Im Handgepäck Rassismus

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Im Handgep채ck Rassismus Beitr채ge zu Tour ismus und Kultur

FernWeh




i m p r e s s u m

FernWeh

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Im Handgepäck Rassismus: Beiträge zu Tourismus und Kultur/ informationszentrum 3. welt. Martina Backes... (Hg.). – Freiburg (Breisgau): Informationszentrum Dritte Welt, 2002 ISBN 3-922263-19-4 1. Auflage 2002

FernWeh – Forum Tourismus & Kritik im iz3w Martina Backes, Tina Goethe, Stephan Günther, Rosaly Magg (Hg.) Verlag Informationszentrum Dritte Welt (iz3w) Postfach 5328, 79020 Freiburg. www.iz3w.org Alle Rechte vorbehalten. Jede Form der Verwertung und der elektronischen Publikation ohne Zustimmung des Verlags und der AutorInnen ist unzulässig. Satz und Gestaltung: Büro MAGENTA. Freiburg. Herstellung: Druckerei schwarz auf weiss. Freiburg. Titelbild: Thomas Cernay

Die Herausgabe des Buches wurde gefördert durch: à Kommission der Europäischen Union à Deutsche Stiftung für Internationale Entwicklung à Umverteilen! Stiftung für eine solidarische Welt


Im Handgep채ck Rassismus B e i tr채ge zu Tour ismus und Kultur

M a r t i n a B a c k e s , Ti n a G o e t h e , S t e p h a n G 체 n t h e r, R o s a l y M a g g ( H g . )

FernWeh


In halt

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Im Handgepäck Rassismus

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Das Erlebnis der Grenze Über die Verwandtschaft von Rassismus und Tourismus

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Reise und Rasse Tourismus als Motor globaler Klassenbildung

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Hito Steyerl

Gestrandet Von Fremden und Allzufremden an der Costa del Sol

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Rosaly Magg

Das Un - Behagen in den Kulturen Multikulturelle Gesellschaft auf Reisen

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Ursula Biemann

Wild – Fremd – Frau Weiblichkeitsbilder im Tourismus

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Dominik Bloedner

Das Begehren nach Eroberung Ein Versuch, die sexuelle Ökonomie neu zu kodieren

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Tina Goethe

Das ‘Andere’ Eine postkoloniale Erzählung

Nina Rao

Christopher Vogel


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Das ganze Land in einem Dorf Die ‘Bomas of Kenya’

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Martina Backes

Mit weissem Blick Bilderwelten im Reisekatalog

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Traumwelt Tibet Westliche Trugbilder

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Jessica Olsen

Martin Brauen

Das gekaufte Anderssein Erfahrungskonsum in der Fremde

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Martina Backes

Farbenblind Die Wiederkehr des Rassismus auf Kuba

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Der Mann mit dem Stiefel Fotografie und touristisches Verhalten

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Alejandro de la Fuente

Christiane Schurian-Bremecker

Einheimische zum Mitnehmen Interview mit der Fotografin Marily Stroux über Rassismus in Bildern

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Begegnung auf gleicher Augenhöhe ? Das Workcamp als Ort interkulturellen Lernens

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AutorInnen

Inhalt

Nikolaus Ell


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Im Handgepäck Rassismus

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Wer heute auf dem Weg in den Urlaub die Grenzen nach Frankreich oder zur Schweiz passiert, merkt häufig kaum noch etwas von diesem besonderen Moment der Reise: Beamte des Bundesgrenzschutzes schlendern durch den Zug, Zöllner winken gelangweilt Autos und Wohnmobile über die bis vor kurzen noch gut gesicherten Landesaus- und -eingänge. Man könnte meinen, die Grenzen in Europa seien tatsächlich gefallen, würden nicht die Grenzschützer immer dann aus ihrer scheinbaren Lethargie erwachen, wenn sie dunkelhäutige oder auch nur dunkelhaarige Reisende erblicken. Offenbar reagieren die Beamten nach einem simplen Reiz-Reaktions-Muster: Schwarze werden kontrolliert, ihre Pässe geprüft, nicht selten auch das Gepäck durchsucht. An der Grenze wird das Verhältnis von Tourismus und Rassismus offensichtlich: Die Reisefreiheit hängt ab vom Kontostand der Reisenden und ihrer Hautfarbe. Die Möglichkeit zu reisen unterliegt ökonomischen und rassistischen Einschränkungen. Doch die Verbindungen zwischen Rassismus und Tourismus sind weitaus vielschichtiger. Denn Reisen und »Kulturaustausch« bieten eben auch die Chance, Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Feindschaft zu überwinden. Das jedenfalls war eine weit verbreitete Hoffnung in Europa – und speziell in Deutschland – nach den Weltkriegen. Wer in Kontakt kommt, miteinander redet und Freundschaften schließt, so die bisweilen etwas naive Vorstellung, der führt keine Kriege mehr gegeneinander. Gewerkschaften organisierten


Reisen ins europäische Ausland, der aufkommende »Schüleraustausch« sollte junge Leute für ‘fremde Kulturen’ begeistern und die Esperanto-Bewegung kreierte gar eine internationale Sprache. Doch touristisches Reisen hat meist nicht viel zu tun mit Kulturaustausch, Kontaktpflege oder gar ‘Völkerverständigung’. Obwohl die EuropäerInnen immer mehr reisen – die Deutschen sind inzwischen sogar »Reise-Weltmeister« – haben sie ihren Rassismus dabei nicht überwunden. Die Reisefreudigkeit scheint kaum Auswirkungen auf das Alltagsverhalten der TouristInnen zu haben, sondern im Gegenteil bestätigt sich, was der Schriftsteller Erhart Kästner schon Anfang der 70er Jahre vermutete: »Was kommt schon dabei heraus, wenn sie alle in fremde Länder zu reisen anfangen! Nichts; sie tragen ja doch wie die Zinnsoldaten ihr bisschen Standort mit sich herum.« So verlassen Reisende zwar ihre gewohnte Umgebung für eine Weile – eigentlich Vorraussetzung, um Perspektiven zu öffnen, Horizonte zu erweitern oder eigene Positionen zu hinterfragen. Aber mit ihrem »bisschen Standort« tragen sie, gewissermaßen im Handgepäck, auch allerlei Vorstellungen und Bilder mit sich herum, die in der kurzen Urlaubszeit nur schwer zu verändern sind. Reiseführer, Bücher, Fernsehen und Zeitungen haben die ‘Kultur’ des Reiselandes und die‘Mentalität’seiner Bevölkerung lange vor der Reise vermittelt. Dabei verfahren Reiseunternehmen und Tourismusagenturen streng nach den Regeln des Marktes. Angebot und Nachfrage werden aufeinander abgestimmt. So kann es durchaus vorkommen, dass ein Reiseland als fremd und exotisch angepriesen wird, um kulturell Interessierte anzuwerben, und zugleich – für die Pauschaltouristen – sein »westlicher Standard« hervorgehoben wird. Vor allem in (kultur-)fernen Ländern kann es für die eine Zielgruppe ein Anreiz sein, »fremde Kulturen, die sich bis heute erhalten haben,« kennen zu lernen, während gegenüber der anderen betont wird, dass etwa »ein clubeigener Strand zur Verfügung steht«. Es gibt also einen Tourismus-Markt, der das Bedürfnis derjenigen bedient, die sich ungestört erholen wollen (von Ballermann über Robinson-Club bis hin zum Luxus-Golfurlaub), und einen anderen, der Abenteuer und Begegnung mit Einheimischen verspricht. In diesem Buch wird es um ersteren nur selten gehen – zu offensichtlich ist die Ablehnung alles Fremden, wenn etwa damit geworben wird, dass der Club, das Hotel oder die Anlage völlig abgeschottet sei vor (lästigen) Einheimischen. So arrangieren sich in Im Handgepäck Rassismus

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vielen Ferienorten die BewohnerInnen damit, bloße Dienstleister im Tourismus zu sein. Sie sind für die viel gepriesene ‘traditionelle Gastfreundschaft’ zuständig. Wie selektiv diese Gastfreundschaft jedoch ist, erweist sich, wenn neben den Urlaubern auch ungebetene‘Gäste’ auftauchen. Dominik Bloedner zeigt in seinem Beitrag, wie an der Costa del Sol mit zweierlei Fremden umgegangen wird: Europäische Touristen, die umworben werden, weil sie Geld ins Land bringen, und afrikanische Flüchtlinge, deren Einreise verhindert werden soll, weil sie ebendies nicht besitzen, als billige Arbeitskräfte in der Landwirtschaft aber sehr wohl benötigt werden. Subtiler tritt der Rassismus dort hervor, wo viel von Multikulturalität und Völkerverständigung die Rede ist. Solchen Vorstellungen liegt nämlich meist ein statischer Kulturbegriff zugrunde. Traditionen, Riten, Tänze, Gebräuche oder Moden gelten ihm als faszinierende, unveränderliche Eigenschaften homogener Kulturen, die von den Reisenden gleichzeitig als geschichtslos, primitiv und rückständig empfunden werden. Tina Goethe skizziert dieses prekäre Verhältnis von Kultur, Tourismus und Rassismus; liegt doch dem touristischen ebenso wie dem rassistischen Blick auf Kultur die Betonung von Differenz zugrunde. Dem spürt auch Christopher Vogel in seinem Beitrag zur »multikulturellen Gesellschaft auf Reisen« nach. Wie die multikulturelle Gesellschaft ‘Gastarbeitern’ und ‘Ausländern’ ihren eigenen kulturellen Platz in der Mehrheitsgesellschaft zuweist, so wird auch im Tourismus das Eigene und das Fremde akribisch auseinandergehalten. AusländerInnen in Deutschland sollen zwar die Multikultur bereichern, indem sie ihre Traditionen pflegen, sich jedoch gleichzeitig einer ‚deutschen Leitkultur’ unterordnen. Ähnlich ergeht es den ‘Bereisten’ in den Urlaubsländern: Zwar sind ihre ‘Kulturen’ als Vorführung und Inszenierung gefragt, in erster Linie sollen sie jedoch die ‚westlichen Ansprüche’ ihrer Gäste befriedigen. In der Tourismusbranche werden also kulturelle Differenzen als zentrales Element der Vermarktung auf die Spitze getrieben. Verkauft werden können exotische Reisen offenbar besonders gut, wenn sie Ausflüge in die »archaische Welt der Massai« versprechen oder »auf den Spuren Dschingis Khans« wandeln. Relikte aus längst vergangenen Zeiten werden dabei zu zentralen Elementen der ‘Kultur’ eines Landes gemacht. Die zugehörigen BewohnerInnen werden wahlweise als naturverbundene Bewahrer alter Werte und Traditio-


nen oder aber als rückständige Ureinwohner präsentiert. Martina Backes und Martin Brauen zeigen diese Praxis an den Beispielen Kenias und Tibets. In beiden Fällen werden jahrhundertealte Vorstellungen und Bilder aufgegriffen, die Forschungsreisende schon zu Kolonialzeiten geprägt haben: in Kenia das Bild des ‘stolzen Massai’ und in Tibet die Vorstellung vom meditierenden Buddhisten. Als rückständig und traditionsgebunden gilt auch die Armut in Indien. Nina Rao beschreibt, wie die Kultur- und Tourismusindustrie Armut als traditionelles ländliches Leben verklärt. Damit werden die Ursachen für Armut und Entrechtlichung unter den Tisch gekehrt. Die Vermarktung des Landlebens durch den Tourismus führt sogar dazu, dass Traditionen und Riten aufrechterhalten werden, die ohne den Tourismus keinerlei Existenzgrundlage mehr hätten. Betroffen sind hier gerade auch Frauen, denen so erneut der Platz am Herd zugewiesen und der Zugang zu den in langen Befreiungsbemühungen erkämpften frauenpolitischen Rechten verwehrt wird. In derlei touristischer Kultursymbolik haben Frauen nicht nur in Indien ihren festen Platz. Immer wieder werden Frauenbilder in der Tourismusbranche mit den attraktiven Attributen ‘wild’ und ‘fremd’ versehen. Rosaly Magg zeigt am Beispiel des Orientalismus, wieso die Vorstellungen von archaischem Leben und indigener Kultur vor allem über Frauen vermittelt werden. Alte Kolonialphantasien von Entdeckung und Eroberung (des Landes und der Frauen) leben im Tourismus fort und prägen Weiblichkeitsbilder von der ‘verführerischen Fremden’ und der ‘zu erobernden Exotin’. Wie solche symbolischen Darstellungen des Weiblichen mit der wirtschaftlichen und materiellen Realität der Frauen im transnationalen Sexhandel zusammenwirken, zeigt Ursula Biemann an den Beispielen Thailands und der Philippinen. In den Erholungs- und Vergnügungszentren für US-Militärs, die schon während des Vietnam- und Koreakrieges in den südostasiatischen Ländern errichtet wurden, florierte die Prostitution. Heute sind Sextourismus, Heiratsmigration und Frauenhandel unterschiedliche Formen sexuell motivierter Mobilität von globalem Ausmaß. Dabei sind es diesmal die Marginalisierten, die als (illegale) Prostituierte in die für Sextouristen leicht zugänglichen Orte migrieren. Nicht nur, dass sich im Sextourismus alte Machtverhältnisse materialisieren und Frauenschicksale bestimmen – es kommt auch zur Feminisierung ganzer Länder wie im Falle Thailands. Im Handgepäck Rassismus

