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unterw egs Die Mitarbeiter- & Kundenzeitschrift von Brüggli Ausgabe Nummer 44, November 2020

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www.unterwegs.brueggli.ch

Am richtigen Ort

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Gegen die Angst

«Jetzt zeige ich, was ich kann», sagt Fabian, lernender Logistiker.

Brügglis Hundeboxen rufen Fälscher und Kopierer auf den Plan.

Wie Brüggli mit Corona umgeht: Erkenntnisse, Meinungen, Betroffenheiten.

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Inhalt

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Impressum Idee, Konzept, Redaktion : Layout-Konzept, Satz: Bild : Fotos : Druck, Auflage : Herausgeber :

Michael Haller, Larissa Herzog Regina Furger Felix Gmünder, Regina Furger Roger Nigg Brüggli Medien, 2'500 Ex. Brüggli, 8590 Romanshorn www.brueggli.ch, www.unterwegs.brueggli.ch

Awards 2019 · Goldene Feder des Schweizerischen Verbandes für interne und integrierte Kommunikation SVIK in der Kategorie Texte 2018 · Bronzene Feder des SVIK in der Kategorie Mitarbeitermagazine · Silberne Feder des SVIK in der Kategorie Texte 2016 · Goldene Feder des SVIK in der Kategorie Texte · Bronzene Feder des SVIK in der Kategorie Texte 2015 · Internationaler Sonderpreis der European Association for Internal Communication FEIEA: «Best practice in internal magazine supporting a social project» · Silberne Feder des SVIK in der Kategorie Mitarbeitermagazine · Silberne Feder des SVIK in der Kategorie Strategien/Konzepte 2014 · Silberne Feder des SVIK in der Kategorie Texte 2013 · Silberne Feder des SVIK in der Kategorie Strategien/Konzepte 2011 · Goldene Feder des SVIK in der Kategorie Mitarbeitermagazine

Am richtigen Ort Fabian Flachmüller wollte Informatiker werden – koste es, was es wolle. Doch die IV legte ihm die Ausbildung zum Logistiker EBA nahe. Von der anfänglichen Enttäuschung über diesen Entscheid ist heute nichts mehr übrig.

Unser Umgang mit Corona

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Beruf: Rätsellöser Nachgefragt: Wie läuft’s im ersten Lehrjahr? Kochen zuhause: Wie es besser gelingt Bienenhotels für ein gesundes Ökosystem Wie Neues entsteht Romanshorn neu entdecken Unser Partner: Wiener Kaffeehaus Franzl Nachgefragt: Alles anders wegen Corona? Brügglianer: 10 Fragen an ... Dies & Das Rätsel: Wer findet die fünf Unterschiede? Jubilarinnen und Jubilare


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Unterwegs fürs Drumherum und Mittendrin Restaurant A: Der Kaffee ist ein Feuerwerk an Aromen, die Bohnen schwärmen von ihrer tropischen Heimat, zart-weisses Porzellan und ein Mandel-Keks aus der hauseigenen Bäckerei sind ein feines Geleit. Nur der Kellner ist mies drauf. Vielleicht, weil ihm etwas über die Leber gekrochen ist. Vielleicht auch, weil er nicht anders kann und im Grunde ein schlechter Gastgeber ist.

So ist das auch bei Brüggli. Wie erleben uns Klienten, Kunden und Partner? Fühlen sie sich jederzeit wahrgenommen, verstanden, wertgeschätzt? Ist überall Brüggli drin, wo Brüggli draufsteht? Und stimmen Denken, Sprechen und Handeln aller Brüggli-Akteure möglichst überein? Wie erlebt das Fabian Flachmüller, der bei Brüggli eine Ausbildung zum Logistiker macht (Seite 18)? Wie verstanden fühlt sich Justin Thiede, der als Informatiker im ersten Arbeitsmarkt integriert ist (Seite 4)? Und wie viel Individualität und Nähe sind überhaupt noch möglich in Zeiten, in denen Corona alles auf den Kopf stellt? Wir beleuchten, wie Brüggli mit der Krise umgeht, generell und im Einzelnen (Seite 11).

Nah und persönlich: So soll es sein – jetzt erst recht.

Restaurant B: Der Kaffee ist in Ordnung, aber keine Offenbarung, gut für den raschen Koffeinschub, nicht mehr, nicht weniger. Dafür ist die Servicefrau eine Wucht. Sie erhellt den Raum mit Freundlichkeit, ein aufmerksamer Blick, nette Worte. Sie macht gern, was sie macht, ist in ihrer Rolle, nicht aufgesetzt, sondern weil ihr das wichtig ist. Vielleicht weil sie sich ausmalt, wie sie selbst würde behandelt werden wollen.

Einerseits der Top-Kaffee mit unfreundlichem Kellner, andererseits der mittelmässige Kaffee mit liebenswerter Servicekraft: Welches der beiden Restaurants bleibt in besserer Erinnerung, wo zieht es uns wieder hin, wo fühlen wir uns willkommen? Den mittelmässigen Kaffee verzeihen wir eher als den unfreundlichen Service. Wir kehren eben nicht nur wegen des Kaffees ein. Das Drumherum interessiert uns und die Rolle, die man uns darin zugesteht – nicht als Statisten oder dumpfe Konsumenten, sondern als Individuen und Persönlichkeiten, mittendrin statt nur dabei.

Sie können «Unterwegs» zuhause lesen, im Internet oder in Brügglis Gastronomie Usblick – übrigens inklusive gutem Kaffee und freundlichem Service, aber machen Sie sich selbst ein Bild.

Michael Haller Leiter Kommunikation & Kultur Mitglied der Geschäftsleitung


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Beruf: Rätsellöser Justin Thiede hat im Sommer seine Informatik-Ausbildung abgeschlossen – im ersten Arbeitsmarkt und mit der besten Abschlussarbeit im Kanton Thurgau. Am Anfang seiner Lehre hätte damit wohl kaum jemand gerechnet. Zu Brüggli kam Justin Thiede im Dezember 2014. Damals lebte er im Betreuten Wohnen in Romanshorn – eine Massnahme, die von der Staatsanwaltschaft verordnet wurde, nachdem er in eine Abwärtsspirale geraten war. Seine Informatik-Lehre, die er mit 16 begonnen hatte, konnte er nicht fortführen. Im Betreuten Wohnen sagte man ihm, dass er wegen seines ADHS womöglich Anspruch auf eine IV-Massnahme habe und eine Ausbildung bei Brüggli machen könnte. Justin Thiede meldete sich bei der IV an und kam für eine Abklärung zu Brüggli. «Ich hatte Mühe mit der Pünktlichkeit und auch ein Arbeitspensum von 100 Prozent war damals schwierig für mich. Manchmal erschien ich erst kurz vor Mittag im Betrieb», sagt er. Deshalb absolvierte er zunächst ein Vorbereitungsjahr in Brügglis Informatik, ehe er die Ausbildung zum Betriebsinformatiker EFZ begann. Selbständig in den Arbeitsmarkt Während des ersten Lehrjahres hatte Justin Thiede Mühe mit den vielen Schultagen. «Ich bin damals seit einiger Zeit nicht

«Etwas zu programmieren, ist wie ein logisches Rätsel, das man lösen muss.»


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mehr in der Schule gewesen. Daran musste ich mich erst wieder gewöhnen. Nach einem Schultag war ich immer total erschöpft», sagt er. Hinzu kamen mehrere Stunden Hausaufgaben. Damit er das schaffte, durfte er diese zum Teil im Betrieb erledigen. «Ich bin froh, dass mich Brüggli da unterstützt hat. Das war sehr hilfreich», sagt er. Im zweiten Lehrjahr merkte er, dass er selbständiger sein und mehr Verantwortung übernehmen wollte. «Ich wollte raus in den ersten Arbeitsmarkt», sagt er. Also begann er, nach einem Praktikumsplatz zu suchen – und zwar selbständig. Das war ihm wichtig. Er bekam zwar eine Liste mit möglichen Arbeitgebern, aber bewerben wollte er sich dort ohne die Unterstützung von Brüggli. Einzig beim Motivationsschreiben bekam er etwas Hilfe. «Sprachen und Schreiben sind einfach nicht mein Ding», sagt er. Logisches Denken liegt ihm Bei Brüggli arbeitete Justin Thiede oft im Support. Eigentlich interessiert er sich aber mehr für Applikations- und Webentwicklung. Tools zu programmieren, gefällt ihm sehr. «Es ist wie ein logisches Rätsel, das man lösen muss. Logisches Denken hat mir schon immer Spass gemacht», sagt er. Da kam ihm gerade recht, dass auf der Liste mit Arbeitgebern auch die Webagentur visions.ch gmbh aufgeführt war. Hier gibt es allerhand zu programmieren: Apps für iOS und Android, Newsletter-E-Mails, Webseiten, E-Shops usw. Nach einem Schnuppereinsatz wurde entschieden, dass er das dritte Lehrjahr bei Visions absolvieren durfte. Das letzte Ausbildungsjahr wollte Justin Thiede dann bei einem anderen Arbeitgeber machen. Bald merkte er aber, dass er bei Visions bleiben wollte, um sich richtig ins Fachgebiet vertiefen zu können. Durch Justin Thiede entstand so eine enge Zusammenarbeit zwischen Visions und Brüggli.

Mit Herzlichkeit und Vielfalt zum Erfolg «Brüggli kannte ich schon davor», sagt Thomas Epple, Geschäftsführer von Visions. Er wusste also, worauf er sich einliess. Ein Hindernis war das für ihn nie. «Justins Vorgeschichte hat mich nicht interessiert. Er war von Anfang an korrekt im Umgang und hat sich mit allen gut verstanden. Ich habe ihn stets als sehr eigenverantwortlich wahrgenommen und sicher nicht als schlimmen Finger», sagt Thomas Epple lachend. Visions pflege eine offene und herzliche Kultur. Jeder werde mit seinen Fähigkeiten geschätzt. «Ich hatte nie das Gefühl, dass ich ein Praktikant bin. Ich war immer ein vollwertiges Mitglied im Team»,

Informatiker Justin Thiede wollte raus in den ersten Arbeitsmarkt. Bei Visions in Bischofszell ist er ein gefragter Fachmann. Bilder: Roger Nigg

sagt Justin Thiede. Neben der herzlichen Unternehmenskultur und dem unkomplizierten Team weise Visions auch eine grosse Vielfalt an Kunden und Projekten auf. «Ich glaube, das ist der Schlüssel zum Lernerfolg und zur Zufriedenheit», sagt Thomas Epple.

«Wer zeigt, dass er lernen will, erhält Möglichkeiten.»

Vom Praktikum zur Festanstellung Justin Thiede hat diesen Sommer seine Ausbildung abgeschlossen. Für seine individuelle praktische Arbeit (IPA) erhielt er eine 5,8 – das beste Ergebnis im Kanton Thurgau. Bei Visions kommunizieren

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visions.ch lhe. Die Fullservice-Webagentur visions.ch gmbh aus Bischofszell wurde 2011 gegründet mit dem Ziel, regional in der Ostschweiz und auch national als kompetenter Agenturpartner Leistungen von hoher Qualität aus einer Hand anzubieten. Neben Applikations- und Webentwicklung bietet Visions auch Lösungen im Bereich Online Marketing, Interactive Media Design, E-Commerce und vielem mehr. Zum jungen Team zählen auch mehrere Praktikanten. Thomas Epples Ziel ist, dem «brain drain» (zu Deutsch: Talentabwanderung) entgegenzuwirken, also sicherzustellen, dass das Know-how im Kanton Thurgau vorhanden bleibt.

Thomas Epple, Geschäftsführer von Visions in Bischofszell, arbeitet mit Brüggli zusammen.

die Mitarbeitenden hauptsächlich über den internen Firmenchat. Die Terminkoordination innerhalb der Firma war relativ mühsam. Wie konnte das verbessert werden? Ein Rätsel, das Justin Thiede im Rahmen seiner IPA lösen wollte. Die zehn IPA-Tage waren anstrengend und herausfordernd, aber es hat sich gelohnt: Justin Thiede entwickelte ein Kalendertool innerhalb des Firmenchats. Nun können Termine ganz einfach im Chat verwaltet und angezeigt werden. «Die IPA war definitiv ein Höhepunkt meiner Ausbildung», sagt er. Besonders schön sei auch der Moment gewesen, als ihm Thomas Epple eine Festanstellung nach dem Ausbildungsabschluss anbot. Im Bereich Backend-Programmierung wollte Visions eine Stelle aufbauen. «Justin hat darin enorm Fortschritte gemacht und bringt viel Know-how mit. Das hat einfach gut gepasst», sagt Thomas Epple.

Technologien informiert er sich, indem er Videos zum Thema schaut oder Artikel darüber liest. Auch praktisch versucht er sich stets zu verbessern. So hat er privat beispielsweise schon eine Handy-App programmiert. Am liebsten mag er grössere, komplexe Projekte, bei denen das logische Denken zum Zug kommt. «Bei Visions kommen die Lösungswege auch von den Praktikanten. Das ist toll. Wenn man zeigt, dass man lernen will, erhält man viele Möglichkeiten», sagt Justin Thiede. «Wenn ein Praktikant viel Eigenleistung und Engagement mitbringt, wollen wir das fördern. Dann dauert ein Projekt halt mal etwas länger», sagt Thomas Epple. Bei Visions wird Justin Thiede gefördert und gefordert. Hier habe er erst richtig gemerkt, was ihm die Informatik wirklich bedeutet: «Seit ich bei Visions bin, weiss ich: Das ist es, das liegt und gefällt mir. Ich kann das.»

Eigeninitiative schafft Möglichkeiten Das benötigte Know-how erarbeitet sich Justin Thiede zum Teil auch privat. «Wenn man als Informatiker weiterkommen will, muss man ein ganzheitliches Interesse mitbringen – auch ausserhalb der Arbeitszeiten», sagt er. Es sei in gewissem Masse auch seine Aufgabe, Neues zu entdecken und in den Betrieb einzubringen. Über neue

Larissa Herzog Kommunikationsspezialistin

«Ich war von Anfang an ein vollwertiges Team-Mitglied.»


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Wie läuft's im ersten Lehrjahr? Wie geht es jungen Berufsleuten, für die im Sommer bei Brüggli das Abenteuer Ausbildung begonnen hat?

Fausto Martinez Praktiker PrA Mechanik Metall mit Händen und passenden Werkzeugen in die gewünschte Form zu bringen, das gefällt mir. Präzision ist wichtig, um Werkstücke nach Plänen umzusetzen. Als Übung kopieren die Lernenden technische Zeichnungen, um daraus Übungsteile zu bearbeiten. Ein Blick von den Ausbildnern, und sie erkennen, die Kanten sind schräg. Den Kopf nicht hängenlassen und weitermachen.

Rajan Urfer Fotofachmann EFZ Vor der Lehre habe ich im Vorbereitungsjahr Fotostudio-Luft geschnuppert. Und die riecht identisch. Ich fühle mich sehr wohl. Neu ist die Berufsschule. Die Stimmung in der Klasse ist gut, und auch die Lehrer sind in Ordnung. Ich habe die erste Prüfung verhauen, leider. Ich biege das wieder hin. Bestimmt.

Deborah Scherrer Kauffrau EFZ B-Profil Mit der Lehre gehe ich zwei Schritte zurück und einen nach vorne: Zuvor arbeitete ich als Kleinkinderzieherin mit Leitungsaufgaben. Jetzt bin ich wieder Anfängerin. In der Schule läuft es gut; jedes Fach mag ich auf die eine oder andere Art und Weise.

Nadine Grisoli Kauffrau EFZ B-Profil Dass ich das Potenzial für eine KVLehre habe, hätte ich nicht gedacht. Tatsächlich liegt mir Mathe. Das Fach Wirtschaft ist eine Herausforderung; es werden Themen behandelt, von denen ich nie gehört habe. Nach einem Schultag ist der Kopf so voll, da hilft es, früh ins Bett zu gehen. Wer mit der KV-Lehre liebäugelt: Es braucht Sitzleder, denn man arbeitet den ganzen Tag an einem Pult.

