„Das alte Gesetz“
7. MAI 2023 FESTIVAL 4020 SAISON 2022/23Daniel Grossmann & Jewish Chamber Orchestra Munich
100 Jahre „Das alte Gesetz“
Sonntag, 7. Mai 2023, 18:00 Uhr Großer Saal, Brucknerhaus Linz
Saison 2022/23 – Festival 4020
Saison 2022/23 – FilmMusik II
Programm
Ewald André Dupont (1891–1956)
Das alte Gesetz (D 1923)
mit neukomponierter Filmmusik von Philippe Schoeller (* 1957)
Konzertende ca. 20:15
Besetzung
Jewish Chamber Orchestra Munich
Daniel Grossmann | Dirigent
Das alte Gesetz
„EINE EIGENTÜMLICHE, WERTVOLLE, ORIGINALE LEISTUNG“
Ein ausgesprochener Publikumsfilm von bestem künstlerischen Niveau
Das Grundmotiv ist nicht neu. Es brachte vor Jahren Rudolf Meinert und Bernd Aldor einen unerhörten Erfolg. Es ist gewissermaßen eine Neuauflage von „Glaubensketten“, aber verfeinert, vertieft. Kein Plagiat, sondern nur eine Variation, keine Nachahmung, sondern eine eigentümliche, wertvolle, originale Leistung E. A. Duponts.
Die Geschichte vom Rabbiner, der Schauspieler werden will, der das Ghetto gegen den Willen des Vaters verläßt und durch die Protektion der Erzherzogin Elisabeth Theresia Burgschauspieler und durch sein Talent ein ganz großer Mann wird.
Der alte Rabbi wird schließlich dahin gebracht, sich seinen Sohn einmal auf der Bühne anzusehen. Nach langer Überwindung entschließt er sich zu der weiten Reise. Die Kunst siegt. Der Alte schließt seinen Sohn gerührt in die Arme, weil er erkennt, daß die Stimme des Herzens manchmal bei auserwählten Menschen stärker ist als das alte, unüberwindlich scheinende Gesetz.
Dupont hat den Film ganz auf Kontraste gestellt. Neben dem kleinen russischen Getto steht das entzückende, liebenswürdige, lächelnde und tanzende Alt-Wien. Dadurch ergeben sich im einzelnen unendlich viele Möglichkeiten.
Der junge Baruch spielt seine erste große Rolle am Vorabend des Versöhnungstages. Während unten an der russischen Grenze die Kerzen zum Gebet entzündet werden, müht sich der Beleuchter im Wiener Burgtheater um den riesigen Kronleuchter, und während die Judengemeinde, entzückt und ergriffen, heißer und inniger als an jedem anderen Tag zu Gott fleht, bringt man in Wien dem jungen Schauspieler, der durch seinen Hamlet die Herzen bezwang, begeisterte, endlose Ovationen.
Diese Kontraste im kleinen sind durch das Ganze gestreut. Da sind entzückende Episoden in der Wanderschmiere. Nach der Vorstellung macht ein Kavalier Witze über den Romeo mit den Hängelöckchen
und ist begeistert für die Julia, die er in das Separé einlädt. Baruch ist geknickt. Da kommt ein Bote, der ihn zur Herzogin holt. Vielleicht aus demselben Motiv heraus, das den Kavalier veranlaßt, sich Julia ins Separé einzuladen.
Zunächst nur ein langsam aufgeblendetes Hotelschild: „Hotel Habsburger Hof“. Primitivstes Provinzseparé. Dann ein Titel: „Der andere Habsburger Hof“ und dann das Standquartier der Herzogin. Entzückende kleine Idyllen, zum Beispiel die Szene, wo die Erzherzogin den jungen Schauspieler empfängt, wie sie ihn an das Fenster lockt, das einen Blick auf den frühlingsbestrahlten Garten zeigt. Von diesem Garten sieht man eigentlich gar nichts. Aber man fühlt, da draußen lacht die Sonne, jubilieren die Vögel. Man weiß, die Blumen müssen heraufduften, es muß jene selige Stimmung sein, in der sich so oft die Herzen finden.
Zwischendurch Massenszenen, wie das Aufziehen der Wache. Massenszenen mit weisester Ökonomie, wirksam nicht durch die Zahl der Menschen, sondern mehr durch die szenische Einteilung.
Man sieht zunächst – um an einem Beispiel die Arbeitsmethode Duponts zu zeigen – nur ganz kurz durch das Fenster eines großen Restaurants, umdrängt von Bürgern, die vorüberziehenden Soldaten. Jetzt der Anmarsch. Dann wieder ein kurzer Blick in den Wäscherkeller mit den berühmten, entzückenden Wiener Waschermadeln. Die stürmen nach oben. Man sieht nur die flinken Beinchen und die bauschigen Röckchen eine Treppe hinaufeilen. Dann – gewissermaßen Großaufnahme – die vorbeiziehende Wache.
