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Leben, Wohnen, Arbeiten f端r Fl端chtlinge in Vorarlberg


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Asylsuchende pro Einwohner: 105 VorarlbergerInnen: 1 Asylsuchende/r

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Asylsuchende in Vorarlberg Aufteilung der Asylsuchenden in der Grundversorgung nach Regionen (25. Februar 2016)

93 von 96

Gemeinden die Asylsuchende beherbergen

~ 1 Blumenegg / Grosses Walsertal, 358 2 Bregenz, 295 4 DORNBIRN, 462 5 FELDKIRCH, 435 3c HINTERWALD, 75 6 HOFSTEIG, 252 7 HOHENEMS, 106 8 KLEINWALSERTAL, 5 9 KLOSTERTAL /ARLBERG, 45 10 KUMMENBERG, 268 11 LEIBLACHTAL, 42 12 LUSTENAU, 100 3b MITTELWALD, 111 13 MONTAFON, 275 14 RANKWEIL / VORDERLAND, 165 15 RAUM BLUDENZ, 222 16 RHEINDELTA, 30 17 UNTERER WALGAU, 250 3a vorderwald, 126

GESAMT 3.622

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Die große Herausforderung Die Entwicklung im Asyl- und Flüchtlingswesen zählt zu den größten gesellschaftspolitischen Herausforderungen in Europa. Wie können wir mit dieser Entwicklung gut umgehen? Denn die Ursachen wie Folgen sind komplex. im namen der herausgeberinnen

zu setzen und auf Augenhöhe zusammenzuleben. Die dritte „Momentaufnahme“ widmet sich diesen unterschiedlichen Bereichen und zeigt auf, was sich hier in Vorarlberg tut: In Interviews mit Verantwortlichen, handelnden Akteuren, Betroffenen und Reportagen.

2015 hat Europa die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt. In Österreich sind 2015 rund 95.000 Asylanträge eingegangen. Debatten über Obergrenzen, Abschiebungen und eine gesamteuropäische Lösung bestimmen den politischen Alltag.

Wie ein roter Faden zieht sich dabei die hohe Wirksamkeit und Bedeutung von Menschen durch, die sich in Zusammenarbeit oder abseits des institutionellen Rahmens, für die hier ankommenden Menschen einsetzen. Land und Gemeinden sowie betreuende Organisationen sind auf die Initiativen von engagierten Personen angewiesen. Von einigen dieser Beispiele erzählen wir in diesem Heft – in dem Wissen, dass es bei Weitem nicht alle sind. Die Terminübersicht am Ende des Heftes gibt einen Überblick zu Unterstützungsangeboten für freiwillig engagierte Personen. Sogenannte „Zwischentöne“ von Bürgermeistern, Kulturschaffenden und Experten runden gemeinsam mit den Bildern der Fotografin Petra Rainer diese „Momentaufnahme des Lebens, Wohnens, Arbeitens für Flüchtlinge in Vorarlberg“ ab. Wir wünschen anregende Lektüre und viele hilfreiche Informationen für Ihr Tun!

In Vorarlberg leben mit Ende Jänner zirka 3500 Asylsuchende und mindestens noch einmal so viele anerkannte Konventionsflüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte. Nahezu alle Gemeinden (93 von 96) haben Flüchtlinge untergebracht. Die Prognosen für 2016 gehen bis dato davon aus, dass mit einer starken Zunahme dieser Zahl zu rechnen ist. Zahlreiche Akteure auf unterschiedlichen Ebenen sind in Vorarlberg mit der Thematik befasst – Bund, Land, Gemeinden, Regionen, NGO’s, Institutionen, Freiwilligenorganisationen und viele mehr – nahezu alle gesellschaftspolitischen Handlungsfelder davon betroffen. Die Zuwanderung so vieler Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern nach Vorarlberg – damit verbunden Sprache, Werte und Bräuche – bringt wesentliche gesellschaftspolitische Herausforderungen mit sich: Es gilt Wohnraum zu organisieren, die soziale Integration zu ermöglichen, den Arbeitsmarkt anzupassen, Bildungsmaßnahmen

vorwort 3

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Weltweit sind laut Angaben der UNHCR rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht, 51% davon sind Kinder. Kriege, Verfolgung, wirtschaftliche Ausbeutung und auch der Klimawandel mit seinen Folgen zwingen Menschen aus unterschiedlichsten Regionen dieser Welt zu flüchten.


Integration fordern und fördern

Herausforderungen bewältigen

Das Hauptaugenmerk in der Asylpolitik liegt 2016 sicher auf der Integration. Dabei geht es darum, dass wir Integrationsmaßnahmen entwickeln und anbieten, gleichzeitig aber Integration vehement einfordern. Aus diesem Grund haben wir eine Integrationsvereinbarung erarbeitet, die unmissverständliche Spielregeln enthält. Von Seiten des Landes ist klar, wo die Schwerpunkte zu setzen sind: Zentral ist und bleibt der Spracherwerb, dies ist Grundvoraussetzung für Integration. Daneben sind auch Werte- und Orientierungskurse wichtig sowie Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, um die Chancen auf eine Beschäftigung und damit die Eigenversorgung zu erhöhen. Ein weiterer Aspekt, den ich gerne herausstreichen möchte, ist der Zusammenhalt in Vorarlberg: 93 von 96 Gemeinden des Landes haben ihren Beitrag geleistet und Flüchtlinge aufgenommen. Diese breite Solidarität gibt es sonst nirgendwo in Österreich. Dank der ausgezeichneten Zusammenarbeit von Land, Gemeindeverband, Caritas, ORS, Rotes Kreuz, IfS, AMS, den Sozialpartnern und zweifellos aufgrund des beeindruckenden ehrenamtlichen Engagements vieler Menschen, ist es in einer schwierigen Situation bisher gelungen, die Grundversorgung von Flüchtlingen und die Integration von Bleibeberechtigten gut zu bewältigen.

Viele Menschen in Vorarlberg leisteten Unglaubliches. Sie unterstützten Menschen, die vor Krieg und Zerstörung flüchteten. Sie vermittelten für viele Hoffnung und Perspektiven. Aber auch Respekt und Wertschätzung die von denjenigen zurückkommen, die diese Unterstützung erfahren durften, ist spürbar. Dieses Miteinander stärkt den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Gleich­zeitig dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass viele Menschen verunsichert sind und Ängste haben. Es gibt viel zu tun, doch vieles konnten wir bereits auf den Weg bringen. So gilt es klare Rahmenbedingungen zu schaffen, die es für ein gutes Zusammenleben braucht. Die beschlossene Integrationsvereinbarung ist in dieser Hinsicht ein sehr wichtiger Schritt. Es ist jedoch notwendig, dass die Flüchtlingszahl begrenzt wird.

Landeshauptmann Markus Wallner

Landesrat Erich Schwärzler

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POLITIK 4

Der Zusammenhalt macht es möglich


Klare Spielregeln für die Zusammenarbeit in Vorarlberg Landesrat Erich Schwärzler zur politischen Strategie

2016 liegt das Hauptaugenmerk in der Asyl­ politik darauf, den Zuzug von Flüchtlingen zu verringern und die Integration der Bleibeberechtigten voranzutreiben. Zu diesem Zweck hat das Land unter Beratung der Projektstelle „okay.zusammen leben“ als erstes Bundesland eine Integrationsvereinbarung erarbeitet. Diese wird mit den Konventionsflüchtlingen getroffen, damit die Integration auf der Grundlage klarer Regeln gelingen kann. Klar festgehalten ist auch, dass bei Nichterfüllen der Vereinbarung Sanktionsmaßnahmen gesetzt werden. Bei Integrationsverweigerung wird die Mindest­sicherung gekürzt.

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Dazu zählen insbesondere die Regeln der Demokratie, das Gewaltverbot (auch in der Familie), der Vorrang staatlicher Gesetze vor den Regeln einer Religion, das Recht der Menschen auf Selbstbestimmung innerhalb des gesetzlichen Rahmens, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern sowie die Schulpflicht für Mädchen und Buben.

2) Die geforderten Integrations­ leistungen: Das sind Spracherwerb, Anerkennung der Gesetze und der hiesigen Lebensart sowie die Bereitschaft zur Arbeit. Dementsprechend werden der verpflichtende Besuch von Deutschkursen und von Werte- und Orientierungskursen sowie die Teilnahme an Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen verlangt.

Die Einhaltung der Vereinbarung wird von der BH kontrolliert. Diese Maßnahme soll gewährleisten, dass die notwendigen Integrationsschritte möglichst rasch erfolgen.

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1) Wichtige Grundregeln des Zusammenlebens:

Die klar formulierte Integrationsvereinbarung beruht auf dem Prinzip „Fördern und Fordern“. Wir wollen jene Menschen, die als Konventionsflüchtlinge das Aufenthaltsrecht in Österreich zugesprochen bekommen haben, dabei unterstützen, sich in unsere Gesellschaft einzufügen. Umgekehrt verlangen wir von den Asylberechtigten die Bereitschaft und den Willen, ihren Teil für ein gutes Zusammenleben zu leisten. Vorarlberg hat als erstes Bundesland eine solche Integrationsvereinbarung ausgearbeitet – diese gliedert sich inhaltlich in drei Teile:

3) Klarstellung, dass der Verstoß ge­ gen Gesetze oder die Verweigerung von Integrationsmaßnah­ men Sanktionen nach sich zieht. Das reicht von Strafen über Leistungskürzungen (z.B. bei der Mindestsicherung) bis hin zu „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“.