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Die im Sextourismus so konkrete Ebene der individuellen Lebenserfahrungen und die symolische Ebene der Bilderwelt verschwimmen indes in der Werbung. Das touristische Marketing greift auf, was sich an Motiven anbietet und illustriert sie in bunten Ferienkatalogen. Jessica Olsen geht mit ihrer Analyse des Reiseprospekts über die Beschreibung bloßer Wiederverwertung entsprechender Symbolik hinaus und wagt den umgekehrten Weg: Nicht der Prospekt ist Resultat (meist kollektiver) Vorstellungen über die Reise und das Reiseziel, sondern die Reise realisiert sich als Folge einer konstruierten Bilderwelt des Prospekts. Paradox erscheint diese Verdrehung dadurch, dass sowohl die TouristInnen um die Überzeichnung und um den Schein der Prospektwelt wissen als auch die Dargestellten durchaus Distanz zum inszenierten Spektakel ethnischer Vielfalt haben. Warum aber funktioniert die Werbung dennoch? Vielleicht, weil es dem modernen Reisen weniger um die Fremde(n) als solche geht. Vielmehr ist die Subjektkonstituierung der Reisenden selbst ein wichtiger Beweggrund. Das Sammeln von ‘Begegnungen’ und ‘Erfahrungen’ scheint, wie Martina Backes zeigt, konstitutiv für die eigene Identität – Reisen in Form von Erfahrungskonsum dient der Individualisierung innerhalb der modernen Gesellschaft. Dahinter steckt die Annahme, ‘Individualität’ durch diejenige ‘Freiheit’ realisieren zu können, sich als Kunde in der uniformen Warengesellschaft die Reise nach eigenen Vorlieben auszusuchen. Im Tourismus ist diese Verflechtung von ökonomischer Globalisierung und Differenzkonsum nicht wegzudenken, Individualisierungsbedürfnisse der Reisenden und Expansionszwang der Unternehmen ergänzen sich. Reisen lassen sich aber schlechter als andere Güter mit nach Hause nehmen – also dient vor allem das Urlaubsfoto als Bestätigung erfolgreicher Reisen. Dabei erfüllt weniger das Foto selbst als vielmehr der Akt des Fotografierens den eigentlichen Vorgang des Konsumierens. Konsumiert wird hierbei, wie Christiane SchurianBremecker in ihrem Beitrag über das Fotografieren von Keniareisenden zeigt, was an vorgefassten Bildern mit auf die Reise ging. Obwohl nämlich immer Distanz zwischen Abgelichteten und Fotografierenden gehalten wird, obwohl der Bildinhalt sich nach dem Wunsch der Reisenden richtet und zu Hause das Bild seinem ursprünglichen Kontext entrissen und durch die Urlaubsgeschichte neu gerahmt ist, wird


Fotos ein hoher Grad an Authentizität zugeschrieben. Reisende reproduzieren die Bilder über Fremde oder definieren sie nach ihren eigenen Vorlieben neu. Der ICH-WAR-DA-Blick der meisten Reisenden, den die Fotografin Marily Stroux beschreibt, kann nur schwer ein Bild hervorbringen, das irritiert oder zum Nachdenken anregt. Dennoch: Die Abgelichteten sind in der Beziehung zu den Schnappschützen nicht einfach passiv. Sie fordern Bezahlung, Sammeln die Fotos per Post oder bringen sie auf vielfältige Weise in eigene Aktionen ein – ohne damit allerdings das Phänomen der kamerabeladenen Touristinnen grundsätzlich zu ändern. Die Frage nach der aktiven und passiven Rolle von Reisenden und Gastgebern taucht mit jeder Form von ‘Begegnung’ auf. Workcamps, Reisen mit Arbeitsaufenthalt, bauen dabei auf die touristische Zurückhaltung auf der einen und die Handlungsfähigkeit der Bevölkerung auf der anderen Seite – nicht zuletzt zum Ziele der Reflexion eigener Wahrnehmungsmuster und Verhaltensweisen. Hinter den seitens der Organisationen des Jugendaustauschs arrangierten ‘Begegnungen’ finden sich, wie Nikolaus Ell darstellt, anitrassitisch motivierte Ideen – auch wenn diese, deklariert als interkulturelle Erfahrung, eine gewisse Einseitigkeit nicht aufbrechen können: Schließlich entspringen auch sie zunächst einem Bedürfnis der westlichen Gesellschaft. Das Workcamp ist also kein Garant für besseres Reisen, es bietet jedoch vielerlei Ansatzpunkte, Bewegung in starre rassistische Muster zu bringen. Dasselbe wollte auch die kubanische Politik. Mit Kampagnen gegen Rassenrhetorik und Rassendiskriminierung warb die Revolutionsregierung für eine egalitäre, ‘farbenblinde’ Gesellschaft. Ihr Programm erwies sich zwar stellenweise als hilfreich, allerdings ohne den Rassismus wirklich hinter sich zu lassen. Alejandro de la Fuente zeigt, dass Rassismus nicht nur koloniales Erbe ist, sondern als aktuelles Problem vor allem dort wieder aufbricht, wo ökonomische Interessen und Konkurrenz ins Spiel kommen. So spielt Rasse als soziale Kategorie gerade in den dynamischsten Wirtschaftszweigen – und damit im Tourismus – wieder eine Rolle auf Kuba. Schwarzen werden negative, von den TouristInnen nicht gewünschte Eigenschaften angedichtet, womit ihnen der Zugang zu Jobs im Tourismus erheblich erschwert wird. Andererseits werden schwarze Haut und schwarzer Rhythmus für Kubas Tourismusmarketing erfolgreich eingesetzt. Im Handgepäck Rassismus

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Ganz offensichtlich, das zeigen die in diesem Band versammelten Aufsätze, unterstützt der Tourismus eine rassistisch strukturierte (internationale) Arbeitsteilung und globale Klassenkategorien. Und dies nicht erst in Bezug auf den ‘Zugang’ zu Arbeit als attraktive Einnahmequelle (wie heutzutage auf Kuba) oder als Job Unterprivilegierter (wie im globalen Sextourismusgeschäft). Klassenbildung war, wie Hito Steyerl darlegt, bereits Folge der frühen Forschungsreisen. Die Reise war ein Privileg, die Mobilität diente dem Erwerb universeller Erfahrungen, und dieses Wissen über die Fremde(n) benutzte die bürgerliche Klasse zur Abgrenzung gegenüber den ArbeiterInnen. Schließlich definierte es die Hierarchie zwischen der industrialisierten Welt und dem Süden. Ohne die Geschichte des Reisens ist die Konstruktion von Rassen gar nicht denkbar. Und die im Laufe dieser Geschichte formulierten Zuschreibungen sind bis heute wirksam – nicht zuletzt im Tourismus werden sie fortgeschrieben. die HerausgeberInnen

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Das Erlebnis der Gr enze Ü ber die Ve r wa nd t s ch a ft vo n Ra s s i s m u s u n d To u r ismu s

Tina Goethe

»Mexiko gilt wegen seiner reichen kulturellen Geschichte, seiner einzigartigen landschaftlichen Vielfalt, seiner besonderen Musik- und Tanztraditionen und vor allem seiner Menschen zu Recht als eines der faszinierendsten Länder der Welt.« Ob Indien, Spanien, Ägypten oder eben Mexiko: Erste Sätze aus dem Vorwort von Reiseführern sind meist austauschbar. Dabei verlangt der Tourismus nach Einzigartigkeiten, die er vor allem in den ‘unterschiedlichen Kulturen’ der zu bereisenden Länder sucht. Egal ob Volkskultur oder hochkulturelle Zeugnisse der Vergangenheit – Kultur, die zu besuchen es sich lohnt, muss vor allem anders sein. Bezugspunkt für die Feststellung von Differenz ist dabei immer die eigene Kultur, die der Touristen und der Tourismusindustrie. Die touristische Suche ist jedoch mehr als nur die Suche nach Unterschiedlichkeit: Über den Akt des Reisens wird diese Differenz oft erst hergestellt. Denn der auf Unterschiede zum Eigenen und Bekannten gerichtete touristische Blick ist selektiv und formt das Vorgefundene gemäß der eigenen Erwartungen und Wünsche. Die auf diese Weise konstruierten Differenzen markieren dann selbst die Grenzen, deren Überschreitung Motivation und Ziel des Reisens ausmacht. Im Tourismus werden tagtäglich millionenfach Grenzen überschritten. Das Ritual der Passkontrolle am Flughafen oder auf der Autobahn ist für westliche TouristInnen in der Regel problemlos und scheint zunehmend an Bedeutung zu verlieren. Dennoch ist das Passieren der Grenzen konstitutiv für eine Reise, deren Beginn durch Das Erlebnis der Grenze

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Motiv: ÂťWorld White Wal lsÂŤ von Emeka Udemba


den Moment des Überschreitens markiert wird. So bedeutet Reisen neben dem tatsächlichen vor allem auch ein Überschreiten von Grenzen auf symbolischer Ebene. Das gilt sowohl für kulturelle Grenzen, vor allem aber für solch reale Grenzen wie die zwischen Nationalstaaten. »Es gibt nichts Natürliches an der Grenze, sie ist ein höchst konstruierter Ort, der durch überschreitende Leute reproduziert wird, denn ohne das Überschreiten haben wir keine Grenze. Dann ist sie nur eine imaginäre Linie, ein Fluss oder einfach eine Wand,« sagt die mexikanische Künstlerin Bertha Jottar in Ursula Biemanns Videoessay ‘Performing the Border’. Trägt der Tourismus also zur Aufrechterhaltung von Grenzen bei? Auch der Rassismus beruht auf der Herstellung von Differenz und Grenzen. Dennoch werden Reisen und Rassismus ganz unterschiedlich bewertet. Während im Tourismus die Differenz positiv erlebt wird – durch Suchen und Entdecken von Neuem –, wird im Rassismus Differenz negativ wahrgenommen. Sie dient der Abwertung und Ausgrenzung. Im Rassismus werden die über konstruierte und tatsächliche Unterschiede voneinander getrennten Gruppen in eine Hierarchie gestellt, die in bestehende Herrschaftsverhältnisse eingebettet ist und diese stützt und reproduziert. Die rassistische Ideologie ist damit auf explizites Grenzziehen angelegt. Die Überschreitung dieser Grenzen, seien sie kulturell, politisch oder als beides – also in der Regel nationalstaatlich – konstruiert, ist nur erwünscht, wenn sie mit kapitalistischen Interessen konform geht. Denn der Verlauf der Grenzen wie auch die Modalitäten ihrer Überschreitung wurden und werden gemäß der Interessen kolonialer und kapitalistischer Expansion festgelegt. An diesen realen wie imaginären Grenzen treffen sich Rassismus und Tourismus. Nun ist die im Tourismus zum alltäglichen Geschäft gehörende exotistische Wertschätzung des Fremden in den letzten Jahren mehrfach als Teil rassistischen Denkens und Handelns analysiert worden. Auch auf die sehr konkreten rassistischen Verhaltensweisen vieler TouristInnen sowie auf Ausbeutung und Ausschluss der einheimischen Bevölkerung durch die touristischen Entwicklungen wird immer wieder aufmerksam gemacht. Die Verbindung zwischen Rassismus und Tourismus ist jedoch noch grundsätzlicher. Deshalb wird die These vertreten, dass der auf der Annahme und Herstellung kultureller Differenzen basierende Tourismus zum Erhalt der symbolischen Ordnung der Welt beiträgt. Diese Welt-Ordnung beruht auf Das Erlebnis der Grenze

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rassistischen Kategorien, die kulturell definiert sind. Reisen und Rassismus basieren beide auf der Konstruktion von Grenzen zwischen unterschiedlichen Kulturen. Damit steht die Kultur im Zentrum von touristischen und rassistischen Betrachtungsweisen der Welt. Entlang des Begriffsfeldes der Kultur, das nicht zufällig auch in der Diskussion um Tourismus Hochkonjunktur hat, soll die strukturelle Verwandtschaft zwischen Tourismus und Rassismus nachgezeichnet werden.

