iz3w Magazin # 374

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Sozialstaaten – »Begünstigte erhalten einen Zuschuss«

iz3w t informationszentrum 3. welt

Außerdem t 20 Jahre Kosovokrieg t Wissensdrang trifft Sammelwut t Erinnerungskultur in Chile

Sept./Okt. 2019 Ausgabe q 374 Einzelheft 6 6,– Abo 6 36,–


In dies er Aus gabe . . . . . . . . . Wandgemälde zum Tanzania Social Action Fund: »Begünstigte des Programms erhalten einen Zuschuss« (Aufschrift in Suaheli)

Titelbild: Maia Green

Schwerpunkt: Sozialstaaten 13 Editorial 14 3 Editorial

Politik und Ökonomie 4

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Kosovo: Der erste Krieg der BRD 20

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Vergeblich Erdöl säen Der Sozialstaat in Venezuela zerbrach an inneren Widersprüchen von Tobias Lambert

Mexiko II: Fragen kostet nichts Die Konsultationen Indigener in Lateinamerika sind scheindemokratisch von Rosa Lehmann

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Kontrollierter Mangel Die russische Föderation hilft Bedürftigen mehr schlecht als recht von Ute Weinmann

Mexiko I: »Viele Gründe für das Verstummen« Interview mit Daniela Rea über Gewalt gegen JournalistInnen

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Neoliberal modifiziert Sozialstaatlichkeit im hindunationalistischen Indien von Hanns Wienold

Ein Fazit zwanzig Jahre nach dem Kosovokrieg von Larissa Schober

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Und immer droht der Absturz Sozialstaatlichkeit im bürgerlichen und (post-)kolonialen Staat von Reinhart Kößler

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Cash-Transfers oder Staudämme? Der Wohlfahrtsstaat in Tansania wird transnational beeinflusst von Alex Veit

Postkolonialismus: »Françafrique« lebt Europäische Integration im Zeichen des Neokolonialismus von Stefan Seefelder

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Staatszerfall und Familienbande Soziale Sicherung funktioniert in Somalia über Netzwerke von Markus Virgil Höhne

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Ohne Steuereinnahmen keine Wohlfahrt Die ugandische Wirtschaftsexpertin Irene Ovonji-Odida plädiert für Steuergerechtigkeit von Kathi King

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Money, Money, Money Bringt das bedingungslose Grundeinkommen den Sozialstaat weiter? von Kathi King

Kultur und Debatte 31

Erinnerungskultur: Polarisierte Erinnerung

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Das Ringen um die Aufarbeitung der Militärdiktatur in Chile von Björn Kluger

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Film: Fanatiker weglachen 46

Cineastische Kritik am Fundamentalismus beim Afrika Film Festival Köln von Karl Rössel

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Street Art: Zwischen den Fassaden Street Artists wollen in Nischni Nowgorod neue gesellschaftliche Räume schaffen von Anna Keller

Nachruf: »I am a homosexual, mum« Der kenianische Autor und LQBTIQ-Aktivist Binyavanga Wainaina ist tot von Katrin Dietrich

Museen: Wohin mit der Sammelwut? Eine Ausstellung »sensibler Objekte« im Museum der Kulturen Basel wirft Fragen auf von Anna Keller

47 Rezensionen

Bildkritik: Die Politik des Zeigens

50 Szene / Impressum

Eine Kritik der Bildauswahl in der iz3w von Heike Kanter

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Editorial

Zwei von vielen Nach Angaben der australischen Regierung wurden in den dreißig Jahren von 1989 bis April 2019 insgesamt 1.573 »australische indigene Vorfahren« aus Nordamerika und Europa nach Australien repatriiert. Gemeint sind damit vor allem menschliche Überreste von Aborigines, die zu anthropologisch-rassekundlichen Zwecken oder als Trophäen aus jenem einst kolonisierten Land, das heute Australien heißt, geraubt worden waren. Aus Respekt vor der spirituellen Bedeutung für Aborigines werden sie von australischer Seite oft als »Vorfahren« bezeichnet. Am 12. April 2019 wurden in Stuttgart nun erstmals Schädel aus Baden-Württemberg an eine Delegation aus Australien übergeben. Acht der zehn Schädel waren bis dahin Teil der Alexander-Ecker-Sammlung im Freiburger Univer­ sitätsarchiv.

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enige Tage später, am 18. April, wurde im iz3w anonym ein Paket abgestellt, das so adressiert war: »Zurück an Freiburg Postkolonial, z. Hd. Heiko Wegmann …«. Ein Absender war nicht angegeben, der Karton war aber mehrfach groß mit »Zerbrechlich« beschriftet. Wir gaben das Paket an unseren Mitstreiter Heiko Wegmann weiter. Der hatte jedoch nie ein solches Paket verschickt und war deshalb zunächst unsicher, ob es gefährlich sein könnte. Als er es schließlich öffnete, stellte sich der Inhalt als hochbrisant heraus: Das Paket enthielt zwei Schädel mit zugehörigen Unterkiefern, die in Zeitungspapier eingewickelt waren. Anhand der Beschriftungen der Schädel und nach Recherchen konnte Heiko Wegmann darauf schließen, dass sie aus Australien und von der pazifischen Insel N ­ auru stammten und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Deutschland gebracht worden waren. Nummern verwiesen auf die Systematik der Ecker-Sammlung, was dann vom Uniarchiv bestätigt wurde. Dort fehlten die Schädel – wie einige weitere – schon seit Jahrzehnten. Vor der Übernahme durch das Uniarchiv scheint es einen laxen Umgang mit der Sammlung gegeben zu haben, das Fehlen zog offenbar keine Konsequenzen nach sich. Nach Gesprächen mit der australischen Botschaft, dem Restitutionsprogramm in Australien, einer Reihe WissenschaftlerInnen und mit der Uni Freiburg wurden die S­ chädel am 23. Juli von freiburg-postkolonial.de an das Uniarchiv übergeben. In einer gemeinsamen Presseerklärung wurde hervorgehoben, dass die Restitution eingeleitet werden soll, falls sich die Angaben über die Herkunft bestätigen lassen. Private BesitzerInnen von menschlichen Überresten, die vermutlich aus kolonialen (Unrechts-)Kontexten stammen, wurden aufgerufen, sich mit geeigneten Stellen in Verbindung zu setzen.

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och welche Stellen sind eigentlich geeignet? Offensichtlich wurde einem unabhängigen kolonialismuskritischen Projekt wie freiburg-postkolonial.de vom Absender mehr Vertrauen entgegengebracht als der Uni. Echte Transparenz nach außen ist in vielen anthropologischen Sammlungen nicht gegeben, auch wenn sich gerade einiges tut. Die aufwändige und nicht immer erfolgreiche Provenienzklärung steht erst am Anfang. Wen sollen ‚Erben‘ von Schädeln ansprechen und wie können betroffene Communities herausfinden, wo in Europa Überreste ihrer Vorfahren in ­Museen oder gar in Privatbesitz lagern? Nur in wenigen ehemals von Europa kolonisierten Ländern gibt es staatliche Institutionen, die sich systematisch darum kümmern. Wie langsam die Mühlen mahlen und wie aufwändig und forschungsintensiv Rückgabeprozesse sind, sieht man daran, dass die im April stattgefundene Rückgabe aus Freiburg eine Reaktion auf eine australische Anfrage im Jahr 2006 war. Die erste Anfrage der australischen Botschaft an das Institut für Humangenetik und Anthropologie der Uni Freiburg, dem damals die Ecker-Sammlung zugeordnet war, datiert freilich schon auf das Jahr 1993. Kurz danach hakte auch das Tasmanian Aboriginal Centre nach. Die Anfragen blieben erfolglos. Trotz aller Hürden ist ein langsamer, aber stetiger Sinnes­ wandel im Umgang mit dem kolonialen Erbe zu verzeichnen, der sowohl die Bundes- und Landespolitik als auch Insti­ tutionen wie Museen erfasst hat. Ein richtiger Schritt zur Förderung der Provenienzforschung ist der 2019 eingerichtete Förderbereich »Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten« beim Deutschen Zentrum Kulturgut­ verluste.