Umfrage: Christian Schlatter Bilder: Roger Nigg

Damien Rutschmann Fotofachmann EFZ In der Schule ist alles im grünen Bereich: 5,3 und 5,6 in zwei Prüfungen. Kreativität ist wichtig in diesem Beruf, und doch sind einzelne Aufträge gelegentlich monoton: 20 PortraitFotos für neueintretende Mitarbeiter von Brüggli zu knipsen.

Tina Fingerle Praktikerin PrA Restaurant Von der Oberstufe direkt in die Lehre – ein Glücksfall. Schreinerin, Detailhandelsverkäuferin und Coiffeuse schnupperte ich. Restaurantfachfrau sprach mich eindeutig am meisten an. Die Aufgaben sind vielfältig. Ein Nachmittag pro Woche Schule reicht gerade.

Nicolas Rusnac Koch EFZ Mein Vater hat mich bereits als dreijähriger Knirps in sein Restaurant mitgenommen. Eine Leidenschaft, die er mir vererbte. Im Campus zu wohnen, bereitet mir keine Mühe; ich wohnte schon in einem Internat. Der Unterricht in der Berufsschule könnte effizienter sein.

Janis Hablützel Grafiker EFZ Vom Lernhalbtag des Vorbereitungsjahrs schnurstracks in die Berufsschule, Fach «Visuelle Methodik»: Es beschäftigt uns die Frage, wie Logos entwickelt werden – mein Ding. ABU und Kunstgeschichte finden morgens statt, wenn die Müdigkeit in den Knochen hockt. Um sechs Uhr aufstehen müsste nicht sein, um in die Berufsschule nach St. Gallen zu pendeln.

Silvan Bühler Kaufmann EFZ B-Profil Ich komme auch mit der Schule zurecht, denn während der obligatorischen Schulzeit wurde ich von zu Hause unterrichtet. In allen Fächern in der Berufsschule habe ich bis jetzt gute Noten geschrieben. Mein Lieblingsfach? Informatik und Kommunikation, klarer Fall. In der Freizeit schwimme ich gerne, das leidet im Moment – auch wegen Corona.


Usblick

Kochen zu Hause: Wie es besser gelingt Selber zubereiten anstatt Fertiggerichte und Mikrowelle? Warum nicht? Ein Gespräch mit Andreas Otte, Küchenchef im Usblick, übers Ausprobieren und den Reiz des Kochens. Was hat Sie dazu bewogen, Koch zu werden? Andreas Otte: Eigentlich wollte ich nicht Koch werden. Nichts für mich, dachte ich mir. Wie mein Vater beabsichtigte ich, zur Bundeswehr zu gehen oder Elektriker zu werden. An einem Samstagmorgen schnupperte ich als Koch, ein Vorschlag meines Vaters. Der Kollege und ich verstanden uns unmittelbar; die Vorliebe für Heavy Metal verband uns. Er war es dann, der mich vor dem Chef in höchsten Tönen lobte. Und so begann ich im Nachbardorf eine Lehre als Koch, eine glückliche Fügung. Es packte mich: Ich entwickelte eine Leidenschaft fürs Kochen und die Lebensmittel.

stehen, wird Sport betrieben. Fertigprodukte kommen da gelegen, sie sind praktisch und zeitsparend in der Zubereitung. Verloren geht die nötige Übung in der Küche. Man verlernt zu kochen. Der kleine Trend: Mit Corona hat die Bevölkerung die Gelegenheit erhalten, sich fürs Kochen Zeit zu nehmen und Lebensmittel wieder wertzuschätzen – die Popularität von regionalen Hofläden deutet darauf hin. Wer von zu Hause wegzieht, steht vor der Herausforderung, selbständig zu kochen. Welche Tipps geben Sie dem Jungspund auf den Weg, damit Kochen nicht zur Qual, sondern vielleicht gar zur Freude wird? Ausprobieren. Es wird am Anfang in die Hose gehen. Das soll einen nicht entmutigen. Kleine Kinder lernen laufen, indem sie abermals umfallen – und dann wieder aufstehen. Bis sich ein Gespür entwickelt für die richtige Temperatur, die Abläufe und Kombinationsmöglichkeiten von Zutaten, braucht es Zeit. Ein früherer Chef empfahl mir den «Pauli» – in der Küche ein Standardwerk in der Ausbildung für Köche; vielleicht für Laien zu umfassend. Und sonst bieten zahlreiche YouTube-Videos Hand.

«Ausprobieren. Es wird am Anfang in die Hose gehen. Nicht entmutigen lassen.»

Grossverteiler wie Migros und Coop berichteten, dass während des Lockdowns vermehrt hochpreisige Lebensmittel nachgefragt wurden. Die Schweizer Bevölkerung stand häufiger am Herd, so die Interpretation. Beobachten Sie in Ihrem Umfeld Vergleichbares: Nehmen sich die Leute mehr Zeit zum Kochen? Ich beobachte zwei unterschiedliche Trends. Der grosse Trend: Es werden andere Prioritäten gesetzt als früher: Statt in der Küche zu

Einfach kochen mit der Brüggli-Pasta

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g eitun r e b Zu • Topf mit Salzwasser aufkochen und die Fusili darin kochen • Zwiebelwürfel in separater Pfanne anziehen • Knoblauch dazugeben und mitdünsten • Tomatenwürfel hinzufügen • Ca. 5 Minuten köcheln lassen • Mozzarellawürfel sowie Pesto hinzufügen und mischen • Anrichten und mit Pesto dekorieren


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«Temperatur, Abläufe, Zutaten: Das richtige Gespür kommt mit der Zeit.»

Welche Anfängerfehler in der Küche sind unbedingt zu vermeiden? Pasta wird in sprudelnd heissem Wasser gekocht – und sie wird erst dann in den Topf gegeben, wenn das Wasser siedet. Nicht vorher. Bei Salzkartoffeln ist es gerade anders herum: Kartoffeln schälen, Pfanne mit Wasser füllen, Kartoffeln reinlegen und dann aufkochen. Die Kartoffeln sitzen also bereits im kalten Wasser. Und beim Braten ist der Ablauf wie folgt: Bratpfanne auf dem Herd erhitzen; ist die gewünschte Temperatur erreicht, ein wenig Öl und dann sogleich das Bratgut beifügen. Öl in der Pfanne allmählich zu erhitzen – übrigens ein Fehler, den ich auch bei professionellen Köchen beobachte –, fördert die Entwicklung von krebserregenden Stoffen. Es steht ein Treffen unter Freunden an: Es soll ein Abendessen für sechs Personen serviert werden. Wie überrascht der Hausherr seine Gäste, greift nicht zu tief ins Portemonnaie und muss am Abend selbst nicht ständig am Herd stehen? Ich stehe gerne hinter dem Herd, wenn ich Gäste bekoche – einzelne schauen in der Küche vorbei, und wir reden zwischen Dampf-

Casaretsche mi t Tofu in Tomate nsau g eitun r e b Zu

• Topf mit Salzwasser für Casaretsche aufstellen und am Siedepunkt halten • Olivenöl in eine Pfanne geben und den Tofu goldbraun darin anbraten • Zwiebelwürfel dazugeben • Mit Tomatensauce ablöschen • 3 Minuten köcheln lassen, währenddessen die Casaretsche in das kochende Wasser geben und gelegentlich rühren

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• Philadelphia-Käse in die Tomatensauce geben und aufkochen • Petersilie in die fertige Sauce geben • Casaretsche al dente kochen, abgiessen und einen Esslöffel Olivenöl unterheben • Casaretsche auf vier Teller verteilen und die Sauce darübergiessen

Zutate n für 4 Per sonen

450  m l  /  1 G las Br 200  g ügg li Tofuw Tomat ürfel 50  g äsosä (1  cm) Zwieb elwür 20  g fel (5 Oliven   mm) 150  g öl Philad 10  g elphia -Käse Peters ilie g 500  g ehack (1  Pac t k) Brü 1  Esslö g g li C ffel O asaret livenö sche l (für Pasta)


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kochtopf und Waschbecken. Um mehr bei den Gästen sein zu können, eignen sich Menüs, die sich gut vorbereiten lassen: kalte Platten mit Käse, Trauben und anderen frischen Früchten; Gemüseauflauf und Kartoffelgratin; oder Krustenbraten mit Kartoffeln und einem Nüsslisalat als Vorspeise. Welche Menüs eignen sich besonders gut, um sie am folgenden Tag als Mittagessen zu verspeisen? Alles, was durchgegart ist, eignet sich gut, um am nächsten Tag wieder aufgewärmt zu werden. Ratatouille fällt in diese Kategorie. Leicht gedünstetes Gemüse wieder aufzuwärmen ist ein No-Go. Es wird dann gräulich, das sieht unappetitlich aus; ausserdem vernichtet der Vorgang die Vitamine. Kartoffelstock, Reis und Gulasch eignen sich ebenfalls gut zum Aufwärmen. Mehr und mehr Menschen ernähren sich vegetarisch und die vegane Ernährungsweise ist im Trend. Welche vegetarischen Menüs überraschen auch Fleischliebhaber und sind in der Umsetzung leicht zu bewältigen? Das Geheimnis liegt in der guten Zubereitung von Gemüse. Und hier verrate ich den Trick: Verschiedene Schnitttechniken verwenden, einmal das Gemüse würfeln, dann längs und schräg schnei-

den – das macht es abwechslungsreich. Ein weiterer Vorteil: Klein geschnittenes Gemüse hat einen niedrigen Garpunkt, also kurzes Dünsten in der Pfanne reicht aus – und es bleibt knackig mit Biss. Konkret: Karotten würfeln, Pfanne erhitzen, Gemüse reinlegen und schwenken, würzen. Fertig. Es ist nicht nötig, Flüssigkeit beizufügen, weil das Gemüse Wasser lässt. Zucchini eignen sich hervorragend, um daraus Spaghetti zu schneiden, auch Zoodles genannt; ein einfaches und günstiges Küchenwerkzeug hilft dabei. Mit welchen Menüs macht man Sie glücklich? Die bürgerliche Küche, einfach und solide umgesetzt, schmeckt mir am besten. Inspiration dazu hole ich mir aus alten Kochbüchern, die ich sammle. Ein Fundus an Praktiken, die heute zusehends verloren gehen, weil Prozesse beschleunigt und optimiert werden. Gastgeber sind gelegentlich unsicher, was sie mir als Koch servieren sollen. Dabei ist es einfach: Käsespätzle mit gemischtem Salat, Wurstbrot mit einer guten Wurst vom Metzger oder Kartoffeln mit Sauerrahm.

Interview: Christian Schlatter Praktikant Unternehmenskommunikation

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ung t i e r Zube • 2 Töpfe mit Salzwasser zum Sieden bringen • In einem der zwei Töpfe die Kichererbsen weichkochen und anschliessend abgiessen • Einen Topf oder eine tiefe Pfanne erhitzen, die weichgekochten Kichererbsen im Olivenöl kurz anbraten • Zwiebelwürfel dazugeben, kurz mitbraten • Apfelwürfel hinzufügen • Mit Salz und Pfeffer würzen, alles vermengen • Mit Apfelsaft ablöschen und ca. 1 Minute kochen lassen • Rahm und Milch aufgiessen und 5 Minuten köcheln lassen, derweil die Hörnli in das kochende Wasser geben und gelegentlich rühren • Maizena mit Wasser anrühren und die Sauce damit unter ständigem Rühren abbinden, aufkochen und den Honig hinzufügen • Petersilie dazugeben • Pasta bis zum gewünschten Garpunkt kochen, abgiessen und mit dem Olivenöl vermengen • Pasta auf vier Teller gleichmässig verteilen und dasselbe tun mit der Sauce


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Gegen die Angst, für die Zukunft Anita Pintarelli, Michael Haller, und Lukas Kuster bilden zusammen den Corona-Krisenstab. Sie erzählen, wie sie die vergangenen Monate erlebt haben und wie die Corona-Krise auch positiv auf Brüggli wirkt. Wann war der Zeitpunkt, als ihr wusstet: Jetzt wird’s ernst? Michael Haller: Das war Mitte Februar. Wir kamen am Wochenende zusammen, um über Vorsichts- und Hygienemassnahmen zu befinden und alle nötigen Infowege sicherzustellen. In diesem Moment wurde uns bewusst: Jetzt ist’s ernst; das ist keine Übung. Anita Pintarelli: Wir haben es kommen sehen und sassen mit Abstand bei Lukas vor dem Fernseher, als der Bundesrat die ersten Massnahmen bekanntgab. Ihr wart also gut auf die Krise vorbereitet? Lukas Kuster: Am Anfang ging es vor allem ums Hände waschen und desinfizieren. Da gab es noch keine weiteren Beschlüsse vom Bundesamt für Gesundheit. Diese Massnahmen waren bei uns sowieso schon ein Thema. Trotzdem haben wir direkt reagiert, die Regeln thematisiert und ein Logbuch erstellt, in dem wir sämtliche ergriffenen Massnahmen festhalten. Ausserdem hat Brüggli ein Pandemie- und Epidemie-Konzept, auf das wir uns von Anfang an stützen konnten. Anita: Wir waren schon gut vorbereitet. Wir hatten die Bilder aus Italien und China im Kopf und es gab unterschiedliche Informationen, aber zugleich wussten wir auch, dass wir eigentlich nichts wissen. Michael: Als wir das erste Mal zusammenkamen, war klar: Jetzt geht es ums Fortbestehen und das Wohlergehen aller. Wir waren darauf eingestellt, dass da etwas Grösseres auf uns zukommen würde.

Mass betroffen fühlen müssen. Meine Aufgabe ist, den Fokus auf alle Mitarbeitenden zu legen: einerseits auf diejenigen, die Sorgen und Ängste haben, und andererseits auf jene, denen man mit den Massnahmen etwas wegnimmt. Es war von Anfang an zentral, einen angemessenen Mittelweg zu finden. Michael: Meine Aufgabe ist es, für Orientierung zu sorgen, indem wir einheitliche und klare Infos bereitstellen und alle bei Brüggli angemessen involvieren. Es geht auch darum, dass wir als Krisenstab eine Haltung vertreten, die Sicherheit vermittelt: Wir lassen nichts unversucht. Lasst uns gemeinsam kämpfen und alles tun, was wir tun können, um gut durch den Sturm zu kommen. Lukas: Meine Rolle ist die des Sicherheitsbeauftragten. Ich muss die Informationen vom Bundesamt für Gesundheit, vom Kanton und der Branche bündeln und schauen, dass alle auf dem gleichen Stand sind. Dann geht es auch um die Umsetzung der Massnahmen, also, dass beispielsweise Reinigung und Desinfektion gewährleistet sind.

«Wir haben viele Mitarbeitende mit mehreren Risikofaktoren.»

Was sind eure Aufgaben im Krisenstab? Anita: Wir haben viele Mitarbeitende, die gleich mehrere Risikofaktoren aufweisen und damit zur gefährdeten Gruppe gehören. Wir haben aber auch viele junge Leute, die sich nicht im selben

Was waren bisher die grössten Herausforderungen im Zusammenhang mit eurer Arbeit im Krisenstab? Anita: Man darf einfach nichts verpassen und muss massvoll reagieren. Das ist bis heute die grösste Herausforderung. Dann gab es am Anfang auch viele Stimmen, die gesagt haben: Ich darf die Familie nicht sehen, muss aber arbeiten kommen. Macht zu, schliesst den Betrieb. Da dagegenzuhalten und einen Weg zu finden, das Unternehmen zu einen, war herausfordernd. Michael: Bei Brüggli wirken viele Kräfte. Die Balance zu wahren und für Einklang zu sorgen, sehe ich auch heute noch als grosse Her-

Dieses Trio muss besonders oft über Corona sprechen. Bilder: Roger Nigg


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ausforderung. Schwierig fand ich auch, eine gute Dosis zu finden, als es darum ging, die Regeln und Massnahmen zu thematisieren. Lukas: Als der Lockdown kam, hatten wir Schwierigkeiten mit der Materialbeschaffung. Plötzlich wurden wir nicht mehr beliefert, weil Spitäler Vorrang hatten. Zum Glück hatten wir einen guten Grundstock und ein funktionierendes Netzwerk. Wir haben Seife, Desinfektionsmittel und Einwegtücher dosiert abgegeben, um dem Hamstern entgegenzuwirken. Das war ein logistischer Aufwand. Wir haben aber von allem immer genug.

