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Fairtrail

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Designstücke

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Respekt und Toleranz auf dem Bündner Wegnetz

P. Stirnimann

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Aktivferien mit Wandern und Biken sind im Trend, verstärkt durch die Einschränkungen infolge der Coronapandemie. Das kann auch in einem Kanton wie Graubünden mit seinem grossen Wegnetz lokal zu «Dichtestress» führen und damit zu Nutzerkonflikten. Mit seiner Kampagne «Fairtrail, nett, suuber und parat» wirbt der Kanton zusammen mit den touristischen Leistungsträgern für ein harmonisches Miteinander auf den Bündner Trails und Wanderwegen: Der gemeinsame Weg ist das Ziel. Die aktive Betätigung in der Freizeit und in den Ferien nimmt in der schweizerischen und auch ausländischen Bevölkerung einen stark ansteigenden Stellenwert ein. Für den Tourismuskanton Graubünden sind betreffend Sommerangebot das Wandern und das Mountainbiken von grossem Interesse. Der Kanton hat mit den Projekten graubündenBIKE (2010–2015), graubündenHIKE (2015–2020) und graubündenE-MTB (2017–2020) aktiv auf diese Entwicklung reagiert. In Zusammenarbeit mit den touristischen Leistungsträgern erarbeitete das Tiefbauamt Graubünden als Fachstelle Langsamverkehr Grundlagen zur Entwicklung des Angebots im Wandern und Mountainbiken, förderte die Vernetzung der betroffenen Stellen und Organisationen innerhalb des Kantons und unterstützte die Destinationen gezielt bei einzelnen Projekten. Nicht zuletzt als Resultat dieser Anstrengungen gilt Graubünden als führend im touristischen Langsamverkehr.

Koexistenz und Entflechtung

Das für den Langsamverkehr nutzbare Wegnetz ist trotz der Grösse des Kantons grundsätzlich begrenzt. Das gesamte von der Landestopografie erfasste Netz von Strassen, Wegen, Pfaden und Wegspuren in Graubünden beträgt rund 20 600 km. Davon sind rund 11 000 km als Wanderwege signalisiert, davon wiederum mit 2100 km Doppelnut-

Plakataushang als Teil der Aufklärungskampagne.

(Bild: Fairtrail 2020)

So sieht Nahla, 6 Jahre, das aktive Miteinander in der Natur. (Bild: Einsendung im Rahmen des Zeichnungswettbewerbs Fairtrail 2020)

zung Wandern und Velofahren/Biken. Rund 700 km sind als reine Bike-/Velorouten beschildert. Mit der Signalisation des Langsamverkehrs ist die bewusste Kanalisierung und damit die Lenkung des Langsamverkehrs, im Speziellen des Mountainbikens, verbunden. Bei der Planung der signalisierten Wege und Routen im Rahmen der Richt- und Nutzungsplanung¹ wird wo immer möglich eine Entflechtung, also eine physische Trennung auf getrennten Wegen angestrebt. Dies ist jedoch nicht immer möglich. Neubauten sind teuer und sind auch aus landschaftsschützerischen Aspekten zumeist unerwünscht. Die gelebte Koexistenz, also die gemeinsame Nutzung der Weginfrastrukturen, ist in den überaus meisten Fällen die einzige Lösung. Mit der technischen Entwicklung des Mountainbikes sowie dem stark gestiegenen fahrerischen Können der Mountainbiker, ist von einer flächendeckenden Nutzung des Wegnetzes auszugehen. Diese Tendenz wird unterstützt durch die weitverbreitete Nutzung der Social Media im Mountainbikesport mit Tourenvorschlägen, Best of, geführten Touren, Geheimtipps und dergleichen. Diese Entwicklung zeigt sich auch nachdrücklich bei den im Jahr 2020 in der Schweiz verkauften Mountainbikes im Vergleich zu 2019: ein sattes Plus von 33 Prozent bei den E-MTB und 40 Prozent bei den Mountainbikes ohne Motor². Koexistenz und Entflechtung waren und sind wichtige Themen der Projekte graubündenBIKE, grau-

bündenHIKE und graubündenE-MTB. Beides ist Teil des regelmässigen Austauschs mit den touristischen Leistungsträgern. So wurden beispielsweise bereits in den Jahren 2011 bis 2015 rund 10 000 Veloglocken im Kanton verteilt, welche ein wirksames Mittel zur besseren gegenseitigen Wahrnehmung auf gemeinsam genutzten Wegen sind. Rund 400 Respektschilder wurden 2018 gratis an die Gemeinden abgegeben zur Thematisierung des gemeinsamen Weges. Es darf als Fazit dieser Anstrengungen sicher festgehalten werden, dass trotz der stürmischen Zunahme des Mountainbikens in Graubünden und des damit verbundenen Konfliktpotenzials das Nebeneinander von Wanderern und Bikenden gut funktioniert. Verschiedene Grundlagenarbeiten von graubündenBIKE sind in der Folge vom Bundesamt für Strassen³ und der bfu4 in ihren Arbeitshilfen übernommen worden.

