papier R
Euro1 0 ,0 0 $ 9 ,5 0 £ 6 ,5 0 SFR 1 5 ,5 0 ¶ ISBN 978-3-928013-46-8
Erläuterungen zum Covermotiv Stück für Stimme von Andreas Lang:
einatmen/ ausatmen
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Zungen-R, Rachen-R
9•
(3) n
Editorial 1
Janina Klassen
Grusswort
Atemgeräusch (f, s)
Q.
n
3
Rüdiger Nolte
verhauchter Ton
»Bill — Ich will dein Zungenpiercing spüren« — Tokio Hotel Stars, Fans, Merchandising 4
Evelyn Eble
Pop 8 Glaube
—
Christliche Popmusik in Deutschland
Atem und Körperspannung ...
14
Elisabeth Berner
... so schnell als möglich
Punk!
—
Die Sprache von Hardcore
auszuführender Vorschlag,
22
Michael Diefenbacher
von space-notation unabhängig
Gregorianik vom Synthesizer
—
Musik in »Der Name der Rose«
Elisabeth Wodsak
30
Schneisen durch den Dschungel Hörerbedürfnisse und öffentliche Musikpräsentation Anne Holzmüller
36
Streichquartett im Umspannwerk Will noch jemand Avantgarde? 8k; Janina Klassen
44
Bürgerstolz und Gutenbergfeier Mendelssohn Bartholdys »Lobgesang« op. 52
8kf Ann Kathrin Rist -
50
Wir brauchen das Publikum Oper und »Regietheater« — ein Statement Elmar Supp
56
Seelenkommunikation — Schuberts Lieder und die Ideologie der Unmittelbarkeit Martin Günther
60
Gesualdo gefadet und gemorpht Komposition und Computer Marcel Fischer stellt Fragen und Orm Finnendahl antwortet
Impressum
66 73
Wir freuen uns, das dritte Heft unseres NOTENPAPIERs vorlegen zu können, zeigt es doch, wie sehr die vor drei Jahren begonnene Zusammenarbeit zwischen der Freien Hochschule für Grafik-Design 8 Bildende Kunst e.V. und der Musikhochschule Freiburg uns wechselseitig inspiriert. Manche der Fans waren noch so jung, dass die Eltern sie auf ihren Schultern trugen beim Konzert von Tokio Hotel, das Evelyn Eble besuchte. Sie hat sich im Netz von Musik, Merchandising und Fankult umgeschaut. Bei christlicher Popmusik fällt einem spontan Xavier Naidoo ein. Elisabeth Berner zeigt, wie vielschichtig die Szene ist, in der Popmusik eine christliche Botschaft hat. Dass auch Metal eine Art Ethos vertritt, führt Michael Diefenbacher vor. Der Verwendung von altem Kirchengesang im Film ist Elisabeth Wodsak nachgegangen. Fast scheint es, als hätte Prof. Adorno uns mit seinen Hörertypen ins Bockshorn gejagt. Diesen Eindruck erhält man in Anne Holzmüllers Beitrag. Den Reflex auf das Publikum thematisieren auch Elmar Supps und mein eigenes Statement. Ann-Kathrin Rist stellt mit Mendelssohns »Lobgesang« op. 52 eine Situation vor, in der artifizielle Musik zum Selbstverständnis bürgerlichen Lebens gehörte. Als »Seelenkommunikation« verstand man die bürgerliche Liedkultur, der Martin Günther bei Schubert nachgeht. Einen ganz anderen Blick auf Musik erhält man in Marcel Fischers Interview mit Orm Finnendahl. Zu den vielen lobenden, positiven Echos auf unsere ersten beiden Nummern gehört, dass inzwischen ein weiterer Artikel aus dem NOTENPAPIER nachgedruckt wird. Carolin Fütterers Beitrag über Berio aus dem NOTENPAPIER 1 erscheint jetzt im Magazin Flöte aktuell. Die auf dem Cover abgebildeten Noten stammen von Andreas Lang. Sein Stück für Stimme erklingt bei der Vernissage am 7. Dezember 2007, ausgeführt von Marcel Fischer. Danken möchte ich allen, die zu diesem Heft beigetragen haben: den Autorinnen und Autoren, den Studierenden der Freien Hochschule für Grafik-Design 8, Bildende Kunst e.V., außerdem bei Simon Föhr, Martin Günther, Susanne Keßler und Joseph Willimann. Wolfgang Blüggel, Dozent für Gestaltung, danke ich für das tolle Teamwork. Janina Klassen Professorin für Musikwissenschaft
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Von Mendelssohns Mendelssohns »Lobgesang« bis Punk, von der Frage nach der Bedeutung von Avantgarde bis zum Dschungel öffentlichen Musiklebens, von Tokio Hotel bis zur Seelenkommunikation in Schuberts Liedern — solche Extreme werden in diesem »NOTENPAPIER« reflektiert und verweisen auf zumindest zweierlei: nämlich darauf, dass an unserer Hochschule eine Vielfalt vielschichtigen Denkens möglich ist und dass es Musikstudenten gibt, die das auch tun. So kann das »NOTENPAPIER« — und nicht nur diese Ausgabe — wie das Forum eines programmatischen Ziels gesehen werden: dass nämlich eine Musikhochschule nicht nur eine Schmiede für versierte InstrumentalistInnen oder Sängerinnen sein sollte, sondern eine Ausbildungs-Adresse, an der—möglichst— alle über Musik auch nachdenken. Und wie es die Beiträge dieser Ausgabe zeigen, öffnen sich damit auch mögliche Grenzen — die Grenzen zwischen Genres zum Beispiel oder die zwischen Epochen oder zwischen tradierten Anspruchs-Markierungen. Und bieten damit Chancen für Entdeckungen: sowohl von Neuem als auch von Eigenem und Altbekanntem. Dr. Rüdiger Nolte
Rektor der Hochschule für Musik Freiburg
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33E11 —Ich urill dein 2ungenpiercing spüren« Tokio Hotel. Stars, Fans, Elerchandising Evelyn Eble
ee, »Tokio Hotel« kreischt es hysterisch von allen Seiten. Hunderte Mädchen drängen sich zum Rand der Absperrungen und versuchen, die Barriere zu überwinden. Sie warten seit Stunden. Einige von ihnen haben sogar vor den Einlassgittern geschlafen, eingewickelt in Alufolie. Die aufwändig aufgetragene Schminke ist längst zerlaufen, weil die jungen Mädchen vor Aufregung immer wieder in Tränen ausbrechen. Die Tore werden geöffnet. Kreischende Fans füllen den Mannheimer Schlossplatz in Minutenschnelle. Alle wollen einen Platz in der ersten Reihe, und beim Kampf darum gibt es regelmäßig Verletzte. Der Grund der weiblichen Massenhysterie? Eine Band namens Tokio Hotel, die aus vier Jungen zwischen 16 und 18 Jahren besteht. Eigentlich ist alles wie in den 90er Jahren bei Boygroups wie den Backstreet Boys oder Take That, nur sind die Fans nicht 15 Jahre oder älter, sondern einige erst 8 oder 9 Jahre alt oder gar so jung, dass sie von den Schultern ihrer Eltern herab johlen. So fliegen Middl'-Mäuse und `Felix'-Kuscheltiere auf die Bühne, während in der ersten Reihe ein Mädchen im Bikinioberteil mit einem Schild winkt, auf dem steht: »Bill — Ich will Dein Zungenpiercing spüren!« Doch was steckt hinter der Inszenierung einer Schülerband, welche die Teenager in die Hysterie und die Eltern zur Verzweiflung treibt? Welche Zielsetzungen existieren allgemein hinter der Vermarktung von Stars? Welches sind die Ursachen dafür, dass Jugendliche ihr ganzes Taschengeld für Bands oder Solisten ausgeben, die nur konzipiert wurden, um genau das zu erreichen? Was verbirgt sich hinter der Massenhysterie, die durch die Stars ausgelöst wird? Um mir selbst ein Bild von den Fans der Gruppe zu machen und vor allem, um diese selbst zu Wort kommen zu lassen, besuchte ich am 15. Juli 2006 die Arena of Pop in Mannheim, bei der Tokio Hotel auftrat.
Das Star-Fan-Phänomen »Ein Star ist eine Persönlichkeit, die aufgrund ihres Charismas kommerziellen Erfolg verbucht. Der Star besitzt ein medial vermitteltes Image, das sich von der realen
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Person des Stars unterscheidet, im optimalen Fall aber die Eigenschaften der privaten Person des Stars integriert, um authentisch zu wirken« (Huppert, s. 97). Stars wurden bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Aufstieg der Fotokultur geboren. Spätestens seit der Etablierung des Kinos jedoch sind sie ein fester Bestandteil der Massenkultur geworden. Im Laufe der Zeit wurde das 'Produkt' Star immer weiter kommerzialisiert und perfekt auf die Träume der Fans abgestimmt. Auch wenn es schon vor ca. 150 Jahren Berühmtheiten gab, waren sie meist nur einigen Privilegierten bekannt. Heutige Stars aber bedienen den Geschmack unzähliger Menschen jeden Alters und aus allen Gesellschaftsschichten. Die inzwischen massenhafte Verbreitung des Bild- und Informationsmaterials über Prominente hat zur Folge, dass viele sie kennen lernen und konsumieren können. Auch die Rezeption der Künstler ändert sich stetig: »Die naive Begeisterung der [...]
Fans L..1 ist einer sachlicheren Auseinandersetzung mit Stars gewichen. [...] Die Inszenierung der Stars [fällt] heute weitaus schwerer, da das Publikum eher hinterfragt, was 'Produktdesign' und was der 'wirkliche Star' ist« (Huppert, s. 92). In Zeiten von Casting-Shows und Jugendzeitschriften, die heute jede neue Erscheinung des Marktes vorbehaltlos zum Star krönen, darf die angebliche Entwicklung des Massenpublikums zu einer den Markt kritisch analysierenden Fangemeinde durchaus angezweifelt werden. Hauptgrund dieser Divergenz sind offensichtlich die unterschiedlichen Arten von Wahrnehmung der Fans.
Eigenschaften unt Stars
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»Den Star kann man [...] als ein intertextuell und intermedial erzeugtes Image,
als einen Gegenstand von Klatsch und Tratsch in der Regenbogenpresse wie im direkten Austausch der Fans, als ein Element des kulturellen Wissens, als ein Produkt der [...] Industrie und Bestandteil ihrer Marketingstrategien, als ein soziologisches Phänomen, als einen Auslöser psychischer Prozesse wie Identifikation und Projektion, als eine Heldenfigur, ein Idol oder ein kulturelles Stereotyp und vieles andere mehr [betrachten'« (Lowry, s. 12f). Stars sind nicht nur Abbilder von Medieninformationen, sie sind vielmehr ein Produkt der Verarbeitung dieser Zeugnisse. Dabei entstehen die Eigenheiten erst aus der Interaktion von Fans und Stars. Erst in der Rezeption bilden sich die schwer fassbaren Faktoren 'Aura', 'Charisma' und 'Image'. Die Aura
`Aura' wird oft synonym mit 'Ausstrahlung' oder 'Charisma' gebraucht. Tatsächlich sind die beiden Formulierungen aber von einander abgrenzbar. Stars sind einerseits unerreichbar für den Fan, lassen ihn aber gleichzeitig Nähe spüren. Dieses »Vorleben
einer positiven Utopie ist nach Ansicht vieler Autoren die übergeordnete Funktion des Stars«
(Huppert, S. 92).
Das Charisma Die Ausstrahlung von Persönlichkeit ist eine der Grundvoraussetzungen zur Ausprägung eines Star-Images, um den Fan in seinen Bann zu ziehen. »Unter Charisma verstehen wir
eine Eigenschaft, die als außergewöhnlich betrachtet wird und einer Person zugesprochen wird Fans glauben, dass diese Person mit Kräften und Eigenschaften ausgestattet ist, die übernatürlich und übermenschlich sind oder zumindest außergewöhnlich, auch wenn andere Menschen diese Eigenschaften haben können« (Weber, s. 19). Das Image Um die Aura und das Charisma im großen Stil produzieren zu können, wird das Bild eines Stars auf das einfach Begreifbare reduziert — das so genannte Image »im Sinne eines
leicht vereinfachten, pointierten, typologisierten, positiv oder negativ belegten, mit erkennbaren Eigenschaften ausgestatteten Vorstellungsbildes einer Person« (Faulstich, s. 19). Dieses Abbild entspricht einer 'Kompakt-Version' der Persönlichkeit des Stars, um die Rezeption zu erleichtern. Widersprüche werden egalisiert, ein Bild wird konstruiert. Durch einen einheitlichen Kleidungsstil bilden die jungen Männer eine Gruppe, auch wenn sie durch ihre verschiedenen Haarfarben oder Stylings versuchen, innerhalb der Einheit unterschiedliche Typen darzustellen. Das unterstreichen sie durch ihre abgesprochenen Verhaltensweisen bei Interviews, denn bei den Antworten gibt es ebenfalls klare Regeln: »die Betonung der gegenseitigen Freundschaft, die Ablehnung von Drogen
aller Art sowie die Selbstinszenierung als stets gutgelaunte, heterosexuelle und ungebundene junge Männer« (Fritsche, 5. 95) stehen im Zentrum. Dieses festgelegte Image darf in keinem Fall zerstört werden, weder von den Mitgliedern noch von den Medien.
Der mediale Einfluss auf die Bildung Eines Stars Die Fan-Leidenschaft ist gebunden an die stetige mediale Vermittlung von Stars. Insofern bedeutet Fan-Sein auch Medienkonsument zu sein. Fernsehsender wie MTV oder
VIVA oder die Filmindustrie liefern Fanobjekte am laufenden Band und versorgen den Fan mit Hintergrundinformationen. Das Internet gilt in diesem Zusammenhang vor allem als Form der Informationsbeschaffung, sei es für Journalisten oder Fans. Mussten sich Stars früher die Zuschauer- und Zuhörergunst erst mühsam erarbeiten, werden heutige Newcomer dem Publikum von Beginn an als Stars vorgestellt. Durch die mediale Dauerpräsentation reduziert sich allerdings meist ihre 'Haltbarkeit'. Durch Videoclips und anderes gesendetes Informationsmaterial werden Stars so produziert, dass sie einen möglichst breiten Geschmack abdecken. Niehues sieht die professionalisierte Vermarktung von Stars als Folge der reibungslosen Zusammenarbeit zwischen Medien und Unterhaltungsindustrie. Letztere verkauft Stars, erstere verkaufen sich über Stars. Denn nur die, über die immer wieder berichtet wird, werden als Stars wahrgenommen und viele Medien verkaufen sich hauptsächlich über das Interesse ihrer Nutzer.
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Fans Sprachwissenschaftlich stammt der Begriff 'Fan' aus dem religiösen Bereich. Das Lateinische `fanaticus' meinte eine von der Gottheit ergriffene und in Begeisterung versetzte Person. Die popmusikalische Bedeutung des Begriffs Fan kommt aus dem Englischen: `fanatical' — 'fanatisch' und bezeichnet »begeisterte Anhänger einer Person,
einer Gruppe von Personen oder einer Sache« (Fans, wikipedia.de). Was bedeutet es, Fan zu sein, und wer ist wovon Fan? Im Rahmen eines Forschungsprojekts am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig beschäftigen sich Dr. Jochen Roose und Mike Steffen Schäfer mit diesen Fragen. Sie versuchen diese unter anderem mit einem Online-Fragebogen zu klären. Die bisherigen Ergebnisse der Studie zeigen, dass viele der älteren Befragten bereits in jungen Jahren Fan waren. Bei den heutigen Jugendlichen ist die Antwort auf die Frage 'von wem' noch meist abhängig von Wohnort und Freundeskreis. Auffällig ist ebenfalls, dass der Entschluss, von etwas Bestimmtem Fan zu sein, eher zufällig gefasst wird. Dafür ist die Beziehung zum jeweiligen Star im Folgenden umso intensiver. So ist es für einen Fan besonders wichtig, alle Neuigkeiten über sein Idol möglichst früh zu erfahren. Dafür wird nicht selten ein hoher zeitlicher und oft auch finanzieller Aufwand in Kauf genommen: Stadion- oder Konzertbesuche, Musikzeitschriften und Tonträger sind nicht billig und Anhänger von Soap Operas bemühen sich darum, keine der täglichen Folgen zu verpassen. Oft entwickeln sich eigenständige Fangruppen, die auf der einen Seite die soziale Kompetenz des Fans fördern können, sich auf der anderen Seite aber auch von der Gesellschaft durch Symbole wie Kleidung und Sprache abgrenzen. Auch im Grundverhalten gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. Einige Fanclubs sind sehr umtriebig, andere konsumieren passiv. Egal ob Sportvereine, Fernsehen, Filme, Musik oder Computerspiele — ohne Fans gäbe es für Stars keinen Erfolg— sie sind diejenigen, die nicht nur Emotionen und Zeit, sondern auch Geld dazu verwenden, ihre Begeisterung auszuleben. Zusammenfassend kann man erkennen, dass hinter dem Fan-Sein drei Bedürfnisse stehen:
e, 1. Spaß- und Erlebnisorientierung e, 2. Identifikation mit Vorbildern e, 3. Soziale Integration Dabei ist vielen Kindern die Fan-Kultur zunächst unbegreiflich. Erst durch den Kontakt mit älteren Fans gewinnen sie an Erfahrung und wachsen so in eine nachahmende Anlehnung an Stars hinein. Ältere Jungendliche dagegen können sich schon als selbstbewusste Medienkonsumenten auszeichnen, wenn sie klare Ansprüche formulieren. Jugendlicher Fan zu sein bedeutet auch, sich eigene Autoritäten im Umgang mit Konsum anzueignen. Geld verleiht vielen Jugendlichen die Illusion, erwachsen und selbstständig zu sein.
Die 5t arfa ll.1 »Stars handeln stellvertretend für die Fans und ermöglichen durch ihr Identif ikationsangebot dem Einzelnen erst so etwas wie Selbstinszenierung und -stilisierung« (Klippel 8. Winkler, S. 333).
Die Beziehung zu seinen Fans hat für den Star zunächst einen kommerziellen Hintergrund. Auch wenn es ihm ein Bedürfnis ist, seine Kunst mit anderen zu teilen, steht die professionelle Vermarktung immer an erster Stelle. Stars genießen den Ruhm und die Anerkennung, aber oft reicht ihnen der oberflächliche Fankontakt. Der Fan dagegen hat großes Interesse an seinem Star. Ihm ist bewusst, dass er die Distanz zu seinem Idol nur schwer überwinden kann. Die Frustration darüber motiviert ihn aber gleichzeitig, auf kommerziellem Wege zu versuchen, seinem Star nahe zu kommen. Dieser wird zu einem virtuellen Freund, der auf diese Weise in das Leben des Fans miteinbezogen wird. In vielen Star-Fan-Beziehungen haben Stars durch ihr Image einen eindeutigen Symbolcharakter. Vor allem Mitglieder von Boygroups werden selten als eigenständige Persönlichkeiten wahrgenommen. Obwohl sich viele Fans einen 'Liebling' aussuchen, steht immer die Band im Vordergrund. Zusammenfassend kann man von einem Drei-Komponenten-Modell (Huppert, s.
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der Star-Fan-Beziehung sprechen. Die Einstellung des Fans zum Popstar ist von den drei Ebenen Emotion, Kognition und Verhalten bestimmt. Diese bedingen sich auch untereinander: Einerseits kann das Verhältnis der drei Komponenten im Gleichgewicht sein, andererseits ist es möglich, dass die Wahrnehmung dahingehend verschoben ist, dass z. B. die emotionale Bindung zum Star die kognitive Komponente verdrängt. Wichtig ist, dass alle drei genannten Komponenten die Rezeption des Stars beeinflussen.
111u5ikmarketing und Merchandising . riWe Hörer von Popmusik zeichnen sich nicht nur durch ein bestimmtes Verhältnis zu ihrem Star aus, sie sind auch für die hohen Umsätze in der Kulturindustrie verantwortlich. Vor allem Jugendliche im Alter von 12-24 Jahren sind Fans von Popstars. Laut der 13.
Shell-Jugendstudie hören 96% dieser Altersgruppe regelmäßig Musik und geben an, Tonträger und Merchandising-Artikel von ihren Stars zu besitzen. In einer Zeit von rückläufigen Umsatzzahlen im Tonträgerbereich wird der Bereich der niII-It-musikalischen Artikel immer wichtiger. Tauschbörsen wie Emule, KaZaa, Napster oder Lime schädigen die Musikindustrie, da durch das illegale Raubkopieren Umsatzrückgänge von bis zu 20% zu verzeichnen sind. Beim so genannten File-Sharing werden Dateien in einem Netzwerk über das Internet getauscht. Wenn die Anbieter keinerlei Inhalts- oder Copyrightkontrollen haben, werden auch urheberrechtlich geschützte Inhalte (Filme, CDs, etc.) ohne Lizenz- oder Kaufgebühren weitergegeben, wodurch sich die Konsumenten strafbar machen. Über den Verkauf von Fanartikeln versuchen die Unternehmen der Musikindustrie, neue Finanzierungsquellen zu erschließen.