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Erste Hilfe für Deutsch-Neulinge Ein wichtiges Einsatzfeld von Freiwilligen in der Flüchtlingsintegration ist in den letzten Monaten vermehrt entstanden: Die Unterstützung durch die Zivilgesellschaft beim Deutschlernen. Dieses Phänomen zeigt sich auch in Vorarlberg. EVA GRABHERR, okay.zusammen leben

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Für die Fachinstitutionen ist diese Entwicklung aber auch eine Gratwanderung, betonen sie doch (zu recht) die Bedeutung professioneller Sprachkurse für das gründliche Erlernen von Deutsch als zentrales Instrument des Zugangs zur neuen Gesellschaft. Sie fürchten, die Politik könnte sich in der Sprachintegration der Flüchtlinge zu sehr auf die Freiwilligenarbeit verlassen und das Bereitstellen des entsprechenden Kursangebotes vernach­ lässigen. Politische Planungspapiere zur Bewältigung der Flüchtlingsintegration wie beispielsweise der 50-Punkte-Plan des in Österreich für Integration zuständigen Ministeriums verweisen jedoch klar auf die Bedeutung einer umfassenden Sprach­ integration als Schlüssel für den Auf bau eines selbständigen Lebens in Österreich. Diese Sprach­ integration einer größeren Gruppe, noch dazu in so kurzer Zeit, ist nur mit einem umfassenden Angebot in professioneller und standardisierter Qualität zu schaffen. In Vorarlberg koordinieren sich für dieses Ziel die verschiedenen Institutionen welche Deutschkurse anbieten, unter Leitung der

Koordinationsstelle für Integrationsangelegenheiten des Landes Vorarlbergs, und kümmern sich um die entsprechende Anzahl an Deutschkursplätzen und die Finanzierung.

Sprache erlernt man jedoch in erster Linie im Tun, in der Kommunikation mit anderen Menschen und durch Wiederholen, im besten Fall begleitet. Das im Kurs Erlernte verflüchtigt sich rasch, wenn es nicht angewendet wird. Begleitend zu den Kursen sind daher Übungsmöglichkeiten eine wichtige und wertvolle Möglichkeit freiwillig geleisteter Lernbegleitung. Dieses Einsatzfeld wird in naher Zukunft, wenn noch mehr Menschen die Bleibeberechtigung erhalten, immer wichtiger für die Integration. Der Einsatz der Freiwilligen geht jedoch viel weiter. In der Phase, in der AsylwerberInnen auf den Bescheid warten, ob sie als Flüchtlinge anerkannt werden, also in der Grundversorgung, werden in Öster­reich kaum Deutschkurse angeboten. Vorarlberg bildet hier eine Ausnahme, es gibt auch Sprachkurse für AsylwerberInnen. Im letzten Jahr reichten aber auch hier die Plätze bei weitem nicht aus. An vielen Orten springen Freiwillige ein. Sie lernen mit den Asylsuchenden erste Sätze und sprachliche Strukturen oder unterstützten bei der Alphabetisierung. Es gibt sogar kursähnliche Angebote von pädagogisch gebildeten Freiwilligen. Zeit von Menschen für Menschen – für die Kommunikation, das Üben und das Gespräch – sind beim Ankommen im neuen Land ein hohes Gut. Dieses Feld der Freiwilligenarbeit ist höchst wirksam für die Integration von Flüchtlingen und in ein paar Jahren werden wir dies in unseren Fachdebatten vielleicht sogar als entscheidend für eine gelungene Sprachintegration betrachten und bewerten.

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Ein häufiges Einsatzfeld von Freiwilligen in der Flüchtlingsintegration ist die Unterstützung beim Deutschlernen. Das Phänomen zeigt sich in Deutschland, Österreich und vermehrt auch in Vorarlberg. Es bildeten sich bereits Unterstü­ tzungsstrukturen für diese Freiwilligentätigkeit, Beispiele dafür sind: „Treffpunkt Deutsch“ des Österreichischen Integrationsfonds und „okay.zusammen lernen“ der Projektstelle okay.zusammen leben in Vorarlberg. Renommierte Lehrbuchverlage für Deutsch als Fremdsprache (DAF) reagieren darauf, indem sie spezifisch für Freiwillige als LernbegleiterInnen Lehrmaterialien entwickeln. Sogar Fachverbände und -institutionen wie der Österreichische Verband für Deutsch als Fremdsprache oder das deutsche Goethe-Institut bieten fachliche Unterstützung für diese neue Gruppe von Sprachlernbegleiter­ Innen an.

EVA GR A BH ER R


Deutsch lernen – Erwachsene Flüchtlinge in Vorarlberg

Vom ersten „Grüß Gott“ in der Asylunterkunft bis zum nachbarschaftlichen Gespräch beim Einkaufen oder Dialog mit Arbeitskollegen ist es für Asylberechtigte ein weiter Weg.

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CARMEN NARDELLI, MANUELA MEUSBURGer; Koordinationsstelle für Integrations­ angelegenheiten – Abteilung Gesellschaft, Soziales und Integration

Das Deutsch lernen von Flüchtlingen in Vorarlberg stützt sich auf die vier Säulen: Deutsch lernen, Deutsch unterstützen und begleiten, Deutsch lehren und den Weg weisen. Hand in Hand soll so das Ziel, dass Flüchtlinge möglichst gut Deutsch lernen, erreicht werden. Nachdem die Asylwerbenden in ihren Unterkünften in Vorarlberg angekommen sind und sich dort zurechtgefunden haben, beginnt für sie auch das Deutschlernen. Sie kommen mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen an. Manche konnten, auch aufgrund des Krieges, kaum eine Schule besuchen und müssen noch das lateinische Alphabet erlernen. Andere wiederum beherrschen Fremdsprachen, wie zum Beispiel Englisch. Sie bringen also schon Lernerfahrungen mit. Die Startbedingungen sind somit sehr verschieden. Eine wichtige Stütze sind die freiwillig Engagierten in Städten und Gemeinden. Sie unter­ stützen und begleiten erwachsene Asylwerber von Anfang an und während der gesamten Zeit des Deutschlernens als Bleibeberechtigte. Durch das Programm „okay.zusammen lernen“ werden diese Freiwilligen in ihren Aktivitäten gestärkt. Angebote sind beispielsweise Unterrichtsmaterialien „Von Mund zu Mund – Erste Sprach-Hilfe für Deutsch-­ Neulinge“ inklusive Einführungsveranstaltung, Fachbegleitung und monatliche Runde-Tische für Austausch und Vernetzung. 2016 werden die Projektstelle „okay.zusammen leben“ und die Caritas gemeinsam an der Unterstützung für freiwillig Engagierte weiterarbeiten: Ein Leitfaden wurde bereits

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erstellt, Vernetzungsveranstaltungen und vieles mehr werden folgen. Die Freiwillig Engagierten, als erste Vertrauensperson vor Ort, bilden eine wichtige Konstante und unterstützten nicht nur den Spracherwerb, sondern auch das Hineinwachsen in die neue Gemeinschaft. Die Caritas (Fachbereich Flüchtlingshilfe) organisiert Alphabetisierungs- und Deutschkurse für Asylsuchende. Diese Deutschkurse werden in der Zentrale der Flüchtlingshilfe in Feldkirch sowie in allen größeren Quartieren angeboten. 2015 haben 1.600 Personen einen solchen Alphabetisierungsund Deutschkurs bei der Caritas absolviert. Onlinetools und Apps sind ebenfalls hilfreiche Weg­ begleiter beim Deutsch lernen. Insofern die Asylwerbenden einen positiven Asylbescheid erhalten erfolgt die Sprachvermittlung über die Deutschkursangebote der Erwachsenen­bildungseinrichtungen wie Volkshochschule, WIFI, BFI, Verein menschen.leben oder über Kursangebote des AMS. Die Asylberechtigten sind nun gefordert, selbständiger zu sein. Die Bildungsdatenbank PFIFFIKUS bietet einen Überblick über Deutsch­k urse in Vorarlberg. In dieser Übergangsphase werden die Asylberechtigten aber auch von der Caritas (Fachbereich Existenz & Wohnen) beraten und hinsichtlich der Deutschkurse informiert. Bei der Erwachsenenbildungseinrichtung wird zunächst ein Angebot für einen Deutschkurs eingeholt und dann bei den Bezirkshauptmannschaften (Abteilung Soziales/ Bedarfsorientierte Mindestsicherung) oder beim Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) ein Förderansuchen eingereicht. Nach Gewährung dieser Individualförderung, kann

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An der Leitlinie „Teilhabe fördern und fordern – Zusammenhalt stärken“ des Vorarlberger Integrationsleitbildes „Gemeinsam Zukunft gestalten“ orientiert sich auch das Deutschlernen von Flüchtlingen in Vorarlberg. Das Beherrschen der Landessprache ist ein Schlüsselfaktor für die Integration.

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Deutsch lernen Asylwerbende/Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte

Den weg weisen Betreuungs-, Beratungs- und Förderstellen

Deutsch lernen erwachsene Flüchtlinge

deutsch unterstützen und begleiten Freiwillig Engagierte

deutsch lehren Kursleitende in Erwachsenenbildungs­ einrichtungen

Ziel ist es, dass möglichst alle anerkannten Konventionsflüchtlinge in Vorarlberg das Niveau A2 (nach dem Europäischen Referenzrahmen für Sprachen) erreichen und sich damit am Arbeitsplatz oder bei Begegnungen im Ort verständigen können. Damit diese Herausforderungen gemeinsam bewältigt werden können, finden seit Sommer 2015 monatliche träger- und institutionsübergreifende Koordinationstreffen „Deutsch lernen – Erwachsene Flüchtlinge“ unter der Leitung der Koordinationsstelle für Integrationsangelegenheiten (IVa Abteilung Gesellschaft, Soziales und Integration) statt.

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Infos und Links Koordinationsstelle für Integrationsangelegenheiten – Abteilung Gesellschaft, Soziales und Integration: Deutsch lernen – Spracherwerb für Erwachsene Flüchtlinge › www.vorarlberg.at/integration Aktuelle Informationen zu „Deutsch lernen – Erwachsene Flüchtlinge“ › www.handinhandinvorarlberg.at Programm „okay.zusammen lernen“ – Unterstützungs­angebot für Freiwillige, die mit Flüchtlingen Deutsch lernen › www.okay-line.at

Alphabetisierungs- und Deutschkursangebote – Bildungs­datenbank Pfiffikus › www.pfiffikus.at onderförderkontingent für Bleibeberechtigte des S Österreichischen Integrationsfonds › www.integrationsfonds.at Europäischer Referenzrahmen für Sprachen › www.europaeischer-referenzrahmen.de

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der Kurs absolviert werden. Am Ende jeder Kursstufe (A1/A2 …) besteht eine Prüfungsmöglichkeit (ÖIF-Prüfung, ÖSD Prüfung, …). Die Kurse werden von qualifizierten KursleiterInnen – in Deutsch als Fremdsprache – gehalten. Lehrer-Weiterbildungen für die „Deutsch als Fremdsprache“ – Qualifizierung bietet das WIFI an. Auch neben dem Besuch professioneller Deutschkurse begleiten die freiwillig Engagierten als „lebendige Wortschätze“ und „Dialogpartner“ den Weg des Deutschlernens weiter.

