Stiftspostillchen Winter 2012/13
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Hab Sonne im Herzen, ob’s stürmt oder schneit, ob Himmel voll Wolken, die Erde voll Streit! Hab Sonne im Herzen, dann komme, was mag. Das leuchtet voll Licht dir den dunkelsten Tag! Hab ein Lied auf den Lippen mit fröhlichem Klang, und macht auch des Alltags Gedränge dich bang. —2—
Hab ein Lied auf den Lippen, dann komme, was mag. Das hilft dir verwinden den einsamsten Tag! Hab ein Wort auch für andre in Sorg’ und in Pein und sag, was dich selber so frohgemut läßt sein: Hab ein Lied auf den Lippen, verlier nie den Mut, hab Sonne im Herzen und alles wird gut! Volkslied
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Inhalt
5 Geistlicher Impuls Ulrike Oehler 6 Editorial 9 Das Freiburger Studentenwerk macht mit Zusammenleben der Generationen 10 Reise in die Heimatlosigkeit Die Schulungsreihe »Mit Demenz leben« 13 Seniorenzentrum Gundelfingen Kooperationsvertrag 14 Vom Fliehen und vom Ankommen Elisabeth Galler im Porträt 16 Der Stiftskater stellt sich vor 18 Eine Reise zu unseren Partnern Klausenburg in Siebenbürgen 20 Das Evangelische Stift wächst Pflegeheime Schloss Blumenfeld 22 Stille Säule in Zeiten des Umbruchs Dagmar Rauer im Gespräch 26 Bildung und Kultur Begegnungsstätte 29 Impressum 30 Unterstützen Sie das Evangelische Stift Freiburg
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Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Hebr. 13, 14 — Jahreslosung 2013
Mit großen Schritten gehen wir auf das Jahresende zu und können auf ein ereignisreiches Jahr zurück blicken. Die Jahreslosung von 2012 hat uns durch das Jahr begleitet: »Jesus Christus spricht: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.« So dürfen wir dieses Jahr in Gottes Hände zurücklegen und mit großer Zuver sicht auf das Jahr 2013 zugehen. Die neue Jahres losung führt uns vor Augen, dass wir nur Gäste sind auf dieser Welt und auf die ewige Stadt Gottes zuge hen. Jesus spricht im Johannesevangelium vom Haus Gottes, in dem es viele Wohnungen gibt, und dass er uns den Weg dorthin bereitet. Dort werden wir nicht mehr Gäste sein, sondern »Hausgenossen Gottes«. Dann werde ich die Gegenwart Gottes erleben dürfen und alles Fragen und Klagen hat ein Ende, dann bin ich angekommen. So kann und darf ich Gottes Nähe und Gegenwart erleben, er, der für mich da ist! 1 Du kannst nicht tiefer fallen, als nur in Gottes Hand,
die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt. 2 Es münden alle Pfade durch Schicksal, Schuld und Tod doch ein in Gottes Gnade trotz aller unsrer Not. 3 Wir sind von Gott umgeben auch hier in Raum und Zeit und werden in ihm leben und sein in Ewigkeit. Arno Pötzsch 1941
Ihre Stiftspfarrerin Ulrike Oehler
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Liebe Leserin, lieber Leser, seit über drei Jahren darf ich nun schon die Ge schicke des Evangelischen Stiftes Freiburg steuern, leiten und lenken. Sehr viel ist in dieser Zeit gesche hen, auf das wir mit Freude und Stolz zurückschauen können. Und genauso erwartungsvoll sehen wir nach vorne. Mit dem intergenerativen Wohnen, den kleinen Entdeckern, dem Projekt »Mit Demenz gut leben« und der europäischen Vernetzung in der Altenhilfe sind Projekte entstanden, die auch weit über die Grenzen Freiburgs Beachtung finden. Darüber vergessen wir nicht die professionelle, oft mühsame Arbeit, die in den Häusern mit und an den Bewohnerinnen und Bewohnern geleistet wird. Das ist ja der Schwerpunkt unseres täglichen Denkens und Handelns. Oft wird uns diese Arbeit durch ge setzlich verordnete »Gängeleien« erschwert, so bleibt durch jährlich wachsende Anforderungen an den »Papierkram« immer weniger Zeit für die Men schen, für die wir da sind. Gespannt schauen wir auf neue Gesetze und Verordnungen im Jahr 2013, wie zum Beispiel das Pflegeneuausrichtungsgesetz und das Landesheimgesetz. Die Erweiterung des Evangelischen Stiftes zu ei nem überregionalen Sozialunternehmen bringt uns Stabilität und Sicherheit. Es stellt uns aber auch vor
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neue Herausforderungen, die wir im neu zusammen gestellten Leitungsteam gemeinsam bewältigen. Die hinzu gekommenen Kolleginnen und Kollegen brin gen viele gute Ideen mit und profitieren ebenfalls vom gesamten Unternehmen. Im Jahr 2013 werden uns einige Bauvorhaben be gleiten, die in den letzten Jahren bereits geplant wur den, wie zum Beispiel die Erweiterung der Wohn- und Essbereiche in Gundelfingen, Neubauten in Bretten und Stockach, der Bau einer Tagespflegeeinrichtung in Blumenfeld und die Fortsetzung der Bauplanung in der Hermannstraße. Auch dieses Thema ist gesetz lichen Auflagen geschuldet, da in Pflegeheimen in Baden-Württemberg ab 2019 nur noch Einzelzimmer zugelassen sind. Mit der Lektüre dieses Postillchens wünsche ich Ihnen viel Vergnügen und gute Einblicke in die Arbeit des Stifts.
Herzlichst Ihr
Hartmut von Schöning Vorstand
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Zusammenleben der Generationen
Das Freiburger Studentenwerk macht mit Ein generationenübergreifendes Wohnprojekt im Albert-Ria-Schneider-Haus gibt es schon seit 2010. Es wurde zunächst mit der Evangelischen Hochschule Freiburg als Kooperationspartner realisiert und fand bundesweit große Beachtung. Das Prinzip ist einfach: Studierende bekommen ein Zimmer im Haus und sind etwa fünf Stunden pro Woche für die Senioren da. Dafür erlässt man ihnen einen Teil der Miete. In der Kooperation mit der EH wohnten Studieren de der Religionspädagogik maximal zwei Semester mit den SeniorInnen des Betreuten Wohnens zusam men. Doch die Erfahrungen zeigten, dass sowohl die SeniorInnen als auch die Studierenden sich ein län gerfristiges Zusammenleben wünschten. Auch das Evangelische Stift wollte Studierenden gern die Mög lichkeit geben, länger als zwei Semester im Haus zu wohnen. Gleichzeitig sollen Studierende anderer Fachrichtungen als der Religionspädagogik die Chan ce bekommen, teilzunehmen. Aus diesem Grund beschlossen beide Partner, sich nach neuen Kooperationen umzusehen. Im Studen tenwerk Freiburg hat das Evangelische Stift nun einen neuen Partner gefunden, der diese Vorstellungen in idealer Weise realisieren kann. Sylvia Schmieder —9—
Die Schulungsreihe »Mit Demenz leben«:
Reise in die Heimatlosigkeit Die Powerpoint-Präsentation beginnt mit einem seltsamen Postkartenmotiv. Schneebedeckte Gipfel, dazu die Überschrift »Viele Grüße von der Ostsee«. Vereinzelt hört man Lacher, jemand schüttelt irritiert den Kopf. Eine Irritation, die der Schulungsleiter Winfried Wassong beabsichtigt hat. Die meisten Teilnehmer der Schulung »Mit Demenz leben« im Evangelischen Stift Freiburg kennen »Verrückthei ten« aus ihrem Alltag mit Demenzkranken gut. »Was passiert, wenn ich mich nicht so verhalte, wie die anderen es erwarten?« stellt Wassong zur Eröffnung als Frage in den Raum. Demenzkranke spüren Spannungen in ihrer Um gebung genau, auch wenn sie nicht mehr »angemes sen« reagieren können. Demenz bedeutet, dass die vorher so selbstverständliche Kontinuität aus einem Leben verschwindet. Das Gefühl der Heimatlosigkeit und Entfremdung, des Getrenntseins selbst von na hestehenden Menschen ergreift von ihnen Besitz. Gerade in der Anfangsphase ihrer Erkrankung erle ben sie bewusst, wie früher selbstverständliche Fä higkeiten verlorengehen. Sie sind deshalb sehr ver letzlich und können ihre Würde nicht mehr so selbstbewusst schützen wie Gesunde. Umso abhän giger werden sie von der Atmosphäre, die die Men schen in ihrem Umfeld erzeugen. Unzufriedenheit und Ängste, verdeckte oder offene Aggression um sie herum treffen sie direkt ins Herz. In den Pflegeheimen des Evangelischen Stifts sind 70 bis 80 Prozent der Bewohner(innen) mehr oder weniger dementiell beeinträchtigt. Nicht nur Pflege fachkräfte, alle Mitarbeitenden der verschiedenen Häuser haben immer wieder Berührung mit Erkrank — 10 —
ten. Für die Leitung des Evangelischen Stifts war das ein guter Grund, eine außergewöhnlich breit ange legte Fortbildungsoffensive zu starten: Sämtliche Mitarbeitende, vom Computerspezialisten über die Cafeteria-Bedienung bis zum Technischen Dienst, sollen durch einen Basiskurs Unterstützung im Um gang mit Demenzkranken erhalten. Auch die Ange hörigen und Ehrenamtlichen bekommen die Chance, an der Qualifikation teilzunehmen. Die Schulungen sollen aber nicht zuletzt auch den Bewohnerinnen und Bewohnern zu Gute kommen, die von einer ent spannten Atmosphäre profitieren – und das nicht nur, wenn sie selbst dementiell erkrankt sind. Eine bunt gemischte Teilnehmerschar hat sich deshalb in der Kapelle des Stifts zusammengefun den. Die Kunsttherapeutin sitzt neben dem Maler meister vom Technischen Dienst, der Herr aus der Verwaltung neben der Pflegefachkraft. Aber auch die Leitungsebene des Stifts hat sich verpflichtet, teilzunehmen. Der Schulungsleiter geht es systema tisch an. Er zeigt Bilder des Gehirns eines Alzheimer — 11 —
kranken, erläutert, wie wichtig eine fundierte Diag nose ist. Aus den Basisinformationen ergibt sich das Ziel der Begleitung eines Demenzkranken wie von selbst: das Selbstwertgefühl und die Sicherheit so weit wie möglich zu erhalten oder wiederherzustel len und ein »Netz von Vertrautheit« zu knüpfen. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Was kann man ganz konkret tun? »Wesentlich ist, den Men schen mit Demenz in den Mittelpunkt des Tuns zu stellen«, erklärt Wassong. Das bedeutet: Ihn be wusst wahrzunehmen, sich auf ihn zu konzentrieren. Das tun wir, indem wir mit dem Gegenüber in Augen kontakt treten, uns mit ihm auf Augenhöhe in Ver bindung setzen. Ebenso wichtig ist die wertschät zende Ansprache mit dem Nachnamen, nicht anders, als man das bei einem »Gesunden« tun würde. Freundschaftliche Berührungen können wirkungs voll das Eis brechen, zum Beispiel am Oberarm, an den Schultern oder am Handrücken. Auch das ge meinsame Spiel, das Feiern von Festen oder kreative Tätigkeiten wie Tanzen, Malen, Musik hören stellen Verbundenheit her. Bei all dem ist es wichtig, den Menschen mit Demenz nicht immer nur die passive Rolle spielen zu lassen, ihn auch »geben zu lassen«. Doch Demenz ist und bleibt mitunter anstrengend – für alle Beteiligten. Gewalt und Zwang sind im Alltag mit Demenzkranken nicht umsonst immer wieder heiße Themen. Auch wer es gut meint, kann diese Gewalt ausüben, stellt Wassong klar. Erich Fried hat es klarsichtig auf den Punkt gebracht: »Die Gewalt fängt nicht an, wenn einer einen erwürgt. Sie fängt an, wenn einer sagt: Ich liebe dich. Du gehörst mir. Die Gewalt fängt nicht an, wenn Kranke getötet wer den. Sie fängt an, wenn einer sagt: Du bist krank. Du musst tun, was ich dir sage.« Sylvia Schmieder — 12 —
Seniorenzentrum
Kooperation für Gundelfingen Dr. Reinhard Bentler, Bürgermeister von Gundel fingen, sprach von einer Herzensangelegenheit: »Ich bin froh, dass dieser Schulterschluss für die Zukunft gesichert ist«. Am 11. September haben das Evange lische Stift und die Kirchliche Sozialstation Nörd licher Breisgau einen Kooperationsvertrag abge schlossen, der die bisherige Partnerschaft fortsetzen und neue Perspektiven entwickeln soll. Gemeinsa mes Ziel ist es, die Versorgungsangebote in Gundel fingen langfristig zu sichern. Der demografische Wandel schafft völlig neue Rahmenbedingungen. Die Zahl der Bürgerinnen und Bürger aus Gundelfingen, die auf professionelle Hilfe angewiesen sind, wird sich von 2010 auf 2030 nahezu verdoppeln. Auch sonst stehen Veränderun gen an: »Ambulante und stationäre Pflege werden sich immer mehr annähern«, sagte der Vorstand des Evangelischen Stifts Hartmut von Schöning bei der feierlichen Vertragsunterzeichnung. Verschiedenste neue Wohn- und Pflegeformen seien denkbar. Schon seit Gründung des Seniorenzentrums Gun delfingen ist die Kirchliche Sozialstation in den Räu men des Evangelischen Stifts beheimatet. Sie hat von Beginn an die Pflege im Betreuten Wohnen über nommen. Im Vordergrund soll auch künftig die indi viduelle, familiär geprägte Betreuung und Pflege stehen. Sylvia Schmieder
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Das Porträt
Vom Fliehen und vom Ankommen Ihr Leben zu erzählen, ist für Elisabeth Galler zweitrangig. Die 86jährige hat wesentlichere Gedan ken im Kopf, und kaum dass wir in ihrem gemütlichaltmodischen Appartement im Haus Gottestreue zusammen sitzen, begeistert sie sich schon für die Frage nach dem Sinn des Lebens wie eine junge Philosophiestudentin. Die fröhlichen Augen und die wache Stimme zeigen keine Ermüdungserscheinun gen, auch sonst wirkt sie sehr vital. »Der Mensch kennt sich selbst so wenig«, sagt sie. Und dass es wichtig sei, von der äußeren, materiellen Hülle ab zusehen und nach innen zu schauen. »Das wahre Leben finden wir in der bewussten, geistigen Emp findung. Es ist pure Energie.« Die Frau, die da so klar und sorgfältig formuliert, ist in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsen. 1926 in einem kleinen Dorf in Ostpreußen geboren, musste sie sich früh an Armut und den Kampf ums Überleben gewöhnen. Der Vater war Arbeiter und starb, als sie fünf Jahre alt war. Die Mutter ernährte sie und ihre ältere Schwester mit einer winzigen Rente und harter Arbeit. Schon mit neun Jahren wurde Elisabeth Vollwaise. Wie damals auf dem Land üblich, kam sie als Ar beitskraft zu einem Bauern. Dort wurde sie geschla gen und musste vor und nach der Schule täglich viele Stunden arbeiten. Noch heute leidet sie als Folge dieser Jugend unter einem Lungenschaden. Geborgen fühlte sie sich nur auf dem Feld und im Garten, die Hoftiere wurden zu ihren Vertrauten: »Der Hund war immer da, wo ich war.« Bis heute sind Tiere und die Gartenarbeit für sie ein wichtiger Quell der Freude. — 14 —
Harte Kindheit, fröhliche Augen: Elisabeth Galler ist eine hellwache Gesprächspartnerin. Mit 17 lief sie weg und wurde von einem Vormund bei einem anderen Bauern untergebracht, bis sie 1945 vor den Russen fliehen mussten. Sie landete in der DDR, wo sie es nicht lange aushielt und schwarz über die Grenze in den Westen flüchtete. Dort fand sie bei einem Onkel ihre ältere Schwester wieder. In Stuttgart und Esslingen ließ sie sich zur Kranken pflegerin ausbilden. Als die Schwester nach England heiratete, folgte sie ihr und arbeitete dort als Kran kenschwester. Doch es zog sie nach Deutschland zurück, wo sie eine zweite Ausbildung zur Masseu rin und Krankengymnastin machte. Mit 33 Jahren kam sie schließlich nach Freiburg und arbeitete noch 27 Jahre an der Uniklinik. An diesem Wendepunkt ihres Lebens geriet sie in eine tiefe Depression. Immer wieder stellte sie sich die Frage nach dem Sinn und fand Antworten bei christlichen Mystikern, interessierte sich aber auch für andere Religionen und für wissenschaftliche — 15 —
L iteratur. »Der Mensch muss wissen, woher er kommt und wohin er geht.« Schritt für Schritt bildete sie sich ihr eigenes Denk- und Glaubensgebäude. In der Kirchengemeinde fand sie eine hilfreiche Gemein schaft. Aber es kam ihr vor allem auch auf Selbster kenntnis an. »Wenn man einmal angefangen hat, sich selbst zu beobachten, dann weckt man schla fende Hunde. Dann beginnt ein Kampf gegen das innere Gift, das wir alle auch in uns haben. Da muss man manche Schlappe einstecken. Aber ich habe immer Gottes Schutz gespürt.« Vor dem Tod hat sie keine Angst, im Gegenteil – das sagt sie so leicht, dass man es ihr glaubt. In ihrer Freizeit und noch lange nach der Verren tung engagierte sich Elisabeth Galler unentgeltlich für alte Menschen und Behinderte. Sie opferte sich auf und ging dabei manchmal zu weit. Zwei Zusam menbrüche waren die Folge. Seit fünf Jahren lebt sie nun im Evangelischen Stift, wo sie sich sehr wohl fühlt. Sie schreibt Gedichte, überarbeitet sie mit Hilfe eines Betreuers und ist überzeugt: »Diese geis tige Arbeit hat mich jung gehalten.« Ihr Kater Felix, der ihr hier am Anfang noch Gesellschaft leistete, ist zwar gestorben, doch der zugelaufene Kater ist ein charmanter Ersatz. Wie er heißt? »Bei mir heißt er Pussy. Aber jeder hier ruft ihn anders!« Sylvia Schmieder Guten Tag! Möchte mich als neuzugezogener Kater im Evangelischen Stiftspark vorstellen. Ursprünglich hatte ich ein Zuhause, denn ich bin sehr menschen freundlich. Irgendwann fand ich mich am Schloßberg ring. Eine Tierfreundin versorgte mich mit Futter. In ihre Wohnung ging ich aber nicht, denn Menschen können sehr besitzergreifend sein. — 16 —
Eines Tages kamen Menschen mit Baumaschinen, die mir Angst machten, und so suchte ich mir ein neues Revier. Das fand ich um die Ecke im Evangeli schen Stiftspark. Freundliche Menschen versorgten mich gleich mit Futter und kamen mir lieb entgegen, was ich mit meinem ganzen Charme erwiderte. Mei ne frühere Wohltäterin suchte mich und fand mich schließlich hier, sie bringt mir auch das Frühstück. Ansonsten bekomme ich von den Leuten viele Strei cheleinheiten, liege gern in der Sonne und schlafe. Manches Mal fange ich eine Maus – köstlich! Inzwi schen habe ich eine liebe Freundin kennen gelernt, sie bringt mir das Abendessen, und anschließend schmusen wir miteinander. Dann habe ich ein schönes Plätzchen entdeckt: Aus einem Abluftschacht entströmt warme Luft, da liege ich auf dem Rost und genieße die Wärme mit Behagen. Gelegentlich schleiche ich um die Kapelle, um zu hören, was es dort gibt. Da ich hoffe, einmal in den Katzenhimmel zu kommen, ist es gut, seinen Schöpfer kennen zu lernen. Ich bin zufrieden und froh, hier im Stiftspark zu sein! Herrlich ist das Kat zenleben. Elisabeth Galler
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Klausenburg in Siebenbürgen
Eine Reise zu unseren Partnern der Diakonia in Rumänien Warum die weite Reise – werden Sie sich vielleicht fragen? In Klausenburg in Rumänien trafen Herr von Schöning, Vorstand des Evangelischen Stifts, und die Autorin auf neugierige, sehr freundliche, be scheidene und kompetente Menschen. Die Christian Foundation Diakonia bietet vollstationäre Pflege, ein Mehrgenerationenhaus mit Kinderprogramm, ambulante Pflege, ein Palliativ-Care-Programm so wie das Sonderprogramm »Adopt a Granny« (Groß eltern adoptieren). Sie wird sehr engagiert geführt und weiterentwickelt, und wir wurden herzlich will kommen geheißen. An Europa mitzubauen, voneinander zu lernen, und zwar auf Augenhöhe, ist das gegenseitige An liegen. Wir wollen neugierig machen, aber nicht ab werben! Diese Haltung wird »selbstverpflichtend« von beiden Seiten schriftlich festgehalten. Auf leuchtende Augen und viele Fragen und Mit teilungen trafen wir in dem Pflegeheim, das acht zehn Senioren die letzte Heimat bietet. Sie sind auf drei Etagen und ohne Aufzug untergebracht, nur ein Sessellift im Treppenhaus ermöglicht den Transfer in andere Bereiche; ansonsten ist Muskelkraft gefragt. »Kommen Sie aus Deutschland?« fragte eine 87 jäh rige. »Dort lebt meine Tochter, und die Enkelin stu diert in München.« Ihr Stolz und die Freude waren in ihrem Gesicht abzulesen. Für sie waren wir so etwas wie eine Brücke zwischen den beiden Ländern, und sie wollte uns nicht mehr von der Seite weichen. Zu dritt in einem Zimmer – ja, mit ihrer Freundin, die seit 5 Jahren im Pflegeheim wohnt, fühle sie sich sehr — 18 —
Auch das ist Rumänien: Ein Junge in einer der Lehmhütten auf dem »Zigeunerberg«, den wir nicht weit von der Diakonia besuchen durften. wohl… Das erfuhren wir, während die beiden Damen einträchtig auf einem der Betten saßen. Sie können sich vorstellen, dass in diesem Teil von Europa andere Maßstäbe gelten als in unserem durch und durch geregelten Deutschland… Aber weniger glücklich und zufrieden sind die Menschen dort nicht. Es ist schon etwas ganz Besonderes, in einer selbstgebauten Lehmhütte zu stehen, die mit einem zehn Quadratmeter großen Raum fünf bis sieben Personen Heimat bietet und wo, wenn es nicht an ders passt, die Kinder auf den Eltern schlafen. Das erlebten wir auf dem sogenannten »Zigeunerberg« – die Zigeuner, so wurde uns gesagt, möchten mit diesem Begriff bezeichnet werden – ›Roma‹ entsprä che nicht ihrer Lebensart und sei zu vornehm … Dieses und vieles mehr werden Auszubildende aus unseren Einrichtungen dort erfahren. Geplant sind Aufenthalte von drei Wochen für vier junge Menschen. Den jungen Rumänen bieten wir zu glei chen Rahmenbedingungen die Arbeit in unseren Einrichtungen sowie jugendgemäßen kulturellen Austausch an. Im Sommer 2013 soll die Reise für die ersten Auszubildenden beginnen. Wir können viel voneinander lernen – auf Augenhöhe. Deshalb die weite Reise! Birgit H. E.Walkenhorst, Projektleitung — 19 —
Das Evangelische Stift wächst
Die Pflegeheime Schloss Blumenfeld Schon im Jahr 1876 gründeten im Hegau insge samt dreizehn Gemeinden einen Spitalverein, der das zum damaligen Zeitpunkt leer stehende ehe malige Deutschorden-Schloss Blumenfeld kaufte. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Einrichtung zu einem modernen Pflegeheim, dessen Träger die Städte Tengen, Geisingen und Blumberg sind. Heute bieten die Pflegeheime Schloss Blumenfeld in fünf Häusern Platz für 150 Bewohner und Bewoh nerinnen in der vollstationären Pflege, Kurzzeitpfle ge und Tagespflege. Das Evangelische Stift Freiburg ist seit September 2011 über einen Geschäftsbesor gungsvertrag für die Leitung der Pflegeheime zu ständig. Seit Februar 2012 ist Herr Diakon Peter Jöst Heimleiter.
Die Pflegeheime liegen idyllisch eingebettet in die charmante Landschaft des Hegaus. — 20 —
Für das besondere Ambiente sorgt nicht nur die sehr reizvolle Vulkanlandschaft des Hegaus in der Umge bung. Auch die historische Schlossanlage mit dem zum Haus gehörenden Café im Schlosshof ist ein Anziehungspunkt für Heimbewohner, Angehörige und Besucher, für die es gleichzeitig als Begeg nungsstätte dient.
Ein Schloss aus dem 19. Jahrhundert bietet den stilvollen Rahmen für die Pflegeheime in Tengen-Blumenfeld. Der Ortsname »Blumenfeld« inspiriert. Eine ein fache, aber wirkungsvolle Idee erleichtert den Be wohnern, Angehörigen und Besuchern heute die Orientierung: Jeder Wohnbereich hat eine Blume gefunden, mit der sich Bewohner(innen) und Mitarbeiter(innen) identifizieren können (Lavendel, Dahlie, Vergissmeinnicht, Flieder und Haus Sonnen blume). Im Internet finden Sie das Schloss Blumenfeld unter www.pflegeheim-blumenfeld.de — 21 —
Das Interview
Stille Säule in Zeiten des Umbruchs Das Interview ist nicht ganz einfach. Die 1934 geborene Dagmar Rauer hätte allen Grund, ihr Engagement für das Evangelische Stift in den kräftigsten Farben zu malen, doch Selbstdarstellung ist nicht ihre Sache. Barbara Gelbke, die Leiterin der Begegnungsstätte, unterstützt mich. Mit ihr würde Frau Rauer jetzt viel lieber die anstehenden Weihnachtsveranstaltungen besprechen … Zurückhaltend antwortet sie auf unsere Fragen. Frau Rauer, seit wann arbeiten Sie für das Evangelische Stift? Ich bin 1968 mit meinem Mann Fritz nach Freiburg gezogen. Wir kamen beide aus dem Bereich der Ju gendarbeit. Mein Mann hat dann seine Arbeit im Jungenheim des Evangelischen Stifts, dem CarlMez-Heim, begonnen, und dabei habe ich ihn unter stützt. In diesem Heim waren damals viele Postlehr linge untergebracht. Später übernahmen wir das gegenüberliegende Marthaheim, ein Mädchenheim mit einer Altenstation. Das Marthaheim wurde aber schon bald abgerissen, und die Jugendarbeit wurde von der Jugendhilfe Zähringen übernommen. Wie ging es für Sie weiter? Mein Mann übernahm bis zu seiner Pensionierung die Stelle als pädagogischer Leiter der Jugendhilfe. Ich blieb beim Evangelischen Stift in der Altenarbeit. Ich habe eine Fortbildung gemacht und die Leitung des umgebauten Carl-Mez-Heims übernommen. Das Stift war damals eine einzige Baustelle. In den Sieb ziger- und Achtzigerjahren ist es immerzu gewach — 22 —
Dagmar Rauer hat die Geschicke des Evangelischen Stifts über Jahrzehnte begleitet und mitgestaltet.
sen, und ich hatte bald drei Häuser zu führen: die Hausnummern acht, zehn und zwölf an der Her mannstraße. Hat sich seit damals viel verändert? Das kann man sagen. Das fängt bei den Bewoh nern an: Sie kamen nicht erst im hohen Alter, waren noch fitter und haben sich teilweise sehr einge bracht und verantwortlich gefühlt. Da gab es starke Persönlichkeiten, die sich mit dem Stift identifiziert haben. Andererseits hatte man an das Raumange — 23 —
Sie musiziert für ihr Leben gern – und selten allein: Dagmar Rauer.
bot und den Komfort viel niedrigere Ansprüche als heute. Aber auch meine Situation und die meiner Mitarbeiter war etwas anders als heute. Heute müs sen die Heimleitungen und Angestellten eine Fülle von zusätzlichen Aufgaben übernehmen. Damals wie heute ist aber wesentlich, dass die Menschen merken, dass sie angenommen werden, und dass sie sich wohlfühlen. Nachdem Sie in Rente gingen, haben Sie nicht aufgehört, für das Evangelische Stift zu arbeiten – von da an ehrenamtlich. Die Liste ihrer Engagements ist lang: Sie leiten einen Singkreis und eine Sitzgymnastik, begleiten die wöchentliche Singstunde im Haus Schlossberg und manche Gottesdienste, engagieren sich für den Weltgebetstag und helfen bei der — 24 —
Organisation unzähliger Feste und Veranstaltungen. Dann gibt es da noch die »Rentnerband«, eine Gruppe ehemaliger Mitarbeiter, die sich regelmäßig trifft, musiziert, singt, aber sich auch mit wechselnden Themen beschäftigt. Was bedeutet Ihnen die ehrenamtliche Arbeit im Stift? Sie ist so vielfältig und interessant! Sie wohnen seit vielen Jahren gleich gegenüber in einer Wohnung in der Hermannstraße, aber nicht im Stift. Können Sie sich vorstellen, hier einzuziehen? Ich bin natürlich vorsorglich angemeldet, und es wird mir immer einmal wieder ein Appartement an geboten. Aber ich denke dann jedes Mal: »… und wo stelle ich mein Klavier hin?« Das Gespräch führte Sylvia Schmieder — 25 —
Begegnungsstätte
Begegnung · Bildung · Beteiligung · Beratung · Unterhaltung Die Begegnungsstätte im Evangelischen Stift in der Hermannstraße bietet viel Raum und Zeit für Begegnungen ganz verschiedener Art – und das nicht nur für Senioren! Ob Fremdsprachenkurse oder Vorträge, Konzerte oder Bewegungsangebote, Tanz tee oder Waffelbäckerei, hier trifft man sich, kommt ins Gespräch und kann vielfach Kultur erleben. Die große Caféteria ist täglich von 11.30 bis 17.00 Uhr geöffnet. Bei allen Angeboten und Veranstaltungen sind Interessierte und Gäste willkommen. Für Fragen und weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an: Barbara Gelbke, Telefon 0761 – 31913-118, barbara.gelbke@stift-freiburg.de. Das Programm des aktuellen Monats finden Sie auch im Internet unter www.stift-freiburg.de.
11. Januar 2013 Neujahrskonzert in der Hermannstraße
9. März 2013
Kontak Tee
Tag der offenen Tür in der Hermannstraße
»KontakTee« Wir haben nach mehrjähriger Pause den Tanztee in der Cafeteria wieder neu gestartet. Tanzfreudige und auch Zuschauer sind herzlich willkommen!
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Februar bis August 2013
Warten auf Pablo Generationenübergreifendes Tango-Projekt mit dem Theater Freiburg Das Evangelische Stift startet im Februar 2013 in Zusammenarbeit mit dem Theater Freiburg ein au ßergewöhnliches Tanzprojekt. Unter der Leitung der Tänzerinnen Murielle Elizéon und Gabriella Pereira de Fellner werden zehn Senioren und zehn Studen ten über fünf Monate zunächst getrennt und dann gemeinsam die Grundprinzipien des Tangos erler nen und miteinander ins Gespräch kommen. In einer Aufführung präsentieren sie sich schließlich der Öf fentlichkeit. »Warten auf Pablo« soll auch den Begriff »Zeit« und seine unterschiedliche Wahrnehmung in verschiedenen Lebensaltern erfahrbar machen. Der argentinische Tango spielt mit dem Empfinden von Zeit. Seine Lieder thematisieren den Verlauf der Zeit und das Vergehen einer Begegnung. Getanzt wech selt er zwischen Stillstand und Beschleunigung. Das Projekt richtet sich nicht nur an »fitte Alte«, sondern auch an Menschen mit eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten.
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IMPRESSUM ......................... .. .. Herausgeber Evangelisches Stift Freiburg Hermannstraße 10 D-79098 Freiburg Telefon 0761 / 31913 – 0 info@stift-freiburg.de www.stift-freiburg.de .......................... .. . Redaktion Hartmut von Schöning (V.i.S.d.P.), Sylvia Schmieder, Barbara Gelbke, Sandra Prinich, Ulrike Oehler ......................... .. .. Textiles In dieser Ausgabe präsentieren wir Ihnen »Lieblingsstücke« von: Annemarie Badawi-Rausch und Hedwig Specht .......................... .. . Fotografie Stiftsarchiv, Hartmut von Schöning, Marc Doradzillo, Patrik Schulz, Wolfgang Wick .......................... .. . Gestaltung Büro MAGENTA, Freiburg ......................... .. .. Herstellung Furtwängler GmbH, Denzlingen .......................... .. .
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Unterstützen Sie das Evangelische Stift Liebe Leserin, lieber Leser, die Weihnachtszeit ist vielleicht auch für Sie ein Anlass, mit Spenden Gutes zu tun. Wir vom Evan gelischen Stift sind als gemeinnütziger Träger der Altenhilfe auf Ihr Engagement und auf Ihre finanziel le Unterstützung angewiesen. Wir danken deshalb all denen herzlich, die uns im vergangenen Jahr bereits in der einen oder anderen Weise geholfen haben. Jede auch noch so kleine Spende hilft uns bei der Verbesserung der Pflege und Betreuung unserer Bewohner und wird ganz gezielt für Projekte und zusätzliche Angebote verwendet. Evangelisches Stift Freiburg Kontonummer
201 095 7
Bankleitzahl
680 501 01
Bank
Sparkasse Freiburg – Nördlicher Breisgau
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Der »Freundeskreis des Evangelischen Stifts Frei burg e. V.« unterstützt die Interessen und Bedürf nisse der Bewohnerinnen und Bewohner, kulturelle Veranstaltungen sowie die seelsorgerische Betreu ung. Wir bitten um Ihre Unterstützung und laden Sie gerne ein, Mitglied zu werden. Freundeskreis Evangelisches Stift Freiburg e.V. Kontonummer
130 045 81
Bankleitzahl
680 501 01
Bank
Sparkasse Freiburg – Nördlicher Breisgau
Wenn Sie auf dem Einzahlungsbeleg Ihren Namen mit Anschrift vermerken, erhalten Sie eine Spendenbescheinigung. Im Namen des Evangelischen Stifts danke ich Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung!
Hartmut von Schöning Stiftsvorstand
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Hermannstraße 10 D-79098 Freiburg Telefon 0761 / 3 19 13 – 0 www.stift-freiburg.de
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