Matera - The Passion, von Mel Gibson (2004)
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Inhalt Einleitung ........................................................................................S. 7 Die 50er Jahre ..........................................................................S. 11 Die 60er Jahre ......................................................................S. 13 1964 – Il Vangelo secondo Matteo .........................S. 17 Die 70er Jahre ...............................................................S. 23 1979 - Cristo si è fermato ad Eboli ..................S. 25 Die 80er Jahre ..........................................................S. 33 Die 90er Jahre .......................................................S. 35 Die Jahre 2000 ..................................................S. 39 2002 - Io non ho paura ................................S. 41 2004 - La Passione di Cristo ................S. 43 Die Jahre ’05-‘07 .....................................S. 51
Reiserouten Movie Tour 1: Matera als Jerusalem .................................S. 55 Movie Tour 2: Die Burgen im Film ................................................S. 63 Movie Tour 3: Die Filmlandschaften Lukaniens ..........................S. 67
Highlights Das Filmfestival ....................................................................................S. 75 Filmvorführungen in der Basilicata .............................................S. 79 Die wesentlichen in der Basilicata gedrehten Filme ..........S. 80
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val d’Agri, Landschaft
Einleitung „Wenn man die Basilicata sieht, sieht man Weinberge und wunderschöne Landschaften. Man sieht die Erde, wie sie sein sollte.“ ì Francis Ford Coppola
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ehr als vierzig Filme, in mehr als fünfzig Jahren, wurden in der Basilicata gedreht: Neorealismus, der Film verità, Bibelfilme von eindrucksvoller Spiritualität, oder allgemeingültige Geschichten aus der kriminellen Unterwelt. Darüber hinaus Filme über Dämonen, italienische Komödien, Kostümfilme, Filme über Träume, Wunder und die Magie. Das große Firmament des Kinos umspannt all dies. Und die Region mit den tausend Gesichtern schlägt auch nach mehr als einem halben Jahrhundert die italienischen und internationalen Cineasten mit ihrem Zauber und ihrem besondern Charme in den Bann. So beherbergt die Basilicata zahlreiche Orte und Geschichten, die in ihrer Großartigkeit auf der Leinwand präsentiert werden: Die Sassi di Matera, die Mondlandschaften der Calanchi, der sonnenverwöhnte Vulture, die abgeschiedenen Bergdörfer. Die Basilicata bietet für den Film eine natürliche Kulisse. Die Landschaften Lukaniens repräsentieren in der siebten Kunst die Seele des Südens, erlebt wie eine eigenständige Gattung und geschichtliche Erfahrung, wie ein theatralischer Raum, der die Schriftsteller, Drehbuchautoren und Regisseure inspiriert. Die eindrucksvollen Bilder der Basilicata, auf die große Leinwand projiziert, bleiben fest in den Köpfen derer, die sie einmal
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gesehen haben. Wie in einem Standbild, so scheint die Zeit in einigen Teilen Lukaniens unberührt still zu stehen. Und die Kamera, die ihre Welt und ihre ihr eigenen Grenzen erkundet, erfährt eine Wirklichkeit, die zu einer Darstellung wird, genau dort wo die Landschaft mit der Geschichte ein gemeinsames Schicksal teilt. In ihrer Großzügigkeit verleiht dieses Land zugleich Seele und den Atem an andere Orte. Die Basilicata ist, in der alten und der neuen Grammatik des Films, schon immer eine Hauptdarstellerin gewesen. Die Kraft ihrer Landschaften ist der Reichtum der unterschiedlichen Sprachen, der lebendigen Farben, der Bedeutungen und des Zaubers, der alten und neuen Bildsprachen, der archaischen und mythischen Horizonte. Der Zuschauer erfährt hier ein ganzes Universum von Orten, der Geschichte und der großen Emotionen des Films. Von Pier Paolo Pasolini bis Francesco Rosi, von Dino Risi bis Roberto Rossellini, von Luigi Di Gianni bis zu den Brüdern Taviani, von Michele Placido bis Giuseppe Tornatore, oder den wichtigen Hollywoodgrößen, den Regisseuren Mel Gibson und Catherine Hardwicke, ist die Basilicata die unbestrittene Hauptdarstellerin, gefeiert in Hollywood wie in der Cinecittà. In die Basilicata zu kommen bedeutet, eine Reise hinter die Kinoleinwand zu unternehmen und neue Schauplätze mit einer immer anderen Szenografie zu entdecken: von dem natürlichen Hintergrund der Meere und Berge bis zu den kleinen und den größeren städtischen Siedlungen, von der Felsenarchitektur zum unverfälschten Geschmackserlebnis, von den verschiedenen Sprachen bis hin zur klaren Luft, die man tief in sich aufnimmt. Die Basilicata ist eigentlich ein immerwährendes Filmset. In diesem Taschenführer wird von den 50er Jahren bis in unsere Tage mehr die Geschichte als nur eine Reise zu den Filmlocations der wesentlichen Filme geboten, die in der Basilicata gedreht und auf die großen Leinwand gezeigt wurden geboten.
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Maratea, K端ste
Matera, Teil der Sassi
Die 50er Jahre E
s ist der großartige Regisseur, Schriftsteller, Drehbuchautor und Filmproduzent Carlo Lizzani, der bei seiner ersten Erfahrung mit der Kamera während der Aufnahmen zu Viaggio a Sud, zur Dokumentation und um den Süden zu erkunden, die Basilicata wählte um über die Umstände der Zeit zu erzählen. In Mezzogiorno qualcosa è cambiato (1949) werden Bilder von entrechteten Familien gezeigt, von aufgeworfenen Straßen mit gemeinsamen Waschplätzen, von schmutzigen, ausgehungerten Kindern, die sich gegenseitig entlausen, von verfallenen Häusern, Gassen, getränkt von Elend und Armut. Die Stadt Matera ist die Hauptdarstellerin des Elends, eine Stadt, die zehn Jahre später zur „nationalen Schande“ erklärt worden ist, und die mit ihren als Wohnplätzen in den Fels gegrabenen Höhlen, eine „ausdrucksstarke und rührend traurige Schönheit“ hat. So beginnt eine Phase des Neorealismus nach Matera-Art, in der die Kamera die Sassi in all ihrer drastischen Wirklichkeit zeigt. Obwohl dies nur eine Szenografie ohne eine eigene Identität ist, verankern sich die Tuffsteinbezirke in der filmischen Vorstellungswelt und lassen ein Filmgenre entstehen, in dem die städtischen Landschaften die Inspiration für die Ausstattung von Filmen geben, die es allein schon wert ist, in das Bewusstsein geholt zu werden und die ein Vertrauen auf eine Erlösung zeigen. Mit ihrer einzigartigen und vielseitigen Szenerie umfasst die
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Felsenstadt in den 50er Jahren eine Reihe von Kostüm-Melodramen: von dem populären Drama Le due Sorelle (1950) von Mario Volpe, bis zu La Lupa (1953) von Alberto Lattuada, einem Film neorealistischer Prägung nach dem gleichnamigem Meisterwerk und der literarischen Vorlage von Giovanni Verga. Die Felsenstadt von Matera wird dabei als eine tragische Szenografie vor die Kamera gebracht, die nicht dazu dient, die eigene Geschichte zu zeigen, die aber durch dem erzählerischen Realismus die Art von Rückständigkeit verleiht, die allgemein mit der bäuerlichen Welt verbunden wird, in Lukanien wie auch im Rest des Südens.
Die 60er Jahre D
er Film La Nonna Sabella (1957), von Dino Risi, nach dem Roman von Pasquale Festa Campanile, kultiviert die Verunsicherung: er handelt in der Basilicata, aber man kann nicht mehr an die Orte zurückkehren, die von dem Regisseur gewählt wurden. Nach dem Werk von Risi, der mit wunderbarem Resultat das prägnante Gesicht von Tina Pica für eine Bauernfarce benutzte, wurde die Stadt von Matera in dem 360-Grad-Film Italia 61 (1961) von Jan Lenica gezeigt. Das Circarama, das für den besonderen Filmgenuss entwickelt wurde, besteht aus einer umlaufenden 360-Grad-Leinwand. Es handelt sich dabei um ein von Walt Disney erfundenes und patentiertes Verfahren der Filmaufnahme und Projektion. Im Circarama hat der Besucher das Gefühl, direkt an der Handlung teilzunehmen, da er komplett von der Filmaufnahme umgeben ist. Italia 61 bildet ein außerordentliches Dokument über die Stadt mit den Tuffsteinbezirken, dargestellt als eine Art Rundplastik. In den 60er Jahren wurde auch „die Perle des Thyrrhenischen Meeres“, die Stadt Maratea, unsterblich: erstmals in dem Film A porte chiuse (1960) von Dino Risi, für den einige Außenszenen gedreht wurden, und dann in dem Film La Vedovella (1962) von Silvio Siani, in dem die berühmte und bekannte Piazetta im historischen Zentrum, zur Kulisse für die italienische Komödie wurde. In den Anni Ruggenti (1962) von Luigi Zampa, einem Film der im Jahr 1937 spielt, kommen die Sassi von Matera ohne Verfremdung ins Bild: die tiefe Schlucht, die
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Matera - Anni Ruggenti, von Luigi Zampa (1962), mit Salvo Randone und Nino Manfredi
Felswohnungen und die Nachbarschaften, die allesamt von einem beklagenswerten Verfall ergriffen sind. Hier wird die Landschaft zu einer Nebenhandlung des Films. Die von Luigi Zampa hauptsächlich für die Ausführung seiner Handlung genutzten Locations liegen im Stadtteil Malve, die auch von den anderen Regisseuren, wie dem noch jungen Nino Manfredi genutzt wurde. In dem Film Demonio (1963) von Brunello Rondi, werden, neben der Landschaft und der spektakulären Szenografie in einigen Fragmenten, der Aberglaube und die Magie, das Hexentum und die Volksfrömmigkeit thematisiert. Der Film scheint eine ethnografische Studie der Zeit zu sein, in der die Forschung von Ernesto De Martino (Il mondo magico, Turin 1948) in der Basilicata stattfanden. Der Sasso von Caveoso, seine Piazza und sein Glockenturm überragen einige Szenen, in denen die Kamera dem Weg in die Murgia-Schlucht folgte, die die anderen Akteure durch die überragende Schönheit und die Spiritualität der Natur dominiert. Andere Locations, die von Brunello Rondi genutzt wurden, sind die Chiesa della Palomba von Matera, die prächtige Abtei von Montescaglioso sowie eine Reihe von Plätzen in dem Städtchen Miglionico, dem berühmten Ort, in dem das Castello del Malconsiglio steht. Der Sternenstaub, das Filmwunder erreichte die Felsenstadt jedoch im Jahr 1964: Matera erschien in dem filmischen Hauptwerk von Pier Paolo Pasolini Il Vangelo secondo Matteo.
Miglionico, Burg Malconsiglio
Matera, Sassi
Ii Vangelo von Pier Paolo Pasolini Italien (1964)
Secondo Matteo
Die Steinwüste von Palästina? Nein, die Sassi von Matera!
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er Name Pasolini steht für ein Kino der Kunst und der Poesie. Der Regisseur wählte Matera für die Ausstattung seines Evangeliums. Aus dem Herzen der Erde hervorgebracht bilden die Sassi eine Bühne für die außergewöhnliche menschliche und göttliche Geschichte, die im Evangelium nach Matthäus erzählt wird. Matera ist das Jerusalem, in dem Christus nicht nur auserwählt, sondern wo er geboren wurde und wo er starb. Nach einigen Besichtigungen des Heiligen Lands und in Jordanien, wählte Pasolini Matera, weil es für ihn ein Ort ohne äußere Einflüsse war, rein und authentisch, ohne jegliche Anzeichen der Mo-
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derne. Die Mondlandschaft und die Steinwüste der Murgia materana repräsentierten für ihn eine Form des Überlebens, wie es von ihm aus der Vergangenheit herauf beschworen wurde. Pasolini entschied sich, hier das biblisches Werk umzusetzen, die Verkündigung Marias durch den Engel und die Auferstehung Christi. Er drehte seinen Film mit vielen Laiendarstellern, Freunden und Bekannten. Seine eigene Mutter, Susanna, stellte in diesem Film die Maria während der Tage der Passion dar. Sein revolutionärer Christus ist in dieser Landschaft und ihrem Boden verwurzelt. So versetzt uns dieser Hort der Wunder, die Sassi von Matera, die Felskirchen und die Murgia, in eine archaische und zeitlose Atmosphäre, magisch und entfernt, selbst an realen Orten der Stadt. Drei Sets waren sehr wichtig für die Umsetzung: im Sasso Barisano wurde der Bereich entlang der Via Lombardi und der Via Fiorentini als Location ausgewählt, um den Kreuzigungsweg und die Flucht des Apostels Simon auf dem Weg Jesus nach Golgata darzustellen. An der Porta Pistola, dem zweiten Filmset, wurde der Eingang in die Drehbuch und Regie: Pierpaolo Stadt Jerusalem nachgebaut, die Pasolini der Christus von Pasolini im JuHauptdarsteller: Enrique Irazoqui, bel der Menge als Friedensstifter Margherita Caruso, Susanna Pasoerreicht. Hundertschaften von lini, Marcello Morante, Mario SocraKomparsen bejubeln mit Palmte, Settimo Di Porto, Otello Sestili, Ferrucio Nuzzo, Giacomo Morante, zweigen den Weg des Propheten. Giorgio Agamben, Ninetto Davoli, Die Szene wurde in vielen WiederPaola Tedesco. holungen und mit verschiedenen Erstaufführung: XXV Mostra interEinstellungen gefilmt. Das dritte nazionale d’Arte cinematografica Set stellt Golgata dar, ein Felsausdi Venezia, 4.09.1964. läufer und ein Felsvorsprung über
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der Schlucht der Gravina Materana, in der Gegend der Murgia Timone, bei Belvedere, gegenüber des atemberaubenden Szenarios der Sassi von Matera. In diesem suggestiven und mystischen Rahmen spielen die letzten Szenen von der Passion Christi. Und hier war es, wo Pasolini als erster die drei Kreuze errichtete.
Barile wie Bethlehem Neben den Sassi von Matera wählte Pasolini Barile für die Szene der Geburt, den Besuch der Heiligen Drei Könige und die Flucht der heiligen Familie nach Ägypten und für das unvergessliche Massaker der Unschuldigen. Die albanischen Siedlungen am Fuß des Monte Vulture, hatten sich dem Regisseur während eines Besuches des Museo Nazionale delle Arti e Tradizioni Populari in Rom eingeprägt, wo er einige Bilder und Fotos der Via Crucis in Barile
SYNOPSIS Die Handlung bildet das Leben Jesu: die Geburt Christi, der Wahnsinn Herodes, die Flucht nach Ägypten, die Rückkehr nach Jerusalem. Nachdem er zwölf Jünger gefunden hat, die ihm folgen, beginnt Jesus von Nazareth seine Lehren zu verbreiten, seinen Wunsch nach Gerechtigkeit, sein Verlangen nach Mildtätigkeit und wendet sich gegen die Heuchelei der Reichen und der Pharisäer. Ein weltlicher Film, der stärker die Menschlichkeit als die Göttlichkeit eines ernsthaften Jesus beleuchtet; kämpferisch, mittelalterlich, voller Trauer und Einsamkeit. Als der Regisseur sich entschloss, den biografischen Text von Matthäus als Ausgang zu nehmen, die Passion und die Ideologie, wurde es der Film eines Poeten. Im theologischen Sinn ist das Evangelium ohne Hoffnung. Mit seinem formalen Synkretismus, den Bezügen zur Malerei, seiner minimalen Ausleuchtung, weckt er Erinnerung an eine Dritte Welt, die nicht nur prähistorisch wirkt, und erreicht eine starke epische und religiöse Tonalität. Er ist dem Gedenken von Papst Johannes XXIII gewidmet.
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gesehen hatte, so wie sie jedes Jahr als Bühne genutzt wird. In Barile ist besonders die Filmszene eindrucksvoll, in der die Soldaten König Herodes mit Lanzen und Metallhelmen verschiedener Form, blutigst die Kinder massakrieren - die durch Stoffpuppen dargestellt werden. Mit großer Authentizität brachte er die Figuren der Frauen und das Elend der Zeit auf die Leinwand. Heute stehen die oft als Weinkeller genutzten Höhlen von Barile, nach Jahren der Vernachlässigung und von Schutt und Abfällen gereinigt, wieder durch einen Schub anthropologischer und cinematografischer Recherchen in der Aufmerksamkeit der Künstler. Und noch heute lagert das Weingut „nga Sheshi“ in den charakteristischen Tuffsteinhöhlen seinen Aglianico del Vulture D.O.C. Eine Weinkellerei, die bereits von den Filmschauspielern während der Drehpausen 1964 gern besucht wurde.
FILMPREISE UND AUSZEICHNUNGEN
XXV Mostra di Venezia: Erster Spezialpreis der Jury Filmpreis der OCIC (Office Catholique International du Cinéma) Premio Cineforum, Filmpreis der Union International de la Critique de Cinema (UNICRIT) Filmpreis Lega Cattolica per il Cinema e la Televisione della RFT Filmpreis der Stadt Imola Grifone d’oro Der große Preis der OCIC, Assisi, 27. September 1964 Prix d’excellence, IV Concorso Tecnico del Film, Mailand Filmpreis Caravella d’Argento, Festival internazionale di Lisbona, 26. Februar 1965 Filmpreis Nastro d’Argento, 1965, für die Regie, Fotografie und die Kostüme
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FAKTEN UND KURIOSES
Barile, Höhlen – Weinkellerei „Sheshi“
• In der Geburtsszene wurde der Junge, den Pasolini ausgewählt hatte (Pasqualino Gioseffi, einige Monate alt), ersetzt durch ein neugeborenes Mädchen mit goldenen Locken, Nicoletta Sepe. Heute lebt diese Frau und Mutter in dem albanischen Dorf. • Immacolata Rocco war eine Frau aus dem Dorf, die für die Szene „Massaker der Unschuldigen“ vor der Grotte „Sheshi posht“ mit ihrer kleinen Tochter Laura im Arm ging. Diese Mutter warf alles ignorierend und um das eigene Kind vor der Gewalt der römischen Soldaten zu schützen, mit all ihrer Kraft den Soldaten auf den Boden in den Staub. Die spontane Aktion „wirklich und authentisch“ überraschte Pasolini durch ihre Spontaneität und im Ablauf. • Als Pasolini in Matera nach Komparsen suchte für die Priester und die Pharisäer, gesteht er beiläufig dem Journalisten Domenico Notarangelo, Korrespondent der Zeitschrift l’Unita, dass er Gesichter haben wollte „von Dummköpfen, von Faschisten“, um einen Euphemismus zu benutzen. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass die Komparsen, die zurückgewiesen wurden, 51 im ganzen, alle der Sektion der kommunistischen Partei und der Camera del Lavoro, einem der Partei nahestehenden Arbeitsbüro angehörten. • In der Diskussion um die Sanierung und den Wiederaufbau der alten Tuffsteinviertel, während die Einwohner der Sassi in Neubauviertel umgesiedelt wurden, äußerte Pasolini: „Ihr seid dabei, ein Unrecht zu begehen.“ Für ihn repräsentierte Matera den Ort der Seele und die Sassi zu verändern bedeutete, ihnen einen Todesstoß zu versetzen. Pasolini ging mit diesen Worten Carlo Levi voraus, der den Verfall eines Erbes vorausgesehen hatte und seine Wiedergeburt und Wandlung in ein Weltkulturerbe fast dreißig Jahre später.
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Die fabelhaften 60er Mitte der 60er Jahre, nach dem Film von Nanny Loy Made in Italy (1965), der in elf Episoden unterteilt war, von denen eine davon in Matera gedreht worden ist, kam die Stadt mit dem Film C’era una volta von Francesco Rosi (1967) zurück auf die große Leinwand. Die Landschaft der Hügel Materas ist unbestritten der Hauptdarsteller und bestimmend für die Geschichte, die durch Lo cunto de li cunti von Giambattista Basile inspiriert, und durch Sophia Loren und Omar Sharif dargestellt wurde. Die Darstellung von Magie, Riten, Hexerei, wie zuvor in dem Film von Brunello Rondi, scheint sich auf die anthropologischen Untersuchungen von Di Martino zu beziehen, neu interpretiert im Lichte einer Fabel, einer Allegorie des Regisseurs, in der die Hügel von Matera eine Rolle spielen. Unter den so verewigten Orten taucht auch die Masseria Recupa auf, eingebettet in die schöne Hügellandschaft.
Hügel von Matera, Gutshof Recupa
Die 70er Jahre I
n den siebziger Jahren begannen mit dem Decamerone Nero von Piero Vivarelli (1972), einer stellenweise erotischen Komödie. Im gleichen Jahr, mit dem Film von Lucio Fulci Non si sevizia un paperino wurde der erste Thriller ausschließlich in Italien gedreht, in einer kleinen Phantasiestadt im Süden, in Accettura. Als eines der fundamentalen Werke zum Bereich des italienischen Thrillers, wurde er durch eine wahre Geschichte inspiriert, die sich so in einem kleinen Ort in Apulien, nahe der Grenze zu Lukanien zugetragen hat. Im Jahre 1974 sind eine ganze Reihe von Kinoproduktionen in Matera entstanden. Die Brüder Paolo und Vittorio Taviani an der Kamera, drehten Allonsanfan, in dem Bestreben eine politische und melodramatische Auseinandersetzung mit der Zeit der Restauration zu schaffen. Die Piazza von San Pietro Caveoso wurde nochmals gezeigt und einige Teile der Tuffsteinviertel wurden als ein kleines, süditalienisches Städtchen während der Zeit der Restauration interpretiert. Im gleichen Jahr entsteht Tempo dell’Inizio von Luigi Gianni, ein Drama im Fantasy-Stil, in dem die Sassi von Matera, hervorgerufen durch die Aufnahme in schwarz-weiß-Technik, eine halluzinierte Atmosphäre um-
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Matera, S. Pietro Caveoso
geben, die die Außergewöhnlichkeit und den surrealen Charakter des Ortes unterstreichen. Zu den vielen Filmstreifen, die die Sassi von Matera, und insbesondere im Stadtteil Malve und den Sasso Caveoso, so unsterblich gemacht haben, zählt auch Anno Uno (1974) von Roberto Rossellini. Der vergessene Film, der bestenfalls als erbitterte Fiktion gesehen werden kann, stellte tatsächlich ein Desaster dar, sei es in kommerzieller Hinsicht, als auch in der Kritik. In dem Film L’albero di Guernica (1975) von dem Regisseur-Poeten Ferdinando Arrabal, wird das Szenario der alten Tuffsteinviertel visionär und fantasievoll wiedergegeben. Die Sassi von Matera verwandeln sich in die Stadt Kastiliens, in der als einziger ein Baum das Bombardement durch die Nazis übersteht. Im gleichen Jahr wurde die Felsenhauptstadt Süditaliens in dem Schelmenstück Qui comincia l’Avventura (1975) von Carlo di Palma als ein Städtchen Apuliens dargestellt, aus dem zwei Frauen in die Welt ziehen, getrieben vom Abenteuergeist und der Idee weiblicher Freiheit. Drei Jahre später drehte Alberto Negrin in Matera Volontari per Destinazione ignota (1978), dargestellt durch einen jungen Michele Placido und die Stadt der Sassi, die hier in kurzen Szenen als Darstellung ihrer selbst erscheint. Es ist eine Geschichte über lukanische Tagelöhner, die sich freiwillig zur Kolonisation des orientalischen Teils Afrikas melden, die aber stattdessen in Cadiz damit enden, für Franco und gegen andere Italiener zu kämpfen.
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Cristo si e
fermato a eboli
von Francesco Rosi Italien (1979)
„Aber in diesem dunklen Land, ohne Sünde und ohne Erlösung, wo das Schlechte nicht die Moral darstellt, sondern einen irdischen Schmerz, der immer gegenwärtig ist, ist Christus nicht angekommen. Christus kam nur bis Eboli.“
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ukanien, ein innerster Raum, der Sitz der Seele, präsentiert sich in dem Film des großen Regisseurs Francesco Rosi als ein Muster des Südens, archaisch und isoliert. Der Film Cristo si è fermato a Eboli ist die filmische Umsetzung des Werks von Carlo Levi und „mehr eine Erzählung als eine Untersuchung“, wie Rosi betont. Eine Ausführung, die Intellektuelle und Cineasten als eine Referenz betrachten. Cristo si è fermato a Eboli wurde durch Giulio Einaudi im Jahr 1945 publiziert und stellt das bekannteste Werk des Schriftstellers, Malers und Arztes Carlo Levi dar. Es erzählt seine Geschichte der Verbannung in die Basilicata während des faschistischen Regimes. Der Ort Eboli repräsentiert nicht nur die geografische, sondern die historische Ausdehnung einer Welt. Weil Eboli der Ort ist, wo die Straße und die Bahngleise die Küste verlassen und sich dem kargen und öden Land der Basilicata zuwenden. Der Film wurde gedreht zwischen Aliano, dem Ort der Verbannung des Schriftstellers, Craco, den Calanchi und in einigen Masserien der Provinz Matera (Monacelle und De Laurentis) sowie in der Gegend von Lesce und in Guardia Perticara.
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Das alte Craco
Craco, die Geisterstadt
SYNOPSIS
Im Jahre 1934 verbannt das faschistische Regime den Turiner Carlo Levi, einen Intellektuellen, Arzt und antifaschistischen Schriftsteller nach Aliano, einem abgelegenen Dörfchen in Lukanien. Während seines Aufenthalts entwickelt er Freundschaften und Sympathien für die Bewohner dieses Ortes.
Das Auge der Kamera hat es verewigt: „Craco ist eine Blume, die von ihrem Stängel geschnitten wurde und deren Blütenkrone sich langsam neigt.“ Der Ort wurde 1962, nach Zeiten des Ruhms und der Ehre, durch einen schrecklichen Erdrutsch fast gänzlich zerstört. In Cristo si è fermato a Eboli ist Craco ein einziges Filmset: Die engen Häuser, die Kalkfelsen, die eingesunkenen Straßen und Treppen, überragt von dem normannischen Turm einer Burg aus dem 13. Jahrhundert, stellen mit den Worten von Rocco Scotellaro als Set „das leidenschaftlichste und zugleich grausamste Dokument unseres Landes“ dar. „Ich wollte Teile einer idealen Geografie finden“, kommentierte Franceso Rosi, bezogen auf seine Wahl als Filmset. „Ich habe Craco ausgewählt, eine Stadt gleichsam als Ruine, weil Levi in seinem Buch dieses verlassene Land schildert. Ich wollte eine Stadt in der Umgegend, die Aliano ähnelt, denn diese Stadt ist seit der Zeit von Levi durch moderne Bauten oder Leitungsmasten sehr verändert worden. Dann musste ich nur noch nach einem dritten Dorf suchen, Guardia Perticara, um einen idealen Ort zu haben. Aus Matera, der im Bereich der Sassi wichtigsten Stadt aus archäologischer Sicht, benötigte ich nur die Szenen des Buches, die sich auf die
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Mentalität und die Trachten bezogen.“ Cristo si è fermato a Eboli trug überwiegend dazu bei, mit einer ersten Sichtbarwerdung der Basilicata außerhalb ihrer geografischen Ausdehnung, kraft ihrer Neigung zum Feld der Malerei und der Literatur, neue Bereiche der Bekanntheit zu eröffnen. Wie im Buch, erkundet der Film kritisch die archaische Gesellschaft Lukaniens im Lauf menschlicher Existenz, beschreibt sie als einen individuellen Prozess, der Werte und Lebensideen streift. Die Kamera nimmt jene Bilder der rauen Berge in sich auf, wie sie durch Levi in seiner Verbannung gemalt wurden, die Natur, die Orte, an denen Menschen in ärmlich eingerichteten Häusern leben. „Es würde reichen, sich dort aufzuhalten,“ kommentierte Rosi, „auf dem Land, mit seinen Bäumen, dem Himmel, den Feldern und kahlen Hügel, den einsamen Wegen, die durch die Kamera eingefangen wurden, um ein symbolisches Bild der Ergebenheit in eine unabwendbares Schicksal zu erleben.“ Rosi jedoch hat eine andere Vision Levis und zeigt ein komplexes und weitgefächertes Bild der Basilicata. Der Film durchstreift verschiedene Jahreszeiten, vom Herbst bis zum Frühling und gibt die unterschiedlichen Dialekte wieder. „Es gibt hier nicht nur die Calanchi und den Erdrutsch, sondern auch grüne Täler oder Waldstücke, die einen daran erinnern, wie es vor langer Zeit gewesen sein muss. Regie: Francesco Rosi Drehbuch: Tonino Guerra, Raffaele La Capria, Francesco Rosi Hauptdarsteller: Gian Maria Volontè, Irene Papas, Lea Massari, Alain Cuny, Paolo Bonacelli, Stavros Tornes, Antonio Allocca, François Simon.
Craco, die Calanchi
Es erscheint mir richtig zu verstehen, dass diese Region auch Ressourcen beinhaltet, die entwickelt werden können, es gibt nicht nur die Trostlosigkeit. In gleicher Weise habe ich auch den Teil verstanden, der von der Magie, von der Religion handelt, denn wenn man diese Auseinandersetzung weiter voranträgt, riskiert man zu Typisieren und man gibt den Zuschauern Vorschub, die darin ein Klischee vom Süden und seiner Kultur sehen.“ Der Film von Rosi verlangt bei seiner Interpretation den Ansatz einer historischen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft jener Zeit und danach, neue Diskussionen über die Themen des Südens und die nationalen Politik. Rosi setzt sich mit den soziopolitischen Verwicklungen der Untersuchungen Levis auseinander, die weit davon entfernt sind, überwunden zu sein und die heute neue Möglichkeiten eröffnen, auf die Randbemerkungen der Politik und die Ausgrenzung einer Volksgruppe von nicht nur Lukaniern von der Macht einzugehen (und die man noch klarer
PREISE UND AUSZEICHNUNGEN 1982 – Bester ausländischer Film – British Academy of Film and Television Arts Awards 1979 – Bester Film David di Donatello 1979 - Großer Preis auf dem Festival in Moskau 1979 – Beste Regie David di Donatello, Francesco Rosi 29
erkennen kann in der fast eine Stunde längeren, vierteiligen Fernsehfassung des Werks).
Aus dem Buch Cristo si è fermato a Eboli „Du kommst in Matera gegen ein Uhr mittags an (erzählt die Schwester). Ich las in einem Fremdenführer, dass dies eine malerische Stadt ist, die unbedingt einen Besuch wert ist, dass es dort ein Museum für antike Kunst und sonderbare troglodytische Behausungen gibt... Ich entfernte mich ein wenig vom Bahnhof und gelangte in eine Straße, die auf einer Seite von alten Häusern flankiert war, auf der anderen führte sie entlang eines Abgrunds. An diesem Abgrund befindet sich Matera. (...) ...die Form von dieser Schlucht ist seltsam: wie von zwei halben Trichtern nebeneinander, geteilt durch einen kleinen Felssporn, die sich aus der Tiefe zu einer gemeinsamen Spitze wiedervereinen, an der man, ganz oben, die weiße Kirche von Santa Maria de Idris sehen kann, die in den Boden gerammt zu sein scheint. Diese umgestürzten Kegel, diese Trichter, nennt man die Sassi. ...sie haben die Gestalt dessen, was wir uns in der Schule als das Inferno Dantes vorstellten. ...in diesem engen Raum, zwischen den Fassaden und dem Abhang, führen die Straßen entlang, die zugleich die Fußböden für die bilden, die aus den Wohnungen darüber kommen und die Wohnungsdecke für die, die unten leben. ...wenn man die Augen hebt, erscheint endlich wie eine schräge Mauer ganz Matera... Sie ist wirklich eine sehr schöne Stadt, malerisch und eindrucksvoll.“
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FAKTEN UND KURIOSES • „Die Arbeiten an dem Film waren langwierig und ermüdend – erzählte Gianmaria Volonté – jeden Tag mussten wir die etwa 240 Kilometer nach Matera zurückkehren, da die Dörfer, wo wir drehten, ohne Unterbringungsmöglichkeiten waren. Eine schwere Bürde, speziell nach neun oder zehn Stunden Arbeit, und einer Arbeit, die mit solcher Liebe zum Detail ausgeführt wurde. Mit den Leuten hatten wir ein gutes Verhältnis. Wir haben einige ganz außergewöhnliche Personen getroffen, von großer Mitteilsamkeit und mit wirklichem Interesse für das, was wir machten.“ • Die Mauer von Craco ist die Mauer der Wunder. Mit den Bildern der Ankunft Carlo Levis in Gagliano (Aliano), wo die Mauer einen Teil der Szenografie bildet, änderte sie während der tagelangen Vorbereitungen ständig ihre Tonalität und die Färbungen. Die Fahrgäste der SITA, deren Haltestelle wenige Schritte entfernt war, wunderten sich über die farblichen Veränderung des Ortes und hielten diese für ein göttliches Wunder. Nachdem dies die Runde gemacht hatte, entwickelte sich der Ort zu einer kleinen Pilgerstätte und blieb noch lange in den gemeinsamen Vorstellungen • In einem Brief an Levi, am 12. März 1948, informierte sich Rocco Scotellaro an welchem Punkt die filmische Umsetzung sei. Er bekam einen Brief von Levi im April des gleichen Jahres, in dem dieser ihn über die filmische Reduktion seines Werkes informierte, dass der Regisseur „einen Stoff oder eine Umsetzung vorbereite, die komplett verkehrt und nicht akzeptabel sei“, und es deswegen nötig sei, einen „anderen Regisseur“ zu suchen. Er kündigte Scotellaro seine Idee an, selbst „einen Plot über das Thema Christus“ vorzubereiten.
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FAKTEN UND KURIOSES • Die Bearbeitung des Textes Levis durch Scotellaro brach in Folge einer Reihe von Gründen ab, die nicht zur Filmproduktion gehörten, an der im Laufe des Jahres 1949 Vittorio De Sica und nach ihm der Regisseur Roberto Rossellini arbeiteten. Letzterer war Anfang 1950 sogar zusammen mit Levi in Tricarico. Die Wiederaufnahmen in diesen Jahren bis 1951 sind durch einige Briefe Levis an Scotellaro und von Scotellaro an andere (Michele Prisco, Tommaso Pedio, Antonio Mangiamele) dokumentiert, die sein Interesse und die verschiedenen Anläufe nach dem Rückzug von Rossellini aus der Filmproduktion wiedergeben. • Linuccia Saba, die Lebensgefährtin Carlo Levi, die Scotellaro Ende 1951 ein wirkungsvolles Bild beschrieb: „Mir kommt diese Filmgeschichte vor, wie eine Film über bestimmte Frauen, die so schön sind und am Ende alte Jungfern bleiben.“ • „Das erste Mal, als ich den Film außerhalb Italiens gesehen habe, war es in Chicago, bei einem Festival, zu dem dreitausend Besucher erschienen waren. Und ich hatte Angst und fragte mich im Stillen, was verstehen die davon in America, in Chicago? Die Calanchi, das karge Land, die Bauern, was verstehen sie? Und, am Ende der Vorführung haben sie alle geweint.“ Francesco Rosi
Aliano, Exilwohnung von Carlo Levi
Die 80er Jahre “D
iese Menschen und dieses Land treffen dich direkt ins Herz und es ist nicht einfach, sich davon zu befreien.“ Und so kehrte Francesco Rosi in die Basilicata zurück, nach Matera, um 1981 den Film Tre Fratelli zu drehen. Frei nach der Erzählung „Il terzo figlio“ von Andrej Platanov entstand ein Film über die Erinnerung und über die italienische Gesellschaft in den achtziger Jahren, eine Apologie über das Thema des Sterbens der bäuerlichen Gesellschaft. Der Film wurde gedreht in
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einer Masseria unweit Materas und streift die Sassi nur kurz. Es erscheint nur ein Teil des modernen Teils der Stadt, als Darstellung eines Instituts zur Umschulung in Neapel und eine Piazza vom oberen Matera. Die Szene, in der Vittorio Mezzogiorno Klavier spielt, spielt in der Kirche des Konvents von Miglionico. Der Strand der Achtziger, entlang der Ionischen Küste, wurde vom Regisseur für die Szene ausgewählt, in der der Ring im Sand verloren geht, während einige Abschnitte der Basentana, auf der Höhe von Campomaggiore durch Michele Placido verewigt wurden, der auf jener Verkehrshauptschlagader der Region reist. In 1985 empfing Matera eine weiteres Wunder, eine neuer gigantischer Bibelfilm: King David von Bruce Beresford, erzählt die Geschichte des Hirten David, der Zukunft Israels. Der Sasso Caveoso und die umliegenden Plätzen stellten erneut das Jerusalem, gepriesen „in siebzig Namen der Liebe und des Verlangens“ dar. Der Film wurde ein totaler Flop. Der einzige Stern am Firmament des Kinos war Richard Gere, in der Rolle des Hauptdarstellers. „Es ist wahr – man kann es in den Chronologien der Zeit nachlesen – es ist einer meiner Misserfolge, aber ich würde es wieder machen, weil ich dadurch eine so außergewöhnliche Stadt entdeckt habe wie Matera, die ich ansonsten nie besucht hätte.“
Das alte Campomaggiore
Die 90er Jahre D
ie neunziger Jahre beginnen mit einer italienischen Produktion. Die Brüder Paolo und Vittorio Taviani wählten einige Orte auf dem Land um Matera und der Sassi aus, um den Süden Italiens und das 18. Jahrhundert darzustellen. Il sole anche di notte (1990) ist die Geschichte von Padre Sergio, wie sie in dem Roman des gefeierten russischen Autors Lev Nikolaevič Tolstoj beschrieben wurde. Von vielen als ein Hauptwerk angesehen, für andere lediglich ein fader Film, in den Kritiken als „mehr Gebärde denn Inspiration, Tolstoi angelehnt, ohne Überzeugung“ beschrieben, stellt es ein eher kontroverses cineastisches Werk dar. Matera erscheint in einigen Szenen des Films. Der Bildausschnitt von der Terrasse auf die Piazza vor dem Stadthaus des Protagonisten ist unterhalb der Felsenkirche der Madonna dell’Idris gelegen und an der Seite der Kirche von San Pietro Caveoso. Einige Teile der Stadt, die Innenbereiche der Palazzi und die Landschaft bilden den Rahmen der Eremitage eines lukanischen Barons auf seiner Suche
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nach geistiger Vollendung. Unter den Darstellern der junge und vielversprechende Schauspieler aus Matera Carlo De Ruggieri. Verwurzelt mit dem Land, bleibt die mystische Dimension des Ortes auch in der cineastischen Umsetzung erhalten. Und so stellte die Hauptstadt des lukanischen Kinos in Giuseppe Tornatores Film L’uomo delle Stelle (1995) auch das Sizilien der fünfziger Jahre dar, in der Geschichte von Joe Morelli, dargestellt durch Sergio Castellitto, der den armen Bewohnern des Ortes Träume von Ruhm verheißt. Das Kino als Traumfabrik ist in diesem Film eine Maschine der Illusionen. Das nicht existierende Filmhaus von Joe Morelli in Rom organisierte bezahlte Probeaufnahmen und versprach ein schillerndes Paradies. Matera, die Sassi und San Pietro Caveoso sind in der fünften Szene zu sehen. Viele Komparsen haben an der Realisierung des Films mitgewirkt. Castellitto erklärte in einem Interview: „L’uomo delle Stelle ist ein Film über die gesamte Diskussion um Sizilien oder ich hatte zumindest Freude daran, dieses Thema allegorisch anzugehen. Es ist die andere Seite der Medaille, das Kino (...) als Enttäuschung, Niederlage, als Negation von Träumen (...). L’umo delle Stelle war ein heiterer Film, angenehm in der Umsetzung. Das Set ist einfach gewesen, voller Leichtigkeit, immer in Gemeinsamkeit mit den Nicht-Schauspielern.“ Nicht nur Matera, aber auch die kleinen Gemeinden der Provinz nahmen die Filmproduktionen gastfreundlich auf, erklärten den Gebrauch und die Trachten der jeweiligen Region.
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So auch bei dem Film Del perduto Amore (1998), geschrieben und in der Regie von Michele Placido, dargestellt von Giovanna Mezzogiorno, Fabrizio Bentivoglio, Sergio Rubini und Enrico Lo Verso, gedreht im historischen Zentrum von Irsina und an anderen Orten der Ferrandina und Matera. Ein Film über bürgerliches Engagement, der vor politischer Leidenschaft und Ideologie strotzt und der von der Existenz von selbstlosen Personen erzählt, die das vermeintliche Schicksal selbst in die Hand nehmen. Michele Placido empfindet die sittsamen und strengen Personen nach, die er in der lukanischen Gesellschaft gespiegelt sah. Im folgenden Jahr gelangte der Kritiker und VideoMacher Fabio Segatori in die Basilicata um den Film Terra Bruciata (1999) umzusetzen. Er spielt in der Murgia und in einigen Städtchen in der Basilicata, unter ihnen Aliano, Stigliano und in Senise mit seinem faszinierenden Staudamm, dem größten Europas. Er zeigt darüber hinaus einige interessante Winkel der Stadt Matera und das Innere einiger Felsenkirchen. Die Schießereien aus Rache, der Klan der Comorristi, im Film neben anderen dargestellt durch Raul Bova, Michele Placido und Giancarlo Giannini, bilden einen Western nach italienischer Art, der einige Anwandelungen an das Kino Hong Kongs aufweist, ohne an das Original heran zu erreichen.
Senise, Staudamm
Maratea, Christus der Erlรถser
Die Jahre 2000 D
as neue Jahrtausend beginnt mit den Vorzeichen der Komik und des Pathos. Maratea und seine Christus-Statue wurden in dem Film von Piero Chiambretti Ogni Lasciato è perso (2000) verewigt. Die Statue des Erlösers, die weltweit höchste nach der in Rio de Janeiro, wird zum Vertrauten des Protagonisten, eines berühmten Moderators der Fernsehshow „That’s amore“, der, von seiner Freundin verlassen, in eine Depression verfällt und sich statt an einen Psychoanalytiker an den Messias von Maratea wendet, um getröstet zu werden. Mit seinen 28 Meter Höhe repräsentiert Christus von Maratea den Glauben, die Rettung und die Wiederauferstehung des Protagonisten von den Qualen der Liebe.
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Melfi - Io non ho paura, von Gabriele Salvatores (2002)
Io non ho von Gabriele Salvatores Italien (2002)
paura
I
n der Dämmerung des neuen Jahrtausends nimmt die Basilicata mit ihren Naturbühnen einige Geschichten mit universellem Charakter auf. Im Lauf des Jahres 2002 entdeckt Gabriele Salvatores bei einer Fahrt auf der Autostraße von Neapel nach Bari in Richtung Candela, die Kornfelder und wird von ihnen in den Bann gezogen. Die Landschaft des Vulture bei Melfi zog sofort den Blick und die Vision eines der größten Regisseure Italiens auf sich. Die mit ihren Ähren vergoldeten Felder wählte er als den perfekten Ort für die Ausstattung von Io non ho Paura, einem seiner jüngsten Filme. Und es war in San Leonardo, besser bekannt als Leonessa di Melfi, ein magischer und völlig isolierter Landstrich, wo dieser Film gedreht wurde. Zwischen den Ähren des goldenen Korns, kam die Geschichte ins Leben über den Raub eines Kindes, die zwischen vier gegenüber stehenden Häusern spielt, umgeben von gelben Hügeln, unendlichen Weiten und einem immer sichtbaren Himmel. Es ist der Blickwechsel von einem Kind, der bestimmt ist von den einfachen Farben und einer unverdorbenen Natur. Es ist ein furchtbares Schauspiel über einen Ort in der Hitze Süditaliens, der fortwährend von der Sonne geküsst wird.
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Regie: Gabriele Salvatores Hauptdarsteller: Diego Abatantuono, Dino Abbrescia, Aitana SánchezGijón, Giuseppe Cristiano, Mattia Di Pierro
SYNOPSIS Im Sommer 1978 in dem Dorf Acque Traverse in brütender Hitze treiben sich eine kleine Gruppe von Jungen umher. Während eines Streifzugs in der Umgegend entdeckt Michele ein Kind, das in einem verlassenen Haus als Gefangener festgehalten wird. Ohne zu begreifen, was es mit dieser Situation auf sich hat, beginnt Michele sich um das Kind zu kümmern und entdeckt, dass auch seine Eltern in diese Geschichte verwickelt zu sein scheinen.
PREISE UND AUSZEICHNUNGEN 2004 – Beste Fotografie David di Donatello Italo Petriccione 2004 – Der junge David David di Donatello 2003 – Das silberne Band für die beste Regie Gabriele Salvatores 2003 – Das silberne Band für den besten Nebendarsteller Diego Abatantuono 2003 – Das silberne Band für die beste Fotografie Italo Petriccione
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The Passion
of the Christ von Mel Gibson Usa - Italien (2004)
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ach einem halben Jahrhundert Geschichte, bewies die Stadt Matera erneut ihre Stellung als die Hauptstadt des lukanischen Kinos. Mystisch und spirituell stellte sie auch im neuen Jahrtausend das Heilige Land dar. Als wirkliches Filmwunder wurden die Kulturlandschaften erneut wiedergegeben in einem der meist diskutierten Filme in der Kinogeschichte. Eine Umsetzung, die fleischlich, brutal und radikal ist, couragiert, unverständlich und verfeinert zu gleicher Zeit. The Passion of the Christ – La Passione di Cristo (2004) des australischen Schauspielers und Regisseurs Mel Gibson, vollbringt ein wirkliches Wunder in den Sassi von Matera, dem lukanischen Jerusalem, dem Zentrum des geistlichen Kinos. Die Handlung erzählt die letzten zwölf Stunden von Jesus Christus, von der Gefangennahme im Garten von Gethsemane, dem Prozess und seiner Geißelung, bis zu seinem Tod am Kreuz und seiner Wiederauferstehung. Einige Szenen des Werks wurden aus dem Buch La dolorosa Passione del Nostro Signore Gesù Cristo von Anna Katherina Emerick und aus der Mistica di Dio von Maria di Agreda entnommen. Auf Latein und in Aramäisch gedreht, um eine größtmögliche Authentizität zu erreichen, regt der
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Matera, Via Muro - The Passion (2004)
Film durch die schockierenden Bilder an, den Gedanken des Opfers zu verstehen, den Schmerz einer außergewöhnlichen Person wie die Jesus Christus. Das Matera um das Jahr 2000 zeigt sich in seiner ganzen Größe und der Regisseur entdeckt die ungewöhnliche Ähnlichkeit zu einigen Orten in Judäa. „Die Architektur der Stadt,“ erklärt Mel Gibson den Reportern – „die Felsen, die umgebende Landschaft, haben einen einzigartigen Hintergrund für die Filmhandlung gegeben. Das erste Mal, als ich Matera gesehen habe, habe ich schier den Kopf verloren, weil es einfach so perfekt war.“ „Das bluttriefendes Filmset in der Geschichte des Kinos“, so wurde es in den nationalen Zeitungen betitelt, schenkt uns Ideen und Bilder von großer geistlicher Suggestion.
SYNOPSIS Der Film erzählt die letzten zwölf Stunden im Leben von Jesus von Nazareth. Jesus erhebt sich nach dem Abendmahl um im Olivenhain zu beten, dort entgegnet er den Versuchungen des Teufels. Verraten durch Judas Ischariot wird Jesus verhaftet und in das Innere der Mauern Jerusalems geführt, wo die Pharisäer ihn der Gotteslästerung beschuldigen und ihn zum Tode verurteilen. Pontius Pilatus, der römische Statthalter von Palästina, der über das Schicksal zu entscheiden hat, hört sich die Vorwürfe an und bietet dem erbosten Volk die Wahl an, den bekannten Kriminellen Barrabas oder Jesus zu verschonen. Jesus, von den Soldaten gepeinigt, wird noch einmal vor Pontius Pilatus gebracht, der, weil sich das Volk entschieden hat, eher Barrabas zu retten, seine Hände in Unschuld wäscht um zu verdeutlichen, dass er mit dem Geschehen nichts zu tun haben möchte. Jesus wird zur Kreuzigung verurteilt und trägt sein Kreuz auf den Berg Golgata. Auf dem Berg angelangt, werden ihm die Hände und Füße an das Kreuz genagelt und er wird vor den Augen seiner Mutter und anderer Frauen wie Maria Magdalena gekreuzigt. Jesus erfährt eine letzte Versuchung, von seinem geistigen Vater verlassen zu sein, und stirbt während der Himmel von Blitzen durchbohrt wird, die das Dach des Tempels von Jerusalem treffen.
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Eine der wichtigsten Szenen in La Passione di Cristo spielt in der Via Muro in der Altstadt, dort wird das Tribunal gegen Christus dargestellt. Die sehenswerte Treppe bietet den Raum für eine der schauderhaftesten Szenen im Werk von Gibson, in der, gemeinsam mit professionellen Darstellern, eine ganze Reihe örtlicher Komparsen auftreten, die in großer Zahl während der Aufnahmen eingesperrt werden. Wenige Schritte von der Szene der Passion entfernt - und den gleichen Ort wählte schon Pier Paolo Pasolini – stellt die Porta Pistola den Eingang zur Stadt Jerusalem dar, ausgestattet mit einer monumentalen Szenografie, die durch arabische Dekorationselemente charakterisiert wird. Die Straße folgend, die sich im Sasso Barisano mit der von Caveoso vereint, nur wenige Meter von der Porta Pistola entfernt, an den großartigen Felsenkirchen von San Nicola dei Greci und Madonna delle Virtù, wurde das Set für das letzte Mahl aufgebaut, bei dem Jesus den Verrat eines seiner Jünger ankündigt. Die Umgebung, voll von Mystik und Spiritualität, wird überragt vom Berg von Golgata, einem Felsausläufer am Überhang von der Gravina im Parco della Murgia von Matera, dem Ort der Kreuzigung Jesu, an dem der wichtigste Moment für die Menschheit stattfindet. Von den anderen Sets diese lukanischen Jerusalems ist der Vico Solitario, in dem Stadtteil Malve, ausRegisseur: Mel Gibson gestattet mit Bänken und HändHauptdarsteller: James Caviezel, lern, die den Markt darstellen Maia Morgenstern, Monica Belucsollen und einen Ort der Zusamci, Mattia Sbragia, Hristo Shopov, menkünfte. Über der Schlucht Claudia Gerini, Luca Lionello, Hristo Jivkov, Rosalinda Celentano, Sabrina gelegen, stellte die Masseria RaImpacciatore, Francesco De Vito, dogna das Haus von Jesus dar, in Toni Bertorelli, Fabio Sartor, Sergio dem einige Erinnerungsszenen an Rubini, Giacinto Ferro, Olek Mincer. seine Kindheit spielen.
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Craco: die Geisterstadt kommt wieder auf die große Leinwand Außerhalb der Stadt Matera zog Craco, die Geisterstadt, die schon einigen Filmen großer Regisseuren als Schauplatz diente, das Interesse der Hollywoodianer auf sich. Dort wurden einige Szenen der Erhängung von Judas gedreht. Als ein Ort für die große Leinwand, gefeiert von der Cinecittà und von Hollywood, verfügt das antike Graculum über eine Jahrtausendgeschichte und bietet einen sehr suggestiven und magischen Ort für die Umsetzung eines Films. Heute, als verlassene Stadt, stellt es die ideale Szenografie für einen Film mit biblischen Inhalt dar.
PREISE UND AUSZEICHNUNGEN 2005 – Silbernes Band für die Beste Szenografie 2005 – Silbernes Band für die Kostüme 47
FAKTEN UND KURIOSES • Die Stadt von Matera erwiderte die Anwesenheit des HollywoodFilmapparats mit großer Zurückhaltung, allein weil man es schon gewohnt ist, häufig Filmtrupps auf den Straßen zu sehen. Aber das Aufgebot von Gibson war monströs. Wohnwagen und Techniklastwagen vereinnahmten die Straßen und die Plätze in der antiken Tuffsteinregion. Der größte Teil der Hotels im historischen Zentrum wurden belegt. Einige Mauern wurden eingerissen, um Platz für die Erfordernisse des australischen Regisseurs zu schaffen. In dem Hotelzimmer von Mel Gibson, dem gastfreundlichen Albergo Italia, im Herzen des Matera des 18. Jahrhunderts, wurde ein Bänkchen aufgestellt für die morgendlichen Gebete. Es war einfach Gibson zu sehen, wenn er abends ausging, auch in Pantoffeln, immer lächelnd und immer liebenswürdig mit allen. • Mel Gibson stand immer früh am Morgen auf, betete viel und nachdem er sich dem Geist gewidmet hatte, widmete er sich auch dem Körper und machte ein wenig Sport. Die biblischen Texte und das Evangelium beschäftigten seine Gedanken. Er bat sogar Don Angelo, den örtlichen Priester, die Messe in Latein zu lesen, um seine starke Bindung an die Vorkommnisse der Vergangenheit zu bezeugen. Die Messe, nach der Genehmigung durch den Erzbischof, wurde in der Chiesa della Palomba gehalten und Mel Gibson übte das Amt des Messdieners aus. Er verbrachte viel Zeit in Kirchen, insbesondere in Miglionico, wo er zwei Tage die Kreuzigung Christus in der Basilika von Santa Maria Maggiore studierte, in der es auch den Polyptychon von Conegliano gibt. Mel Gibson diskutierte mit den örtlichen Geistlichen die Rolle einiger Personen im Leben von Jesus und, während einer Diskussion mit Don Basilio Gavazzeni, erklärte er, bereit zu sein, sich für Christus zu opfern.
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• Es gibt zwei Szenen, in denen Mel Gibson im Film zu sehen ist, oder besser, es sind seine Hände, die erscheinen: das eine Mal als die Nägel durch die Handflächen von Jesus geschlagen werden, und das andere Mal, als Maddalena zu Boden sinkt. • Der Glauben hat eine unglaubliche Überzeugungskraft und der Film Passione di Cristo bewies dies einmal mehr. Es kann nicht einfach für Jim Caviezel gewesen sein, die Rolle des Jesus Christus darzustellen: jeden Tag betete er einen Rosenkranz, nahm die Kommunion, betete und wendete sich nach dem lukanischen Jerusalem vor 2000 Jahren, segnete Kinder, Frauen und Männer, die er entlang seines Weges traf. • Die Natur, der Wind, der Himmel und die Blitze wirkten wie bestellt, um ihren Anteil im Film über das Leben von Jesus Christus zu bestreiten. Und es war genau im Moment der Kreuzigung und des Todes von Christus, als der Himmel sich schwärzte und sich mit Wolken bedeckte. Blitze und Blitzschläge bedrohten das Set des Hollywood-Kolosses, und fügten der Erzählung der Evangelien eine absolut reale und wahrscheinliche Szene hinzu. In den Anekdoten wird erzählt, dass der Regiegehilfe von Mel Gibson, Jan Michelini, sogar zweimal der Blitzschlag getroffen wurde und er, wunderbarerweise, völlig unversehrt blieb. Im Abspann des Films wird sein Name bezeichnet als „The lightning boy“. • „Mel Gibson ist der wahre Erlöser“. Die Zeitungen in der ganzen Welt bringen Matera auf die internationale Bühne. In der alten und neuen Welt, erreicht die Nachwirkung von Gibson die Grenzen der Realität. Der Sternenstaub aus Hollywood erreicht
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FAKTEN UND KURIOSES das Tuffsteingebiet. Der Film wird am kontroversesten diskutiert in der religiösen Gemeinschaft. Juden und Christen verurteilen den Antisemitismus des Werks, seinen Sadismus und die Leidenschaft für Gewalt und Liebe. Ausländische Fernsehsender, internationale Zeitungen kommen, um Aussagen Beteiligter in der Stadt zu sammeln. Die Wirkung von Gibson verstärkt sich. Sie wirkt wie eine Spirale. Der Film provoziert Glaubensbekehrungen, Tränen und bedrücktes Schweigen, vermittelt Einkehr und tiefe Besinnung. Matera bietet den Hintergrund für diese grausame und zugleich gläubige Geschichte und wird selbst berührt von einem göttlichen Wunder. Das lukanische Jerusalem beginnt auf diese Weise seinen Weg der eigenen Vermarktung. Es beginnt ein Kinotourismus, ein Cineturismo.
Matera, Parco della Murgia bei Matera
Die Jahre 2005 bis 07 N
ach ungefähr drei Jahren, im Jahre 2005, wird Matera und das angrenzende Gebiet für die Ausstattung von Il Rabdomante ausgewählt, einem Film von Fabrizio Cattani mit Andrea Osvart, Pascal Zullino, einem Schauspieler aus Matera, Luciana De Falco und Riccardo Zinna. Der Film erzählt die Geschichte von Felice, der unter Schizofrenie leidet und Eingebungen der Wünschelrute hat. Er kann unterirdische Wasseradern aufspüren, aber das läuft den Interessen von Tonino (Ninì Cintanidd) entgegen, einem Verbrecher, der in seinen Händen das Geschäft mit dem Wasser hat, in einer Region in der die Trockenheit ein viel diskutiertes Thema ist. In der Handlung des Films sind alle Elemente vorhanden: das verlassene Land, das Wasser, mit dem Felice sich auseinandersetzt, die Luft, dargestellt durch die junge und schöne Harja und das Feuer, das alle Elemente beherrschen möchte, repräsentiert durch den Boss Ninì Cintanidd. Spektakulär ist jene Tagesszene, die in den Sassi von Matera gedreht wurde, in der Harja entlang der Straßen des Sasso Barisano und an der
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Murgia Materas läuft, um sich vor der Gefangennahme durch die Männer von Ninì zu retten. In dem Film, in dem die Farben und das Licht auf dem Land und die Murgia leuchten, werden diese zu Mitspielern in einer originalen Geschichte, gedreht mit öffentlichen und privaten Koproduzenten. Im Jahr 2006 wird Matera ausgewählt für den Film von John Moore The Omen – Il Presagio, in denen die Tuffsteingebiete eine israelische Stadt der Gegenwart darstellen sollen. Nach dreißig Jahren nimmt sich der Regisseur wieder des Film Il Presagio von Richard Donner an. Herausgekommen strategischerweise am 6.6.06 erzählt dieser Film die Geschichte von einem wohlhabenden Ehepaar, die mit Horror feststellen müssen, dass ihr adoptiertes Kind
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die Reinkarnation des Antichristen ist. Fünf der Szenen, die in den Sassi gedreht wurden, geben den Markt wieder und den Checkpoint von Jerusalem. Nach vielen Filmen über die Figur des Christus, bietet Matera nun die Ausstattung für einen Film über den Antichristen. Aber die mystische Macht und die Spiritualität des Ortes zur Jahrtausendfeier ziehen die Aufmerksamkeit wiederum auf die Höhle, in der die Geburt Jesu dargestellt wurde. Im gleichen Jahr, versetzt Catherin Hardwicke The Nativity Story (2006) in die Sassi von Matera. Sie wird dargestellt von Keisha Castle-Hughes, Oscar Isaac, Hiam Abbas, Shaun Toub, Ciarán Hinds. Der Film erzählt die Reise von Maria und Josef nach Bethlehem. Nach der Ankündigung der Geburt von Christus und während ihrer langen Reise, müssen die beiden Heiligen den Beweis für die unermessliche Gabe antreten, in dem sie Versuchungen und Schwierigkeiten überwinden. Catherine Hardwicke, genauso wie zuvor Pier Paolo Pasolini und Mel Gibson, wählte Matera und besiegelte damit die symbolische Rolle in der Reihe biblischer Fil-
me. Fünf der Drehwochen galten anderen Locations: der Selva Venusio nahe Matera, wo das Dorf von Nazareth nachgebaut wurde und das Höhlensystem von San Pietro in Principibus, in der Murgia Materas, das Bethlehem darstellte. Wie Mel Gibson, wählte Hardwicke die Via Muro als ein Filmset, aber die Geisterstadt Craco um ein antikes Dorf in der Szene der Verkündigung darzustellen. Der Film wurde als erstes in Vatikanstadt gezeigt. Im Jahr 2007 produzierte und verfilmte Fulvio Wetzl in Zusammenarbeit mit Valeria Vaiano nach einer sozio-anthropologischen Recherche den Film Mineurs (ein Wortspiel, dass darstellen soll, dass es sich mehr um Minderjährige, also „Minori“, denn um Minenarbeiter „Minatori“ handelt). Mit der aktiven Beteiligung einiger lukanischer Kommunen wurde Mineurs unter den Blicken von einigen Kindern gedreht, und brachte in den Fokus die Erinnerung an die bittere Geschichte der Emigration, insbesondere der Lukaniens in den 50er und 60er Jahren. Belgien wird die neue Heimat für eine große Gruppe gleicher Herkunft, die Arbeit in den Minen suchen, die ihnen ihr Leben zerstören werden. Einige Drehorte waren Acerenza, Atella, Bella, Cancellara, Genzano di Lucania, Muro Lucano, Oppido Lucano, Rapolla, Rionero in Vulture, Ruoti, San Fele, Satriano di Lucania.
Movie Tour 1 Matera als Jersusalem: von Pierpaolo Pasolini bis Catherine Hardwicke
IFilms, n Matera, dem Set der Sets des beginnt eine Entdeckungstour zu den suggestivsten Locations, die von den internationalen großen Filmemachern gewählt wurden. Die „Krippe der Wunder“ wurde erzählt durch die Regisseure, die die Geschichte von Jesus Christus an dem symbolischen Ort der Jahrtausendstadt spielen ließen: Il Vangelo secondo Matteo von Pier Paolo Pasolini (1964), King David von Bruce Beresford (1985), The Passion of the Christ von Mel Gibson (2003) und The Nativity Story von Catherine Hardwicke (2006). Die Tour durchläuft die Stationen, die besonders wichtig sind für die Erzählung des Evangeliums: Räume und Orte die auf der großen Leinwand ihre ganze Großartigkeit entwickelt haben und die Augen verzauberten und die Herzen bewegten. 55
VIA MURO Schöne Aussichten, szenografisch und spektakulär: die Via Muro, der Ausgangspunkt für die Tour auf den Spuren der Passion Christis, hat die großen Regisseure aufgenommen: Mel Gibson und Catherine Hardwicke. Im Film The Passion of the Christ stellt die Via Muro die Via Crucis dar, in der Jesus, auf dem Weg zur Kreuzigung, sich seinem Schicksal stellt. Mel Gibson ließ sich dabei von dem großen Pier Paolo Pasolini inspirieren, der Matera gewählt hatte wegen seine tatsächlichen Ähnlichkeit zu Palästina. Der Maestro und Poet, der das Sujet des biblischen Films in die Sassi einführte, hatte hingegen die Via Lombardi gewählt, um die Szene 56
der Vis Crucis zu drehen. Eine Wegstrecke, auf der sich die Menschlichkeit und die Spiritualität vermengen, Raum lassen für das Bild und den unendlichen Horizont von Golgata. In dem Film über die Geburt wählte Catherine Hardwicke hingegen die großartige Treppe der Via Muro mit dem großen Tor, dekoriert mit exotischen Palmen und Verkaufstischen der Händler, als Ort der Begegnung und des Tauschs der Dorfbewohner. Die Via Muro verbindet das alte Stadtviertel, wo sich die eindrucksvolle Kathedrale erhebt, mit der Piazza San Pietro Caveoso, im Überhang über der Schlucht, an der sich die Kirche von San Pietro Caveoso erhebt.
SAN PIETRO CAVEOSO Die Piazza San Pietro Caveoso, unsterblich durch die großen italienischen und ausländischen Regisseure, ist die Stadt der Wahl auch für andere Filmausstattungen, so der Brüder Taviani in ihrem Hauptwerk Il Sole anche di notte (1990), von Giuseppe Tornatore Nell’Uomo delle Stelle (1995) und von Ferdinando Arrabal in dem Film L’Albero di Guernica (1975).
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Der Stadtteil Malve Von der Schulter der Piazza San Pietro Caveoso folgt man dem Stadtteil Malve entlang, einer suggestiven Location wo, in dem Film des Hollywood-Regisseurs Gibson, die Handelsaktivitäten der Stadt Jerusalem stattfinden. Bänke, exotische Pflanzen und andere Ausstattungsgegenstände verwandeln den Ort in einen alten Markt in Jerusalem. Der Ort ist reich an Faszination und Geschichte und erlebt zwischen seinen antiken Felsenkirchen und die tiefen Höhlen, auch das Missgeschick des Films King David.
Porta Pistola Kreuzungspunkt zwischen den beiden Sassi, dem von Barisano und von Caveoso, spannt sich die Porta Postèrgola, besser bekannt als Porta Pistola, über den Überhang des grandiosen Tals der Schlucht, wo der Strom der Gravina fließt. Der Ort, ausgewählt sei es durch Pier Paolo Pasolini oder durch Mel Gibson, stellt das Tor zur Stadt Jerusalem im Heiligen Land dar, erweitert durch eine monumentale Szenografie und einige arabische Architekturelemente. 59
Madonna delle Virtu’ und San Nicola dei Greci Wenige Schritte vom Tor Jerusalems entfernt, erhebt sich ein hinreißender Felskomplex, der die beiden Kirchen Madonna delle Virtù und San Nicola dei Greci beherbergt, in denen das Abendmahl des Hollywoodfilms spielt. Wörter der Liebe wechseln sich ab mit Blut und den Nägeln und dem Lamm Gottes, das die Menschen von der Sünde befreit, bevor das Kreuz für das Hinscheiden und die Wiederauferstehung auf dem Berg Golgata im Parco della Murgia aufgestellt wird. 60
Parco della Murgia Der Parco della Murgia als ein Naturerbe ist zugleich ein historischer Ort und eine Naturschönheit von außergewöhnlichem Bedeutung. Von der Schlucht, wie einer Insel, bricht sich die Murgia ihren Weg ohne Grenzen und Hindernisse. Die Landschaft erzählt vom Wechselfall der Menschen, vom Ursprung des Lebens bis in unsere Tage und inspirierte mit seinen eindrucksvollen Ansichten Regisseure und Literaten. Das Gebiet von San Vito hatte Pier Paolo Pasolini für die Szene mit dem heiligen Gral ausgesucht und für die Erscheinung des Erzengels Gabriel. In der Passione di Cristo hingegen, wird das Leben von Jesus als Kind in einem Flashback, intensiv und mystisch, in einem ländlichen Gebäude in dieser Region, der Masseria Radogna. Auch Catherine Hardwicke errichtete im Parco della Murgia, in der Felskirche von San Pietro in Princibus – ihr BethlehemDorf und in Selva Venusio das Dorf von Nazareth.
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Golgata Und in der Murgia Timone wurde Golgata errichtet. Suggestiv und mystisch stellt es den Hintergrund f端r die Kreuzigungsszene in den Filmen von Pier Paolo Pasolini und Mel Gibson. Das Golgata, das Catherine Hardwicke vorbereitet hat, blickt hingegen auf die Kreuze als Darstellung des Todes. Golgata ist die letzte Etappe der Cinetour in Matera auf den Spuren der Bibel. Im Auge des Betrachters bleiben die verzaubernden Bilder von der Krippe der Wunder.
Movie Tour 2 Die Burgen im Film Craco, Aliano, Irsina und Ferrandina
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ie Tour steht im Zeichen des Göttlichen. Nicht nur die Stadt der Sassi, aber auch die Burgen auf dem Land erzählen von den Wechselfällen im Leben von Jesus Christus. Die Burgen stellen magische Orte in einer einzigartigen Landschaft dar, vom Mond beschienene und verlassene historischen Ausstattungen, die gleichzeitig von einem Lächeln und unter den Blicken der Einwohner der Orte begleitet. In deren bäuerlicher Welt werden Filme wie Cristo si é fermato a Eboli (1978) von Francesco Rosi erzählt, begleitet von Filmen wie Dal Perduto Amore (1998) von Michele Placido, der in diesem sozialen Mikrokosmos, ein Fresko der archaischen Gemeinschaft zeichnet. 63
Craco Die mittelalterliche Burg der Geisterstadt hat ihre erste Filmklappe im Jahr 1978 gesehen, für die Aufnahmen zum Film Cristo si è fermato a Eboli von Francesco Rosi. Craco bot auch ein natürliches Set für den Film Il sole anche di notte (1990) der Brüder Taviani und für Ninfa Plebea (1996) von Lina Wertmüller. Letzterer ein Film, der zwar über die Basilicata erzählt, aber bei dem man nicht sicher ist, ob die vom Regisseur gewählten Orte wirklich dienlich sind, gefolgt von einem Filmkoloss und einer Geburt: The Passion of the Christ und The Nativity Story. In dem Film von Mel 64
Gibson stellt die mittelalterliche Burg von Craco, ein zeitloser Ort, wo sich Judas unter dem Einfluss des Teufels entschließt, sich zu erhängen. Craco ist auch die fünfte Etappe von Cristo si è fermato a Eboli, einem Werk nach dem Kultbuch des Künstlers Carlo Levi, der darin über seine Verbannung in Lukanien berichtet.
Aliano Von der Geisterstadt nach Galiano (Aliano) knüpfen sich die Einzelbilder entlang einer kargen Landschaft, der Mondlandschaft der Calanchi, bis zu dem Gemälde des Paladins des Südens, das der Geschichte der lukanischen Bauern eine Stimme verleiht, und an die Bedingungen ihres Lebens im Süden und an die Geschichte der Unterdrückung ihrer Kultur erinnert. Ein Ort, der in dem literarischen und dem filmischen Werk gottverlassen wirkt, in der die Bauern in einem anderen Zeitalter zu leben scheinen, das einen magischen und zugleich weltlichen Beigeschmack hat, eine Historie, in der Christus wirklich nie angekommen ist. Vor dem Hintergrund einiger biblischer Szenen in dem Film über die Geburt von Jesus Christus von Catherine Hardwicke, stellt die Geisterstadt ein Dorf in Kanaan dar. Die verlassenen Straßen werden wiederbelebt: Ställe, Lagerräume, verlassene Herrenhäu-
ser, gemeinsam mit den Ruinen der Geisterstadt und ihren auf unwiderstehliche Art faszinierenden steilen Felsen, bilden den Hintergrund der von der Regisseurin gewählt wurde für die Szene, in der Maria und Josef Rast halten auf dem Weg von Nazareth nach Bethlehem.
Irsina e Ferrandina Die Burgen im Film Del Perduto Amore. Die Plätze, die Straßen, die Masserien nahe dem antiken mittelalterlichen Zentrum von Irsina sind unwissende Zeugen einer Geschichte, verwurzelt in der politischen Ideologie, voller Leidenschaft und großer menschlicher
Gefühle. Seine Hauptdarsteller setzen sich mit Sitte und Anstand auseinander, Eigenschaften, die Michele Placido in der lukanischen Bevölkerung erhalten sah. Die Häuserecken, die Straßen, die Plätze der beiden Burgen der Provinz bildeten den Hintergrund für einen Film über die Erinnerung, über verlorene Existenzen, die vor sich hin leben und, ohne es zu wollen, nie das Schicksal ändern werden. Das Land und die kleinen Ortschaften geben den Hintergrund für die Szenen des politischen Engagements, der ideologischen Leidenschaften, die von den Werten, der Kultur und von den Menschen aus italienischen Landen erzählen. Eine perfekte Ausstattung, um die entstehenden Gefühle zu reflektieren, die entflammenden Leidenschaften, die Utopien des Geistes und die Schönheit der erblühenden Herzen. 67
Gutshof, Vulture bei Melfi
Movie Tour 3 Die lukanischen Filmlandschaften: Natur, Sonne und strahlender Glanz. Barile, Vulture Melfese und Maratea
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ie Cinetour auf den biblischen Spuren hält in Barile, einem Dorf des Weins und der Kornfelder im Grün eines erloschenen Vulkans: des Vulture. Ein Ort, den der große Pasolini wegen seiner Kontraste liebte. Von Barile führt die Tour an die Orte des Weins, des Wassers und des Films – Orte im Vulture Melfese, wo die Szenografie, die Farbe, die weite Ausdehnung die Augen verwirrt und die Herzen der Betrachter und der Besucher. Wie im Film Io non ho paura (2003) von Gabriele Salvatores, wo die Natur eine Spur des Märchenhaften der Ausstattung des Films hinzufügt. Die Cinetour Lukaniens kann nicht um69
hin, auch in Maratea Halt zu machen, in den Fußstapfen von La Vedovella (1964) von Sergio Siano und von Ogni Lasciato è perso (2000) von Piero Chiambretti, in dem die Statue von Christus dem Erlöser aus der Höhe seiner Eindrücklichkeit sein Volk behütet.
Barile Die albanische Stadt ist der Ort der Prozessionen „der Mysterien“ und der „Mission“, die sich nach alter Tradition seit Jahrhunderten wiederholen. Die Passion von Jesus erlebt in jedem Jahr in der Heiligen Woche wieder auf, wo das Drama mit dem ausgestoßenen Ruf endet, der die Erde erschüttert. Die Landschaftsbilder erzählen von den Wechselfälle der Geschichte, von ihrem Glanz und ihrer Verzauberung. Barile 70
als Bethlehem (wurde das große Ereignis im Jahr 2007 benannt, zu dem der katalanische Schauspieler Enrique Irazoqui, der Christus in dem Film Il Vangelo secondo Matteo, aus Spanien angereist war): ein Ort, wo die Menschheit und das Göttliche sich in urtümlicher Schönheit und dem Glanz der Natur vereinen. Der große Künstler Pier Paolo Pasolini siedelte einige wesentliche Filmszenen dort an: Die Geburt unseres Herrn und die Verfolgung der Unschuldigen. Die elende Höhle der Heiligen Familie, in der Jesus Christus geboren wurde gehört heute zum Parco urbano delle cantine von Barile, einem so genannten städtischen Park der Weinkellerein. Für Pasolini allerdings waren sie noch „elende Orte, entblößt, schmucklos, in keiner Weise sehenswert. Aber eben deswegen voller Heiligkeit.“ In Barile, entlang der Kluften und der jahrtausendalten Höhlen, in dem entfernten Bereich „Sheshi“, der so Kinogeschichte gemacht hat, setzte er lange und detailgenaue Szenen mit dem Teleobjektiv um, um die Gefühle und die Gesichtsausdrücke von Hunderten von Komparsen dieses Schwarz-Weiß-Films einzufangen.
Vulture Melfese Wenn man die Standbilder der Basilicata durchblättert, inspiriert die Landschaft von Vulture Melfese zur inneren Einkehr: sie irritiert und inspiriert durch ihre ausgesprochene Schönheit, mit ihren Naturausblicken, mit ihren kulturhistorischen Monumenten. Hier setzt die Geschichte ein von dem Kindesraub als Werk der kriminellen Unterwelt und der „lupi mannari“, der Werwölfe, einer Gruppe von schlechten Erwachsenen, über die in dem Roman Io non ho paura von Niccolò Ammaniti berichtet wurde und der durch den Regisseur Gab-
riele Salvatores auf die Kinoleinwand gebracht wurde. Eine Geschichte mit einer Kamera, die aus der Tiefe filmt, auf der Höhe eines Kindes, das die Welt auf seinen Streifzügen durch die Wiesen und die Kornfelder entdeckt. „Es ist der Sitz der Seele“, erklärt Salvatores den Reportern, „der urtümliche Süden, die Magna Grecia, ein oft vergessener Teil Italiens. Der Ort wo noch die Eingebungen einer poetischen Bauernwelt noch existieren, bot sich als die perfekte Umsetzung an für „Acque Traverse“, jenen suggestiven Ort, der von Niccolo Amaniti in seinem Roman beschrieben wird, den ich für den Film verwendet habe.“
Maratea Die Landschaften der Burgen, der Mineralwasserquellen, des Aglianico-Weins verlassend, gelangt die Cinetour an das Tor der tyrhenischen Küste, nach Maratea. Bezaubernd und herrschaftlich, schon verewigt von Dino Risi in dem Film A porte chiuse (1960),
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bot Maratea als Perle des tyrhenischen Meeres mit der Piazetta der Stadt die Ausstattung für die Szene in der Filmkomödie La Vedvella von Sergio Siano. Der zentrale Teil eines Films, in einer heiteren Atmosphäre, pikant, unterhaltsam und kurzweilig, spielt auf der lebhaften Piazza Giovanni Buraglia aufgenommen in dem Moment des Fests, die Liebschaften und der schon mythische Kniff in den Hintern hingegen in der Via Rovita von Maratea. In dem ironischen Film Ogni lasciato è perso von Piero Chiambretti wird das Gebet an den das Bild beherrschenden Christus den Erlöser gerichtet, der mit seiner außerordentlichen Lage am Golf von Policastro große cinematografische Macht ausübt.
Die Burg von Maratea und der Monte Calvello
Lucania Film Festival
Leben gerufen und wird jährlich im August in Pisticci abgehalten. Es ist zu einem Referenzpunkt für die Freunde des Kinos und des Kurzfilms geworden. Sie veranstalten internationale Filmwettbewerbe für den Kurzfilm, die sich an Filmemacher in der ganzen Welt wenden, Initiativen zur Aufwertung unabhängiger Produktionen, Projekte im Bereich audiovisueller Medien, zur Bekanntmachung von kulturellen Events, Diskussionen, Konferenzen und Festspielaktivitäten, die mit dem Kino und anderen audiovisuellen Medien verbunden sind. Die „ZIC’s“: eines der laufenden Projekte der Vereinigung Allelammie ist die Zusammenstellung der ZIC – Zone di interesse cinematografico, also die Gebiete, die für das cinematografische Interesse wichtig sind, und von Reiserouten, die Kino- und Naturerlebnisse kombinieren, zur Verwertung durch den touristische und kulturelle Serviceangebote.
www.lucaniafilmfestival.it
Potenza Film Festival
DRecherchen ie Organisation IFF in Potenza fördert seit 2004 und Studien zur Aufwertung und der Bekanntmachung eines neuen internationales Kinos, mit besonderem Interesse für aufkommende Strömungen im unabhängigen und experimentellen
Die Filmfestivals in der Basilicata
GPisticci, efördert durch die Organistation Allelammie in wurde das Lucania Film Festival 1999 ins
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Kino, für die jungen Cineasten, für neue Filmsprachen und Technologien. Mit allen seine Sparten, seien es konkurrierende oder nicht konkurrierende, regt das Festival die Kenntnis und die Verbreitung von Filmen neuer Autoren an, die stilistische und formale Suche, die Verwendung neuer Technologien und neuer Filmsprachen, favorisiert den Erfahrungsaustausch der Cineasten sowie die Bewertung und die Entdeckung neuer internationaler cinematografischer Talente. Das Atelier Internazionale del Cinema in Potenza ist ebenfalls angebunden, das wiederkehrend als Gastgeber für wichtige Meister des internationalen Films fungiert.
www.potenzafilmfestival.it
Io, Isabella
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o, Isabella International Film Week ist das erste süditalienische Festival, dass sich dem Dokumentarfilm und dem feministischen Kino widmet. Innerhalb einer Woche existiert eine Zusammenkunft internationalen Zuschnitts, die jedes Jahr im Juli in Maratea abgehalten wird. Es veranstaltet einen Wettbewerb, eine Reihe von wettbewerbsfreien Sektionen (Country in Focus und weitere zwei, drei Sektionen zu besonderen Themen), Begegnungen, Talk Shows und Events. Das Festival bietet eine qualitative Auswahl von Filmen und kreativen Dokumentationen, die aus aller Welt stammen. Der Wettbewerb ist all den Filmen gewidmet, die von (und für) Frauen gemacht worden sind, während gut 70% der gesamten Auswahl dem Dokumentarfilm gelten, der für die große Leinwand oder für das Heimkino gedacht sind.
www.ioisabella.org 76
Maratea International Film Festival
DjektaszurMaratea International Film Festival ist ein ProFörderung des Kinos und der Kultur. Gefördert durch die non-profit Organisation MarateaFestival, wurde es im März 2009 gegründet mit dem Zweck, ein kulturelles Event zur Auszeichnung italienischer und ausländischer Filme zu entwickeln. Ein Anliegen ist es, zur Belebung von Gegenden beizutragen, sei es während der Festivalzeit, sei es während des gesamten Jahres. Hier werden Events, die mit der Kunstwoche verbunden sind, veranstaltet sowie Zusammentreffen internationaler Filmemacher oder die Teilnahme von wichtigen Persönlichkeiten aus der Welt des italienischen und internationalen Kinos oder besonderer Personen aus dem kulturellen Leben.
www.marateafestival.com
Cinemadamare
Cvoninemadamare ist das größte Zusammentreffen jungen Filmemachern aus allen Teilen der Welt. Es handelt sich dabei um eine Wander-Filmschau, die in fünf Regionen Süditaliens während 40 Tagen der Monate Juli und August stattfindet. Die teilnehmenden Filme werden während des Festivals gedreht. Etwa Hundert italienische und ausländische Filmemacher haben die Möglichkeit, ihre Werke zu realisieren und sie auf öffentlichen Plätzen Süditaliens 77
zu zeigen, die besonders zentral und suggestiv sind. Während der lukanischen Etappe finden Aufführungen, Diskussionen und besondere Begegnungen zum Kino in Matera und Novasiri statt..
www.cinemadamare.it
Lagonegro Cinema
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as Festival Nazionale Cinema e Musica di Lagonegro stellt einen Ort der Begegnung dar, der sich der italienischen Filmmusik in ihren unterschiedlichen Ansätzen und Tendenzen widmet. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den jungen Komponisten der Filmmusik. Es findet in den Gemeinden Latronico, Lauria und Lagonegro statt und in verschiedenen Sektionen: Filmvorführungen, Dokumentarfilme, bildende und allgemeinverständliche Aktivitäten, Prämierungen und Konzerte.
www.lagonegrocinema.it
Cinetica - Rionero in Vulture
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eit 15 Jahren steht der CineClub De Sica – Cinit im Vulture Melfese für die Cinetica, die im Kinosaal Vorrasi in Rionero in Vulture stattfindet und aus Filmvorführungen, Events und Terminen besteht, die der Kunstwoche gewidmet sind. Im Lauf der Jahre sind mehr als 170 Filme im Programm gewesen, viele von ihnen rare Dokumente, wertvoll und von beachtlichem emotionalen Gewicht. Zu den Aktivitäten gehören auch Workshops mit den Schulen, Prämierungen, Seminare zur Vertiefung und zu verlegerischen Aktivitäten. . 78
La Notte dei Corti Viventi
„D iese Nacht der belebten Höfe“ bietet ohne jeden Wettwerb in der Stadt Matera in den Monaten April/
Mai Filmvorführungen für Kurzfilme und mittellange Filme. La Notte di Corti Viventi zielt darauf ab, die Kreativität und den Ideenreichtum aufkommender Filmemacher zu fördern. Es wird ein Forum aber auch ein Art Schaufenster geboten, um sich mit diesen Werken auseinander zu setzen. Es können sich alle Filmemacher melden, die in der Basilicata leben oder in einer der angrenzenden Gemeinden von Matera wie: Altamura, Gravina, Santeramo, Laterza und Ginosa.
www.egghia.it
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as Bella Film Festival fördert in jedem Jahr im September Filmvorführungen zu Themen, die mit politischen und sozialen Aspekten der gegenwärtigen Gesellschaft verbunden sind und veranstaltet Zusammenkünfte und Diskussion über das Kino.
Cinefabrica
DFilmen iese Kinofabrik bietet wandernde Vorführungen von und filmischen Werken, die nach dem Muster eines ambulanten Kinos durchgeführt werden. Gefördert durch die Organisation Cinefabrica, werden Großbildleinwände und Sitzgelegenheiten an Orten aufgestellt wo das Kino sonst nicht präsent ist. Gezeigt werden die Hauptwerke der Kunstwoche. Außerdem werden Interviews, Dokumentarfilme und ergänzende Minireportagen zum historischen Gedenken von Orten gezeigt.
www.cinefabrica.com
Filmvorfhrungen in der Basilicata
Bella Film Festival
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Die wesentlichen in der Basilicata gedrehten Filme Mineurs von Fulvio Wetzl, 2007 The Nativity Story von Catherine Hardwicke, 2006 The Omen Il presagio von John Moore, 2006 Il Rabdomante von Fabrizio Cattani, 2005 The Passion of the Christ von Mel Gibson, 2003 Io non ho paura von Gabriele Salvatores, 2002 Ogni lasciato è perso von Piero Chiambretti 2000 Terra Bruciata von Fabio Segatori, 1999 Del perduto Amore von Michele Placido, 1998 L’ Uomo delle Stelle von Giuseppe Tornatore, 1995 Il sole anche di notte von Paolo e Vittorio Taviani, 1990 King David von Bruce Beresford, 1985 Tre Fratelli von Francesco Rosi, 1981 Cristo si è fermato a Eboli von Francesco Rosi, 1979 Volontari per destinazione von Ignota Alberto Negrin, 1978 L’Albero di Guernica von Fernando Arrabal, 1975 Qui comincia l’avventura von Carlo di Palma, 1975 Il tempo dell’inizio von Luigi Di Gianni, 1974 Allonsanfan von Paolo e Vittorio Taviani, 1974
Anno Uno von Roberto Rossellini, 1974 Il decamerone nero von Piero Vivarelli, 1972 Non si sevizia un paperino von Lucio Fulci, 1972 C’era una Volta von Francesco Rosi, 1967 Made in Italy von Nanni Loy, 1965 Il vangelo secondo Matteo von Pier Paolo Pasolini, 1964 Il Demonio von Brunello Rondi, 1963 Gli anni Ruggenti von Luigi Zampa, 1962 La Vedovella von Silvio Siani, 1962 Italia ’61 von Jan Lenica, 1961 Viva l’Italia! von Roberto Rossellini, 1961 A porte chiuse von Dino Risi, 1960 La nonna Sabella von Dino Risi, 1957 La Lupa von Alberto Lattuada, 1953 Le due sorelle von Mario Volpe, 1950 Nel mezzogiorno qualcosa è cambiato von Carlo Lizzani, 1949
© Copyright APT 2009 Druckunterlagenschluss im Monat Dezember 2009 Idee und Texte: Mariateresa Cascino www.mtcom.info Textredaktion Maria Teresa Lotito Grafik und Gestaltung: Brucomela Design www.brucomeladesign.it Druck: Centro Stampa Matera Fotos von: Archiv der APT Basilicata/Fotowettbewerb zu Matera 2008, Gerardo Cecere (Seiten 40-42), Blu Video (Seiten 14, 19, 22, 29, 31,52, 59,62), Archiv Brucomela, Stock.xcng, Google Images, Stockexpert (Seiten 81-82). Und mit freundlicher Genehmigung von: Fotoarchiv der Gemeinde Matera (Seiten 4, 44, 45, 46, 47, 48, 50), Cineteca Lucana, Donato Michele Mazzeo/Andrea Titaro (Seiten 18, 20,70), Antonio Moliterni (Seite 52), Antonio Catena (Seiiten 36, 37, 67), Fulvio Wetzl (Seiite 56). Bibliografische Nachweise: Giulio Martini, I LUOGHI DEL CINEMA, Touring Club Italiano, Milano, 2005. Domenico Notarangelo, IL VANGELO SECONDO MATERA, Città del Sole Edizioni, Reggio Calabria, 2008. Giuseppe Papasso, DIZIONARIO DEL CINEMA PUGLIA & BASILICATA, Spot Italia, 2006. Attilio Coco, VISIONI E IMMAGINI CINEMATOGRAFICHE DELLA BASILICATA, Possidente di Avigliano, Pianetalibro, 2002. Emilia Palmieri, I SASSI NEL CINEMA, Altrimedia Edizioni, Matera, 2007. Donato Michele Mazzeo, CRISTO E’ NATO A BARILE, Ed. Basilicata Arbëreshë, Barile, 2007. Webseiten: www.sassiweb.it www.cinemavvenire.it www.mymovies.it www.ibs.it www.wikipedia.it www.letteratour.it Mariateresa Cascino dankt für die wertvolle Zusammenarbeit Domenico Notarangelo und darüber hinaus Antonio Catena, Gaetano Martino, Enrico Ruggieri, Donato Michele Mazzeo, Antonio Moliterni, Salvatore Verde, Pascal Zullino. Der Taschenführer wurde gedruckt durch die Finanzierung gemäß dem Gesetz 135, Artikel 5 und D.P.R. 24. Juli 2007 Nr. 158 – Interregionales Projekt „Itinerari d’Autore – Viaggio culturale nei luoghi dei grandi personaggi dd’Italia“ - Verantwortlich Lorenzo Affinito; Projektkoordination Elena Iacoviello.
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