4 Säulen System: Deutsch lernen – Erwachsene Flüchtlinge


Zeit zum Ankommen lassen

Im Gespräch mit dem Flüchtlingsbeauftragten im Landesschulrat LSI Günter Gorbach wird klar, dass Schule den Kindern nicht nur Deutsch lernen, sondern auch das Ankommen in unserer Kultur erleichtern muss. Entsprechende Angebote nach dem Pflichtschulalter werden derzeit erarbeitet. Wesentliche Stütze der Integration seien die ehrenamtlich tätigen Menschen. G

Julia Stadelmann, büro für zukunftsfragen

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LSI für Sonderpädagogik und Integration Günter Gorbach:

330 Kinder und Jugendliche aus Kriegsregionen werden derzeit an Vorarlbergs Pflichtschulen unterrichtet. Nach dem Schulunterrichtsgesetz führen wir nahezu alle als „außerordentliche“ SchülerInnen, da sie aufgrund ihrer mangelnden Deutsch-Kenntnisse dem Unterricht nicht folgen können. Als solche erhalten sie eine Stunde zusätzlichen Förderunterricht, Deutschunterricht in Kleingruppen und Pool-Stunden zur weiteren besonderen Unterstützung. Letztere sind mir ein besonderes Anliegen: Ich möchte, dass sich die Kinder Zeit zum Ankommen in der Schule lassen können. Bei einem gemeinsamen Spaziergang durchs Dorf können sie beispielsweise die wichtigen Orte und Geschäfte kennenlernen und dabei wird zusätzlich der Spracherwerb gefördert. Gibt es dafür genug personelle Ressourcen? Die jeweiligen Kapazitäten unterscheiden sich natürlich – die Schullandschaft in Vorarlberg ist ja sehr vielfältig. Große Schulen mit insgesamt 400 Kindern und zum Beispiel neun „außerordent­ lichen“ Schülern, können natürlich anders damit umgehen, als eine kleine Schule mit insgesamt 20 Kindern und ebenfalls neun außerordentlichen SchülerInnen. Aber prinzipiell funktioniert es gut und es gibt Unterstützung in Form von zielgerichteten Fortbildungen. So haben wir, das sind die Pädagogische Hochschule Vorarlberg, der Gemeindeverband, die Projektstelle okay.zusammen leben und das Land Vorarlberg, eine Arbeitsgruppe gegründet und ein vielseitiges Fortbildungsprogramm für PädagogInnen angeboten, in dem auch der Umgang

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mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen einbezogen ist. Eine gute Übersicht zu den Angeboten für PädagogInnen haben wir auch auf der Homepage www.handinhandinvorarlberg.at aufbereitet. Welche Bildungschancen gibt es für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche? Das ist leider ein schwieriges Thema. Der Besuch der Polytechnischen Schule durfte nicht weiter­ geführt werden, obwohl dort Ressourcen und Potentiale vorhanden wären. Seit Dezember 2015 gibt es eine Pilotklasse an der BHAK Feldkirch für jugendliche Flüchtlinge, welche die Schulpflicht bereits beendet haben. Es ist eine Übergangsstufe mit speziellem Lehrplan. Diese soll jungen Flüchtlingen ermöglichen, den Einstieg in eine Lehre oder berufsbildende mittlere/höhere Schule zu schaffen. Ein zweiter Standort für eine weitere Klasse ist bewilligt und die erforderlichen Details werden geklärt. Seit Anfang 2016 gibt es noch „Talent-Scout“, eine Flüchtlingsinitiative von Integra, AK Vorarlberg und der Landesberufsschule Feldkirch. Dabei werden junge Flüchtlinge zwischen 15 und 19 Jahren während zirka 10 Wochen begleitet und getestet, um deren Vorwissen, Neigungen, Begabungen und Interessen im Hinblick auf Berufswahl bzw. Berufs­ ausbildung zu eruieren. Gibt es Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung zum Thema Flucht und Asyl in den Schulen? Verschiedenste Organisationen, wie die Caritas, Koje, der Verein Vindex und das Vorarlberger Landestheater bieten hier unterschiedliche, oft sehr interaktive Angebote an. Wir sind gerade dabei diese zu

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Julia Stadelmann: Wie werden Kinder aus Kriegsregionen derzeit an Vorarlbergs Schulen unterstützt?

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Was ist aus Ihrer Sicht eine der größten Herausforderungen? Besonders wichtig finde ich die Unterstützung der Ehrenamtlichen, die sich für das Ankommen und die Integration der Flüchtlinge und der Flüchtlingskinder einsetzen. Sie unterstützen die Schulen, indem sie das für die Integration so wichtige Lernen im Alltag ermöglichen. Diese Ehrenamtlichen brauchen aber ebenfalls Unterstützung, um vielfältige Fragen – Wohnung, Beschäftigung, Bildung, Angebote in der Gemeinde, Dolmetscher und anderes mehr – ausreichend zu beantworten. Das sehe ich als eine große, aber sehr wichtige Herausforderung vor Ort an.

fakten › 330 außerordentliche SchülerInnen an ca. 100 Schulen

links › www.handinhandinvorarlberg.at Allgemeines, Arbeitsmaterialien und Fortbildungsangebote für PädagogInnen › www.vobs.at Unterrichtsmaterialien

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bündeln und sie in den Schulen für das kommende Semester zur Verfügung zu stellen. Das Schulmediencenter bietet auf seiner Plattform http://medienverleih.vobs.at unter dem Schlagwort „Migration“ zahlreiche didaktische Medien zum Thema Flucht, Krieg und Asyl an. Größtenteils sind es Filmbeiträge, Begleittexte, Unterrichtsmaterial und Lehrplanbezüge.


Integration ist Bewegung

Die Gastfreundschaft des Orients lehrt immer Platz zu geben. Wer Platz in seinem Haus und in seinem Herzen hat, kann die Bereicherung erkennen, die andere Kulturen bringen. Bouthaina Fabach ist eine wahre Kulturvermittlerin.

Die Liebe hat sie nach Vorarlberg gebracht, ihr kleiner Sohn ermöglicht es ihr, sich ehrenamtlich zu engagieren, bevor sie wieder Vollzeit in die Arbeitswelt einsteigen wird. Bouthaina Fabach wurde in Tunesien geboren. Der Vater war Politiker, die Mutter eine ausgezeichnete Pädagogin, die sich stark für die Rechte der Frauen einsetzte, junge Mädchen zum Studieren brachte und Behinderte in der Gesellschaft integrierte. Bouthaina schloss ihr Studium für Molekularbiologie ab, bevor sie mit 22 Jahren dem Vater nach Wien ins Exil folgen mus­ ste. Die Anerkennung ihrer Zeugnisse führte sie dann an die ETH Zürich, wo sie in der Forschung arbeitete. Zudem machte sie Ausbildungen in Pädagogik, Psychologie, Kindererziehung sowie mutterund fremdsprachlicher Entwicklung in Paris und arbeitete für einen Kinderbuchverlag. Schon in Tunesien begleitete sie als Freiwillige für Hilfsorganisationen Flüchtlinge. Später in Europa tangierten sie weiterhin die Geschichten der Flüchtlinge aus den verschiedensten Ländern der Welt. Sie arbeitete mit zahlreichen Institutionen zusammen, leistete Bildungsarbeit, forschte zu Religion, Kulturvielfalt und Integration. „Und all das setze ich in Vorarlberg fort und stelle dies gerne zur Verfügung wo es gebraucht wird! Ich muss hier nichts Neues erfinden, sondern kann beitragen, die Menschen zusammenzubringen und verknüpfe in den bestehenden Strukturen“, sagt Bouthaina. So macht sie für okay.zusammen leben Kulturberatu­ ngen. PädagogInnen, aber auch MitarbeiterInnen aus Gemeinden seien sehr interessiert daran, mehr über andere Kulturen zu erfahren. In Dialogveranstaltungen, Präsentationen über die Situation in den Kriegsgebieten werden Themen des Islams, der Gesellschaft und die Geschichten der Flucht zum allseitigen Verständnis vermittelt. Zudem kann sie viel für die Flüchtlinge tun. „Meine Arbeit ist nicht nur über Probleme zu diskutieren und Deutsch

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zu unterrichten oder zu übersetzen, gerne machen wir Ausflüge, besuchen die inatura, das Theater, Kunsthaus oder kochen Käsespätzle mit Vorarlberginnen. Über Kunst und Kultur lässt sich vieles unbeschwert vermitteln.“ Als Kunstvermittlerin für das Vorarlberg Museum bietet Bouthaina arabische und französische Führungen an. Aktuell übersetzt sie das Kinderbuch „Ich bin Ich“ von Mira Lobe ins Arabische und macht Lesungen. „Im Museum gibt es viele Möglichkeiten Vorarlberg kennenzulernen, mit arabischen Augen zu sehen und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Die Römer zum Beispiel, sie waren in Vorarlberg, sie waren in Syrien, sie waren auch in Tunesien. So verbindet uns eine uralte Geschichte und es ist sehr schön diese bewusst zu machen!“ Die Geschichten der Menschen auszutauschen und aufzuschreiben ist Bouthaina Fabach ein großes Anliegen. Dies sei nämlich eine Art der Archivierung, damit eine wertvolle Ressource nicht verloren geht. „Geschichten vom Orient, vom Leben, von Menschen, dramatisch, liebenswert, leidvoll, voller Grausamkeit und Leidenschaft, spannend und irgendwie am Ende voller Hoffnung, Freude und Glück. Geschichten aus tausendundeiner Nacht, doch nichts davon ist erfunden“, kann man in der KULTUR Zeitschrift lesen, wo sie seit November 2015 eine Fortsetzungsreihe von Fluchtgeschichten starten konnte. Das Vertrauen der Flüchtlinge zu finden, sei für eine Frau, die Kopftuch trägt und ihre Sprache spricht relativ einfach. Bouthaina lernt viele Menschen ganz unkompliziert kennen, in der Stadt oder bei ihrem Engagement im Vorarlberg Museum.

