Orchestra 13. & 14.9.2015

Page 1

Sonntag, 13. September 2015 Montag, 14. September 2015 Brucknerhaus, GroĂ&#x;er Saal, 19:30

Macao Orchestra LĂź Jia

presented by

Dirigent


Eröffnungskonzert 13. September 2015

Macao Orchestra Lü Jia Dirigent Haochen Zhang Klavier Wu Wei Sheng (chinesische Mundorgel) Huang Ruo *1976 Konzert für Sheng und Orchester The Color Yellow Franz Liszt 1811–1886 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Es-Dur Allegro maestoso Quasi Adagio Allegretto vivace Allegro marziale animato - Pause -

Anton Bruckner 1824–1896 Symphonie Nr. 6 A-Dur WAB 106 Majestoso Adagio. Sehr feierlich Scherzo. Nicht schnell – Trio. Langsam Finale. Bewegt, doch nicht zu schnell

Dauer: ca. 118 Minuten Fotos: Wenjun Miakoda Liang, LIVA, privat, Wu Promotion

Medienpartnerin


Huang Ruo

Huang Ruo, geboren 1976 in Hainan (China), lebt seit dem Jahr 2000 in New York und ist seit Kurzem Composer in Residence des Concertgebouw Orchesters in Amsterdam sowie des National Symphony Orchestra of Taiwan. Das Jahr seiner Geburt war das letzte der Kulturrevolution – Ruo wuchs also zu einer Zeit auf, in der sich China vorsichtig öffnete und die starken Einschränkungen in allen Bereichen des Lebens langsam abnahmen. Ruo erinnert sich an die Veränderungen in einem Interview mit dem Musikverlag „Ricordi“: „Nach der Kulturrevolution 1976 lebte die klassische Musik in China langsam wieder auf. Heute floriert die Szene. Ich kann mich noch gut an meine Jugend in den 1980er- und 1990er-Jahren erinnern, als die Chinesen begannen, modische Kleidung zu tragen, und Pop und klassische Musik hörten. Einige junge Eltern kauften bereits ein Klavier, bevor ihr Kind überhaupt geboren war. Eine Szene für zeitgenössische Musik befindet sich in China noch im Aufbau. Erst seit einigen Jahren wird sich die Bevölkerung der Bedeutung der neuen Musik, ihrer Individualität und Originalität bewusst.“ Ruo studierte an der Musikhochschule von Shanghai und setzte sich mit traditioneller chinesischer Musik ebenso auseinander wie mit westlicher Musik. Durch die dramatischen kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen im China der 1980er- und 1990er-Jahre rückten nicht nur Bach, Mozart, Strawinsky und Lutosławski in sein Blickfeld, sondern auch

_3


die Musik der Beatles, Rock’n’Roll, Heavy Metal und Jazz. 1995 setzte Ruo seine Studien in den USA fort. Huang Ruo unterrichtet Komposition am Purchase College der State University of New York, ist Gastprofessor für Komposition am Xinghai Conservatory of Music im chinesischen Guangzhou sowie künstlerischer Leiter und Dirigent des in New York beheimateten Ensembles Future In REverse. Sein Œuvre umfasst unter anderem fünf Bühnenwerke, zahlreiche Orchester- und Ensemblestücke sowie Multimedia-Installationen und ist, wie die New York Times schreibt, von einem „unverwechselbaren Stil“, von traditionell-folkloristischer chinesischer Musik sowie westlicher Avantgarde, Rock und Jazz inspiriert. Auch sein 2007 komponiertes Konzert The Color Yellow. Konzert für Sheng und Orchester verbindet die chinesische mit der westlichen Musikwelt. Ein Orchester westlicher Tradition, kombiniert mit einem der ältesten chinesischen Instrumente, der Sheng. Diese Mundorgel ist ein 3000 Jahre altes Instrument mit 37 Bambuspfeifen. „Die größte Herausforderung war die Kombination der so unterschiedlichen Instrumente der östlichen und westlichen Welt“, meint der Komponist. „Denn sie klingen nicht nur völlig unterschiedlich, sondern sind auch anders gestimmt. Eine meiner Lösungen war die Aufhebung der Stimmung und die Verwendung von Klängen zwischen den Tonhöhen, um diese zu verschmelzen und einen völlig neuen Charakter zu kreieren.“ Der Titel des Werkes bezieht sich auf die Farbe der Haut, bedeutet auf Chinesisch jedoch auch Eingang. Seine Intention ist, in den Worten des Komponisten, „die Vergangenheit widerzuspiegeln, die Gegenwart auszudrücken und die Zukunft vorherzusehen“. Clara Wieck hörte 1838 – noch als Schumanns Verlobte – in Wien ein Konzert Franz Liszts und berichtete darüber: „So wie er in seinem Leben ist, so gibt er sich auch als Künstler: ein turbulenter, bisweilen cholerischer Demagoge, der alles fordert, alles … und sei es die stabilste Konstruktion seines Klaviers, denn er ist durchaus in der Lage, ein solches an einem Abend in den Orkus zu befördern.“ Und Robert Schumann forderte ein Jahr später: „Wir müssen getrost den Genius abwarten, der uns in neuer glänzender Weise zeigt, wie das Orchester mit dem Klavier zu verbinden sei, dass der am Klavier Herrschende den Reichtum seines Instruments und seiner