Schön sind auch die Rückmeldungen der Mitarbeitenden. Viele sind froh, dass sie arbeiten können. Michael: Es wurden Anpassungen möglich, über die in normalen Zeiten viel länger diskutiert worden wäre: zum Beispiel gestaffelte Mittags- und Pausenzeiten, Zuhause-Arbeiten, fokussiertere Sitzungen. Besonders freut mich, dass auch Brügglis Partner merken, dass wir es uns nicht leicht machen. Sie spüren, dass Brüggli über viel Handlungs- und Improvisationsvermögen verfügt. Anita: Wir haben viele positive Erfahrungen gemacht und wieder einmal gesehen, dass wir gut zusammenarbeiten können und alle am gleichen Strang ziehen. Die ganze Situation war sehr polarisierend. Das hätte ausarten können. Ich bin froh, dass das nicht passiert ist. Positiv war auch, dass die IV sehr unbürokratisch war. Auch wenn jemand aus Risikogründen zu Hause war, wurde die Massnahme weitergeführt.

«Wir haben einen Betreuungsauftrag, den wir jederzeit wahrnehmen.»

Was hat euch in diesen Situationen Halt gegeben? Lukas: Ich war froh, dass ich nicht alleine war und dass wir trotz allen Einflüssen die Aufgaben zu Dritt gut stemmen konnten. Schön fand ich, dass wir nach Jahren endlich mal wieder Kaffeepausen zusammen verbringen konnten – im Freien mit zwei Metern Abstand – und dass wir gut miteinander auskommen. Ich glaube, wir haben in den vergangenen Monaten mehr Zeit im Krisenstab verbracht als mit der eigenen Familie. Da ist es wichtig, dass man sich versteht. Anita: Ja, wir konnten uns zu jeder Zeit aufeinander verlassen und über alles diskutieren. Michael: Mir gab und gibt es ein gutes Gefühl, dass wir uns gut ergänzen und in dieselbe Richtung blicken.

Warum war eine Betriebsschliessung eigentlich nie Thema? Das wäre doch einfacher gewesen. Lukas: Gerade in einer so schwierigen Zeit müssen wir für die Leute da sein und ihnen das bieten, was ihnen zusteht. Wir haben einen klaren Betreuungsauftrag, den wir jederzeit wahrnehmen. Anita: Eine solche Situation, wie wir sie momentan erleben, macht vielen Menschen Angst. Bei Menschen, die bereits damit kämpfen, können sich die Ängste noch verstärken. Da kann Arbeit helfen – ein Stück Normalität, das es möglichst zu bewahren gilt. Wir wollen und müssen dabei eine Stütze sein. Und doch mussten wir einige Leute für eine Weile nach Hause schicken.

Und was hat euch frustriert? Lukas: Es hat mich geärgert, dass wir immer wieder auf die Massnahmen aufmerksam machen mussten – auch jetzt noch. Wir haben viel geleistet und stets unser Bestes gegeben. Michael: Mühsam kann es sein, wenn Einzelne nicht mitziehen und mit dieser Haltung ihr Umfeld negativ beeinflussen. Das tut mir leid für alle, die sich vorbildlich verhalten. Anita: Mich haben vor allem gesellschaftliche Aspekte frustriert: zum Beispiel diese Distanz, die aus der Krise resultiert. Die Leute gehen sich aus dem Weg. Das freundliche Grüezi leidet darunter. In Bezug auf Brüggli finde ich es vor allem schade, dass wir so viele Veranstaltungen wie das Fachseminar oder interne Schulungen absagen mussten, die uns normalerweise stärken.

«Wenn alle zusammenhalten, ist vieles möglich.»

Gab es bei all diesen Herausforderungen und Sorgen auch schöne Momente? Lukas: Es freut mich, dass unsere Massnahmen gefruchtet haben.

Wie schätzt ihr generell den Umgang unserer Gesellschaft mit der CoronaKrise ein? Anita: Das Thema Corona lenkt seit Februar unser Denken und Handeln. Zwangsläufig veränderte das unseren Umgang miteinander. Jede Person reagiert aus unterschiedlicher Betroffenheit und eben sehr individuell. Die unterschiedlichen oder gar gegensätzlichen Einschätzungen zur Gefährlichkeit des Virus, zu nötigen oder unnötigen Massnahmen, zum Thema Impfung führt zu Differenzen in Familien, unter Freunden und unter Arbeitskollegen. Dies belastet unser Miteinander und macht mir


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persönlich Sorgen. Ich plädiere für einen offenen und respektvollen Dialog, für einen gegenseitig achtsamen Umgang. Lukas: Ich erlebe viele Widersprüche und wünsche mir mehr Toleranz und mehr Miteinander. Die einen beharren auf der klaren Einhaltung der BAG-Vorgaben, die anderen fühlen sich umso mehr in ihrer Freiheit beschnitten. Ich erlebe zum Beispiel Kinder, die durch die Schulen und andere öffentliche Instanzen so getrimmt sind, dass falsch gelebte Selbstmassnahmen entstehen. Es darf nicht sein, dass ein Kind nicht mehr mit dem Zug oder Bus fahren will, weil da drin angeblich alle krank sind und darum eine Maske tragen müssen. Und es stimmt mich nachdenklich, wenn sich Kinder nicht mehr getrauen, auf den Spielplatz zu gehen, weil dort das Virus lauert. Es ist Vernunft nötig, eine gesunde Skepsis, aber auch die Bereitschaft zum Miteinander. Wir haben es mit viel Unsicherheit zu tun. Und die kommt daher: Was wir über Covid-19 wissen, ist, dass wir grundsätzlich gar nichts darüber wissen. Hier müssen wir ansetzen: Es geht uns allen gleich. Michael: Ich frage mich, was gefährlicher ist und mehr Langzeitschäden anrichtet: das Virus selbst oder die Art und Weise, wie unsere Gesellschaft damit umgeht. Mir fehlen die Einigkeit und Klarheit; der Bund hätte die Verantwortung nicht so rasch an die Kantone weiter reichen sollen. Es sind viele Widersprüche, die zu einem Grundrauschen aus Angst und Verunsicherung beitragen. Das schlägt aufs Gemüt und macht etwas mit uns, das wir noch nicht ganz fassen können. Verstehen werden wir’s erst in der Rückschau. Zu beleuchten gilt es dann besonders auch die Rolle der Massenmedien; sie haben viel Öl ins Feuer gegossen.

Die Krise wurde von viel Negativem begleitet. Hat sie auf Brüggli auch positiv gewirkt? Anita: Wir haben gelernt: Man muss Ruhe bewahren und darf nicht hektisch reagieren. Und wir haben gesehen, dass wir in uns alle vertrauen müssen und dürfen – nicht nur im Krisenstab oder in der Geschäftsleitung. Alle haben ihren Teil geleistet und werden ihn weiterhin leisten müssen. Michael: Mir hat es gezeigt, wie wichtig es ist, engagierte Leute im Betrieb zu haben, und dass vieles möglich ist, wenn alle zusammenhalten. Lukas: Genau dieses Zusammenspiel wurde uns mit der Krise wieder einmal vor Augen geführt. Das hat uns gestärkt für das, was noch kommt. Wir haben auch gesehen, was wir an Wissens- und Handlungskompetenz im Haus haben. Es sind so viele gute Ideen zu uns getragen worden – schauen wir uns nur mal das Food-Truck-Angebot an, das die Gastronomie Usblick im Eiltempo aus dem Boden gestampft hat. Das ist auch eine Chance für die Zukunft. Vielen Dank für eure Arbeit. Weiterhin viel Erfolg und Durchhaltewillen – uns allen.

Interview: Larissa Herzog Kommunikationsspezialistin

«Wir haben gelernt: Man muss Ruhe bewahren und darf nicht hektisch reagieren.»

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Wollen unaufgeregt und besonnen agieren: Michael Haller, Leiter Kommunikation & Kultur, Lukas Kuster, Sicherheitsbeauftragter, Anita Pintarelli, Leiterin Agogik


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«Dranbleiben und wachsam sein» Wie behauptet sich Brüggli in der Corona-Krise? Ein Gespräch mit Geschäftsführer Rainer Mirsch über Improvisationsvermögen und das Streben nach individuellen Lösungen. Rainer, wie erlebst Du die Corona-Krise? Rainer Mirsch: Brüggli hat beweisen können, wofür Brüggli steht: Ausdauer, Improvisationsvermögen, Erfindergeist. Die Qualitäten einer Organisation zeigen sich ja genau in Krisenzeiten, wenn wir uns ausserhalb der Komfortzone vorantasten müssen. Da offenbart sich auch, wie es um unser Menschenbild und unseren Anspruch als Sozialunternehmen steht: Stecken wir den Kopf in den Sand oder versuchen wir genau jetzt, besonders gut für unsere Klienten, Partner und Kunden da zu sein?

nen Informationsplattformen. Uns lag daran, möglichst individuell mit der Situation umzugehen. Zugleich galt es, allen unseren Verpflichtungen nachzukommen; das gilt für die agogische Arbeit genauso wie für die wirtschaftlichen Leistungen in Druckerei, Restaurant und Industrie. War eine Betriebsschliessung je ein Thema? Sollten drastische Umstände, also eine Verschärfung der Situation, eine solche Massnahme erfordern, dann müssten wir diese Kröte schlucken. Die Gesundheit und Sicherheit gehen vor, immer, jederzeit. Aber einfach präventiv schliessen: Nein, das war nie ein Thema und wird nie eines sein. Eben, weil wir ja gerade jetzt, in schwierigen Zeiten, für unsere Leute da sein müssen. Wenn ich nur daran denke, wie vielen zuhause die Decke auf den Kopf fallen würde … Und wenn ich mir vor Augen halte, dass unsere Kunden und Partner bei aller Loyalität auch nicht ewig auf uns warten können … Nein, eine Betriebsschliessung wäre gar nicht gut, in keiner Hinsicht. Darum war das nie ein Thema. Bis jetzt hat es sich sehr gelohnt, dass wir gekämpft haben. Mir scheint, das fällt auch vielen unserer Partner und Kunden positiv auf. Sie merken, dass es uns ernst ist: Die Ausbildung und Begleitung von Menschen mit körperlichen und psychischen Schwierigkeiten ist kein Schönwetterauftrag, den man zwischen 8 und 17 Uhr erledigt, sondern ein Kernauftrag, der auch in Krisenzeiten geleistet werden will – denn dann braucht man uns am meisten.

«Uns lag daran, möglichst individuell mit der CoronaSituation umzugehen.»

Und? Wir haben viel unternommen, um für unsere Klienten da zu sein – von flexiblen Arbeitsmodellen über die gestaffelten Pausenund Essenszeiten bis hin zum Sorgentelefon und verschiede-

Wo sind die Grenzen, wo die besonderen Herausforderungen? Es liegt nicht alles in unseren Händen. Wir müssen die Situation laufend neu beurteilen. Das eine sind die betriebswirtschaftlichen Effekte; das andere ist, dass Corona auch etwas mit uns selbst macht: Es drückt aufs Gemüt, macht traurig, matt. Und da müssen wir uns immer wieder zusammenraffen – eben durchhalten, dranbleiben, um für unsere Klienten und Partner da zu sein. Das stellt weitere Ansprüche an die agogische Arbeit: Unsere Fachleute leisten eine grosse Arbeit. Ebenso der Krisenstab: Das Trio hat frühzeitig die Weichen gestellt, bereits im Februar, und mit viel Effort für grösstmögliche Orientierung und Sicherheit gesorgt. Erfreulich ist auch, wie Lernende und Mitarbeitende mit Rente gewissenhaft mit der ausserordentlichen Situation umgehen. Es ist nicht nur Unsicherheit zu spüren, was völlig verständlich ist, sondern auch Entschlossenheit und Gemeinschaftssinn – gemeinsam stehen wir das durch.

Rainer Mirsch, Geschäftsleiter von Brüggli, fotografiert in der Montage-Abteilung.


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«Es ist nicht nur Unsicherheit zu spüren, sondern auch Entschlossenheit und Gemeinschaftssinn.» Wie steht es um die Auftragslage? Im Drucksaal traf es uns hart; das Jahr begann so gut, mit vollen Auftragsbüchern und Schichtbetrieb, und dann kamen drastische Auftragsrückgänge. Wenn die Reisebranche am Boden ist, dann braucht halt niemand mehr einen Katalog mit Ferienangeboten. Gut, dass es aufwärts geht, wenngleich die Schwankungen immer noch stark sind. Erfreulich ist die Situation im Industriebereich: Unsere Hundeboxen sind sehr gefragt; wir haben viel Arbeit. Auch im Restaurantbereich läuft es gut. Allerdings mussten wir dort auf die Bremse treten; viele grössere Anlässe sind verschoben, zum Beispiel Weihnachtsfeiern und Geschäftstagungen. Die Sicherheit geht vor. Der Fokus lag während Monaten auf der Verpflegung unserer Mitarbeitenden; für Gäste von auswärts war das Restaurant geschlossen. Seit ein paar Wochen können wir eine sanfte Öffnung für Gäste von auswärts zulassen.

Die Massstäbe werden immer unklarer, von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Man weiss zuweilen nicht, was gilt und was nicht. Wir orientieren uns strikt an den Vorgaben von Bund und Kanton. Es ist wichtig, dass in allen Bereichen laufend thematisiert wird, was gilt. Das kann nicht allein von oben verordnet werden, sondern muss an der Basis stattfinden. Wir setzen alles daran, dass unsere Fachkräfte wie unsere Klienten wissen, was Sache ist. Es fängt an mit dem Einhalten der Abstands- und Hygieneregeln und geht weiter mit dem persönlichen Verantwortungsbewusstsein auf dem Arbeitsweg und in der Freizeit. Das erforderte einen grossen Initialaufwand, und es erfordert nun Ausdauer und Beharrlichkeit, eben ein Dranbleiben. Jetzt fahrlässig zu werden, das wäre gar nicht gut. Es täte weh, wenn jetzt alles entgleiten würde, nachdem wir so lange einigermassen gut über die Runden kommen konnten.

«Gerade jetzt, in schwierigen Zeiten, gilt es, für die Leute da zu sein.»

Wie ist die Nachfrage im Agogischen? Sie ist gut, intakt. Mir scheint, viele unserer Integrationspartner wissen es zu schätzen, dass wir konsequent da sind. Sie merken, dass wir es ernst meinen. Sie vertrauen uns – und wir vertrauen ihnen. Wie schätzt Du den Stellenwert der Arbeit für unsere Klienten während der Corona-Krise ein? Ich erlebe, dass viele sehr froh sind, dass sie Arbeit haben und gebraucht werden, generell, nicht nur jetzt. Ich habe aber auch erlebt, dass sich Leute sorgen, jetzt zur Arbeit zu gehen. Das ist verständlich und erfordert individuelle Lösungen.

Deine Prognose? Corona wird uns noch eine Weile begleiten und herausfordern. Wir müssen wachsam bleiben, dringend. Und wir müssen damit rechnen, dass auch künftig viel Flexibilität und Improvisationsvermögen gefragt sein werden. Wie gesagt: Es liegt nicht alles in unseren Händen. Aber es liegt an uns, alles zu tun, was getan werden kann, damit wir der Situation möglichst gerecht werden können.