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s ist nun dringend an der Zeit, auch eine unabhän­gige Clearing-Stelle zu schaffen. Diese müsste Vermittlerin für externe Restitutionsanfragen und Ansprechpartnerin für Sammlungen und Privatpersonen sein. Die Stelle müsste systematisch Informationen beschaffen, bündeln und Transparenz herstellen. Wichtig wäre dabei, dass zivilgesellschaftliche Initiativen und WissenschaftlerInnen, die sich seit Jahren für Aufklärung und Restitution menschlicher Überreste einsetzen, einbezogen werden. Der Vorfall im iz3w zeigt, wie nötig eine solche Instanz ist. Es spricht zwar für die Arbeit einer Initiative wie freiburgpostkolonial.de, dass ihr das Vertrauen bei diesem sensiblen Rückgabeakt entgegengebracht wurde. Aber wünschenswert ist dieser Zustand nicht. Die Räumlichkeiten des iz3w sind kein geeigneter Ort für menschliche Überreste, denen eine würdevolle Behandlung viel zu lange verweigert wurde.

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die redaktion

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Der erste Krieg der BRD Ein Fazit zwanzig Jahre nach dem Kosovokrieg Der ohne UN-Mandat geführte Nato-Einsatz gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien und die erstmalige Beteiligung Deutschlands an einem Krieg seit 1945 schufen Präzedenz­fälle, die bis heute nachwirken. Dennoch hat der zwanzigste Jahrestag in Deutschland wenig Echo hervorgerufen. Auch die heutige schwierige Situation im Kosovo wird kaum beachtet.

Zunächst schlugen sich die Unabhängigkeitsbestrebungen im Aufbau von Parallelstrukturen nieder. Erst 1996 nahm die UCK (»Befreiungsarmee des Kosovo«) den bewaffneten Unabhängigkeitskampf auf. Die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit für die Situation im Kosovo nahm ab 1998 zu. Nach Massenfluchten bis Januar 1999 wurden die Forderungen nach internationaler Einmischung immer lauter. Am 24. März griff die Nato das heutige Serbien an, die Militärintervention endete am 9. Juni.

von Larissa Schober Der Kosovokrieg war Teil der Zerfallskriege Jugoslawiens. Vorausgegangen waren ihm die Unabhängigkeitserklärung fast aller Teilrepubliken des föderalen Jugoslawiens sowie die darauf folgenden Kriege: Der 10-Tage-Krieg in Slowenien 1991, der kroatische Unabhängigkeitskrieg 1991–95 und der Bosnienkrieg 1992–95. Gerade letzterer spielt für das Verständnis des Kosovokrieges 1999 eine wichtige Rolle: Die Schaffung von ethnisch homogenen Gebieten war bereits Teil der Kriegsstrategie aller Seiten und führte zu brutalen Vertreibungen und Massakern, denen die so genannte internationale Gemeinschaft vielfach tatenlos zusah. Auch Kosovo, das keine Teilrepublik, sondern autonome Provinz Jugoslawiens war und damit laut jugoslawischer Verfassung kein einvernehmliches Sezessionsrecht besaß, hatte sich 1992 unabhängig erklärt. Dies wurde jedoch lediglich von Albanien anerkannt. tt

Bilder von verschwundenen Kosovo-AlbanerInnen in Priština

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Präzedenzfall statt Ausnahme Dass es sich seinerzeit um einen Bruch des Völkerrechts handelte, wird mittlerweile kaum bestritten. An der Frage, ob der Krieg dennoch gerechtfertigt war, scheiden sich die Geister. Der Soziologe Ulrich Beck brachte das Dilemma damals so auf den Punkt: Wegschauen macht ebenso schuldig wie Eingreifen. In Bosnien hatte die internationale Gemeinschaft viel zu lange weggesehen, und man wird den Eindruck nicht los, dass das beim Kosovo überkompensiert wurde. Der Kosovokrieg stellte eine Zäsur dar: Einerseits schuf die Nato mit dem völkerrechtlich nicht gedeckten Eingreifen einen Präzedenzfall für Einsätze ohne UN-Mandat. So verweist Russland heute im Konflikt um die Krim auf den Kosovoeinsatz, um sein Vorgehen zu rechtfertigen. Andererseits hat der Kosovokrieg auch das Prinzip tt

Foto: Allan Leonard


Kosovo der »Schutzverantwortung« im Völkerrecht befördert. Heute sind Die massive internationale Präsenz hat nichts an den vielen Problemen des Landes geändert. Kosovo gilt heute als einer der korrupeklatante Verletzungen von Minderheiten- und Menschenrechten nicht mehr durch die Souveränität von Staaten geschützt. Der testen und ärmsten Staaten Europas. Die Arbeitslosigkeit liegt bei UN-Sicherheitsrat unterliegt nun theoretisch der Pflicht, Menschen 40 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit ist noch höher, und dies bei auch vor ihren eigenen Regierungen zu schützen. Dass dies häufig einer Bevölkerung, in der jede/r zweite unter 25 Jahre alt ist. Auf die nicht geschieht und der Sicherheitsrat oft – wie beispielsweise im etwa 1,8 Millionen EinwohnerInnen des Kosovo kommen etwa 420.000 KosovoarInnen, die (legal) im Ausland leben. Ihre RückFalle Syriens – blockiert ist, steht auf einem anderen Blatt. Auch für die deutsche Außenpolitik stellte der Kosovokrieg einen überweisungen machen 14 Prozent des Bruttoinlandproduktes des Präzedenzfall dar: Es war der erste Krieg, an dem sich Deutschland Landes aus. Oft sind ganze Familien von den Überweisungen von Familienangehörigen aus dem Ausnach 1945 aktiv beteiligte, noch dazu in einer Region, land abhängig. in der die Wehrmacht zahlreiche Massaker verübt hatKosovo gilt heute als einer te. Zwanzig Jahre danach ist die Beteiligung DeutschMigration war immer ein wichtiger lands an Auslandseinsätzen etabliert. Die Grundlage Wirtschaftsfaktor für den Kosovo der ärmsten Staaten Europas für diese Akzeptanz schuf die damalige rot-grüne Bunund lebt mit jeder Krise neu auf. desregierung. Berüchtigt ist der Auschwitz-Vergleich Allein im Winter 2014/15 verließen des damaligen grünen Außenministers Joseph Fischer: »Ich stehe über 70.000 Menschen das Land, mehr als die Hälfte davon stellte Asylanträge in Deutschland. Hierzulande wurde dadurch der Diskurs auf zwei Grundsätzen, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie um sogenannte »Wirtschaftsflüchtlinge« befeuert. Abgesehen von wieder Völkermord, nie wieder Faschismus.« Fischer lag auch jenseits dieser Verharmlosung des Holocaust falsch: Nur im Bosnienkrieg der Tatsache, dass diese Unterscheidung der Realität von Migration gab es Lager (von denen jedoch keines mit Auschwitz vergleichbar nicht gerecht wird, gibt es unter diesen Geflüchteten eine große war), im Kosovo nicht. Gruppe, die als schutzbedürftig anerkannt werden müsste: die RomaDem Erfolg von Fischers Argumentation tat dies keinen Abbruch. Minderheiten. Nach dem Kosovokrieg kam es immer wieder zu Der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger sagt dazu: »Die gewaltsamen Übergriffen gegen RomNija, die unter Verdacht der Beteiligung einer Partei, die maßgeblich aus der deutschen Friedens­ »Kollaboration« mit der serbischen Seite gestellt wurden. Bis heute bewegung hervorgegangen war, war mit großer Wahrscheinlichleiden RomNija im Kosovo unter massiver struktureller Diskriminiekeit geradezu entscheidend dafür, dass die Positionierung des rung. Da Minderheitenschutz aber in der Verfassung des Kosovo wiedervereinigten Deutschlands als international und offensiv verankert ist, werden Asylan­träge von RomNija in Deutschland agierende Militärmacht nicht auf mehr Widerstand stieß.« prinzipiell abgelehnt. Mit dem Verweis auf Rechte, die es nur auf dem Papier gibt, stiehlt sich Deutschland aus der Verantwortung.