4_


Franz Liszt

Kunst entfalten könne, während das Orchester dabei mehr als das bloße Zusehen habe und mit seinen mannigfaltigen Charakteren die Szene kunstvoller durchwebe.“ Lange musste Schumann nicht warten, entsprachen doch die Klavierkonzerte Franz Liszts genau dieser neuen Idee. Liszt prägte in seiner ersten Lebenshälfte (bis 1848) nicht nur den Typus des romantischen Klaviervirtuosen, sondern erreichte in seinen Klavierwerken ein bis dahin unbekanntes pianistisches Niveau – nicht umsonst wurde er der Paganini des Klaviers genannt. Als führender Verfechter der „Neudeutschen Schule“ war Liszt an der Entwicklung der musikalischen Avantgarde des 19. Jahrhunderts beteiligt: 1848 ging er nach Weimar und wurde dort Hofkapellmeister. Er widmete sich der Förderung von Komponisten (sein Anteil an der Karriere Berlioz’ und vor allem Wagners in den 1850er-Jahren ist nicht zu unterschätzen) und setzte sich für die neue Form der Symphonischen Dichtung ein. Das Klavier blieb jedoch immer bestimmend – Liszt hatte schon früh begonnen, seine Meisterschaft auf diesem Instrument zu üben: Bereits mit neun Jahren spielte er sein erstes öffentliches Konzert, studierte in Wien bei Carl Czerny und Antonio Salieri und perfektionierte sein Können in Paris. „Mein Klavier ist für mich, was dem Seemann seine Fregatte, dem Araber sein Pferd – mehr noch! Es war bis jetzt meine Sprache, mein Leben!“ So enthusiastisch äußerte sich der