«Die Qualitäten einer Organisation zeigen sich genau in Krisenzeiten.»

Alles ein Wunschkonzert? Natürlich nicht. Aber wir versuchen, dem Einzelnen gerecht zu werden; das ist unser Auftrag. Oft kommt es vor, dass man die Leute auch dazu anweisen muss, nicht zur Arbeit zu kommen – zum Beispiel, weil sie Grippesymptome haben. Die betroffene Person selbst erachtet das vielleicht als nicht weiter schlimm, aber da geht es ums Kollektiv. Das erachte ich als grosse Herausforderung: die Einzelinteressen so zu wahren, dass sie sich mit den Gesamtinteressen von Brüggli vertragen. Die Sicherheit und das Wohlergehen der Organisation dürfen bei allem Streben nach Individualität nicht gefährdet werden.

Das Beste hoffen, mit dem Schlimmsten rechnen? Optimismus ist sicher richtig; das passt zu Brüggli. Aber Naivität wäre fehl am Platz. Wir sind uns bewusst, dass es noch nicht ausgestanden ist.

Interview: Larissa Herzog Kommunikationsspezialistin

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Fokus

Stimmen zu Corona Die Corona-Krise hat das ganze Land in Aufregung versetzt. Wie haben Brügglis Mitarbeitende die vergangenen Monate erlebt?

«Habe meine Mutter unterstützt» Marcel Bucher, Mitarbeiter Co-Packing Ich war drei Monate zu Hause, langweilig geworden ist mir aber nie. Ich hatte sehr viel zu tun, weil meine Mutter genau in dieser Zeit eine Operation am Knie hatte. Da habe ich sie unterstützt. Ich bin zum Beispiel für sie einkaufen gegangen. Das war am Anfang etwas schwierig, weil ich mich erst organisieren musste: Wo finde ich was? Bekomme ich das im Coop oder in der Migros? Meine Mutter war sehr froh und dankbar, dass ich zu Hause war. Sie hat mich mein ganzes Leben unterstützt, jetzt konnte ich ihr helfen. Da habe ich richtig Lebenserfahrung gesammelt und

bin über mich hinausgewachsen. Schön fand ich auch den telefonischen Kontakt mit Brüggli. Zwei Mal in der Woche wurde ich angerufen. Das war wertvoll. Für mich war es deshalb gar nicht so schlimm, so lange zu Hause zu sein. Jetzt wieder hier zu sein, ist allerdings etwas speziell. Alles hat sich ein wenig verändert und ich muss mich zuerst wieder einfinden. Auch draussen ist es wieder anders. Die Leute sind nicht mehr so diszipliniert wie am Anfang. Wenn ich die Leute bitte, den Abstand einzuhalten, reagieren sie manchmal sogar richtig genervt. Das finde ich schade.

«Noch nie so viel telefoniert» Jörg Kuster, Bereichsleiter Agogik KV Bei Brüggli arbeiten viele Menschen, die zur Risikogruppe gehören und deshalb lange zu Hause bleiben mussten. Damit wir sie weiterhin betreuen konnten, haben wir ein Sorgentelefon eingerichtet. Da ich selbst zur Risikogruppe gehöre, habe ich die Leute von zu Hause aus angerufen. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie so viel telefoniert wie in dieser Zeit. Den telefonischen Kontakt mit den Mitarbeitenden fand ich sehr schön. Der Austausch hat Vertrauen geschafft und ich konnte zum Einzelnen mehr Nähe aufbauen – trotz der physischen Distanz. Am Sorgentelefon konnte ich mir viel Zeit nehmen für die Leute, zu Hause standen ja kaum Sitzung an, wegen denen man das Telefonat hätte abbrechen müssen. Auch mit den IV-Beratern hatte ich auf diese Weise Kontakt. Und auch hier fand ich den Austausch sehr bereichernd. Ich war natürlich schon besorgt, wie es dem Unternehmen geht. Man hat so viel Herzblut reingesteckt. Das hat mich beschäftigt. Aber ich hatte ja eine schöne Aufgabe und konstant Arbeit. Ich habe mich zu Hause auch schnell eingerichtet und neue Dinge kennengelernt wie Videokonferenzen. Trotzdem hat es sich gezeigt, wie wertvoll es ist, vor Ort zu sein.

«Die Leute von einer ganz anderen Seite kennengelernt» Urs Mauchle, Teamleiter Montage Bei uns gehören fast 50 Prozent der Mitarbeitenden zur Risikogruppe. Auch ich musste zu Hause bleiben. Von da aus habe ich den Kontakt mit den Mitarbeitenden gesucht. Ich habe die Leute am Telefon von einer ganz anderen Seite kennengelernt, habe von Familiengeschichten gehört und sie bei Problemen unterstützt. Zuerst fühlte es sich für viele an wie Fe-

rien, aber irgendwann wollten die Leute wieder mehr machen. Da habe ich versucht, ihnen Tipps zu geben, wie sie ihre Zeit verbringen können. Ich selbst habe die Zeit dazu genutzt, meine Umgebung auf eine neue Art kennenzulernen und ich habe sogar mit Yoga angefangen. Ich war aber froh, als ich wieder vor Ort arbeiten konnte. Wir hatten auch ordentlich zu tun. Pro Woche sollten wir hunderte Hun-

deboxen herstellen – so viele Bestellungen gab es. Die Leute sind im Lockdown wohl auf den Hund gekommen. Wir haben Glück, in dieser Nische tätig zu sein. Aber es war auch eine Herausforderung, weil viele Mitarbeitende sich erst wieder einfinden mussten. Da haben auch wir Leitenden mitangepackt. Wir wollten mit den Leuten am gleichen Strang ziehen.


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«Habe die Restaurantgäste vermisst» Michaela Kaderli, Mitarbeiterin Gastronomie Usblick Auf einen Schlag ist es sehr ruhig geworden. Vorher hatten wir so viel zu tun, es war immer etwas los. Ich hätte es gerne wieder so. Wenigstens dürfen jetzt auch wieder externe Gäste für Anlässe und Feiern vorbeikommen. Ich habe es sehr vermisst, mit ihnen zu sprechen. Es ist einfach ein anderes Feeling, wenn sie da sind. Trotzdem ist es noch immer nicht, wie es mal war. Ich bin halt eine, die es mag, wenn es richtig läuft und es viel zu tun gibt – egal was. Hauptsache, ich kann hier arbeiten. Deshalb wäre der grösste Schock für mich, wenn Brüggli ganz zumachen müsste. Ich bin froh, wenn die ganze Sache vorbei und alles so wie vor Corona ist. Dann können hoffentlich auch meine Grosseltern mal wieder in den Usblick kommen. Das machen sie nämlich so gerne.

Umfrage: Larissa Herzog Bilder: Roger Nigg

«In die Ausbildung investiert» Stefan Blättler, Bereichsleiter Druck Für die Druckerei war es echt schwierig. Wir spürten relativ schnell einen Arbeitseinbruch. Viele Kunden haben sofort ihre Aufträge gestoppt. Darauf folgte die Kurzarbeit. Das war für uns ein riesiger organisatorischer Aufwand, weil manchmal fast mehr Arbeit vorhanden war als mit Kurzarbeit umsetzbar ist. In der Druckerei müssen die Aufträge halt raus, wenn sie da sind. Das kann man nicht aufschieben. Dann gab es aber auch Momente, in denen wir weniger zu tun hatten. Diese Zeit ha-

ben wir genutzt, um intensiv in die Ausbildung unserer Lernenden zu investieren. Selbständig drucken ging vor Corona noch nicht so gut, jetzt ist es für sie kein Problem mehr. Dazu hat auch die Abstandregel beigetragen. An der Druckmaschine kann man den Abstand nur schwer einhalten. Da haben wir Dinge halt theoretisch aus der Distanz erklärt und die Lernenden mussten es dann an der Maschine selbst umsetzen. So haben alle unsere Lernenden einen grossen Schritt nach vorne gemacht.

«Trotz allem immer zur Arbeit erschienen»

«Ich brauche die Tagesstruktur» Vanessa Bänziger, Mitarbeiterin Gastronomie Usblick Weil ich zur Risikogruppe gehöre, war ich einen Monat zu Hause. Da habe ich mich echt gefragt, wie ich das mit dem Einkaufen machen soll. Deshalb war ich viel bei meinen Eltern. Das war zum Teil sehr anstrengend, weshalb ich dann irgendwann doch wieder zu mir nach Hause gegangen bin. Ich hatte etwas Schiss, im Coop einkaufen zu gehen, aber es ging dann ganz gut. Als ich zurück in den Usblick kam, hatten wir nur sehr wenig zu tun. Einzig

die Stornierungen von Feiern und Tagungen brachten einen echten Organisationsaufwand mit sich. Wir mussten aufpassen, dass alles stimmt und wir kein Durcheinander machten. Ich war echt froh, als ich wieder arbeiten durfte. Ich brauche die Tagesstruktur. Seit wir externe Gäste wieder über Mittag begrüssen dürfen, läuft auch wieder mehr. Sie melden sich jeweils vorab an und ich hole sie dann am Empfang ab und bringe sie zu ihrem Tisch. Jetzt bin ich wieder glücklich und hoffe, dass diese ganze Situation bald vorbei ist.

Benjamin Dolatowski, Mitarbeiter Textil Mich hat es irgendwann angefangen zu nerven, dass nur noch von Corona geredet wird. Schlimm finde ich vor allem die vielen Falschmeldungen, die überall verbreitet werden. Auch mit den Massnahmen habe ich etwas Mühe – das waren einfach so viele aufs Mal. Gerade die Maskenpflicht ist für mich als Brillenträger mühsam und manchmal fällt es mir schwer, mit der Maske zu atmen. Aber trotz allem bin ich immer zur Arbeit erschienen. Das war am Anfang sehr streng: Es gab so viel zu tun und viele Mitarbeiter waren nicht da, weil sie zur Risikogruppe gehören. Da musste ich ein paar Mal zwischen den Arbeiten hin und her wechseln, damit alles rechtzeitig fertig wird. Jetzt ist es wieder besser.


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tr ie In Brügglis Logistik hat Fabian Flachmüller die Chance, so richtig zu zeigen, was er kann. Bild: Roger Nigg

«Jetzt zeige ich, was ich kann»


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Fabian Flachmüller wollte Informatiker werden – koste es, was es wolle. Doch die IV legte ihm die Ausbildung zum Logistiker EBA nahe. Von der anfänglichen Enttäuschung über diesen Entscheid ist heute nichts mehr übrig. Sieben Mal machte Fabian Flachmüller eine Informatikschnupperlehre. Selbst als die IV sich gegen eine Informatik-Ausbildung stellte, wollte er nicht aufgeben und schnupperte weiter. 2017 kam er zu Brüggli und hoffte, hier seine Wunsch-Lehre starten zu können. «Als sie auch hier Nein sagten, war ich total enttäuscht», sagt Fabian Flachmüller. Seit der Primarschule interessierte ihn die Informatik und seit der zweiten Oberstufe wollte er eine Lehre in diesem Gebiet machen. Auch seine Familie sah dort seine Zukunft. Als ihm eine Ausbildung in der Logistik vorgeschlagen wurde, waren alle enttäuscht. «Ein Lagermitarbeiter … das ist doch nichts», war das Fazit der Familie. Heute sehen sie das anders und Fabian Flachmüller sagt, dass er und seine Familie damals ein falsches Bild vom Logistikberuf hatten.

Klare Strukturen helfen Die Logistik-Ausbildung zu machen, war eine gute Entscheidung. Fabian Flachmüller hat, was den meisten Leuten als Asperger-Syndrom bekannt ist. Heute spricht man von einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Er hat Mühe mit unerwarteten Situationen und unstrukturierten Arbeitsabläufen. Ein Informatiker ist häufig mit offenen, unerwarteten Problemen konfrontiert, auf die er eine Lösung finden muss. In der Logistik dagegen herrschen klare Strukturen, Abläufe und Prozesse vor. Das hilft ihm. «Das war einer der Gründe, warum wir ihm den Logistik-Beruf empfohlen haben», sagt Rosmarie Anderes, Leiterin Fachstelle Berufliche Massnahmen bei Brüggli.

Was zählt, ist eine Erstausbildung «Ich hatte nur von der Informatik Gutes gehört und deshalb einen richtigen Tunnelblick», sagt er. Während des Vorbereitungsjahres bei Brüggli gelang es ihm, an sich zu arbeiten und sich mit der Logistik-Ausbildung anzufreunden. Nach dieser Zeit war allerdings nicht ganz klar, ob er eine EBA- oder EFZ-Lehre absolvieren sollte. «Für mich kam nur eine EFZ-Ausbildung in Frage», sagt Fabian Flachmüller. Da war er wieder, der Tunnelblick. Da er häufig unter Energiemangel litt, entschied sich die IV schliesslich für die Ausbildung auf EBA-Niveau und Fabian Flachmüller war erneut enttäuscht. Sein damaliger Teamleiter Christian Koch ermutigte ihn. «Ich sehe viel Potenzial in Ihnen», habe er damals gesagt. «Ich merkte, dass es eigentlich vor allem wichtig war, mal eine Erstausbildung zu machen – egal auf welchem Niveau. Denn ohne kannst du auf dem Markt nicht bestehen», sagt Fabian Flachmüller.

Gute Noten trotz Energiemangel Die Logistik gefällt Fabian Flachmüller aber nicht nur, weil sie strukturiert ist. Schnell merkte er, dass ein Logistiker weit mehr macht, als nur Lager ein- und auszuräumen. Die Arbeit ist vielseitig und macht ihm Spass. Aber der Energiemangel und die Schlafprobleme erschwerten im ersten Ausbildungsjahr vieles. Er hatte Mühe, am Unterricht teilzuhaben. Immer wieder schlief er ein – und trotzdem schloss er das erste Semester mit der Note 5 ab. Er schien die Informationen im Schlaf über das Gehör aufzunehmen. Selbst die Staplerprüfung schaffte er im ersten Anlauf, durfte diesen jedoch wegen der Gefahr, während des Fahrens einzuschlafen, bald nicht mehr nutzen. «Ein Logistiker ohne Stapler ist wie ein Fotograf ohne Kamera. Das geht einfach nicht. So jemand wird nicht eingestellt», sagt Fabian Flachmüller.

«Es ist wichtig, eine Erstausbildung zu machen – egal auf welchem Niveau.»

Die Arbeit in der Logistik ist vielseitig und macht ihm Spass.

«Es ist nicht fertig, nur, weil man ein Problem hat. Man muss weitermachen.»