Zielgruppen für die Merchandisingaktionen der Hersteller sind meist Kinder und Jugendliche. Um ihre immense Kaufkraft möglichst umfassend auszuschöpfen, wird verstärkt versucht, immer jüngere Mädchen und Jungen für jugendkulturelle Konsumgüter zu gewinnen. Das Produkt 'Star' ist außerordentlich attraktiv, da nicht nur Tonträger verkauft werden, sondern auch zahlreiche Merchandisingprodukte oder Fanartikel wie Informationsmaterial, Kleidungsstücke, Schmuck, Kosmetikprodukte oder Gebrauchsgegenstände wie Tassen, Bettwäsche, etc. Zudem kann der Star selbst als Werbeträger für andere Produkte eingesetzt werden.
llfas verbirgt sich hinter Tokio Hotel? Ob Bonn, Leipzig oder Köln — wenn Bill Kaulitz (17, Gesang), Tom Kaulitz (17, Gitarre), Gustav Schäfer (18, Schlagzeug) und Georg Listing (19, Bass) auftreten, gibt es für ihre Fans kein Halten mehr. Vor und in den Hallen warten tausende kreischende Mädchen. Die vier jungen sind Tokio Hotel und schon Superstars — zumindest für ihre 6- bis 15-jährigen Fans. Der Erfolg der Gruppe beginnt im August 2005. Ihre CDs und DVDs brechen Verkaufsrekorde und bereits in ihrem ersten Jahr füllen sie die großen Konzerthallen und Stadien. Sie erhalten einen Bambi, einen Comet und einen Echo als beste Newcomer und ihre Gesichter zieren fast jedes Cover der Teenie-Zeitschriften. Eine ähnliche Massenhysterie haben zuletzt vor 40 Jahren nur die Beatles zu Stande gebracht — nicht einmal die Backstreet Boys oder Take That. Außerdem sind TH-Fans deutlich jünger. Bereits 8-Jährige besuchen die Konzerte und noch Jüngere sitzen auf den Schultern ihre Eltern. Es herrscht Alkohol- und Rauchverbot und das Konzertende ist zur kinderfreundlichen Stunde gegen 21.30 Uhr. Für die Tourveranstalter sind die Konzerte mit Tokio Hotel nervenaufreibend. »Das hier«, sagt Tourchef Alex Richter, »ist viel härter«. Doppelte Security, dreifache Absperrungen und ohnmächtige Mädchen, die aus den vorderen Reihen gezogen werden. Mädchen bei TH kreischen lauter, als erwachsene Männer bei Metallica brüllen. »Zwölf Jahre mache ich den Tourzirkus, aber jetzt trage ich das erste Mal Ohrstöpsel« auf spiegelonline.de).
(Schulz
Der Lärmpegel eines normalen Konzertes überschreitet meist nicht die
zugelassene Obergrenze von 105 Dezibel, bei einem TH-Konzert in der Schweiz wurden allerdings 126 Dezibel gemessen — und das zu einem Zeitpunkt an dem die Band die Bühne noch nicht einmal betreten hatte. Die Ordner verteilen bei Auftritten rund 8.000 Ohrstöpsel und stellen Schilder mit Warnungen auf. Den Kindern und Jugendlichen in den ersten Reihen werden die Ohren sogar `zwangsverstöpselt'. Dabei verhindern drei sogenannte Wellenbrecher-Segmente, dass die Fans in der ersten Reihe erdrückt werden. Doch wie wurde aus vier Schülern aus Magdeburg ein Pop-Phänomen? Tokio Hotel ist ein perfekt designtes Produkt für eine eindeutige Zielgruppe: Kinder und Jugendliche. Dabei leisteten Bands wie Banaroo, Chipz, oder das Schnappi-Lied die Vorarbeit — ein neuer Schwerpunkt wird von der Musikindustrie auf die Kindersender gelegt.
Das Popeinstiegsalter ist auf 6-7 Jahre gesunken. Somit werden die Single-Charts immer mehr dominiert von der Käufergruppe der 10- bis 15-Jährigen. »Popmusik für Kinder ist ein weißer Fleck auf der Landkarte der Musikindustrie« (Schulz auf spie gelonline.de). Sie suchten eine Gruppe, die deutsch singt, damit die Ziel-
gruppe die Texte auch verstehen kann. Eine Band, die 'cooler' als die bisherigen TeenieProduktionen ist, eine mit Ecken und Kanten, so dass auch Jungen angesprochen werden. Die Musik sollte in Richtung Rock- und Popmusik gehen, mit Texten, die von Sehnsüchten, der ersten Liebe und Weltschmerz handeln — die richtige Mischung für den Beginn der Pubertät. Wie aber kamen gerade Bill und Tom Kaulitz, Gustav Schäfer und Georg Listing dazu, das Projekt Tokio Hotel mit Leben zu füllen? Absurderweise half den Vieren eine der Castingshows weiter, von denen sie sich heute gerne distanzieren. Sänger Bill Kaulitz war zwar bei Star Search mit einem It's raining men-Cover im Achtelfinale ausgeschieden, aber Peter Hoffmann war einer der Produzenten im Hintergrund der Sendung. Er fand heraus, dass Kaulitz im Jahr 2002 eine Band mit dem Namen Devilish gründete. Produzent Hoffmann lud die Gruppe in seine Studios. Ein Jahr lang erhielten sie professionellen Unterricht in ihren Instrumenten, Songwriting und Arrangement. Zwölf Lieder wurden für ein potentielles Album ausgewählt, und die Eltern unterschrieben die Vorverträge, die von verschiedenen Vormundschaftsgerichten geprüft wurden. Der stellvertretende Bravo-Chefredakteur Alex Gernandt hörte bereits im Herbst 2004 Demoaufnahmen bei einem Talentscout von BMG in Berlin. Universal nahm die Gruppe unter neuem Namen, Tokio Hotel, unter Vertrag. Die vier Mitglieder werden nach Angaben der Bild am Sonntag
mit insgesamt 26% an den Einnahmen der Tonträgerverkäufe beteiligt und erhalten weitere 20-25% aus den Erlösen für die Konzerttickets. Die Bravo hat ein großes Stück zum Erfolg beigetragen, weil sie die Band auf dem Cover präsentierte, noch bevor die erste Single veröffentlicht wurde. Der Bandname Tokio Hotel ist nach Angaben der vier Jungen im Brainstorming entstanden: Der Traum der
Band sei es, viele Länder zu sehen und ein Konzert in Tokio zu spielen. Wahrscheinlicher ist aber, dass der Name der Gruppe schon vorher feststand oder von der Plattenfirma entwickelt wurde. Der Musikstil ist zwischen Pop und Rock anzusiedeln, ihre Texte sind griffig und perfekt auf den Markt, den sie bedienen möchten, abgestimmt. Ihre Lieder halten sich meist an dasselbe Schema. Ein langsamer, balladenhafter Beginn, während im Hintergrund die Gitarre schon anklingt und dann im hymnenhaften Refrain mündet. Bill Kaulitz klingt dabei vor allem in den Anfangstakten wie die junge Nena — deutscher Rock mit vielen Elementen aus der Popmusik.
Tokio ligtel - Fans: ein typisches Verhalten? ret, Um selbst zu erfahren, welche Ausmaße das Fanverhalten von Tokio Hotel-Fans angenommen hat, fuhr ich am 15. Juli 2006 zurArena of Pop nach Mannheim, um einige
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Interviews mit Fans zu führen. Viele erfahren, dass das soziale Umfeld mit Unverständnis reagiert — gerade die Eltern begegnen dem Verhalten ihrer Kinder mit Kopfschütteln. Auf die Frage danach antwortet meine Interviewpartnerin Jacqueline:
»Die halten mich für voll gestört. Finden es voll anstrengend, wie man so durchgeknallt sein kann.« Für Jugendliche ist es wichtig, den Weg in die Eigenständigkeit nicht in dem von den Eltern vorgeformten Umfeld zu gehen, sondern in einem Bereich außerhalb der festgelegten Regeln. »Erst wenn die ältere Generation sich empört, enttäuscht, erstaunt
oder perplex abwendet, ist das Ziel erreicht, ein Gefühl der Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit. [...] Die Aufregungen und die Ängste der Eltern sind der Beweis, dass man zu einer potenten Gegenkraft herangewachsen ist und über Macht verfügt« (Guggenbühl, S 97ff).
TH-Fans unterscheiden sich nicht von Fans anderer Gruppen. Hysterien sind kein Zeichen einer Abnormalität, sondern Ausdruck kollektiver Entwicklung von Jugendlichen. Eine gewisse Gefahr besteht, wenn sich die Beteiligten nicht mehr für ihr reales Umfeld interessieren, aber an dieser Stelle sind die Umstehenden, allen voran die Eltern gefordert. Nüchtern betrachtet handelt es sich bei dem Phänomen der Massenhysterie um die enthusiastische Ausrichtung Jugendlicher auf ein perfekt vermarktetes Produkt, das von seiner Zielgruppe verehrt, geliebt und gekauft wird. Die Jugendlichen verhalten sich ähnlich wie die vor 40 Jahren beim Erfolg der Beatles. Nur erfährt man heute mehr davon. Ich möchte mich nicht als TH-Fan 'outen'. Dennoch muss ich zugeben, dass ich beim Auftritt der Band während der Arena of Pop in Mannheim letztes Jahr überrascht war. Ich hatte ein musikalisches Desaster erwartet — geprägt von denselben Vorurteilen wie viele: Wie sollte eine Schülerband live schon spielen können? Doch ich musste mich eines Besseren belehren lassen. Es gab keine Pannen, keine Intonationsschwierigkeiten und keine falschen Absprachen auf der Bühne. Der Auftritt verlief professionell — auch die Kommunikation mit den Fans war weder zurückhaltend noch peinlich, sondern routiniert und abgeklärt. Trotzdem stehe ich dem Phänomen Tokio-Hotel kritisch gegenüber — nicht etwa den Musikern oder den Fans, sondern den Menschen im Hintergrund. Grundsätzlich halte ich die Entwicklung der Musikindustrie und der damit verbundenen Medienkonzerne für bedenklich. Es ist gerade die Macht dieses Zusammenschlusses, die mich nachdenklich stimmt. Der Einfluss der Medien auf die Star-Fan-Beziehung ist immens und meist nur von kommerziellen Interessen gesteuert. Verhalten und Begeisterung jugendlicher Fans werden emotional und finanziell ausgenutzt. Ein positiver Aspekt, den ich dem Alter der Jungen abgewinnen kann, ist der, dass sie sich wahrscheinlich noch nicht der Verantwortung bewusst sind, die sie eigentlich tragen — für ihre Fans und deren Geldbeutel. Ihr jugendlicher Elan und ihre Unverbrauchtheit sorgen für eine Massenhysterie, die ihresgleichen sucht. Die Männer und Frauen im Hintergrund aber werden nach dem Erfolg des Projektes Tokio Hotel gewiss schon die nächsten Superstars in den Startlöchern sitzen haben. Und wenn nicht, dann wird eben wieder öffentlich nach ihnen gesucht werden.
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Zum
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Baacke, Dieter (Hg): Handb
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Elsässer, Tobias: Die Boygroup. Arena, Würzburg 2004 Faulstich, Werner: Startypologie der Rockgeschichte. In: Faulstich, W. & Korte, H. (Hg): Der Star. Fink, München 1997 Fritsche, Bettina: Pop-Fans — Studie einer Mädchenkultur. Leske & Budrich, Opladen 2003 Fuchs-Gamböck, M. & Schatz, Th.: Tokio Hotel — So laut Du kannst. Random House GmbH, München 2006 Huppert, Martin: Die Star-Fan-Beziehung in der Popmusik: Forever Young? Schriftenreihe Studien zur Kindheits- und Jugendforschung Band 40. Verlag Dr. Kova, Hamburg 2005 Spallek, Rowitha: Persönlichkeitsentwicklung in der Pubertät, 2004. Auf: www.familienhandbuch.de/cmain/f_Aktuelles/a_Kindliche_ Entwicklung/s_599.html Winter, R.: Medien und Fans. In SpoKK (Hg.): Kursbuch Jugendkultur. Stile, Szenen und Identitäten vor der Jahrtausendwende. Bollmann, Mannheim 1997
,gr) Evelyn Eble Klarinettistin, studierte in Freiburg Schulmusik und Mathematik. Daneben leitet sie das Jugendorchester St. Georgen sowie den Kirchenchor St. Cyriak und Perpetua.
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Leske & Budrich, Opladen
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Popmusik und Glaube Christliche Popmusik in Deutschland Elisabeth Berner
ele »Popmusik und Glaube«, »Popmusik und Kirche«, »christliche Popmusik« — das sind Themen, die in den letzten Jahren immer wieder unter musikwissenschaftlichen, theologischen, kulturwissenschaftlichen, gemeinde- bzw. musikpädagogischen Aspekten untersucht worden sind. Nicht nur in der wissenschaftlichen Literatur ist das Thema vertreten; auch Tagungen beschäftigen sich mit dem Thema: Seit dem Jahr 2000 findet in Bad Herrenalb das interdisziplinäre Forum »Popularmusik und Kirche« statt, das sich an Wissenschaftler, Kirchenmusiker, Popularmusiker, Musikhochschulen, Rundfunkvertreter und kirchliche Administratoren richtet, mit dem Ziel »die tradierte Kirchenmusik mit der christlichen Popmusik ins Gespräch zu bringen«. Warum interessieren sich Wissenschaftler und Journalisten für »christliche Popmusik«? Zum einen liegt es an christlichen Künstlern, die sich in der Popmusikbranche etabliert haben und dort für Aufsehen sorgen: Festivals, Großveranstaltungen und Preise für christliche Popmusik stoßen auf Medienresonanz. Zum anderen beschäftigen sich vor allem die Kirchen mit der Frage, wie die traditionelle Kirchenmusik mit Popmusik umgeht beziehungsweise wie die Kirche auf Popmusik reagiert. Drittens liegt es wohl daran, dass das Thema zwar immer wieder auftaucht, sich viele unter dem Begriff »christliche Popmusik« aber nichts vorstellen können. Mit dem Begriff Popmusik verhält es sich ähnlich wie mit dem Begriff Klassik. Beides bezeichnet eine Epoche und speziellen Musikstil, ist gleichzeitig aber auch Oberbegriff. Im Bereich der Popmusik kommt erschwerend hinzu, dass eine Reihe von ähnlichen Begriffen existieren, die sich teilweise überschneiden: Popmusik, Pop/Rock/Jazz, Popularmusik oder Populäre Musik und — weniger gebräuchlich — Populärmusik, populare Musik. Der Blick in die Literatur schenkt meist nicht den verhofften Überblick, vieles bleibt unklar und unscharf. Der Begriff »Popmusik« hat zweifache Bedeutung. Zum einen ist damit der Musikstil Pop gemeint (in einer Reihe mit Rock, Schlager, Rock'n'Roll, Funk, Punk, Techno etc.), zum anderen wird er aber oft auch als Überbegriff verwendet. Helmut Rösing ordnet die in der Literatur auftauchenden Definitionen verschiedenen Ansätzen zu.
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Unter normativen Aspekten unterscheidet man zwischen gehobener Kunstmusik (E-Musik) und Unterhaltungs-, Trivialmusik (U-Musik). Als negativer Begriff steht Populäre Musik für alles, was nicht anderen Kategorien (Kunstmusik, Volksmusik, Jazz, Kirchenmusik usw.) zugeteilt werden kann. Stilistisch lässt sich Popmusik verschiedenen Richtungen zuordnen (Schlager, lateinamerikanische Musik, Bebop, World-Music, Hardrock usw). Populäre Musik dient auch technologisch-ökonomisch als Bezeichnung für elektronisch bzw. digital produzierte Musik (also auch Mozarts »Kleine Nachtmusik« im elektronischen Gewand). Außerdem wird sie soziologisch-funktional mit verschiedenen Lebenswelten und Lebensstilen (Club, Open-Air-Festival usw) verbunden. Schließlich gibt es noch einen interessenbezogenen Gebrauch: »Hier geht es um die Macht der Definitionsgewalt, um das (verbale) Kreieren von neuen Stilen, um Hipness und Hipnessverfall, aber natürlich auch um die Durchsetzung von Fördermaßnahmen auf kulturpolitischer Ebene, um gute Sendezeiten im Musikfernsehen, um Beachtung in den Printmedien usw«
(Rösing, 2003, S. 39f0.
Popmusik und Religion
Pes.,
Was ist gemeint mit der Verbindung »Popmusik und Religion«? Ist hier die Rede
von Popmusik als Ersatzreligion, Backmasking (=Rückwärtsspielen einer Tonspur), okkulter Rockmusik, Popmusik in der Kirche, Gospelmusik, Sacropop oder religiösen Symbolen in Popmusik? Die Beziehung von Popmusik und Religion ist unter zwei Aspekten zu betrachten, es muss unterschieden werden zwischen der religiösen Dimension von Popmusik und religiöser (in diesem Falle christlicher) populärer Musik. Mit der Frage nach der religiösen Dimension von Popmusik beschäftigt sich Gotthard Fermor, er spricht vom »religiösen Erbe« in der Popmusik. »Die Dimensionen, die das Erbe in der Popmusik als 'religiös' wahrnehmen lassen«, stellt er anhand von drei Aspekten dar, nämlich 1. Traditionsgeschichtlich: Popmusik bekommt eine religiöse Dimension, wenn die Phänomene sich auf bestehende Traditionen von Religionsgemeinschaften beziehen. 2. Religionssoziologisch: Popmusik bekommt eine religiöse Dimension, wenn sich eine Anlehnung an bestimmte religiöse Riten und Praktiken nachweisen lässt (Rolle des Priesters, Schamane, Kult, 'heilige' Orte). 3. Religionsphänomenologisch-kulturanthropologisch: Popmusik bekommt eine religiöse Dimension, wenn transzendente Erfahrungen beziehungsweise Grenzerfahrungen auftreten
(1999, s. 41 ff).
Als Ursprung
können Musikekstasen Westafrikas gelten, die sich in Spirituals, Blues und dem Rock'n' Roll weiterentwickelt und ihre religiöse Bedeutung im Laufe der Zeit verloren haben.
Populäre christliche Elusik Pee.-.D »Populäre christliche Musik« (Peter Bubmann) schließt auch jene Musik ein, die nicht zur industriellen Popmusik gehört, beispielsweise Taize-Musik. Bubmann ordnet
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diesem Oberbegriff verschiedene Untergruppen zu: Gospelrock, Sacropop, Neues Geistliches Lied, Liedermacherinnen und Liedermacher, Jugendchorbewegung, Meditationsund Praise-Musik, populäre Musik für Kinder
(s. 21 f).
Hinzuzufügen ist außerdem die
Sparte Gospel. Der Begriff »Gospelrock« wird in heutiger Zeit kaum noch gebraucht, stattdessen wird die Bezeichnung »christliche Popmusik« verwendet. Die Bereiche lassen sich folgendermaßen beschreiben: 1. Christliche Popmusik: Gospelrock (nicht zu verwechseln mit Gospel) verwendet Bubmann als Bezeichnung für die evangelistisch-missionarische Musikszene (5. 22). Andreas Malessa definiert christliche Popmusik als Musik, die der (säkularen) Welt eine Botschaft vermittelt in der »Sprache der Welt«, also als Popmusik mit missionarischer Zielrichtung (s. 11). Neben dem aktuellen Begriff »christliche Popmusik« wird seit einiger Zeit auch in Deutschland der aus Amerika stammende Begriff »Christian Contemporary Music« (CCM) verwendet. 2. Sacropop: Bubmann versteht darunter »Kirchenmusik mit Stilmitteln moderner Popularmusik« (s. 22), die vor allem im Gottesdienst bzw. im kirchlichen Raum (Kirchentage o. ä.) Verwendung findet. Teilweise wird der Begriff Sacropop als abwertende Bezeichnung für christliche populäre Musik oder christliche Popmusik benutzt. 3. Neues Geistliches Lied (NGL): Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit entstanden neue (Mitsing-)Lieder für das Gemeindeleben, beeinflusst durch Spirituals, Schlager und Protestsong. Wichtige Impulse kamen aus den Preisausschreiben der Evangelischen Akademie Tutzing. 4. Liedermacherinnen und Liedermacher: Liedermacherinnen und Liedermacher schaffen aufgrund ihres Glaubens neue Lieder mit gesellschaftskritischen, politischen und missionarischen Inhalten. 5. Jugendchorbewegung: Ende der 60er Jahre entstanden Jugendchöre (z. B. Jugend-für-Christus-Chor), die anfangs nicht nur auf Popmusik festgelegt waren. Mittlerweile hat sich die Jugendchorbewegung in Richtung Gospel entwickelt. 6. Meditations- und Praise-Musik: Im kirchlichen Raum haben die liturgischen Taize-Gesänge der ökumenischen »Communaute de Taize« Verbreitung gefunden, zum Einsatz kommen sie in Gottesdiensten, Andachten und auch eigenen Taize-Gottesdiensten. Im freikirchlichen und charismatischen Raum hat sich die Praise- oder Worshipmusik (Lobpreismusik) entwickelt, die ihren Ursprung in der amerikanischen Jugendmissionsbewegung »Jugend mit einer Mission« hat. Sie dient vor allem in charismatisch geprägten Gemeinden als gottesdienstliche Musik. C:::,11otenpapier_2111111---n
7. Gospel: Gospelmusik hat in ganz Europa in den letzten Jahren wachsenden Erfolg. Höhepunkt der Gospelchorbewegung sind die alle zwei Jahre stattfindenden Gospelkirchentage (mit etwa 4000 Gospelchorsängern und 30.000 Teilnehmern) mit Verleihung des Gospel Awards. Auffallend an der Gospelchorbewegung ist, dass sich der »Boom« durch alle Kirchen, Freikirchen, Musikvereine hindurch zieht, oft losgelöst von religiöser Bindung. Peter Bubmann unterscheidet vier Hauptbereiche christlicher populärer Musik, nämlich evangelistische Musik als missionarisches Medium, liturgische und religionspädagogische Musik für die Gemeinde, sozialengagierte Musik als Protest oder Aufruf und spielerisch-spirituelle Musik zur Unterhaltung und Entspannung (s. 77).
Die christliche Pupuusik52ne
Ar tw or k: Yvo nne Su r be r
re Woran liegt es, dass mit christlicher Popmusik immer noch häufig NGLs wie »Danke für diesen guten Morgen« oder allenfalls Gospels assoziiert werden? Warum kann sich kaum einer unter dem Begriff »christliche Popmusik« etwas vorstellen? Christliche Popmusik ist eine Musikrichtung, die sich hinsichtlich ihrer Professionalität nicht von der »säkularen« Popmusik unterscheiden lässt. Sie bewegt sich aber in einer abgeschlossenen Szene, spricht eine christliche Hörer- und Fangemeinde an, wird von christlichen Plattenfirmen bzw. -labels verlegt und vertrieben und von christlichen Medien (Radiosendern, Fernsehkanälen, Zeitschriften), sowie in der christlichen Konzertszene (einschließlich Festivals) verbreitet. Konzertszene *e,
Die Owener Rocknacht ist ein christliches Musikfestival, das seit 1988 jährlich in
Owen bei Kirchheim/Teck stattfindet. Veranstaltet wird es vom CVJM (Christlicher Verein junger Männer) Owen mit dem Ziel, »eine möglichst attraktive Veranstaltung mit namhaften internationalen christlichen Bands, professioneller Bühnen- u. Lichttechnik zu einem für alle erschwinglichen Preis anzubieten« (www.owener-rocknacht.de). Das Festival ist über die Grenzen Süddeutschlands zu einem Magnet geworden, da es die namhaften Künstler der christlichen Szene der USA und Europa einlädt.