_5


Künstler 1837 zu einer Zeit, als er sich bereits mit der Komposition seiner beiden Klavierkonzerte beschäftigte und darin den Ansprüchen und Wünschen Robert Schumanns entsprach: Liszt hielt sich weder an die traditionelle Satzfolge noch an Varianten wie zum Beispiel eine Attacca-Verknüpfung der einzelnen Sätze. Vielmehr entsprechen die Klavierkonzerte der damals neuen Gattung der Symphonischen Dichtung – und so verbindet der Komponist Symphonie, Konzert und Sonate zu einer großen Einheit, in der das Soloinstrument den poetischen Part übernimmt. Die Konzeption des Klavierkonzerts Nr. 1 begann bereits in den 1830er-Jahren, der Zeit des großen Virtuosen Liszt. Doch erst 1848 vollendete er das Werk, war aber nicht ganz zufrieden und unterzog es daher zwei Revisionen. Daher fand die Uraufführung auch erst am 17. Februar 1855 in Weimar statt, selbstverständlich mit dem Komponisten als Solisten, am Dirigentenpult stand niemand Geringerer als Hector Berlioz, dessen Anregungen die gesamte Neudeutsche Schule geprägt und ermöglicht hatten. Dass so mancher konservative Kritiker das Werk nicht goutierte, liegt auf der Hand – dennoch hat es sich durchgesetzt und Komponisten wie Rachmaninow oder Prokofjew beeinflusst. 1880 vollendete Anton Bruckner 56-jährig den ersten Satz seiner 6. Symphonie. Eine Reminiszenz an frühere Linzer Tage, erinnert dieser erste Satz doch mit einem Zapfenstreich an die Truppenübungen, die fast täglich in der Nähe von Bruckners Linzer Wohnung abgehalten wurden: eine Parallele auch zu anderen Komponisten wie Gustav Mahler, die ebenfalls durch die Nähe einer Kaserne in ihren Kompositionen beeinflusst wurden. Leicht hatte es der Komponist nach wie vor nicht in Wien, die 4. und 5. Symphonie waren noch immer nicht aufgeführt, die Anfeindungen der Wiener Presse blieben gleich stark, seine schrullige Art kam auf dem glatten Wiener Parkett nicht gut an. Endlich wurde 1881 die 4. Symphonie in Wien aufgeführt, danach machte sich Bruckner daran, die 6. Symphonie zu vollenden – am 3. September 1881 stellte er sie fertig. Es dauerte jedoch noch über ein Jahr, bis der Komponist und das Publikum wenigstens einen Teil hören konnten. Am 11. Februar 1883 war es dann so weit: Der Dirigent Wilhelm Jahn erklärte sich jedoch nur bereit, die mittleren beiden Sätze aufzuführen. Die Wiener Presse sprach von „traumverwirrtem Katzenjammerstil“ – und dies war der Grund dafür,

6_


dass der Komponist im darauffolgenden Jahr die Aufführung seiner 7. Symphonie durch die Philharmoniker verhinderte, „aus Gründen, die einzig und allein aus der localen Situation entspringen in Bezug der maßgeblichen Kritik, die meinen noch jungen Erfolgen in Deutschland nur hemmend in den Weg treten könnte“. Bruckner war zu diesem Zeitpunkt bereits 61 Jahre alt. 1883 scheiterte eine Aufführung der Symphonie in Pest daran, dass Bruckner die handschriftliche Partitur nicht aus der Hand geben wollte, eine Abschrift jedoch 100 Gulden gekostet hätte – es waren also nicht immer nur die äußeren Umstände, die Aufführungen der Symphonien Bruckners vereitelten. Die 6. Symphonie hat mehrere Besonderheiten, zuallererst ist sie von Bruckner nie umgearbeitet worden! Eine Ausnahme in seinem Schaffen. Sie ist sicherlich die Symphonie, die am wenigsten Beachtung fand und findet. Vielleicht, weil sie weniger spektakulär ist und der Zuhörer sich wirklich mit dem Werk auseinandersetzen muss, um es ganz zu erfassen. Doch ist es gerade dieses Werk, das wohl als „Symphonie der Lebensaufarbeitung“ bezeichnet werden kann – eine Mischung aus Schmerz und Triumph, die die Jahre bis dahin geprägt haben: der Verlust geliebter und wesentlicher Menschen in seinem Leben, die Niederlage mit seiner 3. Symphonie, aber auch die Erfolge und die stetig steigende Anerkennung. Bruckner sollte diese Symphonie nie zur Gänze hören, erst drei Jahre nach seinem Tod kam es unter Gustav Mahlers Federführung zur richtigen Uraufführung des Werkes. Mahler, ebenfalls ein Meister der Instrumentation, konnte es nicht lassen, Retuschen an Bruckners Instrumentation und starke Kürzungen vorzunehmen. Letztendlich war also dieses Werk ebenfalls nicht vor Bearbeitungen gefeit – und steht somit in dieser Hinsicht in bester Bruckner-Tradition. Marie-Theres Arnbom

_7


14. September 2015

Macao Orchestra Lü Jia Dirigent Haochen Zhang Klavier Su Fei Nga Violine Anton Bruckner 1824–1896 Ouvertüre g-Moll WAB 98 Niccolò Paganini 1782–1840 Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 6 Allegro maestoso Adagio Rondo: Allegro spiritoso - Pause -