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Indus Brüggli

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Fabian Flachmüller blickt voraus. Er hat seine Chance gepackt. Der Sturz in den Neubeginn Heute muss er sich darüber keine Sorgen mehr machen – er darf sogar mit dem Lieferwagen fahren. Und auch mit dem Energiemangel hat er nicht mehr zu kämpfen. Zu verdanken hat er das einem Sturz im vergangenen Jahr. Es war ein Morgen wie jeder andere gewesen, aber auf einmal kippte Fabian Flachmüller nach vorne und schlug mit dem Gesicht auf die Tischkante – und blieb bewusstlos auf dem Boden liegen. Als er wieder zu sich kam, war er wie ausgetauscht. Er sprühte vor Energie und ging jeden Tag voller Tatendrang zur Arbeit. Er fühlte sich gut und konnte nicht verstehen, warum ihn seine Kollegen und Teamleiter immer so besorgt ansahen. «Sie sagten mir, ich sehe nicht gut aus. Ich solle zum Arzt gehen», sagt Fabian Flachmüller. Es stellte sich heraus, dass er die Nase gebrochen hatte. Dass dies der Anfang eines Neubeginns war, ahnte niemand. «Sie atmen ja gar nicht richtig» Fabian Flachmüller merkte, dass sich etwas verändert hatte. Er war konstant auf Adrenalin und lernte pausenlos durch. Pro Tag schlief er höchstens eine Stunde. Er war in eine Manie gerutscht und wollte nur noch arbeiten. Doch dann kam der psychische Sturz. Er fiel in eine Depression. «Mir wurde gesagt, dass ich in eine Klinik gehöre», sagt Fabian Flachmüller. Weil er nicht einschlafen konnte, mussten ihm die Ärzte starke Schlafmittel verabreichen. Seine schulischen Leistungen nahmen ab. Die IV informierte ihn, dass sie die Massnahme abbrechen müsste, wenn es so weitergehe und er nicht mehr zur

100-prozentigen Leistungsfähigkeit zurückfinde. Ein Besuch beim Nasen-Ohren-Arzt stellte ihn vor eine weitere Herausforderung. «Sie atmen ja gar nicht richtig», sagte dieser zu ihm. Und schuld daran sei nicht der Nasenbruch, sondern, dass seine Nasenscheidewand seit der Geburt krumm sei, erklärte der Arzt. Er müsse das operieren. Die Operation, die alles veränderte Eine Operation bedeutete für Fabian Flachmüller finanzielle Schwierigkeiten. Denn die SUVA und die Krankenkasse stritten sich um die Übernahme der Kosten. Am Ende hiess es, dass er einen Teil selbst bezahlen müsse. Trotzdem entschied er sich für die Nasenoperation – und sie veränderte sein Leben für immer. Während der Anästhesie wurde festgestellt, dass Fabian Flachmüllers Blut lediglich eine Sauerstoffsättigung von 60 Prozent aufwies. Der Normalbereich liegt zwischen 94 und 98 Prozent. Eine Sättigung unter 70 Prozent gilt als hoch kritisch. Dass er mit einer solch tiefen Sauerstoffsättigung zur Arbeit und in die Schule gehen konnte, war für die Ärzte ein Rätsel. 19 Jahre hatte Fabian Flachmüller so gelebt und immer gedacht, dass allein sein psychischer Zustand für all die Strapazen verantwortlich war. «Es war gut zu wissen, dass es nicht nur an der Psyche lag, sondern auch am Körper», sagt er.

Die Logistik ist sehr strukturiert. Das hilft ihm.


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Leistungsfähigkeit: 100 Prozent Dass er trotz allem nie aufgegeben hat, macht ihn stolz. «Es ist nicht fertig, nur, weil man ein Problem hat. Man muss weitermachen und kämpfen», sagt er. Seit der Operation ist Fabian Flachmüller wieder 100 Prozent leistungsfähig und seine Sauerstoffsättigung ist fast ebenso hoch. «Jetzt zeige ich, was ich kann. Und ich darf auch mehr Verantwortung übernehmen», sagt er. Seine Erfahrungsnote stieg von einer Vier auf eine Sechs. Er ist wacher, fühlt sich fit und hat viel Energie. «Ich lerne jetzt viel nachhaltiger. Vorhin habe ich nach der Prüfung alles wieder vergessen. Jetzt kann ich die Dinge verknüpfen und auch später noch wiedergeben», sagt er. Ein weiteres Erfolgserlebnis: Er ist selbständiger geworden und kann in einer eigenen Wohnung leben. Das Betreute Wohnen braucht er nicht mehr. Und: Diesen Sommer schloss er seine EBA-Ausbildung erfolgreich ab. Zu Ende war sein Weg damit aber noch nicht.

Bereit für die Zukunft Nach den Sommerferien startete er bei Brüggli in die verkürzte Ausbildung zum Logistiker EFZ – eine Besonderheit, denn normalerweise spricht die IV keine Zweitausbildung im geschützten Rahmen aus. «Wegen der Corona-Krise hatten wir zum Teil Schwierigkeiten, unsere Lernenden extern zu platzieren», sagt Rosmarie Anderes. Ziel ist, dass Fabian Flachmüller wenigstens das zweite Ausbildungsjahr im ersten Arbeitsmarkt absolvieren kann. «Ich bin Brüggli und der IV sehr dankbar, dass ich jetzt noch eine EFZ-Ausbildung anhängen darf», sagt er. Was danach sein wird, dafür ist Fabian Flachmüller offen. Als er in der Logistik angefangen hatte, interessierten ihn nur Autoteile. «Ich habe aus dem Tunnelblick herausgefunden und bin nun bereit für alles.» Zukünftigen Lernenden will er mitgeben, dass man sich nicht auf etwas versteifen soll: «Fokussiert euch nicht nur auf den ersten Eindruck oder darauf, was andere sagen. Habt einen Plan B und seid offen für anderes.»

«Fokussiert euch nicht nur auf den ersten Eindruck. Seid offen.»

Larissa Herzog Kommunikationsspezialistin

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t Was gut

Bienenhotels für ein gesundes Ökosystem Bienen sind ein wichtiger Teil unseres Ökosystems: Dank ihnen gedeiht unsere Umwelt. Viele Arten sind jedoch vom Aussterben bedroht. Wir können den fleissigen Insekten helfen – zum Beispiel mit einem Bienenhotel. Als sich beim Charakterstärkentest von Helga Keller, ehemalige Mitarbeiterin Integrationsmassnahmen (IM), die Stärke Projektleitung abzeichnete, entstand die Idee, ein eigenes Projekt zu entwerfen. Ihr war sofort klar, dass es ein Bienenhotel sein sollte. Sie übernahm die Konzeptarbeit und erstellte einen Plan für den Bau. «Da ich eine Naturliebhaberin bin und mich über die Nachhaltigkeit in der Lebensmittelbranche informiere, wusste ich Bescheid über die Not der Bienen», sagt sie. Den Bienen etwas zurückzugeben, sei für sie eine Herzensangelegenheit. Deshalb war es Helga Keller wichtig, das Projekt für die Umsetzung in die richtigen Hände zu geben. «Die Beteiligten sollten mit Herzblut dabei sein», sagt sie.

mitbrachte, bis sich Roland Dinger, Mitarbeiter IM, dem Bau des Bienenhotels annahm. Er hatte Freude daran, eine etwas umfangreichere Arbeit auszuführen. «Das Projekt war für mich ein persönlicher Erfolg, da ich erkannte, dass ich auch grössere Aufgaben erledigen kann», sagt er. Als das Bienenhotel gebaut war, kam es in die Hände von Robert Eberle, ehemaliger Mitarbeiter IM, der zu dieser Zeit bei Brüggli Unterhalt & Technik arbeitete und bereits beim Skizzieren des Bauplans geholfen hatte. Er und weitere Mitarbeitende von Brüggli Unterhalt & Technik stellten das Bienenhotel beim Campus in der Nähe des Weihers auf und füllten es mit Bambusrohren und Holzscheiten mit gebohrten Löchern. Die Rohre und Löcher dienen den Bienen als Nistplatz.

«Den Bienen etwas zurückzugeben, ist eine Herzensangelegenheit.»

Abteilungsübergreifende Teamarbeit Das Projekt ist eine Weile stillgelegen, weil sich niemand fand, der das benötigte Wissen und die handwerklichen Fähigkeiten

Was ist ein Bienenhotel? lhe. Ein Bienenhotel ist eine Nist- und Überwinterungshilfe, die hauptsächlich von Wildbienen genutzt wird. Diese Bienenarten brauchen kleine Rohre, Höhlen und Löcher, um ihren Nachwuchs darin aufzuziehen. Unsere Landschaften sind sehr dicht besiedelt. Das erschwert den Bienen die Suche nach geeigneten Nistplätzen. Deshalb sind Wildbienen gerade in Städten zunehmend auf Hilfe angewiesen. Bienenhotels mit eingebauten Röhrchen (z.B. aus Bambusstangen oder Schilfhalmen) bieten Platz und Schutz. Die Wildbienen sind von März bis September unterwegs. Im April und Mai besteht die grösste Chance, dass sie sich im Hotel einnisten. Es kann sein, dass gelegentlich auch andere Insekten ein Zimmer beziehen.


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Gäbe es keine Bienen, müssten wir die Blüten der Pflanzen selbst bestäuben. Schutz und Unterstützung bieten Der Standort wurde mithilfe der Leitung von Brüggli Wohnen gefunden. Wichtig war, dass sich niemand von den Bienen gestört fühlt – weder die Bewohner des Campus noch die Nachbarn. Aber auch die Bienen sollten sich wohlfühlen. Damit sie genug Nahrung haben, wurden um das Bienenhotel herum Blumensamen von Wildkräutern ausgesät. Mittlerweile wachsen dort viele bunte Pflanzen, die nicht gemäht werden und den Insekten als Nahrungsquelle dienen. Die ersten Bienen hätten kurz darauf das Hotel bezogen und es fleissig als Kinderstube genutzt, sagt Robert Eberle. Margret Rüesch, Teamleiterin IM, die das Projekt betreute, sieht darin ein Symbol für Brügglis Integrationsarbeit. «Das Bienenhotel dient den Bienen als Unterschlupf und Schutz und unterstützt sie bei ihrer Arbeit, genau wie Brüggli das für Menschen tut», sagt sie. Die Natur soll aufblühen Zum Schluss gelangte das Projekt in Vanessa Haltiners Hände, ehemalige Mitarbeiterin IM. Sie war dafür verantwortlich,

den gesamten Prozess schriftlich zu dokumentieren und mit den involvierten Personen das Projekt zu rekapitulieren. «Die vielseitige Arbeit hat mir Freude bereitet: Ich konnte Informationen zusammentragen, mit den Beteiligten sprechen, mir neues Wissen aneignen und vor allem kreativ sein», sagt sie. Das Thema Bienen und Umwelt hat für sie einen ganz besonderen Stellenwert. «Ich habe Kinder und wünsche mir, dass auch sie und später ihre Kinder erleben, wie die Natur in all ihrer Vielfalt aufblüht.»

Larissa Herzog Kommunikationsspezialistin

Wissenswertes über die Biene

• In der Schweiz leben etwa 600 Bienenarten. • Pro Sammelflug besucht eine Biene etwa 100 Blüten. • Die Lebenserwartung von Wildbienen beträgt etwa vier bis sechs Wochen. • Für ein Glas Honig (500g) fliegt eine Biene 1.5 Mal um die Erde.

• Die Westliche Honigbiene bestäubt fast 80 Prozent aller Nutz- und Wildpflanzen; die restlichen 20 Prozent werden von Hummeln, Fliegen, Wildbienen, Schmetterlingen und anderen Insekten bestäubt. • Für die Herstellung einer Bienenwachskerze wird das Wachs eines ganzen Bienenstocks benötigt.

• Die kleinste Wildbienenart, die Schmalbiene, ist nicht viel grösser als ein Reiskorn, während die Blaue Holzbiene fast 30 mm gross ist. • Bei uns ist die Honigbiene nach Rind und Schwein das drittwichtigste Nutztier. Ihre Bestäubungsleistung sichert uns eine Vielfalt an Nahrungsmitteln.

Quellen: WWF Deutschland, www.bienen.ch, www.bee-careful.com, www.bienenlexikon.ch, www.insekten-hotels.de


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t Was gut

Das Bienenhotel für Zuhause – so geht’s: lhe. Ein Bienenhotel zu bauen, ist gar nicht so aufwändig. Sie brauchen einen Holzkasten, Holzklötze (am besten aus Laubholz), Bambus- oder Schilfrohre und diverse natürliche Materialen. Achten Sie darauf, dass alle verwendeten Materialien vollkommen trocken, naturbelassen, frei von Pestiziden, Lack und Lösungsmitteln sind und nicht mit Holzschutz oder Imprägnierung vorbehandelt wurden.

3. Füllen Sie die Hohlräume zwischen den Holzklötzen mit unterschiedlich dicken Bambus- oder Schilfrohren auf. Grössere Lücken können Sie auch mit Lehm, Moos, Stroh, Kieselsteinen oder Baumrinde füllen. Dadurch wird Zugluft verhindert und in der kalten Jahreszeit die Wärmeisolation erhöht.

Mit einem Bienenhotel können wir die fleissigen Insekten unterstützen.

1. Bohren Sie 2-8 mm dicke Löcher in die Holzklötze. Die Löcher sollten etwa 6-8 cm lang sein. Achten Sie darauf, dass keine Splitter abstehen, an denen sich die Bienen verletzen könnten. 2. Verteilen Sie die Holzklötze im Kasten und schrauben Sie sie von hinten fest.

Fertig ist Ihr Bienenhotel. Der günstigste Zeitpunkt, um es aufzustellen, ist im Februar oder März, bevor die Bienen aus der Winterruhe erwachen. Platzieren Sie es an einer möglichst sonnigen Stelle (Einflugöffnung gegen Südosten ausgerichtet). Achten Sie darauf, dass es vom Regen geschützt ist, indem Sie es zum Beispiel unter einem Vordach aufhängen.

Was ist ein Ökosystem?

Recherche: Vanessa Haltiner, ehemalige Mitarbeiterin IM

lhe. Ein Ökosystem ist eine Lebensgemeinschaft aus Pflanzen, Tieren und anderen Lebewesen (z.B. Bakterien oder Pilze) sowie deren Umwelt. Sie alle stehen in einer Beziehung zueinander. Ein Beispiel dafür sind Bienen und Pflanzen. Wenn eine Biene Nektar aus einer Blüte trinkt, bleiben Pollen an ihren Hinterbeinen kleben. Bei der nächsten Blüte bestäubt sie während des Trinkens gleichzeitig die Pflanze mit den Pollen an ihren Beinen. Die Pflanze kann sich dadurch fortpflanzen. Einige Pollen bleiben an der Biene kleben. Damit kann sie ihren Nachwuchs füttern. So ist auch ihr Fortbestehen gesichert. Bienen und Pflanzen arbeiten also zusammen, damit die eigene Art überlebt. In einem Ökosystem gibt es etliche solcher Beziehungen. Wenn sich die Umwelt verändert, zum Beispiel, wenn mehrere Tier- und Pflanzenarten aufgrund des Klimawandels aussterben, kann ein Ökosystem ins Wanken kommen oder gar zerstört werden. Das kann weitreichende Folgen haben – auch für den Menschen. Deshalb gilt es, unseren Ökosystemen Sorge zu tragen.


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Gemeinsam für die Bienen: Projektgruppe mit Bienenhotel auf dem Campus-Gelände. Bilder: Roger Nigg

Ein Ökosystem ist eine Lebensgemeinschaft aus Pflanzen, Tieren und anderen Lebewesen. Bienensterben: Ursachen und Auswirkungen lhe. Mit dem Ausbau der Infrastruktur behindert der Mensch die Wildbienen bei der Fortpflanzung und Nahrungssuche. Auch Keime, Krankheiten und Pestizide tragen dazu bei, dass es vermehrt zum Bienensterben kommt. Besonders verheerend ist die Varroamilbe, die sich vom Blut der Biene ernährt und sie dadurch schwächt. Heute gilt ein Grossteil der Bienenarten als gefährdet, fünf Prozent sind direkt vom Aussterben bedroht. Wenn die Bienen aussterben, hat das Auswirkungen aufs Ökosystem: Ohne ihre Bestäubungsarbeit müsste der Mensch auf viele Obst- und Gemüsesorten verzichten. In Teilen Chinas, wo viele Pestizide verwendet werden, sind be-

reits sämtliche Bienenarten ausgestorben. Dort müssen die Menschen selbst Obstbäume bestäuben. Damit das bei uns nicht passiert, müssen wir den Bienen Sorge tragen. Als Privatperson kann man zum Beispiel den Garten bienenfreundlicher gestalten, um die fleissigen Insekten zu unterstützen. Bienen freuen sich unter anderem über naturbelassene Wiesen, Beerensträucher, Obstbäume, diverse Kräuter, Sonnenblumen und Löwenzahn. Möglichkeiten, mit Spenden zu helfen, gibt’s auf: www.bienen.ch, www.igbiene.ch und www.wildbee.ch


Fokus

Wie Neues entsteht «Das haben wir schon immer so gemacht»: Wer hat das nicht auch schon gehört? Wäre es nicht reizvoll, die Dinge mal ganz anders zu betrachten – weil Neues durch neue Sichtweisen entsteht? In der Mode, Architektur und Musik fällt es auf: Neues entsteht durch die Vermischung bestehender Stile. Asiatische Kleiderschnitte inspirieren italienische Modemacher, westliche Bautechnik frischt marokkanische Tempel auf, und Jazz, Hiphop und Folklore fusionieren zu avantgardistischen Klängen.