Kultur u n d Ziv i l i sat i o n

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Der Begriff der Kultur hat sich in den vergangen Jahren zu einem schwer fassbaren, semantischen Monstrum ausgewachsen. Von Körper-, Wohn- und so genannter ‘Unternehmenskultur’, von der Kultur des christlichen Abendlandes bis hin zur ‘Ballermann-Kultur’ ist da die Rede. Die klassischen Gegensätze Hochkultur versus Volkskultur, Popkultur, Subkultur oder Kultur als Produktions- und Lebensformen scheinen mehr und mehr zu verschwimmen – hin zu einem alles umfassenden Kulturbegriff. Auch innerhalb der Diskussion um Tourismus wird mit einem sehr breiten Kulturbegriff operiert: Alles ist Kultur und lohnt besucht zu werden – seien es die Fresken der Sixtinischen Kapelle oder die traditionellen Methoden der Olivenernte. Doch trotz dieser zunächst sehr offenen Auffassung von Kultur schleicht sich mit dem Blick auf das ‘Fremde’ meist ein statisches Kulturverständnis ein. Die TourismuswissenschaftlerInnen Hansruedi Müller und Marion Thiem beispielsweise definieren Kultur als das, »was für eine menschliche Gemeinschaft in einer bestimmten Region typisch ist.« Eine derartige Auffassung von Kultur kommt der touristischen Wahrnehmung und dem touristischen Geschäft sehr entgegen. Kulturen sind als abgrenzbare Entitäten mit ihren jeweiligen Besonderheiten vorstellbar, die an bestimmten Orten auffindbar, besuchbar und mehr oder weniger gut zu verstehen sind. Im Grunde sind Kulturen wie Pflanzen, unterschiedlich groß und bunt, die der Hege und Pflege bedürfen (so man sich denn weiterhin an ihnen erfreuen will). Zentral ist vor allem ihre Ortsgebundenheit – sie ‘wachsen’ eben nur in ‘bestimmten Regionen’, die für sie günstig sind. Dieses für den Tourismus typische Kulturverständnis geht oft einher mit der Klage über die Kulturzerstörung durch den Tourismus, eine Klage, die so alt ist wie der Tourismus selbst. Nicht nur von


tourismuskritischen Kreisen wird immer wieder bedauert, wie fremde, bisher ‘unberührte und intakte’ Kulturen durch den Kontakt mit westlichen TouristInnen ‘verdorben’ oder gar ‘infiziert’ würden. Der Kulturbegriff, der dabei für die bereisten Länder angewendet wird, weicht oft stark davon ab, wie die Skeptiker ihre eigene Kultur definieren. Hier zeichnet sich ein grundsätzlicher Widerspruch ab, der auf die Polarisierung der Begriffe ‘Kultur’ und ‘Zivilisation’ Ende des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Waren die Begriffe ‘Zivilisation’ und ‘Kultur’ im 18. Jahrhundert noch Synonyme für den allgemeinen geistigen und materiellen Fortschritt, entwickelte sich ihr Gebrauch im 19. Jahrhundert zunehmend antithetisch. Zivilisation – gemeint war und ist damit die westliche, aufgeklärte Zivilisation – erhielt ihre Bedeutung durch die Konstruktion des Gegensatzes zur ‘Barbarei’. Von den Barbaren und Wilden außerhalb der kapitalistischen Zentren grenzte man sich durch technischen Fortschritt und ‘zivilisiertes’ Verhalten ab. Mit diesem Zivilisationsbegriff einher ging eine Einteilung der Menschheit in verschiedene Kulturkreise und ‘Rassen’, die in eine Hierarchie gebracht wurden, in der das weiße, christliche und aufgeklärte Europa ganz oben stand – dazu berufen, den unzivilisierten Rest der Welt zu erobern und aufzuklären. Die Grenze verlief nicht nur geografisch, sondern auch historisch. Da Zivilisation für ein Modell des dauernden Fortschritts steht, impliziert jeder bestehende Entwicklungszustand ein Werturteil über das Frühere. Alles was ist, ist nicht nur richtig, sondern auch besser, als das was war. Entsprechend wurden die ‘Barbaren’ oder ‘Nicht-Zivilisierten’ auf der Zeitachse bereits überwunden geglaubten Entwicklungsstufen zugeordnet, was einerseits einer (Ab)Wertung entsprach, andererseits aber die theoretische Grundlage dafür bot, die (noch) Nicht-Zivilisierten in das eigene Entwicklungsmodell zu integrieren. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff der Zivilisation nicht nur im deutschen Idealismus zunehmend angegriffen. Mit dem Begriff der ‘Kultur’ sollten die als Kehrseiten empfundenen Aspekte der Zivilisation aufgezeigt werden. Der Kulturwissenschaftler Terry Eagleton beschreibt, wie ‘Kultur’ als Kritik am Bestehenden, als Kampfbegriff eingebracht wurde: »Ein Grund für den Aufstieg des Begriffs ‘Kultur’war (...) der Umstand, daß ‘Zivilisation’als Wertbegriff immer weniger überzeugend klang. (...) Zivilisation war etwas Abstraktes, Entfremdetes, Fragmentarisches, Mechanistisches, UtiliDas Erlebnis der Grenze

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taristisches und stand im Banne des krassen materialistischen Fortschrittsglaubens; Kultur war ganzheitlich, organisch, sinnlich, eingedenkend und trug ihr Ziel in sich. Der Konflikt zwischen Kultur und Zivilisation war Bestandteil eines Kampfes zwischen Tradition und Moderne.« Kultur wurde als ortsgebunden und stammesmäßig verstanden und hatte nichts Kosmopolitisches mehr an sich. Es verkehrte sich damit zumindest in Deutschland in das Gegenteil von Zivilität. Robert C. Young bringt die Komplexität des Kulturbegriffs auf den Punkt: »Kultur ist auf diese Weise ein in sich widersprüchliches Wort – ein Synonym für die Hauptströmung der westlichen Zivilisation und gleichzeitig deren Antithese.« Insbesondere Herder verfolgte die Idee von Kultur als Zivilisationskritik. So habe jedes ‘Volk’ seine eigene, besondere Ausdrucksweise, seine eigene, besondere Kultur, womit der Begriff nur noch im Plural zu denken sei. Herders Kulturdefinition war bewusst gegen den Universalismus der Aufklärung gerichtet, gegen »den Ethnozentrismus einer Kultur-als-universaler-Zivilisation« (Eagleton). Kultur sei nicht »die großartige, unilineare Menschheitserzählung, sondern eine Vielfalt von spezifischen Lebensformen, deren jede ihr eigenes Entwicklungsgesetz in sich trägt.« Herder verband den Kampf zwischen den zwei Bedeutungen von ‘Kultur’ – den der Zivilisation und der Kultur – explizit mit dem Konflikt zwischen Europa und seinem kolonialen Gegenüber. Seine Kritik an Imperialismus und Kolonialismus basierte dabei hauptsächlich auf seiner These der Ortsgebundenheit von Kultur. Durch die territoriale Expansion gefährdete sich nach Herder die kolonisierende Nation selbst: die kulturell homogene Nation entfernte sich von ihrem Ursprung und setzte sich und die kolonisierten Völker über deren Einverleibung, die zwangsläufig Vermischungen bedeutete, existentieller Gefahr aus. Herder war der erste, der das Wort Kultur »im modernen Sinne einer Identitätskultur gebrauchte: einer soziablen, volkstümlichen und traditionellen Lebensweise, die alles durchdringt und den Menschen sich in ihr verwurzelt oder beheimatet fühlen läßt« (Geoffrey Hartmann zit. n. Eagleton). Die Idee von der Kultur-als-bestimmte-Lebensform ist mit ihrer romantisch-antikolonialistischen Vorliebe für ‘exotische’ Gesellschaften bis heute prägend für die Definition von Kultur und Grundlage für die derzeit so gepriesene ‘kulturelle Identität’. Als ein zunächst kritisch gegen die Anmaßungen des Konzepts der Kultur-


als-Zivilisation und deren scharf diskriminierenden Auswirkungen gedachter Begriff tendierte das Konzept der Kultur-als-Lebensweise jedoch von Anfang an zu einer Idealisierung der Volkskultur. »Sie ist eine Wirklichkeit, die auf einer ganz anderen, vitaleren Ebene als der des Geistes gelebt wird und damit der rationalen Kritik verschlossen ist« (Eagleton). Die Bedeutung von Kultur verschob sich damit paradoxerweise hin zu einer Beschreibung der Lebensformen von‘Wilden’ und weg von der der Zivilisierten. Kultur – und damit gut – ist danach alles, was authentisch von den Menschen selber kommt. Aus dieser romantischen Version von Kultur wurde mit der Zeit eine ‘wissenschaftliche’: Im 20. Jahrhundert fand sie insbesondere in der Ethnologie Verwendung. Doch obwohl sie vorgab, keine Wertungen einzelner Kulturen vorzunehmen und sich der Theorie einer auf ‘rassischen’ Unterschieden gründenden Hierarchie der Völker zu entziehen, ging es weiterhin darum, kulturelle Differenzen zu finden und zu beschreiben. Und indem sie sich der Kategorien bedienten, die innerhalb des großen Gegensatzes zwischen Westen und NichtWesten fungierten, arbeiteten diese Beschreibungen Schritt für Schritt an der kulturellen Ordnung der Welt. So lieferten auch die zunächst ‘neutralen’ Analysen ‘fremder Kulturen’ Zeichen und Versatzstücke, die als Träger über sie hinausgehender Bedeutungen gewählt wurden und zu Wertungen einluden. Damit trug nicht nur die Rassenlehre, sondern auch die Ethnologie als Lehre der kulturellen Differenzen zu einer Botanisierung der Menschheit bei.