Von der Provinz zum Protektorat Formal blieb der Kosovo nach dem Krieg Teil der Bundesrepublik Jugoslawien, wurde aber unter internationale Verwaltung gestellt, zunächst unter die Übergangsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK). Sie übergab später viele Aufgaben an die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission im Kosovo (EULEX). Gleichzeitig wurden etwa 50.000 SoldatInnen der Nato KosovoMission (KFOR) im Kosovo stationiert. Ihre Zahl ist heute auf etwa 4.500 gesunken. Die drei Missionen übernahmen von Polizeiaufgaben bis zu Haushaltsverwaltung viele staatliche Aufgaben, sodass Kosovo ein internationales Protektorat darstellte. 2008 erklärte sich der Kosovo schließlich unilateral unabhängig. Vorausgegangen waren lange Verhandlungen über eine einvernehmliche Lösung für den Status der Region, die schließlich scheiterten. Serbien erkennt die Unabhängigkeit bis heute nicht an, hat seine Strategie aber darauf verlegt, den nördlichen Teil des Kosovo, in dem die Bevölkerungsmehrheit serbisch ist, als Teil Serbiens zu erhalten. International ist die Unabhängigkeit weiterhin umstritten – nur 114 der 193 UN-Mitgliedsstaaten haben sie anerkannt, darunter auch nur 23 der 28 EU-Staaten. Mit der Unabhängigkeit übernahm EULEX viele Aufgaben der UNMIK und soll die kosovarischen Behörden beim Aufbau von Polizei, Justiz und Verwaltung unterstützen. Ursprünglich war die Mission bis 2010 geplant, soeben wurde sie bis 2020 verlängert. Über die Jahre wurden immer mehr Kompetenzen von EULEX auf kosovarische Behörden übertragen, mit dem neuesten Mandat bekommt EULEX erneut weniger Befugnisse. Das Land steht aber weiterhin unter einer Doppelverwaltung aus kosovarischen und internationalen Strukturen. So findet sich im Kosovo die größte Ansammlung von EU-Personal außerhalb von Brüssel. tt

Die Büchse der Pandora Auch sonst sind die Nachwirkungen des Krieges bis heute groß. Im Juli 2019 trat der kosovarische Regierungschef Ramush Haradinaj zurück, nachdem er eine Vorladung vor das internationale Sondergericht zur Ahndung von Kriegsverbrechen während des Kosovokrieges erhalten hatte. Das Gericht wurde 2017 eingerichtet und soll mutmaßliche Verbrechen in den Jahren von 1998 bis 2000 aufklären. Haradinaj war damals ein regionaler UCK-Kommandant. Serbien erkennt die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz weiterhin nicht an. Ein durch die EU vermitteltes »Normalisierungsabkommen« hat dennoch eine gemeinsame Grenzverwaltung herbeigeführt. Auch bei der Frage eines EU-Beitritt Serbiens spielen die Beziehungen zum Kosovo eine große Rolle. Der Norden des Kosovo wird bis heute de facto überwiegend serbisch verwaltet. Mittler­­ weile ist die kosovarische Polizei dort präsent, aber Aktionen wie die Verhaftung des serbischen Direktors für Kosovo Marko Duric 2018 führen immer noch zu schweren diplomatischen Konflikten zwischen Priština und Belgrad. Die im April diskutierte Idee eines Gebietsaustausches zwischen den beiden Staaten, bei dem der Norden Kosovos Serbien zugeschlagen werden soll und Kosovo dafür südserbische Gebiete mit überwiegend albanischer Bevölkerung erhält, kann einen nur mit Grauen erfüllen. Eine erneute Verschiebung der Grenzen auf dem Balkan nach ethnischen Kriterien würde jene Büchse der Pandora wieder öffnen, die das Morden in den 1990er Jahren erst möglich gemacht hat: die Vorstellung vom ethnisch homogenen Nationalstaat. tt

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Larissa Schober ist Mitarbeiterin im iz3w.

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Editorial

Sozialstaaten 2015 drohte ein heikles Jahr für Europa zu werden: Der US-amerikanische Filmregisseur Michael Moore bereiste den alten Kontinent, um für seinen Film »Where to Invade Next« zu recherchieren. Die Sache endete aber glimpflich, denn Moore entdeckte ein soziales Mekka und konnte der Welt zahlreiche Wohltaten präsentieren: In Europa zahlen alle Leute Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, um sich abzusichern, die Armut zu beseitigen und ein inklusives Gesundheits- und Bildungssystem auszubauen. In Finnland bringen Schulen genannte Selbstverwirklichungsclubs blitzgescheite Kinder hervor, in Italien zahlen ArbeitgeberInnen Urlaubsgeld und ein 13. Monatsgehalt, in Deutschland dringt die Demokratie über »Mitbestimmung« bis hinter die Werkstore vor und in Frankreich gibt es Schulspeisungen. Zu Ende des Films fragt man sich erstaunt, warum das grundvernünftige Sozialstaatsmodell nicht weltweit installiert ist und ausgebaut wird. Tatsächlich ist es nahezu unmöglich, in der internationalen Staatenwelt GegnerInnen des Sozialstaats zu finden. Insbesondere die Vereinten Nationen beschwören turnusmäßig die Sozialstaatlichkeit. Im UN-Sozialpakt sind das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, das Arbeitsrecht und vieles mehr verankert.

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llein: In Wirklichkeit lässt die Existenz sozialer Sicherheiten weltweit sehr zu wünschen übrig. Zwischen Nord und Süd besteht eine große Asymmetrie, wie der Einleitungsartikel dieses Themenschwerpunktes ausführt (Seite 14). Auch wohnen der Sozialstaatlichkeit starke Beschränkungen bis hin zu repressiven Elementen inne, wie etwa die Beiträge über die nicht nur mangelhafte, sondern auch autoritäre Sozialstaatlichkeit in Indien (Seite 17), Russland (Seite 20) oder Venezuela (Seite 22) ausführen. Man kann Sozialstaatlichkeit eng oder weit fassen. Eng gefasst gewährleistet der Sozialstaat den jeweiligen Staatsangehörigen den minimalen Lebensstandard, den es zum Überleben braucht. Der Sozialstaat schützt die Mitglieder der Gesellschaft vor extremer Armut. Dazu interveniert er in Bereichen wie Wohnen, Pflege, Bildung und Auskommen

zugunsten »sozial Schwacher«. Weit gefasst sichert der Sozialstaat den Lebensstandard in einer Weise ab, in der die Einzelnen ohne Mangel an der Gesellschaft partizipieren können. Im Bildungssektor wird für Chancengleichheit gesorgt, zum Wohnen gibt es Wohngeld und sozialen Wohnungsbau und in Kultureinrichtungen wird ermäßigter Eintritt gewährt. Der Sozialstaat ist so ein Mittel, der nicht nur Armut und Mangel bekämpft, sondern auch gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.