Wie machen es die anderen? Es ist sinnvoll, dass Brüggli dem Erfahrungsaustausch und bereichsübergreifenden Miteinander Sorge trägt. So ist ein Projekt gediehen, das Einzelnen Einblicke in verschiedene, ihnen wenig vertraute Abteilungen ermöglicht: Leitende waren eingeladen, eine Abteilung ausserhalb ihrer Komfortzone zu besuchen. Welche Arbeitsweisen und Methoden, was für Herausforderungen und Lösungswege haben sie vorgefunden? Was würden sie anders machen? Und welche Erfahrungen können sie für ihren eigenen Bereich nutzen?

Der regelmässige Austausch schützt vor Betriebsblindheit.

Was in Kunst und Kultur neue Blüten treibt, ist in Medizin, Forschung und Technologie weit mehr als ein vergnügliches Experiment: Die Kombination verschiedener Inhalte, Methoden und Komponenten ist ein wesentlicher Treiber für Verbesserungen und Errungenschaften, die Mensch und Umwelt zugutekommen können.

Die Vielfalt nutzen Auch bei Brüggli entsteht Neues durch Begegnung, Austausch und Kombination. Eine Chance: Unter einem Dach sind zahlreiche Branchenkulturen, Produkte und Leistungen vereint – von der Logistik über die Gastronomie bis hin zur Informatik, von Hundeboxen über Fahrradanhänger bis hin zu Drucksachen, von agogischen Expertisen bis hin zu Hochzeitsfeiern und Geschäftsseminaren. Dazu kommt die Vielfalt an Menschen – vom jungen Mann auf dem Ausbildungsweg bis hin zur Mitarbeiterin mit Rente oder zur Leiterkraft mit 60 Jahren Lebensweisheit. Brüggli, ein Schmelztiegel, reich an Können und Wissen: Die Unternehmensgeschichte zeigt, wie diese Vielfalt immer wieder zu Innovationen geführt hat und Stabilität und Sicherheit gibt – ein Brüggli mit vielen Pfeilern, wandlungsfähig und in der Lage, sich situativ neu zu arrangieren.

Gemeinsam stark Es ist der einfache Versuch, mehr Verbindungen zwischen einzelnen Bereichen zu schaffen. Was tun die anderen? Was für Talente, Kontakte, Netzwerke haben sie, die auch wir in unserer Abteilung nutzen könnten? Wie können wir einander ergänzen, aushelfen, bereichern? Das dient einerseits dem gegenseitigen Verständnis – wir verstehen, was wir kennen. Andererseits kann es helfen, zusätzliches Wissen zu generieren – eben weil Neues entsteht durch neue Verknüpfungen und andere Sichtweisen.

Nicht zuletzt geht es um die Besinnung auf die kollektiven Stärken: Wo sonst sind so viele verschiedene Tugenden und Talente unter einem Dach vereint? Es ist sinnvoll, sich dieser kostbaren Ressourcen zu vergewissern und mehr daraus zu machen.

Michael Haller Leiter Kommunikation & Kultur Mitglied der Geschäftsleitung

Einmal in eine andere Abteilung reinschauen: warum nicht?


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Alexandra Schnüriger, Personalwesen, war zu Besuch im Bereich Qualität & Service, hier mit Luca Forster. Bilder: Roger Nigg

«Es war speziell, sich neu zu fühlen» Ich bin seit 15 Jahren bei Brüggli. 14 davon war ich in der Logistik. Die Unternehmensbereiche an der Badstrasse sind mir also sehr vertraut. Deshalb war ich der Meinung, dass jemand anderes aus der Abteilung den Jobtausch machen sollte. Jemand, dem die Badstrasse noch ganz fremd ist. Als ich dann gegangen bin, habe ich aber schnell festgestellt, dass ich den Bereich Qualität & Service doch noch nicht so gut kenne, wie ich dachte. Die Tätigkeiten waren mir fremd, obwohl ich früher in der Logistik gearbeitet habe. Ich kam mir vor wie ein Neuling. Es war speziell, sich neu zu fühlen, obwohl man nicht neu bei Brüggli ist. Überrascht hat mich vor allem die Ruhe in der Abteilung. Ich bin von der lauten, wuseligen Logistik in die ruhige Personalabteilung gekommen. Ich habe mir vorgestellt, dass der Bereich Qualität & Service ein Zwischending ist, aber es war ganz leise dort. Das hat mich beeindruckt.

Während des Besuchs habe ich gemerkt, dass es für die Teamleiter gar nicht so einfach ist, immer den Überblick zu behalten. Im Personalbüro brauchen wir ab dem dritten Tag ein Arztzeugnis, wenn jemand krank ist. Oft müssen wir dann bei den Teamleitern nachhaken. Wenn man viele Klienten betreut, kann es schon mal vergessen gehen, am dritten Tag nach dem Zeugnis zu fragen. Es müsste ein automatisches Erinnerungssystem für Teamleiter geben. Ich denke, das würde die Zusammenarbeit erleichtern. Leider ist dies systemtechnisch nicht machbar. Das Projekt Jobtausch finde ich sehr sinnvoll, denn die einzelnen Abteilungen sind immer noch sehr für sich. Das Projekt fördert das ganzheitliche Miteinander. Gerade für neue Mitarbeitende ist es eine super Möglichkeit, das Unternehmen mit den verschiedenen Bereichen besser kennenzulernen. Für eine nächste Durchführung fände ich es schön, wenn einem nicht nur eine, sondern zwei bis drei Abteilungen zugeteilt würden, aus denen man sich eine aussuchen kann.


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«Ich fände es gut, wenn das Projekt Jobtausch weitergeführt wird.» Sacha Lüthi, Logistik, war zu Besuch in der Unternehmenskommunikation, hier mit Larissa Herzog (links) und Regina Furger.

«Es war ein ereignisreicher Tag» Schon, als das Projekt am Infoabend vorgestellt wurde, wusste ich, das wird eine super Sache. Insgeheim habe ich sofort gehofft, dass ich den Besuch machen darf, und habe im Team auch gleich ein paar Andeutungen gemacht. Ich bin noch nicht so lange bei Brüggli und sah darin die Gelegenheit, neue Leute und Aufgaben kennenzulernen. Die Unternehmenskommunikation war eine meiner Wunschabteilungen. Mir war schon damals bewusst, dass sie eine fürs Unternehmen zentrale Abteilung ist. Darüber wollte ich unbedingt mehr erfahren. Auf den Besuch habe ich mich vorbereitet, indem ich geschaut habe, wer zum Team gehört und welche Tätigkeiten dort ausgeführt werden. Ich habe mir auch gezielt Fragen überlegt, die ich dem Team stellen wollte. So konnte ich das Beste aus dem Besuch rausholen.

Es war ein ereignisreicher Tag. Ich habe sehr viel erlebt. Meine wichtigste Erkenntnis: Die Unternehmenskommunikation ist eine Schlüsselabteilung mit Verbindungen zu allen anderen Abteilungen, aber auch gegen aussen. Sie ist zentral für Brügglis Image. Das habe ich während meines Besuchs direkt miterlebt, als es um einen kritischen Kommentar in einem von Brügglis Social-Media-Kanälen ging und wie man diesen entschärft. Das kann sehr heikel sein. Diese Art von Arbeit kannte ich vorher nicht. Wenn ich jünger wäre, könnte ich mir gut vorstellen, in dieser Abteilung Fuss zu fassen. Mir ist aufgefallen, dass es doch ein paar Gemeinsamkeiten gibt zwischen der Logistik und der Unternehmenskommunikation. Zum Beispiel müssen wir in beiden Abteilungen sehr viel und genau lesen und wir arbeiten beide sehr wirtschaftsnah. Ich fände es gut, wenn das Projekt Jobtausch weitergeführt wird. Wenn man mit einer positiven Einstellung mitmacht, kann das den eigenen Horizont erweitern. Ausserdem können wir so ein gegenseitiges Verständnis füreinander entwickeln. Das ist wichtig für das Miteinander.


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Rebekka Kirchner, Bildung, war zu Besuch im Team Mobil, Unterhalt & Technik.

«Ich wurde sofort ins Team aufgenommen» Als ich das erste Mal vom Projekt Jobtausch gehört habe, war ich sofort begeistert. Ich bin schon lange bei Brüggli, habe aber nicht mit allen Abteilungen zu tun. Dass ich zum Team Mobil gehen konnte, hat mich besonders gefreut, weil das ein Bereich ist, den ich bisher fast gar nicht kannte. Ich musste auch erst mal nachfragen, wo ich das Team überhaupt finde. Ausserdem habe ich mich vorab über die benötigte Arbeitskleidung informiert. Das war für mich etwas ganz Neues und irgendwie aufregend. Ich wurde sofort ins Team aufgenommen. Die Lernenden haben sich gefreut, dass sie mir ihre Arbeit zeigen konnten. Am Vormittag durfte ich mit zu einem Reinigungseinsatz in Kreuzlingen. Es hat mich beeindruckt, wie selbständig die Leute gearbeitet haben. Man hat sie einfach machen lassen und darauf vertraut, dass sie es richtig machen. Den Lernenden wird viel Freiheit gelassen. So können sie sich einbringen. In der Bildung müssen wir ihnen jeweils relativ viele Vorgaben machen. Es war toll zu sehen, dass es funktioniert, ihnen so viel Verantwortung zu geben.

«Es ist wertvoll für alle Mitarbeitenden, nicht nur für Neuankömmlinge.»

Ich habe während meines Besuchs viel Neues gelernt, aber eine Erkenntnis sticht heraus. Es kommt ab und zu vor, dass die Lernenden ihre Termine bei uns vergessen, zum Beispiel fürs Lerncoaching. Da müssen wir dann immer hinterherrennen. Während des Jobtauschs habe ich ein grösseres Verständnis dafür entwickelt. Es ist unglaublich, an was die Teamleiter und Lernenden alles denken müssen. Bei mir ploppt die Terminerinnerung im Mail-Programm auf. Diese Denkstütze haben die Lernenden natürlich nicht, wenn sie unterwegs sind. Auch für die Teamleiter ist es ein riesiger organisatorischer Aufwand, sicherzustellen, dass immer alle zur rechten Zeit am richtigen Ort sind. Die Lernenden sollen ja jederzeit eine sinnvolle Arbeit haben und nicht einfach auf einen Termin warten. Es tut gut, zwischendurch mal einen Perspektivenwechsel zu machen. Im Alltag kommt der Austausch unter den einzelnen Abteilungen etwas zu kurz. Ich würde sofort wieder mitmachen und würde es begrüssen, wenn das Projekt auch in Zukunft durchgeführt wird. Ich denke, es ist wertvoll für alle Mitarbeitenden, nicht nur für Neuankömmlinge. Ich finde auch die Zuteilung super. Von selbst wäre ich vielleicht gar nicht darauf gekommen, zum Team Mobil zu gehen.


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tr ie Arbeit an einer Hundebox bei BrĂźggli in Romanshorn. Bilder: Roger Nigg

Vorsicht vor 4pets-Plagiaten


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Produktfälschungen kennt man vor allem aus der Mode: Teure Luxusuhren und -taschen werden kopiert und verkauft. Aber auch Brügglis Eigenmarke 4pets kämpft mit dem Problem. Was tut Brüggli dagegen? Vor etwa fünf Jahren wurde das erste Mal eine Hundetransportbox von 4pets plagiiert. Das bedeutet, dass ein anderes Unternehmen Boxen herstellt, die jenen von 4pets zum Verwechseln ähnlich sehen. Das ist verboten, denn die 4pets-Hundeboxen sind geschützt – und zwar mit dem Designschutz. Das Design, also die Form der Boxen, darf nicht von einem anderen Unternehmen kopiert werden. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass solche Kopien nicht verkauft werden dürfen. Es gibt aber Unternehmen, die genau das tun. Zurzeit hat es Brüggli Industrie gleich mit mehreren solchen Fällen zu tun.

gestellt werden, sind Qualitätsprodukte – und sie sind vom TÜV getestet und zertifiziert. Das ist bei den Kopien nicht der Fall. «Die Sicherheit der Hunde steht auf dem Spiel», sagt Adrian Hungerbühler. Es sei zwar schon so, dass die Fälscher die Boxen von 4pets bis aufs kleinste Teilchen auseinandernehmen und alles genau kopieren, aber ob die gleiche Qualität erreicht wird, sei fraglich. «Die Fälscher wissen wahrscheinlich gar nicht, warum wir gewisse Teile genau so verbauen, wie wir das eben tun. Wir haben uns lange damit beschäftigt, herauszufinden, was für Hund und Mensch am sichersten ist. Dieses ganze Wissen haben die Fälscher nicht», sagt Adrian Hungerbühler.

Brügglis Hundeboxen sind geschützt. Sie dürfen nicht nachgemacht werden.

Plagiate-Verkäufer gibt’s auch in der Schweiz Aber warum werden die 4pets-Hundeboxen überhaupt kopiert? Wissen die Anbieter denn nicht, dass sie das nicht dürfen? «Viele wissen haargenau, dass wir einen Designschutz auf unseren Produkten haben, aber sie machen es trotzdem. Die sind total dreist», sagt Adrian Hungerbühler, Leiter Brüggli Industrie. Von einigen Ländern wie China ist man sich gewohnt, dass sie Fälschungen produzieren und verkaufen. Aber unter den Fällen, mit denen sich Adrian Hungerbühler beschäftigen muss, finden sich auch viele europäische und sogar Schweizer Unternehmen, die Kopien der 4pets-Hundeboxen verkaufen. Solche Fälle haben in den letzten Jahren zugenommen. Das Geschäft mit Hundeboxen läuft gut. Das mag vielleicht am hohen Stellenwert liegen, den Hunde beim Menschen geniessen. Bello und Fifi sollen auch im Auto sicher mitfahren können.

Schutzrechte als Absicherung Häufig sind es Kunden, die Brüggli Industrie auf die Plagiate aufmerksam machen. Manchmal findet das 4pets-Team Kopien auch an Messen. Die Anbieter solcher Boxen werden darauf hingewiesen, dass sie Plagiate verkaufen und dies nicht dürfen. «Es ist in unserem Interesse, dass wir bei solchen Fällen möglichst aussergerichtlich zu einer Einigung kommen, aber wir wollen auch unsere Rechte geltend machen», sagt Adrian Hungerbühler. Weigert sich zum Beispiel ein Online-Händler, die Plagiate von der Webseite oder aus dem Sortiment zu nehmen, könne es auch zu einer Anklage kommen. Um in solchen Fällen möglichst abgesichert zu sein, schützt 4pets seine Hundetransportboxen mit Schutzrechten wie dem Designschutz. Für die Rückwand der Linien PRO und ECO hat 4pets sogar ein Patentrecht. Das sei der beste Schutz,

4pets-Fälschungen stammen nicht nur aus China.

Sicherheit des Hundes ist gefährdet Aber genau bei der Sicherheit kann es bei Kopien zu Problemen führen. Die Hundetransportboxen, die bei Brüggli Industrie her-

Billigkopien sind gefährlich. Die Originale von 4pets sind TÜV-zertifiziert.