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MARTINA PFEIFER STEINER


Zwischentöne Ein wesentlicher Aspekt sei für alle Seiten, die Flucht als historische Normalität zu sehen. „Der Blick in die Geschichtsbücher zeigt Europa quer über die Jahrhunderte voller Fluchtgeschichten und Wanderungsbewegungen. Immer waren es Kriege, Hungersnöte und strategische Ansiedlungen, die Menschen zwangen ihre Häuser zu verlassen und an anderen Orten neu zu beginnen“, schreibt Bouthaina Fabach in einem Magazin* zum Thema „Flucht und Vergessen“. Kriege habe es immer gegeben und das Volk müsse dafür bezahlen. Wenn wir dies bewusster im großen Zusammenhang reflektieren würden, fiele es leichter damit umzugehen. „Integration ist Bewegung, bedeutet den anderen komplementär zu sehen, zu akzeptieren wie er ist und zu begreifen dass eine Gesellschaft dadurch bereichert wird“, ist Bouthaina überzeugt und vermittelt dies auf ihre herzliche Art.

aus Götzis

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Bürgermeister

Christian Loacker

… so aus dem Bauch heraus: ich bin zornig! Zornig auf meinen Berufsstand, dass wir es europaweit nicht schaffen, dieses Problem besser zu lösen. Hier in Götzis läuft es soweit gut – unser großes Glück ist, dass sehr viele Leute aktiv mithelfen. Und so entstehen natürlich Multiplikatoren in der Gemeinde und damit wird es auch leichter: Die Menschen sind sozusagen nicht einfach eine Nummer oder ein unbekanntes Gesicht, sondern jemand mit Namen und wahrzunehmenden Problemen.

*Original Magazin #6/Dez 2015

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Momentaufnahme 3 Führung durch die Ausstellung „Joan Mitchell. Retrospective“ im Kunsthaus Bregenz für syrische Frauen und Mädchen.


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Das Herz-Jesu-Heim, ein ehemaliges Sch端lerheim in Bregenz, dient derzeit als Unterkunft f端r rund 40 unbegleitete minderj辰hrige Fl端chtlinge. Die Fotografin Petra Rainer war dort und hat Momente des Zusammenlebens festgehalten.


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Eine Tasse Tee. Begegnung in den Gemeinden

Unterkunft, Sprache, Arbeit – im Grunde ganz alltägliche Angelegenheiten, die kompliziert werden, wenn es um Asylwerber­Innen geht. Integration kann jedoch auch ganz einfach und dabei sehr wirkungsvoll sein: Durch Begegnung und persönlichen Kontakt. Das ist vielen VorarlbergerInnen ein Anliegen, sieht man die derzeitige Welle an selbstorganisiertem Handeln in der Bevölkerung. In den vergangenen Monaten entstanden zahlreiche Initiativen, Events und Orte die gemeinsame Erlebnisse ermöglichen. Ein Newsflash aus den Kommunen.

Götzis

Sehen und gesehen werden Helga Hämmerle, Tennishalle Götzis

Bald nach Ankunft der ersten AsylwerberInnen in der Tennishalle in Götzis – im Sommer 2015 – fand sich ein Netzwerk von Engagierten zusammen, um den Neuangekommenen ihre Heimat zu zeigen. Seither organisieren sie regelmäßige Spazier- und Wanderausflüge in die Umgebung sowie Besuche von Kulturveranstaltungen und Sehenswürdigkeiten in Vorarlberg. Immer wieder finden sich weitere Interessierte, die sich anschließen. Im Herbst hat sich neben der Wandergruppe auch eine von Freiwilligen organisierte Veranstaltungsgruppe gebildet. Vom Eishockey- übers Fußballmatch bis hin zur eigenen Tanzveranstaltungen im angemieteten Jugendclub, gibt es auch hier ein breites Angebot an verschiedensten Veranstaltungen zu besuchen. Und erst seit kurzem sich trifft sich in Götzis eine Sportgruppe jeden Freitagnachmittag zum Fußball und Volleyball spielen oder gar für einen Berglauf. Den GötznerInnen ist es wichtig, dass die neuen Mitglieder ihrer Gemeinde auch unter die Leute kommen und sich Gelegenheiten bieten einander kennenzulernen.

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Elisabeth Zech, büro für zukunftsfragen


Höchst

Ganz normal. Aus dem Alltag des Zusammen­lebens Jasmin Lederer, Freundeskreis Höchst

Höchst hat rund 8000 Einwohner, die Gruppe von zirka 30 AsylwerberInnen die hier lebt, fällt kaum auf, im Alltag und doch ist das Thema gegenwärtig. Was kann passieren wenn wir in Kontakt treten, wenn wir das Gespräch suchen, Hilfe anbieten, eigene Ängste überwinden und uns öffnen? Das dürfen wir in Höchst erleben, seit sich im vergangenen September der „Freundeskreis“, eine lose Gruppe von Menschen, die Flüchtlinge beim Ankommen und Einleben unterstützt, gegründet hat. Dabei ergeben sich immer wieder berührende, überraschende und kuriose Momente:

Oder als Ayham im Rahmen der Nachbarschaftshilfe an die Pfarre vermittelt wurde. Der Messner war sehr froh über die Unterstützung in der Kirche, jedoch auch unsicher, wie ein Moslem reagiert, wenn er in der Kirche arbeiten sollte. Für Ayham war das jedoch kein Thema. Mit großer Freude half er die Christbaumkugeln abzuschmücken und die Stiegen vom Schnee zu befreien. Dabei ergab sich ein Gespräch über Religionen und verschiedene Bräuche. Momentaufnahme 3

Kinder begegnen einander noch viel offener. Sie sind noch unverdorben von Vorurteilen und das gemeinsame Spiel verbindet. Wir beobachten Szenen, in denen arabisch sprechende Kinder mit deutsch sprechenden Kindern Lego spielen und dabei sowohl Farben als auch Zählen lernen, ganz nebenbei und selbstverständlich. Auch die Motivation Deutsch zu lernen ist im Ort sehr hoch. In einer Familie sprach die Frau vorerst noch gar kein Deutsch, während ihr Mann bereits ein paar Brocken beherrschte. Beim nächsten Besuch, begrüßte mich die Frau auf Deutsch. Beide sahen meinen überraschten Gesichtsausdruck und da erklärte ihr Mann stolz, dass er jeden Tag 2-3 Stunden mit ihr übe. Die Wände in ihrer Wohnung seien voller Plakate mit Vokabeln, Gegenstände sind zweisprachig beschriftet und jedes neue Wort wird gierig aufgenommen. Oft stoßen wir jedoch auch auf Gegebenheiten, die auf beiden Seiten Irritationen auslösen. Aufgrund der guten Basis miteinander, können diese aber sofort angesprochen und damit aufgelöst werden, denn in der Regel sind es Missverständnisse und Unwissenheit. Was passiert also, wenn wir in Kontakt treten und offen miteinander umgehen? Es entstehen Beziehungen und in Beziehungen werden Vorurteile abgebaut, Ängste klären sich und Unsicherheiten haben ihren Platz und können bearbeitet werden.

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Wie beim Kennenlern-Frühstück, als ein syrischer Familienvater im Gespräch mit mehreren älteren Damen richtig auf blühte. Als er sie ein paar Stunden später beim Adventkonzert der Bürgermusik in der Kirche wieder traf, lud er sie spontan zu einer Tasse Tee ein.


Vorarlberg

Einfach mal raus

Edith Frohnwieser war im Februar 2015 ehrenamtlich bei der Caritas Flüchtlingshilfe tätig. Dort unternahm sie Ausflüge mit Flüchtlingen. „Einfach mal raus und was anderes sehen“, so dachte sie, das würde ihnen bestimmt gefallen. Und ihr Angebot wurde dankend angenommen. Zurück im Studienalltag, wollte Edith diese regelmäßigen Ausflüge nicht auf­ geben. So kam es, dass eine Gruppe engagierter StudentInnen, SÖPPS (Sozialpolitische und –ökonomische Plattform der StudentInnen), mit einem ausgearbeiteten Konzept in der Tasche im Frühjahr 2015 bei der Caritas in verschiedenen Flüchtlingsheimen vorsprachen. Sie wollten den Flüchtlingen durch wöchentliche Ausflüge die Möglichkeit bieten einmal raus zu kommen, um Vorarlberg und seine BewohnerInnen besser kennenzulernen. Sei es eine Besichtigung der Käserei oder der Besuch eines Eishockeymatchs, die regelmäßigen Ausflüge mit den SutdentInnen sind für die BewohnerInnen der Flüchtlingsheime Feldkirch, Hohenems, Lingenau und Bregenz zu einem bedeutenden Fixpunkt im Alltag geworden. › https://soepps.wordpress.com

Feldkirch

Offenes Singen Kontaktchor Feldkirch

Als Raum in dem neben Musik auch Freundschaften und Sprachkenntnisse entstehen, trifft sich wöchentlich in Feldkirch eine zusammengewürfelte Gruppe von Einheimischen und Flüchtlingen, um gemeinsam zu singen und musizieren. Unter der Chorleitung des erfahrenen Kolumnisten, Musikers und Autors Ulrich Gabriel gründete man im vergangen Sommer den sogenannten KONTAKT­ CHOR. Immer wieder ist der Chor auch bei verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen anzutreffen. Jeden ersten Montag im Monat lädt der Chor im Theater am Saumarkt zum „Offenen Singen“ ein. Dann kann sich jeder der Lust hat zum Kontaktchor hinzu gesellen, zuhören, mitsingen und Kontakt aufnehmen. Nächster Termin: Montag 4. April 2016 › www.saumarkt.at

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Edith Frohnwieser, Sozialpolitische und -ökonomische Plattform der StudentInnen


Dornbirn

Alltagshilfe und Seelsorge SHEMS – Sozialwerk europäischer Sufis

„Shems“ ist das arabische Wort für „Sonne“. Der in Dornbirn ansässige Verein „SHEMS – Sozialwerk europäischer Sufis“ bot im vergangenen Sommer und Herbst neben Kleiderspenden auch Flüchtlingsseelsorge für die Bewohner des Flüchtlingsheims in der Dornbirner Bildgasse. St. Arbogast

Why?nachten Katharina Lenz, „freigeist – junge initiative arbogast“ in Kooperation mit der Jungen Kirche und dem Kleiderzirkus

Kurz vor Weihnachten trafen sich im Jugendund Bildungshaus St. Arbogast rund 120 Personen aus aller Welt zu einer gemeinsamen Weihnachtsfeier. Syrer, Iraker, Vorarlberger, Dänen, Ungaren, Deutsche, Afghanen und noch viele andere Nationen setzten mit der Veranstaltung ein Zeichen des Zusammenhalts. Why?nachten heißt das Projekt, das von freigeist - junge initiative arbogast, der Jungen Kirche und dem Kleiderzirkus gemeinsam veranstaltet wurde. Nach den Willkommensworten in drei verschiedenen Sprachen - passende Dolmetscher wurden einfach aus dem Publikum gefischt - ging es mit Poetry Slam und einem musikalischen Mix der Kulturen weiter. Die zahlreichen Gäste brachten die Tanzfläche zum Beben. Und Wärme wurde nicht nur unter den Tanzenden spürbar. In der kleinen Boutique des Kleiderzirkus konnte sich jedermann für den Winter mit warmer Kleidung eindecken. Noch bis in die späten Abendstunden saß man rund ums Lagerfeuer. Die Freude am Zusammensein, das Lachen jedes Einzelnen - Deshalb feierten wir alle gemeinsam Why?nachten. › www.facebook.com/freigeist.arbogast

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Viele der geflüchteten Menschen kommen aus arabischen Ländern und sind Muslime. Einige der Vereinsmitglieder von SHEMS verbindet ein ähnliches Schicksal mit den Geflüchteten, auch sie kommen teilweise aus Kriegsgebieten. Über das Projekt Vindex-Soforthilfe des Vereins „Vindex – Schutz und Asyl“ wurde SHEMS in der Bildgasse aktiv. Anlass waren die Proteste wegen mangelnder Unterstützung im Alltag der Flüchtlinge. SHEMS, dessen Räumlichkeiten damals ebenso in der Bildgasse angesiedelt waren, beteiligte sich tatkräftig am Projekt von Vindex mit dem Sammeln von Hygieneartikeln und Kleiderspenden. Immer öfter wurden die Vereinsmitglieder von SHEMS dabei zu ersten Ansprechpartnern in allen Belangen. Nach Beendigung des Projektes blieb der Verein in der Bildgasse aktiv. Vor kurzem jedoch musste SHEMS seine Räumlichkeiten dort aufgeben und ist nun auf der Suche nach einem neuen Standort. „Ohne eigene Räumlichkeiten können wir derzeit leider nicht in dieser Form weiter tätig sein. Es ist uns jedoch ein großes Anliegen, die Flüchtlinge auch in Zukunft – wenn wir einen neuen Standort gefunden haben – zu unterstützen und ihnen einen Rahmen zu bieten, um sich einmal richtig ausreden zu können“, so Daniel Schweiger, Obmann von SHEMS. › www.shems.org


Feldkirch

Grenzenloses Kochen Amt der Stadt Feldkirch, Integration

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Bereits seit 2013 gibt es in Feldkirch die Aktion „Grenzenloses Kochen“. Drei bis vier Mal pro Jahr treffen sich Menschen unterschiedlichster Herkunft zum gemeinsamen Kochen ihrer heimischen Gerichte. Gekocht und serviert wird Essen aus aller Welt. Alle TeilnehmerInnen bringen die Zutaten für ihr eigenes Gericht mit. Gäste, die nicht kochen, können die Speisen gegen eine freiwillige Spende ebenfalls genießen und sich beim Aufräumen beteiligen. Der nächste Kochtermin ist Freitag, 20. Mai 2016 ab 18 Uhr in der Polytechnischen Schule Feldkirch. › www.feldkirch.at/rathaus/integration/ grenzenlos-kochen

Zwischentöne

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Bürgermeister

Bernhard Kleber

Wir haben uns auf das Flüchtlingsthema und die Ankunft der neuen Mitbewohner sehr gut vorbereitet und dadurch auch von Anfang an eine bemerkenswert hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung erreicht. Es besteht große Hilfsbereitschaft, wenn es darum geht Kleider, Fahrräder, Haushaltartikel und auch Begleitung für Deutschkurse zur Verfügung zu stellen. Es gibt schon einige positive Beispiele für gelungene Integrationsversuche durch die Vereine wie Kirchenchor, Fußballclub, Kletterverein. Die neuen Bewohner übernehmen bereits regel­mäßig Arbeiten für die Gemeinde, beispielsweise Mithilfe bei der Altpapiersammlung, Falten von Schriftstücken, Sanierung von Wanderwegen etc. Bei der Nachbarschaftshilfe ist aber noch mehr möglich, wir wollen viel aktiver werden und brauchen die Unterstützung aller Dorf bewohner. Ich persönlich habe ein sehr positives Bild von den in Andelsbuch lebenden Flüchtlingen: Sie sind freundlich, bemüht die ihnen übertragenen Arbeiten gut zu erledigen, grüßen auf der Straße und bei Begegnungen in den Geschäften.

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aus Andelsbuch


Feldkrich

Cuisine Mondiale

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Ende Oktober lud die Cuisine Mondiale zum Essen mitten in Feldkirch ein. Über 20 kochbegeisterte Syrer und Iraker kochten in fünf Privatküchen Gerichte aus ihrer Heimat und servierten diese unter freiem Himmel den Passanten. Um die Mittagszeit wurden in der Feldkircher Marktgasse Tische aufgebaut und gedeckt. Das Bild von Töpfe tragenden Leuten, die aus den verschiedenen Türen traten und aufdeckten zog die Blicke auf sich. Die Köche luden alle Passanten ein mitzuessen. Da gab es unterschiedliche Reaktionen. Von Verwunderung über Skepsis bis Begeisterung war alles dabei. Die meisten jedoch folgten der Einladung und so füllten sich die Bänke und die Mägen. Das Eis war gebrochen und es herrschte reger Austausch. Bei der Spontanaktion wurden Kontakte geknüpft, Vorurteile und Ängste abgebaut. Fazit: Feste zu feiern verbindet.

Infos › Kontaktchor Mitsingtermine: www.saumarkt.at › freigeist – junge initiative arbogast: www.facebook.com/freigeist.arbogast › Grenzenloses Kochen: www.feldkirch.at/rathaus/integration/grenzenlos-kochen › Vindex: www.vindex.or.at › SHEMS: www.shems.at

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Katharina Lenz, „freigeist – junge initiative arbogast“ in Kooperation mit der Jungen Kirche, der Stadt Feldkirch und engagierten Privatpersonen.


Im Idealfall steht am Ende des Coachings ein Job

In Vorarlberg gibt es seit Anfang dieses Jahres zwei wichtige Projekte zur Arbeitsintegration von Flüchtlingen. Es werden dabei Bildungsniveau und berufliche Qualifikationen oder Neigungen festgestellt um am Arbeitsmarkt überhaupt Perspektiven zu haben. MARTINA PFEIFER STEINER

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Mo os u br

In Vorarlberg gibt es zwei bemerkenswerte Projekte zur Arbeitsintegration: start2work für Menschen nach dem Ende der Schulpflicht (ab 19 Jahren) die unter kompetenter Anleitung ein Arbeitsclearing durchlaufen, bei dem ihr Bildungsniveau, Sprachkenntnisse, berufliche Qualifikation und Eignungen erhoben werden um weitere notwendige Schritte zu planen. Zielgruppe bei TALENT-SCOUT sind begleitete oder unbegleitete Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren, um Voraussetzungen für eine Berufsausbildung, beziehungsweise eine Standortbestimmung zu erhalten. Dipl.Bw.(FH) Harald Moosbrugger, Leiter der Abteilung Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten Land Vorarlberg ist zuversichtlich: „Erfahrungen haben wir noch wenige, beide Projekte starteten ja erst am 11. Jänner, die Erwartungen sind jedoch hoch! Erst wenn wir wissen wo der Bleibeberechtigte steht, können wir gezielt an den Bedürfnissen ansetzen und fördern. Die deutsche Sprache ist jedenfalls Grundvoraussetzung für einen Job.“ Das Programm TALENT-SCOUT wird von INTEGRA Vorarlberg durchgeführt und von der Arbeiterkammer finanziert. Jugendliche AsylwerberInnen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit und ersten Deutschkenntnissen, die auch motiviert sind die theoretischen und praktischen Voraussetzungen für eine Berufsausbildung zu erwerben, können mitmachen. Acht Wochen lang wird mit Standortbestimmung, Rechtsberatung, Kulturelle Integration, Deutschlernen, Kompetenzcheck, Berufsorientierung gecoacht und ein Perspektivenplan ausgearbeitet. „Die TrainerInnen erkennen ob die

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Nach einem positiv abgeschlossenen Asylverfahren haben Flüchtlinge in Österreich uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Ab diesem Moment stehen sie jedoch vor neuen Herausforderungen. Flucht bedeutet, dass sie mit fehlenden Sprachkenntnissen, ohne Orientierung in einem für sie unbekannten System und oft auch traumatisiert in Vorarlberg angekommen sind. Eine rasche Integration in den Arbeitsmarkt ist nicht nur im Interesse der Einzelnen sondern auch im Interesse von Gesellschaft und Volkswirtschaft. Um dies zu schaffen, braucht es gezielte, intensive, flexible und unbürokratische Unterstützung.


Jugendlichen eher ein handwerkliches Geschick haben, Technik-affin sind oder gerne weiter in die Schule gehen würden, erstellen dann ein individuelles Perspektivenblatt und schlagen die nächsten Schritte vor“, berichtet Moosbrugger. Ebenfalls auf zwei Jahre ist start2work angelegt und wird jährlich bis zu 400 bleibeberechtigten Flüchtlingen ab 19 Jahren Unterstützung beim Einstieg in eine Arbeit beziehungsweise in eine weiterführende berufliche Qualifizierung bieten. Träger ist die Caritas, die Finanzierung erfolgt über das Land Vorarlberg und den Europäischen Sozialfond. Am Anfang steht das Arbeitsclearing als Standortbestimmung. „Was hat jemand im Heimatland gelernt, kann eine etwaige Ausbildung in Österreich anerkannt werden, sind die Deutschkenntnisse ausreichend? Das alles sind Fragen, die abgeklärt werden müssen um bei den nächsten Schritten helfen zu können“, sagt Harald Moosbrugger.