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ll diese Versprechen werden in der globalen Realität aber kaum eingelöst. Die gelobte Sozialstaatlichkeit hat ihre Schattenseiten, auf die schon der Einleitungsartikel verweist. Entsprechend der Herkunft des hiesigen Sozialstaates vom bismarckschen Obrigkeitsstaat birgt er ein strukturelles Demokratiedefizit. Der Sozialstaat stellt die UntertanInnen im Tausch gegen ihr Wohlverhalten mit dem Notwendigsten ruhig. In seiner nationalstaatlichen Verfasstheit wirkt er exkludierend gegenüber Nichtstaatsangehörigen. Der »Transnationalisierung der Armut« (siehe iz3w 336) stehen die unterfinanzierten nationalen Sozialbudgets völlig hilflos gegenüber. Die globalen Profitströme hingegen umgehen transnational die nationalen Steuergesetze, wie die ugandische Volkswirtschaftsexpertin Irene Ovonji-Odida beklagt (Seite 28). In Weltregionen wie etwa dem subsaharischen Afrika kann noch nicht einmal von Grundformen garantierter sozialer Absicherung gesprochen werden. Ein »Sozialstaat Somalia« scheiterte bereits in seinen Startlöchern (siehe Seite 26). Wenn ganze Bevölkerungen noch nicht einmal sozialstaatlich diszipliniert werden, sondern sie ein bloßer Spielball von Armut, Rechtlosigkeit und informellen Ökonomien sind, dann ist schon eine eng gefasste Version von sozialer Absicherung ein immenser Fortschritt. »Where to Invade Next«? Die Schaffung und der Ausbau der Sozialstaatlichkeit bleiben weiterhin auf der Agenda der sozialen Kämpfe. Doch eine umfassende Umverteilung und Demokratisierung der Produktionsmittel bleiben auch im Falle wichtiger Etappenerfolge noch weit entfernt. Ein angstfreies Leben für alle wird erst jenseits der national verfassten Sozialstaaten zu haben sein. die redaktion

Wir danken »Umverteilen! Stiftung für eine solidarische Welt« herzlich für die Förderung dieses Themenschwerpunktes.

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Sozialstaaten

Vergeblich Erdöl säen Der Sozialstaat in Venezuela zerbrach an inneren Widersprüchen Glauben an Fortschritt und soziale Mobilität, die das Erdöl vermeintlich ermögliche. Ein umfassendes Sozialsystem baute Venezuela seinerzeit nicht auf, allenfalls punktuelle Programme. Während des Erdölbooms ab 1973 versuchte die Regierung, den Gesundheits- und Bildungs­sektor zu öffnen und die finanzielle Situation der ArbeiterInnen zu verbessern. Doch in der Krise ab 1983 verlor die Sozialpolitik an Bedeutung. von Tobias Lambert Während die politischen und wirtschaftlichen Eliten ihren aufwändigen Lebensstil beibehielten, sollte der ärmere Teil der Bevölkerung tt Wenn Venezuela in einer Krise steckt, wird stets die gleiche »den Gürtel enger schnallen«. Phrase bemüht: Aufgrund des Erdöls sei das Land eigentlich reich, Viele BewohnerInnen der barrios – der informell errichteten von der Politik jedoch zugrunde gewirtschaftet worden. Tatsächlich städtischen Armensiedlungen – wurden aber schon zuvor kaum verfügt Venezuela über die größten Erdölreserven der Welt. Doch von staatlichen Programmen erfasst. Diese waren zudem stark von Klientelismus und Korruption geprägt. Vor Wahlen schickte die während sich linke Regierung und rechte Opposition gegenseitig die Schuld für die derzeitige Wirtschafts- und Versorgungskrise Regierung Lebensmittelpakete oder Zementsäcke, ansonsten zeigzuschieben, gerät deren strukturelle Hauptursache häufig aus dem te sich der Staat vor allem durch repressive Sicherheitspolitik. Blick: die Abhängigkeit vom Erdöl. Zwar haben politische Fehl­ Als Hugo Chávez 1998 die Präsidentschaftswahlen gewann, entscheidungen und äußere Faktoren wie US-Sanktionen die Krise lebte laut offizieller Angabe mehr als die Hälfte der Bevölkerung in verstärkt. Ein Land, das 96 Prozent seiner Exporteinnahmen aus Armut. Der Erdölpreis lag damals infolge der Asienkrise bei nur dem Verkauf eines einzigen Rohstoffs bezehn US-Dollar pro Barrel. Chávez streitet, kann sich aufgrund schwankender setzte sich daher einerseits zum Ziel, die Preise mittels der Stärkung der Weltmarktpreise jedoch kaum gegen wirtChávez schrieb sich auf die Fahnen, schaftliche Einbrüche schützen. OPEC wieder zu stabilisieren, andedie »soziale Schuld« abzubauen Schon 1936 hatte der venezolanische rerseits wollte er die Wirtschaft diSchriftsteller Arturo Uslar Pietri den Anspruch versifizieren. Doch schrieb sich die formuliert, »das Erdöl zu säen«, also mithilneue Regierung von Beginn an auch fe der Einnahmen aus dessen Verkauf andere Wirtschaftssektoren auf die Fahnen, die »soziale Schuld« abzubauen, die der Staat aufzubauen. Seitdem haben sich Regierungen unterschiedlicher gegenüber den Unterschichten akkumuliert hatte. Bereits kurz nach Couleur auf die Fahnen geschrieben, die Wirtschaft zu diversifizieseinem Amtsantritt 1999 legte Chávez den »Plan Bolívar 2000« ren – gelungen ist es keiner. Stattdessen traten in Venezuela typische auf. Soldaten verteilten in Armenvierteln und ländlichen Regionen Probleme rohstoffbasierter Ökonomien auf: Der Erdölsektor schuf Lebensmittel, setzten Häuser und Schulen instand und leisteten Enklaven, die kaum mit der übrigen Wirtschaft verbunden sind. medizinische Hilfe. Die neue Verfassung von 1999 enthielt umfasDer Zufluss an Devisen setzte die heimische Währung unter Aufsende soziale Rechte. wertungsdruck, was die Importe von Waren verbilligte und der Doch erst 2003, nachdem die Regierung die Kontrolle über den heimischen Produktion schadete. Für wirtschaftliche AkteurInnen staatlichen Erdölkonzern PDVSA übernommen hatte, starteten die ist vor allem entscheidend, gute Beziehungen zum Staat zu untersogenannten Missionen (misiones). Zuvor hatte die rechte Oppohalten, denn er verteilt die so genannte Erdölrente, sprich die sition mit einem kurzen Putsch im April 2002 sowie einem zweimoEinnahmen aus den Exporten. Dass die Regierung das Benzin im natigen Erdölstreik 2002/03 erfolglos versucht, Chávez zu stürzen. Neben dem Ausbau der Partizipation und dem Experimentieren Land heute komplett verschenkt, obwohl die meisten rationalen mit alternativen Wirtschaftsformen bildeten die misiones fortan Gründe dagegen sprechen, ist der wohl absurdeste Ausdruck des einen zentralen Pfeiler für die Legitimation der Regierung. Die Erdölstaates. Sozialausgaben stiegen von unter neun auf etwa 17 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das zudem ab 2004 rasant wuchs. Den Gürtel enger schnallen Die misiones entstanden außerhalb der herkömmlichen Institutt Schon 1976, als sich das »Saudische Venezuela« aufgrund hoher tionen in Bereichen wie Gesundheit und Bildung, Ernährung, Erdölpreise und billiger Kredite noch in einem Konsumrausch Kultur, Wissenschaft, Umwelt, Obdachlosigkeit oder Wohnraum. ­befand, bezeichnete der frühere Erdölminister, Juan Pablo Pérez Vor allem das Gesundheitssystem und der Bildungsbereich wurden Alfonzo, das Öl als »Exkrement des Teufels«. Richtig ernst nahm rasch ausgebaut. Barrio-BewohnerInnen, die sich zuvor keine ärztliche Behandlung leisten konnten, hatten plötzlich (meist kubanidies damals in Venezuela kaum jemand. Auch als der Beginn der sche) ÄrztInnen in fußläufiger Entfernung, die sie kostenlos behanSchuldenkrise ab Anfang der 1980er Jahre einen etwa 20-jährigen delten und bei Bedarf an ein größeres, ebenfalls kostenloses wirtschaftlichen Niedergang einleitete, änderte sich nicht viel am