Die Christmas Rock Night (CRN) ist ein jährlich am ersten Dezemberwochenende stattfindendes christliches Rockmusikfestival in Ennepetal, organisiert von Mitgliedern des CVJM Ennepetal-Rüggeberg. Besonders durch internationale Bands, die in Deutschland selten live zu sehen sind, wurde das Festival zu einem Medienereignis. Als »Best-of-CRN-Festival« fand am 24. Februar 2007 zum ersten Mal »Legends of Rock« statt,ebenfalls in Ennepetal. Dabei treten die bekanntesten christlichen Rockgruppen auf.
, »Freakstock — the jesus festival« ist ein jährlich stattfindendes alternatives Festival, veranstaltet von den »Jesus-Freaks«. Die über 8000 Besucher erwartet ein drei Tage dauerndes Programm mit über 60 verschiedenen nationalen und internationalen Künstlern verschiedener Genres: Hip-Hop, Reggae, Punk, Hardcore, etc.
(www.freakstock.de).
Musikmesse und Awards 5 Zur mittlerweile wichtigsten Veranstaltung der christlichen Musikszene gehört die jährlich stattfindende Künstlermesse Promikon. Ziel ist es, für christliche Künstler eine Plattform zu schaffen und sie mit den Veranstaltern in Kontakt zu bringen. 2007 wird dort zum ersten Mal der »David2007« verliehen. Der »Message Music Contest« ist ein nach eigener Aussage »werteorientierter Band-Wettbewerb«. Träger des bisher zweimal ausgetragenen Contests ist die »Initiative Message Music«, zu der sich die Fernseharbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), das christliche Hilfswerk WORLD VISION, die Stiftung Christliche Medien, die Programmzeitschrift Gong und RTL Television zusammengeschlossen haben.
millinkeläaseinn christlicher Pupmusik Nicht immer bewegte sich die christliche Popmusik am Rande des Popmusikgeschehens. Dass sich trotz anfänglicher Plattenerfolge des Danke-Liedes oder einer BildZeitungsdebatte über Jazz in der Kirche eine abgeschlossene Subkultur entwickelt hat, hat verschiedene Gründe. Zum einen liegt dies in der Entwicklungsgeschichte der christlichen Popmusik, nämlich der Ablösung von der Institution Kirche und dem Aufbauen eines eigenen Systems für eine eigene Rezipientengruppe, die sich ebenfalls in einem abgeschlossenen Rahmen bewegt. Zum anderen wurde die missionarische Verbreitung zum Erkennungsmerkmal christlicher Popmusik und -musiker. Dies führte zur Bildung von Gruppen, die durch ihre gemeinsamen Wertevorstellungen verbunden ist.
Aufbau des eigenen Systems Im Laufe der Jahre hatten sich die anfänglichen Bestrebungen der Neues-GeistlichesLied-Komponisten, christliche Unterhaltungsmusik zu schreiben, immer mehr dahin verschoben, Popmusik bzw. Musik mit Popeinflüssen für den gottesdienstlichen und kirchlichen Gebrauch zu komponieren. Tatsächlich wurde aber die Idee christlicher Unterhaltungsmusik abseits der Institution Kirche weiterentwickelt. Beziehungen zwischen kirchlichen Medienvertretern und der aufkommenden christlichen Plattenindustrie »wurden von beiden Seiten nicht gesucht«
(Dalferth, S. 222).
Die Musik sprach vorwiegend
Hörer aus christlichen Gruppierungen an. Versuchte eine Gruppe, aus diesem Zirkel auszubrechen, stieß dies bei der christlichen Hörerschaft auf Kritik. Dass die Trennung zwischen säkularer und christlicher Musikszene auch heute so schwer aufzuheben ist, liegt nicht zuletzt an der christlichen Lobby, die hinter der Szene steht.
Erkennungsmerkmal Missinn re Christliche Popmusik hat eine größere Intention als reine Unterhaltung — sie will die Welt verändern. Das missionarische Bestreben der christlichen Popmusik war von Beginn an ihr Motor. Sowohl Interpreten, Verlage als auch Rezensenten betonen die missionarische Ausrichtung ihrer Musik. Sie war oft Legitimation dafür, Pop- und Rockmusik überhaupt spielen zu dürfen. Doch hat die missionarische Ausrichtung der Musik nur begrenzte Auswirkungen, da sie sich vor allem in Insiderkreisen bewegt. »Meist füllen doch zu 80 % christlich Vorgewärmte Eure Konzerte, und angesichts reiselustiger Schlachtenbummler könnte man die wahnsinnige Vorstellung haben, es sei ein und dasselbe Publikum, das von Flensburg bis Garmisch die Konzerte bevölkert«
(Arno Backhaus
und R. Marx, in: Malessa, S. 151).
Ein christlicher Popmusiker unterscheidet sich von seinem »säkularen« Kollegen dadurch, dass er mehr als Geld verdienen, Spaß und Erfolg haben will. Christliche Popmusik ist »Ausdrucksmedium des eigenen Glaubenslebens unter der Leitmaxime: ,Why should the devil have all the good music?'« (Fermor,
5. 163).
Die Funktionalisierung macht ein
Ausbrechen aus der christlichen Musikszene schwer — ebenso ein Reinkommen. Christliche Fans erwarten einen christlichen Text und eine klare christliche Aussage. Doch wollen »normale« Konzertbesucher nicht unbedingt »angepredigt« werden, sondern in erster Linie gute Musik hören und unterhalten werden. »Crossing over« e, Fast so alt wie die christliche Popmusikszene selbst, ist das Bestreben, aus der Subkultur auszubrechen und den Einstieg in die Charts zu schaffen. Erfolgreich war W4C (»Warriors for Christ«). Die Gruppe gewann 2001 den VIVA Clip Attack und ist außerdem im Bandpool des Landes Baden-Württemberg. Die Bandbesetzung Danny (MC), Ruben (Vocals und Beatbastler) und Peter (DJ) gaben Hunderte von Auftritten, spielten auf zahlreichen Festivals und hatten TV-Auftritte bei VIVA. Die Band ist im iTunes Music Store vertreten. Sie schaffte es, sich in der säkularen Hip-Hop-Szene zu etablieren. »Jesus in die Charts« 1998 entwickelte sich aus der christlichen Jugendarbeit der Stuttgarter Stiftskirche die Band »Beatbetrieb«. Bereits im Gründungsjahr gewann die Gruppe den Newcomeraward »Clip-Attack« des Musikfernsehsenders VIVA. Durch die Verleihung des Nachwuchspreises der »Goldenen Stimmgabel« und des Nachwuchspreises »New Faces Award 2003« in der Kategorie »Beliebteste Band« der Zeitschrift »Bunte« wurde das erfolgreiche Jahr ergänzt. Tatsächlich war für die Medien besonders das Prädikat »christlich« interessant: »Die TAZ steckte uns in die `Fundamentalisten'-Schublade und die angesehene Tageszeitung FAZ meinte gar, wir seien die christliche Antwort auf die Taliban«, so Theo Eißler von »Beatbetrieb«. In Europa ist die Verbindung von Gott und Popmusik fremd — im Gegensatz zu den USA, wo sich die CCM als eigene Sparte etabliert hat. Trotz einiger Erfolge gelang allerdings der große Durchbruch nicht. llotenpapier_211111
2uri5chen nmessagerr und Prnfessionalität 2003 wurde von den Musikern der Band »Allee der Kosmonauten« und Xavier Naidoo sowie dessen Produzenten Michael Herberger das Projekt »Zeichen der Zeit« ins Leben gerufen. Inzwischen sind mehrere Produktionen entstanden, an denen verschiedene christliche Künstler beteiligt waren, außer Xavier Naidoo, Yvonne Catterfeld, Patrick Nuo, Judy Bailey, Sarah Brendel, Michael Janz, Danny Fresh von W4C (»Warriors for Christ«) und Cassandra Steen (»Glashaus«). Allen Künstlern ist wichtig, von ihrem Glauben zu sprechen. Das All-Star-Projekt »basiert auf der Vision von gleichgesinnten Menschen, die das Licht in die Welt bringen wollen, die ewige Liebe, die die Dunkelheit überwindet.« Ist die Message wichtig? »Ja klar. Warum sonst? Um noch mehr Platten zu verkaufen? Also ein Xavier braucht das nicht, der verkauft auch so genug CDs, so Patrick Nuo
(www.sound7.de, 13. 1. 2007).
Dass diese christliche Popmusik über die abgeschlossene Szene hinaus kommt, cher Bands wurden ergänzt durch das Phänomen christlicher Popmusik von Künstlern, die nicht der christlichen Popmusikszene entstammen. Bekanntester Vertreter dieser Entwicklung ist Soulstar Xavier Naidoo, der mit seinen Liedern, in denen biblische Motive und Symbolik auftauchen, die Charts eroberte. Naidoo unterscheidet sich insofern von Künstlern der christlichen Popmusikszene, als er zwar von seinen religiösen Überzeugungen singt, Mission aber nicht oberste Prio-rität hat: »Mir ist gar nicht wichtig, dass jemand sagt: 'Oh geil, der singt ja von Gott!' Mir ist wichtig, dass ich überhaupt davon singen kann. Ich muss niemanden gewinnen«
(in: dran 5, 2002, S. 70 f).
Viele Anhänger der christlichen Popmusikszene
vermissen jedoch eine klare christliche Botschaft.
Zum
Weiterlesen
Peter Bubmann: Sound zwischen Himmel und Erde. Populäre christliche Musik, Stuttgart 1990 Winfried Dalferth: Christliche Popularmusik als publizistisches Phänomen, Erlangen 2000 Gotthard Fermor: Ekstasis. Das religiöse Erbe in der Popmusik als Herausforderung an die Kirche, Stuttgart etc. 1999 Andreas Malessa: Der neue Sound: christliche Popmusik — Geschichte und Geschichten, Wuppertal 1980 Helmut Rösing: Regionale Stile und volksmusikalische Traditionen populärer Musik, Karben 1996 Die meiste Literatur zum Thema und über die KünstlerInnen und Bands findet sich im Internet Elisabeth Berner Studiert Jazzklavier in Basel, nachdem sie in Freiburg ein Studium in Schul- und Kirchenmusik abgeschlossen hat.
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Ar tw o r k: Yvonne Sur ber
hängt mit einer weiteren Entwicklung zusammen: Die Crossing-over-Versuche christli-
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Punk! Die Sprache van Hardcare Michael Die fenbacher
»1 hate my boss! 1 hate the people that I work with! I hate my parents! 1 hate all this authoritiv figures! 1 hate politicians! 1 hate people in gouvernment! 1 hate the police! And 1 have a chance to be with my own type of people! 1 have a chance to go off and that's basically what it was!« Mit diesem Auftritt von Keith Morris beginnt der Trailer von American Hardcore. Der Film beschreibt die Entstehung der Hardcore-Szene von Grund auf. Bands wie BadBrains, Minor Threat und Black Flag und Personen wie
lan McKay werden mehr gewürdigt als das hier möglich ist. Die ursprüngliche Bezeichnung für Hardcore lautete Hardcore Punk. Damit sind ihre Wurzeln schon beschrieben. Beides voneinander abzugrenzen ist schwierig. Erst wenn man sich einmal in dieser Szene bewegt, die Musik konsumiert und sich mit deren Gedankengut auseinandergesetzt hat, kann man sowohl die von der Hardcore-Szene intendierten als auch die originären Unterschiede erkennen. Nach Martin Büsser lassen sich folgende Unterscheidungskriterien anführen:
e 1. Ausarbeiten und Formulieren eines über die Musik/Band hinausgehenden Politkonzepts; Einbinden der anarchischen Emotion von Punk in komplexe Gesellschaftstheorien. »Gegen Sexismus, Rassismus und Kapitalismus«, andere Selbstverständlichkeiten etwa »gegen Drogen« im Straight Edge oder »gegen Tierversuche« bilden sich heraus, je mehr Hardcore in einzelne Sparten zerfällt. Auf der anderen Seite: Entpolitisierung vieler Bands und Fans nach der Erfahrung, wie sehr selbst Punk in den Achtzigern zum Runterbeten starrer Politfloskeln geworden ist; Versuch einer »positiven« Gegenbewegung, die sich textlich nicht auf ein Anblöken gegen den »Schweinestaat« reduzieren will. So paradox es erscheinen mag: beides gehörte zur Abgrenzung gegen Punk. et 2. Ausweiten des vom Rock' n' Roll entlehnten Drei-Akkord-Schemas des Punk im
Hardcore, sei es durch ironische Zitate oder durch Hinzunahme von Funk-Elementen und Metal-Strukturen.
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e 3. Allgemeine Bezeichnung für musikalische/textliche Verschärfung, z.B. HardcoreRap, Hardcore-Pop, Hardcore-Techno, Hardcore-Jazz usw. Dieser Ausdruck ist oft sehr problematisch. Er wird von gegenüber der strikt antisexistischen Hardcore-Bewegung Unkundigen gerne dazu verwendet, sexistische Inhalte zu bezeichnen. Bekanntlich existierte Hardcore ja auch lange zuvor als ein Begriff aus der Pornobranche eine Assoziation, die wohl noch immer in der Allgemeinheit vorrangig ist. Einen nennenswerten Gegensatz zur Punkszene bildet weiterhin die Kleidung und das Auftreten der Hardcore-Fans. In der Hardcore-Szene geht es mehr um die innere Einstellung. Man trägt keinen Irokesen-Haarschnitt. Auch das Verhalten vieler Hardcore-Fans ist in der Öffentlichkeit zurückhaltender — mit Ausnahme der Konzerte. Das Live-Konzert ist ein weiteres Moment, an dem Unterschiede der beiden Musikrichtungen hervortreten. Es gibt im Unterschied zum Punkrock-Bereich viele Hardcore-Bands, die auf der Bühne Stellungnahmen zu Begriffen wie Politik, Religion und Lebensführung geben. Diese Art des »Predigens« und die damit verbundene Verantwortungsübernahme ist vielen Punkbands zuwider und wird als Widerspruch zur eigentlichen Punkidee bezeichnet. Gegenstand dieses Vorwurfes bildet die fehlende Einheit von Band und Publikum, was hierarchische Strukturen hervorruft. Es geht nicht um einen von allen bewunderten Künstler, dessen Wort Gesetz ist, sondern um ein gemeinschaftliches Zelebrieren des Live-Konzerts.
Hompositarische Ausdrucksformen, Charakteristika uni Performance eee »Es ist unmöglich, in einem revolutionären Programm zu partizipieren, wenn jeder Aspekt der Existenz als Unterhaltung oder Musik dargestellt werden muss, eine Tradition, (Statement der Band die sowohl in Ausdruck als auch in Kreativität seit langem tot ist. « Refused). Bei der Hardcore-Musik handelt es sich um eine facettenreiche Art von Musik. Sie entwickelt sich ständig weiter und greift über in Bereiche wie Klassik, Jazz, Rock, Grunge, Punk, Metal bis hin zu Drum'n Bass. Es gibt somit unendliche kompositorische Möglichkeiten, welche sich in ihren Auswirkungen von Songwriting und Strukturbeziehungen in Songs bis zum Instrumentarium erstrecken.
1. DU 5chnul und. hur Sehpol OId School Die Hardcore-Szene entwickelte sich aus dem Punkrock Anfang der achtziger Jahre. Sie äußert sich in Harmonik und Rhythmik vieler Hardcore-Bands wie zum Beispiel Youth
of Today
(1985 — 1990),
(Ende 1980er — ),
Minor Threat
(1980 — 1983),
7 Seconds
(1979 —)
und Gorilla Biscuits
welche zwar mit Harmonieschemata aus dem Punk arbeiten, diese jedoch
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erweitern, härter, rauher und mit dem sogenannten »straight-forward-touch« (des schnellen Spielens; »nach vorne Gehens«) spielen. Hierbei werden vom Schlagzeug (drums) Vierviertel-Takte im Rahmen von durchschnittlich zwei Minuten Spielzeit pro Song schneller und aggressiver (eben nach vorne gehend) komponiert. Auch wird der Zweiviertel-Takt, wie man ihn bei einer Polka findet, musikalisch erweitert und bringt durch das härtere Spielen ein hektisches Moment in die Musik, welches als galoppartig beschrieben werden kann. Zum Schlagzeug hinzu treten die traditionellen Instrumente E-Bass und E-Gitarre, die meist mit Distortion (Verzerrung) spielen und mittels der Gitarrenverstärker (»Amps«) bis zum »Anschlag aufgedreht werden«. Um diese nun schon sehr aggressive und wachrüttelnde Musik abzurunden, tritt ein im Hardcore meist geschrieener Gesang hinzu. New School Der seit den neunziger Jahren bestehende New School Hardcore bezeichnet eine Öffnung hin zu neuen musikalischen Kompositionsweisen: »In seiner Offenheit, die Hardcore auf seinem Weg in die Neunziger erfuhr, in der Zersplitterung, die zu einer verwirrenden, für Außenstehende kaum mehr entschlüsselbaren Aufteilung in Subtile oder Fusionen führte (Straight Edge, Emocore, Grindcore, Speedcore, Post Punk, Crossover), stellt sich die Szene immer wieder selbst in Frage« (BRisser, s. 19). Hierbei spielt der Metal, eine Musikrichtung, die in den 1970er Jahren aus dem Hard Rock entstand, eine tragende Rolle. Virtuoses Gitarrenspiel, Veränderungen in der Harmonik und andere Spieltechniken münden in das, was heute Metalcore genannt wird. Bands wie Metallica, Iron Maiden und vor allem Slayer hatten und haben einen sehr großen Einfluss auf die Hardcore-Musik. Neben der Affinität zum Metal finden sich im kompositorischen Bereich weiter Parallelen von Hardcore-Riffs zu klassischen Kompositionen, was sich zum Beispiel in zweistimmig geführten Gitarrenläufen und Virtuosität äußert. Auch wird eine immer intensivere Auseinandersetzung mit dem Sound beziehungsweise dem Klang, der an Verzerrung (high gain) und künstlich »metallischem« Ausdruck gewinnt, evident. Die Attitüde des unmittelbaren, des spontanen Musikmachen in einer Garage oder einem Proberaum mit einigen wenigen Leuten im Publikum, weicht einer Musik, die unter professionalisierter Voraussetzung, was Komposition und Performance anbelangt, vollkommen auf Medienwirksamkeit ausgelegt ist. Als Beispiel seien an dieser Stelle Bands wie As 1 lay dying,
All that remains und Darkest Hour genannt. Die Namen der Bands spiegeln auch die musikalische Veränderung wider. Der musikalische Charakter wendet sich in einen düsteren Bereich, der sich auf die szenentypische Kleidung und Lebenshaltung projiziert.
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2. 5ringurriting und. 5trukturbuiehungen. ee Das Spektrum von Hardcore-Kompositionen erstreckt sich von einfachen Riffs und Liedformen (Strophe, Refrain, Strophe) mit Rock- und Punkattitüde, wie sie bei Youth
of Today zu finden sind, bis hin zu komplexen musikalischen Zusammenhängen, wie bei The Dillinger Escape Plan. Hört man bei Youth of Today eine Old School Hardcore-Band mit einem einfachen (sowohl in Songstrukturen als auch in der Beherrschung der einzelnen Instrumente), aber dennoch energetischen und positiven Auftreten, so wird man bei The
Dillinger Escape Plan mit hochkomplexer Musik konfrontiert, die durch die vielen Taktwechsel den Namen Mathcore trägt. Hier werden Akkordmaterial und Phrasierungen aus dem Jazz übernommen, was mit extremen Abschnitten, die mit der typischen verzerrten Gitarre gespielt werden, kontrastiert. Auch die Band Refused nutzt neben einem außergewöhnlichen Instrumentarium (Vibraphon, Cello, Synthesizer), Spieltechniken und Methoden des Jazz-Arrangements (zum Beispiel »walking bass« in The deadly rythm). Wie schon am Beispiel der im ersten Abschnitt genannten Metalcore-Bands angedeuder Double-Bass-Drum im Schlagzeug äußert, deren spieltechnische Erweiterung durch gleichmäßige und maschinenartige Bedienung einen industriellen Aspekt in die Musik einführt. Songs bekommen durch sie einen noch bedrohlicheren Charakter. Auch in Formablauf, Harmonik und Melodik, wird das Spektrum von klassischen Strukturen und Akkordfolgen (Darkest Hour) bis hin zu atonalen Linien und extremen Dissonanzen ausgereizt (Converge).
3. Performance een Hardcore-Musik bedient sich einer extremen Ausdrucksform. Dies wird bereits durch die Veranstaltungsorte deutlich: Bei der Bezeichnung Konzertraum (Location) darf man nicht an einen tollen Live-Club mit Spiegeln und Lampen an den Wänden denken. Es handelt sich hierbei meist um kleine Jugendzentren, umfunktionierte alte Fabrikhallen, Kirchen oder Bandproberäume. Oft steht das Publikum auf einer Höhe mit der Band. Provisorische Bühnen, rudimentäre Lichtanlagen und nur das Nötigste an P.A. (public adress, Beschallungssysteme) stehen einer Band zur Verfügung. Alles läuft unter dem d.i.y.- Gedanken (do it yourself) ab. Es gibt keinen Starkult. Die Band zeigt sich auf der Bühne als ein zusammengehöriges Gefüge, sowohl in auditiver als auch in visueller Gebärde. Dies kann sich in Sprüngen oder beispielsweise aggressiven Gesten mit Hilfe der Instrumente äußern. Die Band animiert sozusagen das Publikum und macht Dinge wie »stage diving« oder »crowd surfing« (von der Bühne ins Publikum springen) zum Teil ihrer Performance. Die Größe des Raumes spielt daher eine wichtige Rolle, da die Ballung vieler Menschen auch die Atmosphäre beeinflusst. Beim Live-Konzert solcher Bands treten oft auch spieltechnische Probleme in den Hintergrund, da die »stage presence« solche Mängel überdeckt, ja sogar relativiert.
