BIG Business Ausgabe 1/2015

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www.big.at Ausgabe Nr. 17 • Juni 2015

Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft

Aufmarsch der Techniker

Noch stehen im Arsenal bloße Skelette. Schon bald beleben aber Spitzenforscher die vormals militärisch genutzten Gebäude.

Eine staubige Geschichte

Oft müssen alte Mauern vor einer neuen Nutzung des Grundstücks weichen. Nicht immer zur Freude der Nachbarn.

BIG BUSINESS Nr. 17 • Juni 2015 • www.big.at


INHALT

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Foto: Harald A. Jahn

BIG BUSINESS INHALT

IMPRESSUM

Foto: Richard Tanzer

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20

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Foto: Stephan Huger

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Zeitraffer

Ereignisse oder Bauvorhaben, die den BIG Konzern in den vergan­ genen sechs Monaten bewegt haben oder in Zukunft beschäfti­ gen werden.

Organisches Wachstum

Das Leben gedeiht und floriert an der Universität für Bodenkul­ tur in Wien. Wer dabei aber nur an Pflanzen und Pilze denkt, irrt. Denn an der Alma Mater Viridis ist in den letzten Jahren auch die Studierendenanzahl erheblich gestiegen. Dementsprechend hoch ist nun der Raumbedarf.

Staublastig

Wo Neues entstehen soll, muss oft zuerst Altes beseitigt wer­ den. Weil für immer mehr Gebäude das Ende der Lebensdauer gekommen ist, boomt das Gewerbe der Abrissfirmen. Auch die Bundesimmobiliengesellschaft ist aktuell mit einigen heiklen Abrissen und ihren Nebengeräuschen befasst.

40 Weniger Gerichte, mehr Gerechtigkeit

Justitia trägt Grün: Die Steiermark ist das erste Bundesland, das die Zusammenlegung kleiner Bezirksgerichte zu größeren, leis­ tungsfähigeren Standorten abgeschlossen hat.

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Todesfälle sind die Ausnahme

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Hightech-Forschung statt Weltkriegsrüstung

Foto: Richard Tanzer

40

Foto: Anna Rauchenberger

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Trotz rigoroser Sicherheitsvorkehrungen gibt es auf Baustel­ len immer wieder Unfälle. Manche davon enden sogar töd­ lich. ­Eine große Baustelle ist kein Spielplatz – es gelten strenge ­Hierarchien. Doch kann wirklich jeder Winkel überwacht wer­ den? D ­ iese Reportage zeigt, wie es um die Sicherheit bestellt ist.

Ein Hauch von Akropolis: Für Industrieromantiker versprüht die ehemalige Panzerhalle am Arsenal derzeit besonderen Charme. Nackt bis auf die Tragwerksstruktur wartet sie auf ihren Wieder­ aufbau. Ähnlich geht es vier weiteren Objekten im Arsenal. Bald werden dort aber Superrechner, Motorenprüfstände und Labore ihren Dienst für die Wissenschaft tun.

60 BIG TIME 2015 60

Eine außergewöhnliche Location, die neue „Klammer“ vulgo das Logo des Unternehmens, orangefarbenes Licht und die heimi­ sche Immobilienwirtschaft: Das sind die Zutaten für BIG Time.

IMPRESSUM Ausgabe: Nr. 17/2015 Medieninhaber & Herausgeber: Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Hintere Zollamtsstraße 1, 1030 Wien, T 05 02 44-0, office@big.at, www.big.at Geschäftsführung: Wolfgang Gleissner, Hans-Peter Weiss Chefredaktion: Ernst Eichinger Redaktion: ­Sabine Gaggl, Eduard Platzenteig, Marlene Schloffer, Alexandra Tryfoniuk Produktion und Artdirektion: Hans Ljung Lektorat: Paul Zöchbauer Foto, Titelblatt & U4: Harald A. Jahn, Stephan Huger Druck: Grasl Druck & Neue Medien GmbH, 2540 Bad Vöslau

Dieses Druckwerk zeichnet sich durch eine nachhaltige und ressourcenschonende Produktion aus und wurde klimaneutral gedruckt. Das Papier dieses Produkts stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern sowie kontrollierten Quellen und ist somit PEFC-zertifiziert. PEFC steht synonym für nachhaltige Waldbewirtschaftung. Die Zertifizierung der gesamten Verarbeitungskette vom Wald bis zum Endprodukt garantiert, dass die Holzherkunft unzweifelhaft nachvollziehbar ist und geprüft wurde. Durch unabhängige, renommierte Zertifizierungsgesellschaften wird sichergestellt, dass die Wälder nach hohen PEFC-Standards bewirtschaftet werden. PEFC-Zertifikationsnummer: HCA-CoC-0249. Klimaneutral drucken bedeutet, die CO2Emission für die Herstellung eines Druckprodukts durch den Erwerb anerkannter Umweltzertifikate auszugleichen.

PEFC zertifziert Das Papier dieses Produktes stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen www.pefc.at


Foto: Suzy Stöckl

EDITORIAL

Die BIG Geschäfts­ führer Hans-Peter Weiss (links) und Wolfgang Gleissner.

Liebe Leserinnen und Leser!

I

n zahllosen Diskussionen wird Bildung als ­Lösung für zukünftige Herausforderungen ­vieler Generationen beschworen. Den Raum dafür stellt oft die BIG zur Verfügung. Aber die BIG ist keineswegs – wie irrtümlich oft angenommen – für „die Schulen“ verantwortlich. Insgesamt befindet sich mit rund 400 Liegenschaften – überwiegend Gymna­sien, Höhe­ re Technische Lehranstalten oder Handelsakademien – nur ein kleiner Teil des Gesamtbestands (mehr als 6.500 Objek­ te) im Eigentum des Unternehmens. Der Zustand der meis­ ten BIG Schulen ist, nicht zuletzt dank der Aufträge durch das Unterrichtsministerium, sehr gut. Bei den Universitäten ist unser Anteil bedeutend höher. Konservativ gerechnet, stehen drei Viertel aller von staatlichen Universitäten ge­ mieteten Flächen im Eigentum der BIG. Wir ­haben damit al­ so einen soliden Überblick über den Zustand der Häuser. Lei­ der entspricht die öffentliche Meinung nicht immer der Rea­ lität. Denn gerade im tertiären Bildungs­bereich wurde in der letzten Dekade die Infrastruktur sehr stark modernisiert. Neben spektakulären Neubauten wie der Wirtschafts­ universität Wien, dem Unipark Nonntal in Salzburg oder dem Science Park in Linz wurden zahllose „kleinere“ Gene­ ralsanierungen oder Erweiterungen abgeschlossen. Da nicht alle Projekte im Licht der Öffentlichkeit stehen, wie beispielsweise der neue Med Campus in Graz, versucht BIG Business im Zuge einer kleinen Informationsoffensive ver­ stärkt auch alle scheinbar „unauffälligen“ Bauprojekte vor den Vorhang zu holen. So widmen wir uns in der vorliegen­ den Ausgabe beispielsweise der Wiener Universität für ­Bodenkultur, einer vergleichsweise kleinen Universität, die aber mit ihren Beiträgen zur Grundlagenforschung inter­ national überproportionales Aufsehen erregt. Die dafür notwendigen Flächen werden gerade auf den modernsten Stand gebracht. So soll das Hauptgebäude der BOKU am Türkenschanzpark ab Sommersemester 2016 wieder voll­ Nr. 17 | 2015 | www.big.at

ständig in Betrieb sein. Darüber hinaus sind mehrere Pro­ jekte gerade in Planung (siehe „Organisches Wachstum“, Seite 20). Die Technische Universität Wien wiederum konzentriert ihre Labors gerade in einem früher militärisch genutzten Gebäudekomplex im Südosten der Hauptstadt. Das Arsenal ist künftig quasi Großaufmarschgebiet der Ingenieure, Fahrzeugtechniker und Maschinenbauer. Riesige Hallen werden derzeit bis auf ihre Grundstruktur ausgeräumt und danach vollkommen neu aufgebaut. In der Reportage „High­ tech-Forschung statt Weltkriegsrüstung“ auf Seite 52 sind neben spannenden Details der später dort stattfindenden Forschungsarbeit auch beeindruckende Momente der Bau­ vorhaben fotografisch festgehalten. Ein Meilenstein für die Zentralisierung der verschiedenen Institute war die Eini­ gung zwischen BIG und TU zur Absiedelung der Wasserbau­ hallen vom Eurogate. Eine Win-win-Situation. Denn die TU erhält neue Labors im Arsenal, und die ARE Austrian Real Estate GmbH entwickelt das frei werdende Grundstück. Nach derzeitigem Stand soll dort Wohnen das dominieren­ de Thema sein. Selbstverständlich müssten auch in diesem Fall vor ­einer Neuerrichtung zuerst die bestehenden Gebäu­ de dem Erdboden gleichgemacht werden. Mit welchen Techniken das vonstattengeht, wer die großen Player am Markt sind und welche Abbrüche den verschiedenen Ge­ sellschaften des BIG Konzerns demnächst ins Haus stehen, ­lesen Sie in der Geschichte „Staublastig“ auf Seite 30. Wir wünschen Ihnen jedenfalls viel Spaß dabei!

Hans-Peter Weiss

Wolfgang Gleissner

BIG BUSINESS

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ZEITRAFFER BILANZ

Foto: Gisela Erlacher

Laufend werden Gebäude wie das ehemalige Chemiehochhaus der TU am Getreidemarkt in Wien saniert. Ein Vorzeigebeispiel für Nachhaltigkeit.

Erfolgreiches Geschäftsjahr 2014 Mieterlöse und Periodenüberschuss gestiegen – 70 Millionen Euro Dividende.

D

er zum Bundesministerium für Wissenschaft, For­ schung und Wirtschaft ressortierende BIG Konzern (BIG) mit einer Bilanzsumme von 11,7 Milliarden ­Euro hat erneut ein erfolgreiches Geschäftsjahr absolviert. Während die Umsatzerlöse aufgrund geringerer Mieter­ investitionen leicht von 946,3 Millionen auf 937,7 Millionen Euro zurückgegangen sind, stiegen die Mieterlöse von 755,2 Millionen auf 771,0 Millionen Euro. Das Betriebsergebnis erhöhte sich im Berichtszeitraum trotz leichtem Umsatzrückgang von 606,9 Millionen auf 641,4 Millionen Euro. Nach Steuern und Zinsen ergibt sich damit ein Jahresüberschuss von 419,1 Millionen Euro (2013: 358,6 Millionen), wobei rund 293 Millionen Euro aus Immo­ bilienbewertung resultieren. 70,4 Millionen Euro werden als Dividende an den Eigentümer, die Republik Österreich, ausgeschüttet. Im Jahr 2014 hat der BIG Konzern Neubauten und Ge­ neral­sanierungen im Wert von rund 372 Millionen Euro umgesetzt. Mit Instandhaltungen in der Höhe von 135 Mil­

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BIG BUSINESS

lionen Euro ergibt sich ein gesamtes Investitionsvolumen von rund 507 Millionen Euro. Die Finanzverbindlichkeiten betragen rund 3,8 Milliar­ den Euro. Da die Immobilieninvestitionen und die Miet­ verträge langfristigen Charakter aufweisen, strebt der ­Konzern auch bei seinen Finanzierungen überwiegend dementsprechende Konditionen an. Die Eigenkapitalquote beträgt 51,5 Prozent. Das Portfolio der BIG besteht aus 2.187 Liegenschaften, rund 6,8 Millionen Quadratmetern vermietbarer Fläche und gliedert sich in die Unternehmensbereiche Schulen, Universitäten und Spezialimmobilien. Büro- und Wohn­ immobilien sind der ARE, einer Tochter der BIG, zugeordnet. 98,4 Prozent des vermietbaren Liegenschaftsbestands des BIG Konzerns sind vermietet. Analog zur Flächen­ verteilung stellen Schulen mit Mieterlösen von fast 300 Mil­lionen Euro das größte Segment dar. Danach folgen die 21 staatlichen Universitäten sowie Büro- und Wohnimmo­ bi­lien. Nr. 17 | 2015 | www.big.at


BILANZ

Vermietbare Fläche in Prozent

Investitionen in Millionen Euro

23,5 %

662

644

42,7 %

194

223

8,8 %

721

627

158

507

173

135

421

468

454

2010

2011

2012

563

372

25,0 %

Schulen

Universitäten

Spezialimmobilien

Instandhaltung

Büro- und Wohnimmobilien

Neubau & Generalsanierung

Mietaufkommen in Millionen Euro 149,5

24,2 %

298,4

76,9

246,2

54,9 % Kredite

Schulen

Anleihen

Mieterlöse in Millionen Euro

680

2010

2011

731

2012

Universitäten

755

771

KENNZAHLEN in Millionen Euro

Mietaufkommen

2013

2014

Finanzverbindlichkeiten in Millionen Euro 1.822

2,1 %

946,3

-0,9 % 5,7 %

Ergebnis vor Ertragsteuern

547,8

463,1

18,3 %

EBIT

667,4

595,6

12,1 %

Periodenüberschuss

419,1

358,6

16,9 %

858

847

1,3 %

Mitarbeiter

11,7

11,3

3,5 %

Nettoverschuldung (Net Debt)

3.789,5

3.853,3

-1,7 %

Nettoumlaufvermögen (Working Capital)

-1.216,4

-1.105,5

10,0 %

51,5 %

50,6 %

1,8 PP

68,4 %

64,1 %

6,7 PP

5,8 %

5,3 %

9,4 PP

Bilanzsumme in Milliarden Euro

Cashflow aus Finanzierungstätigkeit

Nr. 17 | 2015 | www.big.at

755,2 606,9

Gesamtkapitalrentabilität in %

> 5 Jahre

771,0 937,7

Cashflow aus Investitionstätigkeit

1–5 Jahre

Veränd. in %

641,4

Cashflow aus dem operativen Bereich

bis 1 Jahr

2013

Betriebsergebnis

Umsatzrentabilität (ROS) in %

1.038

2014

Umsatzerlöse

Eigenkapitalquote in %

944

Spezialimmobilien

Büro- und Wohnimmobilien

Geldmarkt

659

2014

Gesamtinvestition

Finanzinstrumente in Prozent 20,9 %

2013

Veränderung der liquiden Mittel

425,3

321,4

32,3 %

-336,8

-408,0

-17,5 %

-69,5

-5,4

19,0

-92,0

BIG BUSINESS

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ZEITRAFFER INTERVIEW

„Die richtigen Antworten auf den ■ Traditionell ist der Geschäftsverlauf des BIG Konzerns recht stabil. Worin la­ gen die großen Herausforderungen im abgelaufenen Jahr? Weiss: 2014 war für uns erneut ein sehr erfolgreiches Jahr. So gelang es uns, im Berichtszeitraum einen Jahresüberschuss von rund 419 Millionen Euro zu erwirtschaften. Auch unsere Investitionen liegen wieder auf hohem Niveau. Insgesamt wurden Bauaufträge im Wert von rund 507 Millionen Euro abgewickelt. Sehr zufriedenstellend gestaltete sich zwei Jahre nach der Ausgliederung auch der Geschäftsverlauf der ARE Austrian Real Estate GmbH. Mit den ersten Ankäufen wurden im Berichtsjahr auch Maßnahmen zur ­Hebung des Wohnanteils und damit zur erfolgreichen Umsetzung unserer Strategie gesetzt. Inwieweit leistet die neue Unternehmensstruktur einen Bei­ trag? Sind Sie mit der bisherigen Umsetzung der Neuaus­ richtung zufrieden? Gleissner: Wir haben uns 2014 im Rahmen unseres Veränderungsprojekts „BIG Changes“ neu aufgestellt und unsere Kompetenzen in den drei Unternehmensbereichen Schulen, Universitäten und Spezialimmobilien gebündelt. Damit können wir die richtigen Antworten auf den zunehmenden Wettbewerb und den hohen Kostendruck in der Branche geben. Jeder Unternehmensbereich agiert individuell, entsprechend den Anforderungen seiner Kunden. Eines haben die neuen Unternehmensbereiche jedoch gemeinsam: Ziel ist, unsere Mieter über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie zu begleiten. Wir richten uns damit noch stärker auf den Kunden aus. Die Liste der großen Bauvorhaben ist mehrere Seiten lang. Welche Projekte sind aus Ihrer Sicht besonders hervorzu­ heben? Weiss: Die Arbeiten an unserem derzeit größten Projekt, dem Med Campus in Graz, schreiten planmäßig voran. Im Universitätsbereich konnten wir darüber hinaus die Sanierung von zwei Fakultäten der Leopold-Franzens-Univer­ sität abschließen – ein Vorzeigebeispiel für nachhaltige Sanierung. Erwähnenswert sind auch noch die Fertigstellung des Neubaus der Landespolizeidirektion Steiermark, des Gymnasiums Gainfarn oder das Theater im Palais der Kunstuni Graz. Im Wohnbau wurden mehrere Projekte, wie beispielsweise die Rosenhöfe in Graz, gestartet. Beim Pro-

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BIG BUSINESS

Fotos: Petra Spiola

Die Geschäftsführer des BIG Konzerns Hans-Peter Weiss und Wolfgang Gleissner über die strategische

«Trotz oft knapper Budgets wird auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz mit zunehmender Intensität Wert gelegt.» Hans-Peter Weiss

jekt Beatrixgasse in Wien erfolgte der fast vollständige Verkauf aller Einheiten lange vor Fertigstellung. … und in Wien wurde ein „Plus-Energie-Hochhaus“ feierlich eröffnet … Gleissner: Ja. Das ist ebenfalls ein Vorzeigeprojekt in Bezug auf nachhaltige Sanierungen. Plus-Energie bedeutet, mehr Energie ins Netz zu liefern, als für Nutzung und Betrieb benötigt werden. Bei dem Gebäude der Technischen Univer­ sität Wien am Getreidemarkt ist die Fassade ein kleines Energiekraftwerk. Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit generell im Unternehmen? Weiss: Seit zwei Jahren verfügen wir über ein konzernweites Nachhaltigkeitsmanagement, das alle Aktivitäten bündelt und eine zielgerichtete, systematische Umsetzung unserer Strategie gewährleistet. Wir verstehen das Thema aber sehr vielschichtig. Neben dem klassischen Bau­ geschäft ziehen sich Themen wie der faire Umgang mit Mitarbeitern, gesellschaftliches Engagement oder das haus­interne Umweltmanagement durch alle Bereiche des Nr. 17 | 2015 | www.big.at


INTERVIEW

zunehmenden Wettbewerb

Ausrichtung, das abgelaufene Geschäftsjahr 2014 und Herausforderungen der Zukunft.

«Ziel ist, unsere Mieter über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie zu begleiten. Wir richten uns damit noch stärker auf den Kunden aus.» Wolfgang Gleissner

Konzerns. Hier ist es uns wichtig, dass hohe Standards ­gehalten und weiterentwickelt werden. Inwieweit ist die BIG vom Energieeffizienzgesetz (EEffG) be­ troffen, das 2015 in Kraft treten soll? Gleissner: Der BIG Konzern wurde über das Energieeffi­ zienzgesetz verpflichtet, gemeinsam mit seinen Bundesmietern bis zum Jahr 2020 insgesamt Einsparungen von 125 Gigawattstunden nachzuweisen. Dazu werden mit unseren Kunden aktuell nicht nur Maßnahmen evaluiert, sondern es wird auch ein umfassendes Monitoring-System aufgebaut. Wie planen Sie diese Vorgaben umzusetzen? Gleissner: Unter anderem durch energetische Verbesserungen im Zuge von Bauprojekten, den Ausbau des Energiespar-Contractings sowie durch Innovation und die Nutzung alternativer Energien wie etwa Fotovoltaik oder ­Geothermie. Ihre Aufgabe ist die „bestmögliche Bewirtschaftung des Immo­bilienbestandes des Bundes“. Vergangenen Sommer waren Sie mit dem Wunsch Ihres größten Mieters – des Bil­ dungsministeriums – konfrontiert, nahezu 100 Millionen Nr. 17 | 2015 | www.big.at

E­ uro an Mieten zu stunden? Wie ist dies mit dem Wirtschaftlichkeits­ aspekt in Einklang zu bringen? Gleissner: Der BIG entsteht kein wirtschaftlicher Nachteil. Das war die Grundvoraussetzung für die Verhandlungen. Unsere nachhaltige und stabile Vertrauensbasis sowohl mit unserem größten Mieter als auch mit unserem Eigentümer ermöglichte diese Lösung. Welche Zinsen werden dafür verrech­ net? Gleissner: In unserer Vereinbarung wurde festgelegt, dass die Fälligkeit der Mieten des vierten Quartals 2014 auf März 2016 verlängert wird. Im Gegenzug werden Mieten des zweiten bis vierten Quartals 2016 in dem Umfang bereits im März 2016 fällig, als sich daraus eine wirtschaftliche Neu­ tralität ergibt. Aufgrund dieser Systematik kommen keine Zinsen zur Vorschreibung. Die Bundesregierung hat eine Finanzspritze für die Universi­ täten beschlossen, finanziert wird das Ganze durch die BIG. Wie beurteilen Sie das angekündigte Universitätspaket? Weiss: Die positive Entwicklung des Konzerns ermöglichte es der Bundesregierung, ein 200 Millionen Euro schweres Sonderbauprogramm für die Universitäten zu verabschieden. Damit werden erneut dringend notwendige Bauvorhaben initiiert. Vor zwei Jahren wurde die ARE gegründet. Wie bewerten Sie die Abspaltung nach zwei Jahren? Weiss: Wir sehen in der Abspaltung des ARE Portfolios ­einen großen Erfolg. Die ARE ist heute mit 610 Liegenschaften und einem Gesamtportfolio von 2,3 Milliarden Euro ein bedeutendes österreichisches Immobilienunternehmen. Die Mieterlöse wurden leicht gesteigert, und auch der FFO erhöhte sich. Nach wie vor ist der Anteil an öffentlichen Einrichtungen als Mieter hoch, wir arbeiten aber an der ­Diversifikation. 2014 wurden die ersten Ankäufe abgeschlossen und der ­Fokus auf den Bereich Wohnen weiter geschärft. Wie stark soll das Thema Wohnen in der ARE forciert ­werden? Weiss: Wir planen, in den kommenden Jahren bis zu zwei Milliarden Euro in Wohnbauprojekte zu investieren. Ein Teil davon wird auch im Bestand gehalten. Damit verschieben sich natürlich auch die Anteile gravierend. Wir sind dann nicht mehr so sehr von der Entwicklung des Büromarkts abhängig, und unsere Mieterzusammensetzung wird dadurch auch deutlich stärker diversifiziert.