Dazu kommt eine ausgezeichnete Besetzung. Der Rabbiner, dargestellt von Avrom Morewski von der Wilnaer Truppe, lebensecht, schauspielerisch ausgezeichnet.
Dann Hermann Vallentin als Heinrich Laube. Eine Leistung von höchster Eindringlichkeit. Die Entdeckung Hermann Vallentins für die ganz, ganz große Klasse.
Der junge Baruch, eine Rolle, die Ernst Deutsch besonders liegt, die seiner vielseitigen Darstellungskunst überall entgegenkommt und die ihm einen großen, vollen, uneingeschränkten Erfolg bringt.
Rolle, die dieser beliebten Schauspielerin wieder einmal gut liegt, die ihr vielen Herzen zurückerobert, die sie früher verlor.
Das wirkungsvolle Manuskript, die ausgezeichnete Photographie, die hübsche Ausstattung und die Kostüme halfen dem Regisseur und trugen mit zu dem Erfolg bei.
Anonyme Kritik in der Filmfachzeitschrift Der Kinematograph vom 4. November 1923
„IST ZUDEM DER JÜDISCHE FILM EIN GUTER […]“
Jüdische, oder besser gesagt, Filme, welche die althergebrachten Sitten und Gebräuche der Juden oder judophile Tendenzen zeigen, sind jetzt „Mode“. Begreiflicherweise! Denn während die jahrtausendealten Ueberlieferungen eines Volkes in allen, demnach auch nichtjüdischen Kreisen, zumindest jenes Interesse erwecken müssen, das Reise- und Abenteuerfilme, die den Zuseher in ferne oder unentdeckte Weltteile führen, entgegengebracht wird, haben die projüdischen Tendenzen der anderen Filmgruppe so manchen Nichtjuden, der angesichts der Verhetzungen politischer oder religiöser Natur nach Erkenntnis der Wahrheit strebt, die Augen geöffnet über Dinge, die er früher nie begriffen oder die ihn das Judentum falsch beurteilen ließen.
Ist zudem der jüdische Film ein guter – wie es bei „Ost und West“ und bei „Kaddisch“ der Fall war – und wie es nunmehr „Das alte Gesetz“ ist, wird es begreiflich, wenn sich diese Art Filme nicht als vorübergehende Mode, sondern als Filmart dauernd in dem Kinorepertoire aller zivilisierten Länder erhalten und viele gute Dienste im Sinne der allgemeinen Volksaufklärung leisten wird.
Das nachdrücklichste Lob für diesen Film, der – jeder weiß es, niemand sagt es – die Geschichte Adolf Sonnentals zur Grundlage hat, verdient der Regisseur E. A. Dupont. Feinheiten, wie das symbolisierte „Einsam in der Welt wandern“, das verkehrte Aufschlagen des Buches durch den Rabbi, der bisher nur hebräische Bücher in der Hand hatte, und dergleichen viele mehr, zeigen die künstlerische, unendlich eindrucksvolle und wirksame Auffassung des Stoffes. Henny Porten spielt mit der Erzherzogin Maria Theresia den Deux ex machina des Films, jedoch keine eigentliche Hauptrolle. Trotzdem tritt diese Figur, die sie so graziös, lieb und liebevoll nach den Ueberlieferungen der Geschichtsbücher darstellt, aus dem Rahmen des Werks. Ernst Deutsch, offenbar gleich vertraut mit den Gebräuchen des Ghettos, wie denen der Theaterwelt, stellt einen lebenswahren Baruch auf die Beine. Avrom Morewski als alter Rabbi ist erschütternd in den tragischen Momenten seines Spieles. Seine Darstellung
ist wieder so lebenswahr, daß man seine schließliche Abkehr von der Abgeschlossenheit des Ghettos, die weder durch die Thränen seiner Frau, noch durch sein eigenes Leid oder Erfolge seines einzigen Kindes, wohl aber eines Nachts durch das Lesen von Shakespeares Werken hervorgerufen wird, als unglaubwürdig, also als schwächste Stelle der Handlung empfindet. Robert Garrison als Ruben Pick, Hermann Vallentin als Burgtheaterdirektor Laube, Margarete Schlegel als Braut, Alice Hechy und Alfred Abel in Episodenrollen schufen treffliche Gestalten, die sie treffend und wirksamen zu charakterisiren wußten.
Das alte Burgtheater und seine Gestalten, Bilder aus dem Hofleben und die Wiener Burgmusik sichern dem Film, abgesehen von allem anderen, lokalpatriotisches Interesse aller Schichten der hiesigen Bevölkerung.