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tet, wird die Musik auch unter technischer Spielweise erweitert, was sich in der Nutzung
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Eine Hardcore-Band braucht Energie und keine musikalische Diplomausbildung. Oft differiert eine Band live von ihrem Plattensound, da die Parameter in Raum und Equipment andere sind. Unter dem Aspekt der Performance bedienen sich Bands in der Konzertsituation darüber hinaus Hilfsmitteln wie auditiven (Samples, Synthesizersounds, Geräuschkulissen) und visuellen (Videos, Bildern, Bannern, Aktionen) Materialien, die helfen sollen verschiedene Assoziationen zu wecken, Atmosphäre zu kreieren und die einen bleibenden Eindruck zu schaffen.
Text
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Sprache
»When 1 write lyrics 1 don't want to say something that has been said million of times before. 1 want to come out with something reasonably original, you know« (Mark McCoy, Sänger der Band Charles Bronson).
Schon der Bandname kann einen konzeptionellen Gedanken widerspiegeln, wie es bei Straight Edge-Bands wie Vegan Reich, Earth Crisis und Outspoken der Fall ist. Eine zentrale Rolle spielen der Text und die Sprache. Hardcore-Bands kommen aus allen Teilen der Welt und bedienen sich in erster Linie der englischen Sprache, da die Meisten sie verstehen. »Lyrics« werden je nach Herangehensweise zunächst lose angepasst. Es gibt sowohl Texte, die bewusst Reimformen nutzen, als auch Texte, die vollkommen ohne Reime auskommen. Häufig nutzt man den Imperativ. Die »sing alongs« (Teile, bei denen das Publikum mitsingen kann) sind ein typisches Mittel des Old School Hardcore. In den meisten Fällen können die Konzertbesucher die Texte auswendig. Vermittelt werden Botschaften von drogenfreiem Lebensgenuss bis zu profunder Gesellschaftskritik. Moralische Fingerzeige und aufklärerische Tendenzen findet man neben anderen Sparten (Punkrock) hauptsächlich in der Straight-Edge-Szene. Als negatives Beispiel für den extrem militanten Standpunkt steht die Band Vegan Reich mit eklatant sexistischen, homophoben und totalitären Äußerungen. Hier findet eine Kollision statt, die an den Grundpfeilern der Punk- und Hardcore-Szene rüttelt. Diktatur, Massenmord und Faschismus sind Begriffe, die in der Straight- Edge-Szene nicht toleriert werden, jedoch durch eine Band mit derartigem Bekanntheitsgrad wie Vegan Reich durchaus ein negatives Licht auf den sonst so lebensbewussten Teilbereich der Szene wirft.
Standpunkt tiee„ Natürlich gäbe es noch viel mehr zu sagen. Mir ist wichtig, Akzeptanz für eine Szene einzufordern, welche aktiv an unserer Kultur mitarbeitet. Jedoch wird dieser Musik nach wie vor von vielen Menschen das »Musik-Sein« abgesprochen. Ist es doch viel schicklicher, sich moderne Kompositionen anzuhören, die einen hochintellektuellen und
sozialkritischen Überbau haben, den jedoch niemand aufgrund genialer Chiffrierung versteht (sowohl musikalisch als auch auf intellektueller Basis), als einen Song, der durch seine Energie eine volle Konzerthalle zum Beben bringt, wie zum Beispiel »firestorm« der Band Earth Crisis. Sieht man diverses Filmmaterial und erlebt die Atmosphäre, entfernt man sich immer mehr von einem rein distanzierten Rezipieren von Musik unter analytischen Gesichtspunkten. Diese Stimmung animiert die Zuhörer, sich zu der Musik zu bewegen und sie dadurch in gewisser Art zu beleben. Musik ist lebendig und vielgestaltig. Sie soll nicht durch starre Formeln und Regeln eingeschränkt werden, die lehren, was richtig und was falsch ist. Hardcore-Musik lebt! Vielleicht manchmal ein wenig zu laut, aber dafür ehrlich und direkt. Sie spricht Dinge und Themen an, über die niemand gerne redet und übt Kritik am Zeitgeschehen. Sie ist ein direktes kulturelles Sprachrohr, welches nicht ungehört bleibt. Sie lebt durch Querdenker und Individuen, auch wenn einige Bands versuchen, durch lächerliche Theatralik und mit oberflächlichen Konzepten zu glänzen, um sich unter rein materialistischen Gesichtspunkten in den Musikmarkt einzugliedern. Hardcore-Musik und ihre wirklichen Anhänger werden niemals Teil einer Popkultur sein.
Zum
Weiterlesen:
— Büsser Martin: If the kids are united — von Punk zu Hardcore und zurück, Ventil — Verlag, Mainz 2000 O'Hara, Craig: Art. »The Philosophy of Punk — Die Geschichte einer Kulturrevolte«, in: DIY - Do It Yourself, Ventil Verlag, Mainz 2001
Film
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American Hardcore. USA 2006. 100 Minuten. Regie: Paul Rachmann, Drehbuch: Steven Blush. Produzent(en): Paul Rachmann, Steven Blush. The Edge of Quarrel. USA 2000. 120 Minuten. Regie: David Larson, Drehbuch: David Larson. Produktion: A Lower Level / J is for Jerk. Refused are fucking dead. DVD. Burning Heart Records / Epitaph 2006. Earth Crisis 1991 — 2001. DVD. Forever True. Victory records 2006.
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Michael Diefenbacher studiert Schulmusik an der Musikhochschule Freiburg
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Greprianik vom 51nthesher Musik in "Der Raffte der Rose« Elisabeth Wodsak
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Das Genre begann mit der Hinrichtung von Jeanne d'Arc. In einer amerikanischen
Produktion von William Heise wurde sie 1895 in einem kurzen Abschnitt gezeigt. Jeanne d'Arc gehört neben König Arthus und Robin Hood zu den meist verfilmten historischen Persönlichkeiten. Es existiert aber auch eine Vielzahl von Filmproduktionen, deren Handlung zwar nicht im historischen Mittelalter spielt, die aber in Anlehnung an mittelalterliche Stoffe beziehungsweise Motive entstanden sind. So basiert ein großer Teil der Fantasyfilme auf mittelalterlichen Themen. Das Spektrum reicht von dem Bemühen, die historische Epoche auf der Leinwand 'authentisch' zu rekonstruieren, bis hin zur losgelösten Darstellung einer offensichtlichen Fantasiewelt, die Schauplatz von Mythen und Legenden ist. »So viele Mittelalterfilme, so viele Mittelalterbilder«, konstatiert Christian Kiening. Meist verwendet man Romane, Theaterstücke oder Opern als Vorlagen und zwar aus zwei Gründen: Einmal steigert der Rückgriff auf bereits populäre Werke die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs, zum anderen beinhalten die Vorlagen bereits »reich entfaltete Mittelalterimaginationen, die die filmische Umsetzung erleichterten« (Kienin g, s. 37). Schon in den Vorlagen erscheint das Mittelalter mystisch und romantisch oder einer späteren Zeit angepasst, also analogisierend. Die Filmindustrie hat das Genre in zahlreichen Produktionen bedient und einerseits ein spezielles Interesse an mittelalterlichen Stoffen aufgenommen, es andererseits aber auch medial verstärkt. Worauf kann die Beliebtheit zurückgeführt werden? Sicher spielt die Attraktion eine Rolle, Vergangenes sinnlich erlebbar zu machen. Hinzu kommt als Vorteil des Mediums, in einem gesamtdramaturgischen Konzept das Visuelle mit dem Akustischen verbinden zu können und somit für den Zuschauer ein lebendiges Bild zu entwerfen, das ihn scheinbar an einer anderen Welt teilnehmen lässt. Er ist Beobachter einer fremden Welt und gleichzeitig emotional in das Geschehen eingebunden.
Auf geschichtlichen Fakten beruhend verfolgt der Historienfilm das Ziel, die wirklichen Umstände einer bestimmten Zeit oder Epoche historisch möglichst korrekt widerzuspiegeln. Dabei lassen sich nach Schubert (s.
90)
zwei übergeordnete Kategorien
aufstellen, nämlich: History Fact Film
e Filme, die direkt auf das historische Zeitalter Bezug nehmen. Hierunter fällt der Historienfilm ebenso wie Filme, deren Handlung zur Zeit des Mittelalters spielt, wie auch z.B. der Film Der Name der Rose. History Fiction Film
e Filme, die nicht direkt auf das historische Zeitalter Bezug nehmen, sondern nur einzelne mittelalterliche Aspekte aufgreifen und sie in einen anderen Kontext stellen. Dazu gehören Filme, deren Handlungen auf einer mittelalterlichen Vorlage basieren, jedoch zu einer historisch anderen Zeit spielen, oder Filme, in denen mittelalterliche Symbole in ein Fantasy-Konzept eingearbeitet werden, wie in Der Herr der Ringe. Beide Kategorien unterscheiden sich durch ihren Umgang mit Authentizität. Filme wie Der Name der Rose streben an, auf der Leinwand ein möglichst überzeugend wirkendes Mittelalterbild zu inszenieren. Um das glaubhaft zu gestalten, werden auf allen Ebenen des Films bestimmte Mittel eingesetzt. Requisiten, Make-up, Frisuren und Kostüme werden nach historischen Vorbildern gefertigt, Schauplätze historischer Architektur angepasst. In Der Name der Rose mussten einige Schauspieler sogar ihre Zahnkronen »historisieren« lassen. Ziel der Ausstattung ist es, die »Fremdheit zwischen Vergangenheit und Gegenwart aufzuheben«
(Röckelein, in: Mittelaltersehnsucht, S. 76).
Das Mittelalter
eignet sich nicht zuletzt deswegen so gut, weil es sehr fremd und historisch sehr weit von unserer Erfahrungswelt entfernt ist. Daher bietet es eine hervorragende Projektionsfläche. Ritter und Bauern, Minnesänger und Hofdamen, Hexen und Mystiker erscheinen so exotisch, dass sie ohnehin schon mehr Fantasyfiguren als historischen Typen gleichen.
Der Name rin Rose Ecos 1980 erschienener Roman war ein Bestseller. Er wurde 1986 in einer deutschfranzösisch-italienischen Koproduktion verfilmt und gilt bis heute als einer der teuersten europäischen Historienfilme. Die Story ist eine spannende Kriminalgeschichte. Der Franziskanermönch William von Baskerville (sean conner y) und sein Novize Adson (Christian slater) sind Gast in einer italienischen Benediktinerabtei. Kurz nach ihrer Ankunft geschieht eine Serie von fünf mysteriösen Morden. Während man allgemein den Teufel am Werk glaubt und die Morde als Zeichen des kommenden Weltuntergangs sieht, untersuchen William und Adson als Detektiv und Assistent die Verbrechen und lösen sie auf. Das Ambiente des 1327 spielenden Films sollte so authentisch wie möglich wieder gegeben werden. Dazu informierte sich die Crew um den Regisseur Jean-Jacques Annaud
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bei wissenschaftlichen Mittelalterspezialisten über das klösterliche Leben, seine theologische Fundierung sowie den alltäglichen Ablauf. Eco selber verfolgt nicht das Ziel, das Mittelalter »korrekt« wieder zu geben. Vielmehr setzte er auf das Imaginationspotential der Zuschauer. Dieser Aspekt wird bei der Umsetzung berücksichtigt. Sowohl im Roman als auch im Film stehen sich die Weltanschauung des 20. Jahrhunderts und die spätmittelalterliche kontrastierend gegenüber. Die Figur des William entspricht mit seiner aufgeklärten Skepsis einem modernen Sherlock Holmes. In Ecos Roman nimmt er bereits die aufklärerische Kirchenkritik vorweg. Ihm steht als Gegenfigur der Inquisitor Bernardo Gui gegenüber, der mit religiösem Fanatismus die Macht der Kirche durch finstere Machenschaften zu erhalten sucht. Klöster waren tatsächlich Zentren des Wissens, daher ist der Plot um eine geheime Bibliothek »verbotener« Bücher gruppiert, deren Seiten vergiftet wurden.
Die Filmmusik ihr Rose Die Filmmusik komponierte James Horner, der inzwischen auch durch die Musik zu Filmen wie Titanic (1997) und A beautiful mind (2001) bekannt geworden ist. Horner verwendet sowohl intradiegene, das heißt, dem Bildton der Szene entsprechende, als
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auch extradiegene Musik. Das ist Musik, die nur für die Zuschauer hörbar ist und »nicht real in der Filmszene begründet sein kann« wie etwa ein »Symphonieorchester in der
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Prärie« (Schneider, 5. 19). Extradiegene Filmmusik kommentiert das Geschehen, übernimmt überleitende Funktionen, unterstützt oder erzeugt die Stimmung einer Szene.
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Sie vermittelt aber oft auch wichtige Informationen. So kann das Bild einer halbgeöffneten Tür mit einer sentimentalen oder bedrohlichen Musik gekoppelt etwas Bestimmtes signalisieren. Die Filmmusik zum Film Der Name der Rose ist als Compact Disk vom Bild
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ausgekoppelt auf dem Markt. Sie enthält dreizehn Tracks, nämlich 1. Main Titles,
2. Beata Viscera, 3. First Recognition, 4. The Lesson, 5. Kyrie, 6. The Scriptorium, 7. Veni Sancte Spiritus, 8. The Confession, 9. Flashbacks, 10. The Discovery, 11. Betrayed , 12. Epilogue, .13. Find Titel.
Die intradiegene Musik Im Film Der Name der Rose werden drei Szenen mit intradiegener Musik gezeigt, Situationen, in denen die Mönche singen. Die ersten beiden Szenen spielen während eines Morgengottesdienstes (Laudes), die dritte zeigt die Prozession der singenden Mönche zum Scheiterhaufen. In allen drei Szenen hört man einstimmigen Choralgesang. Doch erklingen in den beiden Messszenen im Film nicht die auf der CD veröffentlichten Choräle. Lediglich ein Ausschnitt aus dem Kyrie der Missa orbis factor wurde verwendet. Möglicherweise hat Horner die Musik ausgewechselt, weil der originale Choral für die Schauspieler zu schwer zu intonieren war. Sie sollten selber richtig singen da die
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Kamera sie in Nahaufnahme einfing, und sie singen im Bild tatsächlich eine vereinfachte Version. Auf der CD, in der die Musik selbst im Mittelpunkt steht, hört man dagegen »echte« alte Musik, nämlich die Sequenz Veni Sancti Spiritus und den Conductus Beate
Viscera. In der Prozessionsszene erklingt dann das Kyrie als Quartorganum. Wie die Verwendung des einstimmigen Chorals zeigt, reicht seine Funktion über die intradiegene Bedeutung hinaus. Der mittelalterliche Gesang charakterisiert auch das Leben der Mönche, und sie wird über die Szenen hinaus eingesetzt. So beginnt der Film mit einem Panoramabild einer Berglandschaft, in der sich das Kloster befindet, von dem die Stimme aus dem Off erzählt. Nach dem Zoom auf die singenden Mönche schwenkt die Kamera während der Laudes auf das Eingangspanorama zurück, der Gesang bleibt indessen im Hintergrund hörbar und suggeriert nun, dass die (überzeitliche) Landschaft ins Mittelalter gehört. Der einstimmige Choral ist einerseits authentisch und er schafft andererseits auch die Distanz, um die Klosterszenerie als fremde Welt aus ferner Zeit zu charakterisieren. Aber er hat noch eine weitere Funktion. Im Film wird ausgenutzt, dass der einstimmige liturgische Gesang, der »gregorianische Choral«, heute sehr deutlich als Symbol für Spiritualität gehört wird. In Der Name der Rose werden die Mönche bei der Ausübung der Gesänge gezeigt, die Gesänge wiederum sind Teil des Gottesdienstes und eng mit dem klösterlichen Leben verbunden. Die Spiritualität ist ein Teil des monastischen Lebens. So erweckt der Choral beim Zuschauer in den ersten beiden Szenen einen Eindruck des Friedens und der Ordnung. Die Spiritualität der in Abgeschlossenheit lebenden Mönche hat am Anfang des Films noch nichts Negatives. Erst in der Prozession zum Scheiterhaufen verkehrt sich die musikalische »Botschaft«. Hier steht der Choral für die undurchdringliche, mystische, geheimnisvolle und mit der Hinrichtung atavistisch grausame »finstere« Welt des Mittelalters, die der »Aufklärer« William von Baskerville entlarven will. Insofern gehen intradiegene und extradiegene Musik hier ineinander über.
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ee, Für die extradiegene Musik verwendet Horner fast ausschießlich vom Synthesizer erzeugte Musik. Er greift dabei in vielen Abschnitten auf Techniken und Muster mittelalterlicher Musik zurück und verknüpft sie mit Klangfarben elektronisch erzeugter Musik. Die collageartige Schichtung sowie die Kombination von Stilelementen alter und neuer Musik prägt das gesamte Klangbild. Die folgenden Bemerkungen beziehen sich auf die CD zum Film. Der erste Titel enthält die Vorspannmusik. In ihr werden die »main titles« angespielt, darunter auch die 'Liebesmusik' aus der Nebenhandlung. In der Klosterküche trifft der Novize Adson auf ein Mädchen, das ihn mit den sinnlichen Komponenten des Lebens konfrontiert. In ihrem romantischen Gestus klingt diese Musik unverhohlen an Horners Stück My heart will go an an, die er für den Film Titanic entworfen hat. Um das mittelalterlich-klösterliche Ambiente zu charakterisieren, nutzt Horner einmal Techniken wie den Orgelpunkt. Gleich die erste erklingende Musik fällt durch das
ständige, unheimlich wirkende Pochen in tiefen Registern auf. Es kehrt im Verlauf des Films mehrfach wieder, beispielsweise beim Auffinden der ersten beiden Leichen. Als zweite Musik exponiert Horner ein Glockenmotiv aus repetierenden, am Ende abfallenden Tönen. Der Klang von ein oder mehreren Glocken wird genutzt, als William und Adson sich nachts heimlich in die Bibliothek einschleichen. In Kombination mit dem Orgelpunkt wird hier eine unheimliche Atmosphäre evoziert. Auch bei der Entdeckung der geheimen Bibliothek (The Discover y) kommen die Glocken zum Einsatz. Glocken werden auch in der Popmusik gern als Stilmittel für mittelalterliches Ambiente verwendet. Als Hauptmotiv kann die dritte Musik bezeichnet werden, eine einstimmige Linie, die
bewegt die Melodie im Quintraum nach oben, wobei der Zentralton engschrittig umspielt wird, zum anderen ist es die Illusion eines singenden Knaben oder Mannes, die indessen durch den Synthesizer hergestellt wird. Die artifizielle Klangfarbe entsteht nicht zuletzt durch den unterlegten Hall. Zwei weitere Motive, die für das Klangbild eine wichtige Rolle spielen, sind leere Quinten — ein Gestaltungsmittel, das an die Bordunverfahren früher Mehrstimmigkeit erinnern soll, sowie hohe Streicherakkorde. Diese Streicherklänge sind eindeutig »modern«. Sie erklingen in hoher Lage, setzen oft im piano ein, crescendieren und reißen dann unvermutet ab. Es handelt sich stets um Dur- oder Molldreiklänge, die zu den anderen Stimmen oft dissonante Reibungen erzeugen, wie auf Track eins, wo gisMoll in den Streichern gegen einen Orgelpunkt auf F und die Bordunquinte d-a gesetzt ist. Die entstehenden Dissonanzen erzeugen Unruhe und steigern die Spannung. Die Schichtung verschiedener Stile, alter und moderner Klänge bewirkt, dass die Filmmusik auf den Zuschauer gleichzeitig sowohl »bekannt« als auch »fremd« wirkt. Diese Mischung von mittelalterlichen und modernen Kompositionselementen entspricht im wesentlichen dem Charakter des Films. Der Film — wie schon der Roman von Eco — verbindet inhaltlich somit sowohl Mittelalterliches als auch Zeitgenössisches.
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Weiterlesen
- Christian Kiening und Adolf Heinrich: Mittelalter im Film, Berlin 2006 Annette Kreutziger-Herr und Dorothea Redepenning (Hg): Mittelalter-Sehnsucht?, Kiel 2000 Norbert J. Schneider: Handbuch Filmmusik, München 1986
Elisabeth Wodsak schloss ihr Schulmusikstudium an der Musikhochschule Freiburg 2006 ab.
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aus mehreren Gründen »alt«. Einmal greift Horner auf den äolischen Modus zurück und
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von einem Countertenor beziehungsweise Altus vorgetragen wird. Diese Melodie klingt
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Schneisen durch den Dschungel Hörerbedürfnisse und öffentliche Musikpräsentation Anne Holzmüller
Von Zeit zu Zeit wird man als musikbegeisterter Mensch von einem diffusen Gefühl beschlichen: »Kulturelle Schizophrenie«. Was in erster Linie dramatisch und plakativ erscheint, drängt sich manchmal geradezu auf als spontaner Ausdruck dieses Unbehagens. Als wachsamer und offener Musikhörer kommt man heute nicht darum herum, sich mit einer gewissen kulturellen Zerrissenheit auseinander zu setzen. Wie Schneisen führen die Grenzen zwischen den kulturellen Klassen und Genres durch die Wahrnehmung der aktuellen Musiklandschaft. »Unterhaltungsmusik«, so heißt es noch 1963 im entsprechenden MGG-Artikel, sei »das Vergnügliche, Zerstreuende und Entspannende«, seiner Hörerschaft, der großen Masse nämlich, fehle es völlig »an Willen [...] zur Erhebung über sich und den platten Alltag«. Diese Aussagen sind symptomatisch für die Geschichte einer Spaltung. Die Wurzeln der Trennung zwischen Hochkultur und niederer Kultur gehen weit zurück auf den Autonomiegedanken der »klassischen« deutschen Ästhetik. Heute, hundertfünfzig Jahre später, scheint diese Haltung längst überholt, ein Überbleibsel aus alten Tagen, in denen das Kulturleben fest in der Hand des Bildungsbürgertums lag und die Frage nach der »Kultur« eines Menschen auch immer eine Frage des Standes war. Die kulturelle Situation der Gegenwart aber scheint es unmöglich zu machen, in Kategorien von Hochund Trivialkultur zu denken: zu vielfältig präsentieren sich Kultur- und Musiklandschaft. Die letzten Jahrzehnte trugen verstärkt zur zusätzlichen Anreicherung mit neuen Elementen und Strömungen bei. Entwicklungen im elektronischen Bereich, angefangen mit den seit hundert Jahren benutzten Speichermedien, eröffneten neue musikalische Möglichkeiten. Die betont offene Haltung der Postmoderne ermöglichte, sich verstärkt ethnischen Einflüssen, neuen Querverweisen oder Rückgriffen auf ältere Stile zuzuwenden. Nie zuvor sah sich der Einzelne einer Kulturlandschaft gegenüber, die so heterogen, unüberschaubar und dicht war. Ein Hörer, der offen, neugierig und ohne dogmatische Vorbehalte an Musik herangeht, wird — so muss man annehmen — innerhalb dieser Landschaft auf vieles stoßen, das sein musikalisches Interesse weckt. Trotzdem findet man
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noch immer starke Abgrenzungen bei kulturellen Fragen. Der Philosoph und Sozialwissenschaftler Roger Behrens gibt zu bedenken, unter welch widersprüchlichen Vorzeichen der ästhetische Diskurs der Gegenwart teilweise geführt wird. »Die Philosophen«, schreibt Behrens in seinem Buch Top. Kultur. Industrie.', »schweigen über die Popmusik, auch wenn Popmusik des öfteren die Hintergrundmusik des schreibenden und lesenden Philosophen bereitstellt.« Auf wissenschaftlicher Ebene findet kaum Auseinandersetzung mit »Popkultur« statt. Diese große Skepsis hat durchaus philosophische Tradition in Deutschland: Bereits Walter Benjamin sah den Kunstcharakter von Musik durch ihre technische Reproduzierbarkeit in Frage gestellt. Th. W. Adornos ,Kulturindustriethese', nach der Kunst wie eine Ware gehandelt und verkonsumiert würde, sieht die kulturelle und individuelle Ausbeutung durch Massenkultur als weitere Stufe des Zerfallsprozesses der Moderne. Auf die Dominanz, die seine ästhetische Theorie im heutigen Diskurs noch immer besitzt, ist dessen einseitige Gewichtung wohl zu einem großen Teil zurückzuführen. Denn heute, so unterstellt hier Behrens, sei vermeintliche Populärkultur längst als selbstverständlicher Bestandteil in den Alltag auch der intellektuellen Eliten eingegangen. Der ästhetische Diskurs steht also in einem seltsamen Missverhältnis zu dem kulturellen Rahmen, in dem er stattfindet. Der Ansatz einer Untersuchung der »Trivialmusik«, der in den 1970er Jahren verstärkt an Aufmerksamkeit gewann, krankt seinerseits daran, dass all jene Musik als Trivialmusik behandelt wird, die nicht dem selbst gesetzten Maßstab der Kunstmusik entspricht. Bernd Sponheuer kritisiert, dass solche Musik in der Folge unter normativen Kriterien untersucht werde, die in der Tradition eben dieser dichotomen ästhetischen Auffassung stehen. »Der Gegenstand ,Trivialmusik' wird als positiv gegebene musikgeschichtliche Tatsache aufgegriffen und im Geiste derselben ästhetischen Prämissen abgehandelt, die überhaupt erst die Konstitution dieser ,Tatsache' ermöglicht haben.« Eine offenere Geisteshaltung trifft man an im sogenannten »Popdiskurs«, der aber meistens weder musikwissenschaftlichen noch, wie Behrens ausführt, philosophischen Ansprüchen genügt. Der Popdiskurs, so Behrens, sei verwiesen auf »einen Feuilletonismus, der in so genannten Zeitgeistmagazinen allein durch bestimmte Sprach- und Diskursregelungen ans Material nur unbefriedigend heranreicht« und der deshalb nicht die Distanz aufbringen könne, »um die Sache aus sich heraus zu beleuchten.« An den Hochschulen schließlich begnügt man sich fast ausschließlich mit der Bedienung des altbewährten Kanons »Bach-Mozart-Beethoven«. Sofern eine intellektuelle Auseinandersetzung mit Musik überhaupt stattfindet, bewegt sich diese zum Großteil im oben erwähnten musikgeschichtlichen Rahmen. Eine musikästhetische Diskussion der Gegenwart findet sich allenfalls in den Kompositionsklassen. Von einem breit angelegten, den Anforderungen einer postmodernen Kulturlandschaft entsprechendem Diskurs kann keine Rede sein. Immer noch sieht sich ein offener, kulturinteressierter Mensch mit einer scheinbaren Dichotomie konfrontiert. Wo ein potenziell vielfältiges musikalisches Interesse auf eine nach wie vor starre Kategorisierung trifft, ruft das Reaktionen der Zerrissenheit und Verwirrung hervor.
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Die Verknüpfung mit musikalisch definierten Inhalten erweist sich aber als unmöglich. Das zeigt schon das Begriffs-Wirrwarr beim Versuch einer terminologischen Fixierung dieser Kategorien: Mit Begriffen wie »Klassik« und »Pop«, »U- und E-Musik« greift man auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung immer wieder auf einen provisorisch anmutenden Behelfsjargon zurück, dem jede Sachlichkeit abgeht. Verlagert man den Fokus von der rein reflexiven Auseinandersetzung mit Kunst hin zur Öffentlichkeit des musikalischen Lebens, so scheint der Konflikt zwischen Hoch- und Trivialkultur auf den ersten Blick gelöst: Ein breites Kulturangebot, vermittelt durch mediale Einrichtungen wie Konzerthäuser, Radioanstalten oder Tonträgerindustrie, präsentiert ein vielfältiges Spektrum an musikalischen Stilen. Doch bei genauerer Betrachtung wiederholt sich das kategorisierende Verfahren hier auf nächster Ebene: Statt in die zwei Kategorien Hoch- vs. Popkultur zerfällt die kulturelle Vielfältigkeit nun in mehrere Sparten. Musik-TV-Kanäle wie MTV oder VIVA stehen den breit angelegten, kommerziellen Rock-Pop-Sendern der großen Hörfunkanstalten nahe. Dem steht das reine Klassikradio gegenüber. Die beschriebene Dichotomie ist hier noch am ehesten präsent. Konzerthäuser orientieren sich ebenfalls überwiegend am »populären« Klassik-Romantik-Kanon (und spätestens hier wird die Absurdität einer terminologischen Trennung von hoher und populärer Kultur bemerkenswert sinnfällig). Spezielle Festivals und spezialisierte Ensembles widmen sich ausschließlich der Neuen Musik. Ein vergleichsweise differenzierteres Bild schaffen musikalische Fachzeitschriften, die sich speziellen Genres widmen, wie Heavy Metal, Jazz oder Reggae. Die DJ-Kultur und ClubSzene konzentrieren sich auf im weitesten Sinne elektronische Musik. Hier erfolgt die Abgrenzung in kleingliedrigere Komplexe — das Phänomen der Kategorisierung aber bleibt. An der medial konstruierten Präsentationsoberfläche zerfällt eine eigentlich vielfältige und dynamische Musiklandschaft in vermeintlich fixe, statische Sparten, die sich an den Grenzen musikalischer Genres orientieren.
Untersuchungen zu den tatsächlichen Hörbedürfnissen seitens der Rezipienten zeichnen aber ein anderes Bild. Neue Hörertypologien bestätigen, dass die soziale Distinktion und Profilierung über Musik weit komplexer und vielseitiger ist, als es der »Markt« eigentlich vorgibt. »Die MedienNutzerTypologie« (MNT) wurde 1996/97 von einer Projektgruppe im Auftrag der ARD entwickelt mit der Absicht, die Publikumsstrukturen in Fernsehen, Hörfunk und Internetnutzung besser zu durchleuchten. Die MNT zeichnet sich durch einen vergleichsweise pragmatischen, da letztlich kommerziell orientierten Ansatz aus: Die Untersuchung gelte, so heißt es einleitend, dem »optimierten Abgleich von Publikums- und Programmperspektiven« — marktwirtschaftlich gesprochen bedeutet das: dem Abgleich von Angebot und Nachfrage. Die ARD-Studie stellt den Versuch dar, eine Typologie zu schaffen, die speziell auf die Mediennutzung abgestimmt ist. Dabei kommt sie zu erstaunlichen Ergebnissen: Die einzelnen Hörertypen lassen sich längst nicht so einseitig einem bestimmten Genre zuweisen, wie es die vermeintlich zielgruppeorientierten medialen Organe vermuten ließen, die sich nach wie vor streng an
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Sparten orientieren.
(Quelle: Oehmichen, Ekkehardt; Ridder, Christa-Maria (Hg.):
»Die MedienNutzerTypologie. Ein neuer Ansatz der Publikumsanalyse.« Baden Baden 2003, S.42.)
Einen Hörertypus, der sich an der Einteilung in Hoch- und Popkultur orientiert, scheint es nach dieser Studie jedenfalls nicht (mehr) zu geben. Der Klassisch Kulturori-
entierte, so geht aus der abgebildeten Tabelle hervor, ist zwar der »Klassik« am stärkste zugeneigt. Die Zahlen für neue Musik, als »E-Musik« sicher der »Hochkultur-Seite« zuzuschreiben, sind aber vergleichsweise niedrig: Nur 10% der Befragten, die dieser Kategorie zugeteilt wurden, gaben an, gerne Neue Musik zu hören. Anders dagegen die Gruppen sogenanntenhingen Wilden. Die Hauptpräferenzen dieser Kategorie liegen zwar bei »Rock/Pop« und »HipHop/Techno«, mit 26% zeigen sie aber auch die größte Offenheit für Neue Musik. Nicht nur ein wertend-dichotomes Hörverhalten lässt sich kaum ablesen, auch die einseitige Interessenorientierung an speziellen, von einander klar zu trennenden Sparten findet sich auf der Hörerseite nicht widergespiegelt. Viele Hörertypen, so zeigt die Statistik, legen ein sehr breitgefächertes musikalisches Interesse an den Tag. Die Kategorie des Neuen Kulturorientierten legt den meisten Wert auf Pop- und Rockmusik. Großes Interesse aber bringt er zu prozentual nahezu gleichen Teilen den Kategorien »Klassik«, »Weltmusik«, »Jazz und Blues« und »Neue Musik« entgegen. Der Neue Kulturorientierte gilt als Paradebeispiel für einen neuen Typ Hörer, der sich den althergebrachten Schemata und Kategorien entzieht. In der Studie wird er als der »Grenzgänger zwischen den Stilen« bezeichnet, der sich — und hier leider erneut pauschal — »zwischen Mozart und Jimi Hendrix, Klassik und Pop« bewege.
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Leider liegen noch keine statistischen Werte innerhalb der MedienNutzerTypologie vor, die sich auf die Entwicklung der Höreranteile beziehen. Eine weitere, noch relativ neue Studie zu den Hörerstrukturen bei »DeutschlandRadio«, die sich an das Typenmodell der MNT anlehnt, gibt immerhin Auskunft darüber, dass der Klassisch Kulturori-
entierte mit 17% und der Unauffällige mit 16% den größten Teil der deutschen Gesamtbevölkerung ausmache. Es folgen die Jungen Wilden (12%), die Aufgeschlossenen (11%) und die Leistungsorientierten (10%). Der erlebnisorientierte Hörer sowie der Häusliche kommen auf jeweils 9%, Neue Kulturinteressierte und Zurückgezogene bilden die kleinste Gruppe mit jeweils 8% der Gesamtbevölkerung. Aufschluss über die tendenzielle Entwicklung der vielseitig interessierten Höreranteile könnte jedoch nur eine weitere Studie dieser Art geben- zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt durchgeführt. Dennoch zeichnet die MNT ein Hörerbild, aus dem hervorgeht, dass sowohl Genregrenzen als auch die noch immer kultivierte Kluft zwischen Hoch- und Popkultur im Hörverhalten eine untergeordnete Rolle spielt. Trotz eines nachweisbaren Interesses gibt es vergleichsweise wenige Beispiele öffentlich präsentierter Musik, bei denen verschiedene Genres aneinander stoßen, gleichrangig nebeneinander stehen oder wo Überlappungen der Grenzen aufgegriffen würden. Kommunikationsmedien, Musikindustrie oder Institutionen des öffentlichen Musikbetriebs halten sich nach wie vor an die Spartenausrichtung— obwohl sie in den meisten
Fällen an einer Öffentlichkeit orientiert sind, an einem Publikum, oder marktwirtschaftlich gesprochen: an einer Nachfrage. Ein offener Umgang mit Musik, der sich frei gemacht hat von einem musikalischen Genre- und Klassenbewusstsein, würde also nicht nur ein authentischeres Abbild einer — nur abstrakt existierenden — »kulturellen Wirklichkeit« repräsentieren. Noch erstaunlicher ist nämlich, dass sich ein solcher Ansatz, vertraut man der Statistik, als nachfrageorientierter und so in letzter Konsequenz als wirtschaftlicher erweisen müsste. Kulturelle Vielfalt in Genres zu pressen gilt aber nach wie vor als Standard. Abweichende Konzepte sind selten und nehmen innerhalb der Kultur- und Medienlandschaft einen deutlichen Außenseiterstatus ein. Eines dieser Beispiele ist die Radiosendung SWR2-Dschungel. Sie setzt sich zusammen aus einem halbstündigen Wortbeitrag
(Hörspiele und Features)
und einem halbstündigen
Musikteil. Der Titel »Dschungel« steht metaphorisch für die vielfältigen und unübersichtlichen Erscheinungsformen der postmodernen Kulturlandschaft, die auf der offiziellen Webseite der Sendung als »Dickicht« und »Wirrwarr« umschrieben werden.
Dschungel versteht sich auch als Orientierungshilfe in dieser Landschaft. Über das Magazin Machete heißt es, das Programm solle, gleich einer Machete, »Schneisen schlagen in die postmoderne Unübersichtlichkeit der Jugend- Alternativ- und Szenekultur«, denn: »Ohne Machete ist man verloren im Dschungel der Szenekulturen.« Die Sendung entstand 1998 im Zuge der Fusion der beiden öffentlich-rechtlichen Sender SDR und SWF zum SWR. Das Anliegen war damals, auch im Rahmen des Kultursenders SWR2 ein jüngeres Publikum anzuziehen. Der Chef- und Wortredakteur der Sendung Ralf Kröner sieht das Dschungel-Konzept als Teil eines neuen Kulturverständnisses: Die Sendung solle Räume schaffen für vielseitige kulturelle Erscheinungen. »Die traditionell
bürgerliche Auffassung versteht Kultur als etwas Weihevolles und Unantastbares, das sowohl Respekt als auch eine gewisse Strenge und Autorität vermittelt.« Dschungel wolle die leichte Seite von Kultur genauso würdigen, wie ihre Ernsthaftigkeit. »Wir wollen präsentieren, was weder trivial noch verschwiegen ist. « Die Missachtung einer genreverhafteten Programmgestaltung ist vielleicht die bemerkenswerteste Eigenschaft des Konzeptes. In vollem Bewusstsein über den nahezu radikal-rebellischen Aussagecharakter im Kontext des statischen Spartenradios, werden hier verschiedenste Stile kombiniert, die, so die Information auf der Webseite,
»normalerweise als unverträglich« gelten: »Radiohead tut Ravel nicht weh und Björk beißt sich nicht mit Gianluigi Trovesi. Im Gegenteil, Gegensätze erhöhen den Reiz, wenn die Stücke mit Musikalität ausgewählt werden. « In diesem Sinne versteht sich SWR2-Dschungel als eine Alternative zum breiten Radio-Angebot. Das gilt einerseits senderintern: Das reine Klassik-Kultur-Programm von SWR2 soll hier bewusst durchbrochen werden. Dschungel wendet sich an eine Zielgruppe, die jünger und offener ist, als der klassisch-kulturorientierte SWR2-Stammhörer — dessen Durchschnittsalter wird auf 63-65 Jahre geschätzt. Gleichzeitig soll nicht auf das Musikangebot der anderen Sender des SWR — SWR1, SWR3 und SWR4 —ausgewichnerd.MitDschungelwrdanzgeiltnaderWgbeschritn.
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Das Format zeichnet sich unter anderem durch einen unaufgeregten Umgang mit kreativer Popmusik aus: »Pop« wird hier in erster Linie als Musik verstanden, nicht als Attitüde. Weder wird eine bestimmte Jugendkultur bedient noch sonstige LifestyleAnsprüche erhoben. Es entzieht sich den in der Jugendkultur üblichen Designs, Jargons oder Moden, es verkauft sich nicht selbst als Produkt. Dadurch kann die Sendung Forum bleiben. Trotzdem versteht sich Dschungel ausdrücklich als Unterhaltungsprogramm und nicht etwa als pädagogisch motiviertes Konzept. Das heißt auch, dass musikalische Innovation und Kreativität nur begünstigt wird, solange der spontane Zugang noch möglich ist. Die Musikredakteurin Bettina Stender erklärt, dass Dschungel keine Extreme suche, die musikalisch polarisieren und die abschrecken oder provozieren könnten. Konkret wird dieser Grundsatz auch im Bereich des Jazz: Stücke mit überlangen Soli entsprechen nicht mehr dem Unterhaltungsanspruch, den Musik hier gewährleisten soll. Auch gewisse Stilistiken innerhalb des Jazz, wie u. a. Free Jazz, werden aus der Programmzusammenstellung ausgeklammert. So ergeht es auch Musik mit tendenziell avantgardistischem Habitus, die letztlich auch auf Provokation und Polarisierung abzielt. Sowohl nach Kröners als auch Stenders Einschätzung ist das Angebot an leichter, nicht trivialer Kultur und offenen genreübergreifenden Programmen zu klein. »Die Nach-
frage«, so Stender, »ist weit größer, als die Abdeckung auf diesem Sektor.« Das Problem, das diesem Missverhältnis zugrunde liegt, erkennen beide als ein medienspezifisches. Kröner betont hierzu die Schwierigkeit, mit einem Konzept auf einem Radiomarkt Erfolg zu haben, das vergleichsweise sehr viel Aufmerksamkeit verlangt, wo Radio eigentlich hauptsächlich als Hintergrundmusik zu einer anderen Tätigkeit (Arbeit, Kaufhaus etc.) eingesetzt wird. Die Dschungel-Hörer seien zudem verhältnismäßig aktiv und weniger häuslich. Eigentlich sei das Radio, so Kröner, aber ein häusliches, ein einsames Medium. Lediglich beim Autofahren erreiche man eine Art »Laufkundschaft«. Dass ein Konzept wie das von Dschungel je Erprobung gefunden hat, liegt an der Sonderrolle der Kultursender, die ohnehin zu quotenschwach sind, um sich über Werbeeinnahmen zu finanzieren und auf die Mittel aus Rundfunkgebühren angewiesen sind. Hier sei eine marktwirtschaftlich unabhängige Orientierung an der Qualität des Programms statt an quantitativer Hörerausrichtung möglich, so Kröner. Auf der anderen Seite rückt das die Programme leicht in eine elitäre, kulturkonservative Nische, aus der heraus es sehr schwierig wird, eine alternative Hörerschicht zum Klassisch Kulturorientierten zu erreichen. Die Berufung auf die Existenz als Minderheitenprogramm und wenig Interesse an Quoten birgt aber auch die Gefahr, eine Orientierung am Hörer aus den Augen zu verlieren. Eine sensible Berücksichtigung von unterschiedlichen Präferenzprofilen orientiert an Hörermodellen wie dem der MNT hat sich daher bis jetzt nicht durchsetzen können. Seit Januar 2007 ist Dschungel vom attraktiveren, da vergleichsweise quotenstarken Nachmittagsprogramm auf einen Sendeplatz am späten Abend gerutscht. Zur alten Sendezeit um 14.05 Uhr wird jetzt eine weitere Stunde lang das »Mittagskonzert« übertragen — ein deutliches Statement der Programmleitung für das alte Muster, die Interessen des traditionellen, klassisch orientierten SWR2-Hörers zu bedienen.
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Dschungel konnte sich offenbar nicht behaupten im Kampf um neue Hörerschichten, gegen den Druck der alten Schemata, das laute PR-Aufgebot des Mainstreamradios und andere Anforderungen des Marktes. Das Problem eines Missverhältnisses zwischen dem Bedarf an neuen Medienkonzepten und dem tatsächlichen Programmangebot aber bleibt bestehen. Den Hauptgrund dafür sieht die Musikredakteurin Stender darin, dass die Zielgruppe seitens der Medienmacher erheblich unterschätzt wird. »Der Hörer sieht sich einem festgeklopften Spartenprogramm gegenüber, das immer nur einen Teil seines potenziellen Interesses abdeckt.« Eigentlich, so nimmt Stender an, seien viele Hörer weit aufgeschlossener und offener gegenüber Neuem, als angenommen werde. Was dennoch zum Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage führt und offenbar auch zu den Schwierigkeiten, sich mit alternativen Konzepten durchzusetzen, sei vor allem der fehlende Mut der Führungspersonen im Mediengeschäft, sich auf neue Formate einzulassen, die nicht den unmittelbaren, finanziellen Erfolg garantieren. Der Markt, der sich selbst zu regulieren glaubt, hinkt den Hörern hinterher. Das ist schade, weil es die Entstehung eines bunten, qualitativ hochwertigen Angebots verhindert. Es ist auch ein bisschen ungerecht, weil es die Breite und der Vielfalt der zur Verfügung stehenden kulturellen Materials missachtet. Vor allem aber ist es wirtschaftlich betrachtet nicht besonders klug, weil so neue Entwicklungsmöglichkeiten verschenkt und neue Abnehmer übersehen werden, das Potenzial der Nachfrage wird nur teilweise ausgeschöpft. Unabdinglich aber ist es, dass solche Erwägungen Einzug in die philosophisch-ästhetische Diskussion finden. Ein von Genredenken und kulturellem Dünkel geprägtes Kulturbild muss erneuter Reflexion und Hinterfragung unterzogen werden. Der Diskurs hinkt der kulturellen Wirklichkeit nicht nur hinterher, er ignoriert sie weitestgehend. Die Forderung nach mehr Mut richtet sich also nicht nur an Kulturmacher und Medienmanager, sondern auch an die immer noch schweigenden Philosophen: Einen beherzter Blick auf die kulturellen Verhältnisse zu wagen, die man unter ästhetischen Gesichtspunkten schon lange abgeschrieben hat, könnte zeigen, dass nicht nur deren »Konsumenten« sondern auch das bestehende kulturelle Potenzial unterschätzt wurde. Dass die allzu bequeme Kategorie des ‚Massengeschmacks' nicht mehr ohne weiteres aufrechtzuerhalten ist. Und dass vielleicht alles gar nicht so hoffnungslos ist, wie man befürchtet hat.
c„,‘O Anne Holzmüller schloss 2006 ihr Schulmusikstudium an der Musikhochschule ab und studiert momentan Germanistik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
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Streichquartett im Umspannwerk Dill nach jemand Avantgarde? Janina Klassen
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ee) Die Documenta »hat sich frei gemacht vom Diktat der Innovation und sich einen Blick in die Geschichte der Moderne gestattet«, 2007, 5. 53.
so Hanno Rautenberg in DIE ZEIT, 20. September
War sie denn nicht einmal dafür gegründet worden, um ein Spektrum von
»Innovation« zu präsentieren? Muss man in die Geschichte zurück gehen, um »neues Vertrauen in die Kunst« und »in ihre ästhetische Eigenmacht« zu setzen? Schon vor fünf Jahren hat Wolfgang Ullrich beschrieben: »Der Kunstbegriff wurde abgerüstet und die Utopie von der Kunst als dem radikal Anderen weniger laut proklamiert«. An die Stelle der alten einsamen Helden treten die Stars der Kunstszene, die »möglichst perfekt und gut inszeniert ... auf glamouröse Art repräsentativ« wirken
(5. 156).
Erleichterung und Kritik schwingt mit. Tatsächlich ist der bekannte Klagekanon über die Hürden einer respektheischenden artifiziellen Kunst lang. Hermetik, Kompromisslosigkeit, Exklusivität, Arroganz, Ver- und Zerstörung, Ödnis. Gleichzeitig gilt die traditionelle Positivliste mit Schlagwörtern wie Utopie, Gegenwelten, Fantasie, Kreativität, Autonomie, Selbsterhöhung und Hochgefühl in vielen Punkten als überholt. Immerhin zeigen die heute noch benutzten militärischen Metaphern, welche Macht einer KunstAvantgarde zugetraut worden ist, deren Vorstellung
(bezogen auf eine deutsche Tradition)
die
artifizielle Musik der letzten 200 Jahre dominiert hat. Argumentativ kreuzen sich hier verschiedene Linien. Kunst als »das Andere« steht um 1800 für eine Gesellschaftsutopie, die Schiller zum Ort des Humanen erklärt. Freiheit und Selbstbestimmung sind das Ziel. Dieser sozialutopische Ansatz hat sich bereits im 19. Jahrhundert verflüchtigt, während sich die Kunst zu einer Angelegenheit der gehobenen Gesellschaft entwickelt hat. Daher rennen Avantgarden im frühen 20. Jahrhundert gegen die Starrheit der eigenen Institutionen an. Hermetisch wirkt jede Kunst, zu der nicht unmittelbar ein Zugang gefunden werden kann, aufgrund ästhetischer, kognitiver, gruppenspezifischer oder ethnischer und
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lokaler Hemmschwellen — ein klassischer Ansatzpunkt für Kunstvermittlung und Konzertpädagogik. Von der Exklusivität einer eingeschworenen Kunst- und Kulturgemeinde, die sich selbst inszeniert, indem sie Erleben und Deutungsmacht für sich beansprucht, kursieren vielleicht überzogene Vorstellungen bei denen, die sich ausgeschlossen fühlen. Umgekehrt besteht ein starkes Bedürfnis, sich von bildungsbeflissenen Nachbarn abzugrenzen, die nichts falsch machen möchten und doch
(nach Pierre Bourdieu)
Musik und
Kunst hauptsächlich zum Aufpolstern des sozialen Self-fashioning zu nutzen scheinen. Diese ganze Kunstbastion mitsamt ihren Institutionen scheint weniger abgerüstet als vielmehr in Auflösung begriffen zu sein.
Avantgarde Der militärische Begriff Avantgarde
(Vorhut)
ist im frühen 19. Jahrhundert in die
Kunsttheorie eingegangen und dort im Kontext sozialer Fortschrittsutopien benutzt worden. Nach der 1825 formulierten Idee von Saint-Simon sollen die Künstler an der Spitze des Aufbruchs stehen, weil »die Macht der Künste die unmittelbarste und schnellste« sei
(in: Plumpe, S. 9).
Gleichzeitig lässt sich die Avantgarde-Metapher auch
ohne Verbiegen mit dem Konzept der Autonomieästhetik verbinden. Ästhetisch autonom handeln die Komponierenden insofern sie ihre Produkte unabhängig entwerfen. Sie können dann im Licht der Werkästhetik als fortschrittlich gelten, wenn die Diskurshöhe vorangegangener Werke überboten oder verworfen wird, um in unbekannte Dimensionen vorzudringen, wie zeitgenössische Vorstellungen vorsehen. In dem Masse wie es im Laufe des 19. Jahrhunderts gelingt, Kunst zu institutionalisieren und Konzertreihen, literarische Salons oder öffentliche Ausstellungen zu etablieren, Kunst-Wettbewerbe und Preissinfonien auszuschreiben, professionelle Orchester aufzustellen, Akademien einzurichten und mit Konzertsälen und Museen eigens dafür gebaute Veranstaltungslokale zu errichten, wandeln sich die Angriffspunkte der Avantgarde, um »das Andere« der Kunst zu retten. Ihr Protestpotential richtete sich nun gegen die ideologische Überfrachtung des Werkbegriffs mitsamt seinem inzwischen erstarrten weihevollen Pathos beziehungsweise gegen die etablierte und institutionalisierte Kunst insgesamt, die die Ideen von Freiheit und Fortschritt konterkariert. Dadurch schafft man allerdings neue, eigene Mythen. Tatsächlich gibt es keinen Konsenz darüber, wer oder was Avantgarde vertritt.
liunstir Ermittlung ee Kommentare zur Musik haben eine lange Tradition. Ihre Form hängt mit der Art der medialen Verbreitung artifizieller Musik zusammen. Detaillierte Anleitungen zur klanglichen Realisierung finden sich bereits seit dem frühen 17. Jahrhundert. Sie gelten in der Regel den Ausführenden. Dagegen zielen Berichte, Belehrungen und Rezensionen in den
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neuen öffentlichen Fachzeitschriften des frühen 18. Jahrhunderts ausdrücklich darauf, ein neues Publikum zu informieren, das sich aus Experten und Nicht-Experten zusammensetzt. Musik hat in diesem frühaufklärerischen Kontext eine weitgehend kommunikative Funktion innerhalb einer freiwillig zusammen gekommenen, standesübergreifenden Interessengemeinschaft. Als »Herzenserbauung« dient sie der Unterhaltung und neben einer allgemeinen moralischen Menschenbildung im ökonomischen Bewusstsein der Zeit auch ausdrücklich der Rekreation vom Alltagsgeschäft. In einem langen und mühsamen Prozess muss am Ende des 18. Jahrhunderts das neue Publikum dann dazu umerzogen werden, von der Unterhaltung im doppelten Sinne ab- und sich auf die Musik als Kunstwerke einzulassen, um sich ausschliesslich auf das Hören zu konzentrieren. Essen, Trinken und Schwatzen im Konzert werden obsolet. Man findet eine ganze Palette musikpädagogischer Aktivitäten, einschliesslich »Ignoranten-« und Kinderkonzerte, um ein musikalisch kompetentes Publikum heranzuziehen. Mit der autonomieästhetischen Aufwertung von Musik als Kunst rückt die Forderung nach spontaner Verständlichkeit spürbar in den Hintergrund. Schon Beethovens Sinfonien wirbeln selbst an Expertenohren als unbegreiflich vorbei, und das Argument, die Musik sprühe »von zu neuem Geist, als dass man sich beim ersten Mal ... damit befreunden könnte«
(Hieronymus Truhn über Schumanns g-moll Sonate op. 22),
kehrt stereotyp in Urauffüh
rungsberichten wieder. Diese Musik erfordert Profimusikerinnen und -musiker, die in der Lage sind, solche Partituren einzustudieren. Für die Leistung werden sie entsprechend bezahlt. Ein Publikum, das hier noch mithalten will, ist verstärkt auf Programmzettel und -artikel beziehungsweise auf professionelle Werkeinführungen angewiesen, wie sie auch Anton v. Webern später für die Musik der Zweiten Wiener Schule eingeführt hat. Neue Stücke werden zu Anfang und am Schluss noch einmal gespielt, Gesprächskonzerte ergänzen die Palette der Vermittlungen. Alle diese Formen haben sich bis heute bewährt. Und allen Unkenrufen zum Trotz, gibt es noch ein »klassisches« Abonnement-Publikum, das am Ereignis teilhaben will und bereit ist, sich mit Kunst auseinander zu setzen. Traditionelle Konzertformen (»nur« Musik, ohne weitere Events) und die Nutzung üblicher Vermittlungsangebote (Einführungen, Programmhefte, Komponistengespräche) stehen immer noch hoch im Kurs. Christiane Tewinkel holt mit ihrem Buch Bin ich normal, wenn ich mich im Konzert
langweile? erfolgreich jene Schicht ab, die gern an der Kultur teilhaben möchte, aber nicht so recht weiss, wie sie sich benehmen soll. Alle konzertpädagogischen Aktivitäten orientieren sich nach wie vor an einem Publikum, das die aus dem 19. Jahrhundert hervorgegangenen bürgerlichen Bildungstraditionen weiter führt. Ansätze wie Senken der Hemmschwellen, »Abholen« der Konzertbesucher bei deren eigenen Erfahrungen, Teilhabe am Expertenwissen, Verzicht auf Deutungshoheit, greifen daher bei traditionellen Konzertreihen nach wie vor erfolgreich und sind weiterhin stark gefragt.
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Rächbürgerliche Nunst eeer) Obwohl sich längst neue Kunst- und Aufführungsformen mit mehrdimensionalen sinnlichen Vergnügungen etabliert haben und neben den Konzerthochburgen andere urbane Spielräume und -plätze erschlossen worden sind, klebt die Kritik gegen neue Kunst zäh am alten Avantgardebegriff. Mit der multimedialen Präsenz aller möglichen Formen und Erscheinungsweisen hat nicht nur längst eine Vermischung zwischen Musikstilen und Kunstsparten, zwischen öffentlichem und privatem Raum, zwischen Clubkultur, Film, Tanz oder Klangkunst begonnen und ist in quasi polyglotte Formen übergegangen. Auch die geforderte Rückkehr der aus der artifiziellen Musik verdrängten Körperlichkeit und Emotionalität lässt sich seit Jahren schon beobachten, nicht nur bei Alter Musik. Wer fehlt, ist inzwischen tatsächlich der humanistische Bildungsbürger. Er wurde gebraucht als Zielscheibe aller möglichen Ressentiments, die bei der Selbstkonstitution von Avantgarden eine wichtige Funktion haben. Ernsthaft mag diesem in Heinrich Manns Roman Der Untertan entlarvten Prototypen niemand nachtrauern. Allerdings ist mit ihm zugleich auch ein bestimmtes Reservoire von musikalischer Vorbildung verschwunden. Hier muss entschieden werden, ob und inwieweit die traditionelle Bildung durch pädagogische Massnahmen nachgeholt oder auf die anders gelagerten Fundamente von uns Heutigen eingegangen werden soll.
tunst und Limonade Men Als Max Reinhard 1910 seine avantgardistischen Inszenierungen in den Zirkus Schumann verlegte, da wollte er ein Massenpublikum erreichen, das sich womöglich nicht über die Türschwellen etablierter Bühnenhäuser traute. Heute sind wir schon so sehr daran gewöhnt, neue Musik in E-Werken, Fabrikhallen oder Wasserspeichern zu hören, dass Uraufführungen etwa von Computermusik im Konzertsaal schon wieder überraschen. Fast scheint es, als ginge es der Kunst wie Biolimonade. Einst als exklusives Produkt erfunden und nur in wenigen Szenenlokalen zu haben, schlossen sich die Limonadenbrauer jetzt einem weltweiten Getränkekonzern an. Ihr Produkt ist vielleicht immer noch ernährungstechnisch wertvoll, aber nicht mehr exklusiv. Längst hat eine Trendwende begonnen, zurück in den Konzertsaal, zurück zum bürgerlichen Leben. Ein Bedürfnis nach Kunst ist ungebrochen da. Davon profitiert vor allem die neu gespielte »Alte Musik«, während die »alte« Avantgarde ihre Deutungsmacht verloren zu haben scheint und zur >Klassik< geworden ist. Vielleicht wird es Zeit, sich mal um sie zu kümmern.
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Zum •••"---"•■
Weiterlesen:
Heinz Ludwig Arnold (Hg): Aufbruch ins 20. Jahrhundert. Über Avantgarden, München 2001 Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt / M 1982
2
Karl Heinz Bohrer, Kurt Scheel (Hg): Ressentiment! Zur Kritik der Kultur, Merkur Sonderheft, Stuttgart 2004 - Christiane Tewinkel: Bin ich normal, wenn ich mich im Konzert langweile? ; Eine musikalische Betriebsanleitung, Köln 2004 - Wolfgang Ullrich: Tiefer hängen. Über den Umgang mit der Kunst, Berlin 2003
VWD Janina Klassen Artwo r k: Ro nja Hie n le
ist Professorin für Musikwissenschaft an der Musikhochschule Freiburg
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liiirgerstal2 und Dutenbergfeier Felix lliendelssohn Marthabims »Lobgesang« up. 52 Ann-Kathrin Rist
Gut Enb r gf i er tee, Im Januar oder Februar 1839 erteilte der Leipziger Stadtrat dem damaligen Gewandhausleiter Felix Mendelssohn Bartholdy den Auftrag, Musik zum 400-jährigen Jubiläum der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johannes Gutenberg zu komponieren. Das Gutenberg-Fest sollte im Juni in Leipzig, der Stadt der Drucker und Verleger, groß begangen werden, wurde die Erfindung des Buchdrucks doch als Meilenstein auf dem Weg vom »finsteren« Mittelalter hin zur Aufklärung gesehen. Erst die Buchdruckerkunst hatte die notwendige Voraussetzung für die Verbreitung von Reformation und Aufklärung geschaffen. Leipzig hatte damals viermal so viel Buchhandlungen wie Berlin. Es war die »Bücherstadt« schlechthin. Das Buchdruckerfest wurde am Abend des 23. Juni 1840 mit der Uraufführung der komischen Oper Hans Sachs von Albert Lortzing im Stadttheater eröffnet. Am nächsten Morgen begann man bereits um acht Uhr mit einer kirchlichen Feier. Dann wurde in einem Festakt auf dem Marktplatz eine Gutenbergstatue enthüllt. Dazu hatte Mendelssohn Bartholdy den Festgesang »Begeht mit heil'gem Lobgesang die große Freudenstunde« für zwei Männerchöre mit Blasorchester komponiert. Die Druckergilde hatte eine Druckpresse auf dem Martkplatz aufgestellt. Ein vom Verleger Raimund Härtel vorgetragenes Lobgedicht druckte man dann vor Ort nach und verteilte es im Publikum. Folgt man der Beschreibung Mendelssohns, so hatte man für die Aufführung unter freiem Himmel »über zweihundert Männer, zwanzig Posaunen, sechzehn Trompeter u.s.w.« zusammengebracht
(in: Hensel 2, 5. 164 f).
Zur Volksbelustigung des dreitägigen Fests gehörten außerdem verschiedene Umzüge in alten Zunfttrachten sowie eine nächtliche »Illumination« (vielleicht eine Art Feuerwerk?) am zweiten Abend, die fast dem einsetzenden Regen zum Opfer gefallen wäre. Jahrmarkt und Wettspiele ergänzten die Attraktionen. Man schenkte »Gutenberg-Bier« und »Gutenberg-Wein« aus und verkaufte geschäftstüchtig allerlei Nippes wie
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»Gutenberg«-Hüte oder Figürchen. Ein Fackelzug beendete das Fest
(Reiser, S. 48 f).
Die Uraufführung von Mendelssohns Sinfonie-Kantate Lobgesang op. 52 fand dann am Nachmittag in der Thomaskirche statt und war ein großer Erfolg. Außer Mendelssohns Stück gab man Händels Dettinger Te Deum und die Jubelouvertüre von Carl Maria von Weber. Aufgrund ihrer biblischen Texte standen weder das Te Deum noch der Lob-
gesang im Konflikt zu einer Kirche als Aufführungsort. Mit der Jubelouvertüre verhielt es sich anders, da sie eine Paraphrase von God saue the King enthielt, die 1818 zum 50jährigen Regierungsjubiläum des sächsischen Königs Friedrich August 1. geschrieben worden war (Konold, s. in). Nicht jeder hielt ihre Aufführung in der Kirche für richtig. Mendelssohn Bartholdy berichtete seinem Freund Karl Klingemann: »Das Stück für das hiesige Fest war kein Oratorium, sondern wie ich es auf deutsch nannte, 'eine Symphonie für Chor und Orchester' und hieß 'Lobgesang' — erst 3 Symphoniesätze, an welche sich 12 Chor- und Solosätze anschließen; die Worte aus den Psalmen, und eigentlich alle Stücke, Vokal- und Instrumental-, auf die Worte 'Alles, was Odem hat, lobe den Herrn' komponiert; Du verstehst schon, dass erst die Instrumente in ihrer Art loben, und dann der Chor und die einzelnen Stimmen« (Klin gemann,
S. 245).
Nach einer weiteren Aufführung beim Musikfest in Birmingham arbeitete der Komponist das Stück noch einmal um. Die heute bekannte Fassung des Lobgesangs mit drei neuen Nummern (3, 6 und 9) wurde am 3. Dezember 1840 zum ersten Mal aufgeführt. Hier erschien auch erstmals der Titel Symphonie-Kantate. Das Stücke hätte eine größere Wirkung gemacht »als irgend eines meiner neuen Sachen bis jetzt. Die Leute sangen und spielten wie rasend, und ich kann Dir nicht leugnen, daß es einer meiner vergnügtesten Abende war. Sie hatten mir mein Pult mit vielen Kränzen geziert, brachten uns einen langen Tusch vor, und einen längeren nachher, abends um 11 kamen an 60 Männer und sangen Lieder vor unseren Fenstern«, berichtete Mendelssohn (Klin gemann,
S. 255).
Zu Mendelssohns Lebzeiten war der Lobgesang das am häufigsten gespielte Werk des Komponisten. Doch trotz des großen Erfolges begannen bald die Fragen an das Werk, hauptsächlich in Bezug auf die Form.
llfas ist eine Symphonie-Kantate? Das Stück sieht neben einem Symphonieorchester auch einen Chor und mehrere Solisten vor. Der Chorteil des Lobgesangs beruht größtenteils auf Psalmversen, die unter der bestimmten thematischen Zielsetzung des Lobes ausgewählt wurden. Die Vermischung von Buchdruckerfest (Anlass) und Lob-Psalmen verweist auf die bedeutendste Leistung Gutenbergs, nämlich den Druck der 1.282 Seiten starken »Gutenberg-Bibel« in Luthers Übersetzung
(Reiser, S. 49).
Kern des ganzen Werkes ist der Vers »Alles, was Odem
hat, lobe den Herrn!« aus dem Schluss des gesamten Psalters. Außer Psalmversen verwendete Mendelssohn Bartholdy weitere Verse aus dem Alten und Neuen Testament, die Konold als »große, ausgeführte Variation über dieses Motto« (s. in) bezeichnet. Zur Verständlichkeit von Musik gehörte für Mendelssohn Bartholdy, dass sie einerseits
Gefühle und Emotionen ansprach, andererseits aber auch rational nachvollzogen werden konnte. Seine Forderung nach Bestimmtheit in der Musik war keine rein romantische: Der Hörer sollte nicht nur das Unendliche ahnen, sondern er sollte »verstehen«. Aufgrund des im Kantatenteil verwendeten biblischen Textes und der Zusammengehörigkeit von Symphonie- und Kantatenteil zählt der Lobgesang zusammen mit der Reformationssymphonie zur religiösen Symphonik. Dies bedeutet, dass hier nach Elementen mit religiöser Bedeutung gesucht werden muss, wenn die Bedeutung der Instrumentalmusik untersucht werden soll. Einem Komponisten stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, religiöser Instrumentalmusik »Bedeutung« zu verleihen: Er kann auf überlieferte Formen zurückgreifen, die der Hörer sofort identifiziert (beispielsweise Choral, Messformeln), er kann auf Techniken zurückgreifen, die der Hörer mit »Kirche« oder »geistlich« in Verbindung bringt (beispielsweise Kontrapunkt, Palestrina-Stil), oder er kann eine »Aura des Sakralen« schaffen (mit Hilfe von Instrumentation, Satzanlagen, Tempo). Im Lobgesang existiert noch eine weitere Möglichkeit: Verweise auf den vokalen Teil mit biblischem Text. So beginnt der erste Satz mit einem Motto, das in Durchführung und Coda wiederkehrt und den Satz auch beendet. Das Motto trifft den freudigen Charakter, den »Alles, was Odem hat« beinhaltet, genau: Die Linie steigt auf, wirkt kraftvoll-energisch und vorwärtsdrängend durch die Punktierungen, aufgrund der Tempobezeichnung jedoch würdig und nicht zu leicht. Das Motto dient als wichtigstes Bindeglied zwischen dem ersten und dem zweiten Symphoniesatz sowie dem Kantatenteil, und es verleiht dem Symphonieanfang äußerst konkrete Bedeutung. Eine ganz andere Welt entsteht im 3. Satz, Adagio religioso, in dem ein kantables Hauptthema dominiert und der durch viele solistische Passagen geprägt ist. In diesem Satz verzichtete der Komponist auf Trompeten, Posaunen und Pauken. Jenseits des innigen Tonfalls enthält das Adagio religioso jedoch keinen klar erkennbaren Bezug zu geistlicher Musik. Mendelssohn Bartholdy addierte drei Symphoniesätze und eine Kantate wie eine Synthese von hohem und profanem Stil.