BIG BUSINESS

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ZEITRAFFER MED CAMPUS GRAZ

Der in zwei Abschnitten von Riegler-Riewe Architekten geplante Med Campus in Graz ist das derzeit größte Bauvorhaben der BIG. Das Investitionsvolumen der ersten Baustufe beträgt rund 180 Millionen Euro.

Touristenmagnet Med Campus

Neubau der Universität als Vorzeigebeispiel für Schüler und angehende Architekten.

A

m Med Campus Graz herrscht Hochbetrieb. Scheinbar zahllose Menschen befinden sich täglich auf der Baustelle. Nicht immer sind es ausschließlich Arbeiter, die ihr Handwerk verrichten. Denn das Interesse an einer Besichtigung ist groß. Studierende, HTL-Schüler und auch das Stadtbauamt der Gemeinde melden sich regel­ mäßig zum Lokalaugenschein an. „Nebenberuflich sind die örtliche Bauaufsicht und ich als Touristenführer tätig“, sagt Projektmanager Philipp Jereb schmunzelnd. Der zusätzliche Aufwand hält sich in Grenzen und wird gerne in Kauf genommen. Schließlich entsteht im Stiftingtal der größte neue Uni-Campus nach der Wirtschaftsuniversität in Wien. Abgesehen davon spielt das Gebäude in Sachen Energieeffizienz alle Stückerln. Von den fünf Kränen, die bei der Errichtung der Rohbauten halfen, sind derzeit nur noch drei im Einsatz. Denn fast alle der sechs Trakte haben schon die Dachgleiche erreicht.

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BIG BUSINESS

Nur an zweien wird noch bis Herbst 2015 gebaut. Sobald die Außenwände stehen, wird die Fassade angebracht, die bei Trakt vier schon bewundert werden kann. Bis Sommer 2016 sind alle Bauteile verhüllt. Gleichzeitig wird auch im Inneren seit Februar fleißig gewerkt: Trockenbauer und Maler sind genauso beschäftigt wie die Experten für Hausund Elektrotechnik, die sich berufsbedingt hauptsächlich in den Technikräumen der Untergeschoße bewegen.

Moderne Sicherheitseinrichtungen

„Insgesamt 200 Arbeiter sorgen für einen plangemäßen Bau des Med Campus, ab Herbst sind es sogar doppelt so viele“, so Jereb. Die Größe der Baustelle ist auch an der Baustelleneinrichtung zu erkennen. Ein „Containerdorf“ aus 50 Modulen steht als Aufenthaltsbereich und Werkzeug­lager zur Verfügung. Die Baubesprechungen finden in einem aufgelassenen Kindergarten neben dem Baufeld statt. Nr. 17 | 2015 | www.big.at


GRAZ

Fotos: Robert Frankl

MED CAMPUS

Sicherheit geht vor. Daher darf nicht jeder auf die Baustelle. Ein „Eltern haften für ihre Kinder“ reicht bei einer ­solchen Dimension nicht aus. Musste man früher noch Stacheldrahtzäune überwinden, um sich wo einzuschleichen, erschweren heute andere Maßnahmen das Eindringen. Sicher­heitsschranken, Drehkreuz, Portier und Videoüberwachung haben auch auf Baustellen Einzug gehalten. All das dient aber nicht nur der Sicherheit, sondern sorgt auch für Struktur. So ist dokumentiert, wann welche Zulieferfirma kommt und geht – die Lieferzeiten müssen eingehalten werden. Aber auch der Überblick über die vielen Arbeiter wird bewahrt, die sich beim Drehkreuz ausweisen müssen. Ende 2016 soll der Campus fertig sein. Dann wird er zur Einrichtung an die Universität übergeben. Insbesondere die Ausstattung der Labors erfordert aber Zeit. Erst mit dem Wintersemester 2017/18 lösen die Studierenden und Lehrenden die Arbeiter und Möbelfirmen ab. Nr. 17 | 2015 | www.big.at

BIG BUSINESS

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ZEITRAFFER HTBLA WELS

Imposante Verbindung

Mehr Qualität und Raum: Sanierung und Erweiterung der HTBLA Wels abgeschlossen.

D

ie Höhere Technische Bundeslehr­ anstalt in der Welser Fischergasse konnte in rund zweieinhalb Jahren Bauzeit saniert und erweitert werden. Dabei wurde die gesamte Elektrotechnik einschließlich der Beleuchtung erneuert und der Brandschutz auf den neuesten Stand der Technik gebracht. „Insbesondere die Innen­raumqualität des Schulgebäudes wur­ de optimiert“, erklärt BIG Projektmanager Erwin Angermayr. „Besonders wichtig war für uns eine gute Isolierung des Gebäudes“, meint Direktor Anton Schachl. Für die Ver­ besserung der Thermik und die Senkung der Energiekosten wurden Sockelbereiche und Dächer wärmegedämmt, Lichtkuppeln er­ neuert und alte Fenster ausgetauscht. Neuer Raum entstand durch den Umbau eines leer stehenden Gebäudes in der un­ mittelbaren Nachbarschaft. Durch einen op­ tisch imposanten Verbindungstrakt können die Schüler künftig das Gebäude wechseln, ohne ins Freie zu müssen. Neben dem prak­ tischen Nutzen bieten die drei Geschoße zu­ dem Raum für Pausen und Begegnung. Eine weitere Veränderung bedeutet einen massi­ ven Schub für die Qualität der Infrastruktur: Auch die Chemielabors wurden vollständig modernisiert.

Das Chemiegebäude wurde weitgehend „ausgeräumt“ und auf den neuesten Stand gebracht.

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Fotos: Lukas Schaller

Der von der Hübner ZT GmbH geplante Zubau verbindet mehrere Gebäude. Das bedeutet nicht nur einen Komfort­gewinn, sondern auch Erholungsraum für die Schüler.

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BG GMÜND

Fotos: Gisela Erlacher

Kinder müssen während langer Schultage zwischenzeitlich auch ihre überschüssigen Energien loswerden. Die Freiflächen des von der Hübner ZT GmbH geplanten BG Gmünd bieten die Möglichkeit dazu.

Abhängen am Pausenhof

Zubau sorgt für zusätzlichen Raum – mehr Qualität für Nachmittagsbetreuung.

E

in offener, gläserner Eingangsbereich gestaltet den täglichen Empfang in der Schule deutlich freundlicher als bisher. Darüber hat die Bibliothek in der Aufsto­ ckung ihren neuen Platz gefunden. Ganze 680 Quadratme­ ter sind zudem durch den viergeschoßigen Neubau hin­ zugekommen. Im Untergeschoß und im Erdgeschoß sind Aufenthaltsbereiche für die Schüler sowie Raum für die Nachmittagsbetreuung entstanden. Das BG Gmünd ist ge­ wachsen. Darüber freut sich der Direktor, Günter Czetina: „Wir bieten im Haus seit über 30 Jahren Nachmittags­ betreuung an. Nun haben die Schüler einen eigenen Be­ reich, in dem sie sich aufhalten, ihre Aufgaben erledigen und spielen können.“ Für den Unterricht wurde ebenfalls Platz geschaffen: Beide Obergeschoße beherbergen je zwei zusätzliche Stammklassen sowie Sammlungsräume. Auch im Bestand hat sich neben der Übersiedelung von Bibliothek und Räumlichkeiten für Lehrer viel bewegt. Im Untergeschoß wurden die Sonderunterrichtsräume für Werken und EDV zusammengefasst. Das ermöglichte eine

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Vergrößerung der Zentralgarderobe. Auf der Seite der ­Unterrichtsräume wurde Erdreich abgegraben, und neue großflächige Fenster ersetzen die Oberlichten. „Dadurch kommt deutlich mehr Tageslicht in die Klassen“, erklärt BIG Projektmanager Harald Wagner. „Das Gebäude ist nicht nur heller, sondern auch moderner geworden“, meint Wagner. So sorgt eine dezentrale, kontrollierte Raumlüf­ tung mit Wärmerückgewinnung für eine anhaltend gute Luftqualität in allen Unterrichtsräumen. Nicht nur innen ist vieles neu: Die Fassade kann sich dank der thermischen Sanierung mit neuer Dämmung und hochwertigen Holz-Alu-Fenstern optisch wie auch tech­ nisch wieder sehen lassen. „Durch die bunte Außenfassade ist unsere Schule viel freundlicher geworden“, sagt Direk­ tor Czetina. Ein besonderes Highlight ist der neu gepflas­ terte und begrünte Pausenhof mit den Hängematten – „die sind bei den Schülern besonders beliebt“, weiß Czetina. ­Begrünt wurden auch die Dächer der Aufstockung, des ­Zubaus und des Verbindungstrakts.

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ZEITRAFFER HTL LINZ

Lichtdurchfluteter Eingang

Die erweiterte HTL Linz hat dank eines neuen Gebäudes deutlich mehr Raum zur Verfügung.

D

ie Höhere Technische Bundeslehranstalt in der Lin­ zer Goethestraße ist um einen neuen Zubau reicher. In gut einem Jahr Bauzeit, von Sommer 2013 bis Herbst 2014, hat die BIG einen neuen Trakt mit Klassen und Turnsaal errichtet. Mittlerweile sind auch die Außenan­ lagen fertig. „Bevor wir neu bauen konnten, haben wir ein in die ­Jahre gekommenes Bestandsgebäude im Innenhof ­abgebrochen“, berichtet Projektmanager Johann Kirschner. Über 2.000

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Fotos: Rupert Steiner

Vor allem in der Nacht und kurz nach Fertigstellung ist das von Hristina Hristova geplante Gebäude ein willkommenes Motiv für Architekturfotografen.

Quadratmeter neue Fläche laden mit einem neuen gläser­ nen Eingangsbereich in die HTL ein. Von da aus geht es zu elf Klassen, zu den Lehrerzimmern und den Aufenthalts­ bereichen. In der neuen Halle wird dank Oberlichten sogar bei Tageslicht geturnt. Über zwei transparente Gänge sind Bestand und Neubau in den Obergeschoßen miteinander verbunden. Darüber hinaus locken Terrassen und neue Sitzgelegenheiten im Freien die Schüler zum Lernen oder auch Pausieren an der frischen Luft.

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Foto: Michael Hetzmannseder

ANGEWANDTE

Visualisierung: Josef Andraschko

Hoch den Hut: BIG Geschäftsführer Hans-Peter Weiss und Rektor Gerald Bast geben die Entscheidung des Verfahrens zur Generalplanerfindung bekannt.

Moderner Raum für „Angewandte“ Schwanzer-Wörle-Trakt wird saniert und ein ehemaliges Gebäude der Finanz adaptiert.

A

Foto: faksimile digital

Als zusätzlichen Standort mietet die Angewandte künf­ rchitektur ist eine Form der Kunst. Besonders die tig ein früher von der Finanz genutztes Haus in der Vorde­ ­Sanierung und Adaptierung alter Mauern für junge ren Zollamtsstraße 7 an. Im Zuge der Adaptierung werden Studierende ist eine Herausforderung, die das Archi­ der Eingangsbereich inklusive Barrierefreiheit und der tekturbüro Riepl Kaufmann Bammer nach Ansicht der Be­ Brandschutz erneuert. Das ehemalige Zollamt bietet auf wertungskommission für die Sanierung und Erweiterung rund 15.000 Quadratmetern, verteilt der Universität für ­Angewandte Kunst auf sechs Obergeschoße und ein Unter­ am besten gemeistert hat. geschoß, Platz für die Kunst. Ein beson­ Der Schwanzer-Wörle-Trakt – be­ deres Highlight der Planung: Der in nannt nach den Architekten Karl drei Höfe unterteilte Innenhof wird zu Schwanzer und Eugen Wörle – wird ei­ einem nach innen gerichteten Campus ner umfassenden Sanierung und Neu­ mit einem transparenten Erschlie­ strukturierung unterzogen. Dabei wird ßungssystem und Studienräumen um­ im Inneren des denkmalgeschützten funktioniert. Die Umsetzung des Er­ Gebäudes kaum ein Stein auf dem an­ weiterungsprojekts Vordere Zollamts­ deren gelassen – es wird alles bis auf straße 7 ist für die Jahre 2016 und 2017 die Grundstruktur abgebrochen, um geplant, die Sanierung des Schwanzerdie Räume neu anordnen zu können. Wörle-Trakts soll zeitgleich durchge­ Sieben oberirdische und zwei unterir­ führt werden. Der Universitätsbetrieb dische Geschoße mit insgesamt rund wird ab dem Sommersemester 2016 in 13.800 Quadratmetern Nettoraum­ Der direkt neben dem Wienfluss liegende Ausweichquartieren stattfinden. fläche werden erneuert. Schwanzer-Trakt wird saniert. Nr. 17 | 2015 | www.big.at

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ZEITRAFFER FUTURE ART LAB | JKU LINZ

Kunst aus dem „Future Art Lab“

Wettbewerbsentscheidung für neues Institutsgebäude der Universität für Musik und darstellende Kunst.

Visualisierung: Tomaselli Visual Sensations

Im Sinne der Energieeffizienz sind für den Neubau diverse ■  Am Anton-Webern-Platz in Wien-Landstraße entsteht das Maßnahmen für einen niedrigen Energieverbrauch wie sogenannte Future Art Lab. In dem insgesamt vier­stöckigen auch die Nutzung alternativer Energiequellen geplant. Die Gebäude sollen künftig die Institute für Komposition und geothermische Nutzung des GrundElektroakustik, Tasteninstrumente wassers unterstützt beim Heizen und die Filmakademie Wien heiund beim Kühlen, ebenso wie die misch werden. Das planende ArchiBauteilaktivierung. Abwärme und tekturbüro wurde mit Pichler & Wärmerückgewinnung tragen geTraupmann aus Wien gefunden. Einauso zum Heizen bei wie eine ne besondere Herausforderung ist Nachtlüftung zum Kühlen. Energiedie Konzeption und Integration von effiziente Beleuchtungs­systeme erspeziell ausgestatteten Sonderräumöglichen die Einsparung von Resmen des Bereichs Elektroakustik. sourcen. Die Kunst der Architekten liegt Mit dem Neubau soll Mitte 2016 aber nicht nur in der funktionalen begonnen werden. Die Dauer der Arund anschaulichen Gestaltung der Die Wiener Musikuni erhält Zuwachs. Punkto beiten ist für rund eineinhalb Jahre Räume. Auch die oftmals unsicht­ Schall und Akustik ist die Planung eine veranschlagt. bare Technik spielt eine große Rolle. besondere Herausforderung.

Vereinigung aller Chemie-Institute in Linz

Neubau von Technikum gestartet – Sanierung des TNF-Turms an der Johannes-Kepler-Uni voll im Gange.

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halle Platz finden. Im Obergeschoß ziehen Labors ein. „Durch den Neubau werden zukünftig alle unsere ChemieInstitute am JKU-Campus vereint sein“, freut sich Rektor ­Richard ­Hagelauer. Das neue Technikum entsteht hinter dem Turm der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät (TNF). Dabei ist nicht nur eine Verbindung auf wissenschaftlicher Ebene gegeben, sondern auch eine bauliche. Technikum und TNF-Turm werden über einen unter­irdischen Kollektorgang miteinander verbunden. Durch diesen Schacht erfolgt die haustechnische Versorgung des Neubaus. Aber auch der TNF-Turm selbst wird saniert. Seit Ende 2014 optimiert die BIG die Lüftungs­ anlage und tauscht einige Brandschutztüren aus. Die Haustechnik wird erneuert, die Betonfassade mit neuen Fenstern samt Sonnenschutz ausgestattet und saniert. Foto: JKU

Visualisierung: Architektur Weismann/Vivid Design

Das von Architektur Weismann geplante Technikum hinter dem TNF-Turm (Bild rechts) soll bereits im Herbst 2015 fertig sein.

■  Baubeginn im Mai, Fertigstellung im Herbst – beides im Jahr 2015. Einen Neubau in Rekordzeit errichtet die BIG am Areal der Johannes-Kepler-Universität (JKU) Linz für das Technikum. „Im Mai sind die Bagger aufgefahren, jetzt sind die Rohbauarbeiten in vollem Gange“, sagt Projektmanager David Schneider. Insgesamt 1.500 Quadratmeter neue Fläche entstehen auf zwei Geschoßen – genau genommen sogar auf drei. Denn das Erdgeschoß erstreckt sich bis auf wenige Ausnahmen wie Treppen und Nassräume über eine Höhe von zwei Stock­ werken. Hier wird die Maschi­nen­

Der TNF-Turm ist zwar von außen nicht unbedingt ein optisches Highlight, innen wird aber alles neu.

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Foto: Wolfgang Mohl, ÖJAB

ÖJAB

Fotos: Bundesdenkmalamt/Irene Dworak

Innerhalb der dicken Mauern des ehemaligen Klosters kann man ungestört üben, ohne seine Nachbarn zu belästigen. Da stört auch die eine oder andere Dissonanz die Atmosphäre nicht.

Foto: Wolfgang Mohl, ÖJAB

War Franziskus aus dem Theatrum Sacrum bis vor Kurzem noch notdürftig mit „Pflastern“ verarztet, ist jetzt alles wieder heil. Viele seiner Kollegen warten aber noch auf die lebensrettenden Maßnahmen.

Vom Kloster zum Studentenheim Kunst in greifbarer Nähe: Historisches Gebäude der Ursulinen mit neuer Bestimmung.

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rstmals erhält Wien ein Studentenwohnheim speziell für Musikstudierende. Wer bisher in der „Musikstadt Wien“ an der Universität für Musik und darstellende Kunst und am Konservatorium Privatuniversität studierte, vermisste eine nahe und leistbare Wohnmöglichkeit. Das gemeinnützig geführte Wohnheim mit 120 Plätzen in der Johannesgasse 8, direkt neben der Wiener Musik­universität und dem Konservatorium, schließt nun diese Lücke. Ein über 300 Jahre alter ehemaliger Schul- und Klosterbau der Ursulinen – im Eigentum der BIG – wurde von der ÖJAB – Österreichische Jungarbeiterbewegung unter der Leitung der B18 Architekten ZT GmbH zu einem modernen, komfortablen Studentenheim ausgebaut. Musikstudenten finden hier schallisolierte Proberäume, einen ruhigen Innenhof und einen aus der Barockzeit

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stam­menden Konzertsaal. Jahrhundertealte Mauern mit Stuck und barocke Kunst geben dem Gebäude eine besondere Wohnatmosphäre – zur Inspiration für die angehenden Künstler. Auch die Universität für Angewandte Kunst und die Akademie der bildenden Künste befinden sich in Gehentfernung. Damit hat das neue Wohnheim das Potenzial, zu einem studentischen Zentrum der Kunst und Kultur in der Wiener Innenstadt zu werden. ÖJAB, Bundesdenkmalamt und BIG arbeiteten darüber hinaus eng zusammen, um barocke Kunstwerke im neuen Studentenheim zu erhalten und zu restaurieren. Dazu zählt das Theatrum Sacrum, ein seltenes Beispiel eines barocken Figurentheaters mit 41 Heiligenfiguren in prachtvoll gestalteten Wandnischen hinter Glas. Bis dato sind allerdings aus Kostengründen erst wenige saniert.

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ZEITRAFFER PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULE BADEN

BIG Geschäftsführer Wolfgang Gleissner, Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek, PH-NÖ-Rektor Erwin Rauscher, 2. Landtagspräsident Johann Heuras, Vizepräsidentin des Landesschulrats für NÖ und Vorsitzende des Hochschulrats der PH NÖ Beate Raabe-Schasching und Badens Bürgermeister Kurt Staska (v. l. n. r.) beim Spatenstich Anfang Mai.

Kein Stein bleibt auf dem anderen Aus den Trümmern: Pädagogische Hochschule Niederösterreich wird neu aufgebaut.

S

sagt Projektmanager Stefan Salchinger. Im Mai starteten die Neubauarbeiten. Darüber hinaus werden der Sporttrakt und das Schwimmbad saniert. Ende 2017 soll alles fertig sein. Nach den Plänen der Architekten – Marte.Marte Architekten ZT GmbH – ist die künftige Pädagogische Hochschule Niederösterreich in vier Gebäude gegliedert, die baulich nicht miteinander verbunden sind.

Fotos: Michael Hetzmannseder

eit dem Frühjahr wird in der Badener Mühlgasse kaum ein Ziegel auf dem anderen gelassen. Denn um drei neue Gebäude für die Pädagogische Hochschule zu errichten, müssen sowohl im Vorfeld als auch zum Schluss Teile des Bestands abgebrochen werden. „Etwa 16.000 Kubikmeter umbauter Raum wurden bereits abgebrochen und rund 2.000 Kubikmeter Baumasse entsorgt“,

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MEDIZINISCHE UNIVERSITÄT

INNSBRUCK

Kurz notiert Neues Arbeits- und Sozialgericht Ein Teil der alten Wirtschaftsuniversität (WU) in Wien-Alsergrund wird ab Spätsommer für das Arbeits- und Sozialgericht Wien umgebaut. Derzeit laufen die Ausschreibungen. Statt Vortrags- und Turn­ sälen sowie Bibliotheksbereichen werden Gerichtssäle, Büros und Lagerflächen entstehen. Geplant seien unter anderem auch eine Cafeteria, ein zusätzlicher Aufzug und ein Kühlsystem für die künftigen Verhandlungsräume.

Visualisierung: Gruber | Spannberger | Scheifinger | Gibelhauser

Nach Fertigstellung des Bauvorhabens wird nahezu alles neu sein. Nur die „Grundmauern“ bleiben die alten.

Justizanstalt Salzburg fertig

Foto: Günter Richard Wett

Die BIG hat im Auftrag des Justizministeriums in der Gemeinde Puch bei Hallein im Gewerbegebiet Urstein Nord eine Justizanstalt mit 225 Haftplätzen errichtet. Die Bauarbeiten begannen im Herbst 2013 und wurden jetzt plangemäß abgeschlossen. Die Justizanstalt Salzburg in Puch ersetzt die Justizanstalt am Rudolfsplatz 2 in der Salzburger Altstadt.

Wettbewerbsentscheidung Zwei Trakte der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt sollen saniert werden. Aus einem EU-weiten, nicht offenen zweistu­ figen Realisierungswettbewerb ging die ­ARGE AAU balloon – Maurer als Sieger hervor. Im Zuge dieses Projekts sollen die Bestandsgebäude teilweise umstrukturiert und heller gestaltet werden.

Neue Wohnungen Die ARE Development plant in der Landstraßer Hauptstraße 148, Ecke Rennweg im dritten Wiener Gemeindebezirk die Errichtung einer Wohnhausanlage samt Büround Geschäftsflächen. Vor Kurzem wurde der Architekturwettbewerb entschieden. Das Siegerprojekt stammt von der ARGE goya MAGK urban architektur. „Der Projektbeitrag ,H‘ besticht durch seine ausdifferenzierte architektonische Komposition und reagiert durch Aufnahme der städtebaulichen Strukturen in überzeugender Art und Weise auf seine Umgebung“, so die Begründung der Jury unter dem Vorsitz der Architektin Verena Mörkl. Nach Abschluss der Detailplanungen kann der Baubeginn voraussichtlich 2017 erfolgen. Nr. 17 | 2015 | www.big.at

Wettbewerb entschieden

„Zentrale“ der Medizinischen Universität Innsbruck wird umgebaut. ■  Der Wettbewerb für die Sanierung des Lehr- und Lerngebäudes der Med Uni Innsbruck ist entschieden. Die Planungsgemeinschaft architekt thomas gruber + partner ZT gmbh mit Scheifinger + Partner ZTG Architekten hat die Jury vor allem mit ihrem Erschließungskonzept überzeugt. Das elfgeschoßige Unigebäude soll bis auf die Tragstruktur abgebrochen und die Räume den heutigen Anforderungen entsprechend neu angeordnet werden. Künftig werden die Lehr- und Lernbereiche der Studierenden in den eingangsnahen Geschoßen angeordnet, während die Verwaltung der Uni-

versität in den oberen Stockwerken Platz finden wird. Über das Erd­geschoß wird neben dem zentralen ­Foyer auch das rund 600 Quadrat­meter große Audimax erreicht. Es erstreckt sich bis ins erste Untergeschoß und ist nach Bedarf teilbar. Zahlreiche Seminar-, Praktikums- und PC-Räume sind in den beiden Untergeschoßen bis ins dritte Obergeschoß eingeplant. Im Zuge des Umbaus wird auch die Haustechnik auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. Mit dem Bau soll im Jahr 2016 begonnen werden. Knapp zwei Jahre werden die Arbeiten dauern.

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ZEITRAFFER ARE BILANZ

In Millionen Euro

2014

2013

Mieterlöse

152,3

150,8

1,0 %

EBITDA

127,2

123,5

3,0 %

EBITDA-Marge

Veränderung in %

83,5 %

81,9 %

1,6 PP

EBIT

157,3

179,9

-12,6 %

Gewinn der Periode

94,8

111,9

-15,3 %

44

41

7,3 %

Bilanzsumme

2.447,3

2.363,9

3,5 %

Eigenkapital

1.468,6

1.416,0

3,7 %

Eigenkapitalquote

60,0 %

59,9 %

0,1 PP

Loan to Value Ratio (LTV)

34,7 %

36,3 %

-1,6 PP

Mitarbeiter

Funds from Operations (FFO) ohne Verkäufe

76,9

66,5

15,7 %

FFO inklusive Verkäufen

94,7

90,0

5,2 %

Cashflow aus dem operativen Bereich

92,4

86,9

6,3 %

Cashflow aus Investitionsaktivitäten

-48,3

-55,0

-12,2 %

Cashflow aus Finanzierungsaktivitäten

-32,5

-30,8

5,5 %

11,6

1,0

Veränderung der liquiden Mittel

Erfolgreiches Geschäftsjahr

Mieterlöse gesteigert – operatives Geschäft erfreulich – Diversifikation des Portfolios.

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ie ARE Austrian Real Estate (ARE) mit einer Bilanz­ summe von 2,45 Milliarden Euro hat das zweite ope­ rative Geschäftsjahr seit Gründung des Unterneh­ mens abgeschlossen. Bilanziert wird nach internationalen Standards (IFRS). Während die Umsatzerlöse mit 209,5 Millionen Euro ­aufgrund geringerer Immobilienverkäufe unter dem Vor­ jahresergebnis (217,8 Millionen Euro) blieben, konnten die Mieterlöse leicht von 150,8 auf 152,3 Millionen Euro gestei­ gert werden. Das operative Geschäft entwickelte sich er­ freulich. So lag das EBITDA im Berichtszeitraum bei 127,2 nach 123,5 Millionen Euro im Vorjahr. Parallel zur positiven Entwicklung des EBITDA entwickelte sich auch der FFO (Funds from Operations) ohne Verkäufe positiv und stieg um 10,4 Millionen auf 76,9 Millionen Euro (Vorjahr: 66,5 Millionen Euro). Die Ursachen dafür liegen insbesondere in höheren Mieterlösen, geringeren Instandhaltungskosten und höheren sonstigen betrieblichen Erträgen. Auch der FFO inklusive Verkäufen verzeichnete eine leichte Steige­

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rung. Die ARE verfügt über eine stabile Eigenkapitalquote von rund 60 Prozent. „Wir sind mit der Entwicklung des Unternehmens sehr zufrieden“, sagt Hans-Peter Weiss, Ge­ schäftsführer der ARE. Wesentliche strategische Ziele der ARE sind die Diversifi­ kation der Mieterstruktur, die Optimierung des Bestands und die konsequente Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit. Eine wesentliche interne Kennzahl der ARE ist der Manage­ ment-Umsatz, also der Umsatz mit nicht öffentlichen Ge­ schäftspartnern. Im Jahr 2014 lag er bereits bei 24,5 Prozent. Das entspricht einer Erhöhung um 3,5 Prozentpunkte ge­ genüber dem Vorjahr. Mittelfristig soll diese Kennzahl deutlich steigen. Im Jahr 2014 wurden 73,3 Millionen Euro für Neubauten oder Generalsanierungsprojekte aufgewendet. Derzeit setzt sich das Portfolio der ARE noch aus rund 95 Prozent Büros und fünf Prozent Wohnungen zusammen. Der Wohn­ anteil soll aufgrund der gesetzten Ziele in den kommenden Jahren deutlich steigen. Nr. 17 | 2015 | www.big.at


OFFENSIVE

Visualisierung: Tomaselli

WOHNBAU

Insgesamt 138 Wohnungen werden in der Schiffmühlenstraße in Wien Donaustadt gebaut. Die Hälfte davon ist bereits verkauft. Fertigstellungstermin ist Mitte nächsten Jahres.

ARE startet Wohnbauoffensive Zwei Milliarden Euro Investitionen bis 2020 in ganz Österreich geplant.

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Wohntürme mit insgesamt bis zu 800 Wohneinheiten. Zahlreiche Wohnungsprojekte sind schon in Bau: Vor ­Kurzem hat die ARE Development mit der Errichtung der Wohnhausanlagen Rosenhöfe in Graz, Kaarstraße in Linz, Wohndelta Alte Donau in Wien und Wimmergasse in Wien begonnen. Heuer werden noch einige Bauprojekte ­gestartet.

Foto: Richard Tanzer

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ie ARE investiert österreichweit in den kommenden sechs Jahren bis zu zwei Milliarden Euro in Wohn­ bauprojekte“, sagt ARE Geschäftsführer Hans-Peter Weiss. Rund die Hälfte der geplanten Einheiten wird in den Bestand aufgenommen und vermietet. Die andere Hälfte sind frei finanzierte Eigentumswohnungen, die von der ARE Tochter ARE Development – oft gemeinsam mit Pro­ jektpartnern – entwickelt und verwertet werden. Im Be­ reich der frei finanzierten Eigentumswohnungen ist ge­ plant, das mittlere Preissegment zu besetzen. Die Miet­ preise variieren je nach Lage, Ausstattung und Zuschnitt, sollen aber in Wien die Schwelle von rund zehn Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten. In allen anderen Städ­ ten werden die Mietobergrenzen marktabhängig niedriger angesetzt. Zu den größten Projekten gehört die Entwicklung ganzer Stadtviertel auf leer stehenden Freiflächen. So soll beispiels­ weise das Projekt „Wildgarten – Wohnen am Rosenhügel“ in Wien-Meidling Raum für rund 1.100 Wohneinheiten bieten und die Umgebung durch zusätzliche Infrastruktur und die Schaffung eines attraktiven Naherholungsgebiets für die ganze Nachbarschaft zusätzlich aufwerten. Ein weiteres Großprojekt entsteht am sogenannten „Eurogate“ im drit­ ten Wiener Gemeindebezirk. Sobald die TU ins Arsenal übersiedelt ist, errichtet die ARE Development dort rund 1.000 Wohnungen. Ein drittes Großprojekt der Bundes­ hauptstadt befindet sich ebenfalls in Wien-Landstraße: das „Triiiple“. Am Areal des ehemaligen Hauptzollamts errich­ tet die ARE Development gemeinsam mit Soravia drei

Anlässlich des Spatenstichs für ein Bauprojekt in der Wiener Wimmergasse stellten die beiden ARE Geschäftsführer Wolfgang Gleissner und Hans-Peter Weiss gemeinsam mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner die Wohnbauoffensive vor.

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ZEITRAFFER BÜROGEBÄUDE RENNGASSE | GRENZSTATIONEN

Fotos: Harald A. Jahn

Die Liegenschaft zählt nach der Sanierung zweifellos zu den attraktivsten Büroadressen in der Wiener Innenstadt.

Büros mit Flair: Altbausanierung abgeschlossen Vermietung von attraktivem Haus in Bestlage gestartet. Flexible Lösungen möglich. ■  Die ARE hat zwischen September 2014 und April 2015 rund 2.700 Quadratmeter Bürofläche in der Renngasse 5 im ersten Wiener Gemeindebezirk generalsaniert und vermietet diese nun neu. Das Bauprojekt umfasste das Erdgeschoß und die ersten beiden Obergeschoße des fünfstöckigen Gebäudes im Herzen der Wiener Innenstadt. „Die darüber liegenden Etagen haben wir bereits im Rahmen eines früheren Projekts generalsaniert. Jetzt ist das ganze Haus auf dem neuesten Stand“, erklärt ARE Assetmanager Thorsten Mörk. Rund 4,8 Millionen Euro wurden investiert. In rund 60.000 Arbeitsstunden wurden rund 200 Kubikme-

ter Beton und über 40 Tonnen an Bewehrungen und Stahlträgern verarbeitet. Denn um die gewünschten Bürozuschnitte zu ermöglichen und eine moderne Haustechnikanlage zu installieren, waren umfangreiche Abbruch- und Stahlbetonarbeiten erforderlich. „An Spitzentagen waren bis zu 88 Arbeiter gleichzeitig im Einsatz“, berichtet Projektmanager Wolfgang Schiechl. Die Pläne für das Sanierungsprojekt stammen von RH + Architekten aus Wien. Insgesamt weist das Altbaujuwel aus der K.-u.-k.-Mo­nar­ chie rund 4.200 Quadratmeter Bürofläche auf. Pro Stockwerk sind bis zu 760 Quadratmeter Nutzfläche verfügbar.

Kärntner Grenzstationen werden verkauft

Fünf Liegenschaften entlang der Grenze zu Slowenien – und Neuausschreibung Grenzstation Thörl-Maglern. ■  Die BIG wird mehrere Kärntner Grenzstationen verkaufen. Die fünf Liegenschaften entlang der Grenze zu Slowenien sollen im Herbst ­öffentlich angeboten werden, bis dahin werden noch Verkehrswertgutachten als Grundlage für die Mindestkaufpreise erarbeitet. Zudem wird ein neu-

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Foto: BIG

Für den Grenzübergang am Loiblpass auf 1.367 Metern Seehöhe wird ab Herbst ein neuer ­Eigentümer gesucht. Zuvor werden noch die Flugdächer verschenkt und ­abgebaut.

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er Versuch unternommen, die Grenzstation Thörl-Maglern an der italienischen Grenze zu verkaufen. Voraussetzung für die Verwertung der Immobilien Riegersdorf (Wurzenpass), Unterbergen (Loiblpass), Bad Eisenkappel (Seebergsattel) sowie des Zollhauses und des Grenzübergangs in Lavamünd war eine kürzlich erzielte Einigung zwischen der BIG und dem Land Kärnten. Darin enthalten sind etwa ­Zufahrtsregelungen sowie die Liegenschaften betreffende Rechte und Pflichten. „Verschenkt“ werden von der BIG die Flugdächer von Wurzen- und Loibl­pass. Die darf ohne weitere Bezahlung mitnehmen, wer Abbruch und Abtransport auf eigene Kosten und Risiko organisiert. Dazu gehören auch die Abtragung der Betonstützen, die Entfernung und Entsorgung der Schrankanlagen, Fahrbahnteiler und Kojen samt provisorischer Sanierung des betroffenen Fahrbahnbelags. Nr. 17 | 2015 | www.big.at


Foto: Richard Tanzer

Spaß an der Arbeit: Überall im Gebäude finden sich alte Fresken. Das verleiht den Räumen eine besondere ­Atmosphäre.

STROZZI

Foto: Stephan Huger

PALAIS

Foto: Harald A. Jahn

Der Direktor des IHS Sigurd ­Höllinger (links) und der Präsident des Kuratoriums Heinrich ­Neisser (rechts) freuen sich mit ARE Geschäftsführer Hans-Peter Weiss über den unterschriebenen Mietvertrag.

Wissenschaft zieht ins Palais Strozzi Das ehemalige Finanzamt Wien-Josefstadt ist an das Institut für Höhere Studien vermietet.

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as Institut für Höhere Studien gibt seinen bisherigen Standort auf und übersiedelt diesen Sommer ins Palais Strozzi. „Wir freuen uns, mit dem IHS einen renommierten Mieter für das Gebäude gefunden zu haben“, sagt ARE Geschäftsführer Hans-Peter Weiss. Ab dem Auszug des Finanzamts nach Wien-Mitte im Jahr 2012 stand das Palais aus dem 17. Jahrhundert leer. „Von der Weiternutzung als Büros über den Umbau zu einem Hotel oder zu Wohnungen samt Geschäftsflächen bis hin zum Teilverkauf haben wir im Laufe der letzten drei Jahre alle Szenarien durchgespielt und teilweise auch schon mit potenziellen Partnern konkret verhandelt“, sagt der Leiter des zuständigen ARE Assetmanagements Jochen Müller. Im Februar ist der Durchbruch gelungen. Nr. 17 | 2015 | www.big.at

Nach einem „Facelift“ der Büros finden 125 Mitarbeiter des IHS moderne, funktionale Arbeitsplätze vor. Mehr als 100 Büros stehen künftig den Wirtschaftswissenschaftern, ­Politologen und Soziologen für Forschung und Lehre zur Verfügung. Mit seinem Innenhof bietet das Palais zudem Campus-Atmosphäre und ausreichend Gelegenheit zum kreativen Austausch. Der Umzug ins Palais Strozzi ist gleichzeitig ein erstes kräftiges Zeichen für die angestrebte Neupositionierung des IHS. „Im Strozzi werden unsere Wissenschafterinnen und Wissenschafter räumlich besser als bisher projektbezogen zusammenarbeiten können. Durch diese enge Zusammenarbeit ergeben sich lösungsorientierte Ansätze für gesellschaftliche Herausforderungen, national wie international“, sagt Sigurd Höllinger, Direktor des IHS.

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THEMA BOKU

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BIG BUSINESS

Nr. 17 | 2015 | www.big.at


Fotos: Ingeborg Sperl

BOKU

Organisches Wachstum Das Leben gedeiht und floriert an der Universit채t f체r Bodenkultur in Wien. Wer dabei aber nur an Pflanzen und Pilze denkt, irrt. Denn an der Alma Mater Viridis ist in den letzten Jahren auch die Studierendenanzahl erheblich gestiegen. Dementsprechend hoch ist nun der Raumbedarf. Von Marlene Schloffer

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THEMA

Foto: Harald A. Jahn

BOKU

Foto: iStock hudiemm

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in ehrwürdiges Gebäude, backsteinrot und weiß, reichlich verziert wie ein kleines Schloss – benannt nach dem sogenannten „Vater der Genetik“ Gregor Mendel. Ein Teil ist noch eingerüstet. Daneben trocknet schon der frische Anstrich. Hinter der Baustelle liegt ein ungewöhnlicher Garten: Bienen summen über einem Blumenmeer. Ein Magnolienbaum streckt blütenschwere Zweige in den Himmel. Daneben stehen unzählige Terra­cotta-Töpfchen, fein säuberlich beschriftet, in Reih und Glied. In jedem sprießt ein Pflänzchen: ­Gewächsproben aus dem Institut für Botanik. Doch diese Pracht ist nicht die einzige Freude an der Universität für Bodenkultur (BOKU). Denn die Hochschule selbst gedeiht – „nicht ohne Grund“, meint Josef Glößl, Vize­rektor der ­BOKU, im Gespräch mit BIG Business, „weil die thematischen Schwerpunkte der ­BOKU aktuellen globalen Herausforderungen entsprechen“. Themen wie Ressourcensicherung, Klimawandel, Wasser und Lebensmittel stehen im Fokus der laufenden Forschungsarbeiten. „Diese Inhalte haben früher nur ein paar Leute interessiert, jetzt sind sie im Mainstream angekommen“, sagt BOKU-Presse­spreche­

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rin Micha­ela Klement. Für sie ist klar, dass die Vielfalt der Themen für den Zuwachs an der ­BOKU verantwortlich ist: „Auf der einen Seite geht es um Land- und Forstwirtschaft, und auf der anderen Seite läuft eine Kooperation mit dem Forschungsinstitut der Marke Chanel zum Thema ­Haut­alterung.“ Entgegen den Erwartungen hat an der Uni mit „Öko“-Image also durchaus auch die Frage nach Alterungsprozessen und ­Beauty-Themen ihre Berechtigung. „Denn ­neben Forschung und Lehre ist die dritte Mission der BOKU, ein Partner für die Wirtschaft zu sein und mit Firmen zusammenzuarbeiten“, sagt Glößl. Solche Projektkooperationen laufen derzeit unter anderem im Rahmen mehrerer „Christian-Doppler-Labors“. ­Geforscht wird zum Beispiel an neuen Wertschöpfungsmöglichkeiten für Kleie, einem Abfallprodukt der Mühlen­ industrie, oder auch zum Thema Pilzbefall von Pflanzen wie Weizen oder Mais. Am Standort Tulln wurde ein eigener Forschungsschwerpunkt zu sogenannten Mykotoxinen eingerichtet, „das sind Giftstoffe, die von Pilzen produziert werden. Da geht es also um die Lebensmittel- und Futter­ sicherheit“, sagt Glößl. Ziel der Pilzanalysen ist es, Pflanzen Nr. 17 | 2015 | www.big.at


BOKU

Foto: Harald A. Jahn

Foto: Ingeborg Sperl

In den Versuchsgärten an der Rückseite des BOKU-Hauptgebäudes werden Wachstumsunterschiede von Steppengräsern unterschiedlicher europäischer Herkunft getestet. Ein paar Meter weiter sprießen die Blüten.

zu züchten, die gegen diese Mykotoxine resistent sind. Und auch in der Pharmazie finden die Forschungserkenntnisse Anwendung. So wurden im Rahmen eines „Laura-Bassi-­ Labors“ Tabakpflanzen dahingehend optimiert, dass sie Proteine erzeugen, die für den Menschen verträglich sind. „Eines dieser Proteine ist ein Antikörper gegen das EbolaVirus“, sagt Glößl. Der an der BOKU optimierte Antikörper wurde als Teil des experimentellen Medikaments „ZMapp“ im Jahr 2014 mehreren Ebola-Infizierten verabreicht. „In ­solchen Labors verbinden wir Grundlagenforschung mit praktischen Anwendungen“, sagt Glößl.

Etikettenschwindel als Übergangslösung

«Neben Forschung und Lehre ist die dritte Mission der BOKU, ein Partner für die Wirtschaft zu sein.»

Für alle diese Leistungen braucht es entsprechend Raum. Josef Glößl, Vizerektor der BOKU Den kann die BOKU jetzt vorübergehend im neunten Wiener Gemeindebezirk in Anspruch nehmen. So berichtete vor rund einem Jahr der ORF: „Wo WU draufsteht, ist jetzt BOKU drinnen.“ Der Grund für den scheinbaren Etikettenschwindel ist denkbar simpel: Wegen der Umbauarbeiten des Haupthauses der Universität für Bodenkultur zogen im Sommer 2014 über 2.500 Studierende und Lehrende in das ehemalige ­Gebäude der Wirtschaftsuniversität (WU). Seit nunmehr ­einem Jahr werden die Räumlichkeiten der „Al- › Nr. 17 | 2015 | www.big.at

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THEMA BOKU

Fotos: Marlene Schloffer

Während der Bauarbeiten dient die Alte WU als Ausweichquartier für die BOKU. Die Lernplätze im Gebäude gleichen einem grünen Wohnzimmer.

ten WU“ von einem Teil der BOKU genutzt. Und das wird bei einem ­Besuch vor Ort deutlich: Vor dem Eingang überdeckt ein mehrere Meter großer BOKU-Banner das Schild mit der ehemals passenden Aufschrift „Wirtschaftsuniversität Wien“, und auch an den Glastüren kleben fein säuberlich angebracht etliche BOKU-Logos. Die Universität des Lebens bringt an den ehemaligen Räumlichkeiten der WU ihren Stempel an, und das findet bei den Studierenden naturgemäß großen Anklang. „Ich weiß nicht, wer die Logos da angeklebt hat, aber ich mag die Person, die’s gemacht hat“, sagt Studentin Martina.

Leben in der „Geisteruni“

Auch sonst ist von der nach dem Auszug der WU im Herbst 2013 medial als solche betitelten „Geisteruni“ nichts zu sehen. „Das ist schon lange Geschichte“, sagt der Portier an der Alten WU. „Es ist teilweise sogar mehr los als früher in

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den Zeiten der WU.“ Diesen Eindruck bestätigt Glößl: „Das Audimax ist von der Früh bis am Abend durchgehend belegt. Das Ausweichquartier in der Alten WU ist für den Lehrbetrieb der BOKU essenziell.“ Rund 250 Angestellte und 2.500 Studierende nutzen die Räumlichkeiten, darunter vor allem Erstsemestrige gut besuchter Studienfächer, wie zum Beispiel Lebensmittel- & Biotechnologie. Studentin Martina ist eine von ihnen: „Anfangs hatten wir Sorge, dass wir auf dem Boden sitzen müssen. Aber das war nie der Fall.“ Das Ausweichquartier findet sie „voll in Ordnung“. Kollege Lukas gefällt das Gebäude in Wien-Alsergrund sogar „richtig gut – vor allem, weil wir sehr viel Platz haben“. Nicht nur in den Hörsälen, sondern auch in den Bereichen zwischen den Lehrräumen stehen für die Studierenden Tische und Sessel zur Verfügung. „Hier entstehen spontane Lerngruppen, die uns viel bringen“, sagt Studentin Karina aus dem zehnten Semester. Als Ausweichquartier „gut“ – so das Fazit der Studierenden. Trotzdem freuen sie sich schon auf die Rückkehr in das Haupthaus der BOKU. Dort wird momentan noch auf Hochtouren gearbeitet.

Überraschung am Bau

Seit Ende 2012 laufen die Bauarbeiten am Stammgebäude der BOKU in Wien-Währing. Das Gregor-Mendel-Haus samt Liebig-Trakt wird nach den Plänen von Architekt Helmut Neumayer bis zum Frühjahr 2016 umfassend saniert. Das Ziel ist also bereits in Sicht. Freilich gab es zwischendurch auch ungeplante Herausforderungen, erinnert sich BIG Projektmanager Ulrich Prasser. Vor rund zwei Jahren wurden etwa an einigen Fassadenverblechungen Aus­ gasungen festgestellt. „Das Problem war ein Bestandteil des Klebers, mit dem die Verblechung der außen liegenden Fensterbänke angebracht wurde. Die Gase sind durch das Mauerwerk in die Innenräume gedrungen“, sagt Prasser. Die betroffenen Bereiche wurden vorsichtshalber vorüberNr. 17 | 2015 | www.big.at


BOKU

Foto: Harald A. Jahn

Die Ornamente auf Fassade und Holzbalken des Gregor-MendelHauses wurden originalgetreu saniert.

«Das ist eine schöne Überraschung, denn die Ornamente unter dem Dach sind irgendwann einfach übermalt worden.» Andrea Reithmayer, Vizerektorin der BOKU

gehend für die Nutzung gesperrt. Noch vor Beginn des ­damaligen Wintersemesters wurde dem Schrecken ein Ende gesetzt. Durch oftmaliges und andauerndes Lüften der betroffenen Räume konnte die Lösungsmittelbelastung beseitigt werden. „Für die restlichen Fassadenteile sind wir dann auf mechanische Befestigungen umgestiegen“, sagt Prasser.

Fassadenkunst

Generell stehen die Arbeiten am Haupthaus der BOKU aber unter einem guten Stern. Im Rahmen der Rundumerneuerung werden verborgene Malereien an der Außenfassade originalgetreu saniert. „Das ist eine schöne Überraschung, denn die Ornamente unter dem Dach sind irgendwann einfach übermalt worden“, sagt Andrea Reithmayer, Vizerektorin der BOKU. Auch die zweifarbigen Holzbalken wurden in der Vergangenheit kurzerhand überpinselt. „Die EntNr. 17 | 2015 | www.big.at

deckung der Malereien war sogar für uns eine kleine Sensa­ tion, denn davon wusste niemand“, sagt Prasser. Unter den Auflagen des Denkmalschutzes erfolgen die Sanierung der Fassade und die Erneuerung der Fenster. „Es wird nicht nur ein schönes altes Haus erhalten, sondern wir erwarten uns durch die Maßnahmen auch Energieeinsparungen, ganz im Sinne der Nachhaltigkeit“, sagt Reithmayer. Ebenso „grün“ werden – im wahrsten Sinne des Wortes – Teile des Innenhofs, denn das Fluchtstiegenhaus und das Dach der Kantine werden bepflanzt. Diesbezüglich wird eine Projekt­ arbeit von Studierenden der BOKU umgesetzt. „Wir haben gemeinsam mit der BOKU Vorschläge gesammelt, wie die Bepflanzung aussehen kann. Für die Grünanlage mussten selbstverständlich alle Jahreszeiten bedacht werden“, sagt Prasser. Bis zur Fertigstellung Anfang 2016 wird das gesamte Objekt, mit Ausnahme der Turmzimmer, barrierefrei erschlossen und behindertengerecht gestaltet. Der Liebig- ›

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THEMA BOKU

Michaela Klement, Pressesprecherin BOKU

Das Vorhaben „TÜWI neu“ war zunächst nicht von allen gerne gesehen. Mittlerweile überwiegt die Vorfreude auf die Räumlichkeiten.

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Foto: Baumschlager Hutter ZT GmbH

«Das TÜWI ist für viele Studierende und Lehrende eine lieb gewonnene Institution. Da müssen viele erst einmal Abschied nehmen.»

Fotos: Harald A. Jahn

Mit Sommer­ semester 2016 starten die ­Abbrucharbeiten am TÜWI. Bis dahin wird das Gebäude noch von ­Studierenden ­genutzt.

Nr. 17 | 2015 | www.big.at


BOKU

Fotos: Ingeborg Sperl

Über tausend Hektar Lehr- und Versuchsflächen nutzt die BOKU in Niederösterreich und dem Burgenland.

Trakt erhält einen Dachgeschoßneubau für Büronutzung. Die Investitionen für das Institutsgebäude samt LiebigTrakt betragen rund 25 Millionen Euro. Ab Sommersemester 2016 wird das Gebäude am Wiener Türkenschanzpark wieder vollständig in Betrieb sein.

Großer Hörsaal im neuen TÜWI

Danach müssen die Baufirmen einfach nur auf die andere Straßenseite wechseln. Denn die Arbeiten gehen direkt ­gegenüber beim Türkenwirtgebäude (TÜWI) weiter. Läuft alles nach Plan, soll ab Sommersemester 2016 die ehema­lige „Institution“ vieler BOKU-Studentengenerationen dem Erdboden gleichgemacht werden. Aber nicht ersatzlos. Denn ein neues Gebäude für Lehre und Forschung ist bereits geplant. Das Vorhaben war zu Beginn keineswegs von allen Studierenden gerne gesehen. „Viele fanden es schade, dass das TÜWI abgerissen wird, weil es zur BOKU einfach dazugehört“, meint Student Phi­lipp. Pressesprecherin Michaela Klement erklärt die Situation: „Das TÜWI ist für viele Studierende und Lehrende eine lieb gewonnene Institution. Da müssen viele erst einmal Abschied nehmen. Mittlerweile überwiegt aber die Freude auf die neuen Räumlich­ Nr. 17 | 2015 | www.big.at

keiten.“ Auch Vizerektorin Reithmayer sieht den Wachstumsschmerz der Studierenden schwinden: „Wir haben klargestellt, dass die Bausubstanz wirtschaftlich nicht sanierungsfähig ist. Seither genießen die Bauarbeiten eine hohe Akzeptanz.“ Andreas Weber, Vorsitzender der ÖH ­BOKU, bestätigt den Eindruck: „So lieb wir das alte Gebäude auch gewonnen haben – für uns Studierende hat der Neubau auch große Vorteile.“ Drei Institute sowie ein Lehr- und Lernbereich und eine Mineraliensammlung werden im neuen TÜWI untergebracht, ebenso wie eine Mensa. „Gemeinsam wurde eine Flächenwidmung erarbeitet, die neben den Lehr- und Lernflächen auch Lebensflächen schafft – beispielsweise für den TÜWI-Verein und die ÖH“, sagt Weber. Besonders freuen sich die Studierenden über den großen Hörsaal, der im Neubau entsteht. „Dieser Hörsaal ist für uns sehr wichtig, denn wir brauchen den Platz“, sagt Studentin Martina. In Zukunft müssen größere Lehrveranstaltungen nicht mehr ausgelagert werden, da der Hörsaal Raum für rund 400 Studierende bietet.

Ausbaupläne der Superlative

Rund 23 Gebäude sowie zahlreiche Glashäuser, Garagen, Geräteschuppen und Scheunen der BIG werden von der ­BOKU

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In den Labors ­erfolgt die praktische Umsetzung der Theorie. So wird zum Beispiel die Rektifikations­ kolonne zum Schnapsbrennen › verwendet.

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THEMA

Foto: Michael Hetzmannseder

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Bei Kunstschätzen, die von Pilzen befallen sind, wird abgewogen: Welche Behandlung ist aus mikrobiologischer Sicht ideal und was kann man dem Objekt zumuten?

„Wir können von Pilzen lernen“

Foto: Katja Sterflinger

Die Biotechnologin Katja Sterflinger im Interview. Sie ist stellvertretende Leiterin am Department für Biotechnologie der BOKU Wien und Leiterin des BOKU-Extremophile Centers.

Eingenistet: Kolonien von schwarzen, extremophilen Pilzen im Marmor.

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■ Sie haben sich auf Kunst- und Kulturgüter spezialisiert, die von Pilzen befallen sind. Was tun Sie, wenn ein befallenes Ausstellungsstück an Sie herangetragen wird? Sterflinger: Der erste Schritt ist die Analyse. Man muss ­herausfinden, um welchen Pilz es sich handelt und ob die Mikroorganismen am sichtbaren Schaden schuld sind. Bei Malereien zum Beispiel kann aufgrund von Pilzbefall die Malschicht verblassen oder verloren gehen. Im zweiten Schritt wird eine Empfehlung zur Behandlung und Reinigung abgegeben. Da stellt sich nicht nur die Frage, was aus mikrobiologischer Sicht optimal wäre, sondern auch, was man dem Objekt zumuten kann. Apropos zumuten – ein wertvolles Gemälde wird wohl kaum auf dem Postweg zu Ihnen ins Labor wandern. Wie werden solche Analysen vorgenommen? Sterflinger: Wir arbeiten mit winzigen Proben. Bei Wandmalereien bekommen wir zum Beispiel nur ein paar Krümel zugeschickt. Oft sind es auch nicht-invasive Proben auf Wattestäbchen oder Nylon-Membranen – wie man es von „C.S.I.“ aus dem Fernsehen kennt. Bei herausragenden Kunstschätzen geht es allerdings selten um Pilzbefall, da will man etwas über die Geschichte des Objekts erfahren. Wir haben zum Beispiel eine Studie zum Selbstbildnis von Leonardo da Vinci gemacht. Dafür wurde aus den Proben

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die DNA extrahiert, sozusagen der genetischen Finger­ abdruck des Gemäldes. Der erlaubt eine Rückschau auf die Mikroorganismen, die das Gemälde einmal besiedelt haben. Warum ist der frühere Pilzbefall von Kunstobjekten überhaupt interessant? Ist man in der Regel nicht einfach nur froh, wenn man die Mikroorganismen los ist? Sterflinger: Die DNA der verschiedenen Pilze ermöglicht Rückschlüsse auf die Lagerung und das Klima, in dem sich der Gegenstand einmal befunden hat. Wenn zum Beispiel ein Pilz mindestens 80 Prozent Feuchtigkeit braucht, dann muss das Gemälde, das von diesem Pilz befallen war, einmal ziemlich nass gewesen sein. Man kann also erfahren, was mit dem Bild in den letzten Jahrhunderten passiert ist. Für Ihre Dissertation haben Sie „schwarze Pilze“ von antiken Marmorelementen aus Griechenland untersucht. Was haben Sie dabei herausgefunden? Sterflinger: Diese Pilze waren damals noch ziemlich unerforscht, viele Wissenschaftler haben sie sogar für Schmutz gehalten. Interessant sind die „schwarzen Pilze“, weil sie das Extreme lieben. Marmoroberflächen sind eigentlich recht ungemütlich für Leben – ein Extremhabitat: Es ist heiß, und es gibt wenig Nährstoffe. Man möchte also ­wissen, wie diese Mikroorganismen überleben. Derzeit ­forschen wir in einer Arbeitsgruppe zur Fähigkeit der Nr. 17 | 2015 | www.big.at


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Foto: Katja Sterflinger

Nr. 17 | 2015 | www.big.at

In der Petrischale dürfen die Schimmelpilzkolonien, hier aus einer Innenraummessung, wachsen.

Foto: iStock Guntars Grebezs

„schwarzen Pilze“, die Zelle vor Stress zu schützen. Wenn man diese Mechanismen versteht, kann man von den Pilzen lernen. Das ist für Medizin und Pharmazie, aber auch unter dem Aspekt Anti-Aging ein heißes Thema. Sie sprechen davon, Mikroorganismen zu stressen. Wie muss man sich das vorstellen? Sterflinger: Für die Stresstests haben wir eine Klimakammer, die alle möglichen Umwelten – vom Meeresboden bis zum K2 – simulieren kann. Das heißt, wir können in unseren Experimenten mit Druck und Temperatur, verschiedensten Gasen und Ozon die Pilze stressen. Was ist bei der Arbeit mit befallenen Kunst­artefakten der größte Stressfaktor? Sterflinger: Wir verstehen von der Mikrobiologie nur einen winzigen Teil, trotzdem sollen wir Lösungen anbieten – das ist eine Herausforderung. Bei Kunstobjekten muss man durchaus mutig sein und ­etwas ausprobieren, aber auch zugeben können, dass man keine Lösung hat. Die größten Fehler in der Restaurierung und Konservierung wurden gemacht, weil etwas vorschnell behandelt wurde. Manchmal ist es einfach das Beste, wieder einen Kalkputz auf eine Malerei aufzutragen und abzuwarten, bis man eine (bessere) Lösung hat. Sie arbeiten seit vielen Jahren mit Kulturgütern. Welches ­Objekt ist Ihr persönliches Highlight? Sterflinger: Wirklich das Herz aufgegangen ist mir bei der Johanneskapelle in Pürgg in der Steiermark. Darin befindet sich eine wunderschöne romanische Wandmalerei. Besonders beeindruckt hat mich jedoch nicht die Kunst, sondern die Farbe der Kapelle. Sie ist rosa – und zwar wegen der salzliebenden Bakterien, die dort wachsen. Selbst die Restauratoren haben über Jahre die Ergänzungsputze rosa gefärbt. Es gab dann sogar eine Diskussion im Bundesdenkmalamt, am Ende wurde die Farbe beibehalten. Bis heute bestimmt also das Wachstum der salzliebenden Bakterien das Erscheinungsbild dieser Kapelle. ‹

Vor allem in feuchten Umgebungen werden Kulturgüter oft von Flechten und Pilzen besiedelt.

Wien gemietet. Das entspricht einer Gesamtfläche von rund 90.000 Quadratmetern und deckt einen Großteil des Raumbedarfs für Lehre und Forschung an der Univer­sität des Lebens. „Insgesamt nutzt die BOKU aktuell rund 141.000 Quadratmeter Fläche, da gibt es naturgemäß die ­eine oder andere Baustelle“, sagt Reithmayer. Gebaut wird nicht nur am GregorMendel-Haus und dem TÜWI. Derzeit laufen auch die Sanierungs­ arbeiten am Forschungsglashaus, und ab Herbst 2015 entsteht an der Türkenschanze ein Neubau mit Passivenergiestandard für Kindergarten und Gartencenter. Neben den Liegenschaften im Wiener Stadtgebiet sind auch einige Außenstellen am Land von Bauarbeiten betroffen. „Die ­BOKU nutzt insgesamt über 1.000 Hektar Lehr- und Versuchsflächen in Niederösterreich und dem Burgenland“, sagt Glößl. Eine davon ist die rund 100 Hek­tar umfassende Versuchsfläche in Groß-Enzersdorf. Dort erfolgt am Bestandsgebäude bis Ende 2015 ein Ausbau, worin nach Fertigstellung Werkstätten, Groblabors und ein Büroraum Platz finden werden. Und auch am Standort Tulln ist ein Gebäude in Planung. Bis Ende 2016 wird dort ein Neubau entstehen, in dem künftig Labors untergebracht werden. Insgesamt befinden sich gegenwärtig an der BOKU neun Projekte an vier Standorten in Planung oder Ausführung. „Die BOKU ist die am schnellsten wachsende Uni in Österreich. Dadurch steigt selbstverständlich auch der Raumbedarf“, sagt Glößl, nicht ohne ein klein wenig Stolz für „seine Uni“ durchklingen zu lassen. Tatsächlich war im Jahr 2004 die Anzahl der Studierenden mit rund 4.000 noch vergleichsweise gering. Zehn Jahre später hat sich die Anzahl der Inskribierten an der Universität des Lebens verdreifacht. Gemessen an der neu gewonnenen Größe orientieren sich auch die Ausbaupläne an ­Superlativen. So soll beispielsweise am Brigittenauer Sporn „eines der größten Wasserbaulabors der Welt mit einem Durchfluss von 10.000 Litern pro Sekunde entstehen“, sagt Glößl. Das entspricht der Wassermenge eines kleinen Pools. In einer Stunde fließen also rund 36 Millionen Liter durch das derzeit in Planung befindliche ­Forschungsgerinne. Dort können in Zukunft Wasserläufe im großen Maßstab simuliert werden. Die Ergebnisse finden beispielsweise im Hochwasserschutz oder bei ökologischen Fragestellungen Anwendung. „Bisher basieren die Modellierungen unserer Forscher auf relativ kleinen Anlagen. Das neue Labor wird für die Fließgewässerforschung eine ganz große Rolle ­spielen“, ist Glößl überzeugt. ‹

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Kein Abbruch ohne Staubentwicklung: Sprengung der Leondinger Wohntürme anno 2003 (kleines Bild) und Schlaucheinsatz heuer in der Argentinierstraße (großes Bild).

Staublastig

Wo Neues entstehen soll, muss oft zuerst Altes beseitigt werden. Weil für immer mehr Gebäude das Ende der Lebensdauer gekommen ist, boomt das Gewerbe der Abrissfirmen. Auch die Bundesimmobiliengesellschaft ist aktuell mit einigen heiklen Abrissen und ihren Nebengeräuschen befasst. Von Eduard Platzenteig

Fotos: Richard Tanzer / Fotolia, loya-ya

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in Funke, ein Feuerball, ein gewaltiges Krachen – und dann versinkt alles in einer riesengroßen Staubwolke: Der 13. April 2003 ist in die österreichische Baugeschichte eingegangen, zumindest in die heimische Abrissgeschichte. Denn an diesem Tag wurde in Linz-Leonding, am Harter Plateau, die damals größte Wohnhaussprengung Europas durchgeführt. Vor 50.000 Zuschauern am Ort des Geschehens und Zehntausenden Interessierten im Live-Regional-TV wurden zwei rund 60 Meter hohe Türme dem Erdboden gleichgemacht. Das in dieser Dimension einzigartige Spektakel lief dank 450 Kilogramm Sprengstoff und einer großräumigen Pufferzone vollkommen reibungslos ab. Zurück blieben zwei 15 Meter hohe Schuttkegel aus Stahl und Beton mit einem Gesamtgewicht von rund 40.000 Tonnen, die in den nachfolgenden Wochen sukzessive abgetragen wurden – ehe dann auf dem großzügigen Gelände neue Wohnungen ­errichtet wurden. Derart spektakuläre Bilder, die in Windeseile um den Erdball geschickt werden, sind in Österreich allerdings selten. Denn dass Sprengmeister in wenigen Sekunden Gebäude zu Fall bringen, ist die ganz große Ausnahme, da speziell im ›

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städtischen Bereich das Risiko von Sekundärschäden einfach viel zu groß ist. Wenn, dann kommt das Dynamit bei substanzarmen technischen Anlagen wie Schornsteinen, Kühltürmen oder Sendeanlagen zum Einsatz – gut in Erinnerung ist etwa noch die Sprengung der beiden Bisam­ berg-Sendemasten an der Wiener Peripherie im Februar 2010. Auch dort ließen es sich Hunderte Schaulustige nicht nehmen, den Fall von Österreichs damals höchstem Bauwerk (265 Meter) live mitzuerleben.

Das Zollamts­ gebäude in WienErdberg (rechts) wird die nächste Abriss-Großbau­ stelle in Wien. ­An dieser Stelle soll das Projekt „Triiiple“ mit drei Hoch­ häusern entstehen (unten).

Foto: BIG

Hauptzollamt: 60 Meter hohes Abbruchobjekt

«Das ist die größte AsbestEntsorgungsbaustelle, die wir in Wien überhaupt noch haben. Das ist wirklich viel.»

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Heinz Kropiunik, Ziviltechniker und Abbruchexperte Firma Aetas

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Wenn in ein paar Monaten der Abriss des etwas mehr als 60 Meter hohen Zollamtsgebäudes in der Schnirchgasse 9 in Wien-Erdberg spruchreif wird, brauchen die SprengSpotter aus aller Welt freilich gar nicht erst anzureisen. Denn das derzeit im Eigentum der 100-prozentigen Tochter der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), der ARE Austrian Real Estate GmbH, befindliche Gebäude wird Stück für Stück, von oben nach unten und keinesfalls in einem Ruck oder per Knopfdruck dem Erdboden gleichgemacht. Dies wäre schon allein aufgrund der exponierten Lage am Verkehrsknotenpunkt von A23-Südosttangente und A4-Ost­ auto­bahn de facto unmöglich, weil beide Verkehrsadern wohl oder übel gesperrt werden müssten. Denn schon so wird aufgrund der speziellen Lage eine Sondergeneh­ migung erforderlich sein, um den monatelangen Abbruch abzuwickeln, wie der Ziviltechniker und Abbruchexperte Heinz Kropiunik, der mit seiner Firma Aetas das Projekt Schnirchgasse vorbereitet hat, erläutert. „Eine solche Son­ der­genehmigung kann Einfluss auf die Abbruchmethoden und -zeiten sowie auf einzuhaltende Verkehrs­routen beim Abtransport des Abbruchguts haben. Bei der ASFINAG etwa ist bereits ein entsprechender Antrag gestellt worden“, so Kropiunik. Anstelle des beige-braunen Gebäudes an der Erdberger Lände soll bekanntlich in den nächsten Jahren das Projekt „Triiiple“, ein 80.000-Quadratmeter-Cluster mit Wohnungen, Büros und Kultureinrichtungen, umgesetzt werden. Im Zuge des Gemeinschaftsvorhabens von ARE und der ­Soravia-Tochter SoReal sollen vier neue Baukörper entstehen, wovon drei als 30-stöckige Hochhäuser mit mehr als 100 Metern Höhe ausgeführt werden – was denn auch den Namen des Projekts erklärt. Das Gesamtinvestitionsvolumen von „Triiiple“ beläuft sich auf über 200 Millionen Euro. Einen kleinen Teil der Summe wird auch der Abbruch des ehemaligen Zollamts verschlingen. In den vergangenen Wochen wurde intensiv daran gearbeitet, die Abbruch­ arbeiten exakt zu planen, so wie es im Wiener Abfallwirtschaftsgesetz vorgeschrieben ist. „Es müssen alle voraussichtlich anfallenden Abfälle benannt und quantifiziert werden. Außerdem sind sämtliche organisatorischen Vorkehrungen zur Einhaltung dieser Vorschriften auszuarbeiten“, erklärt Kropiunik. Ein Hauptkriterium ist dabei, dass bei sämtlichen Gebäuden mit mehr als 5.000 Kubikmetern Bruttorauminhalt eine Schadstofferkundung zu erfolgen hat. Zur Verdeutlichung: 5.000 Kubikmeter sind oft schon bei einem kleineren Zinshaus mit fünf Geschoßen Nr. 17 | 2015 | www.big.at


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­ egeben; das Hauptzollamt weist rund 136.000 Kubik­ g meter Bruttorauminhalt auf. „Und wenn die begründete Annahme besteht, dass Baumaterialien schadstoffbelastet sind, dann muss auch einer Erkundung bei kleineren Gebäuden stattfinden“, sagt Kropiunik. Laut dem Experten gibt es bei Abrissen vor allem sechs Schadstoffe, die sich im Gebäude befinden und dort oft erst mühsam aufgespürt werden müssen: Es sind dies Asbest (unter anderem in Brandschutzdämmungen), künstliche Mineralfasern (in Isolierungen), polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (in Teerpappen), polychlorierte Biphenyle (in Kondensatoren), Pentachlorphenol (in Holz- und Textilschutzmitteln) sowie Fluorchlorkohlenwasserstoffe (als Kältemittel in Kühlan­lagen). „Um diese Schadstoffe aufzu­ stöbern, bedarf es nicht nur einschlägigen Fachwissens, sondern vor allem auch umfassender und langjähriger ­Erfahrung“, sagt ­Kropiunik.

„Größte Asbest-Baustelle“

In der Schnirchgasse haben Kropiunik und sein Team, die in der Vergangenheit unter anderem die Asbestsanierung der Wiener UNO-City erfolgreich bewältigt haben, bereits die Schadstofferkundung abgeschlossen. Hauptkriterium beim Zollamt wird dabei der dort verbaute Spritzasbest sein. „Das ist die größte Asbest-Entsorgungsbaustelle, die wir in Wien überhaupt noch haben“, sagt Kropiunik, der von rund 4.000 Quadratmetern Spritzasbest spricht. „Das ist wirklich viel.“ In normalem Ausmaß seien zudem künstliche Mineralfasern, sprich Tellwolle, vorhanden. Der Zeitplan sieht nun vor, nach der auf vier Monate anberaumten Schadstoffentsorgung und einem darauffolgenden Puffermonat mit dem Abriss zu starten, der wiederum auch etwa vier Monate dauern soll. Nr. 17 | 2015 | www.big.at

Noch gibt es keinen Starttermin für das Großprojekt, auch die Ausschreibungen für Abbruch und Entsorgung sind noch nicht ganz fertig. In welcher Form und mit welcher Technik dann der 18-stöckige Komplex dem Erdboden gleichgemacht wird, das überlässt der Bauherr dann der Abrissfirma – als Referenzprojekt dient dabei jedoch die Schleifung des 14-stöckigen Bundesländer-Hauses am ­Donaukanal vis-à-vis vom Schwedenplatz anno 2006. „Dort war es sogar schwieriger, weil die Lage noch exponierter war. Da wurde sehr, sehr vorsichtig gearbeitet, mit Kleingeräten, und man hat dann das Abbruchmaterial im Inneren durch einen Schacht nach unten gebracht“, berichtet Kropiunik. In Erdberg wiederum hat man Richtung ­Donaukanal aufgrund einer Freifläche mehr Platz, was das Vorhaben etwas leichter machen dürfte. Die technisch einfachste Lösung bei so hohen Objekten wäre freilich, auf ­einen riesigen Abbruchbagger zurückzugreifen, der sich dann mit seinen Greifarmen in luftiger Höhe Stück für Stück des Bauwerks schnappt – ohne dass sich weitere Personen dort oben aufhalten müssen. „Über solche Bagger verfügt jedoch nur eine Handvoll Firmen in Europa. Letztlich entscheidet der Preis, welche Firma mit welcher Technik zum Zug kommt“, sagt Kropiunik.

Der Abbruch des BundesländerHauses im Jahr 2006 gilt als Referenzprojekt für das Zollamt, weil die (Donaukanal-) Lage und die Höhe der Gebäude nahezu ident sind. Wo früher das Bundesländer-Haus stand, ist heute das „Sofitel“ von Jean Novel.

Argentinierstraße: Abrissfirma schickt Putztrupp

Dass neue Bauprojekte insbesondere in dicht besiedelten Gebieten in der Nachbarschaft auf wenig Gegenliebe ­stoßen, ist kein Geheimnis – außer dem Baulärm, den Stadtbildveränderungen und möglichen Verkehrsbehinderungen kommt bei einem zusätzlich nötigen Abriss noch weiteres Unbill für Anrainer hinzu: Staub, heftige Erschütterungen und noch viel mehr Lärm. Dass dann mitunter die Emotionen hochkochen, wenn die Bagger unter lautem ›

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Foto: Richard Tanzer

Foto: Schreiner Kastler_Architektur Riepl Kaufmann Bammer

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Alte HTL weicht a ­ ttraktiven Wohn­ bauten: In der ­Argentinierstraße wurde im Frühjahr das Projekt „ARGENTO“ gestartet.

«Obwohl man sich im gesetzlichen Rahmen bewegt, sind Abbrucharbeiten im innerstädtischen Bereich immer mit Emissionsproblemen wie Staub- und Lärmentwicklung sowie Erschütterungen verbunden.» Alexander Gardavsky-Giannini, „ARGENTO“-Projektleiter der ÖBA der Firma Werner Consult

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­ etöse hochschwingen, ist aus Bewohnersicht nur allzu G verständlich, aus Bauherren- und Baufirmen-Sicht freilich schon nicht mehr so sehr, weil klinisch saubere Abbrüche selbst den besten Arbeitern nie gelingen können. Ein gutes Anschauungsbeispiel hierfür bildet das Wohnbauprojekt „ARGENTO“ der ARE Development, das heuer im Frühjahr an der Adresse Argentinierstraße 11 im vierten Wiener Gemeindebezirk gestartet wurde. Auf dem Areal des ehema­ ligen Schulkomplexes (die HTL Rennweg wurde im Jahr 2000 abgesiedelt) sollen bis 2017 insgesamt 75 hochmoderne Wohneinheiten – von attraktiven Single-Apartments über großzügige Familienwohnungen bis hin zu vier luxuriösen Penthäusern – entstehen. Während der straßen­seitig gelegene Bauteil aus der Gründerzeit umfassend ­saniert und die Fassade das dezente Weiß-Hellgrau der benachbarten Häuser bekommen wird, ist eine weitere Nutzung des im grünen Innenhof befindlichen Schulgebäudes und des ehemaligen Physiksaals oder der Werkstatt nicht mehr sinnvoll. „Außerdem errichten wir unter dem Grundstück eine Tiefgarage, schon allein deshalb ist dort ein Neubau besser und effizienter“, erklärt Alexander Gar­davskyGiannini, „ARGENTO“-Projektleiter der örtlichen Bauaufsicht (ÖBA) der Firma Werner Consult. Als ­allerdings im Frühjahr die Abbrucharbeiten an den betroffenen Gebäudeteilen starteten, dauerte es nicht lange, bis mitunter heftige Anrainerbeschwerden auf die ARE Development einprasselten, ­unterlegt von anschaulichen Fotodokumenten. „Unsere Liegenschaft ist, wie man auf den Fotos schön erkennt, völlig eingestaubt. Sämtliche Fenster, Türen, ­Balkone, Terrassen, Pflanzen, die Dachrinnen, Terrassen­ möbel – kurz gesagt: alles – sind mit einer Staub- und Dreckschicht überzogen. Bitte um einen Vorschlag betreffend Reinigung“, monierte etwa eine benachbarte Hauspartei. Andere wiederum ließen ihren Protest gleich von Anwälten aufsetzen. Bis dato seien keine bzw. nur unzu­ Nr. 17 | 2015 | www.big.at


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reichende Maßnahmen zur Verhinderung der Immissionen gesetzt worden, lautete einer der Vorwürfe. Wie geht man nun mit einer derart sensiblen Causa um? Die Vor­ halte wurden umgehend an die ÖBA weitergeleitet, die wiederum auf die beauftragte Abbruchfirma Druck aus­ übte, die gesetzlichen Verpflichtungen auf Punkt und Beistrich einzuhalten, und dies auch laufend überwacht. Darüber ­hinaus liegt es im Interesse des Bauherrn, das Verhältnis zu den Anrainern so friktionsfrei wie möglich zu gestalten, zumal ja auf den Abbruch noch eine zweijährige Bauzeit folgt. Die Abbruchfirma bemüht sich jedenfalls laufend, die Wogen zu glätten. Im Regelfall rückt nach jeder Beschwerde ein Reinigungstrupp aus. „In den Richtlinien der Stadt Wien ist etwa punkto Staub­ entwicklung festgeschrieben, dass alles unternommen werden muss, um so gut wie möglich staubfrei abzubrechen. Die Reduzierung der Staubentwicklung während der Abbrucharbeiten ist lediglich durch Besprühen mittels Feuerwehrschläuchen möglich, weil Wasser das Einzige ist, was den Staub bindet.“ Hinsichtlich Arbeitszeitauflagen nutze man bei der betreffenden Baustelle den Rahmen gar nicht aus, denn es könnte bis 22 Uhr abends abgebrochen werden, was freilich nicht gemacht werde. „Obwohl man sich im gesetzlichen Rahmen bewegt, sind Abbrucharbeiten im innerstädtischen Bereich immer mit Emissionsproblemen wie Staub- und Lärmentwicklung sowie Erschütterungen verbunden“, sagt Gardavsky-Giannini.

Riss-Messungen in Baden

Vor anderen Herausforderungen stand und steht die BIG beim Abriss samt Neubau der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich in der Badener Mühlgasse: Dort wird die Bildungseinrichtung – bei laufendem Betrieb – bis Ende 2017 um- und ausgebaut. „Wir investieren rund 45 Millionen Euro in das Projekt“, erklärte BIG Geschäftsführer WolfNr. 17 | 2015 | www.big.at

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Foto: Michael Hetzmannseder

Bagger-Einsatz in Baden: Die Pädagogische Hochschule Niederösterreich wird bis 2017 bei laufendem Betrieb um- und ausgebaut.

gang Gleissner unmittelbar nach Beginn der ersten Abbrucharbeiten heuer im März. Das Projekt beinhaltet den Neubau von drei Gebäuden rund um den Altbestand, der teilweise vor den Neubauarbeiten bzw. dann nach ­deren Fertigstellung abgebrochen wird. „Das Kritische an dem Projekt ist, dass der Bestand in Betrieb bleibt, während wir Teile abreißen. Das ist aus statischer Sicht eine Herausforderung“, sagt BIG Projektleiter Stefan Salchinger. Zumal etwa der Festsaal schon in der Vergangenheit statisch ertüchtigt werden musste und vor Beginn des Teilabrisses zusätzlich verstärkt wurde. Damit keine unvorhergesehenen Schäden passieren oder gar Studenten oder Personal zu Schaden kommen, werden während des Abrisses Erschütterungsmessungen durchgeführt. „Wir messen an den Dehnfugen bzw. an bestehenden Rissen, ob und wie sich diese verändern. Die Daten werden vollautomatisch im Viertelstundentakt ausgelesen und übermittelt, sodass es bei einer Grenzwertüberschreitung sofort automatisch eine Warnung gibt“, erläutert Salchinger. Das Ganze spiele sich freilich für das menschliche Auge unmessbar im ›

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­ ehntelmillimeter-Bereich ab. „Diese Überwachung führt Z die Baufirma selbst durch, denn die hat ja höchstes Interesse, dass nichts passiert“, erklärt der BIG Projektleiter. Im Fall des Falles würden diese Messungen auch bei der ­Haftungsfrage als Beweismittel zählen, allerdings nur eingeschränkt: „Denn wir wissen, dass sich Risse oft durch Erschütterungen verändern, die gar nicht von der unmittelbaren Bautätigkeit herrühren.“

Auftrag für Abriss und Containerdorf

In Baden galt es zuvor nicht nur die klassische Aufgabenliste bei Abrissen abzuarbeiten, sondern auch den weiteren Betrieb der Hochschule sicherzustellen. Also Heizungsrohre und Stromleitungen umzulegen, ein Contai­nerdorf als Ersatzquartier auf­zustellen, Staubschutzwände an den wichtigen Stellen zu platzieren sowie die optimale Bewässerung als Staubfang ­vorab zu klären. Überraschungen bei den Abrissarbeiten gab es keine: „Ein Schadstoffgutachten hat ergeben, dass asbesthaltige Fa­ser­­zementrohre im üblichen Ausmaß vorhanden sind, das ist klassisch für Bauten der 60er- und 70er-Jahre“, berichtet Salchinger. Der Baugrund wie«Der jetzige Bestandsbau derum sei laut Informationen nutzt die Flächenwidmung aus dem Verdachtsflächenka­ taster unbelastet. nicht voll aus. Hier etwas Bei diesem Projekt wurden dazuzustückeln, wäre unterm Abbruch und Neubau gesonStrich sicher nicht günstiger dert ausgeschrieben – eine in der Baubranche nicht unüb­ und auch nie so gut wie ein liche Vorgehensweise, weil etneues Gebäude aus einem wa bei noch nicht vorhandenen Baubewilligungen der Abriss Guss hinzustellen.» bereits erfolgen kann und soAlfons Steiner, ARE Project Development mit Zeit gespart wird. In Baden ist jedoch keine klassische Abbruchfirma zum Zug gekommen, sondern mit Held & Francke eine normale Baufirma, da in der Ausschreibung auch diverse Baumeisterleistungen und die Errichtung ­eines Containerdorfs verlangt worden waren. „Diese Firma verfügt über eine Konzession für Abrissarbeiten, das ist ­wegen der Schadstoffentsorgung wichtig, weil dadurch keine Subfirmen engagiert werden müssen“, so Salchinger.

Vom Finanzamt bleibt nur die Garage

Abriss und Neubau zu separieren – diesen Weg geht man auch beim ARE-Development-Projekt an der Nussdorfer Straße in Wien-Alsergrund: Dort soll im Herbst des heu­ rigen Jahres das ehemalige Finanzamt 9/18/19/Klosterneuburg, das Ende 2012 im Zuge einer großen Umstruktu­ rierung in den Komplex Wien-Mitte übersiedelt ist, abgerissen und durch einen Neubau für 140 Wohnungen ersetzt werden. Bevor dort die Abbrucharbeiten ausgeschrieben wurden, um einen Bestbieter zu finden, hat die ARE ­Development zunächst bei renommierten Abrissfirmen

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Angebote eingeholt, um gleichsam ein Gefühl für die zu ­erwartenden Kosten zu bekommen. „Wir sind natürlich bemüht, im Vergabeweg diese Zahlen dann möglichst zu ­unterschreiten“, erklärt Alfons Steiner von ARE Project Development. Es gebe zwar gewisse Parameter, an denen man sich orientieren könne, im Grunde müsse aber jedes Gebäude von oben bis unten extra bewertet werden. „Grob gesagt kostet ein Kubikmeter Abbruch 20 Euro. Allerdings – bei ­einer großen Halle mit sechs Metern Raumhöhe wären diese 20 Euro sicher zu viel“, sagt Steiner. Beim Objekt in der Nussdorfer Straße komme als möglicher Teuerungsgrund hinzu, dass der bestehende Keller samt Tiefgarage unbeschadet zu bleiben habe, da er künftig weiter genutzt werden müsse. „Bei uns endet der Abbruchauftrag, wenn die Kellerdecke gegen Feuchtigkeit abgedeckt und die Baustelle abgesichert ist. Dann wird übergeben“, berichtet Steiner. Vieles liegt zwar während eines Abrisses im Verantwortungsbereich der jeweiligen Firma, doch hat auch jeder Bauherr seine Pflichten. „Wenn man weiß, welche Problemstoffe in einem Gebäude stecken, muss man aufpassen, dass die Firmen auch die entsprechenden Bewilligungen dafür haben und die Entsorgung richtig passiert“, erörtert Steiner. „Wenn ich mich nicht darum kümmere, hafte ich am Schluss. Man kann nachher natürlich regressieren, aber als Erster haftet immer der Bauträger.“ Auch bei der Nussdorfer Straße seien die erwartbaren Problemstoffe in den Voruntersuchungen aufgetaucht, wie etwa asbesthaltige Dichtungen beim Brandschutz. Spezielle Genehmigungen durch Behörden braucht es bei Abrissen – so sie nicht in ­einer Schutzzone liegen, das Gebäude unter Denkmalschutz steht oder sich in einer exponierten Lage befindet – an sich nicht. „In Wien ist ein Abbruch nur anzeigepflichtig“, sagt Steiner. In der Praxis empfiehlt es sich freilich, größere Vorhaben umfassend mit allen relevanten Stellen zu besprechen, weil fast jeder Abriss einen Rattenschwanz an Maßnahmen nach sich zieht. „In der Nussdorfer Straße müssen wir etwa Extra-Maste für die Straßenbahn-Oberleitungen der Wiener Linien aufstellen“, berichtet Steiner. Die Durchzugsstraße werde trotz des Abbruchs für den ­Autoverkehr voll befahrbar bleiben, kleinere Behinderungen müssen aber in Kauf genommen werden. Steiner ist letztendlich überzeugt, dass ein Neubau dem Standort guttut: „Der jetzige Bestandsbau nutzt die Flächen­­widmung nicht voll aus. Hier etwas dazuzustückeln, wäre unterm Strich sicher nicht günstiger und auch nie so gut wie ein neues Gebäude aus einem Guss hinzustellen.“ Vor allem die jetzt sehr dunkle und unattraktive Arkade im Erdgeschoß würde bei dem Projekt von Architekt Roger Karré enorm profitieren. „Wir erreichen dadurch viel größere Raumhöhen, die auch den öffentlichen Raum beleben werden.“

Das Geschäft brummt

Dass speziell im städtischen Raum der Abrissmarkt insgesamt floriert, hat mehrere Gründe: Zum einen waren die Wiener Gründerzeithäuser eigentlich auf eine Lebensdauer von rund 100 Jahren ausgerichtet, erklärte kürzlich ­Andreas Nr. 17 | 2015 | www.big.at


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Foto: Architekt Roger Karré

Foto: Harald A. Jahn

Das ehemalige Finanzamt in der Nussdorfer Straße (links) soll ab Herbst durch einen Neubau mit 140 Wohneinheiten ersetzt werden (unten).

Kolbitsch, Professor für Bauingenieurwesen an der TU Wien. Diese Zeitspanne sei nun eigentlich erreicht. „Wenn man diese Häuser ordentlich wartet, halten sie gut und lang.“ Laut Zinshaus-Marktbericht von Otto Immobilien weist allein Wien rund 14.860 Gründerzeithäuser auf, und da innerhalb des Gürtels das Potenzial dieser Gebäude weitgehend erschöpft ist, gibt es derzeit immer mehr Baustellen in die Vorstadt, wo die Bausubstanz eben nicht mehr so gut ist. In vielen Fällen rentiert sich daher eine ­Sanierung nicht mehr, weshalb die Bagger zum Einsatz kommen müssen. Bei jüngeren Gebäuden wiederum ist die bestehende Raumaufteilung (der Büros) oft mit der derzeit Nr. 17 | 2015 | www.big.at

stark nachgefragten Wohnnutzung inkompatibel – und da die Zinsen auf einem historischen Tiefststand sind, fällt die Entscheidung für einen großen Schnitt derzeit oft leichter. Auch die öffentliche Hand hat mit großen Infrastrukturprojekten in den vergangenen Jahren den Markt befeuert – Stichwort Abriss des Südbahnhofs zugunsten des neuen Hauptbahnhofs. Vor allem im Wiener Raum wird der Abrissmarkt von ­einer Firma dominiert, der Prajo & Co GmbH. Das blaue Transparent mit dem gelben Schriftzug prangt an mehr als der Hälfte der Abbruch-Baustellen in Wien, zuletzt ­unter anderem bei prestigeträchtigen Projekten wie der ›

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Demolierung des Gerhard-Hanappi-Stadions in Hütteldorf, beim Wiener Westbahnhof sowie beim Abriss der Finanzministeriums-Gebäude auf der Kärntner Straße, kurzfristig in Besitz der BIG. „Im Raum Wien und Umgebung schätze ich den Anteil der Prajo auf gut 70 Prozent“, sagt Geschäftsführer Zeljko Vocinkic im Gespräch mit BIG Business, ohne freilich nähere Umsatz- oder Gewinnzahlen seines Unternehmens preisgeben zu wollen. Die Firma ist in den vergangenen 20 Jahren von einem Familienbetrieb zu DEM Abbruchspezialisten in Österreich emporgestiegen, was 2013 zur Übernahme durch den Bauriesen Porr führte, der sich davon eine wertvolle Ergänzung seines Portfolios erwartete. In der Branche sieht man den Aufstieg vor allem einer aggressiven Preispolitik geschuldet, aber auch qualitativ hochwertiger Arbeitsleistung. „Das Preis-LeistungsVerhältnis stimmt, damit kann man viele Aufträge an Land ziehen“, ist in der Branche zu hören. Relevante Marktan­ teile haben auch noch die Abbruchfirmen Mayer, Ayka oder Jonny-Abbruch, sodass die Gefahr einer Monopolisierung nicht gegeben sei.

der Prajo-Geschäftsführer. Schließlich müssten Dinge wie Deponie, Recyclingwerk, Umschlagplätze sowie sämtliche Genehmigungen vorhanden sein. Laut Wirtschaftskammer (WKO) kam es in den vergangenen Jahren in Österreich allerdings zu einer Art Marktbereinigung, bei der etliche Firmen wieder verschwanden. „Im Beobachtungszeitraum der vergangenen zehn Jahre scheint die Anzahl der Unternehmen und der Beschäftigten in diesem Segment um 15 bis 20 Prozent zurückgegangen zu sein“, erklärt Peter Scherer von der Geschäftsstelle Bau – Technische Betriebswirtschaft in der WKO. Eine exakte statistische Erhebung sei jedoch aufgrund diverser Umstellungen nicht möglich. Da Abbrucharbeiten gewerberechtlich der Baumeisterbefähigung zugeordnet werden und nicht statisch belangreiche Arbeiten auch von Unternehmen mit eingeschränkten Berechtigungen oder dem Bauhilfsgewerbe durchgeführt werden können, seien Abbruchunternehmen zudem auch nicht explizit statistisch erfasst. „Ich konnte aus unterschiedlichen Quellen etwa 150 bis 200 Unternehmen mit etwa 2.300 Beschäftigten schätzen. Das Umsatzvolumen wird mit etwa 400 Millionen Euro hochgerechnet“, sagt Scherer. Der Lohn für die Arbeiter in der Abbruchbranche unterliegt dem Kollektivvertrag. „Je nach Verwendung (Facharbeiter, Hilfsarbeiter …) und Überzahlung wird die Entlohnung bei etwa elf bis 13 Euro/Stunde und darüber liegen“, rechnet Scherer vor.

Foto: APA-Bilderdienst

Feine Klinge statt Abrissbirne

Heikler Abriss ­ itten auf der m Kärntner Straße: Die ehe­maligen Finanz­ ministeriums-­ Gebäude in BIG ­Eigentum wurden 2009 fachgerecht dem Erdboden gleich­gemacht.

Bei Prajo führt man vor allem die reine Spezialisierung auf Abbrüche als Atout ins Treffen: „Wir können topquali­ fiziertes Personal bieten. Gleichzeitig setzen wir auf modernste Abbruchgeräte, einen eigenen Fuhrpark und betreiben das größte Recyclingwerk in Österreich, in Himberg bei Wien. Und genau diese Spezialisierung macht bei Abbrucharbeiten den Unterschied“, meint Vocinkic. Auch er kann die gute Auftragslage in der Branche bestätigen: ­„Unsere Geschäftsentwicklung verläuft ausgezeichnet. Die Auslastung ist gut und die Auftragslage für die Zukunft ebenso.“ Keine Sorgen brauche man sich zudem um Konkurrenz aus dem Ausland machen, denn um in den österreichischen Abbruchmarkt einzusteigen, brauche es ein Minimum von vier bis fünf Jahren Vorlaufzeit. „Und das ist für die Konkurrenz aus dem Ausland uninteressant“, meint

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Der augenscheinlichste Wandel zu früher ist sicherlich die Art des Schleifens, die heutzutage – auch wenn es für Beobachter nicht immer so aussehen mag – sehr oft mit der feinen Klinge statt dem grobschlächtigen Hammer erfolgt. Zum einen darf das Abbruchmaterial längst nicht mehr unbedarft in eine Deponiegrube verfrachtet und zugeschüttet werden, zum anderen enthält es mitunter wertvolle Rohstoffe, die es sich wiederzuverwerten und zu verkaufen lohnt. Österreichweit spielen hier vor allem zwei Regelungen eine Rolle, die seit 1993 gültige Baurestmassentrennungsverordnung und die seit 2008 bestehende Deponieverordnung. Erstere verpflichtet den Bauherrn bzw. die Abrissfirma, für die Einhaltung der Trennungs- und Verwertungspflichten zu sorgen; sie haben Angaben über gefährliche Abfälle zu tätigen und den Verunreinigungsgrad bei Bodenaushub bekanntzugeben. Die Deponieverordnung wiederum legt die End-Entsorgung des Bauschutts fest – so ist unter anderem festgeschrieben, dass in mineralischen Baurestmassen maximal zehn Volumenprozent an Bestandteilen aus Metall, Kunststoff, Holz oder anderen organischen Materialien wie Papier oder Kork enthalten sein dürfen. Außerdem gibt es seit Dezember 2014 die Fachnorm ÖNORM B 3151, in welcher ein sogenanntes Rückbaukonzept bei Abbruchprojekten definiert ist. „Die Zeit, als man einen Gebäudeabbruch lediglich mit großen Bau­ maschinen und vielen Lkws oder gar mit der Abriss­birne bewerkstelligt hat, geht zügig zu Ende. Heute spricht man eben vom ,Rückbau von Bauwerken‘ und meint damit, dass gleichsam der Film der Bauwerkserrichtung zurückgespult Nr. 17 | 2015 | www.big.at


wird“, sagt Experte Kropiunik. Die Abbruch­ abfälle sollen dabei – natürlich schadstofffrei – einer Wiederverwertung zugeführt werden.

Die Stadt als Rohstoff-Mine

Unter dem Stichwort „Urban ­Mining“, wenn also die Stadt als ressourcenreiche Lagerstätte an­­gesehen wird, versucht man seit ­eini­gen Jahren schon systematisch, aufbereitete Sekundärrohstoffe und auch Reststoffe wie etwa Stahl, die früher ausnahmslos auf Deponien landeten, wiederzuverwerten. Ein Experte auf diesem Gebiet ist der TU-Wien-Professor und Vize-Studiendekan Helmut Rechberger: „Bei einzelnen Metallen wie Stahl, Aluminium oder Kupfer rentiert sich das Verwerten eigentlich immer, weil die Sekundärproduktion wesentlich weniger Energie benötigt als der Primärweg.“ Selbst Schwankungen des Weltmarktpreises würden sich nicht allzu negativ auswirken, weil die Rohstoffe dann eben auf Halde liegen würden. Bei den mineralischen Baustoffen ist die Sache etwas differenzierter, weil hier weniger der globale als der lokale Markt ausschlaggebend ist. „Trotzdem kann es hier erhebliche Schwankungen geben. Im Raum Wien gibt es beispielsweise ausreichend Nachfrage nach Ziegelbruch, während in ländlichen Regionen diese Mate­ rialien oft keinen Absatz finden“, sagt Rechberger. „Wertmäßig gesehen sind die ­Metalle am interessantesten.“ Quantitativ gesehen sind die wichtigsten Rohstoffe ­eines durchschnittlichen Wiener Gebäudes naturgemäß mineralischer Natur (Beton- und Ziegelabbruch, Steine sowie Kies): „Hier kommt man auf Mengen von 300 bis 450 Kilogramm pro Kubikmeter Bruttorauminhalt (BRI). In sehr viel ge­ ringeren Mengen fallen Holz (2–20 kg/m3 BRI), Stahl (1–10 kg/m3 BRI), Kunststoffe und verschiedene Dämmmaterialien (0,2–5 kg/m3 BRI) an. Nicht zuletzt sind dann noch Glas (0,1–1,5 kg/m3 BRI), Aluminium (0,05–0,5 kg/m3 BRI) oder Kupfer (0,1–0,2 kg/m3 BRI) vorhanden“, rechnet Rechberger vor. Je nach Bauepoche gibt es freilich beträchtliche Unterschiede in der Zusammensetzung. „Generell kann man ­sagen, dass Bauwerke über die Zeit gesehen in ihrer materiellen Zusammensetzung immer komplexer wurden und werden. Ein Gründerzeithaus ist wesentlich einfacher aufgebaut als ein mit Vollwärmeschutz ertüchtigtes 70er-­ Jahre-Gebäude oder ein modernes Bürohochhaus“, erklärt der TU-Professor. So würden neuere Gebäude meist einen höheren Metallgehalt besitzen und daher gleichsam wert­ voller sein; allerdings sei der Abbruch durch die Verbundbauweise und spezieller Gefahrenstoffe wie Asbest oft aufwendiger und daher auch kostspieliger. Das Thema „Urban Mining“ und Wiederverwenden von Baustoffen steht aber erst am Beginn, wie Rechberger meint: „Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft.“ Denn dieses Bewusstsein müsse immer auch von den ­jeweiligen Firmen gelebt werden. „Heute steht immer Nr. 17 | 2015 | www.big.at

noch die rasche Entfernung eines Gebäudes im Vordergrund und nicht der hochwertige Recyclingprozess. Man stelle sich vor, wie lange es dauert, ein Gebäude zu errichten, und wie viel Zeit in den Rückbau bzw. Abbruch investiert wird. Hochqualitative Recyclingprodukte und hohe Recyclingraten können aber nur durch sorgfältigen Rückbau und ­Abbruch erreicht werden.“ Und das lässt den TU-Experten auch weit in die Zukunft blicken, wie nämlich künftig den Abriss­firmen die Abbrucharbeiten erleichtert und zugleich Rohstoffe geschont werden könnten. „Wir sehen die Tendenz, dass die Bau­werke zwar energieeffizienter werden, allerdings auch komplexer, was den Mate­rialeinsatz betrifft. Noch dazu sind die meisten Bauwerke Prototypen, was ein effektives Recycling auch nicht gerade vereinfacht.“ Ein Lösungs­ ansatz könnte für Rechberger eine Art Baukastensystem sein, das die Demontage und möglicherweise Wieder­ verwendung erleichtern würde. „Zumindest würde man die materielle Zusammensetzung solcher Bauwerke kennen, eine Notwendigkeit für effektives Recycling. Was feststeht, ist, dass die heutige Praxis nicht optimal ist. ‹

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ABBRUCH

ABRISSTECHNIKEN: • Abtragen: Das Abtragen ist eine Abbruchart, die schichtweise erfolgt. Das Ziel eines schichtweisen Abbruchs ist es, eine Vermischung der verschiedenen Materialien ­möglichst zu verhindern. • Demolieren: Eine Demolierung sollte ausschließlich bei Gebäuden stattfinden, deren Materialien sehr ähnlich sind, da bei dieser Form des Abbruchs keine besondere Rücksicht auf die Trennung des Baumaterials genommen wird. • Demontage: Eine Demontage ist nichts anderes als die umgekehrte Form der Montage. So können große Objekte, wie Silos, die in Gebäudestrukturen eingebaut wurden, als Ganzes demontiert und an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden. • Einschlagen: Das Einschlagen ist eine eher veraltete Form des Abbruchs, die heute kaum noch Verwendung findet. Mithilfe von Abrissbirnen werden Gebäude im wahrsten Sinne des Wortes zerstört und somit alle anfallenden Materialien vermischt. • Entkernen: Meistens wird eine Entkernung bei Gebäuden mit denkmalgeschützten Fassaden, wie es in Wien oft der Fall ist, durchgeführt. Händisches Abbrechen von ­Böden, Wänden und Decken ist hier die übliche Vorgangsweise. • Sprengen: Durch den Einsatz explosiver Stoffe wird beim Sprengen der vollständige oder teilweise Einsturz baulicher Konstruktion erzielt. Damit wird zeitnah Raum geschaffen, um weitere Abbruch- oder Modernisierungsarbeiten vorzunehmen. Sollte sich das zu sprengende Gebäude im dicht bebauten Wohnumfeld befinden, besteht hohe Unfallgefahr, und Trümmer können herabstürzen. Daher darf eine Sprengung nur bei ausreichendem Sicherheitsabstand erfolgen. Das Risiko lässt sich durch eine gelenkte Detonation minimieren, bei welcher das Bauwerk – wie ein Kartenhaus – in sich selbst zusammensinkt.

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THEMA

Fotos: Robert Frankl

BEZIRKSGERICHTE

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Weniger Gerichte, mehr Gerechtigkeit

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Justitia trägt Grün: Die Steiermark ist das erste Bundesland, das die Zusammenlegung kleiner Bezirksgerichte zu größeren, leistungsfähigeren Standorten abgeschlossen hat. Von Sabine Gaggl

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In Weiz hat die ARE das Bestandsgebäude saniert und einen Zubau errichtet.

1. Walter Buchegger, Vorsteher des Bezirksgerichts Judenburg, ARE Geschäftsführer Hans-Peter Weiss, Justizminister Wolfgang Brandstetter sowie Manfred Scaria, Präsident des Oberlandesgerichts Graz, und Siegfried Schrittwieser, 2. Landeshauptmann-Stellvertreter, bei einem Rundgang durch das sanierte Bezirks­ gericht Judenburg. 2. Eröffnung des Bezirksgerichts ­Liezen mit ARE Geschäftsführer HansPeter Weiss, Gerichtsvorsteher Wolfgang Millner und Bundesminister Wolfgang Brandstetter. 3. Justizminister Wolfgang Brand­ stetter, Harald Friedrich, Vorsteher des Bezirksgerichts Weiz, und ARE Geschäftsführer Hans-Peter Weiss bei der offiziellen Schlüsselübergabe. 4. Justizminister Wolfgang Brand­ stetter und ARE Geschäftsführer Hans-Peter Weiss übergeben Gerichtsvorsteherin Corina Schönhöffer die Schlüssel zum sanierten und erweiterten Bezirksgericht Feldbach.

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Nr. 17 | 2015 | www.big.at


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BEZIRKSGERICHTE

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m 15. Februar 2012 schrillten in 95 Städten Ös­ terreichs die Alarmglocken. Die damalige Jus­ tizministerin Beatrix Karl kündigte an, kleinere Bezirksgerichte schließen zu wollen. Davon ­wären 95 der zu diesem Zeitpunkt 141 Standorte betroffen gewesen. Ziele der Ministerin waren: erhöhte Qualität in Service, Rechtsprechung und Sicherheit sowie Einsparun­ gen durch Synergieeffekte und eine schrittweise Erweite­ rung der Kompetenzen der Bezirksgerichte durch Anhe­ bung der Streitwertgrenze. Diese Absichten der Ministerin stießen in den Bundes­ländern zwar prinzipiell auf Zustim­ mung, im Detail aber auf Ablehnung – nämlich bei der Standortfrage. Ohne Bezirksgerichte würden ihre Gemein­ den veröden, befürchteten einige Lokalpolitiker. Aufgrund des Veto­rechts der Bundesländer musste die Ministerin mit ­allen Landeshauptleuten einzeln Kompromisse ausver­ handeln. Bis dato ist das in drei Bundesländern gelungen: in Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark.

Die steirischen Reformierer

sechs aufnehmenden Standorten bauliche Adaptierungen notwendig. Diese hat die ARE als Liegenschaftseigentüme­ rin für das Justizministerium zwischen September 2013 und April 2015 umgesetzt. „Die Herausforderungen in der Steiermark waren die große Anzahl der Bauprojekte, die gleichzeitig zu planen und umzusetzen waren, der knappe Zeitrahmen und die Vielzahl an Beteiligten“, erklärt Moni­ ka Zbiral, Leiterin der Abteilung Budget und Bau im Justiz­ ministerium. „Mit architektonisch innovativen Lösungen ist es in der Steiermark – trotz vielerorts denkmalgeschütz­ ter Bestandsgebäude – gelungen, ­jeweils zwei Bezirksge­ richte an einem Standort zu fusionieren“, ergänzt Eva Rai­ ner, Leiterin der ARE Ost. ›

Der Standort Judenburg wurde modernisiert und durch die Adaptierung bestehender Archivflächen zu Büros erweitert.

«Da kommt überraschend viel zusammen. Das Enns­tal ist offensichtlich schwer bewaffnet.» Wolfgang Millner, Vorsteher des Bezirksgerichts Liezen

Die Steiermark hat jetzt als erstes Bundesland die Reform organisatorisch und baulich umgesetzt: Sieben Bezirks­ gerichte wurden geschlossen. Insgesamt gibt es nun noch 15 Bezirksgerichte. Die Zusammenlegungen machten an Nr. 17 | 2015 | www.big.at

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THEMA BEZIRKSGERICHTE

In der Praxis bringen die adaptierten Gerichtsstandorte Besuchern und Mitarbeitern mehr Service und Sicherheit. An allen Standorten wurden Zutrittsschleusen errichtet. „Da kommt überraschend viel zusammen. Das Enns­tal ist offensichtlich schwer bewaffnet“, berichtet Wolfgang Mill­ ner, Vorsteher des Bezirksgerichts Liezen, von den Erfah­ rungen mit der neuen Sicherheitsschleuse – nicht ohne ein leichtes Schmunzeln. Denn vorwiegend seien es Taschen­ messer, die ohne böse Absicht einfach in den Hosen- und Handtaschen vergessen werden. Die Statistik spricht aber für den Einbau von Zutrittsschleusen. Einer Erhebung des Justizministeriums zufolge wurden allein 2013 österreich­ weit rund 173.000 gefährliche Gegenstände in Justizgebäu­ den abgenommen, darunter 400 Schusswaffen. Die modernisierten Bezirksgerichte punkten zudem durch den Einbau von Justiz-Servicecentern. Hier können sich Bürger informieren, unkompliziert Anträge zu Proto­ koll ­geben, Auszüge aus Grund- und Firmenbuch abfragen, Beglaubigungen einholen, Formulare beziehen und Ge­ bühren entrichten. „Das Justiz-Servicecenter wird von den Besuchern sehr gut angenommen. Die Arbeit dort ist sehr anspruchsvoll, weil man sehr breit gefächerte Informatio­ nen über den Gerichtsbetrieb haben muss, aber es läuft schon sehr gut“, berichtet Günther Walchshofer, Vorsteher des Bezirksgerichts Fürstenfeld. Während sich in der Steier­ mark die neuen Strukturen schon langsam etablieren, läuft in Ober- und Niederösterreich noch die Umsetzungsphase.

Am Bezirksgericht Feldbach hat die ARE zwei Zubauten errichtet. Einer davon fungiert als neuer Eingang samt Sicherheitsschleuse und verbindet das Bestandsgebäude mit einem ehemaligen Zellentrakt, der zu modernen Büros umgebaut wurde.

Fotos: Stephan Huger

Ein Gericht zieht vor Gericht

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Foto: Robert Frankl

Am Bezirksgericht Deutschlandsberg hat die ARE ein leer stehendes Gefangenenhaus abgebrochen und damit Raum für einen dreigeschoßigen Zubau geschaffen.

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Schauplatz Oberösterreich. Dass ausgerechnet ein Gesetz einer Justizreform entgegensteht, entbehrt nicht einer ­gewissen Ironie. Ein Halbsatz aus Paragraf 8 Abs. 5 Über­ gangsgesetz aus dem Jahr 1920 verbietet, dass Gerichts­ sprengel Bezirksgrenzen schneiden. Genau das war aber nach der Reform in den Sprengeln Steyr, Freistadt und Perg der Fall. Eine Richterin aus Enns klagte die Einhaltung des Passus beim Verfassungsgerichtshof ein und bekam recht. Die Schließungen der Bezirksgerichte Enns, Bad ­Leonfelden und Pregarten waren verfassungswidrig. Dem Gesetzgeber wurde eine Frist zur Reparatur eingeräumt. Der Nationalrat hob mit einer Verfassungsmehrheit den leidigen Halbsatz aus dem Übergangsgesetz schlichtweg auf. Damit ist die Reform in Oberösterreich wieder voll auf Schiene. Von ins­ gesamt 28 Bezirksgerichten werden zehn Standorte ge­ schlossen. Im Frühjahr 2016 soll die Gerichtsreform auch hier baulich und organisatorisch vollständig umgesetzt sein. Die Standorte Freistadt, Steyr und Perg hat die ARE be­ reits adaptiert. „In Vöcklabruck laufen die Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten plangemäß. Im Sommer kann dann auch in Grieskirchen der Baubeginn erfolgen“, berichtet ­Roland Köll, Leiter der ARE West.

Planungsakrobatik

Das Justizministerium hat sich mit dem Land Nieder­ österreich auf die Schließung von neun Bezirksgerichten ge­einigt. Insgesamt wird es nach der Reform noch 23 Be­ zirksgerichte in Niederösterreich geben. Derzeit laufen in Nr. 17 | 2015 | www.big.at


BEZIRKSGERICHTE

Foto: Stephan Huger

Die ARE hat im ­Rahmen der Bezirksgerichtsreform sechs Gerichtsstandorte in der Steiermark saniert und erweitert und dafür insgesamt knapp 20 Millionen Euro investiert.

Rechnungshof hat in einem Bericht eine erste Manöver­ ­ istelbach die Bauarbeiten für die Sanierung und Erwei­ M kritik durchgeführt: So wäre es nach Meinung der Kontroll­ terung. Justizministerium und ARE arbeiten intensiv an instanz besser gewesen, frühzeitig Regelungen aus dem ­Lösungen für die Standorte Neunkirchen und Amstetten. Übergangsgesetz, wie zum Beispiel das Vetorecht der Bun­ Die Aufregung, die bei der Verkündung der Zusammen­ desländer, aufzuheben oder Kriterien für die spätere Er­ legungen in den betroffenen Gemeinden geherrscht hat, folgsmessung der Reform aufzustellen. Aus jenen Gemein­ ist vorbei, auch wenn ein bisschen Wehmut bleibt: „Aktuell den, deren Bezirksgerichte mo­ gibt es in Gloggnitz noch eine dernisiert wurden, ist das Feed­ Nebenstelle des Bezirksgerichts, «Mit einem Bezirksgericht ist das ja back zur Reform allerdings po­ wo kleinere Angelegenheiten sitiv: „Es fasziniert mich, wie bearbeitet werden. Die Leute so eine Sache: Man ist froh, wenn schön der Umbau aussieht und haben sich an die neue Situa­ man es hat, aber nicht braucht.» was aus dem historischen Ge­ tion gewöhnt. Die Entwicklung Erwin Eggenreich, Bürgermeister der Stadt Weiz bäude geworden ist. Ich höre ist ja nun schon lange absehbar. ­eigentlich nur Positives, was die Dennoch verliert die Stadt eine Architektur und Funktionalität Institution und büßt damit an des sanierten Gerichts angeht“, Attraktivität ein“, sagt Irene sagt Hannes Dolleschall, Bürgermeister von Judenburg. Gölles, Bürgermeisterin von Gloggnitz. Ähnlich ist die Auch Erwin Eggenreich, Bürgermeister der Stadt Weiz, ist Stimmung in Stainz: „Momentan gibt es keine negativen zufrieden: „Mit einem Bezirksgericht ist das ja so eine ­Sache: Rückmeldungen mehr zur Schließung des Bezirksgerichts, Man ist froh, wenn man es hat, aber nicht braucht. Als aber es wurde schon hitzig darüber diskutiert, ob die ­Bezirkshauptstadt sind wir ein Dienstleistungsknoten, und Zusammen­legung mit Deutschlandsberg wirklich sinnvoll daher macht es Sinn, dass der Standort bei uns liegt.“ ist“, sagt Bürgermeister Walter Eichmann. Statt Alarmglocken gibt es also rückblickend Entwar­ Keine Kompromisse mehr? nung aus den Bundesländern. Indes wird im Justizministe­ rium die potenzielle Ausdehnung der Reform auf weitere Ob sich die Bezirksgerichtsreform in der Praxis nachhaltig Bundesländer geprüft. Für die Umsetzung in Salzburg lau­ bewährt und die erhofften Verbesserungen und Synergie­ fen bereits erste Verhandlungen. ‹ effekte bringt, kann noch nicht valide beurteilt werden. Der Nr. 17 | 2015 | www.big.at

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THEMA

Foto: Heinz Liska

ARBEITSUNFÄLLE

Todesfälle sind die Ausnahme

Trotz rigoroser Sicherheitsvorkehrungen gibt es auf Baustellen immer wieder Unfälle. Manche davon enden sogar tödlich. Eine große Baustelle ist kein Spielplatz – es gelten strenge Hierarchien. Doch kann wirklich jeder Winkel überwacht werden? Diese Reportage zeigt, wie es um die Sicherheit bestellt ist. Von Marlene Schloffer Über 17.700 Unfälle wurden an Österreichs Baustellen im Jahr 2014 verzeichnet. Sturz und Fall zählen zu den häufigsten Unfallursachen.