Vom Sight-See i n g z u m L ife - s e e i n g Die Parallelen zur touristischen Betrachtung von Welt liegen auf der Hand. Die ‘Kultur-als-Lebensform’ ist Zielpunkt der Begehrlichkeiten des modernen Tourismus. Besonders deutlich wird diese Parallele zwischen der Idealisierung von Volkskultur und touristischen Sehgewohnheiten im ‘Life-seeing’. Standen im klassischen Sight-Seeing noch die (hoch-)kulturellen Leistungen aus Kunst und Architektur im Zentrum der Reise, wurden die Inhalte des »Kulturtourismus« inzwischen um das Life-Seeing, also um die Alltagskultur ergänzt. Suchte ein Bildungsreisender wie Goethe in Italien noch architektonische und künstlerische Zeugnisse vergangener Hochkulturen auf, die er voller Bewunderung beschrieb und die den Erzeugnissen der eigenen Kultur überlegen schienen, so werden heute vornehmlich Kulturen-als-Lebensformen Das Erlebnis der Grenze

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besucht. Wegen ihrer angeblich naturverbundenen Einfachheit werden auch diese zwar wieder romantisch verklärt und mit einer Sehnsucht nach den heilen Wurzeln der Menschheit erlebt. Dennoch kann sich kaum jemand ambivalenten Gefühlen entziehen, da das eigene Leben so offensichtlich fortgeschrittener, freier und überlegen erscheint. Auch heute bewundern viele Bildungsreisende unumwunden die prachtvollen Überreste aus besseren Zeiten, wie den Taj Mahal in Indien oder die Pyramiden in Ägypten. Doch darum herum lebt das Volk – und das lebt heute wie damals mehrheitlich einfach und arm. Mit der Verschiebung hin zum ‘Life-seeing’, das die Kultur als Lebensweise und eben nicht mehr als Hochkultur im Blick hat, tritt unweigerlich alles nicht-westliche hinter den Errungenschaften der Zivilisation zurück. Auch auf anderer Ebene wird die Hierarchie zwischen Zivilisation und Kultur-als-Lebensform im Tourismus erneut lebendig.Verstehen sich die meisten TouristInnen als Teil der westlichen Zivilisation, die sie als Segen oder als Fluch empfinden mögen, ist die Motivation vieler Fernreisen der Besuch und/oder das Kennenlernen fremder ‘Kulturen’. »Kultur – das sind die anderen!« schreibt Terry Eagleton über die anthropologische Bedeutung von Kultur. »Wer die eigene Lebenswelt als Kultur definiert, läuft Gefahr sie zu relativieren. Die eigene Lebensweise ist immer einfach menschlich; die anderer Menschen ist ethnisch, eigentümlich, kulturell besonders.« ‘Primitive’, die heute etwas vorsichtiger nicht-westliche Kulturen genannt werden, werden auch und besonders im Tourismus als kohärent und widerspruchsfrei imaginiert. Sie erscheinen als Lebensformen, die man plastisch erfassen kann, weil man außerhalb von ihnen steht, aber auch als Lebensformen von einer Geschlossenheit des Daseins, die der eigenen abgeht. Von dieser Projektion, die mit vielen bunten Details geschmückt die Grundlage exotistischer Denk- und Verhaltensmuster bildet, lebt die Tourismusindustrie. Gesucht und geboten werden vermeintlich ‘intakte Lebenswelten’, die in ihrer ‘Unberührtheit’ eine lebendige Kraft ausstrahlen, die sie aus ihrer ‘Verbundenheit’ mit ihrer natürlichen Umwelt und ihren Traditionen schöpfen. Diese Lebendigkeit, die sich für EuropäerInnen vornehmlich in Tanz, Musik und Ungezwungenheit ausdrückt, scheint der eigenen ‘Kultur’, besser: Zivilisation verloren gegangen. Die Zivilisationsmüden suchen Unterhaltung, Frische oder gar Heilung in der fremden ‘heilen’ Welt.


Die ist jedoch nur solange heile, wie sie von der eigenen Welt unberührt bleibt. Denn obwohl die fremde Kultur als energiestrotzend und ‘gesund’ imaginiert wird, erscheint sie merkwürdig anfällig für Verunreinigungen. Dem Kontakt mit der unheilbringenden Zivilisation, der anscheinend den Beginn des Untergangs markiert, und den viele kulturpessimistische TourismuskritikerInnen gerade dem Tourismus zuschreiben, sind diese Kulturen meist hilflos ausgeliefert. »Die kulturellen Schäden, wie der Verlust der kulturellen Identität der damit verbundenen Entwicklung zum individuellen Materialismus ohne gemeinsames Verantwortungsbewusstsein, Zerfall der Sitten und Zerstörung der bisher ordnungsgebenden lokalen Strukturen, angefangen bei der Familie, gehen ins Mark des Volkes« (Toni Hagen, zit. n. Stock). Diese Perspektive – die Idealisierung einer heilen Welt und die Kritik an ihrer Zerstörung durch den Einbruch der Zivilisation – gleicht dem romantischen Idealismus von Herders Zivilisationskritik auf´s Haar. Und auch hier entspringt die durchaus berechtigte Kritik an den Folgen des Tourismus letztendlich einem Gefühl der Macht und Überlegenheit. Wie schon zu Kolonialzeiten scheint den außereuropäischen Kulturen der Status von Kindern zugesprochen zu werden. So als würden die vom Ernst des Lebens gezeichneten Erwachsenen davor bangen, dass ihre Kinder, die ihnen Quell der Belebung sind – und auch bleiben sollen – ihre Unschuld verlieren. In alter paternalistischer Manier werden den Menschen dieser fremden Kulturen ernstzunehmende Reaktions- und Handlungsfähigkeiten abgesprochen. Als kulturell wahrgenommen und betont werden jene Aspekte des sozialen Lebens, in die die Menschen hinein geboren werden – Verwandtschaft, Sprache, Ritual und Brauchtum –, die also bereits vorgegeben und nicht frei wählbar sind. ‘Zivilisation’ klingt gegenüber dieser deterministischen Beschreibung sehr viel mehr nach Bewusstsein und gezielter Handlung und projiziert damit den weißen Teil der Menschheit zu vernünftig denkenden und handelnden Subjekten. Die Kritik an der Zerstörung eines ‘heilen’ naturnahen Paradieses entspringt einem Unwohlsein der Zivilisation an sich selbst, einem diffusen Unwohlsein der TouristInnen an hiesigen Verhältnissen, die dem Individuum entfremdet scheinen und es ganz und gar einer kapitalistischen Verwertungslogik unterordnen. Erst seit Mitte der 90er Jahre setzt eine Reflexion über Motivationen und Hintergründe Das Erlebnis der Grenze

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dieser Form der Kritik am Tourismus ein. Deutlich wurde dabei, dass hinter der Rede von der ‘Kulturzerstörung’ oftmals von Paradiessehnsüchten genährte, exotistische Projektionen wie die des ‘edlen Wilden’ liegen. Die Tourismusindustrie suggeriert demgegenüber, dass es außerhalb der kapitalistischen Welt und ihrer Verwertungslogik auch anderes gibt. Von dieser Suggestion lebt der Tourismus. Er bietet scheinbar ‘außerhalb’ liegende Refugien an, die jedoch nur innerhalb eines touristischen Marktes denkbar sind. Denn bereits über ihr Angebotenwerden sind diese imaginierten, ‘marginalen Paradiese’ in die kapitalistische Verwertungslogik einbezogen. Dass Tourismus an vielen Orten tatsächlich großen und zum Teil auch sehr negativen Einfluss auf die kulturellen Wandlungsprozesse der bereisten Gesellschaft hat, soll hier nicht geleugnet werden. Nur kann der Einfluss des Tourismus weder von den vielfältigen Einflüssen anderer Austauschprozesse isoliert werden, noch kann die Bewertung der kulturellen Wandlungsprozesse von außen und vornehmlich entlang der Interessen zivilisationsmüder Reisender vorgenommen werden. Um die gesellschaftlichen Veränderungen in touristischen Regionen bewerten zu können, muss es zunächst einmal um die Möglichkeiten der Mitbestimmung und Entscheidung für die betroffene Bevölkerung innerhalb der touristischen Entwicklung gehen. Werden Chancen für eine selbstbestimmte Entwicklung sowie Handlungsoptionen für Einzelne erweitert oder eingeengt? Wie verändern sich bestehende Macht- und Herrschaftsstrukturen? Die Tatsache, dass der Tourismus bzw. die Tourismusindustrie nur allzu oft die materiell gestützte Definitionsmacht besitzt und darüber entscheidet, wie sich die besuchten ‘Kulturen’ darzustellen haben und verkaufen lassen, heißt zudem nicht, dass nicht auch die anderen Akteure – die am Tourismus Beteiligten und von ihm Betroffenen – eigenwillige Strategien im Umgang mit Tourismus entwickeln.

Genuss au f D ist a n z Der Rückblick auf die philosophisch-historische Entwicklung des Kulturbegriffs verdeutlicht, welche Deutungsmuster der im Tourismus wirkungsmächtigen Auffassung von Kultur zugrunde liegen. Die Lebensformen der Menschen außerhalb Europas werden der ‘Zivilisation’als ortsgebundene Kulturen entgegengesetzt – ob in idealisierender oder abwertender Absicht geht es dabei immer um die


Herstellung von Differenz. Dieses Kulturbild des Tourismus gleicht dem des Rassismus: Die beschriebenen bzw. besuchten Kulturen sind anders als ‘wir’ und ‘wir’ sind ihnen überlegen. Manifest werden diese strukturellen Ähnlichkeiten von touristischen und rassistischen Denkformen vor allem dann, wenn es um die alltägliche, nicht-touristische Begegnung geht. Denn allzu oft werden die Menschen der Kulturen, die im Urlaub noch bestaunt und bewundert wurden, im eigenen Land als störend empfunden. Dieser widersprüchliche Umgang mit kultureller Differenz – zuhause und auf Reisen – erscheint zunächst frappant. Der Soziologe Zygmunt Baumann hat dafür jedoch eine einfache Erklärung: »Differenz kann genossen werden, solange sie in sicherer Entfernung liegt.« In seiner Arbeit »Flaneure, Spieler und Touristen« beschreibt er die Eigenheiten von Flaneuren und Touristen als exemplarisch für postmoderne Lebensformen. Dabei ist die Art und Weise des Umgangs mit dem Fremden zentral: Freiheit, das Ideal der Postmoderne, hängt nach Bauman davon ab, »wieviel von dieser (als fremd definierten und erlebten, TG) Vielfalt als nicht-existent betrachtet werden oder abwechselnd auf Armlänge entfernt gehalten und mal genossen werden kann, je nachdem ob lästig, oder genussvoll.« Diese Freiheit spielt sich auf mehreren Ebenen ab. Sie bedeutet einerseits, sich überall hinbewegen zu können, andererseits selektiv zu ignorieren, was ins Blickfeld gerät. Nach Bauman lassen Flaneur und Tourist das Leben auf eine Weise an sich vorbeiziehen, die primär auf ihren Genuss ausgerichtet ist. Das Leben ist »lange genug im Blick, um von wandernder Aufmerksamkeit erfasst zu werden, aber nicht so lange, dass sich die Aufmerksamkeit eingeengt fühlt, gezwungen wird, innezuhalten, kompromittiert in ihrer Freiheit, dem Zufall zu folgen. Es ist lange genug im Blick, um Phantasien freizusetzen, aber nicht lange genug, um das, was phantasiert wurde, mit harter Gegenwart zu konfrontieren.« Exotistische Projektionen auf die bereisten Menschen werden auf Reisen daher nur selten in Frage gestellt, denn ein Abhaken der von zuhause mitgebrachten Erwartungen und Bilder reicht vielen Reisenden als Erlebnis bereits aus. So wird letztendlich auch auf Reisen das ‘Andere’ auf sicherer Distanz gehalten, man versichert sich lediglich der Existenz dieses ‘Anderen’, um das ‘Eigene’ mit seinen positiven oder auch negativen Anteilen deutlicher zu spüren. Kommt jedoch das vermeintlich Fremde zu nah, wird es bedrohlich, da es die Das Erlebnis der Grenze

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eigene Lebensweise, die Gültigkeit von Wertesystemen und Regeln in Frage stellen könnte. Die als kulturell anders Definierten nehmen im Alltag und in der nächsten Umgebung ‘Platz’, und erzwingen eine oft unerwünschte Auseinandersetzung, die die eigene Identität in Gefahr zu bringen scheint. Die Abgrenzung zum Anderen ist daher zuhause schwieriger, erscheint aber um so notwendiger. Denn das Fremde lässt sich nicht einfach als hübsches Souvenir mit nach Hause nehmen und als bereicherndes, willenloses Kleinod bruchlos in den eigenen Alltag, in das eigene Leben integrieren. Das ist einer der Momente, in denen Rassismus manifest wird und sich eines der typischen Argumente bedient, dem der oben beschriebene, klassische Kulturbegriff zu Grunde liegt: ‘Geht dahin zurück, wo ihr hergekommen seid!’ Der aus der Karibik nach Großbritannien eingewanderte Rassismustheoretiker Stuart Hall fasst diesen grundlegenden Widerspruch innerhalb der postkolonialen Situation, d. h. der Migration der ehemals Kolonisierten in die Zentren, folgendermaßen zusammen: »Manchmal denke ich, die Engländer hätten uns lieben können, wenn wir bloß zuhause geblieben wären. (...) Dort wo wir hingehören, sind wir durchaus akzeptabel.« Hall beschreibt die Erfahrungen vieler MigrantInnen mit der ungebrochenen Wirkungsmacht eines Kulturkonzepts à la Herder. In Politik und Alltagspraxis wird Ausgrenzung auch heute noch damit begründet, dass Menschen über ihre Kultur an ihr Land gebunden seien und ihre Kultur, das heißt ihre Lebensformen und ihre kulturelle Identität, nur als Ganzes und nur an dem ihm ‘angestammten’ Ort funktioniere.