Ludwig van Beethoven 1770–1827 3. Klavierkonzert c-Moll op. 37 Allegro con brio Largo Rondo: Allegro

Dauer: ca. 125 Minuten

Medienpartnerin


Anton Bruckner begann spät, Werke für Orchester zu schreiben – erst mit 38 Jahren wagte er sich an diese Gattung. 1861 schloss er sein Studium bei Simon Sechter nach sechs Jahren ab, die Prüfungskommission, der er eine Orgelimprovisation vorführen musste, war beeindruckt, der Dirigent Johann Ritter von Herbeck meinte gar: „Wenn ich den zehnten Teil von dem wüsste, was der weiß, wäre ich glücklich!“ In Linz studierte der mittlerweile 38-Jährige bei einem Lehrer, der für Bruckners weitere Entwicklung von enormer Bedeutung wurde: dem Theaterkapellmeister Otto Kitzler, geboren 1834 in Dresden. Der Dirigent und Komponist von Cellosonaten, Orchester- und Vokalkompositionen studierte Klavier, Violoncello, Gesang und Orgel in Dresden und wurde bereits mit 19 Jahren Musiklehrer. Ein Jahr später vervollständigte er seine Studien in Brüssel. Er begann als Cellist im Opernorchester von Straßburg und Lyon, wo er 1857 einen deutschen Männergesangsverein gründete – in Frankreich bemerkenswert. Doch wechselte Kitzler das Lager, wandte sich dem Dirigieren zu, wurde 1861 nach Linz engagiert und leitete nach einigen anderen Stellen 30 Jahre lang bis 1898 den Brünner Musikverein und die daran angeschlossene Schule. 1915 starb er in Graz. Er war es, der Bruckner mit der „neuen“ Musik der damaligen Zeit bekannt machte und der Bruckner zum ersten Mal eine Wagner-Partitur zum Studium überließ: Tannhäuser stand somit am Beginn von Bruckners fast schon übertriebener Verehrung für Wagner. Kitzler wies Bruckner außerdem den Weg hinaus aus dem sehr strikten und reglementierten Denken, das Simon Sechter verfolgt hatte. Anlässlich seines Abschiedes im Jahr 1863 wird folgende Anekdote überliefert: Bruckner fragte den Lehrer, wann er denn nach mittelalterlichem Zunftbrauch freigesprochen werde. Kitzler meinte darauf: „Mein lieber Bruckner, das kann jeden Tag geschehen. Längst hast du, der Schüler, mich, den Lehrer, übertroffen. Es gibt wirklich nichts mehr, was ich dich lehren könnte!“ Bruckner war natürlich überglücklich und fühlte sich „wie ein Kettenhund, der sich von seiner Kette losgerissen hat“. Während seines Studiums bei Kitzler schrieb Bruckner 1862 seine ersten Orchesterwerke, so auch die Ouvertüre WAB 98, die erst 1921 erstmals publiziert wurde. Die Uraufführung fand gemeinsam mit dem Marsch d-Moll und den Drei Orchesterstücken aber erst 52 Jahre später statt: am 12. Oktober 1924 in Klosterneuburg. Am selben Tag gab übrigens der Sohn seines großen Idols Richard Wagner ein Konzert in Wien.