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ARBEITSUNFÄLLE

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uf der Baustelle in Wien herrscht Hochbetrieb. Maschinenlärm. Plötzlich ein gellender Schrei: Ein Arbeiter stürzt mit seinem Muldenkipper fünf Meter in die Tiefe. Das Gaspedal seines Fahr­ zeugs ist stecken geblieben. Zwei Stunden dauert die Ber­ gung durch Feuerwehr und Berufsrettung. Doch der Pech­ vogel hat Glück im Unglück. Hautabschürfungen und Prel­ lungen heilen rasch. Der Schock bleibt. Dennoch folgt ein mehrere Wochen dauernder Krankenstand. Was das bedeu­ tet, erklärt Ernest Stühlinger von der AUVA, Abteilung für Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung: „Für die Wiederherstellung eines verunglückten Arbeiters mit den besten und geeignetsten Mitteln ist die Allgemeine Un­ fallversicherungsanstalt (AUVA) zuständig.“ Unabhängig von der Verschuldensfrage trägt die AUVA zunächst die ­Kosten für die Heilbehandlung sowie für die medizinische Nr. 17 | 2015 | www.big.at

Rehabilitation bis hin zu etwaigen Folgekosten wie beispiels­ weise Rentenleistungen. „Im Endeffekt zahlt also jeder Ar­ beitgeber mit“, meint Stühlinger. Bei Verdacht auf fahrläs­ sige Körperverletzung oder Tötung leitet die AUVA ein Re­ gressverfahren ein. „In solchen Fällen klärt das Gericht, wer mit der Schuld- und der Kostenfrage konfrontiert wird. Das kann auch ein Gerätehersteller sein, meistens ist es aber menschliches Versagen“, erläutert Stühlinger: „Denn obwohl wir in Österreich eine sehr hohe Sicherheitskultur haben, gibt es auf Baustellen leider immer wieder Unfälle.“

Gefährliche Branche

Jeder fünfte Arbeitsunfall in Österreich passiert am Bau. Bei den Unfallraten liegt die Branche neben der Metall­ industrie und der Forstwirtschaft im Spitzenfeld. Allein im Jahr 2014 verzeichnete die AUVA 17.742 Unfälle im Bau­ ›

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THEMA ARBEITSUNFÄLLE

«Die Arbeit am Bau birgt gewisse Risiken. Spätestens wenn der erste Kran im Spiel ist, wird’s gefährlich.» Andreas Stampfer, BIG Projektmanager

Foto: Harald A. Jahn

Bei den Faktoren Höhe und Gewicht ist besondere Vorsicht geboten. Im Schwenkbereich eines Krans droht im schlimmsten Fall Lebensgefahr.

wesen. „In der Baubranche erleiden im Durchschnitt zirka 60 von 1.000 Beschäftigten pro Jahr einen Arbeitsunfall“, sagt Beate Mayer, Leiterin der Statistik-Abteilung der ­AUVA. „Obwohl die absolute Zahl der Unfälle in den letzten Jahren konstant geblieben ist, sinken die Unfallraten im Bauwesen je 1.000 Beschäftigte“, sagt Mayer. Von einer po­ sitiven Entwicklung spricht auch Peter Bernsteiner, Amts­ leiter des Arbeitsinspektorats für Bauarbeiten: „In den letz­ ten Jahren kam es zu einer Besserung der Unfallraten.“ Ge­ nug zu tun gibt es für die Arbeitsinspektion trotzdem. „Eine Baustelle ist im Prinzip ein Provisorium. Das Arbeitsumfeld ändert sich ständig. Das begünstigt natürlich Unfälle. Man­ che Unternehmen riskieren diese auch, indem sie Sicher­ heitsbestimmungen nicht einhalten. Das sehen wir leider immer wieder. Daher braucht es Kontrollorgane“, sagt Bernsteiner. Doch kann wirklich jeder Winkel einer Bau­

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stelle überwacht werden? Wie ist es um die Sicherheit auf den österreichischen Baustellen bestellt? Der Besuch einer Baustelle im Burgenland liefert Einblicke.

Betreten für Unbefugte verboten

Eisenstadt, März 2015. Auf der größten BIG Baustelle im Burgenland wird mit Hochdruck gearbeitet. Ein Blick durch den Bauzaun zeigt mehrere Männer, die Material verladen. Währenddessen stehen drei Arbeiter auf einem Baugerüst und montieren eine Fassadenplatte an dem mehrstöckigen Gebäude. Es ist ein heller, sonniger Tag in Burgenlands Hauptstadt. Trotzdem brennt im Bauwerk Licht. „Aus Sicher­heitsgründen muss die Baustelle immer beleuchtet sein, daher sind die Leuchtstoffröhren an der Decke auch am Tag an“, erklärt Wolfgang Schiechl, Projektmanager bei der BIG, der gemeinsam mit dem zuständigen Polier durch Nr. 17 | 2015 | www.big.at


Trotz Absturz­ sicherungen und persönlicher Schutz­ ausrüstung ist die Arbeit am Bau ­gefährlich. Die ­Wege ändern sich ständig, provisori­ sche Konstruktio­ nen (Bild rechts ­unten) sind keine Seltenheit.

Foto: Richard Tanzer

Fotos: Harald A. Jahn

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das Areal führt. Über eine Treppe geht es in den zweiten Stock des Gebäudes hinauf. Ein altes, von den Arbeiten ver­ staubtes Geländer im Stiegenhaus ist noch nicht abmon­ tiert. „Das bleibt während der Arbeiten als Absturzsiche­ rung“, sagt Schiechl. Auch das Gerüst an der Außenfassade des Gebäudes steht noch, obwohl die Arbeiten zum Groß­ teil bereits abgeschlossen sind. „Aus demselben Grund“, sagt der Polier Michael Pließnig: „Solange die Arbeiten am Dach des Gebäudes laufen, bleibt auch das Gerüst.“

Die häufigsten Unfallursachen

Diese Maßnahmen sind keine große Überraschung, wenn man die Ursachen für Verletzungen und Unfälle am Bau kennt. „Abstürze oder Stürze in der Ebene sind sehr häufig“, sagt Bernsteiner. Die schlimmsten Verletzungen resul­ tieren laut Arbeitsinspektion „fast immer aus Absturz­ Nr. 17 | 2015 | www.big.at

unfällen“. Die AUVA bestätigt diesen Eindruck: „Schwere Stürze von Dächern oder Gerüsten sind typisch für die Bau­ branche“, erklärt Mayer. Dennoch liegen Sturz und Fall in der Unfallstatistik lediglich an zweiter Stelle. Als häufigste Unfallursache nennt die AUVA den Kontrollverlust über ei­ ne Maschine, ein Handwerkszeug, ein Transport- oder För­ dermittel. Ein unvorsichtiger Moment mit der Kreissäge oder das technische Gebrechen eines Baufahrzeugs kön­ nen für die Betroffenen schnell im Krankenhaus enden. „Die Arbeit am Bau birgt gewisse Risiken. Spätestens wenn der erste Kran im Spiel ist, wird’s gefährlich“, meint ­Andreas Stampfer, Projektmanager bei der BIG. „Wenn ein Arbeiter in den Schwenkbereich eines Krans kommt oder etwas ­herunterfällt, droht im schlimmsten Fall Lebensgefahr“, sagt Stampfer. Aber auch ohne schwere Geräte und große Höhen lauern auf Baustellen viele Gefahren. ›

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Fotos: Richard Tanzer

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Bei regelmäßigen Baubegehungen werden potenzielle Gefahren ermittelt und beseitigt.

«Eine Baustelle ist ein eigener Mikrokosmos, wo man ständig hinterherläuft. Wir haben nun mal ein Haus voller Handwerker. Da will sich jeder etwas zusammenbasteln.»

Rechts oben: Zur Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) zählen unter anderem Stahlkappenschuhe, Bauhelm, Gehörund Atemschutz.

Wolfgang Schiechl, BIG Projektmanager

Mindestens einmal in der Woche gibt es auf der Baustel­ le in Eisenstadt eine Begehung. „Da versuchen wir, so gut es geht, alle Gefahren auszuschalten“, erklärt Pließnig, wäh­ rend er auf eine Holzleiter deutet, die in zwei Teilen am Bo­ den liegt. „Diese Leiter war nicht mehr sicher, also mussten wir sie zersägen. Sonst taucht sie drei Tage später wieder aus dem Müll auf“, sagt Pließnig. „Eine Baustelle ist ein ei­ gener Mikrokosmos, wo man ständig hinterherläuft. Wir haben nun mal ein Haus voller Handwerker. Da will sich je­ der etwas zusammenbasteln“, erklärt Schiechl und begut­ achtet die Drahtkonstruktion an der zersägten Leiter. Trotz­ dem reicht eine regelmäßige Kontrolle nicht, um Unfälle zu vermeiden, schließlich sind Baubegehungen immer nur Momentaufnahmen. „Man kann nicht jeden Winkel einer Baustelle überwachen. Umso wichtiger ist es, dass die ­Beschäftigten Eigenverantwortung übernehmen“, sagt Stampfer. Ernest Stühlinger von der AUVA sieht genau da­ rin ein Problem: „Theoretisch kann jeder Mitarbeiter ,Stopp‘ sagen, wenn er eine Gefahr für sich oder andere ausmacht. In der Praxis ist eine Unterbrechung der Arbeit, selbst für notwendige Sicherheitsmaßnahmen, aber oft nicht so

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­gerne ­gesehen“. Denn der Zeitfaktor spielt auf Baustellen

eine große Rolle. „Es ist immer wieder ein Kampf zwischen ­wirtschaftlichen und gesundheitlichen Interessen“, sagt Schiechl.

Sicherheit: Pflicht oder Kür?

„Das Tragen eines Bauhelms ist nur dann Pflicht, wenn ­etwas auf den Arbeiter herunterfallen kann. Das ist zum Beispiel bei Abbrucharbeiten der Fall oder wenn sich ein Kran auf der Baustelle befindet“, erklärt Schiechl. Neben dem Helm zählen zur Persönlichen Schutzausrüstung, kurz PSA, unter anderem Handschuhe und Schuhe mit Stahl­ kappe und Stahleinlage. „Generell ist die Eigenverantwor­ tung sehr hoch“, sagt Schiechl, trotzdem wurden in Einzel­ fällen schon Arbeiter von der Baustelle verwiesen: „Wenn wir mehrmals auf die Notwendigkeit der PSA hinweisen und nichts passiert, müssen wir handeln.“ Die PSA ist nur ein Teil der Maßnahmen zur Gefahrenverhütung. „Wir be­ sprechen auch Beinahe-Unfälle, um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden“, meint Pließnig. „Was die Sicherheit betrifft, sind wir wirklich gut unterwegs. Wir hatten noch › Nr. 17 | 2015 | www.big.at


Karikatur: Much

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Fotos: Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten

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Immer wieder finden sich auf Baustellen waghalsige Konstruktionen, die zum Tod führen können.

keinen einzigen gröberen Unfall“, sagt Schiechl. Für das ­gute Zeugnis ist neben der Umsetzung der Sicherheitsvor­ kehrungen auch eine gründliche Vorarbeit maßgeblich. Denn die Sicherheit einer Baustelle beginnt nicht erst mit dem Auffahren der Bagger.

Der „heilige Gral“ der Baubranche

Schon lange bevor der erste Bauzaun steht, wird die Sicher­ heit zur Aufgabe des Bauherrn. Er muss je nach Umfang der Arbeiten dafür sorgen, dass ein Sicherheits- und Gesund­ heitsschutzplan (SiGe-Plan) erstellt wird. „Denn gerade bei größeren Baustellen sind die Abläufe sehr komplex und müssen aufeinander abgestimmt werden“, sagt Schiechl. Die rechtliche Grundlage für die Koordination auf Baustel­ len liefert das Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG). „Für die Baubranche ist dieses Gesetz so etwas wie der hei­ lige Gral“, meint Andreas Juen aus der Abteilung Architek­ tur & Bauvertragswesen bei der BIG. Laut Arbeitsinspek­ tion soll das BauKG die Sicherheit und den Gesundheits­ schutz der Beschäftigten auf Baustellen erhöhen. Ob und wie genau die gesetzlichen Regeln erfüllt werden, wird von der Arbeitsinspektion in regelmäßigen Abständen über­ prüft. Im schlimmsten Fall kann einer Baustelle bei einer solchen Besichtigung die einstweilige Schließung drohen. „Hauptzweck dieser stichprobenartigen Inspektionen ist die Unfallvermeidung. Aber natürlich sind wir auch vor Ort, wenn ein schwerer oder tödlicher Unfall passiert ist“,

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sagt Bernsteiner. Rund 1.500 Bauunfälle melden Polizei und AUVA jährlich an die Arbeitsinspektion. „Wir schauen dann, ob Schutzbestimmungen außer Acht gelassen wur­ den, und geben eine Beurteilung ab“, erklärt Bernsteiner. Die Unfallerhebung macht wiederum die Polizei. Deren ­Bericht geht zur Beurteilung an die Staatsanwaltschaft. „Wenn Verdacht auf fahrlässige Körperverletzung besteht, wird bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Anzeige er­ stattet. Die entscheidet dann, ob eine gerichtliche Anklage folgt. Meist steht ein Verantwortlicher des Arbeitgebers auf der Anklagebank, wie beispielsweise der Polier. Es kann aber auch denjenigen betreffen, der die Zusammenarbeit zwischen den ausführenden Firmen am Bau zu organisie­ ren hat“, sagt Bernsteiner.

Schutz als Arbeitsauftrag

„Als Bauherr überträgt die BIG ihre Verantwortung gemäß BauKG in der Regel an einen externen Projektleiter, Pla­ nungs- und Baustellenkoordinator“, sagt Juen. Im Ernstfall gilt jedoch: „Wenn ein Bauherr die Warnungen eines Koor­ dinators missachtet, verletzt er jedenfalls seine Verpflich­ tungen gemäß BauKG und kann gegenüber einem verletz­ ten Bauarbeiter haftpflichtig werden“, so Juen. Aber auch alle ausführenden Firmen stehen in der Verantwortung. Sie müssen im Vorhinein die Baustellenordnung unter­ zeichnen. „Die örtliche Bauaufsicht fordert das schriftlich ein. Zusätzlich hat jede Firma einen für ihren Bereich zu­ Nr. 17 | 2015 | www.big.at


Foto: Andreas Kolarik

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Die trügerische Sicherheit

Doch manchmal helfen alle Vorsichtsmaßnahmen nichts. „Man darf nicht vergessen, dass die Arbeit am Bau gefährlich ist“, sagt BIG Projektmanager Andreas Stampfer. „Viele Dinge werden zur Routine. Man hat etwas schon hundert Mal ge­ macht, arbeitet möglicherweise unter Zeitdruck, und dann pas­ siert plötzlich ein folgenschwe­ rer Fehler“, so Stampfer. Laut ­AUVA endeten im Jahr 2014 öster­reich­ weit 17 Unfälle am Bau tödlich. „Das sind Nr. 17 | 2015 | www.big.at

zum Glück singuläre Ereignisse. In meinen zehn Jahren bei der BIG habe ich Gott sei Dank nur von einem Todesfall ­gehört. Ein Arbeiter ist bei sehr komplexen Abbrucharbei­ ten aus rund 25 Metern Höhe in die Tiefe gestürzt. Selbst­ verständlich hat das Unglück alle Beteiligten emotional lange beschäftigt. Aber leider können auch tragische Unfäl­ le nicht immer verhindert werden“, so Stampfer. „Proble­ matisch ist, wenn man sich in Scheinsicherheit wiegt“, sagt Stühlinger von der AUVA. „Außerdem administrie­ ren wir uns fast zu Tode, machen Richtlinien und Vorgaben, und dann soll der Arbeiter in ­einer Notsituation eigenverantwortlich und schnell reagieren“, so Stüh­linger. Wie sicher sind Österreichs Baustellen also wirklich? „Eigentlich ziemlich sicher“, meint Arbeitsin­ spektor Bernsteiner. „Selbst das Bier am Bau ist kein Thema mehr. Längst ­haben die 6erTragerl Mineralwasser auf den Baustellen Einzug gehalten. Es besteht sicherlich noch Ver­bes­serungspo­tenzial. Aber bei ­vielen Un­ ternehmen gibt es große Be­ müh­un­gen, in die richtige Richtung zu ar­ beiten.“ ‹

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Die Sicherheit einer Baustelle beginnt bereits mit dem Aufstellen des Bauzauns.

Das Klischee vom Bier am Bau gehört der Vergangenheit an.

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Fotos: Fotolia seen; iStock

ständigen Ersthelfer zu melden, der einen 16-stündigen Erste-Hilfe-Kurs absolviert hat“, sagt Pließnig. Diese Erst­ helfer werden vor Ort am Baustellenaushang aufgelistet, ebenso wie die wichtigsten Notrufnummern, das nächst­ gelegene Spital und die vorhandenen Erste-Hilfe-Kästen. „Schulungen sind das Um und Auf. Jeder einzelne Arbeiter muss für die Gefahren auf der Baustelle sensibilisiert wer­ den. Erfreulicherweise wird in die Unfallprävention heutzutage viel Zeit und Geld investiert“, meint Pließnig.


THEMA ARSENAL

Fotos: Harald A. Jahn

Von der ehemaligen Panzerhalle bleibt lediglich die Tragstruktur erhalten. Im Inneren werden mehrere Geschoße für das Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik eingezogen.

Hightech-Forschung statt Weltkriegsrüstung Ein Hauch von Akropolis: Für Industrieromantiker versprüht die ehemalige Panzerhalle am Arsenal derzeit besonderen Charme. Nackt bis auf die Tragwerksstruktur wartet sie auf ihren Wiederaufbau. Ähnlich geht es vier weiteren Objekten am Arsenal. Bald werden aber dort Superrechner, Motorenprüfstände und Labors ihren Dienst für die Wissenschaft tun. Von Alexandra Tryfoniuk

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eun Uhr morgens, die Sonne scheint auf die Baustelle am Arsenal in Wien-Landstraße. ­Eigentlich perfektes Wetter. Dennoch Stille ­zwischen den Betonbergen. Auch der Motor des gelben Baggers schweigt. „Der hat gerade eine Zwangspause. Die Hydraulik wurde von einer herabfallenden Betonplatte getroffen“, erklärt Michael Petschl von der örtlichen Bauaufsicht (ÖBA) die Ruhe. Ein Zwischenfall, der den unvollständigen Uralt-Plänen geschuldet ist: Fugen in der ­Betondecke scheinen darin nicht auf. Zum Glück ist es aber nur der Baggerarm, der an der Stahlbetonzwischendecke, dem sogenannten „Tisch“, knabberte. Das Gerät erinnert an einen überdimensionalen Tierschädel mit zahnbesetztem Maul. Doch jetzt ist Pause und Zeit für eine Besichtigung der Panzerhalle, in der nach dem Zweiten Weltkrieg Panzer des Bundesheers repariert wurden. 1916 sah es noch anders

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aus: Mitten im Ersten Weltkrieg wurden hier Luftschiffe gebaut – daher der Beiname „Luftschiffhalle“. Dies erklärt auch die beeindruckenden Maße: 30 x 60 Meter Fläche, 18 Meter Höhe. Nach dem Umbau wird wieder schweres Gerät anrücken. Doch diesmal werden es die friedlichen Prüfstände des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien sein, die am Arsenal einziehen.

Spiegel als Bewegungsmelder

Mittlerweile ist die Halle bis auf die historische Tragwerkskonstruktion ausgehöhlt – eine aufwendige Angelegenheit, wie Petschl berichtet. Bevor der gelbe Bagger den ­Außenwänden und dem „Tisch“ gefährlich werden konnte, wurden die tragenden Säulen gesichert. „Damit sie nicht wie Dominosteine umklappen, haben wir zuerst Querverstrebungen eingebaut“, erklärt Michael Petschl anschau- › Nr. 17 | 2015 | www.big.at


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zusätzlich belastet werden“, erklärt der Projektmanager. Anfang 2016 startet der Innenausbau. Für den Herbst 2016 ist die Fertigstellung geplant. Danach wird eingerichtet.

Foto: TU Wien/Matthias Heisler

Weg vom Provisorium

Motoren- und Komponentenprüf­ stände übersiedeln Ende 2016 vom Getreidemarkt ins Arsenal.

lich. Die Pfeiler selbst werden von Schubriegeln, also ­Metallarmen, festgehalten. Dass sich nichts rührt, was sich nicht bewegen soll, wird täglich von einem Geometer geprüft. „Dazu sind an jeder der 20 Säulen Vermessungs­ spiegel angebracht“, so der ÖBA-Mitarbeiter. Zuvor war noch die Bodenplatte im Inneren der Panzerhalle an der Reihe. Auch sie musste entfernt werden. Einfach ist innerhalb dieser alten Mauern allerdings gar nichts. „Der Bewehrungsstahl im Boden und in den Zwischendecken hat uns bei den Abbrucharbeiten schwer zu schaffen gemacht“, meint BIG Projektmanager Berthold Scheurer. Zusätzlich musste vor Beginn der Bauarbeiten sowohl in Objekt 227 als auch in der benachbarten Siemenshalle eine Kriegs­ reliktortung durchgeführt werden.