› start2work Für bleibegerechtigte Flüchtlinge in Vorarlberg ohne Arbeitsmarktintegration ab 19 Jahren. › Kontakt: Caritas, Poststraße 2, Dornbirn; start2work@caritas.at www.carla-vorarlberg.at Für Unternehmen bei freien Stellen: personalvermittlung@caritas.at › TALENT-SCOUT „Learning by doing!“ Arbeit, Sprache und Kultur in der Praxis erleben. Für begleitete oder unbegleitete Flüchtlinge mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit und ersten Deutschkenntnissen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren. › Kontakt: Integra Vorarlberg www.integra.or.at › Begleitete Berufsorientierung Das Modell der Berufsorientierung (bzw. Volontariat) bietet Asylwerbern einen Rahmen, in Betrieben verschiedene Arbeitsbereiche und Tätigkeiten kennenzulernen, sowie die eigenen Talente und Qualifikationen zu entdecken. › Informationen in der Kategorie „Beschäftigung“ auf www.handinhandinvorarlberg.at

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Zwischentöne aus Schruns

Bürgermeister

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Jürgen Kuster

Wir haben in Schruns bereits zwölf Jahre Erfahrung mit der Aufnahme von Flüchtlingen und da gab es eigentlich keine Probleme. Derzeit sind wir jedoch in der Situation, dass die Stimmung in der Bevölkerung durchaus zu kippen droht. Schnell entstehen Ressentiments – vor allem das Bild des Flüchtlings, der herumsitzt und nichts tut. Dabei haben die meisten gar keine Möglichkeit zu arbeiten. Wir müssen es jetzt schaffen die Flüchtlinge, seien es AsylwerberInnen oder Menschen die bereits einen Aufenthaltsstatus haben, viel schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Es kann ja nicht sein, dass wir im Tourismus freie Stellen haben und diese nicht nachbesetzten können. Ich denke, das ist unter anderem für die Integration ausschlaggebend.

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Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sei ebenfalls immens wichtig, denn die Kursteilnehmer müssen ein Berufspraktikum machen, mit dem Ziel, dass ein Job folgt. Die Caritas erstellt für die Arbeitssuchenden Jobprofile und fragt als Vermittlerin bei den Firmen um Praktikumsplätze an. Optimistisch stimmt, dass die TeilnehmerInnen an den Projekten große Motivation zu haben scheinen und gute Fortschritte beim Sprachenerwerb machen. Es sei auch eine große Offenheit der Vorarlberger Wirtschaft spürbar. Trotzdem gibt es nur einen Arbeitsmarkt, keinen eigenen für Flüchtlinge, und die starke Arbeitsimmigration aus Europa, die schon länger bemerkbar ist, macht es nicht einfacher sich am Arbeitsmarkt durchzusetzen.

Infos


Die Unterbringung ist eigentlich das kleinere Problem

Seit den Sommermonaten sind im Schnitt rund hundert geflüchtete Personen pro Woche in Vorarlberg angekommen. Für die Unterbringung der AsylwerberInnen bedarf es einer guten Zusammenarbeit zwischen dem Land Vorarlberg und seinen Systempartnern sowie Bereitschaft und Flexibilität. Den Knackpunkt sieht Karl Fenkart jedoch vor allem bei der Integration. Elisabeth Zech, büro für zukunftsfragen

Mag. Karl Fenkart ist Leiter der Abteilung Vermögensverwaltung sowie der Abteilung Hochbau des Landes Vorarlberg. Als solcher ist er für die Beschaffung von Erstquartieren für AsylwerberInnen im Land verantwortlich. Den Prognosen der Flüchtlingszahlen für 2016 sieht er grundsätzlich zuversichtlich entgegen, doch sei unsere Flexibilität stark gefordert und Knackpunkt vor allem die Integration. Im Interview erläutert Karl Fenkart die aktuelle Situation bei der Unterbringung von Flüchtlingen, Vorgehensweisen und Herausforderungen. Elisabeth Zech: Wie funktioniert das mit der Quartierssuche genau? Karl Fenkart: Die Vermögensverwaltung bzw. die Abteilung Hochbau des Landes Vorarlbergs sind gemeinsam mit der Caritas, dem Gemeindeverband und der Diözese dafür verantwortlich, dass die Asylwerbenden, die nach Vorarlberg kommen, ein Dach über dem Kopf haben. Dazu kommt in weiterer Folge die Verantwortung für die sogenannte „Quoten­ erfüllung“. Schaffen wir die 100% nicht, kann der Bund selbständig Objekte in Vorarlberg anmieten oder errichten. Dann sind vielleicht nicht mehr maximal 150 sondern 400 Menschen in einer Halle untergebracht, das wollen wir verhindern. Wer ein Quartier anzubieten hat, kann sich bei der Vermögensverwaltung, dem Landeshochbau, bei der Caritas oder über die Homepage www.handinhandinvorarlberg.at melden. Ab einer Größe für 20 Personen prüft das Land die Objekte – darunter ist die Caritas zuständig. Anschließend wird entschieden, was adaptiert werden muss. Der Hochbau kümmert sich schließlich um den Umbau und die Sanierungen. Alles muss schnell gehen, da ja ständig neue

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Menschen ins Land kommen. Im Schnitt sollten wir mit der Caritas zusammen pro Woche rund 200 Wohnplätze schaffen. Wir sind daher immer sehr stark unter Druck und ständig auf der Suche nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten. Wie stellt sich derzeit die Situation bei der Unterbringung dar? Wir haben zurzeit 45 Objekte in Bearbeitung, daraus werden 1000 – 1500 Unterbringungsplätze für Asylwerber geschaffen. Seit Beginn des neuen Jahres, vielleicht wegen den Ereignissen in Köln, bekommen wir jedoch nur noch sehr wenige Angebote. Wie konnte man auf den starken Anstieg der Flüchtlinge im vergangenen Jahr reagieren? Anfang 2015 hatte die Caritas lediglich zwei Personen, die für die Prüfung und Anmietung der Immobilien verantwortlich waren. Damals gab es auch noch mehr Angebote und die Objekte konnten besser auf die Bedürfnisse abgestimmt werden. Mit der starken Zunahme der Flüchtlinge hat sich die Lage extrem verändert. Es stimmt, dass in ersten Phasen des Asylwerber-Ansturms die Organisationen bei Caritas und Land angepasst und neu strukturiert werden mussten. Da kam es vereinzelt vor, dass sich längere Zeit niemand gemeldet hat. Mittlerweile sind wir zu einer effizienten Einheit herangereift. Einerseits sind wir nicht mehr in der Position auszuwählen, andererseits gibt es nun mehr

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Wie viele Quartiere gibt es derzeit in Vorarlberg? Gemeinsam mit der Caritas, dem Roten Kreuz, ifs und der Firma ORS haben wir zirka 250 Standorte, davon sind sechs Objekte Großquartiere in welchen 80 bis 150 Menschen untergebracht sind. Das sind jedoch nur die Asylwerber. Sobald jemand einen positiven Asylbescheid in Händen hält, darf er grundsätzlich nicht mehr in einer der Unterkünfte für Asylwerber bleiben. Das heißt, eine Familie mit Konventionsstatus, die in der Koje einer Halle untergebracht ist, müsste eigentlich am Tag der positiven Erledigung des Asylantrags die Halle verlassen. Das ist natürlich unrealistisch, da die Menschen nicht so schnell eine Wohnung finden und schon gar nicht ohne Hilfe. Die Caritas unterstützt sie daher bei der Wohnungssuche. Sobald es aber ein Wohnungsangebot gibt, müssen sie ausziehen, sie können das Angebot also nicht ausschlagen. Für 2016 wurde ein Sonderwohnbauprogramm beschlossen. Zu den jährlich entstehenden 500 Wohnungen der sozialen Wohnbauträger, kommen 150 Wohnungen hinzu. Wäre ein verstärkter Wohnbau nicht auch eine Lösung für die Unterbringung von Asylwerbern?

Derzeit schaut unsere Strategie so aus, dass wir nur die Objekte anmieten, welche dann Asylwerbern zur Verfügung gestellt werden. Das Sonderwohnbauprogramm der gemeinnützigen Wohnbauträger richtet sich unter anderem an Familien mit Bleiberecht. Hier fördert das Land den Neubau von zirka 150 Wohnungen, die zu einem Drittel für Bleibeberechtigte zur Verfügung stehen. Mit der Wohnraumschaffung alleine ist es jedoch nicht getan. Entscheidend ist vor allem die Integration zu fördern, flexibel zu sein und dass die Menschen eine sinnvolle Beschäftigung erhalten.

fakten › 6 Großquartiere mit 80 bis 150 BewohnerInnen › 240 kleinere Quartiere (von ehemaligen Gastbetrieben bis zu Wohnungen) › 45 Objekte mit insgesamt 1.000 bis 1.500 Unterbringungsplätzen in Bearbeitung

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Personal für diese Aufgaben. Derzeit nehmen wir die meisten Angebote an und sanieren falls nötig und finanziell vertretbar.


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Ein Schlüssel ist die Wohnung

Sobald Flüchtlingen ein Bleiberecht zuerkannt wird, können und müssen sie eine Unterkunft suchen. Die Caritas hilft Hindernisse auszugleichen. Fachbereichsleiter Michael Natter gibt Einblick.