Kein Rass is m us o h ne Ku l t u r Halls Einschätzung weist auf eine Verschiebung innerhalb der rassistischen Deutungsmuster hin.Waren lange Zeit genetisch-biologisch begründete Unterschiede Grundlage eines Rassismus, der NichtEuropäer abwertete und ausgrenzte, verschiebt sich die rassistische Argumentation mehr und mehr hin zu kulturell begründeten Deutungsmustern. Dabei stellen sich jedoch die kulturell definierten ‘Unterschiede’ als ebenso unverrückbar heraus, wie die ehemals biologisch begründeten. Die zentralen Definitionsmerkmale von ‘Rassen’, die gegenwärtig eher als ‘Ethnien’ oder ‘Volksgruppen’ bezeichnet werden, sind zwar kultureller Natur, stehen den Einzelnen dabei aber eben so wenig für bewusste Veränderung offen wie ihre biologische


Veranlagung. Dabei verlaufen die kulturellen Zuschreibungen im Rassismus nach binärem Muster ab: Die andere, ausgeschlossene Gruppe verkörpert das Gegenteil der Eigenschaften und Tugenden, die die eigene Identitätsgemeinschaft ausmacht. Nur über diese Abgrenzung vom außen, vom ‘Anderen’ ist es der eigenen Gruppe überhaupt möglich, sich über alle inneren sozialen Widersprüche hinweg als homogene Gruppe zu konstituieren. »Dieser Prozeß, die Welt in Begriffen ‘rassisch’ definierter Gegensätze zu konstruieren, hat die Funktion, Identität zu produzieren und Identifikationen abzusichern. Er ist Bestandteil der Gewinnung von Konsensus und der Konsolidierung einer sozialen Gruppe in Entgegensetzung zu einer anderen, ihr untergeordneten Gruppe. Allgemein ist dies als die Konstruktion des ‘Anderen’ bekannt. Sie teilt die Welt in jene, die dazugehören und jene, die nicht dazugehören« (Stuart Hall). Dabei geht es selbst den kultur-rassistischen Deutungsmustern immer weniger um eine argumentierende Begründung der konstruierten oder tatsächlichen Unterschiede – etwa über die Konstruktion einer (Kultur-)Geschichte der jeweils voneinander unterschiedenen Gruppen. Es zählt nicht mehr der Inhalt dieser Geschichte (oder anderer kultureller Konstruktionen), sondern nur noch das Bewusstsein darüber, dass es sich um eine andere Geschichte handelt, als die der eigenen Gruppe. »Kultur ist also, wenn man daran glaubt,« schließt Angelika Magiros aus der Analyse neo-rassistischer Texte, wo nichts mehr behauptet wird außer der schieren Differenz. »Unterscheiden können zwischen ‘Wir’ und ‘Die’, das macht ‘kulturelle Identität’ aus« (Bauer, zit. n. Magiros). Hier wird deutlich, worauf es in den (kulturellen) Differenzierungen ankommt: Erst über die Abgrenzung nimmt das Eigene Gestalt an. Wir sind wir, weil wir nicht ‘ihr’ sind, und ihr seid ihr, weil ihr nicht ‘wir’ seid, lautet die simple Formel. Innerhalb einer von Herrschaftsstrukturen bestimmten Welt kann diese Abgrenzung zwischen Gruppen nicht wertfrei sein. Egal, ob ‘Kultur’ als das unveränderliche Besondere einer Gruppe begriffen wird, wie in der essentialistischen Kulturaufassung, oder als ein sich fortlaufend verändernder Prozess, der Individuen in eine oder verschiedene Gruppen einbindet: Die Differenzierung zur anderen Gruppe verläuft immer kulturell konstruiert. Diese enge und grundsätzliche Verbindung zwischen ‘Kultur’ und Rassismus analysiert Robert C. Young in seinem Buch »Colonial Desire«. Ob Kultur nun im Sinne von Zivilisation als allgemeiner menschlicher Fortschritt Das Erlebnis der Grenze

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verstanden wurde oder eben als jeweils spezifische Lebensform egal welcher Gruppen oder ‘Völker’: »Kultur hat schon immer kulturelle Differenz bezeichnet, indem das Andere erst produziert wurde. Kultur war stets vergleichend; und Rassismus war von jeher wesentlicher Bestandteil von Kultur. Sie sind untrennbar miteinander verwoben, bedingen sich gegenseitig. Rasse wurde schon immer kulturell konstruiert und Kultur wurde schon immer rassisch konstruiert.« Young liest das Wort ‘Kultur’ als historischen und philosophischen Text und analysiert seine Bedeutungen als Resultat ökonomischer und politischer Konflikte. »Kultur ist nie isoliert, sie ist Teil einer konfliktiven Ökonomie, die sich in der Spannung zwischen Gleichheit und Differenz, Vergleich und Differenzierung, Einheit und Vielfalt (...) abspielt. (...) Die kontinuierliche Konstruktion und Rekonstruktion von Kultur und kulturellen Differenzen nährt sich von den nicht endenden internen Differenzen innerhalb der durch kapitalistische Ökonomien produzierten Ungleichheit.«

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Land kar t e n de r B e de u t u n g In Abgrenzung zu dem statischen und essentialistischen Verständnis von Kultur, wie es im Alltagsdenken verbreitet ist und über Tourismus bestärkt wird, operieren wissenschaftliche Disziplinen wie die Cultural Studies mit einem sehr breiten Kulturbegriff. Dort wird Kultur allgemein und jenseits von Nationen als Wechselbeziehung zwischen Werten und Alltagshandlungen, zwischen Struktur und Praxis verstanden: »Eine Kultur enthält die ‘Landkarten der Bedeutung’, welche die Dinge für ihre Mitglieder verstehbar machen. Diese ‘Landkarten der Bedeutung’ trägt man nicht einfach im Kopf mit herum: Sie sind in den Formen der gesellschaftlichen Organisationen und Beziehungen objektiviert, durch die das Individuum zu einem ‘gesellschaftlichen’ Individuum wird. Kultur ist die Art, wie die Beziehungen einer Gruppe strukturiert und geformt sind; aber sie ist auch die Art, wie diese Formen erfahren, verstanden und interpretiert werden (...) So bilden die bestehenden kulturellen Muster eine Art historisches Reservoir – ‘ein vorab konstituiertes Feld der Möglichkeiten’, das die Gruppen aufgreifen, transformieren und weiterentwickeln« (Clarke, zit.n. Kalpaka/ Räthzel). Damit gerät neben den Sitten und Traditionen, die einem meist als erstes zu ‘Kultur’ einfallen, auch ein implizites Wissen in den Kulturbegriff, ein Wissen darüber, wie Akteure, Objekte, Beziehungen und das Ich in einer Gesell-


schaft zu deuten sind. Das Wissen ist offen und verändert sich mit den Erfahrungen seiner Akteure und der historischen Entwicklung der jeweiligen Gesellschaft. Innerhalb dieses Wissens nimmt der Tourismus eine zunehmend prominente Stellung ein. Tourismus ist nicht nur über das selbstverständliche und millionenfache Reisen in den westlichen Gesellschaften präsent. Auch die von ihm produzierten Bilder sind aus den Alltagswahrnehmungen nicht mehr weg zu denken. Tourismus schreibt mit an den ‘Landkarten der Bedeutung’, über die sich die Individuen die gesellschaftlichen Zusammenhänge erklären. Denn Kultur und Tourismus sind sowohl in den reisenden wie auch in den bereisten Gesellschaften eng miteinander verwoben. »Während sich der Tourismus der Kultur bemächtigt, ist er gleichzeitig Teil der Kultur. (... ) In, mit und durch Tourismus entfalten die Menschen ihre Kultur«, konstatiert der Kulturanthropologe Dieter Kramer im Handbuch zur Tourismuswissenschaft (Hahn/ Kagelmann). Analog zum Verhältnis zwischen Tourismus und Kultur kann auch die Wechselwirkung zwischen Tourismus und Rassismus beschrieben werden: In, mit und durch Tourismus entfaltet sich das rassistische Wissen. Über die Herstellung und Verfestigung kultureller Differenzen auf der individuellen Ebene des Reisens, auf medialer Ebene in Reisekatalogen und Reiseführern sowie auf der Ebene des internationalen Marktes der Tourismusindustrie, die Nachfrage und Angebot aufeinander abstimmt, spielt der Tourismus eine zentrale Rolle für die Produktion und Reproduktion rassistischer Bilder und Strukturen. Indem Tourismus nationale und kulturelle Grenzen in nie dagewesenem Ausmaß zu überschreiten vorgibt, gerät leicht aus dem Blickfeld, dass er von der Existenz eben dieser Grenzen direkt abhängt und an ihrer Herstellung massiv beteiligt ist. Das persönliche Erlebnis dieser Überschreitungen macht die Grenzen erst real. Jede Überschreitung bestätigt die Erwartung,‘das Eigene’ zu verlassen und das ‘Andere’ in seiner eigentlichen Form an seinem eigentlichen Ort zu Gesicht zu bekommen. So baut der Tourismus mit an der symbolischen Ordnung der Welt, in der dem aktiven und freien, da mobilen Teil der Welt viele authentische und sich im historischen Stillstand befindliche Teile gegenüber stehen. Eine Welt, die aus einer, überlegenen Zivilisation und vielen, zu bereisenden Kulturen besteht. Das Erlebnis der Grenze

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Ÿ Bauman, Zygmunt: Flaneure, Spieler und Touristen. Essays zu postmodernen Lebensformen. Hamburg 1997. Ÿ Biemann, Ursula: been there and back to nowhere. Geschlecht in transnationalen Orten. Postproduction Documents 1988 – 2000. Berlin 2000. Ÿ Eagleton, Terry: Was ist Kultur? München 2001. Ÿ Flitner, Michael / Langlo, Peter / Liebsch, Katharina: Kultur kaputt. Variationen einer Denkfigur der Tourismuskritik. In: Voyage – Jahrbuch für Reise- und Tourismusforschung. Köln 1997. Ÿ Hahn, Heinz / Kagelmann, Jürgen: Tourismuspsychologie und Tourismussoziologie. Ein Handbuch zur Tourismuswissenschaft. München 1993. Ÿ Hall, Stuart: Rassismus als ideologischer Diskurs. In: Räthzel, Nora (Hg.): Theorien über Rassismus. Hamburg 2000. Ÿ Kalpaka, Annita / Räthzel, Nora (Hg.): Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein. Leer 1990.

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Ÿ Magiros, Angelika: Demontage des Neo-Rassismus. Moderne und postmoderne Konzepte in der Rassismustheorie. In: iz3w 250 und 251, Freiburg 2001. Ÿ Rojek, Chris / Urry, John: Touring Cultures. Transformations of Travel and Theory. London, New York 1997. Ÿ Stock, Christian: Reise in die Vergnügungsperipherie. Die Tourismuskritik und die Dritte Welt. iz3w 241, Freiburg 1999. Ÿ Vogel, Christopher: Multikulturelle Gesellschaft auf Reisen. Der kulturalistische Blick auf ‘die Fremden’ in Deutschland und im Ferntourismus. Diplomarbeit, unveröffentlichtes Manuskript. Kassel 2002. Ÿ Young, Robert C.: Colonial Desire. London, New York 1995.