Eine Zeitlang galt Venezuelas Verteilungspolitik zugunsten der Armen als vorbildlich. Doch inzwischen darbt die Bevölke­ rung mehr denn je. Worauf beruhten die temporären ­Erfolge des Sozialsystems unter Präsident Chávez? Und welche internen wie externen Faktoren führten zu seinem Scheitern?

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Auch in Venezuela untrennbar: Sozialstaat und Bürokratie

Foto: avn

Gesundheitszentrum überwiesen. Bildung war von der Alphabetisierung über Schulabschlüsse bis hin zu Hochschulabschlüssen an neu gegründeten Universitäten für alle erreichbar, wenngleich die Bildungs-misiones in der Mittel- und Oberschicht nie Anerkennung genossen, jedenfalls im Vergleich zu den teuren Privatschulen. Die Regierung etablierte flächendeckende Schulspeisungen und verkaufte stark subventionierte Lebensmittel in kleinen Supermärkten. Binnen kurzer Zeit sorgten die misiones für eine starke Verbesserung der Grundversorgung. Die Armut sank laut offiziellen Angaben von 54 Prozent (2003) auf 24 Prozent (2009), die extreme Armut ging im selben Zeitraum von 25 auf sieben Prozent zurück. Die soziale Ungleichheit nahm merklich ab, und UN-Organisationen bescheinigten Venezuela große soziale Fortschritte. Aber die misiones dienten auch der politischen Bewusstseinsbildung und basierten häufig auf selbstorganisierten Prozessen, die von oben unterstützt wurden. Die Bilanz fällt dennoch gemischt aus. Auch die chavistische Sozialpolitik bestand vor allem in der Verteilung der Erdölrente. Die Wirtschaft zu diversifizieren, den Reichtum wirklich umzuverteilen und einen Sozialismus im Produktionssektor aufzubauen – daran scheiterte die Regierung trotz günstiger finanzieller und politischer Rahmenbedingungen. Bereits ab 2009, als die weltweite Finanzkrise für einen vorübergehenden Einbruch der Rohölpreise sorgte, verbesserte sich die soziale Situation in Venezuela nicht mehr.

Ein Gefühl von Würde Nach Chávez’ Tod 2013 und vor allem mit dem neuerlichen Einbruch der Rohölpreise sowie einem deutlichen Rückgang der Fördermenge ab 2014 setzte dann eine Abwärtsspirale ein, aus der die Regierung Maduro bis heute keinen Ausweg gefunden hat. Die chavistischen Errungenschaften sind weitgehend verschwunden, die meisten misiones funktionieren, wenn überhaupt, nur noch tt

rudimentär. Die Armut ist heute vermutlich sogar größer als in den 1990er Jahren, glaubwürdige Statistiken dazu gibt es nicht. Zu den aktuell wichtigsten und umfassendsten sozialen Maßnahmen der Regierung zählen der soziale Wohnungsbau und die seit April 2016 von »Lokalen Versorgungs- und Produktionskomittees« (CLAP) zu einem symbolischen Preis verteilten Lebensmittelkisten. Ohne die darin enthaltenen Grundnahrungsmittel könnten Millionen VenezolanerInnen in der von Hyperinflation gezeichneten Krise kaum überleben. Die rechte Opposition sieht darin – wie schon in den misiones – den klientelistischen Versuch, sich bei der ärmeren Bevölkerung Wählerstimmen »zu erkaufen«. Diese Kritik geht allerdings am eigentlichen Kern vorbei. Dass der heutige Präsident Maduro trotz autoritärer Regierungsführung und einer verheerenden Wirtschaftskrise noch immer schätzungsweise 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung hinter sich hat, liegt nicht zuletzt daran, dass der Chavismus durch Partizipation, Selbstorganisierung und Sozialpolitik einst das Gefühl von Würde und Selbstermächtigung erzeugte. Die meisten BewohnerInnen der barrios wissen genau, dass die traditionelle Opposition dies nie verstanden hat. Eine rechte Regierung, in der die frühere politische Elite den Ton angibt, würde die Erdölrente an ihre eigene Klientel umleiten, anstatt in Sozialpolitik. Die strukturellen Probleme der Wirtschaft blieben die gleichen. Das teils paternalistische, teils die Selbstorganisierung fördernde Sozialstaatssystem des Chavismus ist letztlich an inneren Widersprüchen gescheitert: Die Zuwendungen des Staates waren weder in eine tatsächliche Demokratisierung der Ökonomie noch der Gesellschaft eingebettet. Diese innere Beschränkung des Sozialstaates formte sich dann in Zeiten der Krise immer stärker autoritär aus.

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Tobias Lambert ist freier Autor, Redakteur und Übersetzer.

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... Rezensionen Der Prozess der Wortergreifung Die Krux formuliert Manfred Loimeier in seinem neuen Buch gleich zu Beginn: Es ist unmöglich, verallgemeinernd von den Literaturen Afrikas zu sprechen. Die Unterschiede seien größer als die Gemeinsamkeiten – angefangen bei der Mehrsprachigkeit bis hin zum unterschiedlichen Diasporabezug in der Negritude oder im Postkolonialismus. Literaturen aus Afrika ist vielmehr ein von Loimeier verwendeter Behelfsbegriff, um am Beispiel von zwei Romanen aktuelle Entwicklungslinien nachzuzeichnen: Fatou Diomes »Der Bauch des Ozeans« und NoViolet Bulawayos »Wir brauchen neue Namen« repräsentieren nicht nur ganz unterschiedliche kulturtheoretische Ansätze, sondern auch zwei Sprachräume – den frankophonen und den anglophonen. Die senegalesische Schriftstellerin Fatou Diome lebt heute in Frankreich. Sie verhandelt in ihrem Roman die Themen Migration und Wohlstandsversprechen in Europa ebenso wie Armut und Fremdenfeindlichkeit. Die Rückkehr nach Afrika bleibt der Protagonistin ihres Romans verwehrt, denn es gibt für sie kein »erfolgreiches Heimkehren«. Ganz anders bei NoViolet Bulawayo aus Simbabwe: Darling, die Hauptfigur ihres Debütromans, schildert die Brüche zwischen dem Alltag in Simbabwe und dem »Traumland« USA nicht als Geflüchtete, sondern als Bildungsmigrantin. Die Begegnung zwischen den beiden Welten führt hier zu einer Rückbesinnung auf das Herkunftsland, die verbunden ist mit einer Kritik an der westlichen Gesellschaft. Loimeier geht es um die unterschiedlichen Lesarten dieser beiden Romane. Hierzu begibt er sich zuallererst auf eine Tour de Force durch die afrikanische – nein, besser gesagt, transnationale – Literatur aus dem afrikanischen Kontinent. Diese hat bis heute mit dem historischen Erbe des Kolonialismus zu kämpfen: Mit der Wirkmächtigkeit von Afrikabildern ebenso wie mit rassistischen Stereotypen und voyeuristischem Exotismus. Scheinbar mühelos schlägt Loimeier dabei den Bogen von Ngugi wa Thiong’os »Dekolonisierung des Denkens« aus den 1980er Jahren über aktuelle Positionen von Achille Mbembe (»Kritik der schwarzen Vernunft«) tt