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Mit Anerkennung des Flüchtlingsstatus sind die Menschen sozialrechtlich allen Einwohnern in Vorarlberg gleichgestellt und müssen sich am freien Wohnungsmarkt zurechtzufinden. Sie sind faktisch wohnungslos, denn sie haben maximal vier Mon­ate Zeit eine Wohnung zu finden, solange dürfen sie noch in der Grundversorgung bleiben. 2014 gab es zirka 300 Fälle, 2015 etwa 480 (das sind 1.200 Personen) die vergeblich eine Wohnung suchten, Tendenz steigend. „Es bleibt also eine riesen Herausforderung, diese zu integrierende Gruppe mit mittel- bzw. langfristigen Wohnungsangeboten zu versorgen“, sagt Natter, „denn erst die Wohnintegration ermöglicht die nächsten Schritte.“ Die anerkannten Kriegsflüchtlinge seien in der Regel noch nicht lange in Österreich, also konnten die wichtigen Integrationsmaßnahmen wie Sprache, Information über Kultur und Lebensweise noch nicht erfolgen. Deshalb müssen die in der Wohnungslosenhilfe tätigen Sozialinstitutionen – Caritas, dowas, ifs, Kaplan Bonetti – diese anerkannten Flüchtlinge sehr intensiv unterstützen. „Vor allem was die Wohnungssuche für diese Zielgruppe anbelangt, waren alle beteiligten Institutionen

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im ‚Krisenmodus‘, vieles musste improvisiert, erste Strukturen entwickelt beziehungsweise wieder hochgefahren werden“, berichtet Michael Natter. Über die Plattform www.handinhandinvorarlberg.at sowie über Gemeinden, Firmen und Freiwilligennetzwerke kämen Wohnungsangebote herein. Die Bleibeberechtigten werden informiert und begleitet, so konnten 2015 schon 80% (das sind 190) der Mietverhältnisse direkt zwischen Vermietern und Mietern begründet werden, bei den übrigen fungiert die Caritas als Hauptmieterin. Die Sozialin­stitutionen begleiten die Mieter noch eine Zeit lang und sind vor allem für die Vermieter absichernde Ansprechpartner. Mittelfristig geht es nun darum, den gemeinnützigen Wohnbausektor durch erweiterte Angebote für alle Wohnungssuchende zu beleben, aber auch den privaten leerstehenden beziehungsweise mindergenutzen Wohnraum zu aktivieren. Diese Herausforderung kann aber nur auf kommunaler Ebene und gemeinsam gelöst werden. Aber auch die Nachbarschaft und das Sozialgefüge sind gefordert. „Nur in einem wohlwollenden und engagierten Klima vor Ort kann eine Alltagsintegration für diese Neuzugezogenen möglich werden. Das ist für die Institutionen allein nicht lösbar, sondern nur gemeinsam mit der Zivilgesellschaft. Wir müssen solidarisch, vernetzt und miteinander dran bleiben!“

kontakt › Caritas Vorarlberg Beratungsstelle Existenz & Wohnen Reichsstraße 173, Feldkirch T 05522/200-1700 bleibeberechtigte@caritas.at beratung@caritas.at wohnungen@caritas.at www.caritas-vorarlberg.at

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Die aktuelle Situation am Wohnungsmarkt in Vorarlberg ist prekär. Es gibt nicht genug leistbaren Wohnraum, die Ansprüche an die Wohnungs­größen verändern sich immer schneller, im gemeinnützigen Wohnungsbau stehen nur etwa 18.000 Wohnungen (das sind für 12 % der Vorarlberger Haushalte) zur Verfügung. Mehr als 6.000 WohnungswerberInnen stehen auf den Gemeinde-Vergabelisten, davon werden zirka 1.400 mit höchster Dringlichkeitsstufe bewertet. „Das ganze verschärft sich noch bei einkommensschwachen Haushalten. Hier machen die Wohnungskosten mehr als die Hälfte der verfügbaren Mittel aus“, stellt Michael Natter von der Caritas besorgt fest. Vorarlberg sei ein Zuwanderungsland, einerseits aus der EU und jetzt wieder zunehmend aus Kriegsgebieten. „Sehr wichtig ist, dass die verschiedenen Gruppen der Wohnungssuchenden nicht gegeneinander ausgespielt werden!“

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MARTINA PFEIFER STEINER


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Damit es auch wieder lustiger wird.

In der Frage nach dem Umgang mit Flüchtlingen, müssen wir umdenken. Der Mensch soll im Mittelpunkt stehen. Gleiche Augenhöhe ist die Voraussetzung, um einen guten Lern- und Integrationsprozess zu starten, so Kilian Kleinschmidt im Interview. michael lederer, elisabeth zech büro für zukunftsfragen

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Ein Umdenken ist notwendig: Weg vom Lagerkoller! Politik und Verwaltung müssen nun inve­ stieren, die Themen sind vielschichtig – Wohnen, Arbeit, soziale Integration. Auch die Wirtschaft muss hier ihren Beitrag leisten. Es ist mit Sicherheit eine Herausforderung Menschen aus unterschiedlichen Kulturräumen zusammenzubringen und ein gemeinsames Leben zu ermöglichen. Sie müssen Berufe erlernen, teilweise Berufe die es in ihrem Land vielleicht gar nicht gab. Hinzu kommt, dass viele junge Menschen zu uns kommen, denen ihre Familienstrukturen fehlen. Es ist daher notwendig die Leute mit viel Geduld an ihr neues Leben heranzuführen.

Michael Lederer: Was ist aus ihrer Erfahrung ein sinnvoller und wirksamer Beitrag von Freiwilligen? Sich auf Augenhöhe mit den Menschen befassen und Ihnen auch knallhart die Meinung zu sagen, was geht und was nicht. Denn das bedeutet auch, ihnen ihre Würde zuzugestehen und sie nicht als armes Etwas zu behandeln. Viele denken: „Jetzt hol ich mir meinen Syrer nach Hause.“ Und oft bevormunden sie die Menschen und sprechen ihnen damit die Würde ab. Am wichtigsten ist Ehrlichkeit, um einander wirklich begreifen zu können. Die Herausforderung ist, dass sie das normale Leben hier lernen und begreifen müssen. Im Lager in Jordanien hatten die Menschen anfangs gar keine Regeln akzeptiert – für sie bedeuteten alle Eckpunkte gleich Diktatur – und ich war für sie der neue Diktator. Es dauerte lange, bis sie merkten, dass ihnen die Struktur und die gemeinsamen Regeln das Leben auch erleichtern.

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Michael Lederer: Angesichts der aktuellen Entwicklungen und dem nicht zu erwartenden Abriss der Flüchtlingsströme nach Europa stellt sich die Frage: Welchen sinnvollen und wirksamen Beitrag können die Menschen denn leisten, sowohl aus Sicht der Flüchtlinge, als auch aus Sicht der Aufnahmegesellschaft? Kilian Kleinschmidt: Wir müssen in Europa darauf achten, dass wir keine Verhältnisse wie in den USA produzieren. Dort gibt es laut Schätzungen 30 Millionen Illegale. Die Einführung von Kontingenten oder die Schließung der Grenzen würde aus vielen Flüchtlingen nur Illegale machen. Die Ströme würden sich ändern. Wir müssen aufwachen und die knallharten Realitäten erkennen. Schlussendlich geht es darum, dass Menschen – Menschen helfen und wir nicht die Puste verlieren. Das ist ein langer Prozess.

Elisabeth Zech: Wie viele Flüchtlinge vertragen wir denn? In Jordanien sind derzeit 10% der Bevölkerung neue Flüchtlinge. Davor waren ohnehin schon 50% der Bevölkerung Migranten. Wir sehen also in anderen Ländern, da ist viel mehr drin. Ein Problem ist natürlich der kulturelle Unterschied. Diese Menschen sind anders aufgewachsen und haben teilweise andere Werte. Auch die Unterbringung in Massenunterkünften bringt sehr viel Frustration und Ärger. Andererseits bringt die Zuwanderung auch Chancen mit sich. Gerade strukturschwache Regionen können mit Zuzug wieder belebt werden – in Frankreich führen Migrationsbewegungen schon längere Zeit zur Revitalisierung von Regionen. Schulen, Nahversorger, etc. bleiben dadurch erhalten und das soziale Leben wird wieder lebendiger. Wir brauchen die Menschen auch, damit es wieder lustiger wird.

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Der ehemalige Ziegenkäsebauer und Dach­ decker in den Pyrenäen war 25 Jahre beim UN-Flüchtlingswerk tätig, wo er unter anderem das Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien leitete, mit rund 100.000 Flüchtlingen eines der größten der Welt. Heute lebt Kilian Kleinschmidt in Wien und berät unter anderem die österreichische Regierung zu Fragen des Asyl- und Flüchtlingswesens. Im Interview berichtet er über seine Erfahrungen und darüber was in den kommenden Jahren notwendig sein wird.

K il i a n K le in


Zwischentöne Schriftsteller

Peter Hodina Nahost-Experte

Dr. Michael Lüders

Gedanken am 25. Jänner 16

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Schriftsteller Peter Hodina Salzburg / Berlin

Meine Überlegungen zur Politik werden leider immer naiver, sind nicht umsetzbar und deswegen hülle ich mich darüber meist in Schweigen. Es sind wahrscheinlich romantische Gedanken, die nichts mit der heutigen „globalisierten“ Welt zu tun haben. Stelle Fragen, wie sie Kinder stellen: „Warum fliehen so viele? Warum kann man den Krieg dort nicht beenden, damit nicht mehr geflohen werden muss? Warum setzen sich nicht die Leute dort zusammen und beenden diesen Irrsinn?“ Freilich geht es nicht so einfach. „Gebt den Kindern das Kommando!“ – das gibt es nur im Song. Ebenso mehr traumhaft ist dann meine Phantasie einer polyzentrischen Welt: Wer der Herkunfts­hölle entkommt, trete in eine ganz andere, ihm bisher unbekannt gewesene Welt ein! Erfahre seine Umwandlung als Abenteuer! Bringe nicht den ganzen Unfrieden mit! Wisse die Eigenart des Gastlandes zu erkunden, sich ihr einzufügen, vorsichtige Bande zu knüpfen! Leider, so sagt mir dann doch der Realismus, haben wir heute keine intakten, polyzentrischen Kulturen. Dass man, wenn man ins alte China kommt, mit der Zeit „Chinese“ wird, ins alte Bagdad, „Orientale“, nach Europa, dass man sich europäisiert, dies auch als Chance begreift, statt an einer Identität zu kleben, an der so viel Unglück haftet.
 Und: Ich denke nicht in Massen, sondern in Individuen. Aber eine Massenflucht ist keine Forschungsreise.

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Über die Ursachen der Flüchtlingskrise: Nahost-Experte Dr. Michael Lüders beim Feldkircher Neujahrsempfang 2016

Dr. Lüders stellt die aktuelle Situation mit den Ereignissen 2003 im Irak in Zusammenhang: Nach dem Sturz von Saddam Hussein durch die Intervention der USA wären im bis dahin sunnitisch ge­ führten Irak die Schiiten an die Macht gekommen. Plötzlich blieben viele Arbeitslose übrig, die mit Waffen umgehen konnten und in den Untergrund gingen. „Damit entstand der IS, der zum wichtigsten Arbeitgeber wurde und als Terrororganisation nicht bekämpf bar ist“, erklärte Lüders. Dazu kommt, dass die Jugendlichen, die als Krieger angeheuert würden keine Bildung und keine Zukunftsaussichten hätten. Der IS hätte auch das Machtvakuum durch den Krieg in Syrien erkannt und marschierte deshalb vom Irak her ein. Derzeit kontrolliere der IS fünfzig Prozent des syrischen Staatsgebiets.