_9


Der wohl größte Geigenvirtuose aller Zeiten war Niccolò Paganini – „Mephisto der Geige“ genannt. Er strahlte etwas Unheimliches aus, das die Menschen in seinen Bann zog. Sein Erscheinungsbild war beeindruckend: Staksig und ungelenkt kam er auf die Bühne, totenbleich, mit eingefallenen Wangen – und entlockte der Geige Musik wie sonst niemand: „Es ist etwas Dämonisches an ihm. Vielleicht hätte Goethes Mephisto die Violine gespielt, wie er es tut“, bemerkte der Musikkritiker Ludwig Rellstab. „Niemals in meinem Leben habe ich eine Geige so weinen gehört.“ Und wie so vielen Virtuosen genügte auch Paganini die vorhandene Literatur nicht – er komponierte sich förmlich Werke auf den Leib, so auch sechs Violinkonzerte. Das 2. Violinkonzert entstand 1826, zwei Jahre bevor der Virtuose Europa von Wien aus im Sturm eroberte. Bis dahin war er ausschließlich in Italien aufgetreten und hatte dort seinen Ruhm begründet. Hauptzweck des Konzertes ist, die Virtuosität zu unterstreichen und in den Mittelpunkt zu stellen, was vor allem im dritten Satz, La Campanella genannt, in rasanten Passagen seinen Ausdruck findet. Der „Teufelsgeiger“ Paganini ist wohl auch heute noch der Inbegriff des Virtuosen. Nicht nur seine brillante Spieltechnik war dafür verantwortlich, sondern auch sein auffallendes Äußeres: Der hagere Mann mit pechschwarzen Haaren und Augen regte die Fantasie an und wurde bereits zu Lebzeiten zu einer Legende. Dabei hatte sein Leben in Genua nicht gerade angenehm begonnen: Er hatte bereits in frühester Kindheit Violinunterricht von seinem Vater bekommen, dieser zwang ihn stundenlang (angeblich zehn Stunden täglich) zum Üben. War er dem Vater nicht fleißig genug, bekam der kleine Niccolò nichts zu essen, auch Schläge waren nicht unüblich. Mit fünfeinhalb Jahren fing er an, Gitarre zu spielen, ab dem neunten Lebensjahr trat er regelmäßig auf, immer in Begleitung seines Vaters. Nur 1801 konnte ihn dieser krankheitshalber nicht begleiten – dies hatte fatale Folgen: Vom Musikfestival in Lucca kehrte Paganini nicht nach Genua zurück, sondern fand eine neue Leidenschaft: das Glücksspiel. Trotz der angehäuften Schulden schickte er immer Geld an seine Mutter und an seinen Vater. Erst als er seine eigene Geige verspielt hatte, kam er zur Besinnung und reiste wieder als Violinvirtuose durch Italien. Von 1805 bis 1809 war er bei Fürstin Elisa Baciocchi, einer Schwester Napoleons, in Lucca angestellt, 1828 erhielt er vom österreichischen Kaiser Franz den Ehrentitel

10_


Niccolò Paganini

„Kaiserlicher Kammervirtuose“. Paganini komponierte sechs Violinkonzerte, die vor allem einem Zweck dienten: seine Virtuosität einmal mehr perfekt in Szene zu setzen. Sein 1. Violinkonzert op. 6 schrieb er, weil ihm die vorliegenden Konzerte nicht schwierig genug waren – diesem Umstand musste Abhilfe geschaffen werden. Und so schrieb ein venezianischer Kritiker im Uraufführungsjahr 1816: „An den schwierigsten Stellen scherzt er mit all jenen Griffen, die keine andere Hand wagen würde, in der Zartheit wird er zu einem unwiderstehlichen Verführer, im Schwung der Phantasie wirbelt er einen Strudel der seltsamsten Kunstgriffe, schlägt jedes Hindernis nieder, jede Begrenzung und erträgt keine Gesetze.“ Nach seinem Tod 1840 in Nizza brachte Paganini sein Beiname „Teufelsgeiger“ ernsthafte Schwierigkeiten ein: Der Virtuose wollte nur auf geweihtem Boden begraben werden. Doch da man Paganini zu Lebzeiten für einen Verbündeten des Teufels hielt, weigerte sich die Kirche, diesem Wunsch nachzukommen. Sein Sohn Achille ließ seinen Vater daher mumifizieren und deponierte ihn im Keller eines Freundes. Immer wieder versuchte er vergeblich, den Wunsch seines Vaters zu erfüllen. Schließlich ließ sich der Bischof von Parma unter der Bedingung umstimmen, dass auf einem Teil von Paganinis Grundstück ein Friedhof angelegt werde. Dies geschah, doch hatte der Bischof einen üblen Trick angewandt:

_11


Paganinis Grab war als unterirdisches Verlies angelegt und lag daher nicht auf dem geweihten Abschnitt des Friedhofs. 1876, 36 Jahre nach Paganinis Tod, nahm Achille einen neuen Anlauf. Die Kirche wollte das Verbot des Bischofs von Nizza nur dann aufheben, wenn ein eindeutiges Zeugnis von Reue des Verstorbenen vorläge – nach 36 Jahren ein interessantes Ansinnen. Es wäre als ein Zeichen von Reue zu werten, wenn die gesamten Honorare, die sich Paganini nachweislich mit Hilfe des Satans erspielt hatte, an die Kirche zurückgezahlt werden würden. Achille willigte in diesen unfassbaren Handel ein und erfüllte endlich den Wunsch seines Vaters. 1799 soll Ludwig van Beethoven gemeinsam mit dem Londoner Komponisten, Pianisten und Musikverleger Johann Baptist Cramer folgende Geschichte passiert sein, die Cramers Witwe viele Jahre später erzählte: „In einem Augartenkonzert gingen die beiden Künstler umher und hörten eine Aufführung von Mozarts Klavierkonzert c-Moll KV 491. Beethoven stand plötzlich still, und indem er die Aufmerksamkeit seines Begleiters auf das außerordentlich einfache, doch eben so schöne Motiv hinlenkte, welches erst gegen das Ende des Stückes eintritt, rief er aus: ‚Cramer! Cramer! Wir werden niemals im Stande sein, etwas Ähnliches zu machen.‘ Und wo das Motiv sich wiederholt und zu einer Steigerung bearbeitet wird, bezeichnete Beethoven, indem er seinen Körper hin und her bewegte, den Takt und gab in jeder möglichen Weise eine bis zum Enthusiasmus sich steigernde Freude zu erkennen.“ Ob sich das tatsächlich so zugetragen hat, weiß man natürlich nicht. Doch sicher ist, dass Beethoven dieselbe Tonart – also c-Moll – für sein 3. Klavierkonzert wählte. Als Ludwig van Beethoven Ende des Jahres 1800 seine ersten beiden Klavierkonzerte verkaufte, erwähnte er, er habe auch noch „Bessere“, die er aber einstweilen noch für sich behalte. Eines dieser „Besseren“ war wohl das 3. Klavierkonzert c-Moll op. 37. Nicht nur in der Nummerierung nimmt das Konzert eine Mittelstellung ein, auch stilistisch hebt es sich von den traditionelleren ersten beiden Werken ebenso ab wie von der ausgewogenen neuen Verschmelzung von Solo und Orchester in den beiden folgenden Klavierkonzerten. Ludwig van Beethoven griff in seinen Klavierkonzerten zwar das Modell Mozarts auf, doch stellt das 3. Klavierkonzert eine Zäsur dar: Es verlässt die Sphäre der Gesellschaftskunst und wird zu einer Symphonie mit konzertierendem Klavier, der

12_


Solist tritt als „heroisches“ Individuum dem Kollektiv des Orchesters gegenüber – wieder hatte Beethoven eine Möglichkeit gefunden, seine politischen und weltanschaulichen Ideen in ein Werk zu verpacken. Möglich wurde dies durch die verbesserte Klaviertechnik, der Ton des Instruments war um 1800 schon bedeutend kräftiger als noch zu Mozarts Zeiten. Beethoven nutzte dies für einen gewichtigeren Klaviersatz. Gewidmet wurde dieses Werk Prinz Louis Ferdinand von Preußen, der selbst komponierte und dem Komponisten freundschaftlich verbunden war. Beethoven schätzte auch die pianistischen Fähigkeiten des Prinzen und meinte, dieser spiele nicht „prinzlich oder königlich, sondern wie ein tüchtiger Klavierspieler“. Noch eine Besonderheit hat dieses Konzert: Es ist das einzige Klavierkonzert, das Beethoven in Moll schrieb. Beethoven spielte bei der Uraufführung den Klavierpart selbst und bat Ignaz Xaver von Seyfried, ihm umzublättern. Dieser geriet jedoch in ziemliche Verlegenheit: „Ich erblickte fast lauter leere Blätter, höchstens auf einer oder der anderen Seite ein paar mir recht unverständliche ägyptische Hieroglyphen hingekritzelt.“ Beethoven improvisierte den Solopart also offenbar – und amüsierte sich angeblich königlich über Seyfrieds Nöte. Diese Uraufführung fand 1803 in Wien statt, bereits im Jahr darauf wurde das Konzert wieder aufgeführt: Beethovens Schüler Ferdinand Ries spielte es noch einmal in Wien, dann in Frankfurt und Leipzig. In einer Kritik der Allgemeinen Musikalischen Zeitung hieß es, dieses Konzert sei „eines der vortrefflichsten Stücke, die in dieser Gattung nur je geschrieben worden“. Dass einer der größten Kabarettisten unserer Tage, Georg Kreisler, gerade den ersten Klaviereinsatz dieses Konzertes für sein Lied Der Musikkritiker verwendet, soll diese Rezension aber nicht außer Kraft setzen. Marie-Theres Arnbom