und Felwine Sarr (»Afrotopia«). Außerdem bezieht er sich auf die von Frauen eingebrachte Kritik an Wahrnehmungsmustern: Tahiye Selasi, die 2005 mit dem von ihr geprägten Schlagwort »Afropolitan« international für Aufsehen sorgte, betont, dass es die afrikanische Literatur nicht gebe, und Chimamanda Ngozi Adichie erweitert dies um das Postulat von der »Danger of a Single Story«. Dem Literaturwissenschaftler, Autor und Kulturvermittler Loimeier gelingt eine kenntnisreiche Zustandsbeschreibung der Literaturgeschichte Afrikas, die den »Prozess der Wortergreifung« als jahrzehntelanges Phänomen begreift. Er ist ein ausgewiesener Kenner aller Literaturen, die Afrika zugerechnet werden, und ist sowohl in historischen als auch aktuellen Romanen aus Ost-, Süd-, West- und Ostafrika bewandert. Er beschäftigt sich mit postkolonialer Theorie ebenso wie mit den Konzepten der Negritude oder des Black Atlantic und kann intellektuelle Diskurse politisch einordnen. Deshalb verzeiht man dem Autor auch die sehr unterschiedlich ausfallenden Analysen der beiden Romane: Während er Bulawayos Text ausführlich bespricht und sich mit vielen Zitaten eng am Text bewegt, wirft er auf »Den Bauch des Ozeans« einen eher distanzierten Blick von außen. Beiden Interpretationen fügt er lesenswerte Interviews mit den Autorinnen hinzu, die Einblicke in deren Verständnis von Schreiben in der Transkulturalität geben. So weist Fatou Diome eindrücklich auf die Bedeutung der »mentalen Kolonialisierung« hin und auf den ewigen Traum vom »gelobten Europa«, der zerstört werden müsse. Sie sucht ihr »Land im Schreiben« als franko-senegalesische Frau. NoViolet Bulawayo drückt ihr Selbstverständnis so aus: »Jeder Mensch wird von dem Raum verändert, in dem er lebt«. Rosaly Magg Manfred Loimeier: Literaturen aus Afrika. Aufbruch in ein neues Selbstbewusstsein. Brandes & Apsel, Frankfurt 2018. 190 Seiten, 19,90 Euro.

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Kämpfe mit Vergangenheit und Zukunft Wie sieht das Leben auf dem afrikanischen Kontinent im Jahr 2060 aus, etwa hundert Jahre nach der Unabhängigkeit von den Kolonialmächten? In der Anthologie Imagine Africa 2060 schreiben zehn AutorInnen über Dystopien und futuristische Visionen einiger afrikanischer Gesellschaften. Die großen Themen in ihren Kurzgeschichten sind der Klimawandel und die Digitalisierung. José Eduardo Agualusa und Ken Bugul beschreiben zum Beispiel das Leben nach der großen Naturkatastrophe. Agualusas Welt ist komplett geflutet, die Reichen leben auf sicheren großen Schiffen hoch oben in der Luft, die Armen auf selbstgebauten kleinen Booten, nicht weit von der tödlichen Erdoberfläche. In Buguls Vision wird die Nordhalbkugel unbewohnbar und die Menschen fliehen auf den afrikanischen Kontinent, der sich erst an die Geschichte und die verschlossenen Grenzen der Festung Europa tt

erinnert, sich dann aber zur Menschlichkeit bekennt und ein gerechtes Zeitalter anbrechen lässt. Tendai Huchu und Nii Parkes nehmen sich technologischer Entwicklungen an. Huchu erzählt von einem komplett durchtechnologisierten Alltag in Simbabwe, den Problemen, die die junge Generation mit der älteren hat und zeichnet das Bild eines modernen, aber sehr individualisierten und einsamen Protagonisten. Parkes‘ Hauptprotagonist zieht von Ghana nach Frankreich und arbeitet dort nach seinem Studium an der Erforschung und Herstellung von künstlichen Organen. Die Geschichte konzentriert sich vor allem auf die ethische Diskussion mit seiner Großmutter und seiner besten Schulfreundin über die künstliche Verlängerung von Leben. Fast alle AutorInnen thematisieren die anhaltende Bekämpfung weltweiter Ungleichheiten und Diskriminierungen. In der Geschich-

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Rezensionen ... te von Sonwabiso Ngcowa hat sich im Südafrika des Jahres 2060 im Vergleich zu heute nicht viel verändert: Rassismus bestimmt das Leben der jungen Protagonistin, die sich in Drogen flüchtet. Aya Cissoko hat die heutigen politischen Entwicklungen in Frankreich weitergedacht: 2060 ist der rassistische Wunsch nach einem Frankreich ohne People of Colour Wirklichkeit geworden. So kehren viele junge, gut ausgebildete Menschen nach Mali zurück und nehmen die Möglichkeit wahr, das Land unabhängig von dem sich abschottenden Frankreich nach den eigenen Vorstellungen aufzubauen. Genau wie Okwiri Oduor thematisiert sie dabei die Frage, was Heimat und das Gefühl anzukommen ausmacht. Ellen Banda-Aaku und Chika Unigwe widmen sich der in ihren Augen längst überfälligen Gleichstellung von Männern und Frauen, indem sie ihre Protagonistinnen in führende politische Positionen versetzen. Unigwe lässt ihre Hauptfigur nicht nur einen individuellen emanzipatorischen Prozess durchlaufen indem sie sich von

ihrem Mann scheiden lässt, sondern auch zur ersten Präsidentin Nigerias werden. Viele der von den AutorInnen aufgegriffenen Kämpfe haben schon heute eine lange Vergangenheit, auf die sich die Geschichten immer wieder beziehen. Dass sie 2060 wohl noch lange nicht beendet sein werden zeigt, wie viel Zeit gesellschaftliche Veränderungen be­ nötigen. Annika Lüttner Christa Morgenrath/ Eva Wernecke (Hg.): Imagine Africa 2060. Geschichten Zur Zukunft Eines Kontinents. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2019. 192 Seiten, 20 Euro. Das Buch ist eine Veröffentlichung des Kölner Projektes Stimmen Afrikas, das seit zehn Jahren afrikanischen AutorInnen eine Bühne bietet. tt