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Reise und Rasse Tour ismus al s M o to r g l o bal e r K l a s s e n b i l d u n g

Hito Steyerl

»wonach alle Neger stinken« Immanuel Kant, Von den verschiedenen Rassen der Menschen.

»Die Kenntnisse, welche die neuen Reisen über die Mannigfaltigkeiten in der Menschengattung verbreiten, haben bisher mehr dazu beigetragen, den Verstand über diesen Punkt zur Nachforschung zu reizen, als ihn zu befriedigen.« So beginnt Immanuel Kants Traktat Bestimmung des Begriffs einer Menschenrasse. Schon im ersten Satz werden Reise und Rasse miteinander in Beziehung gesetzt. Anhand der Schilderungen verschiedenster Forschungsreisender über die von ihnen angetroffenen Bevölkerungen unternimmt Kant 1775 den Versuch der Konstruktion eines Begriffes der menschlichen Rasse. Im späten 18. Jahrhundert wird dieser Begriff zunehmend ‘verwissenschaftlicht’ und dient als zentrales konzeptionelles Instrument der Kategorisierung von Menschen. Biologische, theologische und milieutheoretische Begründungen fließen in die Herstellung dieses rassistischen Weltbildes ein. Dessen Funktion ist die Begründung der Überlegenheit von Weißen über alle anderen, wofür die Berichte der sogenannten Forschungsreisenden als Belege verwandt wurden. Forschungsreise und Rassenforschung werden somit zu einer Einheit verquickt. Der Begriff der Rasse lässt sich nicht ohne denjenigen der Reise denken.

Univers el l rass i s ti s c h In den Berichten der Forschungsreisenden erschienen die ’Anderen’ entweder als kannibalische Untermenschen oder aber im Gegenteil als Überbleibsel eines in Europa verloren gegangenen »Goldenen Reise und Rasse

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Zeitalters«, also als edle Wilde. Diese ambivalente Einschätzung, in der sich Faszination und Ekel miteinander verbanden, war Bestandteil einer umfassenderen Bewegung gleichzeitiger Ein- und Ausgrenzung von Ethnisierten. Zum gleichen Zeitpunkt, als die Welt (vom westlichen Standpunkt aus gesehen) im Rahmen kapitalistischer Kolonialisierung durch zunehmende Reiseaktivitäten geographisch mehr und mehr entgrenzt wird, wird eine neue Kategorie der Abgrenzung zwischen Menschen kanonisiert: die Rasse. Im Kontext der ökonomischen Expansion des Westens entstanden mehrere kulturelle Ideologien, die die Ausplünderung und Unterwerfung anderer Territorien legitimieren sollten. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um die Weltbilder von Rassismus und Sexismus, die ihre Durchschlagskraft allerdings erst in Verbindung mit dem auf den ersten Blick dazu im Widerspruch befindlichen Glaubenssystem des Universalismus entfalteten. Im Gegensatz zu den partikularisierenden Weltbildern des Rassismus und Sexismus versprach der Universalismus die nie erfüllte Einheit und prinzipielle Gleichheit aller – kraft ihrer Eigenschaft als Menschen. Beide Tendenzen spiegelten sich in den Berichten der Forschungsreisenden wider. Einerseits die rassistische und sexistische Abwertung der Anderen als stinkende, liederliche und hinterhältige Faulpelze. Andererseits eine universalistische Emphase, welche die ursprüngliche »Brüderlichkeit« der Menschheit gerade in den als »Paradies« verklärten indigenen Lebenswelten auffinden wollte. Tatsächlich divergierten beide im Grundsatz nicht. Denn die Menschheitsschwärmer begrenzten das Areal der Gleichheit grundsätzlich auf Männer und identifizierten darüber hinaus alle NichtEuropäerInnen grundsätzlich mit Natur. So wurde der Bereich von Zivilisation, Kultur und Fortschritt gänzlich durch westliche Männer besetzt und die bis heute wirksamen dichotomen Kategorien von Natur versus Kultur, Barbarei versus Zivilisation, infantile Ungebildetheit und Grausamkeit versus besonnene und rationale Aufgeklärtheit konstruiert. Der gleichzeitige Ausschluss der Nichteuropäer als Barbaren und ihr Einschluss als Angehörige des Menschengeschlechts reflektierte die realen praktischen und ideologischen Erfordernisse der westlichen Expansion: die Annektion sowie die Vereinheitlichung riesiger Territorien – bei gleichzeitiger, rassistisch und sexistisch abgestufter Unterdrückung und Ausbeutung ihrer


nicht-europäischen EinwohnerInnen. Die aufgrund von Berichten der Forschungsreisenden verbreiteten Stereotypen menschlicher »Rassen« dienten somit der Herstellung dynamischer Produktionsverhältnisse, welche die Umgestaltung existierender Produktionsweisen nicht nur legitimierten, sondern von Grund auf prägten und durchdrangen. Die Stereotypen wurden also nicht nur selbst hergestellt, sondern funktionierten als ideologische Produktionsmittel der Herstellung von Klassen, Rassen, Ethnien, Stämmen und normierter heterosexueller Zweigeschlechtlichkeit, die ihrerseits die Grundlagen für die Teilung der Arbeit entlang internationaler Hierarchien abgaben. Insofern entstehen Tourismus und Rassismus aus derselben Wurzel. Die von Kant zitierten »Forschungsreisenden« des 18. Jahrhunderts liefern durch ihre Berichte nicht nur Material für das eben entstehende Konzept der Rasse. »Auch die Ursprünge des heutigen Ferntourismus (Kreuzfahrten, Afrika-, USA-, Südsee-, Karibik-, Asienreisen u.a.) liegen in dieser Zeit,« schreibt schwärmerisch der Freizeitforscher Horst Opaschowski über diese »wagemutigen Leute«, die »neue interessante Reiseziele eröffnet, und der sich ausbreitenden Touristik manchen Anreiz geboten« hätten. Es seien »große kosmopolitische Seelen«, wie Rousseau sie nannte, »die die eingebildeten völkertrennenden Grenzen überschreiten und … das ganze Menschengeschlecht in ihr Wohlwollen einschließen.« Hans Magnus Enzensberger bezeichnet sie dementsprechend auch als »Touristen avant la lettre« – Touristen, die schon vor der Erfindung dieses Begriffes existierten. Insofern durchdringen sich Tourismus und Rassismus in der dialektischen Verschlingung emphatischer aufklärerischer Sehnsucht nach kosmopolitischer Völkerverständigung und der gleichzeitigen Erfindung ‘rassischer’ Begründungen für die Ausdehnung westlicher Klassenhierarchien über den ganzen Erdball.

Rassistisches ‘ W i s s e n’ Tourismus und die ‘wissenschaftliche’ Verfestigung des Begriffs der Rasse sind nicht nur in derselben Zeit im Kontext einer immer weitere Teile der Welt umfassenden Kolonialisierung durch den Westen entstanden. Die frühen Reisen markierten auch eine bedeutsame Verbindung zwischen den Konzepten von partikularen ‘Kulturen’ und universal gültigem ‘Wissen’. Beide spielen eine wichtige Rolle in der Herausbildung globaler Klassenverhältnisse: Die Beschreibung anReise und Rasse

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derer Kulturen fand implizit auf einer Skala der ‘Entwicklung’ statt, deren Kriterien durch einen objektivierten Kanon von ‘Wissen’ festgelegt wurden. Diese Skala reichte von ‘Primitivität’ bis zur ‘Zivilisation’, von ‘Natur’ zu ‘Kultur’, von ‘Aberglaube’ zu ‘Wissenschaft’ und legitimierte sich durch sogenannte Objektivität und Wissenschaftlichkeit. Selbstredend kulminierten innerhalb dieser Logik sowohl kulturelle Entwicklung als auch wissenschaftliche Objektivität in Gestalt der westlichen Zivilisation. Der Vergleich möglichst vieler verschiedener Kulturformen wurde als Voraussetzung des Erwerbs eines universalisierbaren Wissens angesehen, als Überwindung der Relativität der Erkenntnisse. Die ‘Reise’ war das Privileg der Mobilität zum Erwerb möglichst universeller Erfahrungen, und damit das Vehikel bürgerlicher Klassenbildung. Dies galt sowohl gegenüber weniger privilegierten Europäern, denen der Aufstieg in die Klasse der Gebildeten verwehrt blieb, als auch vor allem gegenüber den Nicht-Europäern, die durch diese Reisen zu Objekten eines ‘Wissens’ gemacht wurden, das ihre Unterdrückung und Ausbeutung legitimierte. Als Avantgarde der herrschenden Klassen konnten dabei die Reisenden angesehen werden, die sowohl das Geschäft der Kolonialisierung besorgten als auch die Bereitstellung eines ‘Wissens’, das diese legitimierte. ‘Bildung’ regulierte den Zugang zu gesellschaftlicher Macht. ‘Wissen’ hieß und heißt dabei nicht etwa der Erwerb gesicherter Erkenntnisse, sondern die Reproduktion von Herrschaftsformen auf allen Ebenen des Gesellschaftlichen. Das ‘Wissen’ über z.B. asiatische Kulturen war und ist von einem »Orientalismus« (Edward Said) geprägt, der alles was östlich ist grundsätzlich als weiblich, mysteriös, zurückgeblieben, fanatisch und verschlagen charakterisiert.‘Wissen’ bedeutet Kontrolle. Wie Benedict Anderson in seinem Werk »Imagined Communities« nachweist, gehört zu diesem kolonialen ‘Wissen’ sogar die Erfindung bestimmter Formen von Raum und Zeit, die einerseits dem Schema der Mercatorkarte, andererseits dem Uhrwerk nachgebildet sind, und somit die administrative Kontrolle über heterogene Räume ermöglichen. Es ist wenig erstaunlich, dass die ‘wissenschaftlich’ begründeten Hierarchien exakt entlang der Hierarchien internationaler Arbeitsteilung verliefen. An ihrer unterster Stelle rangierten Sklaven aus Afrika, dann kamen leibeigene Osteuropäer und lateinamerikanische Ureinwohner. Die herrschenden Klassen kamen aus Europa. Genau


dieselbe Rangordnung wurde von der ‘Wissenschaft’ der Rasse übernommen und als natürlich bzw. milieubedingt ausgegeben. So konstatiert sogar der Kritiker kolonialer Gewalttaten Kant ungerührt, dass in Surinam die Einheimischen nur zu Hausarbeiten herangezogen würden, »weil sie zur Feldarbeit zu schwach sind, als wozu man Neger braucht.« Es sei eine Mischung aus Luftsäuren und »laugenhaft-gallichten Säften«, die die »halb erloschene Lebenskraft« der Amerikaner bedinge, wohingegen das rätselhafte Element »Phlogiston« nicht nur die Hautfarbe und den Geruch, sondern auch die körperliche Stärke der Schwarzen zur Folge habe, so Kant. Auf diese Weise wurden auch die brutalsten Gewaltverhältnisse der internationalen Arbeitsteilung mit ‘wissenschaftlichen Erkenntnissen’ naturalisiert.