Schutt-Recycling

Künftig muss der neue Boden ein Untergeschoß, zwei Stockwerke mit mehrere Tonnen schweren Prüfstandscontainern und Technikgeschoße tragen können. Weggeworfen wird aber so wenig wie möglich. So hat auch der Beton­ abbruch nicht ausgedient. In kleinste Stücke zerlegt, wird damit der Boden verdichtet. „Derzeit werden zur Gründung des Fundaments 425 GEWI-Pfähle aus Stahl, jeweils 15 ­Meter lang, versenkt, bis tragfähiger Grund erreicht ist“, so Scheurer: „Insgesamt verbauen wir rund sechs Kilometer Pfähle in dem Hallenboden.“ Erst nach all diesen Vorarbeiten beginnt der eigentliche Rohbau für die „Haus-in Haus“-Kon­ struktion, denn „die bestehenden Fundamente dürfen nicht

«Wir haben massive Stahlbetoneinbauten gefunden, die sehr symmetrisch angeordnet und teilweise mit Schutt verfüllt waren. Keiner weiß, wozu sie gedient haben.» Michael Petschl, örtliche Bauaufsicht (ÖBA)

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Die Forscher und Mitarbeiter des Instituts für Fahrzeug­ antriebe und Automobiltechnik fiebern schon dem Umzug ins Arsenal entgegen. „Nach 60 Jahren am Getreidemarkt kommen wir mit der Infrastruktur einfach nicht mehr klar“, so Christian Bauer, Laborleiter des Instituts. Arbeiten auf den Gängen, das Stromteilen und verärgerte Anrainer ob surrender Maschinen sind bald Schnee von gestern. Vor ­allem sicherheitstechnisch sei das neue Haus ein Riesenfortschritt. Außerdem könne man viel effizienter arbeiten. Ein Beispiel: Die Bedienräume für die Prüfstände sind künftig nicht mehr neben den Motoren, sondern stirnseitig angelegt. So treffen eventuell wegspringende Teile nicht das Glas zum Bedienraum. Damit auch am Getreidemarkt nichts passiert, sind die Scheiben mit einer besonderen ­Folie beklebt. „Diese Folie haben wir uns vom Bundesheer besorgt, sie kommt dort auf den Windschutzscheiben der Lkws zum Einsatz“, erzählt Christian Bauer.

Von Abgasmessung bis Frosttest

Moderne Motoren- und Aggregateprüfstände werden neben Werkstätten, Büros und Seminarräumen in die einstige Panzerhalle „eingeschoben“. „Die Fassade wird vorerst nicht komplett geschlossen, um die Motorenprüfstände in das Gebäude einzubringen“, erklärt Projektmanager Scheurer das Prozedere. In der Halle ermitteln Wissenschaftler künftig Abgaswerte oder die Leistungsfähigkeit von Elektro­motoren. Wasserstoff- und Gasantriebsarten sowie Kleingeräte- und Flugzeugmotoren werden dann auf Herz und Nieren getestet und das ideale Zusammenspiel einzelner Kom­ponenten erforscht.

„Bewehrungsprobe“

Auch beim Objekt 221, der „Siemenshalle“, hatten die Meißel bei der Erneuerung des Fundaments Schwerarbeit zu verrichten. „Wir haben massive Stahlbetoneinbauten gefunden, die sehr symmetrisch angeordnet und teilweise mit Schutt verfüllt waren. Keiner weiß, wozu sie gedient haben“, erzählt Michael Petschl. „In den massiven Betonfunden gab es auch armdicke Bewehrungen wie Eisenbahnschienen, dreimal ist der Kopf des Baggers abgebrochen“, ergänzt der zuständige BIG Projektmanager Michael Sundt. Nach dem Boden sei nun das „betonkosmetische Herrichten“ der verbleibenden alten Betonstruktur an der Reihe, beschreibt Sundt. Ab Herbst 2015 erfolgt die Erneuerung des Dachs, das etwas tiefer wieder aufgesetzt wird. Die alte Tragstruktur hat zwar lange gehalten, ist aber nicht mehr sicher. Auch die Haustechnik hat ausgedient und wird vollständig erneuert. Eine Verjüngungskur bekommt zudem die Außenhülle. Durch die thermische Sanierung und das tiefer gesetzte Dach wird der Energiehaushalt wesentlich verbessert. Im September 2016 soll die neue Großraum­versuchshalle mit › Nr. 17 | 2015 | www.big.at


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Foto: Harald A. Jahn

Die imposante Siemenshalle ist bald um einen Kopf k端rzer. Das Dach samt Fenstern wird abgetragen und etwas niedriger neu errichtet.

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Foto: Harald A. Jahn

Die Fassade von ­ bjekt 2014 wird O ­erneuert, und auch im Inneren herrscht Baustelle. Nur die Prozessoren und Computer summen streng abgesperrt vor sich hin.

Labors und Büros für die Institute der Energietechnik und Thermodynamik sowie Fertigungs- und Hochleistungslasertechnik fertig sein.

Foto: TU Wien/Matthias Heisler

Supercomputer im Öl

«Dieses zertifizierte Baustoffprüf- und Forschungslabor im Objekt 214 eröffnet eine hervorragende Schnittstelle zur Industrie.» Josef Eberhardsteiner, Dekan für Bauingenieurwesen

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Neben der Siemens- und der Panzerhalle wird in der von TU-Gesamtprojektleiter Gerald Hodecek als „Phase I“ bezeichneten Umbauoffensive zur Verdichtung der TU-Laborstandorte zum Science Center auch Objekt 214 saniert. Nummer 214 kann leider mit keinem anderen Namen zur Identifikation aufwarten. Was nicht ist, kann aber noch werden. Immerhin verbirgt sich hinter den unscheinbaren Mauern volle Power. Als vorgezogene Baumaßnahme wurden hier in den letzten Jahren bereits die Großrechner des Vienna Scientific Clusters (VSC) und ein High-PerformanceComputersystem (HPC) eingebaut. „Erst 2014 wurde die dritte VSC-Ausbaustufe ,VSC3‘ als Projekt von acht öster­ reichischen Universitäten in Betrieb genommen“, berichtet Hodecek stolz. Das Ergebnis ist ein Supercomputer aus 32.000 einzelnen Prozessorkernen, der sogar energieeffi­ zient ist. Denn statt der üblichen Luftkühlung kommt als völlig neue Technologie eine Paraffinölkühlung zum Einsatz. Die Prozessoren schwimmen dabei in insgesamt 35 Tonnen Öl. Diese Computer sind während der Bauarbeiten besonders abgeschirmt, um nicht zu verstauben. Komplett eingerüstet, wird gerade die Fassade von 214 saniert. Währenddessen werden im Inneren auf Hochtouren Wände verspachtelt, Leitungen eingezogen und EstriNr. 17 | 2015 | www.big.at


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Foto: airpicture

Die gesamte Dimension des Areals lässt sich nur aus der Luft erfassen. Zwischen Tennisplätzen, Einfamillienhäusern und dem historischen Gelände des Verteidigungsministeriums entsteht das neue Science Center der TU Wien.

Gretchenfrage Standort

Foto: Harald A. Jahn

che betoniert. In spätestens einem Jahr soll alles fertig sein. ­„Sobald die Haustechnik richtig einreguliert ist, steht dem Einzug nichts mehr im Weg“, so Berthold Scheurer. Neben Seminar- und Besprechungsräumen sowie Hörsälen übersiedelt das Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung in das Gebäude. Außerdem finden Architektur-Projekträume darin Platz. Wichtig ist auch der Einzug der Smart Minerals GmbH, eine außeruniversitäre Kooperation der TU Wien mit der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie. „Dieses zertifizierte Baustoffprüfund Forschungslabor im Objekt 214 eröffnet eine hervorragende Schnittstelle zur Industrie“, betont der Dekan für Bauingenieurwesen Josef Eberhardsteiner. Die Zusammenarbeit mit ­Unternehmen sei besonders wichtig. „Daher sieht die TU Wien auch die gemeinsame Ressortzugehörigkeit von Wirtschaft und Forschung im BMWFW als große Chance“, sagt Eberhardsteiner. Derzeit noch Baubüro, ab 2019 neue Heimat für

Zusammengefasst ist das Science Center am Arsenal nach Institute der Bauingenieure: Die Sanierung des Fertigstellung die Konzentration vieler Institute an einem Objekts 219 wird gerade geplant. großen, innerstädtischen Laborstandort für rund 300 Wissenschaftler und Studierende. Doch warum ausgerechnet am Arsenal? Das ergab sich aus dem langen Strategie- und Entscheidungsfindungsprozess. Die Ausgangsbasis: Bis zu 80.000 Quadratmeter Fläche wurden benötigt. „Sogar Angebote aus Niederösterreich für eine Erweiterung sind bei uns eingegangen. Uns war wichtig, die TU Wien nicht in › Nr. 17 | 2015 | www.big.at

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Fotos: Harald A. Jahn

Das Herz von Objekt 222, die Technik der ehemaligen Fernwärme, muss bald weichen. Auch hier ist die Sanierung in Planung. Fertig­ stellung: 2019.

noch mehr Standorte zu zerreißen“, so der TU-Gesamtprojektleiter. Auch die Gesamtübersiedlung in die Seestadt Aspern wurde erwogen. Der Vorschlag wurde nach einem breit angelegten, TU-internen Diskussionsprozess von der Leitung nicht weiter verfolgt. „Außerdem wäre es schade gewesen, den Karlsplatz aufzugeben, dieser Standort ist ein Privileg. Vor allem internationale Gäste sind von unserem historischen Gebäude immer begeistert“, so der Dekan und desi­ gnierte ­Vizerektor für Infrastruktur, Josef Eberhardsteiner. „Alleine die BIG hat uns 20 Standorte für einen zentrumsnahen Großlaborstandort vorgeschlagen, darüber hinaus haben wir noch 14 weitere Standorte geprüft“, erläutert Hodecek und ergänzt lächelnd: „Eine gute, sachlich begründete Entscheidung für das Arsenal.“

Arsenal als Science Center

„Jetzt ist die Zukunft unserer Labors gesichert und bietet Raum für unsere weitere Entwicklung für die nächsten 50 Jahre“, freut sich Hodecek. Auch Josef Eberhardsteiner ist sich sicher: „Am Arsenal haben wir viele Möglichkeiten für Innovation und Spitzenforschung“. Eberhard-

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steiner muss es wissen, ist er doch mit Instituten der Bauingenieure schon 1992 auf ­eine Entwicklungsfläche, die Aspanggründe (Eurogate), übersiedelt. „Meine Kollegen haben mich damals gefragt: Was, da hinaus gehst du? Später wollten alle dahin, denn ein gemeinsamer Standort ist eine riesige Chance. Der Pioniergeist der Aspanggründe wiederholt sich jetzt“, so Eberhardsteiner voller Enthusiasmus. In der Nachbarschaft zu anderen Instituten liegt enormes Synergiepotenzial. „Der Austausch mit Kollegen zeigt vielfach neue Forschungsansätze auf. Das beflügelt enorm.“ Außer­ dem bringe das Areal Voraussetzungen mit, die für die Forschung wichtig seien: Freiflächen zum Arbeiten mit Umwelteinflüssen, ungestört von Schwingungen wie etwa von der Eisenbahn und ohne Anrainer, die sich vom Lärm behelligt fühlen. „Endlich können die Bauingenieure dann mehr untertags als nachts arbeiten“, so Josef Eberhardsteiner erleichtert.

Was Bauingenieure bewegt

Denn auch Institute der Fakultät für Bauingenieur­ wesen – jene, die jetzt noch auf den Aspanggründen angesiedelt sind – finden künftig ihren Platz im Science Center. Dafür saniert die BIG weitere Objekte: Die Nummern 219 und 222 werden in „Phase II“ für die BeNr. 17 | 2015 | www.big.at


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WOHNEN & ARBEITEN AM EUROGATE

Foto: airpicture

Das elf Hektar große Eurogate wird von der BIG Tochter ARE Austrian Real Estate entwickelt. „Insgesamt werden rund 300.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche verbaut, 80.000 davon vom Wohnfonds Wien“, so ARE Assetmanager Kurt Zoglauer. Derzeit läuft die Abstimmung mit der Stadt Wien in Form eines kooperativen ­Verfahrens zur Abänderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans.

Pumpen betrieben. Das entspricht 50 durchschnitt­lichen Swimmingpools. Wild oder ruhig fließt das Wasser vor den Augen der Wissenschaftler künftig nicht mehr auf den ­Aspanggründen, sondern am Arsenal. Ab diesem Zeitpunkt gibt nämlich die TU die alten Flächen auf. Das Eurogate wird frei für die Entwicklung (siehe Kasten). Bis zur Übersiedlung ist aber noch viel zu tun. Der kaputte Bagger ist mittlerweile auch schon wieder repariert. Sein maul­ gleiches Werkzeug setzt erneut das zerstörerische Werk fort. Aber schon bald werden Stahl, Beton und Glas neu zusammengefügt sein – zu einer der modernsten Technikunis in Europa. ‹

dürfnisse der Bauingenieure adaptiert. Das in den 80erJahren errichtete Objekt 219 dient derzeit als Baubüro und für Projektarbeitsplätze von Architekturstudenten. Neue Böden, frisch gestrichene Wände und moderne Technik machen das Gebäude fit für seine künftige Nutzung. Bei Objekt 222 wird es schon etwas komplexer. Unzählige ­Rohre, Leitungen und Messgeräte des ehemaligen Fernkraftheizwerks müssen ausgebaut und entsorgt werden, bevor umgebaut werden kann. In der Fachsprache: 222 wird komplett entkernt. Dann ziehen die Arbeiter eine zusätzliche Ebene ein. Auch die Fassade wird saniert. Beide Objekte sollen 2018 übergeben werden. Dann ist die Zeit für die Techniker gekommen. „Alle Labors beschäftigen sich mit Baustoffen wie Stahl, Beton, Holz oder Asphalt. Wir versuchen sie zu verstehen und erforschen, wie wir sie in optimaler Weise in Baukonstruktionen einsetzen können“, so Eberhardsteiner, der hinzufügt: „Was die Bau­ingenieure richtig bewegt, ist, die Infrastruktur berechenbar zu machen und unsere Umwelt sicher zu gestalten.“

Im Wasserbaulabor am Eurogate untersuchen Wissenschaftler der TU Wien Tsunami-­ Wellen im Klein­ format. Die Farbe dient der besseren Ablesbarkeit der Werte. Am Arsenal wird ein neues ­Labor errichtet.

Nicht nur feste Stoffe werden modernen Prüfverfahren ­unterzogen. Auch wildes Nass kommt zur Hochwasser­ forschung ins Arsenal. Dazu baut die BIG ein neues Labor mit einer Fläche von 2.200 Quadratmetern. Wassertank und Pumpenanlagen im Untergeschoß machen die Versuche im Erdgeschoß der hohen Halle möglich. Zum besseren Verständnis: Der Tank des Wasserbaulabors auf den As­ panggründen fasst 1.000 Kubikmeter und wird von sechs Nr. 17 | 2015 | www.big.at

Foto: BIG

Wasser zähmen am Arsenal

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GALERIE

Fotos: Christian Mikes und Anna Rauchenberger

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Ganzheitliches Bauen und Sanieren stand im Vordergrund des Green Events.

Wolfgang Gleissner (BIG), Christine Marek (AR BIG), Hans-Peter Weiss (BIG).

BIG TIME 2015

Eine außergewöhnliche Location, die neue „Klammer“ vulgo das Icon des Unternehmens, orangefarbenes Licht und die wichtigsten Stakeholder des Konzerns: Das sind die Zutaten des BIG TIME Events 2015. In der Aula der Wissenschaften sind am 29. April 400 Gäste der Einladung der BIG gefolgt. Das Green Event stand ganz im Zeichen des aktiven Dialogs. Gemeinsam mit BOKU-Vizerektorin Andrea Reithmayer und respACT-Vizepräsident Heinz Felsner diskutierten die BIG Geschäftsführer Hans-Peter Weiss und Wolfgang Gleissner über bedarfsgerechtes und ökologisches Bauen und Sanieren. Dabei wurde auch der Leitfaden zum „Holistic Building Program“ der BIG – also zum konzerneigenen Beratungsinstrument für nachhaltiges Bauen – vorgestellt. Zum Thema holistische Ernährung unterhielt und belehrte der Physiker Werner Gruber. 

Hans-Werner Frömmel (Bundesinnung Bau), Manfred Katzen­ schlager (WKO).

Matthias Stanek, Klaus Stanek (beide KS Ingenieure), Markus Aschauer (ATGA).

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Claudia Schnuderl (aetas Ziviltechniker), Dieter Hoffmann (Raiffeisen Property International).

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Auf Touchscreens konnten sich Interessierte virtuell durch die Welt des BIG Konzerns bewegen.

Martin Hübner (BIG), Gunther Palme (Atelier Architekt Palme).

Gastredner Werner Gruber informiert sich über das Portfolio und die Dienstleistungen der BIG.

Gerald Hodecek (TU Wien).

Gregor Stickler (Schramm Öhler Rechtsanwälte), Victoria Benhak (Akademie der bildenden Künste), Markus Werner (Werner Consult).

Ein Herz und eine Seele: Gerhard Rodler (IMV) und Sissi Della Lucia (DMV).

Die Akademie der Wissenschaften war an diesem Abend in besonderes Licht getaucht.

Markus Neurauter (Raiffeisen evolution), Michael Möstl (SIGNA).

Michael Mitterdorfer (BAR bareal), Jenni Wenkel (Erste Group Bank), Thomas Krajc (Arnold Immobilien).

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Erwin Soravia (Soravia Group), Erich Hechtner (Stadt Wien).

Hellmut Samonigg (Med Uni Graz), Katharina Kohlmaier (BIG).

An mehreren ­„Tischen“ wurde ­spielerisch das Dienstleistungs­ portfolio der BIG ­präsentiert.

Claudia Nutz (Wien 3420), Michaela Trojan (Wohnfonds Wien).

Maryrose Sutterlüty, Waltraud Kaserer, Monika Gamper (alle BMWFW).

Gerhard Dreyer (Bank Austria Real Invest), Gerhard Haumer (Porreal).

Der Physiker Werner Gruber belehrte und unterhielt die Gäste zum Thema Ernährung und nachhaltiges Bauen.

Martin Scheiber (S Consult), Michael Schachinger (BIG), Christoph Freiler (Pittel + Brausewetter).

Anna Steiger (TU Wien).

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Reinhard Waltenberger (S Immo), Martina Cerny (Otto Immobilien).

Alexandra Fox (BIG) Harald Peterka (Uni Wien), Helmut Pospichal (ITAC).

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Alexander Palma (BMWFW), Ernst Eichinger (BIG).

Anton Lummerstorfer (RLB OÖ), Claudia Schleiss (BIG), Christian Schinzel (Commerzbank).

Christoph Haenschel (Goldman Sachs), Alexandra Köpplinger (BIG), Stefan Rekelj (Erste Group Bank).

Johannes Karner (Gebau-Niobau ­Gemeinnützige ­Baugesellschaft), ­Michael Buchmeier (BAR bareal), ­Michael Möstl ­(SIGNA).

Heinz Kropiunik (aetas).

Heinz Muhr (Contec Immobilien Gruppe), Isabella Eckhart (Reinberg & Partner).

Zu später Stunde sorgten DJ und Saxofonistin für Stimmung.

Birthe Getzner (BIG), Martin Holzinger (GÖD), Rudolf Hofstötter (Musikuni Wien).

Markus Neurauter (Raiffeisen evolution), Helmut Stekovits (TB für Elektrotechnik).

Franz Wurm (Med Uni Wien) und Richard Schöberl (BIG).

Reinhold Raffler (LSR Tirol), Edith Klesl-Tauchner (BIG).

Maximilian Pammer (BIG), Wolfgang Vasko (Vasko + Partner), Fritz Kittel (EGW).

Anton Bondi de Antoni (Bondi Consult), Ulrike Haslauer (Compact Electric).

Michael Reinberg (Reinberg & Partner).

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Kurt Klima (Finanzprokuratur), Thomas Rasch (BIG).

Bruno Ettenauer, Gregor Drexler (beide CA Immo).

Lukas Bruckner (BIG), Victoria Benhak (Akademie der bildenden Künste).

Robert Mahowsky (Edlauer + Mahowsky), Roman Kovacs (BIG).

Andreas Zacharasiewicz (BMVIT), Bernd Zimmer (BMWFW), Winfried Lahme, Karola Abraham (beide BIG).

Philipp Brillinger, Eva Horvath (beide Foon).

Gerhard Schuster (Wien 3420), Richard Woschitz (RWT Plus).

Peter Melichar (ZAMG), Josef Wimmer (ÖJAB).

Martina Pölzlbauer (BIG), Stefan Hödl (GIP).

Albrecht Kemmann (KS Ingenieure), Alexandra Petermann (BIG).

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Peter Ehrenberger, Wolfgang Gleissner (beide BIG).

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Dietmar Mitteregger (BMF).

Bernhard Falbesoner (BIG).

Gediegenes Ambiente ist die Grundlage für einen gelungenen Abend.

Alfons Metzger (MRG).

Heinz Muhr (Contec Immobilien Gruppe), Margret Funk (Immobilien Funk), Stephan Weninger (SIVBEG).

Julia Gradwohl (BIG), Georg Gradwohl (Singer Fössl Rechtsanwälte), Rafael Reinisch (BIG), Alexandra Knell, (Rechtsanwältin).

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www.big.at Ausgabe Nr. 17 • Juni 2015

Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft

Aufmarsch der Techniker

Noch stehen im Arsenal bloße Skelette. Schon bald beleben aber Spitzenforscher die vormals militärisch genutzten Gebäude.

Eine staubige Geschichte

Oft müssen alte Mauern vor einer neuen Nutzung des Grundstücks weichen. Nicht immer zur Freude der Nachbarn.

BIG BUSINESS Nr. 17 • Juni 2015 • www.big.at


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