Schwule Jungs vermessen Amerika Das Jahr 2019 wurde in Berlin und Brandenburg durch 13 Kulturbetriebe zum offiziellen »Humboldt-Jahr«erkoren. Anlässlich des 250. Geburtstages von Alexander von Humboldt sind die beiden Brüder aus Tegel, Alexander und Wilhelm, in aller Munde. Die prominenteste Würdigung der preußischen Universalgelehrten ist das wiederaufgebaute Berliner Stadtschloss. Dieses wird, trotz postkolonialer Kritik am Konzept und an den Herrschaftswissen produzierenden Namenspatronen, Ende 2019 als »Humboldt-Forum« zahlreiche außereuropäische museale Sammlungen präsentieren. Die deutsch-britische Humboldt-Biografin Andrea Wulf nutzt die Aufmerksamkeit der Stunde, um nach »Alexander von Humboldt und die Entdeckung der Natur« (2015) nun den Comic Die Abenteuer des Alexander von Humboldt nachzulegen. Entstanden ist ein farbenfroher Wälzer über die Amerikareise Humboldts (17991804), den die US-amerikanische Zeichnerin Lillian Melcher mit ansprechenden Illustrationen ergänzt und dem sie mittels Kollagen aus Humboldts Tagebüchern, Briefen, Notizen und Aufzeichnungen Leben einhaucht. Wulf präsentiert Humboldt und seinen Reisebegleiter Aimé Bonpland als waghalsige Nerds, die sich einzig der Wissenschaft verpflichtet fühlen. Um Berge, Krater, Flüsse, Pflanzen und Tiere akribisch zu erforschen, scheuen sie kein Abenteuer. Sie sind dabei stets in Begleitung des indigenen Helfers José de la Cruz, der Humboldts Barometer durch Südamerika balanciert. Im ecuadorianischen Quito schließt sich dem Trio der junge Carlos de Montúfar an. Text und Bilder vermitteln jene gigantische Menge an Wissen, die Humboldt und seine Begleiter auf ihrer Tour erschließen. Im Zentrum steht die Idee von der »Natur als Geflecht des Lebens«, deren schonungslose Ausbeutung für alle in diesem Netz befindlichen Organismen von der Flechte bis zum Menschen verheerende Auswirkungen hat. Wulf zeigt Humboldts kritischen Blick auf die Vertt

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sklavung von AfrikanerInnen sowie die Misshandlung von Indigenen durch MinenbesitzerInnen und MissionarInnen in den Amerikas. Die Indigenen werden allerdings stets als »Indianer« bezeichnet. Reflexionen über die privilegierte Position, in der sich die weißen Entdeckungsreisenden befinden, fehlen jedoch. Humboldt hebt zwar die Errungenschaften indigener Kulturen wie die der Azteken hervor, demonstriert aber bei der Benennung und sprachlichen Aneignung von ‚unbekannten‘ Pflanzen und Tieren sowie beim Raub von Schädeln koloniales Denken. Koloniale Machtverhältnisse und wirtschaftspolitische Interessen sind auch der Grund, weshalb sowohl der spanische König Carlos IV. als auch US-Präsident Thomas Jefferson Humboldts Forschungen unterstützten. Wulfs Comic stellt das Reisen, Forschen und Erleben von Abenteuern als Wettkampf zwischen narzisstischen Männern dar. Dabei erinnern Sprache und Bilder, besonders wenn Humboldt als Metaerzähler die Lesenden direkt adressiert, an die geschlechterkritischen Comics der schwedischen Feministin Liv Strömquist. Jedoch mit dem fatalen Unterschied, dass patriarchale Machtverhältnisse nicht mit Ironie entlarvt werden. Homosexualität kommt hingegen offen zur Sprache, etwa wenn Wulf Humboldt sich in kalten Andennächten an Carlos de Montúfar kuscheln und die preußische Prominenz über seinen »Mangel an echter Liebe zu Frauen« tuscheln lässt. Summa summarum ist der Band die Hagiografie eines queeren Nerds mit großem Einsatz für Wissenschaft und Naturschutz, die nicht verschweigt, dass in einer (post)kolonialen und kapitalistischen Welt oft elementare Widersprüche zwischen diesen Themen bestehen. Patrick Helber Andrea Wulf: Die Abenteuer des Alexander von Humboldt. C. Bertelsmann Verlag, München 2019. 272 Seiten, 28 Euro. tt

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Diesseits von gut und böse 14 Monate lang reist eine bunte Gruppe durch Mittelamerika. Station macht sie in 17 Gemeinden, die Widerstand gegen große Infrastrukturprojekte leisten. Was sie auf dieser Reise vor zwei Jahren erlebten, haben die Kollektive in Aktion ihrem Buch Die Welt sind wir dokumentiert. Im Mittelpunkt der Reise steht der Austausch mit den Gemeinden. Die Reisenden wollen deren Erfahrungen im Konflikt mit Konzernen und staatlichen Akteuren kennen lernen. Zum Austausch bieten sie Workshops über organische Düngemittel oder per Fahrrad angetriebene Maismühlen an, die in ihrer Vorstellung die Autonomie der Dörfer fördern. Die besuchten Gemeinden organisieren sich unter anderem gegen Bergbauprojekte und Staudämme oder treten für ihre Landrechte ein. Den jeweiligen Konflikt schildern die AutorInnen auf wenigen Seiten. Dazwischen gibt es Bauanleitungen aus den Workshops, Grußworte und Reflexionen. Entstanden ist so eine Mischung aus Bericht, Gästebuch und Ratgeber. Mit welcher Hartnäckigkeit und welchem Mut lokale Bevölkerungen gegen Projekte von Konzernen und Regierungen protestieren, ist beeindruckend. Da ist zum Beispiel das Dorf La Nueva Esperanza in Honduras: Die BewohnerInnen lenkten so viel Aufmerksamkeit auf die Rechtsbrüche der Firma Minerales Victoria, dass sie ihr Bergbauprojekt wieder aufgab. Oder der Konflikt in Intibuca, ebenfalls Honduras, wo ein Wasserkraftprojekt gestoppt wurde. Hier wird der Widerstand unter Lebensgefahr geleistet: Vier tt

AktivistInnen wurden in den vergangenen sechs Jahren ermordet. Die Sprache und die Perspektive der Kollektive in Aktion werden der Vielfalt der Umweltkonflikte hingegen nicht gerecht. Sie überhäufen ihre Sätze mit Details, bleiben aber trotzdem ungenau bei der Schilderung der Ereignisse. Sie werfen Empfindungen und objektive Zusammenhänge durcheinander. Störend sind zudem die Kriegsmetaphorik und die schablonenartige Betrachtung der Konfliktparteien. Auf der einen Seite steht die lokale Bevölkerung, die durch ihre traditionelle Lebensweise die Natur schützt, sich vorbildlich selbst organisiert und das Leben ohne materiellen Wohlstand schätzt. Ihre Feinde sind Konzerne und Regierungen, die als homogene Akteure handeln und dabei lügen, morden, kriminalisieren und die Natur zerstören. Gut und Böse kommen in dieser dichotomen Welt deutlich zum Ausdruck, die Vielschichtigkeit eines Konfliktes hingegen nicht. Wer sich für antikapitalistische Projekte und selbstorganisierte Initiativen interessiert, findet in diesem liebevoll gestalteten Buch Anregungen. Wer jedoch Interesse an einer sachlichen Analyse der Umweltkonflikte in Mittelamerika hat, lässt es lieber im Regal stehen. Isabel Röder Kollektive in Aktion (Hg.): Die Welt sind wir. Buen Vivir und die Verteidigung von Lebensräumen in Mesoamerika. Unrast-Verlag, Münster 2019. 278 Seiten, 16 Euro. tt

»Schäm dich, Obama!« Die USA errichteten im Anschluss an die Terroranschläge vom 11. September 2001 und ihre Invasion in Afghanistan ab Januar 2002 auf dem kubanischen Militärstützpunkt Guantanamo ein Gefangenenlager, das vor den Augen der Welt verborgen bleiben sollte. Dorthin wurde der 13-jährige Mohammed el Gharani aus dem Tschad verschleppt. In ihrer journalistischen Comic-Reportage Guantanamo Kid erzählen Jérôme Tubiana und Alexandre Franc aus der Perspektive des Schwarzen Inhaftierten von den unmenschlichen Haftbedingungen auf der tropischen Insel und wie der Teenager trotzdem seine Würde behalten und Widerstand leisten konnte. Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Alexandre Franc erinnern teils an Marjane Satrapis »Persepolis« und verstehen es, den Schrecken in unschuldig und schlicht wirkende Bilder zu verpacken. Unterbrochen wird die Erzählung durch englischsprachige Quellen wie die Haftordnung oder Gerichtsbeschlüsse, die im Anhang übersetzt werden und die die bürokratisch-nüchterne Dimension der Gewalt vermitteln. Vor seiner Haft hat Mohammed nie von der Terrororganisation Al-Qaida gehört. Nicht als Kämpfer, sondern für eine bessere Ausbildung ist er von Medina nach Pakistan aufgebrochen. Als in Saudi-Arabien marginalisiert lebender Tschader hoffte er, sich dort Englisch- und Computerkenntnisse aneignen zu können. Stattdessen gerät er nach einem Moscheebesuch in die Fänge pakistanischer Sicherheitsbehörden, die ihn für 5.000 US-Dollar als vermeintlichen Terroristen an die USA verkaufen. tt