Im Imaginären ve re i n ig t Derselbe Kant wandte sich in einer seiner »universalistischen« Schriften für die Installation eines Weltbürgerrechts empört gegen die koloniale Barbarei in Indien und der Karibik. Seine kosmopolitischen Aufrufe zur Vereinigung der Menschheit im Namen der Vernunft (= Weltbürgerrecht) koexistieren nicht nur mit der Naturalisierung von Unterdrückung im Begriff der Rasse – sie bedingen sich gegenseitig. Die pathetische Rhetorik universeller Menschheit über die aufklärerische Wirkung des gegenseitigen Verkehrs, also des Kulturkontakts und der Völkerverständigung, schaffen eben jenen einheitlichen Rahmen des Welt-Marktes, innerhalb dessen erst mit Hilfe rassistischer Hierarchien eine internationale Arbeitsteilung installiert werden konnte. Während einerseits durch universalistische Vorstellungen die Welt im Imaginären vereinigt wurde, wurden gleichzeitig innerhalb dieser Einheit Hierarchien installiert. Sie beruhten auf der Abwertung aller Personengruppen, die nicht dem Ideal der Krone menschlicher Schöpfung – dem weißen heterosexuellen Mann – entsprachen. Den abgewerteten Menschen wurden die minderbewerteten Arbeiten zugewiesen, wobei von einem Arbeitsverhältnis bei Sklaverei oder anderen Zwangsarbeitsverhältnissen nicht mehr die Rede sein kann. Auch andere Arbeiten wie die Subsistenzproduktion, nicht-westliche Gemeinschaftsarbeiten spiritueller oder sozialer Art, sowie Reproduktionsarbeit insgesamt wurden einerseits aus dem Register anerkannter Arbeit verbannt, fanden andererseits jedoch innerhalb eines einheitlichen Rahmens des Weltmarkts statt. Reise und Rasse

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Der Weltmarkt wurde damit zur selben Zeit vereinigt und unterschichtet. Zur Vereinigung brauchte man die Emphase der einigen Menschheit, zur Unterschichtung und Abgrenzung das Phantasma der Rasse und biologistische Geschlechtsvorstellungen. Es ist gerade die universalistisch-exotisierende Verschmelzungsphantasie, aus der im Gegenzug rassistische Segregation und sexistische Unterdrückung entstehen. Auch im modernen Tourismus hallt das Pathos universalistischer Völkerverständigung fort – ebenso wie deren Wechselwirkung mit der Konsolidierung rassistischer Verhältnisse. Der Tourist sei ein Botschafter, verkündete Papst Pius XII. 1952, der über andere Völker bei seiner Rückkunft »eine gerechtere Meinung und eine günstigere Einschätzung« verbreite. »Tourismus ist ein Weg zum Frieden«, meinten 1972 auch die Vereinten Nationen, die dieses Jahr zum »Jahr des Welttourismus« ausriefen. Auch als Botschafter ihrer eigenen Nation seien Touristen geeignet, finden 1993, im Jahr der brutalen rassistischen Morde von Mölln und Solingen, ganze 67 Prozent der Deutschen.Touristen sind ihrer Auffassung nach »die besten Botschafter für Ausländerfreundlichkeit und gegen Ausländerhass« (Opaschowski). An diesem seltsamen Raisonnement zeigt sich deutlich, dass diese Auffassung kosmopolitischer Völkerverständigung äußerst kompatibel mit der Aufrechterhaltung rassistischer Gewaltverhältnisse ist. Denn folgt man dieser Argumentation, wird die ‘Ausländerfreundlichkeit’ der Deutschen hauptsächlich im Urlaub unter Beweis gestellt. Opaschowski argumentiert weiter auf dieser Linie: Dass im gleichen Jahr aufgrund eben dieser rassistischen Gewalttaten ein Einbruch der Gästezahlen nach Deutschland registriert wird, ist für ihn nicht etwa ein Grund, Maßnahmen gegen rassistische Gewalt zu fordern. Er fordert hingegen die deutsche Tourismuswerbung auf, diese Entwicklung im Ausland mit »Positivkampagnen« zu kontern. Dabei kommt es allerdings auch immer wieder zu diplomatischen Peinlichkeiten – etwa als bekannt wird, dass die deutsche Touristikwerbung in Amerika sich gezielt an weiße AmerikanerInnen wendet. Protest erhebt sich hingegen darüber, dass manche amerikanischen Reiseführer den Besuch einiger deutscher Städte für Nicht-Weiße und Angehörige sonstiger Minderheiten wegen massiver rechtsradikaler Gewalttaten nicht empfehlen mögen. Die betreffenden Städte halten die Berichte für übertrieben und verweisen auf ihre »Ausländerfreundlichkeit« (Spiegel 24/2000).


Foto: Süddeutsche Zeitung – Magazin No. 40

Tourismus wird somit zur Ersatzhandlung, die real existierenden Rassismus kompensieren soll – diesen damit aber konsolidiert. Die seltsame Fusion aus universalistischer Rhetorik und rassistischer Gewalt, aus überschwänglicher Umarmung und ökonomischem Würgegriff, aus Begehren und Abscheu im Kontext einer nachgerade autistischen Mobilität prägt auch heute die Einstellung vieler westlicher FerntouristInnen.

Begehren und s t r u k t ure l l e Gewal t Im Film »Babe I will make you sweat« von Birgit Hein geht es um das autobiographisch erzählte Verhältnis einer alternden weißen Frau mit einem jungen Mann aus der Karibik. Der 1994 produzierte Film erzählt, wie die Reise in die Karibik explizit aus dem Grund unternommen wurde, Sex zu bekommen und kulminiert in einer minutenlangen Szene, in der als schwarz und weiß markierte Körperteile eben dabei zu sehen sind. Nicht nur die massive Reduktion der Beteiligten auf ihre ‘rassischen’ Merkmale frappiert, sondern auch die völlige Unreflektiertheit in Bezug auf den Kontext dieser Szene. Das Begehren wird als absolutes gesetzt, das massive Privilegiengefälle dabei vollständig ausgeblendet. Während der Film sich als Darstellung der Sexualität alternder weißer Frauen als tabubrechend geriert, zementiert er auf der anderen Seite globale Herrschaftsverhältnisse, wie die in diesem Fall nahezu feudale Herrschaft der Reichen über die Armen. Dazu kommt nicht nur die sexuelle AusbeuReise und Rasse

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tung, sondern auch die mediale. Umso verwunderlicher, dass dieser rassistische Film als feministisch empfunden wurde und zumindest in Deutschland auf keinerlei Widerspruch stieß. Die Aufführung des Films vor einem internationalen Auditorium, in dem sich viele feministische Aktivistinnen befanden, geriet allerdings zum Tumult. Aktivistinnen aus NGOs gegen Sextourismus meldeten sich zu Wort und fragten, wieso ihnen eigentlich eine so völlig unreflektierte und bis zum Autismus auf egozentrische Bedürfnisse verengte Darstellung zugemutet werde. Die Filmemacherin habe letztendlich eine ebenso pornographische wie heterosexistische Darstellung von Sextourismus geboten. Andere Wortmeldungen verteidigten den Film im Gegenteil als Beispiel der sogenannten Freiheit der Künste und als Darstellung patriarchaler Unterdrückung alternder weißer Frauen – sozusagen als feministische Notwehr weißer Frauen gegen die sexuelle Billiglohnkonkurrenz aus dem Süden. Die Filmemacherin versicherte hingegen treuherzig, es handle sich beim dargestellten Vorgang keineswegs um Sextourismus, sondern um Liebe.

(Hetero-)S ex is t is ch e D i s z ip lin ie r u n g Auch in dieser Auseinandersetzung verbinden sich jene für unversöhnlich gehaltenen Komponenten, die zusammengenommen das janusköpfige Konglomerat aus Rassismus und Tourismus darstellen: Was aus der Perspektive der Privilegierten wie Liebe, Glück sowie die Aufhebung entfremdeter Verhältnisse aussieht, erweist sich von der anderen Seite der internationalen Arbeitsteilung aus nicht nur als rassistische Ausbeutung, sondern auch als wichtiger Faktor in der Konstruktion von Geschlechterverhältnissen. Die Herstellung der Urlaubsfiktion von Freiheit und Glück ist mit der gewaltsamen Zurichtung ganzer Populationen auf die Realisierung dieser Phantasie hin verbunden. Jacqui Alexander verweist in ihrem Aufsatz »Erotic Autonomy as a Politics of Decolonization« auf die komplexen Interaktionen zwischen Nationalstaat und internationaler Tourismusindustrie im Bezug auf die Umstrukturierung und Repression lokaler Bevölkerungen. Durch den Wettbewerb von (oft noch nicht lange unabhängigen) Nationalstaaten um devisenbewehrte Touristen, wird deren ArbeiterInnenschaft auf eine für privilegierte TouristInnen erzeugte servile Dienstleistungsatmosphäre diszipliniert. Auf den Bahamas, auf die Alexander ihre Untersuchungen bezieht, werden nicht nur 2/3


Foto: Süddeutsche Zeitung – Magazin No. 40

des Bruttosozialprodukts in der Tourismusbranche erwirtschaftet, die Bedeutung des Tourismus liegt vor allem auch in seiner Eigenschaft, mächtige Prozesse (sexueller) Verdinglichung und (sexueller) Definition von Zugehörigkeit zur Gesellschaft zusammenzuziehen. In allen Branchen touristischer Dienstleistung, einschließlich sexueller Dienstleistung, wird heterosexuelle Weiblichkeit (und zunehmend auch Männlichkeit) dabei zur Ware für die TouristInnen. Klassische Zuschreibungskriterien von Weiblichkeit, d.h. die Zuweisung jeglicher Art von Reproduktionsarbeit wie Putzen, Waschen, Dienen verbinden sich im touristischen Komplex mit rassistischer Unterordnung. Der Tourismus als weltweit größter Arbeitgeber wird somit zur »patriarchalen Reproduktionsmaschinerie«, die nicht nur klassische sexistische, sondern auch rassistische Auffassungen von Arbeitsteilung reproduziert. Dies führt zu gesellschaftlichen Normierungen in den Reiseländern. Sowohl die Loyalität zu heterosexuellen Normen als auch zum Tourismus werden zum Kriterium des Einschlusses in die Gesellschaft erhoben. »Tourismus und Imperialismus sind – durch die Produktion multinationalen Kapitals – nunmehr ebenso Bestandteil der natürlichen Ordnung geworden, wie Heterosexualität,« stellt Alexander fest. Im Dienste der sexuellen Befriedigung des heimlichen Adressaten – auf den Bahamas vornehmlich US-amerikanische männlichen Touristen – organisiert der neokoloniale Nationalstaat heterosexistische Ein- und Ausschlüsse. Für die Inszenierung der »imperialen touristiReise und Rasse

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schen Psyche« werden einerseits die Natur durch Symbole wie unberührtes jungfräuliches Land feminisiert und andererseits schwarze Frauen sexualisiert und exotisiert. Ebenso wie das verweiblichte Land selbst werden sie als frei verfügbar dargestellt. Diese Verschränkung der Erzeugung rassistischer Geschlechterund Klassenhierarchien durch Tourismus beschränkt sich in ihren Konsequenzen nicht nur auf die Reiseländer selbst, sondern manifestiert sich in Form einer zunehmenden tourismusbedingten Feminisierung der Migration auch in de nord-westlichen Ländern. Tourismus wird damit zum Motor globaler Klassenbildung – nicht nur in den klassischen Reiseländern, sondern überall.

Tour ism us be din gt e M ig rat io n

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Tourismus ist maßgeblich für das Ausmaß der weltweiten Frauenmigration verantwortlich. Einerseits fördert die Nachfrage nach Migrantinnen im formellen wie im informellen Sektor der Tourismusindustrie diese Migration: Gebraucht wird jede Form von niedrig qualifizierter Dienstleistung. Auf der anderen Seite wirken auch die Wünsche und Erwartungen der Touristen als Faktor der Migration von Frauen aus bestimmten Regionen und Altersklassen, die aus Gründen eingebildeter Authentizität oder Exotik gefragt sind. So werden in der Sexarbeit je nach Standort Frauen mit bestimmten ethnischen Merkmalen nachgefragt. In der Unterhaltungs- und Gastronomiebranche der Zentren werden exotische Tänzerinnen und Bardamen gesucht. Neuerdings werden auch hochqualifizierte Arbeiten in der Einbildung ethnisiert, so etwa informationstechnologische Arbeiten, für die die ‘indische’ Kultur angeblich die besten Voraussetzungen bietet. Diese imaginäre Bewertung wirkt auch als Motivation interkontinentaler Migration von Frauen. Aufgrund rassistischer Zuschreibungen, wie besonderer Exotik oder Fügsamkeit werden sie für jede Form weiblicher Dienstleistung bis hin zur Ehe importiert. Ein untergeordnetes Element ist dabei auch die Partizipation westlicher Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Die anfallenden Reproduktionsarbeiten werden oftmals von Migrantinnen verrichtet. Die Emanzipation der westlichen Frauen wird also häufig auf dem Rücken der anderen realisiert. Als besonderer Auslöser von Frauenmigration haben sich Direktinvestitionen von Industrieländern in Länder des Südens erwiesen. Diese Investitionen, unter anderem auch in Tourismus, verdrängen in


den betroffenen Ländern kleinere Landwirtschafts- und Produktionsbetriebe und zerstören dort traditionelle vielseitige Ökonomien. Der Zusammenbruch dieser Ökonomien wiederum befördert die Migration in die Länder, die die Investitionen getätigt haben. Landen die Frauen dann z.B. in Europa, finden sie sich dem üblichen strukturellen Gewalt-Gemisch aus rassistischer Gesetzgebung und gesellschaftlicher Verachtung ausgesetzt. Die Migrantinnen-Organisation Maiz aus Oberösterreich, die sich maßgeblich mit den Auswirkungen von Frauenmigration befasst, hat die Situation im Projekt »Maiz Airlines – Love Tour« dargestellt: In einer Ausstellung zur Frauenmigration wurden touristische Souvenirs und Utensilien aus der täglichen Arbeit der Migrantinnen zusammengetragen und in Form einer Reiseerzählung präsentiert. Im Text »Wege durch die Öffentlichkeit« nehmen sie die Position eines potentiellen männlichen Besuchers dieser Ausstellung ein: »Und wieder ein Prospekt. Schwarz. Mit der Überschrift: Europa: Einreise verboten. Außer…« Ein Pfeil zeigte nach rechts. Links unten Präservative. Ja, klar. Die Verbindung ist klar. Sex und Migration. Widerstandslos steckte ich das Präservativ ein und blätterte weiter. Noch im blättern las ich den Satz: »Wir sind hier, weil ihr dort seid!«. Dann sehe ich einen weiteren: »Die Rolle der Migrantinnen im Aufnahmeland: Hausfrau, Dienstmädchen, Prostituierte.« Ich fühlte mich beengt. Die Zitate der Frauen vor Augen spürte ich plötzlich unser Mitwirken.: »Ich dachte, das Beste, was mir passieren könnte, wäre einen weißen Mann zu heiraten«. »Warum gibt es keinen Frauenhandel zwischen den USA und der Schweiz? Oder zwischen Kanada und Österreich? Weil es für den Frauenhandel ein reiches Land und Armut in einem anderen Land braucht.« Ein Brautschleier. Ein Hochzeitsfoto. Eine Bibel. Die Visa-Card. Gummistiefel. Schürze. Rasierapparat. Eine Bürste. Handschuhe. Putzmittel. Ein Mieder. Strumpfhose. Stöckelschuhe. Meine Socken. Eine Flasche Sekt und Gläser. Ausweis vom Gesundheitsamt. Auf einem Teppich Unterhose, BH und Präservative. Daneben ein Flugticket. (..) Ich blätterte um und las: »Der Gewalt ausgeliefert. Schmerz und Wut. Ja, Wut, Stolz und Widerstand. Also: kein Mitleid.« Maiz besteht darauf, Frauenmigration als Bestandteil globaler Prozesse zu sehen, von denen der Tourismus ein wichtiger Faktor ist, da er spezifische Nachfragen schafft und die Sehnsucht und den Bedarf an Liebe verdinglicht. Unablösbar damit verbunden sind die Reise und Rasse

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Abwertung von Reproduktionsarbeit, die legale Repression durch Gesundheitsämter und Behörden, eine erotisierte Reiselust und gesellschaftliche Verachtung, die allesamt auf die internationale Arbeitsteilung Einfluss nehmen und sie reproduzieren. In Form einer gegenläufigen Bewegung zum Tourismus – der Arbeitsmigration von Frauen in die Zentren – wirkt Tourismus daher nicht nur auf die Reiseländer, sondern auch in die Herkunftsländern der TouristInnen zurück. Tourismus als »patriarchale Reproduktionsmaschinerie« funktioniert also als Werkzeug zur Herstellung weltweiter Klassenhierarchien. Dazu werden gerade jene Wünsche verdinglicht, die als besonders unentfremdet gelten: die Sehnsucht nach Liebe, nach Glück, nach Freiheit von Arbeits- und anderen gesellschaftlichen Zwängen. Die Produktion dieser Freiräume für die Touristen erzeugt auf der anderen Seite massive Zwangsverhältnisse: Entwurzelung, Missachtung, Ausbeutung.

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Authent izi t ät s - Er f i nd u nge n Ein besonderer Aspekt ist dabei die Fiktion der Kultur. Im Kontext von Tourismus bedeutet ‘Kultur’ oftmals den Genuss des Touristen an einer als authentisch erscheinenden paradiesischen Parallelwelt. Diese Authentizitätserfindung erweist sich als besonders attraktive Ware. Tourismus erzeugt damit eine ‘Indigenisierung’ der Bevölkerung, mit der exotische Phantasien der TouristInnen über möglichst ‘traditionelle’ Kulturen bestätigt werden sollen. Die ‘Selbstethnisierung’ der Bevölkerung als genießbares Differenzspektakel kann als Teil des touristischen Standortwettbewerbs betrachtet werden. Dabei wird unterschlagen, dass eben diese als ‘ursprünglich’ markierten Kulturen ebenfalls Produkte des kapitalistischen Welt-Systems sind (Wallerstein) und als Schöpfungen der modernen Welt zu verstehen sind. Wie Anil Jain anmerkt, nimmt die Nachfrage nach solchen Kulturen auch im jüngsten Globalisierungsschub immens zu, da der Prozess der Globalisierung selbst von lokalen Differenzen gespeist wird. Lokale Differenzen werden produziert oder ‘aufgefunden’, um gleich darauf als neues Differenzklischee verwertet zu werden. Jain bezeichnet dieses Verfahren der Verdinglichung des Exotischen als »eklektischen Imperialismus«. Die Träger dieser eingebildeten Kulturen werden entweder exotisch romantisiert oder als primitiv und fundamentalistisch verab-


scheut. Der Begriff der Kultur ergänzt dabei sukzessive einen biologischen Begriff der Rasse. Im Rahmen des sogenannten Neorassismus werden biologistische Zuweisungen zunehmend durch kulturelle ersetzt. Es liegt nun nicht mehr an den Genen, dass bestimmte Personen als minderwertig erachtet werden, sondern an deren zurückgebliebener und fanatisch-irrationaler Kultur. Diese Verschiebung in der ‘Argumentation’ ändert für die Betroffenen jedoch meistens gar nichts, da weiterhin die gleichen Gruppen diskriminiert werden, bloß jetzt nicht mehr aufgrund ihrer ‘Rasse’, sondern aufgrund ihrer ‘Kultur’. Die Kulturalisierung populärer Rassismen dient damit ebenso als Instrument der Herausbildung globaler Hierarchien. Die Zugehörigkeit zur globalen Bourgeoisie bleibt weiterhin durch den Zugang zu einer möglichst großen Anzahl sogenannter Kulturen bestimmt, also durch das Privileg der Mobilität. Laut Zygmunt Bauman ist diese Stratifizierung der Mobilität im globalen Raum Ausdruck der Polarisierung der Weltbevölkerung in globalisierte Reiche und lokalisierte Arme: »Globalisierung und Lokalisierung mögen untrennbare Seiten derselben Medaille sein, aber die zwei Teile der Weltbevölkerung leben auf verschiedenen Seiten und sehen nur eine Seite – so wie die Menschen auf der Erde nur eine Seite des Mondes sehen und beobachten. Einige bewohnen den Globus, andere sind an ihren Platz gefesselt. (..) Man könnte sagen Globalisierung ist ein Prozess weltweiter Neu-Stratifizierung, in dessen Verlauf eine neue, weltweite, soziokulturelle, sich selbst reproduzierende Hierarchie aufgebaut wird. (..) Die an beiden Polen der entstehenden Hierarchie, an der Spitze und am Boden sich ablagernden Welten unterscheiden sich dramatisch voneinander und sind zunehmend voneinander abgeschirmt wie Verkehrswege, die von den mobilen und reichen Bewohnern der heutigen Städte genutzt werden, die »no go Areas« abgrenzen und sorgfältig umgehen.« (zit. n. Beck: S.101 ff) Insofern ist der zeitgenössische Tourismus auch als Symptom einer umfassenderen Reorganisierung von Konzepten von Raum und Zeit im Rahmen des jüngsten Globalisierungsschubs zu sehen. Touristen besitzen das Privileg jener Mobilität, die den Zutritt zur Klasse der Globalisierungsgewinner reguliert. Sie verfügen über den globalen Raum, d.h. die privilegierten Pässe, die diesen Raum erschließen und zugänglich machen, und erwerben durch ihre Reisen universalierbares kulturelles Kapital. Diese Bewegungsfreiheit ist keineswegs Reise und Rasse

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selbstverständlich, sondern das Privileg einer Minderheit. Für den Rest stellt sich der globale Raum als ein Geflecht schwer passierbarer Grenzen und Absperrungen heraus. Sie bleiben auf lokale und partikulare Strukturen verwiesen, an den Ort fixiert, der Bewegungsfreiheit beraubt. Und so wie die Bewohner des globalen Raums die Touristen sind, sind deren unsichtbarer Konterpart die Migranten, die sich im Gewirr lokaler Grenzen verheddern. Beide Gruppen tun zwar dasselbe: Sie bewegen sich – jedoch in ganz verschiedenen Schichten einer globalen Klassengesellschaft, die weiterhin auf Rassismus und Sexismus gegründet ist. Die einen tun es im universalen Register der Reise, die anderen im partikularen Register der Rasse.

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Ÿ Alexander, M. Jacqui: Erotic Autonomy as a politics of Decolonization. An Anatomy of Feminist and State Practice in The Bahamas Tourist Economy. In: Feminist Genealogies, Colonial Legacies, Democratic Futures. Hrsg: M. Jacqui Alexander, Chandra Talpade Mohanty, New York, London 1997. S. 63-100. Ÿ Beck, Ulrich: Was ist Globalisierung? Frankfurt 1998. Ÿ Caixeta, Luzenir / Salgado, Rubia: Wege durch die Öffentlichkeit. Migrantinnen entwerfen Perspektiven. In: Vor der Information – Schwerpunktnummer: antirassisitsche Öffentlichkeiten. Feministische Perspektiven. Wien 1999/2000. Ÿ Jain, Anil: »Die globale Klasse« Zur Transformation der Herrschaftsverhältnisse im globalen Zeitalter. In: Widerspruch, Heft 34, München 2000. S. 80-84. Ÿ Kant, Immanuel: Bestimmung des Begriffs einer Menschenrasse. In: Immanuel Kant, Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik. 1. Werkausgabe Band XI. Hrsg. Wilhelm Weischedel. FfM 1991. Ÿ Kant, Immanuel: Von den verschiedenen Rassen der Menschen. In: Immanuel Kant, Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1. Werkausgabe Band XI. Hrsg. Wilhelm Weischedel. FfM 1991. Ÿ Karrer, Cristina / Le Breton, Maritza: In der Hoffnung auf ein besseres Leben…. In: Frauen im Tourismus. Zürich 1996. S. 182. Ÿ Miles, Robert: Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs. Hamburg 1991. Ÿ Opaschowski, Horst: Tourismus. Eine systematische Einführung. Opladen 1996. Ÿ Wallerstein, Immanuel: Der historische Kapitalismus. Hamburg 1984.



Die Kamera – distanzierter Blick aufs Fremde. Der

Kulturbeutel – Garant für zivilisatorische Mindest-

standards. Der Reiseführer – Exotik-Impfung im Taschenformat. Das Portmonee – Sicherheit durch

Dividende. Der CD-Player – Filmmusik zur Traum-

kulisse. Die Sonnenbrille – Schutz vor neugierigen

Blicken. Das Handy – Anschluss an die Heimat. Der

Reisepass – grenzenloser Identitätsnachweis. Und zwischen all dem Handgepäck: Rassismus.

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