_13


Macao Orchestra

Die Geschichte des Macao Orchestra steht beispielhaft für den Werdegang bedeutender chinesischer Sinfonieorchester von heute. Wenige Jahre nach Ende der Kulturrevolution gegründet, war es zunächst eine Amateurvereinigung von Kammerorchesterformat, die 1995 professionalisiert und 2001 auf symphonische Stärke erweitert wurde. Aber erst mit der Verpflichtung erstklassiger Musiker aus dem Ausland zwei Jahre später machte man den entscheidenden Schritt hin zu internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Inzwischen gilt das Macao Orchestra als einer der besten Klangkörper in Fernost, der regelmäßig Tourneen durch den asiatischen Raum und Europa unternimmt. Dabei kann man auf eine Zusammenarbeit mit Solisten wie Joshua Bell, Pinchas Zukerman und Maria João Pires zurückblicken. Seit 2008 fungiert Lü Jia als Chefdirigent in der Sonderverwaltungszone Macao. Sein Bestreben ist es, sowohl westliche Klassiker als auch zeitgenössische chinesische Musik in bester Qualität aufzuführen.

14_


Lü Jia

1991, im Alter von gerade einmal 26 Jahren, übernahm der aus Shanghai stammende Lü Jia den Chefposten an der Oper Triest. Vorausgegangen war eine Ausbildung am Konservatorium von Beijing sowie an der UdK Berlin. Vor allem in Europa sorgte Lü Jia seither für Furore: als Dirigent an der Mailänder Scala, den Opernhäusern von München und Berlin, durch Gastdirigate in Birmingham, Leipzig, Bamberg und Rom sowie als Künstlerischer Leiter des Symphonieorchesters Norrköping. Dort spielte er etliche Werke des zeitgenössischen Komponisten Ingvar Lidholm erstmals auf CD ein. 2007 wählte ihn das Symphonieorchester von Teneriffa zum Chefdirigenten. Mittlerweile hat sich Lü Jias Arbeitsschwerpunkt wieder Richtung China verlagert, wo er dem wachsenden Interesse an klassischer Musik ein stabiles Fundament geben möchte: Er ist Künstlerischer Leiter des Nationalen Opernhauses sowie seit 2008 des Macao Orchestra.

_15


Haochen Zhang

Arte bezeichnete den Pianisten Haochen Zhang als „Den neuen Stern am Firmament der Pianisten“. Seit seiner Goldmedaille beim 13. Internationalen Van Cliburn Wettbewerb 2009, mit der seine herausragende Kunst ausgezeichnet wurde, eroberte der chinesische Pianist Haochen Zhang, Jahrgang 1990, das Publikum in den USA, in Europa und in Asien durch seine Sensibilität, seine Fantasie und seine Virtuosität. Seine Anfänge bei den BBC Proms 2014 lösten eine Welle begeisterter Kritiken aus, die sein ausdrucksstarkes und sensibles Spiel lobten und in seiner Interpretation die Leichtigkeit Mendelssohns und die Diabolik Liszts erkannten.