Kritik von Felix Brasch in der Wiener Morgenzeitung vom 29. Februar 1924
Jewish Chamber Orchestra Munich
Das 2005 gegründete Orchester versteht sich als zeitgenössische jüdische Stimme und geht mit immer neuen Allianzen und Formaten ungewöhnliche Wege, um jüdische Gegenwartskultur lebendig und für jeden hör-, erleb- und sichtbar zu machen. Neben Tourneen nach Israel, Osteuropa, Skandinavien, Nordamerika und China tritt das JCOM bei Gastspielen innerhalb Deutschlands als Botschafter jüdischer Kultur in Erscheinung. Es ist ein Orchester für alle Nationen und Religionen, dessen – jüdische wie nichtjüdische – Mitglieder aus mehr als zwanzig Ländern kommen. Auf höchstem künstlerischem Niveau pflegt das JCOM die reiche jüdische Musiktradition mit einem Repertoire, das vom Barock bis in die Gegenwart reicht. Das Orchester bringt vergessene jüdische Komponist*innen ans Licht, vergibt regelmäßig Kompositionsaufträge und pflegt Kooperationen mit weltbekannten Solist*innen und wichtigen Kulturinstitutionen.
Daniel Grossmann beschäftigt sich bereits sein gesamtes Berufsleben lang mit der Frage, wie jüdische Kultur ihren Platz im kollektiven gesellschaftlichen Bewusstsein einnehmen kann. Aus dieser Fragestellung heraus gründete er 2005 das Jewish Chamber Orchestra Munich (JCOM), das sich seitdem zu einem international beachteten, professionellen Klangkörper entwickelt hat und für seine außergewöhnlichen Projekte bekannt ist. Dabei richtet Grossmann den Fokus seiner Projekte immer auf ihre Relevanz für unsere Gegenwart. Als leidenschaftlicher Rechercheur und gewandter Redner macht er die Konzerte zu spannenden Erlebnissen für sein Publikum. Aktuell widmet er sich der Erweiterung des Wirkungskreises des JCOM durch einen eigenen YouTube-Kanal mit professionellen Musikaufnahmen und Videos zu jüdischer Religion und Kultur sowie durch eine eLearning-Plattform zum Thema „Musik im KZ Theresienstadt“.
AUFBRUCH
„DAS EWIG-WEIBLICHE ZIEHT UNS HINAN.“
DI 12 SEP 19:30
MITTLERER SAAL
MITRA KOTTE –KLAVIERRECITAL
„Ein Frauenzimmer muß nicht componieren wollen“ mit Werken von Cécile Chaminade, Amy Beach, Nadia Boulanger u. a.
DI 26 SEP 19:30
MITTLERER SAAL
MI 27 SEP 19:30
GROSSER SAAL
LISE DE LA SALLE & QUATUOR HERMÈS
Musenmusik von Alexis de Castillon, Clara und Robert Schumann
MARKUS RUPPRECHT
Orgelkonzert mit Werken von Florence Price, Sofia Gubaidulina, Dorothea Hofmann u. a.
DO 5 OKT 19:30
MITTLERER SAAL
KIT ARMSTRONG
Von und für Clara
Werke von Clara und Robert Schumann, Franz Liszt, Felix Mendelssohn Bartholdy und Johannes Brahms
VORSCHAU : Chorkonzerte in der Saison 2022/23
Huelgas Ensemble
Innovation und Experiment
Sonntag, 4. Juni 2023, 18:00 Uhr
Mittlerer Saal, Brucknerhaus Linz
Werke von Perotinus, Pierre de Manchicourt, Antoine Brumel, Guillaume de Machaut u. a.
Huelgas Ensemble
Paul Van Nevel | Leitung
Karten und Info: +43 (0) 732 77 52 30 | kassa@liva.linz.at | brucknerhaus.at
Herausgeberin: Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz
CEO: Mag. Dietmar Kerschbaum, Künstlerischer Vorstandsdirektor LIVA, Intendant Brucknerhaus Linz; Dr. Rainer Stadler, Kaufmännischer Vorstandsdirektor LIVA
Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte: Mag. Jan David Schmitz
Redaktion: Andreas Meier | Biographie: Romana Gillesberger | Lektorat: Mag. Claudia Werner
Gestaltung: Pamela Stieger | Abbildungen: M. Borggreve (S. 17 [4. v. o.]), T. Dashuber (S. .14 & 15), L. Van Eeckhout (S. 18), Fotoart Wiesner, Regensburg (S. 17 [3. v. o.]), S. Gallois (S. 17 [2. v. o.]), A. Grilc (S. 17 [1. v. o.]), privat (S. 7, 9, 10 & 12), Shutterstock (S. 16)
LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz