BIG Business Ausgabe 2/2016

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www.big.at Ausgabe Nr. 20 • Dezember 2016

Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft

Justizzentrum Eisenstadt Das neue Landesgericht und die angeschlossene Haftanstalt stehen für moderne Justizverwaltung.

Mensch gegen Maschine

Hochgerüstete Häuser können mittlerweile vieles von selbst. Nicht immer aber hält der Mensch mit der Technik Schritt.

BIG BUSINESS Nr. 20 • Dezember 2016 • www.big.at


INHALT

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Foto: www.luftbild-redl.at

BIG BUSINESS INHALT

IMPRESSUM

Foto: Fotolia – Inok

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Ereignisse oder Bauvorhaben, die den BIG Konzern in den vergangenen sechs Monaten bewegt haben oder in Zukunft beschäftigen werden. So steht beispielsweise die Errichtung des Med Campus in Graz kurz vor Abschluss. Verläuft alles nach Plan, übersiedeln die ersten Institute im Frühjahr 2017.

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Mensch gegen Maschine

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Grün vor Ärger

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Foto: Fotolia – Smileus

Zeitraffer

Sie erzeugen Energie, reagieren auf das Wetter und messen die Qualität der Raumluft: Hoch technisierte Gebäude gelten als Vorzeigeprojekte. Automatisch glatt läuft es für die Nutzer oft trotzdem nicht. Manchmal kommt es zum Duell.

In dicht verbauten Ballungsräumen sind Pflanzen eine willkommene farbliche Abwechslung zu grauen Betonlandschaften. Verständlich sind daher die Emotionen, wenn es um die Erhaltung oder den Zugang geht.

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Der Umbau eines Hauses bei vollem Betrieb ist die Königsklasse. Wenn es sich dabei auch noch um ein Justizzentrum mit Gericht und Gefängnis handelt, sind die Herausforderungen besonders groß. Mittlerweile kommen viele Besucher sogar freiwillig.

Foto: Hertha Hurnaus

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Foto: Günter Menzl

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Wo der Spuk wohnt

Der Immobilienmarkt basiert auf Fakten. Seitenlange Verträge dokumentieren Eckdaten der Liegenschaften bis ins kleinste Detail. Doch nicht immer sind Tatsachen entscheidend. Stimmt das Bauchgefühl nicht, werden oft auch paranormale Ursachen gesucht. Die Immobilienbewertung der etwas anderen Art.

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Keine Pflanzerei

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Überblick dringend gesucht

Green Building wörtlich genommen: Die BIG setzt bei der Sanierung eines Wiener Gymnasiums auf Begrünung, um auf diesem Weg zusammen mit Experten zukunftsweisende Gebäudekonzepte in innerstädtischen Gebieten zu erforschen.

Wien erlebt in den kommenden Jahren aufgrund des Bevölkerungswachstums die mit Abstand größte Wohnbautätigkeit seit Jahrzehnten. Belastbare Daten zu Historie oder zukünftigem Bedarf gibt es nur bedingt.

IMPRESSUM Ausgabe: Nr. 20/2016 Medieninhaber & Herausgeber: Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Hintere Zollamtsstraße 1, 1030 Wien, T 05 02 44-0, office@big.at, www.big.at Geschäftsführung: Wolfgang Gleissner, Hans-Peter Weiss Chefredaktion: Ernst Eichinger Redaktion: ­Andre Exner, Sabine Gaggl, Elisabeth Kleedorfer, Eduard Platzenteig, Marlene Schloffer, Patricia Stamm Produktion und Artdirektion: Hans Ljung Lektorat: Charlotte Babits Foto, Titelblatt & U4: Hertha Hurnaus Druck: Grasl Druck & Neue Medien GmbH, 2540 Bad Vöslau

Dieses Druckwerk zeichnet sich durch eine nachhaltige und ressourcenschonende Produktion aus und wurde klimaneutral gedruckt. Das Papier dieses Produkts stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern sowie kontrollierten Quellen und ist somit PEFC-zertifiziert. PEFC steht synonym für nachhaltige Waldbewirtschaftung. Die Zertifizierung der gesamten Verarbeitungskette vom Wald bis zum Endprodukt garantiert, dass die Holzherkunft unzweifelhaft nachvollziehbar ist und geprüft wurde. Durch unabhängige, renommierte Zertifizierungsgesellschaften wird sichergestellt, dass die Wälder nach hohen PEFC-Standards bewirtschaftet werden. PEFC-Zertifikationsnummer: HCA-CoC-0249. Klimaneutral drucken bedeutet, die CO2Emission für die Herstellung eines Druckprodukts durch den Erwerb anerkannter Umweltzertifikate auszugleichen.

PEFC zertifziert Das Papier dieses Produktes stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen www.pefc.at


EDITORIAL

Foto: Petra Spiola

Fotos: Suzy Stöckl

Liebe Leserinnen und Leser!

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ie halten die mittlerweile zwanzigste Ausgabe des BIG Business in den Händen. Seit Gründung des Magazins ist viel Zeit vergangen. Wir erlauben uns daher einen kurzen Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre. Der Konzern hat sich laufend weiterentwickelt. Die Umsätze und Ergebnisse sind stark gestiegen. Mit Gründung der ARE Austrian ­Real Estate haben wir das Geschäftsmodell breiter gestaltet. Wir konzentrieren uns nun nicht mehr ausschließlich auf Institutionen des Bundes, sondern sprechen auch vermehrt private Mieter an. So ist es uns beispielsweise vor Kurzem gelungen, das große Beratungsunternehmen Deloitte in Graz als Kunden (S. 20) zu gewinnen. Neben Bildungsbauten, Büro- und Spezialimmobilien errichten wir – oft gemeinsam mit Partnern – zahlreiche Wohnprojekte (S. 58). Viele der Liegenschaften werden aus Gründen der Diversifikation im Bestand gehalten. Über zwei Milli­ arden Euro Investitionen in Universitäten haben dazu geführt, dass die Infrastruktur des tertiären Systems heute international keinen Vergleich scheuen muss. Auch die über 320 Schulstandorte der BIG wurden in der letzten Dekade konsequent modernisiert. Aufgrund all dieser Initiativen entsprechen die 2.119 Gebäude des Portfolios mittlerweile zu weiten Teilen den hohen Ansprüchen der Nutzer. Wir geben uns aber nicht mit dem Erreichten zufrieden, sondern arbeiten auch in Zukunft intensiv an der Optimierung unserer Liegenschaften im Sinne des Unternehmens BIG und damit auch der Gesellschaft.

Hans-Peter Weiss Geschäftsführer BIG Nr. 20 | 2016 | www.big.at

Wolfgang Gleissner Geschäftsführer BIG

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ir haben mit zwanzig Ausgaben des BIG Business versucht, die Entwicklungen des Konzerns bestmöglich zu dokumentieren. Ziel war, die laufende Tätigkeit auf unterhaltsame, möglichst anschauliche Weise interessierten Lesern näherzubringen. Die Reaktionen haben das gesamte Spektrum abgedeckt. Von Lob und Anerkennung der hohen Qualität bis zum Vorwurf der puren Geldverschwendung. Die Geschichte über die Schutzräume in Amts­ gebäuden hat sogar eine parlamentarische Anfrage ausgelöst. In einer Unternehmens­publikation nach journalistischen Kriterien differenziert zu berichten, ist eine ambitionierte Herausforderung. Neben dem BIG-Business-Team gilt dabei besonderer Dank der Geschäftsführung der BIG. Es ist keineswegs selbstverständlich, ein Magazin zu fördern, das sich auch kritisch mit dem eigenen Tun auseinandersetzt. Seitens der Entscheidungsträger braucht es dazu Mut zur Selbstreflexion, eine Prise Humor und Aufgeschlossenheit gegenüber dem Neuen. Kontinuierliche Weiterentwicklung ist aber auch der Grund, warum wir mit BIG Business jetzt voraussichtlich eine Pause einlegen. Denn auch die Medienwelt inklusive ihrer Informations­ kanäle und -mechanismen hat sich drastisch verändert. Daher evaluieren wir alle unsere Kommunikationsinstrumente – da­ runter auch das BIG Business. Sicher ist: Wir berichten auch in Zukunft ausführlich darüber, was wir tun. Denn das sehen wir als unsere Verpflichtung.

Ernst Eichinger Chefredakteur BIG Business

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ZEITRAFFER JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ

Foto: JKU/Atzmüller

LandeshauptmannStellvertreter Thomas Stelzer, JKU-Rektor Meinhard Lukas und BIG Geschäftsführer Hans-Peter Weiss bei der Präsentation des Siegerprojektes.

Neue Ideen für Linzer Uni Campus Weniger Parkplätze – mehr Raum für Sport – Aufstockung der Bibliothek.

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Visualisierung: Riepl Riepl Architekten ZT

Der sogenannte TNF-Turm soll einen Aufbau erhalten, von dem man bis in die Innenstadt sehen kann.

ünktlich zum fünfzigjährigen Bestehen der Johannes Kepler Universität (JKU) wurde die Weiterentwicklung des Campusareals initiiert. Einen von der BIG europaweit ausgelobten Architekturwettbewerb konnte nun das Büro Riepl Riepl Architekten aus Linz für sich entscheiden. Die für die Universität wichtigsten Kriterien waren dabei der Ausbau der Campusidee und die Belebung der großzü-

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gigen Freiflächen. „Der Campus der JKU soll ein vitaler Lebensraum sein“, so der JKU-Rektor Meinhard Lukas. Durch mehrere Bauprojekte soll das Uni-Umfeld für Mitarbeiter und Studierende attraktiver gestaltet und das Universitätsviertel belebt werden. So soll als Entree für das gesamte Universitätsareal die neue „Kepler Hall“ entstehen. Der multifunktionale Bau ist auf der derzeit wenig genutzten, aber sehr zentralen Freifläche zwischen Teich und Besucherparkplatz vorgesehen. Der mit Sicherheit spektakulärste Teil dieses Wettbewerbes ist die Erweiterung der Bibliothek. Für das Gebäude aus den 1980er-Jahren ist eine in den Vorplatz hinausragende Aufstockung geplant, dazu kommen ein Lichthof und eine große Freitreppe. Der Turm der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät soll durch eine „grüne Krone“ erhöht werden. Der offene Aufbau aus Stahlgitter sieht eine teilweise Bepflanzung und eine schwebende Plattform samt Sonnensegel vor. Das Bauwerk wird so zu einem weithin erkennbaren Wahrzeichen und bietet gleichzeitig einen faszinierenden Ausblick. Außerdem sollen großzügige Sport- und Freizeitflächen statt Parkplätzen auf dem Campusareal entstehen. Nr. 20 | 2016 | www.big.at


JOHANNES KEPLER

UNIVERSITÄT LINZ

Visualisierungen: Riepl Riepl Architekten ZT

Durch die Erweiterung der Bibliothek entstehen einerseits neue Lernorte im Inneren und andererseits attraktive Aufenthalts- und Kommunikationsbereiche im Freien.

In der „Kepler Hall“ sollen künftig Veranstaltungen stattfinden.

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ZEITRAFFER

Foto: Med Campus Graz

MED CAMPUS GRAZ

Techniker haben die putzigen jungen Falken bei Arbeiten an der Fassade entdeckt. Mittlerweile sind sie aber schon wieder ausgeflogen.

„Eingenistet“

Die Med Uni Graz ist zwar erst kurz vor Übergabe. Dennoch gab es die erste Zwischennutzung.

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Foto: www.luftbild-redl.at

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ie derzeit größte Unibaustelle des Landes, der Med Campus Graz, hatte seine ersten „offiziellen“, wenn auch nur vorübergehenden Bewohner. Denn heimlich, still und leise hatte sich ein Pärchen Turmfalken eine noch offene Stelle an der Fassade als Nistplatz ausgesucht. Bauarbeiter entdeckten zufällig das Nest mit den vier Nestlingen der unter Naturschutz stehenden Greif­vögel. Umgehend wurden rund um den Brutplatz sämtliche Bau­arbeiten an der Fassade unterbrochen, die zuständige Naturschutzbehörde informiert und Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet, um den kleinen Campusbewohnern ungestört ihr Nesthockerdasein zu ermöglichen. Der weiterlaufende Innenausbau störte die gefiederten Mäusejäger nicht bei der Aufzucht ihrer Jungen. „Die Abstimmung und Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen verlief reibungslos. Das Falkennest wurde bis zum Ausfliegen der Jungen Mitte Juli in Ruhe gelassen“, so BIG Projektmanager Christian Herold. Nebenstehendes Luftbild ist mit dem Ausblick der Falken vergleichbar, die ihre Kreise durch den Luftraum der Stadt und über das riesige Areal der Medizinischen Universität Graz ziehen. Es zeigt eindrücklich die nach den Plänen von Riegler Riewe Architekten ZT nebeneinander­gereihten Bauteile des Moduls 1 und des bereits in Betrieb befind­lichen Zentrums für Wissens- und Technologietransfer in der Medizin (ZWT). Die Lage in direktem Anschluss an das Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum (LKH) Graz bietet zukünftig vielerlei Vorteile. Zurzeit sind Einrichtungen der Med Uni über das ganze Stadtgebiet verteilt, ab Sommer 2017 werden sie alle an einem Standort vereint sein. Auch wird es zum Beispiel ein Rohrpostsystem geben, über das medizinische Proben direkt aus dem LKH in die Labore des Med Campus zur umgehenden Analyse geschickt werden. Die dafür notwendigen Rohrleitungen sind bereits unterirdisch installiert. In einer weiteren Bauphase ist der Gebäudekomplex Modul 2 geplant.

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MED CAMPUS

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GRAZ

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ZEITRAFFER BOKU WIEN

Neubau nach Abbruch

Generationen von Studenten erinnern sich an „ihren“ TÜWI. Jetzt wird er neu errichtet.

ÖH-BOKU-Vorsitzende Katja Schirmer, BOKU-Vizerektorin Andrea Reithmayer, Bezirksvorsteher Adi Tiller, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, BOKU-Rektor Martin Gerzabek, BIG Geschäftsführer Hans-Peter Weiss, Architekt Carlo Baumschlager.

Nach den Plänen von Baumschlager Hutter ZT GmbH werden drei oberirdische Stockwerke und zwei Unter­geschoße errichtet.

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Nachhaltig

Die „Nachhaltigkeitsuniversität“ BOKU erhält ein Gebäude mit ökologisch herausragenden Standards. Das gesamte Haus ist barrierefrei und mit umfassenden Maßnahmen bezüglich Energieeffizienz ausgestattet. So werden unter anderem über eine Wärmepumpe Erdwärme zur Heizung und Kühlung genutzt, Anlagen für Fotovoltaik (Sonnenstrom) und Solarthermie (Sonnenwärme) im Flachdach­ bereich installiert und das Gebäude an die Fernwärme angeschlossen. Für Nachhaltigkeit und gutes Raumklima sorgen die Holzfassade sowie die Fassadenbegrünung im Innenhof und hängende Gärten im Inneren. Darüber hinaus wird mit über 200 Fahrradabstellplätzen die eingeschlagene Mobilitätsstrategie der BOKU weiter ausgebaut. BIG und BOKU streben für den Neubau eine Nachhaltigkeitszertifizierung ÖGNI Platin an.

Visualisierung: Baumschlager Hutter ZT

Zum Zeitpunkt des symbolischen Spatenstichs war die Baugrube bereits über acht Meter tief und mit feinem Sand gefüllt.

Foto: Medienstelle Universität für Bodenkultur Wien

Foto: Christian Müller

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ie Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) ist seit 2005 von 5.600 auf über 13.000 Studierende angewachsen. Dementsprechend ist auch ihr Platzbedarf gestiegen. Daher wird der Campus auf der „Türkenschanze“ um einen Neubau erweitert. Zwar musste mit dem alten „TÜWI“ ein vor allem bei Studenten aufgrund des dort eingemieteten Lokals sehr beliebtes, aber wirtschaftlich nicht sanierungsfähiges Gebäude weichen und wurde über den Sommer abgebrochen. Dafür wird es im zukünftigen „Neuen Türkenwirt“ – neben drei Instituten, dem ersten großen BOKU-Hörsaal für 400 Personen, einer Mineraliensammlung und Lehr- und Lernbereichen – auch Platz für das charakteristische TÜWI-Lokal mit Gastgarten und Hofladen geben. So bleibt die Institution „TÜWI“ be­ stehen.

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BOKU

WIEN

Fotos: Daniel Ulbricht

Liebevolle Restaurationen gekoppelt mit neuen Bauteilen verliehen dem BOKUHauptgebäude einen besonderen Charme.

Verborgene Geheimnisse

Im Gregor-Mendel-Haus wurden Malereien wiederentdeckt und ein altes Uhrwerk gefunden.

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ünktlich zum Start des Wintersemesters war für über 2.500 Studierende und Lehrende der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) die Zeit im Ausweichquartier in der „Alten WU“ vorbei. Sie zogen in die historischen Räumlichkeiten des frisch sanierten Gregor-Mendel-Hauses und des Liebig-Traktes zurück. Die 1896 erbauten, denk­ malgeschützten Gebäude waren von Abnutzungserscheinungen geprägt und nicht barrierefrei erschlossen. So wurden die Hauptgebäude der BOKU unter den strengen Auflagen des Denkmalschutzes umfassend funktionssaniert und modernisiert. Das brachte auch Unerwartetes zutage. An der Außenfassade wurden unter Farbschichten verborgene Malereien und Ornamente entdeckt und originalgetreu wiederhergestellt. Bei den Bauarbeiten kam außerdem ein altes Uhrwerk zutage. Ein originalgetreuer Nachbau der zugehöriNr. 20 | 2016 | www.big.at

gen Uhr befindet sich jetzt an der hofseitigen Fassade des Liebig-Traktes. Insgesamt 655 Fenster wurden getauscht, 25 weitere ­gemäß Denkmalschutz saniert. Im Innenhof entstanden nach den Plänen von Architekt Neumayer ZT eine neue Kantine mit Terrasse und ein modernes Fluchtstiegenhaus mit Evakuierungsaufzug. In das neue Dachgeschoß des ­Liebig-Traktes ist unter anderem das Rektorat eingezogen. ­Weniger sichtbar und trotzdem zentraler Bestandteil der Sanierungsmaßnahmen sind die Erneuerung der Haustechnik sowie die Installation von Brandmelde- und Sicherheitsbeleuchtungsanlagen und die Umsetzung der Barri­ erefreiheit. Wärmedämmungsmaßnahmen sowie die Ausstattung der Lüftungsanlagen im Liebig-Trakt mit einer Wärmerückgewinnung steigern die Energieeffizienz des Gebäudes.

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ZEITRAFFER

Foto: danielwaschnigphotography

ALPEN-ADRIA-UNIVERSITÄT KLAGENFURT

Visualisierung: ARGE AAU balloon – Maurer

Anlässlich eines Baustellenrundgangs mit BIG Geschäftsführer Hans-Peter Weiss und Vizerektor Martin Hitz im Juni zeigte sich Vizekanzler Reinhold Mitterlehner erfreut über die umfangreichen Maßnahmen, die mehr Licht, Transparenz und ein zeitgemäßes Raumgefühl bringen werden.

Frischzellenkur für 70er-Charme Das Hauptgebäude der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt wird funktionssaniert.

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Fotos: Stephan Huger

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n der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt gehören dunkle Räume und Siebzigerjahre-Charme bald der Vergangenheit an. In den kommenden eineinhalb Jahren werden nach den Plänen von ARGE AAU balloon – Maurer die beiden ältesten Gebäude des Campus, der Zentral- und der Nordtrakt, optisch, energetisch und funktionell saniert. Für ein offenes und modernes Flair sorgen das Vordach des Haupteingangs, die Aula, der Empfang sowie die anschließenden Gangbereiche vor den Hörsälen. Der Oman­saal wird zur Aula hin geöffnet, kann jedoch bei Bedarf durch mobile Trennwände vollständig geschlossen werden. Auch die vier Hörsäle im Zentraltrakt werden rundum erneuert. Akustik, Belüftung, Barrierefreiheit und Bestuhlung werden auf den neuesten Stand gebracht, gangseitige Glasflächen und Öffnungen an den Nordwänden sorgen für Licht in den dunklen Hörsälen. Für mehr Tageslicht in den bisher recht düsteren Gängen werden auch in den Seminarräumen und teils Büros gangseitige Glasflächen eingebaut. Die Investitionen für dieses Bauvorhaben betragen rund 26 Millionen Euro.

Teilweise muss man die Räume voll­ kommen entkernen, um sie danach neu aufzubauen.

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MONTANUNIVERSITÄT

LEOBEN

Fotos: Stephan Huger

Nach den Plänen von Scherzer + Valent Architekten gibt die Erneuerung der Fassade und der Fenster dem gesamten Gebäude ein einheitliches Erscheinungsbild.

Erdölzentrum in Leoben

Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft: Montanuni, BIG und OMV sorgen für Infrastruktur.

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ie Montanuniversität Leoben und die OMV wollen in ihrem praxisnahen „Department Petroleum Engineering“ (DPE) auch ausländische Studenten in die Steiermark und an ihre Universität locken. Dabei sollen mehr Platz und eine moderne Lehr- und Lerninfrastruktur helfen. Pünktlich zum 60-jährigen Jubiläum der Studienrichtung hat die BIG die Sanierung und Erweiterung des Rabcewicz-Gebäudes abgeschlossen. Benannt nach dem Tunnelbauprofessor Ladislaus von Rabcewicz, wurde der Ursprungsbau in der 1970er-Jahren errichtet und rund zwanzig Jahre später um eine Halle erweitert. Die Halle wurde im Zuge der Maßnahmen abgebrochen und durch einen dreigeschoßigen Neubau ersetzt. Im verbliebenen Bestand gab es ein umfassendes Sanierungsprojekt. Dabei wurden Räume neu angeordnet, Oberflächen und Elektrotechnik erneuert sowie Barrierefreiheit hergestellt. Besonderes Augenmerk lag auf einer ausgefeilten Technik in den Hörsälen, Seminarräumen und Meisterklassen. So ist es unter anderem möglich, Lehrveranstaltun­ gen per Video zu übertragen. Nr. 20 | 2016 | www.big.at

In den Meisterklassen sind die Studenten aufgrund ausgefallener Technik mit ihren Kommilitonen auf der ganzen Welt vernetzt.

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ZEITRAFFER UNI-BIBLIOTHEK GRAZ

Kupferstich als Untersicht

Aufsehenerregendes Kunstprojekt an der Bibliothek der Karl-Franzens-Universität in Graz.

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nik für Bilder war. Das Motiv wird auf architektonische Dimensionen vergrößert und voraussichtlich mit schwarzer Farbe händisch auf die Untersicht des auskragenden Neubauteils übertragen. Die Verwendung einer Buchillustra­ tion erzeugt den konkreten Bezug auf das Medium Buch, das die Bibliothek archiviert und kata­ logisiert, um es ihren Benutzern zugänglich zu machen. Im Zuge der Sanierung und Erweiterung der Bibli­o­ thek wird der Komplex rund um den denkmalgeschützten Lesesaal völlig neu gestaltet und um einen großen Hör­saal und ein Studenten-Ser­vicecen­ter erweitert. Im Glasaufbau, dessen Untersicht künstlerisch gestaltet wird, sind 200 Lese- und Lernplätze geplant. Bau­ beginn ist Ende dieses Jahres.

Visualisierungen BIG ART Projekt: Anna Artaker auf Basis der Visualisierungen von Atelier Thomas Pucher ZT

Nach den Plänen von Atelier Thomas Pucher ZT entsteht ein Vorplatz als Campus-„Begeg­ nungszentrum“.

eil der demnächst startenden umfassenden Modernisierung der Universitätsbibliothek in Graz ist auch ein Kunstprojekt im Rahmen von BIG ART. Den dafür ausgelobten Kunst- und Bau-Wettbewerb hat die Wiener Künstlerin Anna Artaker mit ihrem Projekt „Perspectiva Practica“ gewonnen. Ausgangspunkt der Arbeit ist eine historische Illustra­ tion zum perspektivischen Zeichnen aus dem Lehrbuch von Jean Dubreuil „Perspectiva practica, oder Vollständige Anleitung zur Perspektiv-Reißkunst“ von 1642. Bei der Vorlage handelt es sich um einen Kupferstich, der seit Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert drei Jahrhunderte lang die fast ausschließlich verwendete Reproduktionstech-

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BIBLIOTHEK MUSIK-UNI

WIEN

Um die Säulen zu entlasten, wurden zusätzlich massive Stahlträger eingezogen.

Foto: BIG

Foto: BIG

Foto: Marcell Nimführ

Geschäftsführer Hans-Peter Weiss (BIG), Rektorin ­Ulrike Sych (mdw), Michael Staudinger (Leiter der Bibliothek, mdw), Architekt Reinhardt ­Gallister im Freihandbereich der neuen Bibliothek bei der Eröffnung.

Aus Sezier- wurde Lesesaal

„Anatomiegebäude“ der ehemaligen Vetmed generalsaniert und durch Zubauten erweitert.

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ie Bibliothek der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) übersiedelt von der Lothringerstraße auf den mdw-Campus am Anton-vonWebern-Platz in Wien-Landstraße. Dafür wurde mit dem „Anatomiegebäude“ der ehemaligen Veterinärmedizinischen Universität (Vetmed) das letzte historische Altgebäude generalsaniert, für die neue Nutzung adaptiert und um zwei Zubauten erweitert. Die mdw hat ihren Hauptstandort seit 20 Jahren auf dem Areal der ehemaligen Veterinärmedizinischen Universität, die heute in Wien-Floridsdorf beheimatet ist. Für die neue Bibliothek wurde in einjähriger Bauzeit der denkmalgeschützte Altbau saniert und erweitert. „Die BIG hat rund 12,9 Millionen Euro in die rund 4.200 Quadrat­ Nr. 20 | 2016 | www.big.at

meter des Bibliotheksgebäudes investiert“, so Geschäftsführer Hans-Peter Weiss anlässlich der Eröffnung. Die beiden ehemaligen Seziersäle im Erdgeschoß des Altgebäudes dienen künftig als Lesesaal der Bibliothek beziehungsweise als Bankett- und Veranstaltungssaal mit Anschluss an Mensa und Terrasse. Die entkernte Struktur des historischen Altbaus im ersten Obergeschoß wurde um eine Stahl-Glas-Konstruktion erweitert, um den gesamten Freihandbereich der Bibliothek in einer Ebene zu organisieren. Im Erdgeschoß unter dieser „schwebenden Büchervitrine“ öffnen sich Foyer und Entlehnstelle zum Grünraum des Campus. Der klimatisierte Bücherspeicher liegt in zwei Untergeschoßen direkt darunter.

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ZEITRAFFER BHAK/BHAS & BG/BRG WELS

Fotos: Fotostudio Nik Fleischmann

Ende des Sommers machten die Bagger die alte Turnhalle dem Erdboden gleich. An ihrer Stelle entsteht der Erweiterungsbau nach den Plänen von Gärtner Neururer ZT.

Schuloffensive in Wels

Bauvorhaben am laufenden Band: In der zweitgrößten Stadt Oberösterreichs wird kräftig in die Bildungsinfrastruktur investiert. Nahezu gleichzeitig folgen Spatenstich und Eröffnung bei Welser Schulen.

Der Spatenstich erfolgte durch: Otto Lang, Direktor BHAK/BHAS Wels 2, BIG Geschäftsführer Wolfgang Gleissner, Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, BIG Aufsichtsratsvorsitzende Christine Marek, Fritz Enzenhofer, amtsführender Präsident des OÖ Landesschulrates, Alois Hochreiner, Direktor BHAK/BHAS Wels 1.

BAUSTART IN DER STELZHAMMERSTRASSE. Bevor an der BHAK/BHAS mit der Errichtung eines 3.300 Quadratmeter großen Zubaus begonnen werden konnte, musste über den Sommer eine in die Jahre gekommene Turnhalle im Hof abgebrochen werden. Die viergeschoßige Erweiterung bietet reichlich Platz für einen großen Mehrzwecksaal, 18 Stammklassen und Räume für betriebswirtschaftliche und natur-

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wissenschaftliche Schwerpunkte. Auch im 8.300 Quadratmeter großen Bestandsgebäude wird saniert. Denn für den moderneren und sicheren Lehrbetrieb der Schule werden Räume umgruppiert und der Brandschutz auf den neuesten Stand gebracht. Insgesamt investiert die BIG in den nächsten zwei Jahren in die Räumlichkeiten der hier beheimateten HAK 1 und HAK 2 rund 8,7 Millionen Euro. Nr. 20 | 2016 | www.big.at


Fotos: Fotostudio Nik Fleischmann

BHAK/BHAS & BG/BRG WELS

MEHR PLATZ UND FARBE IN DER BRUCKNERSTRASSE. Optisch verwandelt, tritt das BG/BRG jetzt in sonnigem Orange auf. Die sanierte Außenhülle bringt nicht nur Farbe in den Schulalltag, sondern wirkt sich auch positiv auf die Energieeffizienz aus. Bei den Bestandstrakten wurde hierfür ein Vollwärmeschutz ergänzt und im Bereich der rund 2.000 Quadratmeter großen Aufstockung vorgehängte Fassaden angebracht. Das gedämmte und begrünte Dach sowie neue Fenster runden die thermische Sanierung ab. Auch im Inneren wurden Räume umgruppiert, die Bereiche für Lehrer, Verwaltung, Bibliothek und der Musiksaal vergrößert und sämtliche Oberflächen, Elektroleitungen, Brandmeldeanlage und Sanitäranlagen erneuert. In etwa drei Jahren Bauzeit investierte die BIG rund 14,6 Millionen Euro. Nr. 20 | 2016 | www.big.at

Das „neue“ BG/BRG: begrünter Innenhof, ein neues Biotop und mehr Platz für Schüler und Lehrer.

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, Elisabeth Kölblinger, Direktorin BG/BRG Brucknerstraße Wels, BIG Geschäftsführer Wolfgang Gleissner.

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ZEITRAFFER BG/BRG ST. PÖLTEN

Mathematik auf dem Sportplatz

Riesiges Ausweichquartier ermöglicht Unterricht am Standort trotz Umbauten im Bestand.

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Fotos: BIG

Foto: mss/Wolfgang Mayer

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, Direktorin Silvia Klimek, BIG Geschäftsführer Wolfgang Gleissner und Bürgermeister Matthias Stadler.

ie rund 70 Bauarbeiter waren von einem spontanen Besuch auf der Baustelle des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums St. Pölten in der Josefstraße ziemlich überrascht: Bildungsministerin Sonja Ham­ merschmid überzeugte sich persönlich, gemeinsam mit dem St. Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler und BIG Geschäftsführer Wolfgang Gleissner, vom Projektfortschritt. Nach dem zügigen Abbruch der Turnhallen waren Bagger gerade dabei, die Baugrube für die neue Sportstätte auszuheben. Gegen Ende dieses Jahres soll der Rohbau der neuen Doppelturnhalle stehen. Neben dem Neubau der Turnhalle werden auch die Schulgebäude selbst umgebaut. Deshalb findet der gesamte Schulbetrieb seit dem laufenden Schuljahr in einem Ersatzquartier statt. Auf dem Sportplatz wurde dafür bereits eine Anlage mit 297 Containern errichtet. Läuft alles nach Plan, siedeln die rund 1.000 Schüler im April 2018 in ihre runderneuerte Schule. Die BIG investiert rund 25 Millionen Euro in das Projekt.

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Visualisierung: PLOV

Die Visualisierung von PLOV Architekten zeigt, wie die Schule nach ihrer Sanierung aussehen wird.

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UNIVERSITÄT FÜR ANGEWANDTE KUNST

WIEN

Fotos: Anna Rauchenberger

BIG Geschäftsführer Hans-Peter Weiss und Rektor Gerald Bast üben eine neue Alternative des Spatenstichs – das Anschremmen!

Die Adresse Vordere Zollamtsstraße 7 liegt nur einen „Steinwurf“ vom Haupthaus der Angewandten entfernt.

Die Angewandte baut aus Visualisierung: Josef Andraschko/Riepl Kaufmann Bammer Architektur

Universitäre Kunst „übernimmt“ ehemaliges Finanzgebäude. Schwanzer-Trakt wird saniert.

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wei große Bauvorhaben an der Universität für angewandte Kunst in Wien sind derzeit in Umsetzung. Denn sowohl Platzbedarf als auch Raumanforderungen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. So hat sich etwa die Zahl der Studierenden seit den 1960erJahren (von 500 auf 1.800) mehr als verdreifacht. Abhilfe schafft das ehemalige Finanzgebäude in der Vorderen Zollamtsstraße 7. Als erster großer Schritt werden derzeit im Inneren zwei nicht denkmalgeschützte Querspangen abgebrochen. Mit dem entstehenden Arkadenhof und dem großen Veranstaltungssaal wird das Gebäude zum neuen Veranstaltungszentrum der Universität. In rund eineinhalb Jahren ziehen dann die Studierenden und Lehrenden der

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Nach den Plänen von Riepl Kaufmann Bammer werden in der Vorderen Zollamtsstraße 7 die „Spangen“ herausgebrochen. Dadurch entstehen zwei belebte Innenhöfe.

bildenden Kunst, der Kunstpädagogik, der wissenschaftlich-­ theoretischen Abteilungen sowie die Universitätsbibliothek ein. Nur wenige Meter vom Erweiterungsbau entfernt wird am Hauptgebäude der Angewandten seit vergangenem Sommer auch der „Schwanzer-Trakt“ saniert. Der denkmalgeschützte Sechzigerjahre-Bau wird bis auf die Grundstruktur abgebrochen. Es entsteht ein modernes, dem Ursprungscharakter gerecht werdendes Gebäude mit flexi­blen Nutzungsmöglichkeiten für Studios, Ateliers, Büros, Werk­ stätten und Seminarräume. Zudem werden Brandschutz und Haustechnik auf einen zeitgemäßen Stand gebracht und Barrierefreiheit so weit als möglich hergestellt.

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ZEITRAFFER JUSTIZGEBÄUDE SALZBURG

Visualisierung: SUE Architekten

Noch ist es schwer vorstellbar, dass der Innenhof des Landesgerichts einmal tatsächlich so aussehen wird, wie es SUE Architekten planen.

Sanierung Landesgericht: Halbzeit Der Zubau im Innenhof des Justizgebäudes Salzburg erreichte die Dachgleiche.

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m Justizgebäude Salzburg bleibt seit Sommer 2015 kein Stein auf dem anderen. Die BIG erweitert, saniert und adap­tiert das 106 Jahre alte Gebäude am Rande der Salzburger Altstadt. Im November 2016 erreichte der rund 7.000 Quadratmeter große Zubau im Innenhof mit der Dachgleiche ­einen wichtigen Meilenstein. Bevor Landesgericht und Staatsanwaltschaft Salzburg aus den Ersatzquartieren wieder zurück in „ihr“ Gebäude siedeln können, wird aber noch viel Wasser die Salzach hinunterfließen. Denn es ist noch ­einiges zu tun. „Als Nächstes beginnen wir im Zubau mit den Vorbereitungen für die Fassadenverglasung. Parallel erfolgt der Einbau von Heizungsinstallationen und Elek­trik. Sobald die Glasfassade eingebaut ist, startet der Innenausbau“, sagt BIG Projektmanager Franz Wechselber-

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ger. Auch im Bestandsgebäude wird auf Hochdruck gearbeitet. Aktuell laufen der Einbau von Installationen und Leitungen sowie Innenputz- und Estricharbeiten. Gleichzeitig sind die Dach- und Fassadenarbeiten im Gange.

Dachcafé für alle

Die Sanierung, Adaptierung und Erweiterung des Justizgebäudes ist mit einem Investitionsvolumen von rund 59 Millionen Euro aktuell das größte Bauprojekt der BIG im Bundesland Salzburg. Die Bauarbeiten haben im Sommer 2015 mit dem Abbruch von drei Bestandstrakten im Innenhof begonnen. Damit ist Platz für den Y-förmigen Neubau von SUE Architekten entstanden. Hier werden künftig der ­Eingang samt Sicherheitsschleuse, das Justiz-Servicecenter Nr. 20 | 2016 | www.big.at


JUSTIZGEBÄUDE

SALZBURG

In den alten Decken, die im Laufe der Jahrzehnte mit unterschiedlichsten Materialien aufgefüllt wurden, mussten Stahlträger zur Verstärkung eingezogen werden.

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Fotos: Andreas Kolarik

und Verhandlungssäle untergebracht sein. Ein Atrium mit Glasdach sorgt für viel Tageslicht und freundliche Atmo­­ sphäre im Bereich der Verhandlungssäle und erleichtert die Orientierung. Großzügig angelegte Holzverkleidungen erzeugen einen positiven Raumeindruck und bringen viel natürliches Licht ins Innere. Neu hinzu kommt auch ein Dachterrassencafé für Mit­ arbeiter und Besucher mit Blick auf die Festung Hohensalzburg. Im denkmalgeschützten Altbestand blieb nur die Hülle optisch unverändert. Innen wurde das Haus vollständig entkernt, Zwischenwände wurden verschoben und Raumhöhen angepasst. Vom Fußboden bis zur Beleuchtung wird nun sukzessive alles erneuert. Die Übergabe an die Justiz ist für Sommer 2018 geplant.

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ZEITRAFFER FORUM DONAUSTADT | ROSENHÖFE

Foto: Delugan Meissl Associated Architects

In Wien-Donaustadt, umgeben von Naherholungsgebieten wie der Alten Donau, der Donauinsel und dem Donaupark, entsteht ein neues Stadtentwicklungsprojekt aus der Feder vom international renommierten Architektenduo Delugan Meissl Associated Architects.

Neues Großprojekt gestartet

Die ARE Development entwickelt gemeinsam mit SIGNA das „Forum Donaustadt“. ■  Nach einem europaweiten Bieterverfahren erging im Sommer 2016 der Zuschlag für den Ankauf des Stadtentwicklungsprojekts „Forum Donaustadt“ in Kagran an ein Joint Venture aus ARE Development und SIGNA. Auf dem rund 15.000 Quadratmeter großen Areal gegenüber der ­Albert-Schultz-Halle und dem „Donauzentrum“ planen die Projektentwickler Wohnungen, Büros, ein Hotel, Gastro­ nomie und Dienstleistungen. Das Investitionsvolumen be-

trägt rund 300 Millionen Euro. „Mit dem Forum Donaustadt entwickeln wir ein neues architektonisches Landmark im Norden Wiens. Das Projekt repräsentiert einen weiteren Schritt zur Umsetzung unserer Wohnbauini­­ tiative“, sagt Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer der ARE Development. Unmittelbar nach Vertragsunterzeichnung startete die Entwurfsplanung. Läuft alles plangemäß, erfolgt der Baubeginn bereits Ende 2017.

Neues Wohnprojekt: Zu Hause in den Rosenhöfen Die ARE Development stellt Anlage in Graz-Geidorf fertig und bietet Elektroautos für Bewohner.

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Foto: Paul Ott

Nur rund 20 Gehminuten trennen die Rosenhöfe von der Grazer Innenstadt.

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■  In rund eineinhalb Jahren Bauzeit errichtete die ARE Development im Grazer Stadtteil Geidorf zwei Wohnhäuser mit insgesamt 53 frei finanzierten Eigentumswohnungen. Aufgrund seiner Lage am Rosenberggürtel trägt das Projekt den blumigen Namen „Rosenhöfe“. Die idyllische Lage nahe zum Grazer Stadtzentrum, großzügige Freiflächen und individuelle Wohnungszuschnitte sorgten für sehr große Nachfrage. „Aktuell sind nur noch drei Wohnungen verfügbar“, berichtet Projektentwickler Günther Reinisch Anfang November. Die Pläne für die „Rosenhöfe“ stammen von Gangoly & Kristiner Architekten aus Graz. Deren Konzept ist stark auf Flexibilität fokussiert. So eignen sich die Wohnungen bestens für Singles, Paare oder Familien. Darüber hinaus stellt die ARE Development den Bewohnern in den ersten vier Jahren kostenlos zwei BMWi3-Elektroautos zur Verfügung. Die Buchungsstatistik belegt, das Angebot wird sehr gut angenommen. „Ob die Leasingverträge nach vier Jahren verlängert werden, entscheiden dann die Eigentümer“, sagt Günther Reinisch. Nr. 20 | 2016 | www.big.at


Fotos: Richard Tanzer

WOHNPROJEKT M2

WIEN

Im Februar 2015 haben Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und ARE Geschäftsführer Wolfgang Gleissner und Hans-Peter Weiss „Spaten gestochen“.

Übergabe der Wohnungsschlüssel Rund 5.800 Wohnungen im Zuge der Wohnbauinitiative in Bau oder projektiert.

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twas mehr als ein Jahr hat es gedauert: Nachdem die Wohnbauinitiative der ARE zu Beginn 2015 anlässlich des symbolischen Spatenstiches in der Wimmergasse vorgestellt wurde, konnten bereits im Sommer 2016 die Wohnungen des Projektes M2 in Wien-Margareten ihren neuen Eigentümern übergeben werden. Bereits vor Fertigstellung waren die 34 Einheiten fast vollständig verkauft. Das Projekt wurde von der ARE Development, der auf Projektentwicklungen spezialisierten Tochter der ARE Austrian Real Estate GmbH, nach Plänen von AllesWirdGut Architektur ZT GmbH, realisiert. Es umfasst zwei Gebäude: die Wimmergasse 17 und die Wimmergasse 21. Im Rahmen der Wohnbauinitiative wurden (Stand Herbst 2016) bis dato 641 Wohnungen fertiggestellt. Rund 5.800 Einheiten sind derzeit in Bau oder projektiert. Nr. 20 | 2016 | www.big.at

ARE Geschäfts­führer Hans-Peter Weiss übergibt Lisa Pichler die Schlüssel zu ­ihrer neuen Eigentumswohnung.

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ZEITRAFFER PAULUSTOR GRAZ

Kindergarten am Paulustor

Neue Mieter wie Deloitte sorgen für Belebung des historischen Gebäudeensembles.

Foto: Robert Frankl

Lange Zeit stand das Paulustor leer. Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren rund 5.000 Quadratmeter Leerstand abgebaut.

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as Grazer „Paulustor“ ist eine historische Portalanlage und verbindet die Innenstadt mit dem Grünraum im Stadtpark. Der gesamte Gebäudekomplex, zu dem auch das ehemalige Palais Wildenstein mit Teilen aus 1607, Teile der Stadtmauer und die „Palmburg“ (1578) gehö-

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Foto: Nina Krok

ARE Geschäfts­führer Hans-Peter Weiss mit Friedrich Möstl und Bernhard ­Pfeiffer, beide ­Partner bei Deloitte Styria (v.l.n.r.).

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ren, sind Teil der historischen Stadtbefestigungsanlage und somit auch UNESCO-Weltkulturerbe. Von der ARE, der auf Büro- und Wohnimmobilien spezialisierten Tochter der BIG, wurden bis zum Sommer die beiden Gebäude Paulus­ torgasse 12 (mit dem eigentlichen „Paulustor“) und 19 saniert. Sie waren aufgrund des langen Leerstandes in äußerst schlechtem Zustand. So mussten beide Objekte trockengelegt werden. Fassade und Fenster wurden nach Bedarf saniert und erneuert. Im Inneren wurden sämtliche Leitungen, Oberflächen und Sanitäranlagen erneuert und mit einem Lift wurde für Barrierefreiheit gesorgt. Seit dem Spätherbst laufen nun auch die Umbau- und Sanierungsarbeiten in der Paulustorgasse 8 und 10. Auch hier wird die Fassade saniert, der Brandschutz auf den neuesten Stand gebracht und ein zusätzlicher Aufzug im Innenhofbereich eingebaut. Im Inneren werden Räume neu angeordnet, Oberflächen, Sanitäranlagen und Leitungen erneuert. Läuft alles nach Plan, sind die Arbeiten bis August 2017 abgeschlossen. Die Mieter der einzelnen Einheiten sind bunt gemischt: vom Grazer Standort des Deloitte-Konzerns über das Bundesministerium für Inneres und den Verein „Naturerlebnispark Graz“ bis hin zu einem Kindergarten von Generationen in Partnerschaft (GiP). Eine nachhaltige Belebung im Zentrum der Stadt. Nr. 20 | 2016 | www.big.at


Fotos: Gisela Erlacher

SALZBURGER HOF

KLAGENFURT

Nach der Sanierung ist das Objekt wieder ein Blickfang in der Klagenfurter Altstadt.

Verjüngungskur für historischen Altbau Ehemalige Finanzlandesdirektion Kärnten wird nach Sanierung als „Salzburger Hof“ neu vermietet.

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ls ehemaliger Sitz der Fürsterzbischöfe Salzburgs blickt das seit 1899 als „Finanzlandesdirektion“ bekannte Gebäude der ARE in der Dr.-HerrmannGasse 3, gegenüber dem Benediktiner Markt im Zentrum der Klagenfurter Altstadt, auf eine lange Geschichte zurück. Um den historischen Amtssitz in ein modernes Bürohaus zu verwandeln, hat die ARE zwischen Oktober 2015 und August 2016 rund zwei Millionen Euro in die Sanierung der Liegenschaft investiert und vermietet das Gebäude nunmehr unter seiner ursprünglichen Bezeichnung „Salz­ burger Hof“. Zu den Bestandsmietern zählen das Bundesfinanzgericht, das im dritten Obergeschoß eingemietet ist, und die Familien- und Jugendgerichtshilfe, die rund 440 Quadratmeter im zweiten Obergeschoß beansprucht. Rund 750 Quadratmeter im ersten und zweiten Obergeschoß sind seit Ende 2015 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vermietet. Die übrigen Büroflächen sowie die Allgemeinbereiche des Hauses wurden unter Berücksich­ tigung der Auflagen des Denkmalamtes liebevoll saniert und adaptiert. Dazu gehörte die Erneuerung sämtlicher Oberflächen und Sanitäreinrichtungen. Ein neues Beleuchtungskonzept erzeugt im ganzen Haus eine einladende ­Atmosphäre. Die sanierte Fassade sorgt für ein attraktives Erscheinungsbild. Darüber hinaus wurde das Gebäude brandschutztechnisch auf den neuesten Stand gebracht und Barrierefreiheit hergestellt. Für die Neuvermietung der Flächen laufen bereits konkrete Verhandlungen mit potenziellen Mietern.

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Die Gewölbe sorgen für besonderes Flair, das nur in einem Altbau spürbar ist.

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ZEITRAFFER

Fotos: Fotostudio Nik Fleischmann

BEZIRKSGERICHT GRIESKIRCHEN

Nicht nur optisch aufgewertet

Neue Oberflächen und funktionelle Erweiterung: Bezirksgericht Grieskirchen nach Sanierung eröffnet.

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as alte Bezirksgericht Grieskirchen ist – zumindest optisch – gefühlt wie neu. Sämtliche Oberflächen wurden saniert, also zum Beispiel neue Böden eingesetzt, Malerarbeiten durchgeführt und Decken abgehängt. Durch den Umbau einer ehemaligen Dienst- und Naturalwohnung beziehungsweise durch die Sanierung des Untergeschoßes entstand zusätzlicher Raum für Büround Archivflächen. Darüber hinaus wurde eine Zutrittsschleuse errichtet, die wesentlich zur Sicherheit im Gebäude beiträgt. Ein neuer Lift und behindertengerechte Sanitäranlagen sorgen für Barrierefreiheit. Zudem hat die ARE die Fassade durch einen neuen Anstrich optisch aufgewertet. Die Freiflächen vor dem Gebäude wurden umgestaltet und die Parkflächen erneuert. Die Gesamtinvestitionen betragen rund 1,5 Millionen Euro. Die Pläne für die Sanierung und Erweiterung des Bezirksgerichtes Grieskirchen stammen von Dornstädter Architekten ZT GmbH aus Traun.

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ARE Geschäftsführer Hans-Peter Weiss, Beatrix ­Ziegler-Ranetbauer, Vorsteherin des Bezirksgerichtes Grieskirchen, Justizminister Wolfgang Brandstetter, Bürgermeisterin Maria Pachner, Johannes Payr­huber-Wolfesberger, ­Präsident des Oberlandesgerichtes Linz, und Bundesrat ­Peter Oberlehner bei der Schlüsselübergabe.

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TRIIIPLE

WIEN

Foto: BIG

Foto: Sabine Hauswirth

Mitte November ist die erste Gebäudehälfte des ehemaligen Hauptzollamtes schon Geschichte. Vom zweiten Gebäudeteil steht nur noch die Grundkonstruktion.

Fliegender Bagger immer„auf Zug“

Schwieriger Abbruch erledigt. Das ehemalige Hauptzollamt hat für mehrere Türme Platz gemacht.

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Mit dem westlichen Turm ganz rechts im Bild wird Ende 2017 zu bauen begonnen.

Visualisierung: ZOOMVP

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as alte Zollamt in Wien-Landstraße ist Geschichte. Seit Juni wurde das Hochhaus Stück für Stück dem Erdboden gleichgemacht. Der Abriss hatte damals mit der alten Kantine und dem großen Parkdeck begonnen. Für das 17-stöckige Gebäude kam im Anschluss schweres Gerät zum Einsatz. Ein 14 Tonnen wiegender Spezialbagger wurde dabei von einem der höchsten Autokräne Österreichs in die Höhe gehoben, um das Objekt abzutragen. Dabei war es von entscheidender Bedeutung, die „fliegende Baumaschine“ mit mindestens neun Tonnen „auf Zug“ zu halten. „Wir müssen immer damit rechnen, dass eine Geschoßdecke durchbricht. Und dann darf der Bagger nicht ins Seil fallen, sonst hätten wir ein gewichtiges Problem“, erklärt der Kranführer. Mittlerweile sind die Abbrucharbeiten erledigt. Insgesamt sind dabei rund 130.000 Tonnen Bauschutt und Eisenabfälle recycelt und ordnungsgemäß entsorgt worden. Der Baubeginn der ersten beiden Türme ist für 2017 geplant. Insgesamt entstehen nach den Plänen des renommierten Architektenteams Henke Schreieck in den drei großen Türmen rund 500 Eigentums-, Miet- und Vorsorgewohnungen auf rund 61.000 Quadratmetern Nutzfläche. Hinzu kommen 12.000 Quadratmeter Büro­ fläche in einem weiteren Bürohochhaus.

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ZEITRAFFER BEZIRKSGERICHT MISTELBACH

Metamorphose abgeschlossen

Die Zusammenlegung der Bezirksgerichte Mistelbach und Laa an der Thaya ist vollzogen.

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Foto: Harald A. Jahn

ls früher jemand gefragt hat, wo denn das Bezirksgericht sei, hat man ihm einfach nur gesagt: ,Such das hässlichste Haus am Hauptplatz!‘“, erzählt Alfred Pohl, Bürgermeister von Mistelbach, sichtlich zufrieden am Rednerpult bei der Eröffnung des neuen Bezirksgerichtes. Und ergänzt: „Diese Zeiten sind vorbei.“ Die Erweiterung und Sanierung erfolgten zwischen Juni 2014 und März 2016 bei laufendem Betrieb. In einer ersten Bauphase wurde ein rund 800 Quadratmeter großer Zubau errichtet, der direkt an das Bestandsgebäude angeschlossen wurde und in dem zusätzliche Büros, ein Besprechungszimmer, ein Sozialraum und Archivflächen untergebracht sind. In einem zweiten Schritt wurde das Bestandsgebäude umfangreich saniert und durch die Ver­ legung des Haupteinganges ein großzügiger neuer Eingangsbereich mit attraktiven Innenhöfen geschaffen, durch den das gesamte Gebäude barrierefrei erschlossen ist. Zusätzlich wurde im Sommer 2016 noch die Fassade erneuert. Die Gerichtsstandorte Mistelbach und Laa an der Thaya wurden im Rahmen der Bezirksgerichtsreform 2013 organisatorisch zusammengelegt. Mit der Fertigstellung des Sanierungs- und Erweiterungsprojekts steht der Justiz nun beste bauliche Infrastruktur für einen modernen Gerichtsbetrieb zur Verfügung. Die ARE hat das ehemalige Gerichtsgebäude in Laa an der Thaya Anfang 2014 verkauft.

Foto: Richard Tanzer

Vom hässlichsten Haus zum Blickfang: das Bezirksgericht Mistelbach.

ARE Geschäftsführer Hans-Peter Weiss, Justizminister Wolfgang Brandstetter und Adolf Wieland, Vorsteher des Bezirksgerichtes Mistelbach.

KU RZ NOT I E RT *** SALZBURG. Seit Sommer 2016 wird das Christian-Doppler-Gymnasium in Salzburg saniert und erweitert. An Stelle einer mittlerweile abgerissenen Turnhalle errichtet die BIG eine rund 4.000 Quadratmeter große neue Dreifachturnhalle. Paral­lel dazu wird das Schulgebäude erweitert und saniert. . *** GRAZ. Die ARE Development brachte über den Sommer in Graz zwei neue Stadtentwicklungsprojekte an den Start. Auf dem soge-

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nannten „Reininghaus-Areal“ sind die Entwicklung eines Schulprojekts sowie frei finanzierter Miet- und Eigen­tums­wohnungen geplant. In der ehemaligen Kirchner-Kaserne entstehen Wohnungen. *** GRAZ. Die Höhere technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt Graz-Gösting wird teilsaniert und erweitert. Der dafür durchgeführte EU-weite, nicht offene Realisierungswettbewerb wurde im Juli 2016 abgeschlossen. Aus zehn Wett-

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bewerbsbeiträgen wählte die Jury das Vorentwurfskonzept von Pfeil Architekten ZT GmbH aus Purkersdorf zum Sieger. *** LIENZ. Ende Oktober begann die BIG mit dem Abbruch des Bundeskonvikts in Lienz. Läuft alles nach Plan, ist das Gebäude bis März 2017 dem Erdboden gleichgemacht. Der­ zeit werden unterschiedlichste Mög­ ­lichkeiten zur künftigen Nutzung evaluiert. Die BIG präferiert die Umsetzung eines Schulprojekts.

*** WIEN. Auf dem Gelände der Universitätszahnklinik in Wien-Alsergrund begann im Herbst 2016 die Sanierung des ehemaligen Klinik­ gebäudes im Umfang von rund 12 Millionen Euro. Das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert steht teilweise unter Denkmalschutz. Daher bleibt der Großteil des Dachbodens erhalten und die verbliebenen Fenster aus der Barockzeit werden aufwendig restauriert. Läuft alles plangemäß, erfolgt die Fertigstellung im Herbst 2017.

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NUSSDORFER STRASSE

WIEN

Fotos : Daniel Ulbricht

Nicht ganz antik: Hinter den Mauern des ehemaligen Finanzamtes ist eine Werbemalerei aus den 1950er-Jahren aufgetaucht.

Scharfe Sache aus alter Zeit

Werbebild bei Abbruch freigelegt. Nun erfolgt ein Neubau mit rund 160 Wohnungen.

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Visualisierung: Architekt Roger Karré ZT GmbH

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eim Abriss des alten Finanzamtes in der Nußdorfer Straße am Alsergrund haben die Bauarbeiter eine ungewöhnliche Entdeckung gemacht: Hinter einer Wand ist eine gut erhaltene Werbung aus den 50er-Jahren aufgetaucht. Lange wird das Bild allerdings nicht mehr zu sehen sein, denn die ARE Development errichtet gemeinsam mit Premium dort ein Wohnprojekt. Seit Herbst laufen die Arbeiten am Hochbau. Im Komplex aus Erdgeschoß, fünf Oberund zwei Dachgeschoßen sind rund 160 Wohnungen zwischen 35 und 110 Qua­ dratmetern geplant. Beinahe alle haben Loggia, Balkon oder Terrasse. Im Erdgeschoß sind Geschäftsflächen, unter anderem ein Supermarkt, untergebracht. Das gesamte Projekt wurde bereits vor dem Baustart an eine Versicherungsgesellschaft verkauft.

Nach den Plänen des Architekturbüros Roger Karré ZT GmbH wird aus dem ehemaligen Finanzamt ein Wohnhaus.

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ZEITRAFFER BEZIRKSGERICHT VÖCKLABRUCK | HLW TÜRNITZ

Aus der Vergangenheit in die Zukunft geholt

Moderne Infrastruktur, mehr Gebäudesicherheit und neue Raumaufteilung im klassischen 70er-Jahre-Bau.

Foto: Harald A. Jahn

Arbeitsinspektorat und Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen sind im ersten beziehungsweise zweiten Obergeschoß des Flachbaus eingemietet.

■  Nicht ganz zwei Jahre hat es gedauert. Erneut wurde ein „klassischer 70er-Jahre-Bau“ in die Gegenwart geholt und zukunftstauglich gemacht. Das Bürogebäude in Vöcklabruck, Ferdinand-Öttl-Straße 12, ist generalsaniert und barrierefrei erschlossen. In dem Objekt sind neben dem Bezirksgericht das Arbeitsinspektorat und das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen eingemietet. Insgesamt hat die ARE rund 6,5 Millionen Euro in die Generalsanierung des gesamten Gebäudes investiert. Aufgrund der Zusammenlegung mit den Bezirksgerichtsstandorten Mondsee und Frankenmarkt in Vöcklabruck waren die Adaptierung der Raumstruktur und die Ausweitung der Flächen für das Bezirksgericht wesent­ licher Bestandteil des Bauprojekts. Nunmehr belegt das Bezirksgericht den gesamten achtstöckigen „Turm“ des Gebäudekomplexes und das Erdgeschoß des Flachbaus. Zudem verfügt das Bezirksgericht jetzt über einen separaten Eingang samt Sicherheitsschleuse an der Stirnseite des ­Gebäudes. Von hier aus gelangen Besucher direkt in das Justiz-Servicecenter, die Einlaufstelle und zu den Verhandlungssälen. Das Bezirksgericht war für die Dauer der Bau­ arbeiten in einem Ersatzquartier der ARE in der Hatschek­ straße 14 untergebracht. Für das frei gewordene Ersatzquartier prüft die ARE nun Nachnutzungsmöglichkeiten.

Erweiterung und Sanierung der Schule in Türnitz

Foto: BIG

Über zwölf Millionen Euro Investitionen für neues Schülerheim und Modernisierung der Liegenschaft.

Die Bodenplatte des Schulzubaus wird betoniert. Zur Bewehrung ist viel Eisen notwendig.

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■  Neben Schülern und Lehrern sind an der Höheren Lehranstalt und Fachschule für wirtschaftliche Berufe in Türnitz auch Bauarbeiter voll im Einsatz. Denn die Schule mit dem Schwerpunkt „Kulturtouristik“ wird nach den Plänen von Kaufmann Wanas Architekten saniert und erweitert. Um Platz für die Neubauten zu haben, wurden die alte Lehrküche und der Internatstrakt bereits abgebrochen. Die Errichtung des neuen, zweigeschoßigen Schülerheims läuft. Der moderne Bau bietet Platz für 14 Schülerdoppelzimmer, ein Erzieherzimmer und einen Aufenthaltsraum. Das Schulgebäude selbst wird umfassend saniert und bekommt einen Zubau. Im neuen dreigeschoßigen Schultrakt befinden sich dann neben sieben Stammklassen und drei Sonderunterrichtsräumen auch eine Lehrküche mit angeschlossener Servierkunde, Speisesaal und Bibliothek. Die BIG investiert insgesamt rund 12,3 Millionen Euro in das Projekt. Der Schulbetrieb findet in einem Ausweichquartier statt. Läuft alles nach Plan, ist das Bauvorhaben nächstes Jahr im Sommer abgeschlossen. Nr. 20 | 2016 | www.big.at


BADEN

Fotos: Richard Tanzer

PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULE

Praxisvolksschule bereits in Betrieb Neugestaltung der Pädagogischen Hochschule Baden vor Fertigstellung.

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ie Sanierung und Erweiterung der PH Baden schreitet zügig voran. Von den drei geplanten Neubauten sind zwei bereits fertiggestellt und haben ihren Betrieb aufgenommen. In der neuen Volksschule rechnen, schreiben und lesen die Schüler bereits eifrig. Verköstigt werden sie und ihre Lehrer anschließend in der neuen Mensa. Während in den Neubauten bereits der Regelbetrieb läuft, wird andernorts noch gebaut. Das Hochschulgebäude – der dritte Neubau – befindet sich aktuell in der Innenausbauphase. Parallel wird die Fassade fertiggestellt. Ebenfalls noch in Bau ist der vierte Teil des von Marte Marte Architekten geplanten PH-Gebäudeensembles: der Sporttrakt. Dieses Bestandsgebäude wurde bis auf seine Tragstruktur rückgebaut und wird jetzt von Grund auf saniert. Läuft alles nach Plan, sind auch diese Gebäude mit dem Wintersemester 2017/2018 fertiggestellt. Dann hat das noch in Betrieb befindliche alte Schulgebäude ausgedient und wird dem Erd­ boden gleichgemacht. Währenddessen startet die Herstellung der neuen Außenanlagen, die bis Ende des Jahres abgeschlossen ist. Die BIG investiert rund 45 Millionen Euro in das Projekt. Nr. 20 | 2016 | www.big.at

Studierende, die sich das theoretische Wissen erarbeiten und …

… in der angeschlossenen Volksschule das erworbene Know-how gleich erproben können.

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ZEITRAFFER BG/BRG KIRCHENGASSE | JUSTIZZENTRUM EISENSTADT

Lücke zwischen Gebäuden geschlossen

Ein neuer Mehrzweckraum verbindet zwei Gebäudetrakte am BG/BRG Graz Kirchengasse. Eingangsbereichs eine neue Bibliothek errichtet. Parallel stockte die BIG den Verwaltungstrakt um zwei Geschoße auf. Dadurch entstanden rund 1.300 Quadratmeter für acht neue Stammklassen, Lehrerarbeits- und Aufenthaltsbe­ reiche. Von hier aus führen verglaste Verbindungsgänge direkt in das zweite beziehungsweise dritte Obergeschoß des Klassentraktes. Die Pläne für das Erweiterungs- und Sanierungsprojekt stammen vom Grazer Architekturbüro Goltnik ZT GmbH.

Fotos: Robert Frankl

■  Effizientere Raumaufteilung, schnellere Verbindungs­ wege und mehr Raum zum Lehren und Lernen stehen den rund 850 Schülern und 85 Lehrern des BG/BRG Graz Kirchengasse nach rund einem Jahr Bauzeit nun zur Verfügung. Die BIG hat zwischen April 2015 und September 2016 das Erdgeschoß zwischen Klassen- und Verwaltungstrakt um einen Zubau für einen modernen Mehrzwecksaal erweitert und damit die bisherige „Lücke“ zwischen den beiden Gebäuden geschlossen. Zudem wurde im Innenhof des

Großzügig verglaste Verbindungsgänge sorgen für kurze Wege zwischen den Gebäudetrakten. Beinahe fluchtartig strömen die Schüler nach Unterrichtsende aus dem Gebäude. Für den Ernstfall gibt es nun ein zusätzliches, außen liegendes Fluchtstiegenhaus am aufgestockten Verwaltungstrakt.

Hoheitliches Relikt auf Plakette verewigt

Justizzentrum Eisenstadt feierlich eröffnet. Vor Sanierung abgenommener Bundesadler an Justiz übergeben. ■  „Wir haben es geschafft“, erzählt ein nach sechs Jahren Bauzeit sichtlich erleichterter Präsident des Landesgerichts Karl Mitterhöfer anlässlich der feierlichen Eröffnung des Justizzentrums Eisenstadt. Günter Wolf, Leiter der Justiz­ anstalt, ergänzt: „Kein Ausbruch, keine Unruhen.“ Nach der Sanierung und Erweiterung bei vollem Betrieb hat sich das Flächenangebot verdoppelt (siehe Geschichte S. 42).

Foto: BIG

BIG Geschäftsführer Hans-Peter Weiss, Justizminister Wolfgang Brandstetter, Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl und Landesgerichtspräsident Karl Mitterhöfer mit dem Bundesadler, der seit 1968 an dem alten Justizgebäude angebracht war.

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GUMPENSTEIN

Fotos: Robert Frankl

HBLFA RAUMBERG-

Lernen und wohnen mit Bergpanorama Die HBLFA Raumberg-Gumpenstein wurde um rund 5.000 Quadratmeter erweitert.

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Eine unbehandelte Holzfassade aus heimischer Lärche prägt die Optik und die Atmosphäre des neuen Hauses.

Fotos: Michael Hetzmannseder

ie BIG hat für das Bundesministerium für Landund Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW), dem die Schule gehört, einen Neubau mit Doppelturnhalle und Internat errichtet. Seit Sommer haben 114 Schüler hier eine gemütliche und moderne Herberge. Auf das Erdgeschoß und die zwei Obergeschoße verteilen sich Lernzimmer, Teeküchen, Freizeit- und Schlafräume. Die Zweibettzimmer sind hell gestaltet. Jeweils zwei Zimmer haben einen gemeinsamen vorgelagerten Sanitärbereich. Große Fenster bringen viel Tageslicht in das gesamte Gebäude. Das Treppenhaus schmückt ein Glasmosaik des Künstlers Johann Lengauer. Die neue Sporthalle punktet nicht nur mit Volleyball- und Badmintonplätzen, sondern auch mit einer Kletterwand sowie Einrichtungen für Slacklines. Ein Fitness- und ein Tischtennisraum bringen zusätzliche Abwechslung. Die traumhafte Aussicht verlangte den Planern und Baufirmen jedoch so einiges ab. Für die Baugrube mussten rund 1.000 Kubikmeter Fels abgetragen werden. Dann entstand ein moderner Pfahlbau: Rund 40 Bohrpfähle wurden bis zu elf Meter tief in den Fels getrieben. Der gesamte Neubau erreicht Nie­drig­energiehaus-Standard und wird mittels Fernwärme ver­sorgt. Eine Fotovoltaikanlage befindet sich auf dem Dach und E-Tankstellen auf dem Parkplatz runden das alternative Energieangebot ab.

BIG Geschäftsführer Wolfgang Gleissner bei der feierlichen Eröffnung des von Pfeil Architekten ZT geplanten Neubaus.

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THEMA TECHNIK

Mensch gegen Maschine Sie erzeugen Energie, reagieren auf das Wetter und messen die Qualität der Raumluft: Hochtechnisierte Gebäude gelten als Vorzeigeprojekte. Automatisch glatt läuft’s für die Nutzer oft trotzdem nicht. Manchmal kommt es zum Duell. Von Marlene Schloffer

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Foto: Fotolia – Sergey Nivens

TECHNIK

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THEMA

Fotos: Fotolia – Coloures-pic; MP2

TECHNIK

«Es wäre schön, wenn die Technik ohne Menschen funktionieren würde. Aber von allein läuft das nirgendwo.» Thomas Bednar, Universitätsprofessor am Institut für Hochbau und Technologie, TU Wien

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in Bürogebäude, das bei Sonneneinstrahlung die Nutzer durch gigantische Flügel abschirmt, oder eine Fassade aus Luftpölstern, die sich je nach Außentemperatur auffüllt oder entlädt – längst ist bei Gebäuden das Zeitalter der Technisierung ­erreicht. Nicht nur internationale Vorzeige­ projekte wie die beiden oben genannten schaffen Innovation durch den Verbau von Technik. Auch vor den heimischen Immobilien macht die wachsende Technisierung nicht Halt. Was mit fast schon als Standard geltenden Maßnahmen wie Klimaanlagen und präsenz­ gesteuerter Beleuchtung beginnt, gipfelt in hochmodernen Gebäuden, in denen von der Temperatur (auf 0,5 Grad ­Celsius genau) bis hin zum Stromverbrauch alles Mög­ liche geregelt und gemessen werden kann. Dies wird als Erfolg gefeiert – zumindest so lange, wie die Technik funktioniert. Versagen die Anlagen, geht es an die Fehler­ suche.

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So beispielweise in einem Bürogebäude der BIG. Im ­ inter ließ dort die Heizungsleistung zu wünschen übrig. W Schließlich wurde die Ursache des Übels gefunden. Das hochtechnisierte Gebäude registriert offenstehende Fenster und dreht automatisch die Heizung ab, um unnötigen Energieverbrauch zu vermeiden. Am Nutzer lag es nicht, denn die Fenster waren geschlossen – zumindest soweit ersichtlich. Wie sich gezeigt hat, lag es an den Sensoren, die nicht richtig eingestellt waren. Die Technik meldete also andauernd ein offenes Fenster, und das führte zur fehlenden Heizleistung.

Wenn Kleidung das Licht regelt

Über einen besonders skurrilen Fall grübelten die Haustechniker bei demselben Bürogebäude. Im Winter gab es Probleme mit der automatischen Lichtsteuerung, im Sommer funktionierte sie hingegen einwandfrei. Dabei sollte die Beleuchtung eigentlich automatisch geregelt werden. Laut Plan würde ein Sensor die ­natürliche Lichtstärke im Raum messen und je nach Bedarf die künstliche Helligkeit rauf- oder runterdrehen. Nur blieb im ­Winter das künstliche Licht sogar dann an, wenn draußen die Sonne schien. Ursache für die Dauerbeleuchtung waren die Nr. 20 | 2016 | www.big.at


Karikatur: Much

TECHNIK

schwarzen Jacken der Angestellten. Denn der Sensor war genau auf ­jene Stelle im Raum ausgerichtet, an der die dunklen Kleidungsstücke abgelegt wurden. Messergebnis daher: zu dunkel.

Fehlalarm im Häfen

Für besondere Aufregung sorgen Fehlleistungen in Gebäuden, die aufgrund ihrer Nutzung bestimmte technische Standards erfüllen müssen. Beispielsweise schützen in ­einer Justizanstalt nicht nur Mauern, Stacheldraht und Gitter vor möglichen Ausbrüchen, sondern auch modernste Technik. Dass es bei der Inbetriebnahme einiger Feinjustierungen bedarf, haben die Wachebeamten einer Justiz­ anstalt der BIG selbst erlebt. So wurde beispielsweise die Nacht zum Tag, als ein Vogel zu tief über die Anstalt flog. Dass ­neben der Justizwache auch die Anrainer von dem Vorfall alarmiert wurden, lag an dem durch den Überflug aktivierten Flutlicht, das nicht nur die Anlage, sondern auch die Schlafzimmer der umstehenden Wohnhäuser hell erleuchtete. Die Aufregung hielt sich dennoch in Grenzen, schließlich befand sich die Anstalt noch im Probebetrieb. Für einen weiteren Fehlalarm hat ein anderer tierischer Nachbar gesorgt. Ein am angrenzenden Grundstück beheimateter Bieber war für den Schiefstand einiger Bäume verantwortlich, deren Äste bei starkem Wind die Justizanstalt streiften. Und dort für Aufruhr sorgten. Manchmal reicht Nr. 20 | 2016 | www.big.at

aber schon ein zartes Lüftchen, um die Technik zu aktivieren. Ab einer gewissen Länge sorgen in der Justizanstalt nämlich sogar die Grashalme am Dach, wenn sie sich sanft im Wind wiegen, für Trubel. Dass im Echtbetrieb hochmoderne Anlagen nicht sofort reibungslos funktionieren, ist nicht ungewöhnlich. „Jedes Haus ist ein Prototyp. Mit Kinderkrankheiten muss man da schon rechnen“, meint Uni-Professor Thomas Bednar, der mit seinem Team erforscht hat, wie die Idee eines PlusEnergie-Bürogebäudes verwirklicht werden kann.

Monitoring ist Pflicht

Seit Herbst 2014 ist das ehemalige „Chemiehochhaus“ am Getreidemarkt in Wien wieder belebt und Bednar mit seinem Team für das Monitoring verantwortlich. Denn die ­Anlagen müssen nicht nur konfiguriert, sondern auch nachjustiert und richtig betrieben werden. „Es wäre schön, wenn die Technik ohne Menschen funktionieren würde. Aber von allein läuft das nirgendwo“, meint Bednar. Eine gute Planung sei zwar unentbehrlich, aber vieles dann doch erst mit dem Einzug der Nutzer regelbar. „Wir mussten zum Beispiel feststellen, dass sich die Leute an ihren Büroarbeitsplätzen oft über eine Viertelstunde nicht wirklich bewegen“, sagt Bednar. Im Klartext bedeutet das: Obwohl mehrere Personen in einem Raum sitzen, registriert der Bewegungsmelder niemanden. Und startet mit jenen Maßnahmen, die für ›

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THEMA

einem solchen Fall „programmiert“ wurden: Licht aus und die Jalousien runterfahren (um vor Überhitzung zu schützen). Die Zeitspanne wurde also auf eine halbe Stunde ausgedehnt, seither gebe es keine Beschwerden mehr. „Mo­ nitoring ist bei hochtechnisierten Gebäuden unumgänglich. Und es braucht einen Betriebsführer. Dann gibt es für alles eine Lösung“, so Bednar.

Der Faktor Zeit ist bei der ­Programmierung von bewegungs­ gesteuerten ­Anlagen wesentlich. Sind diese nicht richtig justiert, tappt man plötzlich im Dunkeln.

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So wurden beispielweise nach Mit­ arbeiterbeschwerden über die Dunkelheit der Gänge bei Tätigkeiten zu später Stunde (auch hier geht nach einer bestimmten Zeit ohne Bewegung das Licht aus) die Ganglichter dauerhaft aktiviert – jedoch in gedimmter Form. „Nur zwei Büros haben hier Bedarf gemeldet. Das war also nicht wirklich ein ­Thema“, meint Bednar. Dass das Sicherheitsgefühl im Haus grundsätzlich sehr hoch ist, bestätigt eine unter den ­Nutzern durchgeführte Umfrage (Ergebnisse auf Seite 36). ­Gemeinsam mit der TU Wien hat die BIG 357 Personen im Gebäude befragt. Insgesamt 93 Prozent der Befragten fühlen sich im Gebäude sehr oder eher sicher. Einen ähnlich hohen Wert hat das Gebäude in seiner Gesamtheit erreicht: 87 Prozent beurteilen den sogenannten Bauteil BA als sehr gut oder gut. Die Umfrage wurde ein Jahr nach Inbetriebnahme durchgeführt. „Davor hatten wir schon einige Probleme identifiziert und beseitigt“, erklärt Bednar. Grundsätzlich braucht die Einstellung eines technisierten Gebäudes zumindest ein Jahr, „also eine Heiz- und eine Kühl­ periode“. Und die wahre Ursache eines Problems ist oft erst über Umwege identifizierbar. Denn isoliert betrachten kann man die einzelnen Komponenten nur schwer. So etwa hatte sich beim Thema Luftqualität im Bauteil BA nach einigen Nachforschungen eine Art Kettenreaktion herauskristallisiert. Angefangen hatte es mit der Rück­ meldung mehrerer Nutzer, die Luft im Winter sei zu ­trocken.

Foto: Fotolia – Alexandr Mituic

Sündenbock Altgerät: In der Praxis hat sich gezeigt, dass für trockene Luft im Büro durchaus die Computer ein paar Zimmer weiter verantwortlich sein können.

Eine Frage der Einstellung

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Daraufhin wurden zusätzliche Messungen durchgeführt. Die zu niedrige Luftfeuchte in den Räumen war auf das dauerhafte Lüften einzelner Büros zurückzuführen. „Die kühle Luft erwärmt sich dann im Raum und wird zu trockener Luft, die sich über die Lüftungsanlagen super verteilt“, erklärt Bednar. Das Absurde an der Geschichte: „Schuld“ war die alte Technik in den Räumen. Denn die besonders leistungsstarken „Workstationen“ strahlen ordentlich Hitze ab. „Deshalb wurden die Fenster überhaupt erst dauerhaft geöffnet“, sagt Bednar. Das Problem ist laut Forschungsteam schnell gelöst: Die ineffizienten Bürocomputer müssen aus den Räumen verbannt werden. Und da kann auch der Nutzer mithelfen. „Die Geräte müssen in den Serverraum. Nur will das nicht jeder. Das ist besonders schade, weil gleich mehrere Büros betroffen sind. Aber auch da werden wir ­gemeinsam eine Lösung finden“, zeigt sich Bednar zuversichtlich.

Einschränkungen durch Technik?

Dass die Kunden von den technischen Möglichkeiten nicht immer begeistert sind, musste auch Anton Bondi de Antoni, geschäftsführender Gesellschafter der Bondi Immobi­ lien-Consulting GmbH feststellen. „Der Nutzer fühlt sich durch die moderne Technik meist eingeschränkt“, meint Bondi. Als Beispiele nennt er das OPEC-Gebäude und das Haus der Europäischen Union, beides in der Wipplingerstraße in Wien. „Darin sind internationale Organisationen untergebracht, es sollte hochwertig werden“, erzählt Bondi. Verbaut wurde also das Feinste vom Feinsten. Jalousien, die sich dem Sonnenstand anpassen, oder automatische Lichtsteuerung. „Im Prinzip ist fast alles in den Häusern ­individuell regelbar“, so Bondi. Trotzdem wurden in letzter Konsequenz die Zugriffsmöglichkeiten für den Nutzer wieder reduziert. „Man kann einzelne Komponenten im Nachhinein wieder wegschalten, aber ideal ist das nicht. Erstens hat der Einbau gekostet, und zweitens zieht das nicht selten einen Rattenschwanz an Problemen nach sich“. Warum es in diesem Fall trotzdem umgesetzt wurde, ist für den Immobilientreuhänder schnell erklärt: „Die Leute wollen sich nicht mit der Technik beschäftigen. Beispielsweise haben bei der Klimaanlage nach einem Jahr nur 16 Prozent der Nutzer die Standard­ein­stellungen verändert. Obwohl ­theoretisch jedes Büro individuell regelbar wäre.“ Die zusätzlichen Planungs-, Errichtungsund Betreuungskosten müsse man auch rechtfertigen. „Die Frage ist, ob da die Kosten-Nutzen-Rechnung noch stimmt“, so Bondi. Vom Trend zur hohen TechnisieNr. 20 | 2016 | www.big.at

Foto: iStock – Jozsef Szasz-Fabian

TECHNIK


TECHNIK

Fotos: Harald A. Jahn

Das Plus-Energie-Bürogebäude der TU Wien am Getreidemarkt erzeugt unter anderem durch eine fassadenintegrierte Fotovoltaikanlage im Jahr mehr Energie, als es verbraucht.

rung würde man daher wieder abkommen. „Nicht zwingend mit weniger Komfort“, wie Wolfgang Streicher, Professor für Energieeffizientes Bauen an der Universität Innsbruck, meint.

Über WLAN streitet niemand

Unter dem Slogan „Nur dumme Gebäude brauchen künst­ liche Intelligenz“ hinterfragt Streicher die hohe Technisierung. „Man muss unterscheiden zwischen Technik, die ich brauche, und unnötigem Schnickschnack“, so der studierte Maschinenbauer. „Innovation ist, wenn ich ohne Verzicht wenig Technik benötige. Je einfacher und simpler eine Konstruktion, umso besser“, das minimiere nämlich auch die Fehleranfälligkeit. „Die Behaglichkeitskriterien müssen aber immer erfüllt sein“, so der Professor. Über Strom, Heizung, Wasserversorgung, selbst über WLAN streite daher niemand. Hinterfragen könne man die Komplexität der Ausführung. „Man muss beispielsweise nicht in jedes Gebäude eine Klimaanlage einbauen. Oft reicht es, wenn das Gebäude richtig ausgerichtet wird oder die Fenster nur so groß sind, dass ausreichend Tageslicht einfällt“, meint Streicher. Auch simple Maßnahmen wie bauliche Verschattungen oder „einfach nachts die Fenster öffnen“ › Nr. 20 | 2016 | www.big.at

«Man kann einzelne Komponenten im Nachhinein wegschalten, aber ideal ist das nicht. Erstens hat der Einbau gekostet, und zweitens zieht das nicht selten einen Rattenschwanz an Problemen nach sich.» Anton Bondi de Antoni, Geschäftsführender Gesellschafter Bondi Immobilien-Consulting GmbH

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THEMA TECHNIK

NUTZERBEFRAGUNG AM BAUTEIL BA DER TU WIEN ZEITRAUM 9. bis 22. November 2015

WIE BEURTEILEN SIE DAS INSTITUTSGEBÄUDE (BAUTEIL BA) DER TU WIEN?

WIE GUT IST DER BAUTEIL BA DER TU WIEN AUF DIE BEDÜRFNISSE ZUGESCHNITTEN?

TEILNEHMER 357 BEFRAGTE* Studierende: 78 % Lehrende: 8 % Wissenschaftliches Personal: 18 %

Eher gut 52 % Eher gut 41 %

Sehr gut 46 %

Allgemeines ­Personal: 7 %

Sehr gut 27 % Mittelmäßig 13 %

Keine Angabe 4%

Mittelmäßig 9% Keine Angabe Eher schlecht 1% 3%

* Mehrfachnennung möglich

Sehr schlecht Eher schlecht 1% 3%

WIE WOHL FÜHLEN SIE SICH IM BAUTEIL BA DER TU WIEN?

WIE SICHER FÜHLEN SIE SICH IM GEBÄUDE (BAUTEIL BA)? Sehr sicher 71 %

Sehr wohl 37 %

Eher wohl 42 %

Keine Angabe 3%

Eher sicher 22 % Keine Angabe 1% Sehr unsicher Mittelmäßig sicher 1% 4%

Mittelmäßig wohl 13 %

Sehr unwohl Eher unwohl 1% 3%

DER BAUTEIL BA GILT ALS BESONDERS INNOVATIV UND FORTSCHRITTLICH. STIMMEN SIE DIESEM URTEIL ZU? Ja 86 %

Fotos: Gisela Erlacher

Nein 14 %

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BIG BUSINESS

DETAILBEURTEILUNG DER HÖRSÄLE, SEMINARRÄUME UND BÜRORÄUME Hörsäle n = 268; Seminarräume n = 192; Büroräume n = 92 Rundungsdifferenzen ergeben Gesamtsummen von 99 bis 101 Prozent HÖRSÄLE

Licht

Technik

Akustik

Atmosphäre

Raumklima

Sehr gut

59 %

56 %

46 %

32 %

34 %

Eher gut

34 %

29 %

40 %

44 %

36 %

Mittelmäßig

3 %

9 %

10 %

17 %

22 %

Eher schlecht

3 %

2 %

3 %

4 %

Sehr schlecht

1 %

1 %

3 %

Keine Angabe

3 %

3 %

2 %

1 %

SEMINARRÄUME

Licht

Technik

Akustik

Atmosphäre

Raumklima

Sehr gut

52 %

50 %

52 %

40 %

33 %

Eher gut

31 %

34 %

32 %

36 %

32 %

Mittelmäßig

10 %

9 %

7 %

11 %

15 %

Eher schlecht

4 %

4 %

4 %

4 %

9 %

Sehr schlecht

1 %

3 %

1 %

2 %

7 %

Keine Angabe

2 %

3 %

6 %

3 %

BÜRORÄUME

Licht

Technik

Akustik

Atmosphäre

Raumklima

Sehr gut

27 %

32 %

30 %

20 %

10 %

Eher gut

35 %

40 %

34 %

47 %

18 %

Mittelmäßig

22 %

17 %

12 %

18 %

30 %

Eher schlecht

8 %

7 %

11 %

8 %

13 %

Sehr schlecht

9 %

2 %

12 %

8 %

27 %

Keine Angabe

2 %

1 %

1 %

Nr. 20 | 2016 | www.big.at


TECHNIK

«Innovation ist, wenn ich ohne Verzicht wenig Technik benötige. Je einfacher und simpler eine Konstruktion, umso besser.»

Wolfgang Streicher, Professor für Energieeffizientes Bauen, Universität Innsbruck

Die Technik macht’s möglich

„Es gibt ein paar vielversprechende Low-Tech-Ansätze“, meint Wolfgang Amann, geschäftsführender Gesellschafter am Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen, einem Forschungs- und Beratungsunternehmen. Aber auch die hohe Technisierung sei nicht zu verachten – trotz der bekannten Problematiken. „Es gibt derzeit spannende Versuche mit bewegungssensiblen Bodenbelägen. Das ist insbesondere beim Seniorenwohnen ein Thema“, so Amann. Derzeit werde noch getestet. „Aber die Idee ist, direkt an die Spitäler zu melden, wenn beispielweise jemand stürzt.“ Bis dahin ist allerdings noch Zeit. Eher im Kommen sei „High Touch“: Technik mit nutzerfreundlicher Oberfläche. „Also einfach verständlich und bedienbar. Dahinter kann durchaus wieder eine komplexe Anlage stehen. Wichtig ist, dass die Technik dem Nutzer dient. Und nicht eine Friss-oderstirb-Philosophie herrscht“, denn niemand sei gern fremd­ bestimmt. Bei Häusern sei die Innovation wichtig, „dafür braucht es Pioniere. Das Gebäude am Getreidemarkt ist ein Meilenstein“, befindet Amann. Nr. 20 | 2016 | www.big.at

Foto: BIG

t­ ragen zum guten Raumklima bei. Letzteres könne beispielsweise auch eine automatische Nachtlüftung lösen, wie sie in der vor wenigen Jahren sanierten Fakultät für Bauingenieurswesen der Universität Innsbruck im Einsatz ist. „Im Sommer bei über 38 Grad Celsius Außentemperatur hat es im Gebäude ohne Klimaanlage maximal 26 Grad Celsius“, betont Streicher. „Man braucht zwar immer noch einen kleinen Motor an den betroffenen Fenstern, aber im Vergleich zu einer Klimaanlage ist die Technisierung gering.“ Ein Argument für Low Tech sei nicht nur der weniger kostenintensive Betrieb, sondern auch die einfachere Wartung und Reparatur. „Bei einer zehn Jahre alten Anlage kann das schon problematisch werden“, so Streicher. „Ich brauche jemanden, der sich damit auskennt. Und Ersatzteile sind nach 20 oder 30 Jahren kaum mehr zu bekommen.“ Warum Low Tech trotzdem noch nicht zum Trend geworden ist? Auch darauf hat der Experte eine Antwort. „Es bedarf einer intelligenten, inte­grativen Planung, wodurch die Kosten in dieser Projekt­phase steigen. Und der Ansatz ist nicht sexy genug.“ Mit anderen Worten: Niemand schreit Hurra bei einer guten Dämmung und Fenstern, die nur die für den natürlichen Lichteinfall nötige Größe haben. Eine hohe Technisierung werde immer noch als Statussymbol, weniger als Dienstleistung gesehen. Das sieht auch ein Großteil der befragten Nutzer so. Insgesamt 86 Prozent stimmen dem Urteil zu, das Gebäude sei besonders innovativ und fortschrittlich. „Die Kinderkrankheiten sind vorbei. Jetzt geht’s ans Feintuning“, meint Bednar über das Plus-Energie-Bürogebäude der TU Wien. Trotz der einen oder anderen Herausforderung ist er nach beinahe zwei Jahren in Betrieb überzeugt: „Das ist immer noch das tollste Haus der Welt, auch wenn nicht jeder versteht, warum die Dinge im Gebäude so sind, wie sie sind“, sagt Bednar. „Am Ende geht’s um die Philosophie. Unser Zugang bei der Kühlung ist: passive Maßnahmen vor aktiven. Wir haben ein nicht klimatisiertes Gebäude und bleiben im Sommer in der Regel bei unter 26 Grad Celsius. Das ist gut“. Warum die Rückmeldungen trotzdem nicht immer positiv sind? Die Erwartungshaltung sei bei einem hochtechnisierten Gebäude ­eine andere: „Man erwartet, dass alles perfekt ist – für ­jeden!“ Aber so ein Gebäude gibt es trotz oder ­gerade ­wegen all der Technik nicht. ‹

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Erst einmal in ­Betrieb, sieht man den Großteil der verbauten Technik meist nicht mehr. Oft ist die Verkabelung funktionale Notwendigkeit, wie hier an der Univer­ sitätszahnklinik der Medizinischen ­Universität Wien.

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THEMA NATURDENKMÄLER

Grün vor Ärger Foto: Fotolia – reel

In dicht verbauten Ballungsräumen sind Pflanzen eine willkommene farbliche Abwechslung zu grauen Betonlandschaften. Verständlich sind daher die Emotionen, wenn es um die Erhaltung oder den Zugang geht. Von Eduard Platzenteig & Ernst Eichinger

I

m Zeitalter der „Nachhaltigkeit“ ist die Notwendigkeit der Erhaltung eines möglichst großen Grünraums für künftige Generationen dieses Planeten weitgehend unbestritten. Dementsprechend wehrhaft zeigen sich auch wechselnde Allianzen, wenn es um bepflanzte Flächen geht. Medien spielen aufgrund ihrer Multiplikatorenwirkung dabei oft eine ­große Rolle. Objektivität und Ausgewogenheit der Bericht­ erstattung können in der Hitze des Gefechts allerdings manchmal auf der Strecke bleiben. Unabhängig vom genauen Inhalt der Auseinandersetzung gibt es nämlich so etwas wie einen gemeinsamen Nenner bei allen botanischen Konflikten: Sie werden in der Regel sehr emotional geführt. Die Wortwahl folgt Gefühlen. „Baummord“ oder „Kettensägenmassaker“ sind etwa zwei Beispiele aus Titelgeschichten Kärntner Zeitungen vor ein paar Jahren. Was war geschehen? Aus Sicherheitsgründen mussten rund um die Schule im Stift Viktring rund 90 kranke Bäume gefällt werden. Da halfen auch Presseaussendungen und mehrere Anrainer-Informationsveranstaltungen im Vorfeld nichts. Die erhitzten Gemüter ließen sich nicht abkühlen. Immer wieder wurde ein in dieser Causa besonders aktiver Gemeinderat mit der Behauptung zitiert, es

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seien 120 Jahre alte, aber kerngesunde Linden geschlägert worden. Die Rodung passiere nur deshalb, weil niemand für die Pflege des unter Denkmalschutz stehenden Parks aufkommen wolle. Ein skurriles Argument. Genau das Gegenteil war der Fall. Mehr als 300.000 Euro wurden in die Arbeiten investiert, um Anrainern, Spaziergängern und vor allem den Schülern der angrenzenden Bildungseinrichtung ein gefahrloses Betreten des Parks zu ermöglichen.

Lebensgefährlich

Wirklich fahrlässig waren aber die Aufrufe selbst ernannter Umweltschützer, sich an die Bäume zu ketten, um Forstarbeiter zu blockieren. Vor dem Hintergrund morscher Stämme und Äste mit einem Gewicht von mehreren Tonnen ein wirklich mutiger Einsatz. Auch wenn in diesem Fall die Schuldfrage bei einem Unfall vermutlich eher strittig gewesen wäre, gilt für die BIG als Eigentümer der Liegenschaft auch in Bezug auf den Baumbestand die Gebäudehalterhaftung. Für jeden Personenschaden steht ein Vertreter der BIG vor dem Richter. Einzige Alternative wäre damit die Sperre des Areals für die Öffentlichkeit gewesen. Nun – ein paar Jahre später – ist es im Naherholungsgebiet aber Nr. 20 | 2016 | www.big.at


DENKMÄLER

Karikatur: Much

NATUR

wieder völlig ruhig. Wenige Wochen nach der Rodung wurden nämlich in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt 150 neue Bäume gepflanzt, die mittlerweile auch schon ordentlich gewachsen sind. Während es in Kärnten immerhin um viele Bäume ging, löste im Nachbarbundesland Steiermark eine einzelne Rotbuche eine ähnlich große Aufregung aus. So geschehen vor der Forstschule Bruck. Auch hier sollten die Motorsägen ihren Dienst tun, denn der über 200 Jahre alte Baum war von einem Pilz geschädigt. Das Gutachten hatte die Vermutung bestätigt: „Der Wurzelhals der Rotbuche ist sehr stark vom Riesenporling befallen.“ Man könne, so der Sachverständige, davon ausgehen, dass Bäume, die von diesem Pilz be­fallen sind, keine Standsicherheit mehr aufweisen. Eine ­gegenüber der Forstschule wohnende Gymnasiallehrerin wollte das aber nicht akzeptieren. Via „Kleine Zeitung“ artikulierte sie ihre Bedenken – genau genommen nicht gerade höfliche Unterstellungen. „Die Buche ist einfach im Weg, die wollen dort Parkplätze haben.“ Sämtliche Anfragen an Behörden wurden allerdings etwa gleichlautend beantwortet. Würde der Eigentümer ein solches Gutachten ignorieren, wäre das fahrlässig. Letztendlich hieß es dann auch: Baum fällt! Wobei dieses finale Ereignis eindeutig durch Nr. 20 | 2016 | www.big.at

die Tatsache begünstigt wurde, dass die Rotbuche als nicht schutzwürdig eingestuft war. Denn wenn eine Grünzone unter der Ägide des Bundesdenkmalamts steht, genießt die Erhaltung definitiv höchste Priorität. Grundsätzlich ist Naturschutz aber Ländersache. In Österreich können Naturgebilde, besondere Einzelbäume oder Baumgruppen, Felsen, Höhlen und Wasserfälle, wegen ihrer Eigenart, Schönheit, Seltenheit oder ihres besonderen Gepräges, ihrer wissenschaftlichen oder kulturellen Bedeutung von der Bezirksverwaltungsbehörde zu Naturdenkmälern erklärt werden.

Kein Allgemeingut

Allein in Wien befinden sich mehr als 30 Naturdenkmäler – hauptsächlich Bäume – im Eigentum des BIG Konzerns. Neben eher unspektakulär anmutenden Eiben oder einer Feldulme stehen auch Exoten wie Ginkgos, eine Kalifornische Flußzeder oder ein Bergahorn mitten in der Großstadt. Gerade im dicht verbauten Raum ist das Ringen um die Chlorophyllproduzenten besonders hoch. In Bezirken wie der Josefstadt ist jedes noch so kleine Pflänzchen ein farb­ liches Highlight in der zumeist grauen Fassadenwelt. Umso begehrenswerter erscheint dann jedes begrünte Fleckchen ›

BIG BUSINESS

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THEMA NATURDENKMÄLER

Nicht immer sieht man als Laie von außen, ob ein Baum kaputt ist.

– auch wenn es im Eigentum anderer steht. Gerne wird das Unternehmen BIG mit „Allgemeingut“ verwechselt. Das ist aber ein Denkfehler. Das Bundeskanzleramt, Kasernen oder Justizanstalten „gehörten“ nämlich gemäß dieser Defini­tion auch „der Bevölkerung“. Trotzdem müssen „Krethi und Plethi“ – außer an Tagen der offenen Tür – draußen bleiben. Ein Beispiel dafür ist das ehemalige Palais Strozzi in WienJosefstadt. Das ehemalige Finanzamt im Eigentum der ARE Austrian Real Estate verfügt über einen begrünten Innenhof und einen hinter dem Objekt liegenden Garten. Für die Beamten war eine Öffnung – wie von manchen Bürgern oder lokaler Presse gefordert – nie ein Thema. Nach der Übersiedlung des Finanzamts nach Wien-Mitte stand das Haus allerdings leer, wodurch die Forderung nach einer ­allgemeinen Zugänglichkeit wieder Kraft gewonnen hat.

sich verengenden Schotterweg und macht mittendrauf kurz Halt; dazu viel Naturkulisse, in die der Mensch lange nicht eingegriffen hat, weil es sich um ein geschütztes Naturdenkmal handelt. Dicke, von selbst umgefallene „Baumriesen“ zeugen davon, schwarze Totholzstämme, aus denen wieder neues Leben erwächst, und jede Menge ungezügelt hochrankender Efeu an allen Ecken und Enden des Grundstücks ebenso. Ein „ungepflegter“ Ort – wie von Fuchs, Dachs, Fledermaus, Pfauenauge & Co. eingerichtet. Sternwartepark – da war doch etwas. Tatsächlich bildet das 5,5 Hektar große Areal, das am 5. Juni 1883 von Kaiser Franz Joseph I. eröffnet wurde und in dem sich die Universitätssternwarte befindet, einen Fixpunkt in der Geschichte der Zweiten Republik – allerdings weniger aus botanischer Sicht. Als 1973 das Gelände zwar geöffnet werden sollte, aber auch 40 Bäume zur Schlägerung für ein Bauprojekt anstanden, wurde eine Art Präzedenzfall für Bürgerprotest und Widerstand geschaffen. Schließlich gab es eine Volksabstimmung – die erste überhaupt in der Bundeshauptstadt. Danach wurde das Areal zum Naturdenkmal erklärt und streng geschützt. Nach einem fast 40-jährigen Dornröschenschlaf war im Jahr 2012 das Gelände rund um die Sternwarte erneut Thema emotionaler Diskussionen. Von mehreren Seiten wurde eine Öffnung des im Eigentum der BIG stehenden und von der Universität Wien gemieteten „Parks“ gefordert.

Foto: Fotolia – Nioma2604

Erhitzte Gemüter

Schnell konnte aber mit dem Institut für Höhere Studien ein Nachmieter gefunden werden. Der Garten ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich – das gefällt nicht jedem im Bezirk.

Zugangsregelung

Ebenfalls entschieden ist die Zugangsregelung ein paar ­Kilometer stadtauswärts. Die Insekten summen an einem Spätsommertag im September lauter als der nahe Autoverkehr. In der Tat herrscht viel Verkehr bei den Stöcken der „Imkerei Bienenwerkstatt“, die sich an einer kleinen Lichtung des Sternwarteparks mitten in Währing befinden. Das seit über drei Jahren der Öffentlichkeit zugängliche Areal rund um die Wiener Sternwarte ist für einen Spaziergang im Schatten der hohen Bäume geradezu prädestiniert. Ein Vogel wühlt im alten Laub raschelnd nach einem Wurm; ein Eichhörnchen huscht über den zunächst breiten, dann

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BIG BUSINESS

Einer allgemeinen, ungeregelten Öffnung – wie es der Forderung entsprach – standen aber zahlreiche rechtliche Argumente im Weg. Vor allem musste das Thema Haftung geregelt werden. Nach mehreren Gesprächen wurde im Oktober 2012 ein Maßnahmenpaket geschnürt. Alle Verhandlungspartner waren sich über eine tragfähige Lösung einig. Die Magistratsabteilung 49 der Stadt Wien sollte den von der BIG zur Verfügung gestellten „Park“ während der Öffnungszeiten der Sternwarte betreiben, alle Haftungen und Kosten übernehmen. Das Naturdenkmal sollte im „Urzustand“ belassen werden. Im Februar 2013 wird der Vertrag unterzeichnet. Kurz vor der offiziellen Öffnung des Parks im Mai 2013 gibt es erneut Wirbel. Holzarbeiter mit Kettensägen schneiden Wege durch das Dickicht. Anrainer und Gegner der neuen Zugangsregelung stoßen sich an der Optik. Auch wenn sich die Rodungen letztendlich in Grenzen halten, sorgen riesige Holzstöße im Frühsommer für entsprechende Aufregung. Jahre danach haben sich die meisten Gemüter deutlich beruhigt, zumal auch das mediale Interesse schlagartig abgenommen hat. Der Eindruck, den BIG Business bei seinen Besuchen im Sternwartepark gewonnen hat, deckt sich auch mit den Beobachtungen eines Wissenschaftlers vor Ort: „Mittlerweile ist das Ganze zum Randthema geworden. Anfangs war das Interesse der Bevölkerung durch den Trommelwirbel der Medien noch relativ groß – an manchen schönen Mai-Tagen konnte man phasenweise den Eindruck gewinnen, dass eine Völkerwanderung stattfindet.“ Mittlerweile habe das Interesse stark abgenommen. Nr. 20 | 2016 | www.big.at


DENKMÄLER

Der Park rund um das Stift Viktring war vor mehreren Jahren Schauplatz heftiger Proteste.

„Nur einige wenige kommen regelmäßig. Das sind Leute, die besonders gerne auf unasphaltiertem Boden joggen oder spazieren gehen, schätzungsweise ein paar Personen pro Tag.“

Eine Frage der Haftung

Die Anzahl der Besucher hat aber generell keinen Einfluss auf die rechtlichen Aspekte. „Auch wenn wir bei der Sternwarte die Haftung abgetreten haben, ist vielen nicht klar, dass wir als Eigentümer von insgesamt 21 Millionen Qua­dratmetern Grundstücksflächen für jeden Baum haften. Wann immer etwas passiert, müssen wir dafür gerade stehen“, sagt BIG Jurist Martin Hübner. Fälle aus der Vergangenheit belegen: Die Möglichkeit eines Zwischenfalls, auch mit Personenschaden, ist nicht auszuschließen, obwohl die Wahrscheinlichkeit relativ gering ist. Dennoch wurde die BIG einmal geklagt, weil ein herabfallender Ast eine Schülerin schwer verletzt hatte. Sie Nr. 20 | 2016 | www.big.at

ist seit damals auf den Rollstuhl angewiesen. In der Urteilsbegründung ist sogar explizit festgehalten, dass kein Hinweis auf die Schadhaftigkeit des Baums vorlag. Trotzdem lautete das Urteil aufgrund der Gebäudehalterhaftung, die eben auch für Bäume gilt: Schuldig! Darüber hinaus ist es der Geschäftszweck aller Un­ ternehmen des BIG Konzerns, ihren jeweiligen Liegenschaftsbestand nach „marktorientierten Grundsätzen“ zu bewirtschaften. Sprich: Geld zu verdienen. Abseits allgemeiner gesellschaftlicher Verpflichtungen, die im Sinne der Nachhaltigkeit auch für jedes andere große Unternehmen in Österreich gelten, hat die BIG keinen darüber hinausgehenden sozialen Anspruch. Und das bedeutet gelegentlich – selbstverständlich un­ ter Einhaltung aller ge­ setz­lichen Auflagen –, Bäume auch fällen zu müssen. ‹

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Foto: Fotolia –raydaddy

Foto: Walter Jernej

NATUR

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THEMA JUSTIZZENTRUM EISENSTADT

Justizzentrum als Touristenmagnet Der Umbau eines Hauses bei vollem Betrieb ist die Königsklasse. Wenn es sich dabei auch noch um ein Justizzentrum mit Gericht und Gefängnis handelt, sind die Herausforderungen besonders groß. Mittlerweile kommen viele Besucher sogar freiwillig. Von Sabine Gaggl 42

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Nr. 20 | 2016 | www.big.at


JUSTIZZENTRUM

EISENSTADT

O

b der Grund für einen Besuch des Justizzen­ trums Eisenstadt etwas Harmloses wie ein Firmenbucheintrag ist oder ein Streit mit dem Nachbarn, Omas Nachlass, Scheidung, ein Verkehrsunfall – oder, schlimmer noch, mit einem Aufenthalt in der Justizanstalt in Verbindung steht –, Vorfreude kommt dabei wohl nur in den allerwenigsten Fällen auf. Dennoch wickelt das Justizzentrum Eisenstadt, bestehend aus Landes- und Bezirksgericht, Staatsanwaltschaft und Justizanstalt, jährlich mehrere tausend Zivil- und Strafverfahren ab und bietet Raum für rund 200 Häftlinge in Straf- und ­Untersuchungshaft. Derart intensive Nutzung hinterlässt auch Spuren am Gebäude.

Foto: Hertha Hurnaus

Schuldig im Sinne der Anklage

Das Justizzentrum Eisenstadt liegt eingebettet in Wohnsiedlungen im Westen der burgenländischen Landeshauptstadt.

Der in den 1960er-Jahren errichtete Justizbau war nicht nur aufgrund von Abnutzung am Ende seines Lebenszyklus ­angelangt, sondern auch hinsichtlich Funktionalität, Aus­ stattung und Raumzuschnitten weit davon entfernt, den ­Anforderungen einer modernen Justiz des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Von Wassereintritten und Nässeschäden, über mangelnde Funktionalität, zum Beispiel aufgrund fehlender Telefonanlagen in den Verhandlungs­ sälen, bis hin zu optischen „Verbrechen“ wie unterbelich­ teten Büros, düsteren Verhandlungssälen und Sanitäreinrichtungen, die laut Nutzerbeschreibung schlichtweg „zum Genieren“ waren – die vermeintliche Anklageschrift gegen die Liegenschaft wurde mit der Zeit immer länger. Kein Wunder also, dass das Urteil auf Erneuerung fiel. Ob jedoch die gewünschte Modernisierung durch Neubau am Stadtrand, Sanierung und/oder Erweiterung erfolgen sollte, zog lange und intensive Diskussionen nach sich. Schließlich einigten sich Justizministerium und BIG gemeinsam mit den Nutzern vor Ort auf ein groß angelegtes Erweiterungsund Sanierungsprojekt. Mit dem Spatenstich Ende 2010 fiel der Startschuss für das größte Bauprojekt, das die BIG bis dato jemals im Burgenland realisiert hat. Zwischen Dezember 2010 und Juni 2016 investierte die BIG rund 62 Millionen Euro und machte den Standort nach Plänen von YF ­Architekten fit für die Zukunft.

Neustart

In den rund fünfeinhalb Jahren Bauzeit blieb kein Stein auf dem anderen. Um überhaupt Platz für die geplanten Neubauten zu schaffen, musste ein ehemaliges Autohaus auf dem Projektareal weichen. Lärm, Staub und Schmutz ­standen also neben Verlassenschaftsverfahren, Nachbarschafts- oder Familienstreitigkeiten und dem Leben hinter Gittern auf der Tagesordnung. Denn während in den Bestandstrakten von Gericht und Justizanstalt der Normal­ › Nr. 20 | 2016 | www.big.at

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THEMA

Foto: Hertha Hurnaus

JUSTIZZENTRUM EISENSTADT

Die Pläne für die Erweiterung und Sanierung des Justizzentrums Eisenstadt stammen von YF Architekten aus Wien.

Foto: Richard Tanzer

betrieb lief, entstanden wenige Meter weiter zwei Neu­ bauten. Mit ihrer roten Fassade sind die beiden Gebäude seit Juni 2013 aus dem Stadtbild kaum noch wegzudenken. Insgesamt rund 11.800 Quadratmeter zusätzlicher Fläche verdoppeln das Flächenangebot des Justizzentrums. Beide Neubauten sind auf Niedrigenergiestandard ausgelegt. Für geringen Energieverbrauch und niedrigen CO2-Ausstoß sorgen Betonkernaktivierung, kontrollierte Wohnraumlüftung, Hackschnitzelheizung und eine rund 100 Quadratmeter große Solaranlage zur Warmwasseraufbereitung. Im Zubau des Landesgerichts befinden sich verteilt auf vier Etagen moderne Büros und Verhandlungssäle von Staatsanwaltschaft und Bezirksgericht sowie ein Justiz-Servicecenter, Einlaufstelle, Cafeteria und Bibliothek. Der Zutritt zum Gebäude ist ausschließlich über eine Sicherheitsschleuse mit Personenkontrolle möglich.

Fixpunkt bei jeder Gebäudeführung von Landesgerichtspräsident Karl Mitterhöfer: der große Schwurgerichtssaal ausgestattet mit modernster Technik.

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Offene Justiz

In der Praxis stießen die Neuerungen und die moderne Haustechnik nicht gleich bei allen Nutzern auf ungeteilte Gegenliebe. „Die alarmgesicherten Fluchtwegstüren haben anfangs für den einen oder anderen Fehlalarm gesorgt. Bis Heizung und Kühlung für alle Mitarbeiter optimal eingestellt waren, hat es auch ein wenig gedauert. Aber heute sind diese Kinderkrankheiten behoben und alle sehr zufrieden“, betont Karl Mitterhöfer, Präsident des Landesgerichts Eisenstadt. Die Absicherung des Gebäudes nach außen ­ermöglicht Offenheit nach innen: „Im Gerichtsgebäude selbst herrscht volle Bewegungsfreiheit. Nach Durchschreiten der Zutrittskontrolle können sich Mitarbeiter und Be- › Nr. 20 | 2016 | www.big.at


JUSTIZZENTRUM

EISENSTADT

Fotos: Hertha Hurnaus

Eine neue Cafeteria mit InnenhofTerrasse bietet Raum für Entspannung.

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Der Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes ist hell, offen und einladend gestaltet.

Moderne Büros und attraktive Freiflächen sorgen für angenehme Arbeitsatmosphäre.

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THEMA JUSTIZZENTRUM EISENSTADT

Fotos: Hertha Hurnaus

sucher frei zwischen Justiz-Servicecenter, Verhandlungs­ sälen und Büros bewegen. Darüber hinaus ist das Justizzen­ trum vollständig barrierefrei erschlossen und ermöglicht somit auch Menschen mit Behinderung einfachen Zugang zum Recht“, so Mitterhöfer. Dass der Neubau auch bei der Bevölkerung gut ankommt, schließt der Gerichtspräsident aus der starken Nachfrage nach Gebäudeführungen. „Das Interesse für unser neues Haus ist enorm. Seit Fertigstellung führe ich mehrmals wöchentlich Kollegen aus dem Justizsektor, Politik- und Medienvertreter, Schülergruppen und die interessierte Öffentlichkeit durchs Gebäude“, erzählt Mitterhöfer. Beste ­Aussichten für Kiebitze von der ­Galerie des Schwur­ gerichtssaals.

„Gesiebte Luft“ in der Justizanstalt.

Unternehmen Justizanstalt

Obwohl ebenfalls neu und architektonisch ansprechend gestaltet, hält sich die Beliebtheit des Neubaus der Justizanstalt naturgemäß in Grenzen. Hohe Mauern, Stacheldraht und unzählige Kameras zählen zur Standardausstattung. Während man selbst vielleicht vor Betreten des Gebäudes über den Besuchereingang noch einen Moment zögert, ertönt längst der Summer des Türöffners – denn wie es eigentlich zu erwarten war, hat die Torwache den Besuch längst über die Kameras „vorhergesehen“. Im Gebäude werden die Grenzen der Freiheit gleich deutlich aufgezeigt, ohne Begleitung durch die Justizwache gibt es kein Weiterkommen. In dem rund 5.900 Quadratmeter großen Neubau sind ein Verwaltungstrakt, Schulungs- und Gymnastik­ räume sowie ein Mehrzwecksaal und die Arbeitsbetriebe für Insassen untergebracht. Dazu gehören Tischlerei, Schlosserei, Wäscherei, Anstaltsküche und Unternehmerbetrieb. Diese Geschäftseinheiten produzieren aber nicht nur für den eigenen Bedarf. Auf Bestellung werden zum Beispiel Möbel nach Maß für Privathaushalte gefertigt, Uniformen der örtlichen Feuerwehr gewaschen und imprägniert, Tischwäsche an Tourismusbetriebe geliefert und Lohnstückarbeit wie zum Beispiel Kugelschreiber gefertigt oder Postwurfsendungen für den Versand vorbereitet. Bestellungen werden über die Website der Justizanstalt entgegengenommen. „Mit diesen Arbeitsbetrieben können wir Insassen eine sinnvolle Beschäftigung bieten und schaffen gleichzeitig einen Mehrwert für die Öffentlichkeit“, so Oberst Günter Wolf, Leiter der Justizanstalt. Damit die ­Insassen keine Werkzeuge in die Hafträume schmuggeln können, müssen sie nach getaner Arbeit zwei Kon­ trollschleusen passieren, um zurück in die Hafttrakte im Bestandsgebäude zu gelangen.

Bauarbeiten hinter Gittern

Holz statt Beton in den Spazierhöfen.

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Hier begannen im April 2013 die Sanierungsarbeiten. „Die größte Herausforderung war die Umsetzung der Baumaßnahmen bei laufendem Betrieb“, sagt BIG Projektmanager Wolfgang Schiechl. Wöchentlich wurden mit den Nutzern die geplanten Baumaßnahmen abgestimmt und die Arbeitsbereiche definiert, sodass der Betrieb der Justizanstalt möglichst reibungslos parallel zu den Bauarbeiten laufen konnte. „Während der gesamten Bauzeit gab es keinen einzigen nennenswerten Zwischenfall. Die Abstimmung hat Nr. 20 | 2016 | www.big.at


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EISENSTADT

Leben hinter Gittern: Durch die raumhohen Fenster dringt mehr Tageslicht in die Hafträume (links). Für Familienbesuche gibt es einen eigenen Haftraum (unten).

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Fotos: Hertha Hurnaus

bestens funktioniert. Jedoch kam die Flüchtlingskrise verbunden mit einem erhöhten Schlepperaufkommen erschwerend hinzu. Dadurch waren wir über viele Wochen am Maximum unserer Kapazitäten – räumlich wie personell“, erzählt Anstaltsleiter Günter Wolf. Trotzdem konnte der gewohnte Alltag weitestgehend aufrechterhalten werden. Um 7.30 Uhr morgens beginnt das sogenannte „Gitterklopfen“. Die Wachebeamten kon­ trollieren dabei den Zustand der Hafträume und ob sich niemand an den Fenstern oder Gitterstäben zu schaffen gemacht hat. Dann werden die Insassen zu den Arbeitsbetrieben in den Neubau gebracht, Vorführungen bei Ärzten, Psychologen oder zu Vernehmungen koordiniert und Ansuchen der Insassen eingesammelt. Darüber hinaus sind Besuche und Hofspaziergänge abzuwickeln. Um 15.00 Uhr erfolgt für alle Insassen der Einschluss in die Hafträume und danach die Übergabe an den Nachtdienst. „Seit sich nach Abschluss der Bauarbeiten der Regelbetrieb wieder eingependelt hat, können wir auch nach Einschluss für Die Betriebe der Justizanstalt einzelne Gruppen noch kleinere Sportaktivitäten zusätzproduzieren für Privatpersonen, lich unterbringen. Ein Freizeitkoordinator aus der Justiz­ Vereine und Unternehmen. wache kümmert sich um die Abwicklung und sorgt dafür, dass Komplizen stets getrennt voneinander bleiben“, berichtet Wolf. Auch räumlich hat sich seit Abschluss der Sanierungs­ arbeiten in der Justizanstalt Eisenstadt vieles verändert: Die Hafträume wurden von Vier- bis Sechs-Bett-Einheiten auf Ein- bis Zwei-Bett-Einheiten umgebaut. Nun können in ›

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THEMA JUSTIZZENTRUM EISENSTADT

Hinter Gittern Justizanstaltsleiter Günter Wolf ist seit 36 Jahren als Justizwachebeamter tätig und trägt die Verantwortung für 72 Mitarbeiter und derzeit 120 Untersuchungshäftlinge, 52 Strafgefangene, sieben weibliche Insassen und 13 Strafgefangene in elektronisch überwachtem Hausarrest.

Foto: Richard Tanzer

■ Wie haben sich die Arbeitsbedin­ gungen der Justizwache seit Beginn Ihrer Karriere verändert? Wolf: Anfangs war jede persönliche Interaktion zwischen Wache und Insassen auf rein dienstliche Belange beschränkt. Uhren, Fernseher, Duschen oder Toilettentüren gab es in den Hafträumen nicht. Heute verfügt jeder Haftraum in der Justiz­ anstalt Eisenstadt über eine eigene „Nasszelle“ mit Dusche und Toilette,

Oberst Günter Wolf ist stolz auf seine „neue“ ­Justizanstalt.

Fernsehanschluss und raumhohe Fenster, die für viel Tageslicht im Raum sorgen. Ist es Luxus, eine Haftstrafe in Eisen­ stadt zu verbüßen? Wolf: Wir gestalten den Strafvollzug genau entsprechend der geltenden Gesetzeslage, und die hat sich dahingehend verändert, dass mehr Raum und Beschäftigungsmöglichkeiten für Insassen geboten werden, um die Chancen auf Resozialisierung zu erhöhen. In der Praxis erzeugt das nicht nur für den Häftling Vorteile, sondern sorgt insgesamt für weniger Spannungsfelder im Haus und für mehr Sicherheit für die Wache. Die Arbeitsbedingungen sind heute wesentlich besser und damit auch die Mitarbeiterzufriedenheit deutlich höher.

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Kommt Gewalt hinter Gittern noch häufig vor? Wolf: Schon seit Jahren gab es in unserem Haus keine tätlichen Übergriffe auf Wachebeamte mehr. Auch ­unter den Insassen ist die Stimmung den Umständen entsprechend gut. Gewalt steht hier also nicht auf der Tagesordnung. Aber es kommt schon vor, dass der eine dem anderen seine persönliche Haftraumordnung aufzwingen will. Was funktioniert heute vielleicht weniger gut als früher? Wolf: Die Insassen sind deutlich weniger gebildet. Früher hatten wir eine Fachkräftequote von rund 80 Prozent. Heute gibt es kaum ausgebil­ dete Handwerker, das belastet unsere Arbeitsbetriebe. Daher bieten wir verstärkt Fach- und Sprachkurse an, wo es von der Haftdauer her sinnvoll ist. Die Justizanstalt Eisenstadt grenzt an ein Wohngebiet. Wie geht es den Anrainern mit diesem ungewöhn­ lichen Nachbarn? Wolf: Als das Justizzentrum vor über 40 Jahren errichtet wurde, gab es rundherum nur grüne Wiese. Da Eisenstadt seitdem stark gewachsen ist, wurden wir sukzessive von der Stadt eingeschlossen. Unsere Präsenz war also keine Überraschung. Außerdem versuche ich auch, immer ein offenes Ohr für die Sorgen der Anrainer zu haben und zu erklären, was hinter den Mauern passiert. Die Gefahr durch Ausbrüche ist sehr gering, bislang hat es keinen einzigen Fall gegeben. Außerdem wirkt ein Justizzen­ trum nicht besonders attraktiv auf Einbrecher, wovon die Nachbarn profitieren. ‹

111 Hafträumen bis zu 160 männliche und 20 weibliche In­ sassen in Untersuchungs- und Strafhaft bis zu 18 Monaten untergebracht werden. Eine neu errichtete Haftabteilung bietet Wohngruppen für bis zu zehn „Freigänger“, die außerhalb der Justizanstalt arbeiten. Die Ausstattung mit modernster Sicherheitstechnik verbessert die Arbeitsbedingungen der Justizwache erheblich und ermöglicht effizienteren Personaleinsatz.

„Turbulenzen“

Zusätzlich hat die BIG die Spazierhöfe mit einem Kunstprojekt von BIG ART aufgewertet. Holzzäune sorgen für blickdichte Abteilung der drei Höfe und eine optische Auflockerung zwischen Maschendraht und Betonmauer. Zudem sind die Spazierhöfe intensiv begrünt und mit Obstbäumen bepflanzt. Roh behauene Bänke und Tische erlauben angenehmes Verweilen während des Hofganges. Von einem Wachturm aus Stahl und gebürstetem Blech aus lassen sich die Höfe gut überblicken. Das Projekt mit dem Titel „Turbulenzen“ stammt von „raumlabor berlin“. Turbulent oder zumindest anspruchsvoll gestaltete sich auch die Sanierung des Landesgerichts. Denn auch hier wurde bei laufendem Betrieb gearbeitet. „Insgesamt waren es sicher über 200 Baubesprechungen, an denen ich teilgenommen habe“, erinnert sich Landesgerichtspräsident Karl Mitterhöfer an die intensive Bauphase. „Jede Woche haben

«Die Gefahr durch Ausbrüche ist sehr gering, bislang hat es keinen einzigen Fall gegeben.» Oberst Günter Wolf, Leiter der Justizanstalt

wir die aktuellen Prioritäten und Bauabschnitte definiert, sodass Staub und Lärm für Mitarbeiter so weit wie möglich reduziert werden konnten“, berichtet BIG Projektmanager Wolfgang Schiechl. Während also diesseits der Staubschutzwände der reguläre Gerichtsbetrieb lief, wurde jenseits der Wände gestemmt, gebohrt und betoniert. Durch Versetzen von Wänden konnten moderne Bürozuschnitte erzielt werden. Neue Böden, frischer Anstrich und der Einbau zeitgemäßer Elektroinstallationen werten das Gebäude nachhaltig auf. „Insgesamt hat die Verzahnung der einzelnen Arbeitsschritte bestens funktioniert und wir haben uns sehr gut aufgehoben gefühlt. Während sensibler Gerichtsverfahren wurde die Arbeit zeitweise sogar unter­ brochen, um in Ruhe verhandeln zu können“, analysiert Mitterhöfer rückblickend. Heute sind die Staubschutzwände, Lärm und Schmutz Vergangenheit. Zwar wird wohl auch in Zukunft der Besuch des Justizzentrums Eisenstadt mit gemischten Ge­ fühlen verbunden sein, aber das liegt nun nicht mehr an Justitias Hülle, sondern ist rein anlassbezogen. ‹ Nr. 20 | 2016 | www.big.at


JUSTIZZENTRUM

EISENSTADT

Foto: Hertha Hurnaus

Eine Stunde Hofgang pro Tag steht den Insassen zu. Sportgeräte, Sitzbänke und großzügige Begrünung sorgen für Ablenkung vom Haftalltag.

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THEMA GEISTERJÄGER

Wo der Spuk wohnt

Der Immobilienmarkt basiert auf Fakten. Seitenlange Verträge dokumentieren Eckdaten der Liegenschaften bis ins kleinste Detail. Doch nicht immer sind Tatsachen entscheidend. Stimmt das Bauchgefühl nicht, werden oft auch paranormale Ursachen gesucht. Die Immobilienbewertung der etwas anderen Art. Von Marlene Schloffer

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Foto: Fotolia –frenta

oderne Büros in gutem Zustand. 2.000 Qua­ dratmeter Nutzfläche. Ausstattung und Lage top“, so in etwa lautete das Inserat für ein Kaufobjekt in Wien. Das zuständige Maklerbüro hatte schnell einen Interessenten gefunden. Die Verhandlungen waren erfolgreich, die Verträge vorbereitet. Der Abschluss eigentlich reine Formsache. An einem Montag sollte der Kaufvertrag unterzeichnet werden. „Alles war bestens“, erinnert sich der mit dem Objekt betraute Makler. Und dann kam alles anders. Ein paar Tage vor der geplanten Vertragsunterfertigung bat der potenzielle Eigentümer um eine weitere Besichtigung. Seine Frau sei in der Stadt und würde das Büro gerne vorab besichtigen. Ein Termin wurde also fixiert. Zur Begehung der Räumlichkeiten kam es allerdings nie. „Wir hatten nur die Tür geöffnet, als die Frau nach einem kurzen Blick in den Flur meinte: ,Dieses Büro nimmst du nicht.‘“ Darauf folgte „großes Erstaunen“, die Verträge wurden letzten Endes nicht unterzeichnet. Der Grund für den geplatzten Deal: die Lage der Toiletten. „Wie wir erfahren haben, war die Toilette an der falschen Stelle. Nach Feng-Shui fließt das Geld also sprichwörtlich wie Wasser beim Klo runter“, so der Makler. Für ihn und den Interessenten hieß es in diesem Fall also: Zurück zum Start! Das Beispiel illustriert: Für den Abschluss eines Mietoder Kaufvertrags zählen nicht nur Zahlen, Daten und Fakten. Eckdaten wie Lage, Größe oder Ausstattung wiegen oft vergleichsweise wenig, wenn der Bauch etwas anderes sagt. Den entscheidenden Ausschlag geben oft „weiche“ Faktoren. „Das beginnt beim ersten Eindruck und dem ge-

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Foto: Richard Tanzer / Illustration: Fotolia – Piumadaquila

GEISTERJÄGER

„Rund 6.000 Fotos und rund 18 Stunden Videomaterial sind nach einer rund dreistündigen Standardinvestigation auszuwerten“, ­erklärt Gabler, ­während er eine ­Kamera am Dach­ boden montiert.

nerellen Wohlbefinden in den Räumlichkeiten“, erklärt Georg Spiegelfeld, Geschäftsführer von Spiegelfeld Immobi­lien. Und geht durchaus darüber hinaus. „Es passiert oft, dass jemand vor ­einem Kauf Wünschelrutengänger durchschickt“, weiß Spiegelfeld aus Erfahrung. Auch nach dem Vertragsabschluss werden immer wieder Probleme gemeldet, die sich mit dem klassischen Repertoire eines Immobilienmaklers nur schwer bewältigen lassen. „Es gibt Kunden, die in einem bestimmten Raum nicht schlafen können oder den Eindruck haben, an einer Stelle ist etwas“, so Spiegelfeld. Ist ein Umzug bzw. Verkauf der Immobilie ausgeschlossen, werden andere Lösungen gesucht: „Neben Wünschelrutengängern konsultieren die Kunden auch Feng-Shui-Gurus oder Geisterjäger, um sich wieder wohlzufühlen“, weiß Spiegelfeld.

Weihrauch und Hokuspokus

Davon kann Wilhelm Gabler, Obmann der Vienna Ghost­ hunters, ein Lied singen. „Immer wieder melden sich Privatpersonen bei uns, damit wir ihre Wohnung auf Para­ normales untersuchen.“ Vieles bei solchen Investigationen seien „reine Ambiente-Geschichten“, wie Gabler betont. Nr. 20 | 2016 | www.big.at

„Weihrauch ist so ein klassisches Beispiel, da sagen wir jedes Mal: Der dient nicht der Wohnungssäuberung, sondern ausschließlich zur Beruhigung des Klienten.“ Generell ist der Zugang der Vienna Ghosthunters – im ersten Schritt – überraschend bodenständig: „Wenn jemand ein Klopfen oder Stimmen hört, dann prüfen wir zuerst, ob die Heizkörper entlüftet sind, und vermessen die Rohre und Leitungen in der Wand“, erklärt Gabler. Bei Kopfschmerzen oder Atembeschwerden wird beispielsweise auf unentdeckten Schimmel geprüft. „Wir suchen immer nach natürlichen Ursachen für den angeblichen Spuk. Bei Privatinvestigationen konnten wir bisher 100 Prozent der gemeldeten Fälle erklären.“ So auch, als ein Mann die Geisterjäger wegen „kalter Schauer“ zu Hilfe rief, die ihn in den eigenen vier Wänden heimsuchten. Ein ­In­frarotthermometer identifizierte schließlich die „Cold Spots“ als physikalisches Phänomen. „Die meisten Menschen heizen im Wohnzimmer mehr als im Schlafzimmer. So auch in diesem Fall. Die dadurch entstehenden Luftströmungen können als unan- ›

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THEMA

Taschenlampe, Kamera und Tonaufnahmegerät gehören zur Basisausstattung der Geisterjäger. „Manche Klienten sind fast ein wenig enttäuscht, wenn wir nicht mit einem Staubsauger kommen wie in den Filmen“, so Gabler.

Fotos: Richard Tanzer (rechts) / Michael Hetzmannseder (unten)

GEISTERJÄGER

«Es muss nicht Mitternacht sein. Aber wir gehen grundsätzlich schon lieber nachts auf die Suche, weil da weniger Nebengeräusche und andere Störfaktoren vorhanden sind. Denn die Geräte nehmen ja alles auf.» Wilhelm Gabler, Obmann der Vienna Ghosthunters

Die Uniformen der Vienna Ghosthunters sind schwarz. „Nicht weil wir so böse sind, sondern weil Infrarot Schwarz schluckt. Die Reflektoren brauchen wir, damit wir uns selbst erkennen auf dem Bildmaterial“, erklärt Gabler.

genehm wahrgenommen werden. Mit Spuk hat das also gar nichts zu tun – wie bei fast allen Investigationen“, so Gabler. Gesucht wird dennoch regelmäßig. „Kann sein, dass wir Glück haben“, meint Gabler, als er und zwei weitere Geisterjäger in schwarzen Uniformen ein leer stehendes Bürogebäude im siebten Wiener Gemeindebezirk betreten, „aber einfach mal ins Blaue suchen bringt in der Regel nichts.“ Es ist ein später Nachmittag im Oktober, noch ist es nicht finster, aber „das ist egal“ – die „Geisterstunde“ sei sowieso überbewertet. „Es muss nicht Mitternacht sein. Aber wir gehen grundsätzlich schon lieber nachts auf die Suche, weil da weniger Nebengeräusche und andere Störfaktoren vorhanden sind. Denn die Geräte nehmen ja alles auf.“ Zur „Jagd“-Ausrüstung zählen nicht nur handelsübliche Kameras für sogenannte „Fotofallen“ (die auf Bewegung reagieren) und simple Tonbandgeräte, sondern beispielsweise auch Infrarotkameras mit hochsen­ siblen Mikrofonen oder einfache EMF-Meter aus dem Baumarkt zur Messung elektromagnetischer Felder. Die ersten Messgeräte werden von den „Paranormal Investigators“ (wie der Schriftzug auf den Uniformen verkündet) im Keller platziert. Gestartet hat die „Jagd“ aber längst. Denn ab ­Betreten des Gebäudes beginnen die Vienna Ghost­ hunters mit der sogenannten Blind­fotografie. „Wir machen Fotos, ohne durch den Sucher der Kamera zu schauen. Ob wir etwas finden, zeigt sich aber erst im Nach­hinein“, so Gabler. Der Großteil der Arbeit folgt am nächsten Tag: Die Auswertung mehrerer tausend Fotos und 18 Stunden Videomaterial, die bei einer dreistündigen Standardinvestigation entstehen. „Bei der Analyse

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versuchen wir, alles wissenschaftlich Erklärbare auszuschließen“, so Gabler. 98 Prozent der Investigationen der ­Vienna Ghosthunters hätten „natürliche Ursachen und sind wissenschaftlich erklärbar“. Bleiben zwei Prozent der Fälle übrig – für die interessieren sich Gabler und sein derzeit sechsköpfiges Team besonders: „Diesen ganz kleinen unerklärbaren Anteil bezeichnen wir als paranormal.“ Dieser Definition können sich allerdings nicht alle anschließen.

Der Skeptiker

„Grundsätzlich sind wir uns ,eh fast‘ einig“, meint Florian Aigner, Vizepräsident der Gesellschaft für kritisches Denken. „Über die 98 Prozent streiten wir nicht. Und bei den übrigen zwei Prozent sage ich aber: Hier gibt es ebenso ­eine wissenschaftliche Erklärung, man muss nur noch ­genauer hinschauen. Mediziner würden ja auch nicht von einer geisterhaften Krankheit, sondern von einer fehlenden Diagnose sprechen“, so Aigner. Der Physiker, Autor und Wissenschaftserklärer behandelt nicht nur handfeste Themen, sondern auch „Unsinnig­ keiten aus Esoterik und Pseudowissenschaft“ nach dem Motto: „Was man nicht ­erklären kann, das hat man nicht verstanden.“ Der Zugang des selbst­ ernannten Skeptikers ist klar: „Es gibt Effekte, die messbar, spürbar sind. Und dann gibt es Dinge, die hineininterpretiert werden. Es ist die letzte Schlussfolgerung in der Beweiskette, die ich nicht nachvollziehen kann.“ Im Fall von ­Nebelbildern oder TonNr. 20 | 2016 | www.big.at


Foto: Fotolia – Bernd Libbach

GEISTERJÄGER

Wurde in einer Immobilie ein Mord begangen, kann das beim zukünftigen Nutzer starkes Unbehagen auslösen.

bandaufnahmen würden Gesichter ersichtlich oder Stimmen hörbar, „weil wir Menschen darauf trainiert sind, Muster zu finden. Das erklärt sich mit der Evolution: Es ist besser, Muster zu erkennen, als sie zu übersehen. Beleg für Spuk ist das keiner“, so Aigner. „Wir versuchen, Spuk zu belegen. Aber das ist unmöglich. Dann wäre es ja wissenschaftlich und nicht mehr paranormal“, erklärt Gabler schmunzelnd. Woher – trotz fehlender wissenschaftlicher Beweise – der Glaube an das Übersinnliche kommt? „Das Unerklärbare ist immer interessanter“, meint Gabler. Und in dieser Geisteshaltung sieht sich der Obmann bestätigt, denn die Nachfrage am unentgelt­lichen Dienst der Vienna Ghosthunters steigt nach eigenen Angaben. „Manchmal sind wir allerdings mehr Sozialarbeiter als Geisterjäger“, so Gabler, „denn viele Menschen sind einsam.“ Oft reiche es schon, eine Pflanze aufzustellen und ein Bild an die Wand zu hängen, um den Wohlfühlfaktor der Bewohner bei vermeintlichem Spuk wiederherzustellen. Das sei aber von Kunde zu Kunde verschieden.

Aufklärungspflicht bei Todesfall?

Das weiß auch Makler Georg Spiegelfeld: „Manche Interessenten sind empfindlicher, andere weniger.“ Das verlange Sensibilität und Aufrichtigkeit: „Wenn beispielsweise jemand in einer Wohnung verstorben ist, sagen wir das bei der Besichtigung. Nachfragen tut aber in der Regel niemand. Die meisten sehen das wohl nicht so eng. Sterben ­gehört ja zum Leben“, meint Spiegelfeld. Etwas anders sei die Sache bei Gewaltverbrechen: „Im Fall eines Mords sehe ich es als moralische Verpflichtung, etwas zu sagen. Ich würde das auch wissen wollen“, so Spiegelfeld. Martin ­Hübner, Leiter der Rechtsabteilung der BIG, teilt diese Ansicht: „Ein natürlicher Tod wird vergleichsweise eher unbedeutend sein, aber ein Mord – insbesondere kurz vor der Vermietung oder dem Verkauf – kann beim Bewohner starNr. 20 | 2016 | www.big.at

kes Unbehagen erzeugen. Das muss jedenfalls proaktiv kommuniziert werden. Gerichtlich ist so etwas aber wohl immer eine Einzelfallentscheidung.“ Dass der neue Eigentümer oder Mieter davon erfahre, ist laut Spiegelfeld aber ohnehin unumgänglich: „In dem Moment, wo der neue Bewohner einzieht, kommt sowieso der Nachbar und redet.“ Spuk sei ihm „trotz 45 Jahren Immobilienerfahrung“ noch keiner untergekommen. Anders das Ergebnis der Geisterjagd in dem leer stehenden Bürogebäude. „Jetzt haben wir was“, sind die „Jäger“ überzeugt. Am alten Dachboden des Hauses werden die eben durchgeführten Tonbandaufnahmen abgespielt. Dem ungeschulten Ohr entgeht allerdings das vermeintliche Klopfen oder Wispern. Für die Geisterjäger tut das der Sache keinen Abbruch. Skepsis sind sie gewohnt. „Der Ruf ist nicht rosig“, weiß Gabler. Insbesondere Immobilien­ firmen hätten naturgemäß eine gewisse Scheu gegenüber den Ghosthunters. „Wohnungen mit Spuk verkaufen sich wohl nicht so gut“, meint Gabler. Bestes Beispiel liefert China. ­Sogenannte „Haunted House“-Listen (z. Dt.: Geisterhaus-Listen) dokumentieren nicht nur den Ort des ver­ meint­lichen Spuks, sondern beschreiben auch, wer wann wie gestorben ist. Auf Stadtkarten werden die betroffenen Liegenschaften mit kleinen Geistersymbolen markiert. Dementsprechend niedriger sind die Preise solcher Immobilien am Markt. Denn die Nachfrage an Spukbauten ist – wenig überraschend – eher gering. „Davon sind wir in Österreich weit entfernt“, meint Makler Spiegelfeld. Gabler bestätigt: „Es gibt sogar Klienten, die sind richtig enttäuscht, wenn wir nichts finden. Aber der Spuk wartet nicht auf uns.“ Bekannte Geisterhäuser seien die Ausnahme. „Es gibt Schlösser, da redet das ganze Dorf davon, dass es dort spukt. Aber diese Gespenster sind meistens harmlos“, sagt Spiegelfeld augenzwinkernd. Und genau genommen gehören Geister da ja auch irgendwie dazu. ‹

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THEMA

Noch ist der Innenhof in der Wollzeile nicht ganz so grün, wie sich die Architekten vom Büro Silberpfeil das vorgestellt haben. Aber das braucht Zeit.

Foto: Fotolia –stockphoto-graf

GREEN BUILDING

Keine Pflanzerei Green Building wörtlich genommen: Die BIG setzt bei der Sanierung eines Wiener Gymnasiums auf Begrünung, um auf diesem Weg zusammen mit Experten zukunftsweisende Gebäudekonzepte in innerstädtischen Gebieten zu erforschen. Von Andre Exner

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Foto: Fotolia

ie grünste Schule Österreichs steht direkt in Wien: Wenige Meter vom Gürtel entfernt, wo täglich Zehntausende Autos mit ihren Abgasen die Umwelt verpesten, findet man sich im siebten Wiener Gemeindebezirk in einer begrünte Ruheoase wieder. Das Gymnasium GRG7 in der Kandlgasse wird seit knapp zwei Jahren zu einer „GrünPlusSchule im Ballungszentrum“ umgestaltet – ein Pilotprojekt, dem weitere folgen sollen. Das Ziel: aus einem typischen Schulgebäude des vorvergangenen Jahrhunderts eine hochmoderne, effizi­ ente und nachhaltige Bildungsstätte für die kommenden Generationen zu schaffen und dabei Erkenntnisse und Daten für weitere Projekte zu sammeln. Eine Idee mit einer Vor­geschichte, wie Georg Waschulin, Direktor der Schule, dem BIG Business erzählt. „Der Einfall kam mir bei einem Spaziergang in Paris, wo ich ein altes, öffentliches Gebäude mit einer komplett begrünten Fassade gesehen hatte“, sagt er. „Da habe ich daran gedacht, welche Aufwertung eine ­solche Umgestaltung für das Gebäude, seine Nutzer, aber auch für die gesamte Umgebung sein kann.“ Denn eine Unterrichtsstätte hat beste Voraussetzungen für ein solches Projekt: Green Building, sprich, die modernsten und umweltfreundlichsten Konzepte für Neubau und Sanierung im Rahmen einer Schule umzusetzen, schafft genau dort das Bewusstsein für Effizienz und Nachhaltigkeit, wo es am wichtigsten ist – bei den Jugendlichen. „Wir haben bei unserem Projekt die Schülerinnen und Schüler bewusst integriert und ganze Wände in Klassenräumen und der Aula gemeinsam bepflanzt, was allen sichtlich großen Spaß gemacht hat. Auch im Unterricht können wir Themen wie Nachhaltigkeit, umweltfreundliche Energieträger oder Green Building nun perfekt abbilden, weil wir die entsprechenden Beispiele sozusagen direkt vor Ort haben.“ ›

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Foto: Harald A. Jahn

GREEN

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THEMA GREEN BUILDING

Üppige Grünflächen an der Fassade des Innenhofes, am Dach und in den Klassenzimmern dienen nicht nur zur Zierde – sie verbessern die Luftqualität und werden mit Fotovoltaik-Paneelen kombiniert, die Ökostrom erzeugen, der ins Netz eingespeist wird. Mehrere Experten der Universität für Bodenkultur (BOKU) sowie der TU Wien, unter Leitung der TU-Professorin Azra Korjenic vom Institut für Hochbau und Technologie, halfen, das interdisziplinäre ­Projekt umzusetzen. „Heizen, Kühlen, Neubau, Abriss: Die Großstädte sind mit ihren Gebäuden, Baumaterialien und vielen anderen potenziellen CO2-Quellen heute für rund vier Fünftel der globalen CO2-Emissionen verantwortlich“, sagt Korjenic. „Gleichzeitig besagen Prognosen, dass im Jahr 2050 zwei Drittel aller Menschen in Städten leben werden. Daher braucht es heute schon Pilotprojekte, um zu erforschen, wie wir den Bestand der Städte zukunftsfit machen.“ Die Kandlgasse wurde als Pionier-Projekt mit meh-

«Unser großer Vorteil war, mit der BIG einen langfristig orientierten und auf Nachhaltigkeit bedachten Eigentümer der Immobilie zu haben, der bereit war, die Investition mitzutragen.» Georg Waschulin, Direktor

reren Versuchsflächen ausgestattet. So wurden am Dach und an den Außenwänden im Innenhof mehrere lichtdurchlässige sowie undurchsichtige Fotovoltaik-Module und diverse Pflanzenarten mit unterschiedlichen Substraten angebracht, um zu messen, was bei einem künftigen breit angelegten Rollout des Konzepts am besten funktioniert. Denn öffentliche Gebäude, wo eine Begrünung kombiniert mit Grünstromerzeugung der beste Weg der Sanierung wäre, gibt es in Österreich viele – nicht nur in Wien; und bei Weitem nicht nur im schulischen Bereich.

Alles grün

Das Projekt Kandlgasse zeigt, dass man sehr wohl auch ein altes und stark beanspruchtes Gebäude zukunftsfit machen kann, indem man nicht nur die Energieeffizienz, sondern auch die Standort- und Lebensqualität erhöht. „Tatsächlich merken wir in den begrünten Klassen, dass die Luftfeuchtigkeit viel höher und die Luftqualität viel besser ist“, meint Waschulin. „Aber selbst dass die Schüler nicht Grau, sondern Grün sehen, wenn sie aus dem Fenster blicken, ist schon eine spürbare Aufwertung.“ Als Nächstes soll im Frühjahr 2017 auch die Außenfassade Richtung Kandlgasse begrünt werden. Zudem habe die Stadt Wien genehmigt, eine Art „grünes Eck“ an der Kreuzung vor dem Schulgebäude zu errichten und dort Sitzbänke zu installieren, das das Konzept in den öffentlichen Raum trägt – ge­rade an diesem ansonsten doch recht grauen Fleck in der Großstadt eine deutliche Verbesserung.

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So überzeugend das Projekt „GrünPlusSchule“ auch ist, die Umsetzung war nicht einfach – denn zunächst galt es, den Stadtschulrat Wien vom Projekt zu überzeugen. Und dieser wollte aus finanziellen Gründen lange nicht mit­ machen. Erst als die BIG an Bord kam, wurde der Antrag Waschulins genehmigt. „Üblicherweise übersteigen die Kosten einer Begrünung jedes Schulbudget bei Weitem. Dort ist höchstens einmal für Blumentöpfe Platz, die die Schüler in den Sommerferien am besten noch nach Hause mitnehmen müssen, um sie dort zu pflegen“, sagt der Direktor. „Unser großer Vorteil war, mit der BIG einen langfristig orientierten und auf Nachhaltigkeit bedachten Eigentümer der Immobilie zu haben, der bereit war, die Investition mitzutragen.“

Transport von Botschaften

Tatsächlich ist Green Building in der harten Geschäftswelt, wo private Bauherren auf private Mieter treffen, heute oft noch nicht viel mehr als ein Marketinginstrument. Das erklärt, warum sich – international betrachtet – die meisten grünen Gebäude nicht in der City, sprich in „Core“- oder ALagen, befinden, sondern in B- oder C-Lagen, so eine Analyse des Immobilienconsulters CBRE. Passt die Lage nicht ganz, nimmt der Entwickler gerne eine sechsstellige Euro-Summe in die Hand, um sie einem der vielen international tätigen grünen Zertifizierer zu überweisen und diese Ausgaben in der Rubrik „Marketingausgaben“ zu verbuchen; in der Hoffnung, damit gute und zahlungskräftigere Mieter an die Peripherie zu locken. Manche Zertifizierer sehen sich Gebäude nicht einmal vor Ort an, sondern machen nur ihre Häkchen auf einer Liste, je nachdem, wie viele Fahrradabstellplätze beziehungsweise Ladestationen für E-Autos vorhanden sind oder ob eine als umweltfreundlich geltende Heizungsform installiert wurde. Neben Gewerbeimmobilien vom Einkaufszentrum bis zum Hotel werden so inzwischen auch Wohnbauten oder sogar Sportplätze zertifiziert. Ob und wie ein Bauwerk in seine Umgebung integriert ist und ob eine nachhaltige Nutzung möglich ist, steht selten zur Debatte – dabei ist es die größte Umweltbelastung, wenn ein als grün zertifiziertes Gebäude nach 50 Jahren wieder abgerissen wird, um einem neuen, wieder als „Super-Öko“ zertifiziertem Bau zu weichen. „Dabei kann von einer genauen und ernst formulierten Definition des Begriffs Nachhaltigkeit auch der Auftraggeber profitieren“, meint Neil Blake, Head of Research bei CBRE in London. „Wer Geld dafür in die Hand nimmt, zukunftsfit zu bauen, schafft Objekte, die eine Message transportieren. Das heißt, eine Verbindung zu grünen Technologien stärkt die Marke. Damit der Trend alle Auftrag­ geber erfasst, braucht es allerdings noch ein Umdenken am Markt, sprich, sowohl die Mieter als auch die Eigentümer der Immobilien müssen vermehrt so denken.“ Diesem Ansatz hat sich in Österreich von den börsen­ notierten Unternehmen mit privaten Kunden als Erstes die CA Immo verschrieben: Sie baut seit sechs Jahren nur Green Buildings und lässt zunehmend auch den Bestand hochwertig sanieren und nachzertifizieren. „Dass ein Gebäude ,green‘ ist, ist mittlerweile ein Qualitätskriterium, das von Nr. 20 | 2016 | www.big.at


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Fotos: TU Wien

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Investoren, sprich den Immobilienkäufern, bei einer CoreImmobilie vorausgesetzt wird. Bei Mietern ist natürlich Energieeffizienz in der Bewirtschaftung ein Thema, allerdings sind hier Faktoren wie Lage, Flächeneffizienz nach wie vor ausschlaggebender für die Mietentscheidung“, sagt CEO Frank Nickel. „Nachhaltiges Bauen und Bewirtschaften hat aber auch für uns als Bauherren einen hohen Stellenwert, wir sehen diesen Ansatz als Notwendigkeit, um unsere Immobilien langfristig wettbewerbsfähig zu halten und gut am Markt positionieren zu können.“ Nickel beziffert die Kosten für tatsächlich, also wirklich durchdachte Green Buildings mit zwei bis vier Prozent der gesamten Baukosten – mehr als eine „gekaufte“ Plakette, aber dafür nachhaltig wertsichernd. „Unsere im Vorjahr fertiggestellte Büroimmobilie Kennedy-Haus in Berlin hat eine Platin-Zertifizierung und weist den höchsten derzeit erzielNr. 20 | 2016 | www.big.at

baren Nachhaltigkeitsgrad auf“, nennt er ein aktuelles Beispiel. Das kommt auch bei den Mietern an, die dafür ein höheres Preisniveau akzeptieren. Auch die BIG denkt lange nicht nur bei Bildungseinrichtungen – neben der Kandlgasse etwa bei der Sanierung der Bundeslehr- und Forschungsanstalt mit Schwerpunkt Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in Raumberg-Gumpenstein in der Steiermark sowie beim Bildungscampus in der Smart City der Seestadt Aspern – in Generationen. So hat auch die BIG-Tochter ARE mit der Büroim­ mobilie „Hängende Gärten“ in der Wollzeile in der Wiener Innenstadt eine hochwertige Althaussanierung mit Begrünung umgesetzt und Flächen im Innenhof des Gebäudes geschaffen, die als Rückzugsorte in der hektischen Wiener City gelten können. Green Building im wahrsten Sinne des Wortes also – und keine „Pflanzerei“. ‹

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Alle freien Stellen der Schule werden bepflanzt. Die Ergebnisse sind bis dato überwiegend positiv und die Luftqualität in den Klassen ist auch in Ordnung, wenn die Köpfe rauchen.

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THEMA WOHNBAUINITIATIVE

Überblick dringend gesucht Wien erlebt in den kommenden Jahren aufgrund des Bevölkerungswachstums die mit Abstand größte Wohnbautätigkeit seit Jahrzehnten. Belastbare Daten zu Historie oder zukünftigem Bedarf gibt es nur bedingt. Von Eduard Platzenteig

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Foto: Fotolia – ra2 studio

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rognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Dieses geflügelte Wort umschreibt ganz gut die derzeit größte Herausforderung für den Wiener Wohnungsmarkt. Steigende Preise, verknapptes Angebot, immer kleiner werdende Haushalte sowie unkalkulierbare Migrationsströme sind unübersehbare Tendenzen. Wie viele neue Wohnungen Wien pro Jahr benötigt, weiß keiner so wirklich. Und auch nicht, welche. Denn klar ist: Die Finanzkraft der Zuwanderer ist auch alles andere als homogen. Generell divergieren die Berechnungen dementsprechend stark in einer Bandbreite von unter 10.000 bis fast 20.000 neu zu bauenden Wohnungen pro Jahr. Evident ist, dass die stark angestiegene Bevölkerungs­ dynamik im vergangenen Jahrzehnt Wien im Vergleich zu Rest-Österreich stärker betroffen hat – mit einer jährlichen Wachstumsrate von rund einem Prozent, was doppelt so viel ist wie im Bundesdurchschnitt. Wie es nun weitergeht, ist ungewiss: Die Statistik Austria musste bereits vergangenes Jahr aufgrund des verstärkten Anstieges der Flüchtlingszahlen ihre Prognosen revidieren, demnach wird voraussichtlich schon 2023 die magische Zwei-Millionen-Marke überschritten werden (aktuell sind es 1,84 Millionen). Gesichert scheint auch, dass Wien weiterhin das mit Abstand stärkste Bevölkerungswachstum aller Bundesländer haben wird. Die Neubauleistung kann mit dieser sprunghaften Entwicklung – insbesondere im Vorjahr – jedoch nicht Schritt halten. Wiewohl auffällig ist, dass es gar keine exak- ›

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WOHNBAU

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THEMA

Foto: Erdberger Lände 36-38 Projektentwicklung GmbH

WOHNBAUINITIATIVE

Gemeinsam mit Premium Immo­ bilien entwickelt die ARE Development in der Erdberger Lände 36–38 bis 2020 rund 800 Miet- und Eigentums­ wohnungen.

Foto: JAM JAM 2016

Im Frühjahr 2017 werden drei neue Mietwohnungen in der Kandlgasse 4 in Wien-Neubau bezugsfertig.

ten Zahlen gibt, sondern allenfalls Schätzungen. Das ist für Experten wie Wolfgang Amann, Geschäftsführer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen, freilich ein klares Manko: „Bei den Fertigstellungsanzeigen in Wien gab es bis zum Jahr 2012 eine massive Untererfassung, die bis heute nicht bereinigt ist.“ Für Prognosen relevanter und zuverlässiger seien daher wohl die erteilten Baubewilligungen für Neubauwohnungen, da die betroffenen Bauten meist zwei bis drei Jahre später fertiggestellt und marktwirksam werden. Bei dieser Zählgröße gäbe es via Zentrales Melderegister nunmehr auch zuverlässige Daten für Wien. 2015 lag die Anzahl der Baubewilligungen bei 12.400, wiewohl auch hier eine Unschärfe vorhanden ist, denn es kann ja noch nicht exakt gesagt werden, ob und wann genau eine baubewilligte Wohnung fertiggestellt wurde. „Im frei finanzierten Bereich hat die Stadt Wien ab dem Zeitpunkt des Baubeginns keinen Einfluss mehr auf die Realisierungsdauer“, heißt es dazu von der Stadt Wien, die zugleich davon überzeugt ist, nicht exakte Jahreskontingente, sondern die „mittelfristige Wohnungsschaffung“ sei von Relevanz.

Visualisierung: B18 Architekten

Keine amerikanischen Verhältnisse In der Leopolds­ gasse 18–20 baut die ARE das Dachgeschoß zweistöckig aus und schafft damit Raum für zehn Mietwohnungen.

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Dennoch gab es in der jüngeren Vergangenheit vor allem aus dem privaten Bauträgersektor teils dramatische Appelle an die Politik, die Anstrengungen zu erhöhen und rasch für mehr Wohnraum zu sorgen. „Das Immobilienangebot ist zu klein für den Ansturm, und die Preise werden explodieren. Obdachlosigkeit, Armut und amerikanische Verhältnisse – das will die private Immobilienwirtschaft nicht“, mahnte etwa Wirtschaftskammer-Bauträgersprecher Hans Nr. 20 | 2016 | www.big.at


WOHNBAU

INITIATIVE

«Der Markt hat noch Elastizität. Aber wenn die Balance zwischen Angebot und Nachfrage halbwegs ausgewogen bleiben soll, dann braucht es erheblichen Wohnungsneubau.»

Jörg Ulreich. Auch Andreas Holler von der ­BUWOG sieht eine Wohnungsnot, wenn nicht gegengesteuert wird. So rechnete Holler vor, dass sich durch den Zuzug im Vorjahr ein zusätzlicher Bedarf von 21.600 Wohnungen er­geben hätte, da die durchschnittliche Haushaltsgröße bei zwei Personen liege. Bei einem geschätzten Zuwachs von jährlich 10.000 Wohnungen ergebe das eine Angebots­lücke von mindestens 11.000 Wohnungen pro Jahr. Amann sieht es nicht ganz so dramatisch: „Laut der Prognose unseres ­Instituts sind es in Wien 17.500 Wohnungen pro Jahr, die ­erforderlich wären, um die Märkte balanciert zu halten.“ Denn nicht vergessen werden dürfe, dass eine entsprechend große Zahl an benötigten Wohnungen als Ersatz für abgerissene Bauten hinzukomme. Wie groß das Delta auch tatsächlich sein mag, ein untrüglicher Indikator für die hohe Nachfrage ist jedenfalls immer auch der Preis. Manche Wiener Bezirke verzeichneten in den vergangenen Jahren – auch aufgrund der Wirtschaftskrise, im Zuge derer viel Kapital nach einem „sicheren Hafen“ gesucht hat – jährliche Steigerungsraten bei Eigentumswohnungen im Ausmaß von bis zu zehn Prozent. Parallel dazu sind auch die Mieten gestiegen – allerdings deutlich verhaltener. Insgesamt ist in beiden Bereichen aber bereits eine deutlich geringere Dynamik festzustellen als in den vergangenen Jahren.

Gesunder Bereich

Fotos: Stefan Baumann

Wolfgang Amann, Geschäftsführer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen

„Der Markt hat noch Elastizität. Aber wenn die Balance zwischen Angebot und Nachfrage halbwegs ausgewogen bleiben soll, dann braucht es erheblichen Wohnungsneubau“, mahnt Amann. Die Stadt Wien ortet generell Schwarzmalerei: „Von einem Mangel oder Not zu sprechen, entbehrt jeglicher Grundlage“, heißt es etwa aus dem Wohnbauressort. Als Indikator hierfür wird die sogenannte Mobi­litätsreserve (also der marktaktive Leerstand) ins Treffen geführt. Die Mobilitätsreserve liege in Wien aktuell zwischen drei und fünf Prozent. Das sei genau der – nach internationalen Kriterien – gesunde Bereich. In absoluten Zahlen gesprochen stehen also von aktuell 1.005.000 Wohnungen in Wien derzeit rund 35.000 leer. Trotzdem hat die Stadtpolitik mit der Ankündigung mehrerer Offensiven ­reagiert. Konkret sollen in Wien laut Wohnbaustadtrat ­Michael Ludwig mehr geförderte Wohneinheiten realisiert › Nr. 20 | 2016 | www.big.at

In Wien-Landstraße entwickelte die ARE Development 31 frei finanzierte Eigentums­­wohn­un­ gen, die ­Ende 2015 an die neuen Eigentümer über­geben wurden.

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Foto: Günter Menzl

Das Wohndelta Alte Donau liegt direkt im Naherholungsgebiet. Seit Kurzem sind alle 138 Wohneinheiten verkauft und an die neuen Eigentümer übergeben.

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Info

Wohnbauinitiative der ARE Bis zum Jahr 2020 werden im Rahmen der ARE Initiative bis zu zwei Milliarden Euro in Wohnungen investiert. Mit Stand September 2016, also nur rund 19 Monate nach der Präsenta­ tion des Vorhabens, sind bereits 641 Wohnungen fertiggestellt, über 1.300 weitere befinden sich bereits in Bau und fast 4.500 Wohnungen sind derzeit projektiert. Neben einem Projekt in der Wimmergasse (siehe Zeitraffer Seite 19) zählen ein Studentenapartmenthaus in Graz, die Seniorenresidenz Mödling, das Wohndelta Alte Donau – ein ­Gemeinschaftsprojekt mit Raiffeisen evolution – und die „Rosenhöfe“ in Graz zu den bereits abgeschlossenen Projekten. Allein mit den Stadtentwicklungsprojekten „Wildgarten“, „Erdberger Lände 36-38“, „TrIIIple“ und Forum Donaustadt stehen rund 2.500 weitere Wohnungen vor Realisierung. Rund eine Milliarde der Wohnbauinitiative entfällt auf bis zu 6.000 frei finanzierte Mietwohnungen. Die zweite Milliarde investiert die ARE in bis zu 4.000 frei finanzierte Eigentumswohnungen, die teilweise gemeinsam mit Projektpartnern entwickelt und verkauft werden.

werden, womit das Gesamtvolumen für die Hauptstadt von derzeit 10.000 auf rund 13.000 Einheiten pro Jahr ansteigen würde. Teil dieses Plans sind auch neue Gemeindebauten und raschere Behördenwege. Auch die Bundesregierung hat vor Kurzem eine Wohnbauoffensive gestartet, deren Kernprojekt die Wohnbau­ investitionsbank (WBIB) ist, die als Gelddrehscheibe den Markt unterstützen soll. Ende September ist die Bank, mit deren Hilfe nach Vorstellung der Regierung in den nächsten fünf Jahren 30.000 Wohnungen zusätzlich entstehen sollen, operativ gestartet. Ziel der WBIB ist es, Kredite europä­ischer Geldgeber in der Höhe von rund 700 Millionen Euro mit zumindest 25- bis 30-jährigen Fixzinslaufzeiten an gewerbliche und gemeinnützige Bauträger weiterzuleiten. Insgesamt sollen somit Investitionen in Höhe von 5,75 Milliarden Euro ausgelöst werden. Eigentümer der Bank sind Wohnbaubanken, Bausparkassen und Sonderkreditinsti­tute, der Staat ist also nur indirekt via Haftungen beteiligt.

Mögliche Folgen

Greifen all diese Anstrengungen allerdings nicht, „werden Wohnungen noch teurer und aufgrund der höheren Nachfrage werden immer kleinere Wohnungen angeboten. Die Menschen müssen zusammenrücken, sie wohnen in größeren Verbänden oder sehen von einer Zuwanderung ab. Auch das ist eine mögliche Folge“, schildert Amann. Zustände wie in München, wo die Neubauzahl in etwa bei der Hälfte von Wien liegt, seien durchaus realistisch: Dort sei es für normale Einkommensbezieher schwierig, eine leistbare Wohnung zu finden. Detto in London, wo die Attrak­ tivität der Themse-Metropole verbunden mit der Wohnungspolitik der Stadt dazu geführt habe, dass unterste Einkommensschichten noch so einigermaßen in Sozialwohnungen unterkommen könnten. „Und auch die obersten Schichten können es sich auch bei stark steigenden Preisen richten. Aber der ganze Mittelstand bricht dann weg und muss in die Vorstädte ausweichen – verbunden mit langen Wegen“, meint Amann.

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Allerdings kommt es sprichwörtlich erstens oft anders und zweitens als man denkt. Theoretisch gibt es nämlich auch eine Kehrseite. Treffen diverse Parameter wie Bevölkerungsprognosen nicht ein oder gibt es gar – wie schon seit Langem angekündigt – die „Zinswende“, könnte der Wohnungsmarkt auf die zitierte Blase zusteuern. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios derzeit eher gering sei, könne man diese Gefahr nie ausschließen, erörtert Amann. „Denn es handelt sich ja um ein Produkt, bei dem zwischen der Investitionsentscheidung und dem Zeitpunkt der Fertigstellung mehrere Jahre liegen.“

„Deutlicher Trend zu kleineren Wohnungen“

Um sich der berühmten in der Mitte liegenden Wahrheit zu nähern, bräuchte man aber wiederum belastbare Daten. „Es ist unumgänglich, die Parameter der Statistiken transparent zu machen und die Definitionen der einzelnen Segmente sowie Zähltermine exakt vorzulegen und zu verankern, womit die zweifellos bestehenden Interpretationsunterschiede sichtbar werden“, sagt Eugen Otto, Eigentümer von Otto Immobilien. Klar sei aber auch, dass nach den tatsächlichen Bedürfnissen gebaut und somit auf sehr kompakte, durchdachte Grundrisse Rücksicht genommen werden müsse. „Es ist seit Langem wieder in allen Preisklassen ein deutlicher Trend zu kleineren Wohnungen mit kleineren Zimmern feststellbar“, erörtert Otto. Vor allem an den Schnittstellen zwischen frei finanziertem und gefördertem Wohnraum sieht er Verbesserungs- und Koordinierungsbedarf: „Es ist eine ausgeglichene politische Willensbildung herzustellen, welcher Sektor für welchen Bereich der Wohnversorgung verantwortlich ist. Es kann nicht vom vollständig privaten Bereich erwartet werden, ohne Kostendeckung, für die Bereitstellung von Wohnraum für die gesamte Bevölkerung oder einen Großteil davon verpflichtet zu werden. Es ist die Aufgabe der öffentlichen Hand, den überwiegenden Teil der geförderten und genossenschaftlichen Wohnversorgung zu koordinieren beziehungsweise zu leisten.“ Angesichts des Kostendrucks stellt sich naturgemäß zu­ dem die Frage, ob auch der in den vergangenen JahrzehnNr. 20 | 2016 | www.big.at


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ten in Wien gewachsene hohe Wohnstandard – vor allem auch im geförderten Bereich – gehalten werden kann. Von verschiedensten Seiten gibt es Diskussionsbeiträge, die ­zumindest an gewissen Wohnstandards rütteln. So plant Wien beim Wohnbau etwa eine Art Schnell­vari­ante in Form temporärer Holzhäuser an durchaus wenig attrak­ tiven Flächen wie Betriebsbaugebieten oder Bahntrassen; zudem wird ganz offen über dichtere Bebauung, weniger Frei- und Gemeinschaftsflächen sowie die Auf­lösung obligater Gemeinschaftsräume diskutiert. Und aus Salzburg kam die Idee (konkret vom Geschäftsführer der Salzburg Wohnbau, Christian Struber), raschen Wohnraum im Bereich von Einkaufszentren oder bei Tankstellen zu schaffen – nach dem Motto: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Keine Skrupel

Auch der Wiener Stadtplaner Reinhard Seiß macht sich angesichts dessen so seine Gedanken: „Auffällig ist, jedoch nicht nur in Wien, dass man heute Wohnungen in früheren Tabuzonen errichtet – also unmittelbar an Hauptverkehrsstraßen oder Eisenbahnlinien. Da gibt es mittlerweile keine Skrupel mehr“, stellt er nüchtern fest. „Das ist ein Phänomen der Zeit, das man nicht gleich verteufeln muss – sondern mit der zunehmenden Dichte und schwindender ­Bodenverfügbarkeit einhergeht“, ergänzt Seiß. Verwundert zeigt er sich hingegen über die leichtfertige Umwandlung von einst gewidmeten, aber unrentabel gewordenen Büroprojekten zu Wohnbauten. „So wird ein geplanter Büroturm am Hauptbahnhof nun zum Wohnturm, ohne dass sich im Umfeld etwas ändert.“ „Die Stadt steht unter großen Druck und tut sich schwer, genug Projekte vom Stapel zu lassen, um die große Nachfrage zu befriedigen“, meint Amann, der aber auch festhält, dass das für Umwidmungen zuständige Planungsressort mittlerweile – nach anfänglichen Schwierigkeiten – eine steile Lernkurve hinter sich habe, es aber insgesamt immer noch zu langsam mit Baulandwidmungen gehe. Demgegenüber verweist die Stadt Wien darauf, dass aktuell Widmungen im Ausmaß von 33.000 Wohnungen vorhanden seien und heuer wieder 10.000 neue hinzukämen. Dennoch: Hält diese kontinuierliche Bevölkerungsentwicklung an, wird Wien aufgrund der geografischen Gegebenheiten irgendwann buchstäblich an seine Grenzen stoßen. Laut Wohnbauressort seien aber jedenfalls „für die nächsten 25 bis 30 Jahre“ bei gleichbleibendem Wachstum ausreichend Flächen für neuen Wohnbau vorhanden – ­ohne die aus­gewiesenen Grün- und Freiflächen anzutasten. Immerhin sind rund 50 Prozent des Stadtgebiets Grünund Naturraum, vom Wienerwald über die Weingärten bis zum Na­tionalpark Donau-Auen. „Diese Flächen wollen wir schützen und erhalten. Dazu gibt es ein ganz klares Bekenntnis“, erklärt das Wiener Wohnbauressort. Um dennoch das Wachstum zu bewältigen, gelte es, verstärkt im urbanen Bereich tätig zu werden – etwa mittels Aufstockungen. „Es wird in den nächsten Jahren aber zunehmend auch höher gebaut werden. Zudem wird die engere KoopeNr. 20 | 2016 | www.big.at

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ration und Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden auch in Form von eigenen Regionalplanungen von zunehmender Bedeutung.“ Der Weg ist also weitgehend geebnet – wenn auch der theoretische Unterbau fehlt. Daher bleibt es für Experten unverzichtbar, valide Daten über den Wohnungsmarkt zu bekommen, um damit ein zielgerichtetes und effizientes Steuerungsinstrument in der Hand zu haben. „Es wäre sehr wünschenswert, wenn eine staatliche Institution wie die Statistik Austria hier alle Daten einsammelt und für alle transparent publiziert“, schlägt Alexander Bosak, Immo­ bilienconsulter und TU-Wien-Lehrbeauftragter, vor. „Und zwar am besten heruntergebrochen auf Bezirksebene. Also, wie viele Wohnungen werden pro Jahr im Miet-, Genossenschafts- oder Eigentumssektor fertig?“ Zusätzlich brauche es den allgemeinen demografischen Überblick. „Nur dann, wenn ich weiß, welche Personen in welchem Alter wo

«Auffällig ist, jedoch nicht nur in Wien, dass man heute Wohnungen in früheren Tabuzonen errichtet – also unmittelbar an Hauptverkehrsstraßen oder Eisenbahn­ linien. Da gibt es mittlerweile keine Skrupel mehr.» Reinhard Seiß, Wiener Stadtplaner

wohnen, kann ich aufgrund der Sterbetafeln das Angebot in einem Bezirk prognostizieren“, sagt Bosak, der allerdings eine derartige Datenbank als „Mammutprojekt“ ansieht, gleichzeitig aber deren Bedeutung unterstreicht. „Für alle Markteilnehmer wäre das ein unverzichtbares Element.“

Eigenes Bild

Gestandene Investoren und erfahrene Projektentwickler sehen das dagegen weniger dramatisch. Denn Papier ist geduldig. Im Klartext: Auf externe Zahlen, Daten und Fakten allein würde sich kein Wohnbauinvestor verlassen. Soft Skills wie Marktgefühl und Erfahrung sind unverzichtbar: „Die Kunst ist es, die vorhandenen Informationen zusammenzutragen und sich dann selbst ein Bild zu machen. Wir kombinieren also die vorhandenen Daten mit eigener Marktrecherche“, erklärt Christian Farnleitner, Geschäftsführer der IC Development. Wobei Farnleitner den Büromarkt im Gegensatz zum Wohnungsmarkt punkto Datenlandschaft deutlich im Nachteil sieht: „Dort ist das Datenmaterial viel gesicherter, umfangreicher, und die Quellen divergieren auch nicht so stark.“ Die eigene Meinung ist aber so oder so gefragt. Denn sogar der Volksmund empfiehlt: Traue nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast! ‹

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