16_


Wu Wei

Wu Wei, geboren 1970 in China, studierte Sheng an der Musikhochschule Shanghai und war Solist beim „Shanghai Chinese Orchestra“, bevor er 1995 mit einem Stipendium das Studium an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin fortsetzte. Seitdem lebt er in Berlin und ist seit 2013 Professor an der Musikhochschule Shanghai. Als Solist trat er bei den bedeutendsten Festivals weltweit auf und wurde von führenden Orchestern begleitet. Wu Wei hat mehr als 280 Werke, darunter zehn Konzerte für Sheng und Orchester von Komponisten wie John Cage, Jörg Widmann und Huang Ruo, uraufgeführt und komponierte selbst zahlreiche Werke für Sheng. Doch beherrscht er nicht nur die Sheng, sondern auch Instrumente wie Lusheng, Erhu, Bawu und Xun. Die Lusheng ist eine einfachere Variante der Sheng, die Erhu ist in Europa auch als chinesische Stabgeige bekannt. Die Bawu ist eine Bambusflöte, die insbesondere unter den nicht chinesischen Ethnien der südwestchinesischen Provinz Yunnan weit verbreitet ist, und die Xun ist ein archaisches, seit 7000 Jahren gebräuchliches Blasinstrument, das aus verschiedenen Kulturen bekannt ist und vielfach aus Ton, Knochen, Stein, Keramik oder Elfenbein bestand. _17


Su Fei Nga

Das Macao Orchestra setzt sich besonders fĂźr die NachwuchsfĂśrderung ein. Eines dieser jungen Talente ist die Geigerin Su Fei Nga, 14 Jahre alt. Bereits mit sechs Jahren gewann sie in den Kategorien Solo-Violine und Konzertfach. Es folgten zahlreiche weitere Preise und die begeisterte Zustimmung der Juroren.

18_


Donnerstag, 17. September 2015 Brucknerhaus, Großer Saal, 19:30 Rudolf Buchbinder Klavier

Qatar Philharmonic Orchestra Werke von S. Prokofjew, S. rachManinow, P. i. tSchaikowSky Montag, 21. September 2015 Brucknerhaus, Großer Saal, 19:30

-20%*

Wiener Philharmoniker Semyon Bychkov Elisabeth Kulman

Werke von j. hayDn, r. wagner, f. SchMiDt Dienstag, 29. September 2015 Brucknerhaus, Großer Saal, 19:30

Brücke Linz-Wladiwostok

orchester der anton Bruckner Privatuniversität anton Lubchenko Dirigent Miroslav kultyshev Klavier Werke von P. i. tSchaikowSky, S. rachManinow, a. LuBchenko Mittwoch, 30. September 2015 Brucknerhaus, Mittlerer Saal, 19:30

Premiere Udo Zimmermann: Weiße Rose Christian Ludwig Attersee – Weitere Vorstellungen 3.10, 4.10 und 8.10. freitag, 2. oktober 2015 Stiftsbasilika St. Florian, 19:30

-20%*

Mariinsky Orchester St. Petersburg Valery Gergiev a. Bruckner: Symphonie Nr. 4

Sonntag, 4. oktober 2015 Brucknerhaus, Großer Saal, 11:00

Korean Symphony Orchestra hun-joung Lim Dirigent yura Lee Viola Werke von w. a. Mozart, t. kiM, a. DvoŘÁk

* AbonnentInnen des Großen Abos oder der Sonntagsmatineen erhalten -20 % auf den Kartenpreis.

Karten und Info: +43 (0) 732 77 52 30 kassa@liva.linz.at www.brucknerfest.at www.brucknerhaus.at


Sehenswert. Unser Engagement für Kultur. Kultur holt Themen vor den Vorhang, die bewegen. Diesen Dialog fördern wir mit unserem Engagement. Auch in der Finanzwirtschaft bewegt sich einiges – wir sind stolz auf dieser Bühne als verlässlicher und erfolgreicher Partner geschätzt zu werden.

Inserat Oberbank?

Oberbank. Nicht wie jede Bank.

Obank_Gelegenheitsinserat_Kultur_87x163_0814.indd 1

28.08.14 10:23

Programm-, Termin- und Besetzungsänderungen vorbehalten Medieninhaberin: Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus, Untere Donaulände 7, 4010 Linz LIVA – Ein Unternehmen der Stadt Linz


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.