«Wir haben viel Herzblut in unsere Produkte fliessen lassen», sagt Adrian Hungerbühler, Leiter von Brüggli Industrie. Er wehrt sich gegen Trittbrettfahrer und Fälscher.

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den man haben kann. Denn damit ist nicht nur das Design eines Produkts, sondern das Produkt selbst geschützt. Zur Erklärung: Andere Unternehmen dürfen Hundeboxen herstellen, nur nicht solche, die aussehen wie die Boxen von 4pets. Es darf aber kein Unternehmen eine Rückwand bauen, die auf der Technik basiert, die 4pets verwendet – auch nicht, wenn sie anders aussieht. Kunden legen Wert auf Qualität Der beste Schutz nützt aber nichts, wenn er einfach ignoriert wird. «Die ganze Sache mit den Plagiaten ist wirklich nervenaufreibend. Wir alle haben viel Herzblut in die Produkte fliessen lassen. Unsere Mitarbeitenden in der Mechanik und Montage geben sich täglich viel Mühe, dass die Qualität stimmt. Und dann wird das alles einfach billig kopiert», sagt Adrian Hungerbühler. Die ganze Sache habe auch finan-

zielle Folgen: Für jede verkaufte Kopie hätte eine 4pets-Hundebox verkauft werden können. Das sei ein Verlust für das Unternehmen. Positiv betrachtet: Plagiate kommen in der Regel nicht von ungefähr. Die 4pets-Produkte scheinen nicht nur Kunden, sondern auch Konkurrenten zu überzeugen. Generell geniessen die Hundeboxen von 4pets eine hohe Bekanntheit und die Nachfrage wächst kontinuierlich. Die Kunden schätzen die Schweizer Qualität und haben hohe Ansprüche an die Sicherheit, die 4pets gewährleistet. «Ausserdem ist das Design cool. Das ist für viele auch ein wichtiger Punkt», sagt Adrian Hungerbühler.

Larissa Herzog Kommunikationsspezialistin

Fälscher gehen dreist vor. Sie suchen den raschen Profit.

In diesen Produkten stecken viel Entwicklungsarbeit und Sorgfalt.


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Wichtige Begriffe zum Thema

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Designschutz Ein Design, also die Form eines Produkts, kann geschützt werden. Das heisst: Andere Personen oder Unternehmen dürfen keine Produkte verkaufen, die das gleiche Design aufweisen.

Fälschung Ein Produkt, das so kopiert wird, dass es wie das Original erscheint, ist eine Fälschung. Solche Produkte werden mit der Absicht hergestellt, den Käufer zu täuschen. Unterschied zum Plagiat: Die Kopie wird unter dem Namen des Original-Herstellers verkauft.

Nachahmerprodukt Ein Nachahmerprodukt ist ein Produkt, das einem (meist bereits etablierten) anderen Produkt sehr ähnlich ist. Beispiel: Apple hat 2007 das erste Smartphone, wie wir es heute kennen, auf den Markt gebracht. Kurz darauf haben auch andere Anbieter wie Samsung begonnen, solche Geräte zu entwickeln und zu verkaufen. Das ist in Ordnung, weil sie andere Designs und Technologien verwenden.

Patent Ein Patent ist ein Schutzrecht für eine technische Erfindung. Andere Personen oder Unternehmen dürfen die Erfindung während bis zu 20 Jahren nicht gewerblich nutzen. Man kann Produkte oder einzelne Produktteile (z.B. die Rückwand einer Hundetransportbox) und Verfahren patentieren lassen.

Plagiat Ein Plagiat ist eine Verletzung des geistigen Eigentums. Wer zum Beispiel vortäuscht, einen Text einer anderen Person selbst verfasst oder eine Erfindung eines anderen Unternehmens selbst hervorgebracht zu haben, begeht ein Plagiat. Unterschied zur Fälschung: Die Kopie wird unter dem Namen des Fälschers verkauft.

Urheberrecht Werke der Literatur und Kunst sind urheberrechtlich geschützt. Das heisst: Man darf zum Beispiel keine fremden Texte oder Bilder als eigene Werke ausgeben. Beispiel: Anbieter, die Fotos von 4pets verwenden, um kopierte Hundeboxen anzupreisen, verstossen gegen das Urheberrecht und können verklagt werden.


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Romanshorn neu entdecken Romanshorn bietet mehr als Brüggli und Bahnhof; wieso nicht über Umwege nach Hause gehen und einen Zwischenstopp einlegen? asse Hubhofg

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Locorama: die Anfänge der Eisenbahn

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Die Schweiz ist stolz auf ihr Eisenbahnnetz. Die Dampflokomotive brachte alles ins Rollen. Im Locorama sind diverse Loks im Freien ausgestellt – anfassen erlaubt. Und wer erfahren will, wie es sich als Lokführer anfühlt, tritt in den Fahrsimulator und fährt die Strecke der Thurbo dem Bodensee entlang. Weitere Angebote: Modelleisenbahn, Gartenbahn und ein Kinderspielzimmer inklusive Leseecke. Ein Erlebnis für Jung und Alt.

Vitaparcours: im Wald baden Alp

Ende der 60er-Jahre gewann eine Männerriege aus Zürich die heutige Zurich Versicherung als Sponsor – die Geburtsstunde des Vitaparcours. Die Posten schlagen vor, eine Acht in die Luft mit den Armen zu zeichnen oder einen Slalom zu rennen. Auch Spaziergänger sind willkommen: Ein halbstündiger Rundweg lädt zum Beobachten ein: Insekten überqueren den Waldweg, Baumstämme lehnen gegen Grössere, vom Wind gekippt, und Pfützen spiegeln die Baumwipfel. Japaner nennen das Waldbaden.

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Autor: Christian Schlatter Praktikant Unternehmenskommunikation Grafik: Regina Furger

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Hafenpark: die Weite  des Sees spüren Genug Technik und Maschinen für heute? Eine Panoramatafel kennzeichnet die Berge, ein eigensinniger Brunnen bläst zerstäubtes Wasser ins Gesicht. Wer im Sommer spontan aufs Wasser will: Für eine Stunde Pedalo fahren bezahlt die vierköpfige Familie CHF 17.(fuerst-boote.ch). Unerschrockene üben Kunststücke mit Kickboard und Skateboard auf Rampen beim Skatepark. Alle anderen flanieren die Seepromenade entlang, blicken in die Ferne, wo am Horizont Segelschiffe schrumpfen und Möwen zu kleinen Punkten verschwinden.

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Kaffeehaus Franzl:  ein kleines Stück Wien

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«Willkommen in Wien» liest der Gast die handgeschriebenen Buchstaben auf dem Treppenabsatz. Der Eingang ist von rot-weissen Säulen gesäumt, die an Zuckerspazierstöcke erinnern. Drinnen ist es hell und freundlich, Oberlichter öffnen den Raum. Und auch draussen auf der Terrasse liest der Gast gemütlich eine der verfügbaren Tageszeitungen. Neben Kaffee und Tee wird auch der kleine und grosse Hunger gestillt, ein Blick in die Speisekarte lohnt sich. Mehr zum Kaffeehaus Franzl auf der nächsten Seite.

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Autobau Erlebniswelt:    starke Motoren feiern Boliden, die Renngeschichte geschrieben haben: Auf dem Industriegelände von Romanshorn werden sie ausgestellt. Zum Greifen nah: Die Vehikel sind teuer wie Kunst, und doch wird auf eine Abschrankung verzichtet. Nichts von einem trockenen Museumsbesuch, nach dem der Kopf schmerzt – hier riecht es nach Motorenöl und Gummi. Zur Sammlung gehören moderne wie klassische Rennwagen. Die Ausstellung ist jeweils sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.


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Brücken

«Wir nehmen die Menschen, wie sie sind» Tatjana und Norbert Mahr bringen mit ihrem Wiener Kaffeehaus Franzl wienerische Herzlichkeit nach Romanshorn. Dass Brüggli sie als Partner sieht, war ihnen gar nicht recht bewusst. Sie empfinden die Verbindung vielmehr als gute Freundschaft. Wie ist die Freundschaft mit Brüggli, insbesondere der Gastronomie Usblick entstanden? Tatjana Mahr: Bis vor kurzem war Brügglis Arbeitsassistenz direkt nebenan eingemietet. Die Mitarbeitenden kamen regelmässig bei uns zu Mittag essen. Josef Koch, Chef de Service im Usblick, wurde natürlich auch sehr schnell auf uns aufmerksam. Er ist ja unser Landsmann und war total begeistert, dass er bei uns seine heimischen Speisen serviert bekommt. Durch ihn sind wir auch erst richtig auf die Gastronomie Usblick aufmerksam geworden. Wir wussten, da ist etwas, aber wir dachten es sei ausschliesslich eine Betriebskantine. Josef hat richtig Werbung gemacht. Nun gehen wir regelmässig im Usblick zu Mittag essen und geniessen es richtig. Die Usblick-Mitarbeitenden verströmen eine absolute Herzlichkeit. Ich finde, das sollte jeder Mensch mal sehen und erleben. Norbert Mahr: Josef hat uns dann mal gefragt, ob wir nicht jemandem eine Chance geben möchten. Wir wussten damals gar nicht, dass die Lernenden im Usblick während ihrer Ausbildung ein externes Praktikum machen müssen. Uns war sofort klar: Da können wir nur ja sagen.

und was er mitbringt. Wir nehmen die Menschen, wie sie sind. Tatjana Mahr: Genau, Mensch ist Mensch. Norbert Mahr: Tatjana und ich haben keine Kinder. Wenn wir Leute bei uns aufnehmen, haben wir die Möglichkeit, jemandem etwas zurückzugeben. Wir können unsere Erfahrung teilen und im besten Fall dazu beitragen, dass die Leute den Weg in den Arbeitsmarkt schaffen oder auch einfach nur auf ihren Weg zurückfinden. Tatjana Mahr: Das Gastgewerbe ist eine super Plattform für die Integration. Man kann ganz langsam im Hintergrund anfangen. Da darf man auch Fehler machen, denn daraus lernt man ja. Zuerst leistet man Zuarbeit und irgendwann steht man vorne und bedient den Gast. Alles schön in kleinen Schritten.

«Das Gastgewerbe ist eine super Plattform für die Integration.»

Was waren Ihre Beweggründe? Norbert Mahr: Ich finde, man muss dankbar sein, dass es Unternehmen wie Brüggli gibt. Schön, wenn man da mithelfen kann. Jeder Mensch sollte eine Chance bekommen, egal woher er kommt

Welche Erfahrungen haben Sie als Integrationspartner bereits gemacht? Norbert Mahr: Am Anfang ist es für einen Praktikanten aus dem Usblick sicher etwas ungewohnt, bei uns zu arbeiten. Im freien Arbeitsmarkt herrschen andere Spielregeln als bei Brüggli. Aber das legt sich schnell. Wir sind hier wie eine Familie. Das hilft sicher beim Einleben. Es ist schön zu sehen, wie jemand aufblüht und mit Freude auf die Gäste zugeht. Tatjana Mahr: Es ist immer ein gegenseitiger Austausch. Wir hatten in unserem Arbeitsleben mit vielen verschiedenen Menschen zu tun und konnten viel Erfahrung sammeln. Das können wir jetzt einfliessen lassen und weitergeben. Wir lernen aber auch immer noch dazu.


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Sie bringen die Wiener Kaffeehaus-Kultur nach Romanshorn: Tatjana und Norbert Mahr. Bild: Roger Nigg

Norbert Mahr: Ja, manchmal ist es ganz spannend, wie jemand vom Usblick einen Auftrag erledigt. Die Menschen dort haben vielleicht ihre Schwierigkeiten, aber sie sind ehrlich und herzlich und nicht so verblendet, wie manch einer im ersten Arbeitsmarkt. Sie erhalten einen Auftrag und machen einfach – und es funktioniert. Manchmal bin ich echt erstaunt über den gewählten Weg zum Ziel. Da kann man auch für sich was lernen.

genommen. Zu den Kriterien gehört unter anderem natürlich das Angebot an typisch österreichischen Speisen und Getränken, aber auch das richtige Flair. Einrichtung und Ambiente sollten mit dem Kulturerbe des Wiener Kaffeehauses übereinstimmen: der «Schanigarten», ein Wiener Zeitungshalter aus Buchenholz, wenn möglich ein Klavier für Musikveranstaltungen, um nur ein paar Dinge zu nennen. Norbert Mahr: Wiener Kaffehäuser sind etwas ganz Besonderes. Sie sind Tradition und Kultur – und weltweit bekannt. Hier entstehen seit jeher Geschichten. Viele Künstler nutzen die Kaffeehäuser noch heute als Ort der Inspiration und schreiben dort ihre Lieder und Bücher. Ausserdem kann man im Kaffeehaus nicht laut werden, weshalb hier auch viele Firmengespräche stattfinden und Verträge ausgehandelt werden.

«Es ist schön, wenn die Gäste sagen: Das erinnert mich an Wien.»

Sind die Gastronomie Usblick und das Wiener Kaffeehaus Franzl strenggenommen nicht Konkurrenten? Tatjana Mahr: Wie bitte? Das kann man nun also wirklich nicht sagen. Norbert Mahr: Wir sehen keine Konkurrenz. Wir sehen Partnerschaft, Freundschaft und Austausch. Keiner ist dem anderen etwas neidig. Und ich sage immer: Jeder bekommt die Kunden, die er verdient. Tatjana Mahr: Wir haben ja auch unterschiedliche Konzepte. Bei uns erhalten die Gäste ein ganz anderes Angebot als im Usblick.

Stimmt. Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie in Romanshorn ein Wiener Kaffeehaus eröffneten? Tatjana Mahr: Wir sind wegen Norberts Job in die Schweiz gekommen. Er hat im Handel gearbeitet. Für mich war das kein Problem. Als ausgebildete Friseurin kann ich überall arbeiten. Norbert Mahr: Im Handel geht es eigentlich immer nur um Zahlen. Irgendwann habe ich mich gefragt: Ist es das? Tatjana Mahr: Plötzlich meinte er: Ach, so ein Kaffeehaus wäre doch nett. Darauf erstellte er ein Konzept, das tatsächlich schnell Form annahm. Norbert ist ja eigentlich gelernter Konditor wie sein Vater. Darauf hat er aber nie gross gearbeitet, weil er eine Karriere als Berufssportler anstrebte und dies auch mehrere Jahre durchzog, ehe er in den Handel wechselte. Norbert Mahr: Mein Grossvater war – wie Grossväter eben sind – sehr weise und hat mir gesagt, ich sollte doch noch was anderes lernen, damit ich was habe, falls ich mich im Sport mal verletze. Die Konditor-Lehre zahlt sich jetzt aus. Tatjana Mahr: Bei einem Spaziergang in Romanshorn sind wir an diesem Lokal hier vorbeigelaufen und wir wussten: Das ist es. Und so war das Franzl geboren. Und dann sind Sie auch gleich das erste internationale Mitglied im Klub der Wiener Kaffeesieder geworden, welcher ein immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO ist. Tatjana Mahr: Den Klub gibt es eigentlich nur in Wien. Da geht es ja um die Wiener-Kaffeehaus-Tradition. Aber wir haben uns gesagt: Wir wollen das wienerischste Kaffeehaus ausserhalb Wiens sein und haben uns beim Klub gemeldet. Da wir sämtliche Kriterien erfüllen, wurden wir als erstes internationales Mitglied auf-

Diese Wiener Tradition und Kultur machen Sie im Franzl erlebbar. Wie reagieren die Gäste darauf? Tatjana Mahr: Wir erhalten viele schöne Rückmeldungen. Letztens hat ein Pärchen seine Goldene Hochzeit bei uns gefeiert, weil sie damals ihre Hochzeitsreise in Wien machten. Jetzt, 50 Jahre später, haben sie Wien noch einmal erlebt – und das, ohne extra hinfahren zu müssen. Norbert Mahr: Die Gäste sagen, dass unser Kaffeehaus und die Gefühle, die sie hier empfinden, sie an ihren Besuch in Wien erinnert. Das ist das schönste Kompliment. Tatjana Mahr: Schön ist auch, dass sich die Leute hier wohl und willkommen fühlen, auch wenn sie nicht die grossen Konsumierer sind. Ich sage immer, wir sind das Wohnzimmer von Romanshorn. Norbert Mahr: In Bezug auf diese Wiener Gemütlichkeit mussten wir die Schweizer allerdings etwas erziehen. Ich habe festgestellt, dass die Gäste hierzulande weniger lang verweilen. Auf Seite der Gastrobetriebe wird es zum Teil auch nicht gern gesehen, wenn jemand stundenlang sitzenbleibt und nur einen einzigen Kaffee trinkt. Da haben wir Wiener wohl eine andere Mentalität. Bei uns darf sich jeder für seinen Kaffee so viel Zeit lassen, wie er möchte. Frau Mahr, Herr Mahr, vielen Dank für das Gespräch und die gute Zusammenarbeit. Weiterhin alles Gute und viel Erfolg Ihnen.