Eindrückliche Zuwachsraten bei den Mountainbike

verkäufen. (Grafik: Velo Suisse)

Fairtrail 2019 bis 2020: nett, suuber und parat mit Bündner Humor

Als Resultat eines Workshops im Rahmen von graubündenE-MTB mit den touristischen Leistungsträgern des Kantons und mit Einbezug von Wanderwege Graubünden wurde im Sommer 2019 die Fairtrail-Kampagne zur Propagierung eines fairen Miteinanders auf den Trails lanciert. Zusammen mit der Agentur Trimarca wurden eine Grundlagen-Broschüre, Give-aways inklusive Fairtrail-Veloglocke, Plakataktionen und Social-Media-Plattformen entwickelt. Langsamverkehr-Rangers suchten als Fairdinands den direkten Kontakt mit Wandernden und Bikenden auf den Trails, um das faire Miteinander auf den Trails zu propagieren. Auch das korrekte Schliessen der Zaundurchgänge in der Alp- und Landwirtschaft ist Teil der Kampagne: mit Warnwimpeln, welche gratis bei der Fachstelle bezogen werden können. Die Kampagne wurde von den Destinationen, Hotelbetrieben, Bikeschulen und weiteren Kreisen aktiv unterstützt. Die Rückmeldungen der Fairdinands über ihre Gästekontakte auf den Trails zeigen, dass die Kampagne von den Gästen sehr positiv aufgenommen wurde. Sie darf als gelungener Unique Selling Point mit Bündner Humor bezeichnet werden. Die Kampagne wurde auch von Graubünden Ferien auf ihrer Website als positive Darstellung des Ferienkantons verwendet. Neben den Eigenleistungen der Beteiligten wurde die Kampagne mit Mitteln der Projekte graubündenHIKE und graubündenE-MTB finanziert. Fairtrail ist für das friedliche Miteinander auf den Bündner Wegen und Trails auch längerfristig bedeutsam. Befeuert durch neue Gästesegmente auf E-Mountainbikes, dem Trend zu Aktivferien und nicht zuletzt das steigende Interesse an Ferien im eigenen Land infolge der Coronakrise führen zu deutlich mehr Verkehr auf dem LV-Wegnetz. Damit verbunden ist auch ein potenziell höheres Konfliktrisiko mit entsprechenden negativen Medienberichten in Konfliktfällen.

Auch 2021 bis 2023 auf dem Fairtrail unterwegs, unterstützt von Nino Schurter

Graubünden gilt dank der Anstrengungen aller Beteiligten im Tourismus und natürlich nicht zuletzt wegen seiner einzigartigen Landschaft und Kultur schweizweit als führend im touristischen Langsamverkehrsangebot. Auch europaweit – zumindest im deutschsprachigen Raum – ist Graubünden bekannt für einen offenen, konstruktiven und freundlichen Umgang mit und zwischen Wanderern und Mountainbikern. Diese für einen gedeih-

Auch im 2021 auf dem Trail gehört werden mit der Fairtrail-Glocke.

(Bild: Fairtrail 2020)

lichen Sommertourismus unverzichtbaren Rahmenbedingungen gilt es unter allen Umständen zu wahren. Die Vorbereitungen für eine erfolgreiche Kampagne 2021 sind im Gange. Neu ist auch Nino Schurter, das Bündner Aushängeschild im internationalen Mountainbikesport, Botschafter der Fairtrail-Idee. Mit verschiedenen Testimonials wird er für das friedliche Miteinander auf dem Bündner Wegnetz werben. Die Regierung hat die Weiterführung der Fairtrail-Kampagne im Dezember 2020 für weitere drei Jahre genehmigt und die notwendigen Mittel bereitgestellt, davon 514 000 Franken im Rahmen der Neuen Regionalpolitik des Bundes (NRP). Neben dem Tiefbauamt als Projektträger beteiligen sich die Wanderwege Graubünden, die Graubündner Kantonalbank sowie Graubünden Ferien mit weiteren finanziellen Mitteln. Das Gesamtbudget inklusive der verrechenbaren Eigenleistungen der Beteiligten beträgt 1,028 Millionen Franken. Weitere Informationen zu Fairtrail finden sich auf der Webseite der Kampagne (https://www.graubuenden.ch/de/fairtrail) Oder auf den Sozialen Medien: www.instagram.com/fairtrailgraubuenden www.facebook.com/fairtrailgraubuenden

Peter Stirnimann, Trail Consulting, führt zusammen mit Flurina Marugg von Allegra Tourismus das Projekt «Fairtrail 2021 bis 2023» als externe Projektleitung im Auftrag der Fachstelle Langsamverkehr Tiefbauamt Graubünden.

1 Mountainbike und Raumplanung, bau- und planungsrechtliche Anforderungen für den Bau und die Nutzung von Mountainbikerouten und -anlagen, Amt für Raumentwicklung, Fachstelle Langsamverkehr. 2 Verkaufsstatistik Velo Suisse. 3 Wandern und Mountainbiken – Entscheidungshilfe zu Koexistenz und Entflechtung, ASTRA 2020 4 Signalisation Mountainbike-Pisten, bfu 2016.

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