Ironischerweise lernt Mohammed in Guantanamo durch die Drangsalierungen, die musikalische Folter mit Britney Spears‘ »Hit Me Baby One More Time!« und die Konversationen der AufseherInnen Englisch. Eines seiner ersten Worte ist das »NWort«, mit dem ihn weiße Aufseher beschimpfen. Gleichzeitig erfährt er auch kleine Gesten der Unterstützung von Schwarzen Wärtern, die in ihm einen rassistisch diskriminierten »Bruder« sehen. Nach acht Jahren wird Mohammed aus Guantanamo entlassen und 2008 über Bagdad in den Tschad abgeschoben. Laut Pentagon haben 25 Prozent der inhaftierten Männer nach ihrer Entlassung erneut Kontakt zu islamistischen Gruppen gesucht. Auf Mohammed el Gharani trifft das nicht zu. Als ehemaliger Guantanamo-Inhaftierter stigmatisiert, gerät er immer wieder ins Visier der Behörden, woran Versuche scheitern, eine Existenz im Sudan oder in Ghana aufzubauen. Ebenso bleibt ihm die Rückkehr zur Familie nach SaudiArabien verwehrt. Gegenwärtig lebt Mohammed in Nigeria. In Guantanamo saßen im Dezember 2017 trotz Obamas Versprechen, das Lager zu schließen, noch 41 von ursprünglich 730 Inhaftierten ein. Neun Menschen überlebten das Lager nicht. Patrick Helber Jérôme Tubiana / Alexandre Franc: Guantanamo Kid. Die wahre Geschichte des Mohammed el Gharani. Carlsen Verlag, Hamburg 2019. 176 Seiten, 20 Euro. tt

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Szene ... Herausgeberin

»Utopien zu entwerfen und vorzuleben, wie alles auch ganz anders sein kann« – so ambitioniert präsentiert sich das neue Stadt(Bewegungs-)Magazin Común in seiner ersten Ausgabe. Nach eigenem Bekunden direkt aus der Mitte der stadtpolitischen Community kommend, bieten die Beiträge eine weltweite Perspektive auf Stadtpolitik. Neben konkreten Beispielen aus Lissabon, Uruguay und deutschen Städten finden sich auch Theorietexte im Heft. Nützlich ist etwa der Artikel »A-Z Recht auf Stadt«, der nicht nur für Neulinge eine Übersicht über Theorie und Praxis gibt. tt www.comun-magazin.org tt

Eine Vorbereitung für die Internationale Begleitung in Guatemala von Menschenrechtsorganisationen bietet CAREA e.V. vom 05. bis 08. Dezember in der Nähe von Kassel. Das Seminar bereitet auf unter­ schiedliche Formen der Begleitung vor, so dass Freiwillige die AktivistInnen vor Ort in schwierigen Situationen unterstützen können. tt www.carea-menschenrechte.de

Migration ist ein tagesaktuelles Thema, für Europa besonders durch die täglichen verzweifelten Versuche vieler Menschen, über das Mittelmeer zu kommen. Der Atlas der Migration der Rosa-LuxemburgStiftung bietet eine profunde Übersicht über die Geschichte der Migration, ihre vielfältigen Gründe und Dimensionen, über Gefahren für MigrantInnen und rechtliche Aspekte. Der Atlas kann kostenlos heruntergeladen werden, steht aber auch als Druckversion zur Verfügung. tt www.rosalux.de tt

Die industrielle Landwirtschaft hat verheerende Folgen für den Klimawandel. Die Kampagne Free the Soil will mit einer Aktion gegen einen Düngemittelhersteller und einem Camp vom 19. bis 25. September in der Nähe von Brunsbüttel intervenieren. Dabei sollen unter Einbindung antifaschistischer, feministischer und antirassistischer Bewegungen Alternativen erdacht werden. Damit soll ein Beitrag zur Ausweitung des Kampfes für Klimagerechtigkeit geleistet werden. tt www.freethesoil.org

Mehr und mehr Leute gehen auf die Straße – gegen Klimawandel, Rechtsruck oder Festung Europa. Die Bewegungskonferenz möchte diese Bewegungen stärken, indem sie einen Raum für Austausch, Reflexion und Planung bietet. Vom 18. bis 20. Oktober in Berlin. tt www.bewegungskonferenz.de

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Das Infobüro Nicaragua veranstaltet einen Vortrag am 18. Oktober über Ursachen und Lösungsansätze für den Klima­ wandel aus der Perspektive kleinbäuer­ licher Organisationen aus Zentralamerika, der von zwei ReferentInnen aus Nicaragua und El Salvador gehalten wird. Am nächsten Tag folgt ein Seminar über Klimagerechtigkeit. Dabei werden weitere Initiativen und Themen in Bezug auf Klimawandel und Gerechtigkeit vorgestellt. tt www.infobuero-nicaragua.org tt

www.iz3w.org

Redaktion

t Martina Backes, Katrin Dietrich, Simon Dippold, Anna Keller, Kathi King, Friedemann Köngeter, Rosaly Magg, Winfried Rust, Johannes Schmitthenner, Larissa Schober, Christian Stock, Leon Strnad

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t Aktion Dritte Welt e.V. informationszentrum 3. welt, Kronenstraße 16a (Hinterhaus), D-79100 Freiburg i. Br. Telefon: 0761 / 740 03, Fax: 0761 / 70 98 66 E-Mail: info@iz3w.org Bürozeiten: Montag bis Freitag 10 bis 16 Uhr

Der Plastikatlas 2019 ist aus Papier und erzählt in 19 Kapiteln, welche Rolle Plastik heute ökologisch spielt. Ein Umsteuern brauche fundiertes Wissen über die Ursachen, Interessen, Verantwortlichkeiten sowie über die Auswirkungen der Plastikkrise. Herausgegeben wird der Atlas von der Heinrich Böll Stiftung und dem BUND. tt www.boell.de tt

Vorschau: iz3w 375 Fundamentalismus Der Begriff Fundamentalismus wird heute häufig unscharf und gerne zur Diffamierung politischer GegnerInnen verwendet – womit er analytisch entwertet wird. Dabei hat Fundamentalismus in den letzten drei Dekaden weltweit erheblich an gesell­ schaftlicher Bedeutung gewonnen, insbesondere durch religiöse Strömungen mit politischem Charakter. Unser Themenschwerpunkt fragt: Was macht Fundamentalismus so attraktiv für viele Menschen? t

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Impressum

Die 4. Afrika-Filmtage in Wuppertal vom 19. bis 29. September zeigen unter dem Titel »Politische Fluchtursachen: Importierte Ideologien und afrikanische Realitäten« Filme zu gesellschaftlichen Spannungspunkten des Kontinents. Die Filmthemen sind unter anderem Islamismus, Repres­ sionen gegen Frauen und politischer Befreiungskampf. tt www.rexwuppertal.de tt

Copyright

t bei der Redaktion und den AutorInnen

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Postfach 9, D-35463 Fernwald (Annerod), Fax: 0641/943 93-93, service@prolit.de

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