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Akteure-Landkarte

Asylwerber = Asylsuchende

Konventionsflüchtlinge

Flüchtlinge müssen ihre Heimat verlassen, weil ihnen in ihrem Herkunftsland Gefahr droht. Menschen, die sich noch im Asylverfahren befinden, sind während dieser Zeit Asylsuchende beziehungsweise Asylwerber. Kommen Asylsuchende direkt aus ihrem Heimatstaat oder kann nicht festgestellt werden, über welchen anderen EUStaat sie nach Österreich gekommen sind, ist Österreich für das Verfahren zuständig: Das Verfahren wird „zugelassen“, sie erhalten eine „weiße Karte“. Ab diesem Zeitpunkt kommen Asylsuchende in die Grundversorgung bis über den Asylantrag entschieden wird. Diese beinhaltet Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung und ein kleines Taschengeld. Stellt man bei der Prüfung des Antrags fest, dass im Herkunftsland tatsächlich Verfolgung oder eine reale Gefahr für Leib und Leben droht, wird Schutz gewährt, in Form von subsidiärem Schutz oder Asyl und sie werden als Flüchtlinge anerkannt, dürfen also in Österreich bleiben. Für Asylwerber gilt in Österreich während des gesamten Verfahrens ein weitgehendes Beschäftigungsverbot. Sie können aber als Saison- und Erntepersonal arbeiten oder auch für gemeinnützige Einrichtungen. Selbstständige Erwerbstätigkeit ist Asylwerbern jedoch nach einer ersten Wartephase erlaubt.

sind Flüchtlinge nach der Genfer Konvention (GFK), die Schutz vor individueller Verfolgung aus ganz bestimmten Gründen brauchen, wie Religion, Ethnie, politische Überzeugung oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Als solche erhalten sie Asyl und einen „Konventionsreisepass“, den sogenannten „Flüchtlingspass“. Sie sind österreichischen Staatsbürgern – mit Ausnahme des Wahlrechts – praktisch gleichgestellt, dürfen sich in Österreich niederlassen und haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie müssen jedoch innerhalb von vier Monaten ihr Grundversorgungs-Quartier verlassen und eine eigene Unterkunft finden.

Flüchtlinge oder MigrantInnen MigrantInnen droht in ihrem Herkunftsland keine Verfolgung und sie könnten jederzeit in ihr Heimatland zurückkehren. Sie kommen um ihre persönlichen Lebensbedingungen zu verbessern. Ob und wie viele MigrantInnen aufgenommen werden, kann jeder Staat frei entscheiden. Österreich hat sich durch internationale Abkommen jedoch verpflichtet, Flüchtlingen Schutz vor Verfolgung zu garantieren.

Kriegsflüchtlinge Kriegsflüchtlinge werden nicht individuell aus bestimmten Gründen verfolgt, können aber trotzdem nicht mehr in ihre Heimat zurückgeschickt werden, weil ihnen dort unmenschliche, erniedrigende Behandlung oder der Tod droht. Diese Menschen erhalten auf unbestimmte Zeit „subsidiären Schutz“, eine „graue Karte“, haben das Recht auf einen „Fremdenpass“.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) Kinder unter 14 Jahren, die alleine nach Österreich kommen werden in die Erstaufnahmestelle gebracht, wo die Einbringung des Asylantrages sowie die Erstbefragungen in Anwesenheit eines gesetzlichen Vertreters, einer Vertreterin geschehen. Auf Basis der UN-Kinderrechtekonvention sowie besonderen Schutzbestimmungen der Kinder- und Jugendhilfe sollten entsprechende Unterkünfte und Betreuungsformen zur Verfügung stehen.

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Unterschiedlichste Akteure kümmern sich in Vorarlberg um das Ankommen, die Betreuung sowie Begleitung und langfristige Integration der Flüchtlinge. Verschiedene Bezeichnungen definieren, ob Menschen vor Verfolgung beziehungsweise Krieg geflüchtet oder ob sie aus anderen Gründen nach Österreich gekommen sind.


Okay.zusammen leben Land vorarlberg

› Deutsch lernen mit Flüchtlingen (Von Mund zu Mund) › Unterstützung für Gemeinden bei Integrationsprozessen

› Koordination Grundversorgung › Quartiersbeschaffung › Koordination Spracherwerb › Koordination Integrations­angelegenheiten › Koordination Freiwilliges Engagement › Unterstützung bei rechtlichen Fragen › A rbeitsmarkt

vorarlberger kinderdorf › Unterbringung und Unterstützung bei der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF)

Gemeindeverband

SYSTEMPARTNER

ifs vorarlberg

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› Unterbringung und Unterstützung bei der Betreuung von UMF › Coaching am Übergang Asylsuchende / Konventionsflüchtlinge

ORS Service GmbH › Betreuung Übergangsquartiere (Dornbirn, Götzis, Feldkirch)

caritas vorarlberg

Rotes kreuz vorarlberg › Unterstützung und Betreuung bei Not- und Großquartieren

› operative Abwicklung der Grundversorgung › Kommunikation & Information › Freiwilligenarbeit & Nachbarschaftshilfe › Integrationsbegleitung › Existenz & Wohnen › Gemeinde Koordination Flüchtlingsarbeit

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im Asyl- und Flüchtlingswesen in Vorarlberg und ihre Aufgabenfelder

› Informations- und Kommunikationsdrehscheibe › Koordination & Abstimmung mit Gemeinden/Regionen › Lokale/regionale Kümmerer


Terminübersicht

Infos/Fortbildung/Vernetzung für Engagierte Lehrgang „Freiwilligen­ koordination und -management“ Basiskurs „Freiwilligenkoordination“: — Fr, 1. bis So, 3. April 2016

Freiwilliges Engagement – Chance und Herausforderung — Fr, 29. April, 17 – 20 Uhr Rathaus Bludenz

Auf baumodule „Strategisches Freiwilligenmanagement“:

Initiativen stellen sich vor — Fr, 20. Mai, 17 – 20 Uhr Rathaus Bludenz

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Begegnung in der Verschiedenheit — Fr, 10. Juni, 17 – 20 Uhr Treffpunkt an der Ach, Dornbirn Weitere Termine im Herbst 2016 Anmeldung und Information: beim Büro für Zukunftsfragen, T 05574 511-20605 zukunftsbuero@vorarlberg.at

Modul 1: — Mo, 11. bis Mi, 13. Juli 2016 Modul 2: — Mi, 19. bis Fr, 21. Oktober 2016 Modul 3: — Mo, 24. bis Mi, 26. Jänner 2017 Anmeldung und Information: beim Büro für Zukunftsfragen, T 05574 511-20605 zukunftsbuero@vorarlberg.at Deutschbegleitung von Flüchtlingen – Ver­ tiefungsveranstaltungen zur Mappe „Von Mund zu Mund“ Für Freiwillige in der Sprachbegleitung. Die Vertiefungsveranstaltungen folgen dem Auf bau der Mappe „Von Mund zu Mund“. Termine: jeweils donnerstags, von 18 – 20 Uhr Themenfeld „Körper und Arztbesuch“ — 7. April 2016 Themenfeld „Wo wir wohnen“ — 12. Mai 2016 Ort: Volkshochschule Götzis, Am Garnmarkt 12, 6840 Götzis Anmeldung und Information: T 05523-55150-0 daf@vhs-goetzis.at

„Runde Tische“ für inhaltliche Schwer­ punktthemen, Austausch und Vernetzung der Freiwilligen Für Freiwillige in der Sprachbegleitung. Termine: jeweils freitags, von 15.30 – 18 Uhr Austausch über (kulturelle, religiöse etc.) Gemeinsamkeiten und Unterschiede — 22. April 2016 Lernspielpläne für A2-Themen und Strukturen — 20. Mai 2016 Lernapps und Selbstlernmaterialien — 10. Juni 2016 Lernmöglichkeiten, Spiele etc. für den Sommer — 1. Juli 2016 Ort: Volkshochschule Götzis, Am Garnmarkt 12, 6840 Götzis Anmeldung und Information: Volkshochschule Götzis T 05523-55150-0 daf@vhs-goetzis.at

Momentaufnahme 3

Engagement-Werkstatt Freiwilligenintegration Der Integrationsprozess von Flüchtlingen in die Gesellschaft — Fr, 22. April, 17 – 20 Uhr, Treffpunkt an der Ach, Dornbirn


Impressum Herausgeber: Büro für Zukunftsfragen, Amt der Vorarlberger Landesregierung Jahnstraße 13 - 15, A-6900 Bregenz T 05574 511-20605 E zukunftsbuero@vorarlberg.at www.vorarlberg.at/zukunft In Kooperation mit okay.zusammen leben (Verein Aktion Mitarbeit), Caritas Vorarlberg Vorarlberger Gemeindeverband Redaktion: Eva Grabherr, Edith Frohnwieser, Jasmin Lederer, Michael Lederer, Katharina Lenz, Manuela Meusburger, Carmen Nardelli, Martina Pfeifer Steiner, Julia Stadelmann, Elisabeth Zech Bilder: S. 1, 6, 8, 11, 14, 15, 25, 26, 28, 31 Petra Rainer S. 12 Portrait Edgar Höscheler S. 13 Westend Gestaltung: Super BfG Klimaneutral gedruckt vom Druckhaus Gössler, Bezau auf FSC zertifiziertem Recycling-Papier. © 2016


Aufgenommen im februar 2016 Büro für Zukunftsfragen, Amt der Vorarlberger Landesregierung Jahnstraße 13 - 15, A-6900 Bregenz T 05574 511-20605 E zukunftsbuero@vorarlberg.at www.vorarlberg.at/zukunft

Büro für Zukunftsfragen, Vorarlberger Gemeindeverband, okay.Zusammen leben, Caritas Vorarlberg


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