Iliirgerstul2 Im Widerstand gegen Napoleon entstand während der Befreiungskriege ein deutsches Nationalgefühl, das die Grenzen der zahlreichen Teilstaaten überschritt. Im Innern Friedrich Wilhelm III. zwar versprochen, aber nie eingeführt. In Zeiten, in denen tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen stattfinden, wird das Einende gesucht. Die Nation, die Gemeinschaft, die im Werden begriffen war, brauchte gemeinsame Werte, Orientierungspunkte. Man erinnerte sich an alte Märchen, Sagen, Literatur, an die Geschichte. Alles, was die kulturelle Identität ausmachte, sollte nun bewahrt und gefördert werden. Kennzeichnend für die 1830er-Jahre war das Errichten von Denkmälern für die »Großen« der Nation: für Gutenberg
(1837 Mainz),
Ar twor k: Magg ie J lc hen ko
gärte es: Das Mitspracherecht einer Volksrepräsentation wurde vom preußischen König
Schiller
(Stuttgart 1839),
Dürer
(Nürnberg 1840),
Goethe
(Frankfurt 1844),
Beethoven und
Mozart. In Leipzig ließ Mendelssohn Bartholdy 1840 ein Denkmal für Johann Sebastian Bach errichten. Ebenso kennzeichnend wie die Denkmäler waren große Gedenkfeste, neben dem Gutenberg-Fest etwa das Gedenken an Luthers 300. Todesjahr 1846. Das Bürgertum feierte sich selber und kultivierte seine Geschichte. Gleichzeitig waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts Musikfeste entstanden. Als das traditionsreichste und wichtigste etablierte sich ab 1817 das Niederrheinische Musikfest. Das Chorwesen entwickelte sich in Deutschland zum »Massenphänomen« (Dahlhaus, 5. 39).
Damit war die Idee der Volksbildung durch die Musik verknüpft.
Aus soziologischen Gründen sprachen die großen Chorwerke ein größeres Publikum an als die Instrumentalmusik. Eventuell kann die Symphonie-Kantate Lobgesang auch als Versuch gewertet werden, der Gattung Symphonie einen größeren Wirkungskreis zu erschließen, in dem sie in den Bereich der Musikfeste integriert wurde. Mendelssohn Bartholdy reagierte mit dem Lobgesang auf die Herausforderungen seiner Zeit: Durch die Verbindung von Instrumentalmusik mit Vokalmusik unter einem Titel stellt der Lobgesang eine »Symphonie« verschiedener ästhetischer Richtungen dar — der geistigen Gebrauchsmusik, geschrieben für die weltlich-geistigen Musikfeste des Bürgertums, und der Instrumentalmusik, Gattung der autonomen Musik schlechthin. Funktion verbindet sich mit Funktionsfreiheit.
Zum
Weiterlesen
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Dahlhaus, Carl: Die Musik des 19. Jahrhunderts, Laaber 2/1980.
••-■....----
Hensel, Sebastian: Die Familie Mendelssohn 1729 — 1847 nach Briefen und Tagebüchern, 2 Bde., 2. durchgesehene Auflage, Berlin 1880.
,..---......---
Klingemann, Karl (Hrsg.): Felix Mendelssohn Bartholdys Briefwechsel mit Legationsrat Karl Klingemann, Essen 1909.
.,---.....»......---
Konold, Wulf: Felix Mendelssohn Bartholdy und seine Zeit, Laaber 1984.
,------............--
Reiser, Salome: Mendelssohns »Lobgesang« und das Problem der Fassungen, in: Meisterwerke — Gefasst!, Beiträge des Leipziger Mendelssohn-Symposiums »Wissenschaft und Praxis« 2005, hg. vom Gewandhaus zu Leipzig und von der Internationalen Mendelssohn-Stiftung e.V., Leipzig 2006.
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Ann-Kathrin Rist
Referendarin, studierte Schulmusik und Französisch in Freiburg und Lyon
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Man diskutiert über Regie in der Oper — momentan vor allen Dingen kontrovers.
Das ist gut so, denn es zeigt, dass die Kunstform Oper lebt! Im heutigen Repertoire dominieren alte Meister wie Mozart und Verdi. Oper bietet derzeit oft eine Wiederkehr des bereits Bekannten und scheint aus der Vergangenheit zu leben. Obwohl die Musik gleich bleibt und die üblichen »Hits« kommen, besteht trotzdem die Gefahr, dass sich das Publikum abwendet, weil es »seine« Meister auf der Bühne nicht mehr wieder erkennt. In diesem Fall empfindet man die Beziehung zwischen Werkinterpretation und den eigenen Erwartungen als erheblich gestört. Deshalb fragen wir Interpreten uns, was wir verbessern können, um das Vertrauen des Publikums wieder zu gewinnen. Denn wir brauchen das Publikum, es geht nicht ohne, sondern nur mit ihm. Wir sollten die Abwendung nicht als Last, sondern als Korrektiv unserer Ideen, als letzte Instanz eines Abends begreifen. Ein heutiges Publikum kennt das Regietheater von Felsenstein und Friedrich, Chereau und Kupfer. Es ist in der Regel nicht unbedarft, sondern vorgebildet und anspruchsvoll. Dem Publikum muss nicht unbedingt gefallen, was wir anbieten. Doch sollte es die Möglichkeit haben, die Qualität der Aufführung erkennen zu können. Unsere Interpretation ist vielleicht nicht Jedermanns Sache, braucht sie auch nicht, wir wollen nicht bestätigen, sondern bewegen. Wie jede Kunst. Früher gab es keine zeitliche Disparität zwischen Werkentstehung und Aufführung. Bei aktuellen Werken stand eine möglichst effektvolle szenische Realisierung der Komposition im Vordergrund, eine Umsetzung eins zu eins. Die Werke wurden oft als unmittelbare künstlerische Reaktion auf die Aktion des Lebens gelesen, lebendig, aktuell und allein schon dadurch höchst unterhaltend. Diese zeitliche Einheit von Werk, Zuschauer und Entstehungsumständen gibt es heute nur noch bei Neukompositionen. Dagegen besteht die Einheit zwischen allgemein menschlichen Handlungen und dem den Zeitgeschehnissen bei alten Werken nicht mehr. Spielen wir heute die alten Meister, stellt sich somit die Frage: »Warum?« Weil uns das allgemein Menschliche darin weit mehr interessiert, als die Zeitumstände. Wie funktioniert der Mensch? Was treibt ihn an?
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Diese grundsätzliche Frage wird in Opern stets in konkreten Geschichten behandelt: Geschichten von Menschen in einer bestimmten Zeit und in einer bestimmten Gesellschaft. Würde heute die damalige Lebensrealität eines Mozart oder eines Verdi (sofern man sie überhaupt erschliessen kann) unverändert auf die Bühne gebracht, so löste das vermutlich einen gegenteiligen Effekt aus. Anstatt die Zuschauer »abzuholen«, indem sie Bezüge zu ihrem eigenen Leben wieder erkennen könnten, würde man eher distanzieren. Denn unsere Realität ist eine völlig andere als die zu Zeiten Mozarts. Um die Stücke am Leben zu halten, müssen wir sie also nach ihrer Gültigkeit für uns heute erneut befragen. Ihre allgemeinmenschlichen Kernaussagen müssen übersetzt werden in eine Aktions- und Bildsprache, die uns heute anspricht oder aufrüttelt. Daher muss man die Stücke immer wieder neu nach ihrer Relevanz für die jeweilige Gegenwart befragen. Alles andere liefe auf einen Museumsbetrieb hinaus, der anstelle des Durchdringens von Stücken das Konservieren pflegte. Begreift man Oper dagegen als eine Kunstform, in der in einem höchst anspruchsvollen und spannenden Prozess der Verlebendigung Altes eine neue Gültigkeit für uns heute erlangt, ist sie nicht nur Unterhaltung auf höchstem Niveau, sondern sie wird zur Kunst für und über uns. Dann erreichen uns ihre Utopien und ihre Katastrophen, sie berühren uns, können sensibilisieren, vielleicht sogar therapieren. Dann zeigt uns Oper unsere ersehnten Momente, ebenso wie sie uns die Konflikte unseres Inneren und unserer Zeit vorführt. Kunst ästhetisiert sie, sie vermittelt sie, wird zu ihrem Medium. Nichts anderes bedeutet Regietheater. Der Begriff ist vielleicht ein wenig unglücklich gewählt, denn er unterschlägt die Rolle der Musik. Immerhin ist Oper die Gattung, in der man stets fragte: »Musik zuerst und dann der Text?« oder »erst der Text, dann die Musik?« Befragen wir Opern nach ihrer Relevanz für den Menschen von heute, sind uns in unserer Übersetzung und Interpretation allerdings Grenzen gesetzt. Diese Grenzen diktiert das Werk. Als zwei wesentliche Regulative sind hier die Partitur und die generelle »Werkidee« zu nennen. Sie geben den Rahmen für die Interpretation vor. Opern sind Musiktheaterwerke. Text interagiert hier mit Musik. Es genügt also nicht, sie wie Theaterstükke zu behandeln. Schliesslich stellt die Partitur bereits eine Interpretation des Librettos dar. Musik psychologisiert die Bühnenfiguren mit ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten, konstruiert Beziehungen und timed szenische Abläufe. Es geht darum, diese musikalische Lesart herauszuarbeiten und nicht bloss das Libretto zu illustrieren. Die Komposition ist das Ergebnis einer Textgenese, die Hauptreferenz für die Regie. Die Werkidee ist die zweite Invariable einer Inszenierung. Sie ist der inhaltliche Kern des Stückes, der Grundkonflikt, die Grundkonstellation der Figuren zueinander. Sie kann nur mit Verlust verändert werden, denn in diesem Fall erzählte man ein anderes Stück. Der Interpret agierte als Erfinder, auf Kosten der Autoren und auf Kosten der Homogenität von Libretto und Partitur. Die Werkidee ist ein konstituierendes Element für die konkrete Realisierung im hier und jetzt. An dieser Stelle muss jeder Regisseur, jede Regisseurin muss eigene Ideen für die heutige Inszenierung aus den Stücken ziehen. So hat jeder eine eigene Lesart von Wagners Ring des Nibelungen.
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Ein Inszenierungskonzept kann dramaturgisch schlüssig sein — das sind vermutlich die meisten — und sich trotzdem in der Theaterpraxis nicht bewähren. Vermutlich ist das im Moment sogar das Hauptproblem. Ein Konzept muss »sich« erzählen und hierfür ist die Arbeit mit den Sängerdarstellern gar nicht zu überschätzen. Der Sängerdarsteller ist der primäre Träger der Handlung. Je gewagter das Konzept, desto genauer müssen die Darsteller in der Lage sein, ihre situative Handlungsmotivation auf der Bühne auszudrücken. Je komplexer ein Inszenierungskonzept ist, desto mehr ist das klassische Regiehandwerk gefordert, etwa die »Personenführung«. Denn verstehen kann man nur, was klar zu erkennen ist. Peter Konwitschny — um einmal ein Beispiel zu nennen — wagt in seinen Interpretationen viel, trotzdem fühlt man sich nicht einem Rätselraten ausgesetzt, denn die Motivation der einzelnen Figuren und die Aussage der Inszenierung als Ganzes ist klar erkennbar. Kann man sich als Zuschauer in eine Beziehung zu dem Werk und der Interpretation setzen, so entsteht eine Kommunikation zwischen Zuschauer, Werk und Interpretation. halten noch intellektuell gefordert. Recht häufig sieht man Inszenierungen, die an unseren Alltag anknüpfen — sei es durch Ikea-Möbel, sei es durch den Berliner SzeneTypus, sei es durch einen Quentin-Tarantino-Stil. Ziel ist es, dem Zuschauer die Figuren plausibler zu machen und dessen Distanz zu den Figuren zu überwinden helfen. Musiktheater kann heute heißen, dass mein Streifenpulli derselbe ist wie der des Hauptdarstellers. Oper ist par excellence die Kunstform des »großen Stils«. Mit einer viel größeren Leichtigkeit als das Kino oder das Sprechtheater öffnet sie sich dem Stilisieren, dem Abstrahieren, dem Nichtrealen, dem Surrealen. Mir als Zuschauer mag das Ungewohnte eine Transferleistung abverlangen — dafür bin ich dankbar. Nutzen wir Regisseure die Unmenge an Möglichkeiten, die uns diese »künstlichste und deswegen wahrste Kunstform« bietet. Peter Sellars hat einmal versucht, das immense Potential, das sie birgt, zu umreißen: »In einem Zeitalter, das mehr und mehr durch das Miteinanderverflochtensein der Dinge gekennzeichnet ist, wird die Oper zum Medium erster Wahl. Als multilinguale, multikulturelle, multimediale, diachronische, dialogische, dialektische und irgendwie trotz allem merkwürdig ergötzliche Kunstform scheint die Oper die Möglichkeit zu bieten, das Simultane, das Konfuse, das bloße Nebeneinander, das bitter Tragische und den puren Schwachsinn dessen zu reproduzieren und zu evozieren, was die Textur der jüngeren Vergangenheit ist.«
Elmar Supp studiert im 9. Semester Schulmusik und arbeitet als Dramaturg und Regieassistent am Institut für Musiktheater Freiburg.
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Findet man dagegen keinen Einstieg, so schaltet man ab, und ist jedenfalls weder unter-
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Seelenkommunikation« Schuberts Lieder und die Ideologie der Unmittelbarkeit Martin Günther
Besonders in seinen Klavierliedern gelingt es Schubert, mit seinen Hörerinnen und Hörern einen gemeinsamen Weg zu gehen, denn hier stiftet bereits der Text Gemeinsamkeiten. »Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus«, heißt es zu Anfang der Winterreise, seines bedeutendsten Liederzyklus. Da fragt man nicht viel, wer sich wohl hinter diesem »Ich« verberge. Wir sind es — Schubert und ich. Richtet sich eine große Sinfonie an alle im Saal, so hat man bei einem Schubert-Lied, das ja ganz aus dem privaten Musizieren hervorgewachsen ist, zu Recht den Eindruck: Ich bin gemeint. Martin Geck Der Raum des Liedes ist affektiv, kaum vergesellschaftet: manchmal, vielleicht, einige Freunde, die der Schubertiaden; sein wahrer Hörraum ist, wenn man so sagen kann, das Innere des Kopfes, meines Kopfes: beim Hören singe ich das Lied mit mir selbst, für mich Roland Barthes selbst. Pep Die Idee eines einfachen, unmittelbaren Zugangs zu den innersten, gewissermaßen authentischen Regionen der Seele, ist ein Topos, der auf besondere Weise mit der Wirkung des Liedes und des Liedhaften überhaupt verknüpft worden ist — sei es in seiner musikalischen oder literarischen Existenzform. Diese Auffassung wird auch zur ästhetischen Basis für das Kunstlied des 19. Jahrhunderts als desse 'Erfinder' in der Regel Franz Schubert gilt. Das Erlebnis einer unmittelbaren Wirkung des gesungenen Liedes auf den Hörer, eines direkten Angesprochenseins, geht auch einher mit der Vorstellung einer intimen Kontaktaufnahme mit Liedsängerin oder Liedsänger, die beim Zuhören gleichsam eine Form der »Seelenkommunikation« mit Dichter, Komponist und Sänger oder sogar ein imaginäres eigenes Singen des Liedes des Hörenden im Sinne eines inneren Dialoges ermöglicht. Diese Vorstellung hat sich indes, wie die oben zitierten Äußerungen aus dem 20. und 21. Jahrhundert veranschaulichen, offenbar dermaßen verselbständigt, dass ihre historischen Bedingungen überhaupt nicht mehr erkennbar sind — die Idee der Unmittelbarkeit selbst scheint das Lied vielmehr aus allen historischen und sozialen
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Kontexten herauszulösen oder besser: es über sie zu erheben. Doch auch diese Idee hat neben ihrer Eingebundenheit in die philosophischen Diskurse seit Mitte des 18. Jahrhunderts einen Platz in der Geschichte des Musikerlebens, denn sie wird letztlich durch die kulturelle Formung der Menschen, die auf eine solche Weise gelernt haben, Lieder zu hören, erst hervorgebracht.
Lied als kulturelle Praxis 4,e,) Bereits im musikalischen Leben des 18. Jahrhunderts entdeckt das Bürgertum die Vokalmusik für sich. Als Gegenpart zur öffentlichen Kunstform der Oper im Sinne eines repräsentativen Spektakels gewinnt besonders das im Hause beim Instrument gesungene Lied immer größere Bedeutung. Auf mentalitätsgeschichtlicher Seite ist dies verbunden mit der Herausbildung einer Gefühlsästhetik, die an Stelle der Inszenierung höfischer Repräsentationsformen eine intime Versenkung in das eigene Seelenleben in den Mittelpunkt rückt. Der soziale Rahmen, in dem diese Lieder erklingen, wird einerseits bestimmt durch das neue Modell der bürgerlichen Familie, zum anderen durch einen Geselligkeitskult, zu dessen Grundlage auch der gemeinsame Kunstgenuss im Zustand eines seelischen Gleichklanges gehörte. Orte dieser neuen Kunst sind sowohl der intimere häusliche Bereich, wie auch der private, der Öffentlichkeit nur eingeschränkt zugängliche Salon, ihr Adressat insbesondere der Kreis des mittelständischen Bürgertums. Die Soziologie lokalisiert hier in einer neu entdeckten Innerlichkeit die Basis für die Konstitution einer spezifisch bürgerlichen Subjektivität, die sich ein von allen gesellschaftlichen Bezügen scheinbar abgelöstes Humanitätsideal gleichsam selbst konstruiert. Dies bildet auch den Hintergrund für ein verändertes Musikerleben: die Musik wird von nun an zu einem machtvollen Kommunikationsmedium, das die in ihrer Zeichenhaftigkeit »mittelbare« Sprache hinter sich lassen und auf unmittelbare Weise Gefühle zum Ausdruck bringen kann. Solche »Unmittelbarkeitsemphase« als Moment einer Geschichte des Musikerlebens bildet den mentalitätsgeschichtlichen Hintergrund der Idee von der Musik als Vermittlerin des Transzendenten im Sinne einer ästhetischen Autonomie wie sie sich um 1800 herauszubilden begann.
Tunrlerharn Die bewusste ästhetische Konstruktion einer Unmittelbarkeit kann schlagartig an der Geschichte des Volksliedes verdeutlicht werden, das im Zuge seiner kulturhistorischen Entdeckung im 19. Jahrhundert in den Status der hohen Kunst erhoben wurde. Prominentes Beispiel dafür ist Achim von Arnims und Clemens Brentanos Anthologie
Des Knaben Wunderhorn, in der die Autoren ältere literarische Quellen verschiedenster Herkunft kompilierten und sie sehr bewusst nach einem ästhetischen Programm des »Unbehauenen« umgestalteten. Das Volkslied verkörpert hier die Idee einer authenti-
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schen »Ur-Substanz«, eines unerschütterlicher Kerns des Wahrhaftigen, der alle Zeiten überdauert. Eine irrationale Komponente des »Phänomens Volkslied« und seiner Wirkungsmacht wird von Arnim gerade als notwendiges Charakteristikum herausgestellt um das Gefühl einer inneren Vertrautheit wachzurufen, die an den Begriff des Authentischen gekoppelt wurde. Die nach Arnims und Brentanos Auffassung in den Volksliedern enthaltene Substantialität sollte letztlich eine in einem umfassenden kulturellen wie politischen Sinne verstandene Vereinheitlichung und Verbindung schaffen. So wird beispielsweise auch die entstandene Kluft zwischen »hoher« und »niederer« Kunst kritisiert und ihr entsprechend der Begriff einer »wahrhaftigen« Kunst entgegengesetzt. Besonders auf den Gebrauch der Stimme, die im artifiziellen (Opern-)Gesang ihrer eigentlichen Funktion als Medium und Ausdruck sozialen Miteinanders enthoben wird, geht Arnim ein.
Mit gro ßer Bravour können wohl diese vortrefflichen Kunstsänger ihren Kram ausschreien und ausstöhnen, man versuche sie nur nicht mit einem Volksliede, da verfliegt das Unechte. [...] Wollt ihr Sänger uns mit der Instrumentalität eurer Kehle durch Himmel und Hölle ängstigen, denkt doch daran, dass dicht vor euch ein großes physikalisches Kabinett von geraden und krummen hölzernen und blechernen Röhren und Instrumenten steht, die alle einen höheren, dauerndern, wechselndern Ton geben als ihr, dass aber das Abbild des höchsten Lebens oder das höchste Leben selbst, Sinn und Wort vom Ton menschlich getragen auch einzig nur aus dem Munde des Menschen sich offenbaren könne. Achim von Arnim Der virtuose Kunstgesang wird in Arnims Sinne als unnatürliches Wetteifern mit den Instrumenten aufgefasst, wodurch Gesang und Stimme gewissermaßen eine Entseelung erfahren. Arnim spricht hier im Gegenentwurf einen Begriff des Singens an, der gewissermaßen den von aller Physikalität losgelösten höchsten Grad menschlicher Expression bezeichnen soll und von Instrumenten in diesem Sinne nie erreicht werden kann. Die Musik und das Singen im engeren Sinne soll in seiner Idealvorstellung ein Kommunikationsmedium sein, das persönlichste, innerste Empfindungen mitteilen kann, um sie im Gleichklang miteinander zu teilen.
»Ein reines Streben für die tunst und ähnliche Gesinnungen« Durch die rasanten Entwicklungen in der Druckindustrie seit Ende des 18. Jahrhunderts wurde gerade das Lied zu einem wichtigen Konsumprodukt. Liedersingen wurde im Sinne einer symbolischen Praxis zu einer Angelegenheit des Bürgertums, das immer mehr die artifizielle Musik für sich zu entdecken und in die mit ihr verbundenen Diskurse einzugreifen begann. Die traditionell gemäßigten Anforderungen, die das Liedersingen und Begleiten in der Praxis stellte und es mit dem amateurhaften Musizieren in Verbindung rückte, sind auf der anderen Seite verbunden mit einem stetig wachsenden Prestige, das diese scheinbar »einfache Gattung« repräsentierte. Es erforderte eine hinreichende Bildung in musikalischer Hinsicht, die Vertrautheit mit den Traditionen und Novitäten
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der deutschen lyrischen Dichtung, sowie vor allem eine kultivierte Sensibilität für die Interaktion dieser beiden Künste. Schuberts Freundeskreis, aber auch das Publikum, das bei weiteren Gelegenheiten in Salons und Theatern seine Lieder hörte, kam aus einer gesellschaftlich höher gelagerten Schicht als der Komponist selbst. Im Wiener Stadtkonvikt kam Schubert in Kontakt mit den gesellschaftlichen Praktiken jener Schicht. Man war mit den Liedern etwa Reichardts und den Balladen Zumsteegs vertraut und es erscheint plausibel anzunehmen, dass und wie Schubert vor diesem Hintergrund, einer Art »Lieder- und Balladenmode« im Konvikt, überhaupt zur Liedkomposition kam. Die meisten von Schuberts Freunden waren junge Männer, die eine Stellung in den Verwaltungsorganen des Staates anstrebten und sich in scheinbarem Widerspruch dazu gleichzeitig in aktiver oder passiver Weise der Kunst als Ort einer utopischen Gegenwelt angesichts der bedrückenden Situation des Metternichschen Regimes widmeten. Wichtig wird hier vor allem der ethische Hintergrund des Geselligkeitsbegriffes. Die Musik entrückte nicht nur in eine »bess're Welt«, ihre sensible und gebildete Zuhörergemeinde bildete auch eine bessere Gesellschaft im moralischen Sinn. Die Musik erhält hier eben jenes Potential der unmittelbaren Kommunikation, die schließlich sogar der Sprache überlegen ist. Sie verbindet nicht nur im empfindsamen Sinne die Herzen, sondern erhebt alle Musizierenden und Hörenden gemeinsam in höhere »Sphären edler Freiheit« wie Schuberts Freund Johann Mayrhofer dichtete. Die Idee von der Freiheit der Kunst markiert aber auch den sozialen Status derjenigen, die mit ihr umgehen und sich durch sie selbst als ,frei' innerhalb gewisser sozial akzeptierter Grenzen entwerfen. Die Schubertianer gehörten zweifelsohne solch einer spezifischen Kennerschaft an und noch 1856 schreibt Joseph von Spaun, dass Schuberts Lieder im Konzertsaal nicht aufführbar seien, da sie eben ein ganz anderes Publikum erfordern, als jenes »welches die Theater und Konzertsäle füllt«. Welches Publikum in idealisierter Form hier gemeint war, zeigt uns Moritz von Schwinds hochberühmte Sepia-Zeichnung Ein Schubertabend bei Ritter von Spaun. Auf dem Bild sieht man einen Kreis von Personen, die allesamt in einem biographischen Kontext zu Schubert standen. Sie sind um einen gemeinsamen Mittelpunkt gruppiert — dieser Mittelpunkt ist aber nicht der Komponist selbst, sondern zum einen das Klavier, an dem er sitzt und zum anderen der Sänger, der Hofopernsänger Johann Michael Vogl, von dem Schubert zum Teil sogar verdeckt wird. Vogl sitzt in der Position eines Souveräns auf einem Stuhl und ist durch Mimik und Gestik quasi als tonangebendes Genie inszeniert. Schwind stellt hier zeichnerisch eigentlich die Musik Schuberts dar, speziell das Lied, repräsentiert durch die mit ihm verbundene Aufführungs- und Rezeptionshaltung bzw. einfacher: die Wirkungen, die es auf alle Beteiligten ausübt. Vogl, dessen Funktion als Medium von Schuberts Komposition durch einen theatralisch in die Ferne gerichteten Blick symbolisiert wird, scheint gleichsam von der Musik in einen anderen Seinszustand erhoben, die Zuhörenden nehmen nur noch an diesem 'Ereignis' teil und einige scheinen sich geradezu in ihr ganz persönliches Kunsterlebnis zurückzuziehen.
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Moritz von Schwind: Ein Schubertabend bei Ritter von Spaun (1860)
Die Atmosphäre der meisten Schubertiaden dürfte aus heutiger Sicht alles andere als »professionell« gewesen sein. Dass man sie üblicherweise etwa mit Trinkrunden und Gesellschaftsspielen kombinierte, gehört zu denjenigen Aspekten, die gern ausgeblendet werden, weil man Schuberts Musik doch lieber übersinnliche Qualitäten zusprechen wollte. Aber gerade die widersprüchlichen Kontexte zwischen denen das Lied als aufgeführte Kunst oszillierte, zeigen, wie sehr auch die Idee des autonomen Kunstwerks, die hier durch eine Aufführungssituation repräsentiert wird, eine gesellschaftliche Funktion einnahm. Der Liedvortrag wird zu einem sozialen Ereignis, das gleichzeitig seinen sozialen Charakter zu verneinen scheint, die Idee eines Komponierens aber auch Vortragens und letztlich Hörens »ohne Kunstgepräng'«, wie es in Beethovens An die ferne Geliebte nach den Versen des dichtenden Mediziners Alois Jeitteles heißt, wird vor diesem Hintergrund letztlich zu einer sehr bewusst kultivierten und damit hochartifiziellen Angelegenheit.
Zum
Weiterlesen
Max Becker: Narkotikum und Utopie. Musik-Konzepte in Empfindsamkeit und Romantik. Kassel etc. 1996 David Gramit: Schuberts Wanderers and the Autonomous Lied, in: Journal of Musicological Research 14 (1995), S. 147 —168 Michael Kohlhäufl: Poetisches Vaterland. Dichtung und politisches Denken im Freundeskreis Franz Schuberts. Kassel etc. 1999 Richard Sennett: Verfall und Ende öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität. Frankfurt a. M., 14 / 2004 Martin Geck: Wenn Papageno für Elise einen Feuervogel fängt. Kleine Geschichte der Musik. Berlin 2006 ..."■...■..---
Roland Barthes: Der romantische Gesang in: Was singt mir, der ich höre, in meinem Körper das Lied? Berlin 1979
,,c0, Martin Günther studierte Musikwissenschaft, Germanistik, Liedgestaltung und Schulmusik an der Universität Hamburg, der Folkwanghochschule Essen und der Musikhochschule Freiburg, wo er seit 2005 mit einer Arbeit zur Aufführungsgeschichte von Schuberts Liedern im 19. Jahrhundert promoviert.
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Deslabin gefallet und gemuht Hampasitiun und. Computer Marcel Fischer stellt Fragen und Orm Finnendahl antwortet
Per Orm Finnendahl, seit 2004 Professor für elektronische Komposition an der Musikhochschule Freiburg, studierte von 1981-1991 Komposition und Musikwissenschaft in Berlin bei Frank Michael Beyer, Gösta Neuwirth, Carl Dahlhaus und Helga de la Motte. 1988/89 bildete er sich am California Institute of the Arts in Los Angeles weiter. Während eines Studienaufenthalts in Stuttgart gab es auch fachliche Kontakte zu Helmut Lachenmann. Finnendahl unterrichtete an der TU Berlin, an der UdK Berlin und an der Folkwang-Hochschule in Essen. Er gewann unter anderem den Kompositionspreis der Landeshauptstadt Stuttgart 1997, den Busopi-Preis der Akademie der Künste Berlin 1999, den Prix Ars Electronica Linz 2001 und den CynetArt Award 2001 in Dresden. Das Interview wurde am 7. Februar 2007 geführt. Orm Finnendahl, wann haben Sie angefangen mit Computern zu arbeiten und warum? Mit »richtigen« Computern im eigentlichen Sinne Mitte der achtziger Jahre. Erste Erfahrungen machte ich ab 1981 zu Beginn meines Studiums. Die TU Berlin hatte dort ein elektronisches Studio, dem ein für damalige Verhältnisse sehr leistungsfähiger Computer der Firma Digital gestiftet worden war. Im Zusammenhang damit wurden Kurse über die Computermusiksprache CMUSIC angeboten. Digitale Audiotechnik war damals eine neue Technik. Doch die praktische Arbeit war eher unbefriedigend, da nur ein Terminal in der TU zur Verfügung stand, das man sich mit mehreren Studenten an zwei Stunden in der Woche teilen musste. Es war zwar interessant zu sehen, wie die Syntax funktioniert; für eine ernsthafte musikalische Arbeit hätte man aber Tage oder Wochen allein am Gerät zur Verfügung haben müssen. Ich hatte den Eindruck, dort nicht so arbeiten zu können, wie es notwendig gewesen wäre, um befriedigende Ergebnisse zu erzielen.
et Welche Ergebnisse wollten Sie mit dem Computer erzielen?
Was waren Ihre Vorstellungen von den Möglichkeiten mit dem Computer im Gegensatz zur elektroakustischen Musik bzw. zur traditionellen Musiknotation?
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Die Ergebnisse, die ich erzielen wollte, könnte ich vielleicht am ehesten damit beschreiben, dass ich mit Hilfe des Computers einen Gegenwartsbezug herstellen wollte. Komponieren ist für mich mehr, als nur Töne zu setzen. Es bedeutet darüber hinaus auch in sehr starkem Maße Auseinandersetzung mit der Welt, mit Gesellschaft, mit Politik etc. Computer sind für mich in stärkerem Maße mit der gegenwärtigen Welt verbunden, als beispielsweise klassische Instrumente, und ich hatte sehr früh den Eindruck, dass Computer unsere Welt sehr stark verändern bzw. unsere soziale Situation sehr stark verändern werden. Wenn ich also als Komponist etwas über unsere heutige Zeit ausdrücken will, so komme ich um den Computer gar nicht herum. Zudem hat mich an Computern sehr fasziniert, dass sie Aufgaben verrichten können, die früher ein Alleinstellungsmerkmal für menschliches Handeln waren, beispielsweise beim Lösen logischer Probleme. Für mich ist eine solche Provokation unseres Selbstverständnisses ein sehr anregender Anlass für künstlerische Auseinandersetzung.
ez, Es war bei Ihnen also letztendlich eine parallele Entwicklung zwischen Musik auf der einen und Computer auf der anderen Seite im Gegensatz zu älteren Komponisten, welche zunächst klassisch ausgebildet waren und erst später mit dem Computer in Berührung kamen 9 Ja. Ich habe mich für elektronische Klänge schon immer sehr interessiert. Weniger aus intellektuellen Gründen, sondern vielmehr, weil ich einen starken emotionalen Bezug zu ihnen hatte. Als Kind und Jugendlicher hörte ich in den Siebzigern viel Popmusik, Gruppen wie »Emerson, Lake and Palmer« die einen Moog-Synthesizer verwendeten, dessen Klänge ich irrsinnig toll fand und von denen ich nicht genug bekommen konnte. Ich träumte davon, selber so etwas zu machen. Da ich mir zunächst keinen Synthesizer leisten konnte, baute ich elektronische Klangerzeuger aus alten Radios, die ich auf dem Sperrmüll fand. Im Alter von 14 Jahren hatte ich schließlich genug Geld gespart, um mir einen Synthesizer zu kaufen, den ich heiß und innig liebte. Gleichzeitig hatte ich aber auch klassischen Klavierunterricht, so dass bei mir eine parallele Entwicklung stattfand. Zunächst sicher mit einem Übergewicht bei der elektronischen Musik. Dies änderte sich dann aber spätestens in meiner Studienzeit, in der die klassische Musik bzw. die zeitgenössische Instrumentalmusik stärker im Vordergrund standen.
Wenn klassisch geprägte Musiker zum ersten Mal ein digitales oder elektroakustisches Studio sehen, erschrecken sie vielleicht, was sie an Apparaten erblicken und an Kompositionen daraus hören. Bei Ihnen war es demnach umgekehrt. Sie kamen quasi aus einem elektronischen Studio, was teilweise ja selbst gebaut war, und plötzlich kamen Sie richtig mit klassischer Musik in Berührung? Genau. Nach meinem Abitur wollte ich in Berlin Tonmeister und Komposition studieren und plante, experimentelle Popmusik zu machen und Produzent zu werden. Bei allem Respekt war für mich klassische Musik ein historisches, ein vergangenes Phänomen. Je mehr ich während des Studiums durch die Beschäftigung mit klassischer Musik entdeckte, desto grösser wurde mein Respekt und dementsprechend intensivierte sich
die Beschäftigung. Auch wenn ich mittlerweile sicher sehr von klassischer Musik geprägt bin, so habe ich übrigens den Eindruck, dass die ursprüngliche Distanz mir noch immer dabei hilft, eine andere Perspektive einnehmen zu können.
e Wann haben Sie begonnen, mit dem Computer richtig zu arbeiten und wie haben Sie ihn eingesetzt? Ich kaufte mir 1985 einen damals ziemlich teuren »Apple II« Rechner. Im Unterschied zu heutigen PCs war die Rechenleistung für Klangsynthese, also das direkte Ausrechnen elektronischer Klänge, noch viel zu gering. Die Rechenleistung reichte aber, um recht anspruchvolle Berechnungen für die zeitliche, formale oder harmonische Organisation von Musik anzustellen. Ich habe sofort angefangen, programmieren zu üben. So habe ich zum Beispiel kleine Programme zur Berechnung exponentieller Beschleunigungen von Formabschnitten bei gegebener Gesamt-, Mindest- und Maximaldauer geschrieben, oder Suchprogramme für Allintervallreihen oder harmonische Progressionen. Insgesamt stand für mich immer im Vordergrund, den Computer als ein Hilfsmittel einzusetzen, mit dem Dinge entstehen, die in dieser Form anders nicht möglich gewesen wären. Besonders wichtig war mir dabei, dass das Ergebnis nicht zufällig wirkte, sondern der durch die Berechnungen erzielte Zusammenhang sinnlich nachvollziehbar war.
e, Partitursynthese mit Algorithmen, wie Zufallsberechnung oder dergleichen hat Sie dann nie interessiert? Doch schon, das habe ich gemacht und mache es heute immer noch. Für mich fing die Auseinandersetzung mit Partitursynthese Anfang der Neunziger an, als die MIDISteuerung durch Computer möglich wurde. MIDI war zwar schon in den frühen Achtzigern entstanden, wurde aber zunächst hauptsächlich eingesetzt, um Keyboards und mehrere Synthesizer für das Live Spiel zu vernetzen. Nachdem auch die Computer mit MIDI Schnittstellen ausgerüstet waren, war »Max« eines der ersten Programme, mit dem man bezüglich algorithmischer Steuerung richtig gut arbeiten konnte. Es war zwar 1990 am IRCAM (Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique) noch streng unter Verschluss, doch durch die Teilnahme an einem Kurs konnte ich an eine Kopie des Programms gelangen und mich darin einarbeiten. 1993 bin ich zusätzlich auf die Programmiersprache »Lisp« umgestiegen, die ich für viel geeigneter für algorithmische Beschreibungen, als »Max« halte. Vieles in meiner Komposition Fallstudien ist beispielsweise mit Partitursynthese in Lisp erstellt worden. Davor gab es die Kompositionen Renaissourcen in modo francese, in der das Verhältnis von computergenerierten und von Hand geschriebenen Teilen im Zentrum steht. Für Max, habe ich sogar Erweiterungen programmiert, die die Partitursynthese ermöglichen. Eine von diesen Erweiterungen konnten beispielsweise Markov-Ketten in Echtzeit bilden, was ich dann in einer Komposition für Midi-Flügel und Live-Elektronik für die Live-Generierung von harmonisch-melodischen Komplexen, basierend auf dem Spiel des Pianisten einsetzte. Ich habe auch mit Stücken von Josquin und Gesualdo experimentiert und habe Übergangswahrscheinlichkeiten im Tonsatz gefadet und
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gemorpht (Anm.: Morphing ist ein der Klangsyntheseverfahren, bei dem Spektren unterschiedlicher Ausgangsklänge kontinuierlich ineinander überführt werden). Wichtig ist für mich bei der Arbeit mit Partitursynthese immer vor allem das Verhältnis von Wahrnehmung, Idee und Automatisierung durch den Algorithmus. Das (musikalisch) unkommentierte Abspielen automatisch erzeugter Musik interessiert mich in der Regel nicht.
et Es fällt beim Betrachten einiger Ihrer Stücke wie »Fälschung« oder »Rekurs« auf, dass Live-Musiker dabei sind. Das ist bei mir bei Konzertstücken, abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen, immer so.
et Warum nehmen Sie Live-Musiker dazu? Für mich ist ein öffentliches Konzert mit Live-Musikern im Unterschied zum Abspielen einer CD zu Hause in erster Linie ein performativer Akt, d.h. es geht nicht nur um den resultierenden Klang, sondern in starkem Maße auch um die Handlungen, die diesen Klang hervorbringen. Wenn der Musiker handelt, halte ich ein allgemein identifikatorisches Verhältnis zwischen dem Rezipienten und ihm für unvermeidlich. Mit »allgemein identifikatorisch« meine ich, dass der Zuschauer den Interpreten als intentional agierenden Menschen (mit allen seinen Eigenschaften wie Emotionalität, Intelligenz etc.) wahrnimmt und sein Verhalten immer vor diesem Hintergrund interpretiert. Bei der Elektronik ist das ganz anders: Während ein Interpret keinen Klang erzeugen kann, ohne zu handeln (und ohne daß ihm der Zuschauer dabei Intention unterstellt), kann ein Lautsprecher nicht handeln, obwohl er Klänge hervorbringt, die durchaus mit Handlung assoziiert werden können (wie beispielsweise splitterndes Glas). Und wie der Rezipient sich mit dem Interpreten in irgendeiner Form identifizieren muss, kann er sich beim besten Willen nicht mit einem Lautsprecher identifizieren (bzw. ihm irgendeine Intention unterstellen). Damit lässt sich wunderbar spielen, da das klangliche Resultat zwischen einer Live-Aktion des Interpreten und einem Klang aus dem Lautsprecher identisch sein kann, und von dem scheinbaren Widerspruch einer klanglichen Identität und ihrer völlig unterschiedlichen Verarbeitung im Bewusstsein werde ich immer wieder zu Kompositionen angeregt. Eine Reduktion auf den Klang alleine, ohne die direkte Handlung, finde ich in einer Konzertsituation nur selten reizvoll.
e Gottfried Michael Koenig würde Ihnen da sicherlich widersprechen. Er komponiert Stücke ausschließlich für Computer Ich finde es sehr beeindruckend, mit welcher Konsequenz Koenig arbeitet. Mich fasziniert seine große Trockenheit und Nüchternheit, verbunden mit einer ganz uneitlen Haltung, sehr. Es ist allerdings tatsächlich in mancher Hinsicht ein ganz anderes Denken als meins. So habe ich beispielsweise den Eindruck, dass Koenig Ästhetik und technische Umsetzung miteinander identifiziert, was ich nicht tue.
e Also ist ein Computer für Sie im aller einfachsten Sinne nur ein Instrument? Ja natürlich ist er das, aber gleichzeitig ist er mehr als das.
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e, Ich meine eigentlich damit, dass andere Komponisten hingegen den Computer vermenschlichen, unter anderem im Hinblick auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz und den Computer damit vom bloßen Befehlsausführer auf eine höhere Ebene stellen. Ich nutze künstliche Intelligenz ebenfalls, versuche aber gleichzeitig dabei zu zeigen, inwiefern Ergebnisse des Computers nicht wirklich intelligent sind und es auch nicht werden können. Menschliche Intelligenz und die künstliche Intelligenz von Computern sind ungeachtet der verblüffenden und faszinierenden Leistungen von Computern meiner Meinung nach sehr unterschiedliche Dinge und nur in einem kleinen Teilgebiet dessen, was wir Intelligenz nennen, vergleichbar. Ihre Gleichsetzung oder gar die Überschätzung der Computer ist in meinen Augen eine Mischung aus Ignoranz und Dummheit (und nicht weniger fatal, als das Unterschätzen der gesellschaftlichen Auswirkungen, die der Einsatz von Computern hat). Ich glaube, es war Marvin Minsky, der sagte, er wünsche sich, dass eines Tages sein Computer stolz auf ihn ist. Dieser Satz hat nicht nur inhaltlich wenig mit der Realität zu tun, sondern ist vielmehr angesichts der wunderbar paradoxen Pointe gerade ein Beispiel für die hohe menschliche Intelligenz seines Urhebers, die auf einer ganz anderen Ebene liegt, als die künstliche Intelligenz von Computern.
Joel Chadabe arbeitet unter anderem mit künstlicher Intelligenz. Er geht davon aus, dass Computer und Mensch sich gegenseitig im künstlerischen befruchten können. Was befruchtet denn eigentlich den Computer? Er ist doch von Menschenhand programmiert? Möglicherweise handelt es sich um die zugespitzte Formulierung eines ganz normalen Vorgangs bei der Arbeit mit Computern: Man entwickelt Algorithmen, lässt den Computer das Ergebnis errechnen und kommt durch das Ergebnis auf neue Ideen, die zu einer Änderung des Algorithmus führen usw. Ich tue mich aber schwer mit der Metapher der gegenseitigen künstlerischen Befruchtung. Dies würde eine Entsprechung von Computer und Mensch im Hinblick auf künstlerische Arbeit voraussetzen, die ich nicht akzeptiere. Die Wirkung von Kunst entsteht beim Betrachter bzw. Zuhörer durch die Wahrnehmung und deren mehr oder weniger bewusster Reflektion. Dabei ist die Rezeption davon abhängig bzw. davon geleitet, daß der Rezipient dem Verfasser oder Interpreten Intentionalität unterstellt und gleichzeitig ein prinzipiell identifikatorisches Verhältnis zwischen Verfasser/Interpret und Rezipient vorausgesetzt wird. Dies ist ganz analogzu dem, was ich zuvor über eine Konzertaufführung gesagt habe. Wenn beispielsweise eine Gans durch einen Farbtopf und anschließend über ein Blatt Papier läuft, ist das zunächst keine Kunst, da wir der Gans keine künstlerische Absicht unterstellen können. Wenn aber ein Maler eine Gans durch einen Farbtopf und anschließend über ein Blatt Papier laufen lässt, kann es sich bei dem gleichen Ergebnis sehr wohl um Kunst handeln, da wir uns mit dem Maler identifizieren und ihm bei seiner Handlung (die Gans laufen zu lassen), Intention unterstellen können, insbesondere, wenn der Maler diese Aktionen in einem Kontext ausführt, der die Intentionalität verdeutlicht. Ebenso wenig, wie mit einer Gans, kann ich mich mit einem Computer identifizieren und daher fällt es mir schwer, in solch einem Zusammenhang von künstlerischem Handeln zu sprechen. Ich danke Ihnen recht herzlich für dieses Gespräch.
Marcel W. Fischer schloss sein Schulmusikstudium 2007 ab.
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