Interview: Larissa Herzog Kommunikationsspezialistin

Wiener Kaffeehaus Franzl lhe. Charakteristisch für ein Wiener Kaffeehaus ist nicht nur das besondere Ambiente, sondern auch der «Wiener Schmäh» und die einzigartig gelebte Kaffeehauskultur. Genau das erwartet einen im waschechten Wiener Kaffeehaus Franzl an der Rütistrasse 2 in Romanshorn. Das Franzl ist ein

echtes Überraschungspaket: Von aussen ist es eher unscheinbar, doch schon während man die einladende Treppe zum Eingang hochsteigt, erahnt man die Wiener Herzlichkeit, die einem gleich entgegenströmen wird. Die gebürtigen Wiener Tatjana und Norbert Mahr sorgen seit der Eröffnung

des Kaffeehauses im Oktober 2016 für ein authentisches Stück Wiener Lebensgefühl in Romanshorn. Mehr Infos unter www.wienerkaffeefranzl.com

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Alles anders wegen Corona? Wie hat Corona Ihre Ferienpläne und Freizeitaktivitäten auf den Kopf gestellt? Wie sieht Ihre Alternative aus?

Cécile Hunger Teamleiterin Medienvorstufe Traurig war ich schon. Es wären bestimmt schöne Ferien auf Ibiza gewesen. Vier Tage Stuttgart waren dann die Alternative; Ferien ohne Meer halt. Nebeneffekt: Ich habe für die Wohnung mit meinem Freund gespart. An die neue Situation mit Corona habe ich mich gewöhnt, bloss ans Maskentragen nicht.

John Gantenbein 2. Lehrjahr, Grafiker EFZ Nepal platzte wie eine Seifenblase. In den Sommerferien konnte man dann schon mit Corona planen. Ich ging beim Talalpsee wandern und unternahm einen Roadtrip mit Freunden nach Spanien. Der Alltag darf nicht trocken sein. Maske über Maske tragen. Der Look erinnert an Samurai-Gesichtsverhüllungen.

Rafael Longaretti 2. Lehrjahr, Polygraf EFZ Stuttgart und Strassburg waren ok … doch zu Hause locken viele spannende Aktivitäten. Corona hat mein Leben nicht durcheinander gebracht. Ich game gerne «World of Tanks»; ich hatte die Gelegenheit, bei einer Befragung zum Spiel mitzumachen. Toll! Oder dann bastle ich Modelle.

Reto Menzi Mitarbeiter Gastronomie Usblick Auftritte im Biedermeierverein sind abgesagt worden und Schwimmwettkämpfe liegen auch nicht drin. Schade. Zu Hause zeichne ich lange und konzentriert. Ich wäre nach Orlando zu meiner Pflegeschwester in die Ferien geflogen – hat leider nicht geklappt.

Lotti Schellenberg Mitarbeiterin Co-Packing Die Ferien in Spanien fielen ins Wasser, also begnügte ich mich mit dem See vor der Haustür: Eine Schifffahrt auf dem Bodensee und ein Besuch auf der Insel Mainau gehörten zum Programm. Ich bin gerne zu Hause und arbeite: putzen, haushalten und Rechnungen zusammenstellen. Und ich stricke: Jacken, Pullover und aktuell einen Überwurf fürs Bett.

Justin Ezeogukwu, 1. Lehrjahr Produktionsmechaniker EFZ Ausgang heisst mit Kollegen im Dorf auf einem Platz zusammensitzen. Das stellt eine Herausforderung dar: Ich gehöre zur Risikogruppe. Mein Sommerferienprogramm lautete: in die Badi gehen, zocken und Netflix schauen. Während des Lockdowns ersetzten Zoom-Meetings mit dem Lehrer den Klassenunterricht. Länger Schlafen und weniger Unterricht? Gerne wieder.

Umfrage: Christian Schlatter Bilder: Roger Nigg

Wilma Cecchinel Mitarbeiterin Co-Packing Mein Verlobter und ich beabsichtigten, nach Riccione in Italien zu fahren – und dann kam Corona dazwischen. Wir unternahmen Ausflüge in den Tierpark «Peter und Paul» und den «Walterzoo». Langeweile? Kenne ich nicht. Ich spiele Klavier, löse Puzzles und male Mandalas aus.

Micheal Good, 1. Lehrjahr Informatiker EFZ (Systemtechnik) Dieses Jahr hat es in sich. Eigentlich plante ich, für einige Zeit in Österreich zu wohnen, um in einer Kommune nahe eines Waldes zu leben. Und jetzt bin ich hier und beginne eine Ausbildung bei Brüggli. Gerne wäre ich an einige Festivals in der Schweiz gefahren. Ich ging im Sommer mit meinen Geschwistern regelmässig auf Wanderungen und River-Rafting-Touren.

Nadja Ladner Teamleiterin Grafik Alles war gebucht, und alles wurde wieder storniert. Balkonien statt Thailand. Die Wohnung glänzt nun, und ich goss ein weiteres Betonobjekt. Schade, dass diesen Sommer keine Festivals stattfinden konnten. Homeoffice während des Lockdowns war anstrengend: Wo fängt Arbeit an und wo beginnt Freizeit?


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10 Fragen an:

Marietta Boesch & Martin Bärlocher An dieser Stelle lernen Sie jeweils zwei Brüggli-Leute etwas näher kennen. Diesmal Marietta Boesch, Teamleiterin Personalwesen, und Martin Bärlocher, Co-Leiter im Usblick. Ein Geruch, auf den Du sofort reagierst: Marietta: Frisch gebrühter Kaffee am Morgen oder der Duft nach Rosmarin und Lavendel aus meinem Garten. Martin: Eine frisch geschnittene Wiese. Das heisst, ich halte mich in der Natur auf. Eine Sportart, bei der Du gerne zusiehst: Marietta: Skirennen und Eiskunstlauf; während einer WM oder EM auch mal ein Fussballspiel. Martin: Da gibt es ganz viel: Am liebsten schaue ich aber immer noch Fussball, insbesondere den BVB und Sportarten mit Schweizer Beteiligung. Ein Gebäude oder Wahrzeichen, das Du gerne von Deinem Schlafzimmerfenster aus sehen würdest: Marietta: Schloss Tarasp mit Bergkulisse im Hintergrund. Martin: Ich sehe von mir aus auf den Alpstein mit dem Säntis, dieses Panorama tausche ich nicht ein. Wann warst Du zum letzten Mal richtig glücklich? Marietta: Ich erlebe jeden Tag Momente, in denen ich sehr glücklich und dankbar bin. Auch an scheinbar kleinen Dingen kann ich grosse Freude haben. Martin: Dass sind vor allem die schönen Momente mit den Kinder zuhause oder bei Ausflügen. Der Sänger, die Sängerin oder die Band, die Du momentan am häufigsten hörst: Marietta: Gavin James, Ronan Keating oder Amy Macdonald – alles Singer-Songwriter. Martin: Bei Musik bin ich ein Banause und kenne mich nicht sonderlich aus. Wenn, dann höre ich Musik im Auto und dann schalte ich von Sender zu Sender, bis mir ein Lied gefällt. Die Interpreten kenne ich meistens aber nicht.

Welchen Wunsch möchtest Du Dir unbedingt erfüllen? Marietta: Die Welt bereisen. Martin: Ich will seit Kindheit mal Zeppelin fliegen. Das ging früher nicht, heute haben wir zum Glück wieder Zeppeline in Friedrichshafen. Nun warte ich aber, bis meine Kinder grösser sind und sie sich dann auch länger daran erinnern können. Wenn Du einen Tag die Welt regieren könntest, was würdest Du ändern? Marietta: Ich würde gerne Missstände und Ungerechtigkeiten in der Welt beseitigen. Leider lässt sich die Welt aber nicht in einem Tag ändern. Martin: Ein Mensch allein sollte die Welt nicht regieren können, da ist mir das Schweizer System mit mehreren Köpfen an der Spitze lieber. Vielleicht würde ich daher das Schweizer System überall sonst implementieren. Wenn Du einen eigenen Fernsehsender hättest, was würde darauf laufen? Marietta: Dokus über historische Ereignisse, Biografien über interessante Persönlichkeiten. Martin: Ich würde auf jeden Fall keinen Pay-TVSender haben wollen. Das Programm würde ich mit Sport, Nachrichten und Spielfilmen und Serien (Bsp. Game of Thrones) füllen. Was ist das beste Gerücht, das Du über Dich gehört hast? Marietta: Bisher ist mir noch keines zu Ohren gekommen. Martin: Gerüchte habe ich nicht gerne, ich suche lieber den direkten Weg. Was andere über mich denken, weiss ich nicht. Gerüchte interessieren mich aber auch nicht. Wenn mir jemand etwas sagen will, darf er aber gerne auf mich zukommen. Beschreibe Dich in drei Worten: Marietta: offen, herzlich, spontan. Martin: aufrichtig, familiär, Teamplayer. Notiert: mha Bild: Roger Nigg

Brüggli

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Brüggli auf einen Blick mha. Was macht Brüggli? Was für Tätigkeitsfelder gibt es? Welche Berufe kann man bei Brüggli erlernen und praktizieren? Die druckfrische Broschüre «Vielfalt statt Einfalt – Brüggli im Überblick» gibt Antworten. Die einzelnen Center kommen ebenso zur Geltung wie die Eigenprodukte von 4pets und Leggero sowie das agogische Portfolio – ideal, um rasch einen Überblick zu bekommen über ein Brüggli mit vielen Pfeilern. Mitarbeitende von Brüggli können

die Publikation am Empfang beziehen oder über den IBISShop bestellen. Interessierte von auswärts wenden sich bitte an michael.haller@brueggli.ch  oder schauen auf www.brueggli.ch nach.

Ralph holt Bronze lhe. Ralph Stieger ist aus dem ersten Arbeitsmarkt zu Brüggli gekommen. Die Druckerei, in der er seine Ausbildung absolvierte, wurde im vergangenen Jahr geschlossen, wodurch der lernende Drucktechnologe EFZ im 3. Lehrjahr seine Lehrstelle verlor. «Wir wären nicht Brüggli, wenn wir da nicht Hand geboten hätten», sagt Stefan Blättler, Bereichsleiter Druck bei Brüggli Medien. Ralph Stieger mache seine Arbeit gut – so gut sogar, dass er an den diesjährigen Schweizer Meisterschaften des Berufs Druck-

technologe/-login EFZ mitmachen durfte. «Wir haben das mit unseren anderen beiden Lernenden besprochen. Sie mögen es ihm gönnen», sagt Stefan Blättler. Sie hätten es sogar sehr positiv gesehen, dass jemand von Brüggli da teilnehmen kann, auch wenn er aus dem ersten Arbeitsmarkt ist. «Die Meisterschaft kann man sich vorstellen wie die LAP. Nur haben wir da zwei Tage Zeit, bei den Swiss Skills sind es bloss sechs Stunden», sagt Ralph Stieger. Diese sechs Stunden meisterte er mit Bravour und holte sich den dritten Platz. Herzlichen Glückwunsch!

Ein Briefkasten für Lob, Sorgen und Ideen lhe. Ein Anliegen zu äussern, ist nicht immer einfach. Im Bereich Co-Packing kam der Wunsch auf, anonym Anregungen abgeben zu können. Drei Mitarbeitende haben daraufhin einen Briefkasten gebaut, in den ihre Kolleginnen und Kollegen ihre Anliegen sowie Lob und Kritik einwerfen können. Das «Motz- und Sorge-Chäschtli» sei so gut angekommen, dass sich mittler-

weile auch andere Abteilungen dafür interessierten und ebenfalls gerne einen solchen Briefkasten hätten. «Es ist toll, dass unser Projekt so gut bei den Leuten ankommt», sagt Patrizia Schildknecht, Mitglied des Projekt-Teams. Der Briefkasten sei vor allem für die Leute eine Chance, die sich ohne ihn nicht trauen würden, ein Anliegen zu äussern. So wird auch ihre Stimme gehört.


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Rätsel

Wer findet die 5 Unterschiede? Zweimal dasselbe Bild – mit fünf kleinen Unterschieden. Wer findet alle? Kreisen Sie die entsprechenden Stellen ein und senden Sie den Talon vollständig ausgefüllt per interner Post an: «Unterwegs» Unternehmenskommunikation Wenn Sie nicht bei Brüggli tätig sind, senden Sie Ihren Talon in einem frankierten Kuvert an:

Einsendeschluss: 31. März 2021 Der Gewinner oder die Gewinnerin wird im April 2021 persönlich benachrichtigt. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Keine Barauszahlung des Gewinnes.

Verlosung unter allen richtigen Einsendungen: ein Brunch-Gutschein à CHF 32.50.– der Gastronomie Usblick

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Gewinnerin der Verlosung im letzten «Unterwegs»: Ga

Astrid Fässler, Romanshorn, privat Brüggli Rätsel «Unterwegs» Hofstrasse 5 8590 Romanshorn

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PLZ  /  Ort

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Jubiläen

Die Geschäftsleitung von Brüggli dankt allen Jubilarinnen und Jubilaren für ihre Treue und ihren Einsatz. Alles Gute und viel Glück.

Juli bis Dezember 2020

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Floriano Santoro

Jahre

Tobias Bärlocher, Teamleiter Brüggli Industrie, 4.7.2020 Milan Ivankovic, Teamleiter Wohnen, 1.8.2020 Rachel Ndongala, Mitarbeiterin Brüggli Industrie, 1.8.2020 Floriano Santoro, Teamleiter Bildung, 1.8.2020 Emil Perera, Mitarbeiter Brüggli Industrie, 28.8.2020 Toni Albertin, Teamleiter Brüggli Industrie, 15.10.2020 Fatma Filiz, Mitarbeiterin Brüggli Medien, 1.11.2020 Philipp Fischer, Mitarbeiter Brüggli Industrie, 1.11.2020

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Peter Schmid, Leiter HR, 1.7.2020

Rebekka Kirchner, Teamleiterin Bildung, 1.7.2020 Dominik Zimmermann, Teamleiter Informatik, 1.8.2020 Urs Regenass, Teamleiter Brüggli Medien, 8.8.2020 Rolf Gerber, Mitarbeiter Brüggli Industrie, 1.9.2020 Roger Frischknecht, Mitarbeiter Informatik, 1.11.2020 Marion Rüesch, Mitarbeiterin Brüggli Medien, 1.11.2020

25

Jahre

Roger Frischknecht

15

Jahre

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h Rebekka Kirc

Urs Regenass

id Peter Schm Dominik Zimmermann

Milan Ivankovic

Rolf Gerber, Marion Rüesch, Fatma Filiz, Rachel Ndongala und Philipp Fischer möchten nicht mit Foto gezeigt werden.


r e t a v i r p Ihr h c n u r b s g a t n n So RE

A TI O V R E S

N:

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