rundherum September 2017

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P.b.b. Zulassungsnummer GZ 02Z033862 M, Verlagspostamt: A-6900 Bregenz

rundherum newsletter

september 2017

Büro für Zukunftsfragen

Seite 2/3/4/5 Retrospektive Manfred Neue Wege Seite 6/7/8/9 Grund & Boden: Was kann der Bürgerrat leisten? Seite 10/11 Klimacamp und Vereinsarbeit Impulse für Veränderung Seite 12/13 Sustainable Development Goals: Papiertiger oder hilfreiche Landkarte? Projektschmiede: Wie erleben sie Projekt­ einbringerInnen? Seite 14/15 Soziale Innovation Am Bänkle in Lingenau, Zukünfte, ArgeAlp Projektauschreibung Seite 16 News / Infos / Termine

Und tschüss … Wir können auch anders. Viele Jahre war das der Claim des Büro für Zukunftsfragen. Zur Zeit gezwungenermaßen wieder aktuell: Manfred Hellrigl, der über viele Jahre das Büro für Zukunftsfragen aufgebaut und geprägt hat, wird sich beruflich verändern und per Ende Oktober 2017 das Büro verlassen. Manfred hat neben seinem guten „Riecher“ für soziale Inno­­­­va­tionen immer auch darauf Wert gelegt,

dass gesellschaftliche Selbstorganisation gestärkt wird. Sicherlich ein Mitgrund, dass in Vorarlberg eine so lebendige Engagementlandschaft entstehen konnte. Ein kurzer Rückblick auf Manfreds Jahre im „ZuB“ macht den Einstieg dieser dadurch be­­­­sonderen Ausgabe. Die weiteren Seiten widmen sich der nicht weniger interessanten Kategorie „Was sonst noch so läuft…“. Wir wünschen eine anregende Lektüre!


Manfred Hellrigl in seinen ersten Jahren im Landesdienst

Sujet aus der Ozon-Kampagne.

Pressekonferenz zur FAHR RAD Kampagne.

Ein ganz persönlicher Rückblick auf 26 Jahre im Landesdienst Der beste Job im Land. Von Manfred Hellrigl / Büro für Zukunftsfragen Offen gestanden hätte ich niemals gedacht, dass ich einmal auf 26 Jahre im Landesdienst zurück­blicken kann. Ich hatte ursprünglich nämlich ganz andere Pläne: Nach meinem Studium der Politikwissenschaft (Schwerpunkt: Energiepolitik) an der Universität Salzburg, wollte ich eigentlich zum Energieinstitut in Dornbirn. Das war schon damals für seine Arbeit über Vorarlberg hinaus bekannt, und ich hatte auch schon eine Jobzusage in der Tasche. Doch bis ich diese Stelle wirklich antreten konnte, galt es, noch ein paar Monate zu überbrücken. So beschloss ich in der Zwischenzeit einen anderen Job anzunehmen, und zwar beim Umweltinstitut des Landes Vorarlberg. Dort war gerade eine neue Stelle geschaffen worden, um die Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit im Umweltbereich zu verbessern. Konkret hatte das Land kurz zuvor eine Informationskampagne gestartet, um der wachsenden Verunsicherung in der Bevölkerung entgegenzuwirken, denn an heißen Sommertagen drohte beim bodennahen Ozon immer wieder die Gefahr von Grenzwertüberschreitungen. Besorgte Eltern wussten nicht, ob sie ihre Kinder dann zum Spielen rauslassen durften. Die Landesregierung und -verwaltung sahen sich mit Kritik und Vorwürfen konfrontiert, obwohl sie aus ihrer Sicht alles Nötige veranlasst hatten.

Die wachsende Kluft zwischen Politik und Gesell­schaft. Rasch stellte sich heraus, dass sich hinter dem vordergründig simplen Kommunikationsproblem „Ozon“ tatsächlich ein größeres, politisches Problem verbarg. Bei genauerem Hinsehen war damals schon eine wachsende Kluft zwischen Politik und

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Gesellschaft erkennbar. Bürger standen der Regierung immer öfter kritisch und ablehnend gegenüber. Für mich als jungen Politologen war dies natürlich eine spannende Herausforderung. Was konnte man tun, um diese Kluft zu überbrücken? Wirklich gepackt hat es mich aber, als ich nach und nach merkte, dass meine persönlichen Ansprechpartner in Politik und Verwaltung Leute waren, die über eine feine Mischung aus Pragmatismus und strategischem Denken verfügten: Das waren der damalige Leiter des Umweltinstituts, Mert König, und der Finanz- und Verkehrsreferent der Landesregierung (und spätere Landeshauptmann) Herbert Sausgruber.

Der Umweltinformationsdienst. Von dort weg ging dann alles ziemlich rasch. Ich war grad mal ein Jahr im Amt, als die Regierung Ende 1992 die Gründung des Umweltinformationsdienstes Vorarlberg beschloss, mit dessen Leitung ich betraut wurde. Wir stoppten die damals noch üblichen Massenmailings an alle Haushalte und ersetzten sie durch eine professionelle, an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürgern ausgerichtete Informationsarbeit. Und wir begannen, in Zusammenarbeit mit dem Umweltgemeindeverband, Kooperationsnetzwerke mit Gemeinden aufzubauen, um die Bewusstseinsbildung in Sachen Sanfte Mobilität voranzutreiben. In Zusammenarbeit mit besonders engagierten lokalen Multiplikatoren (allen voran Siegi Fink aus Wolfurt und Hans Bösch aus Lustenau) entstand 1993 die FAHR RAD-Kampagne (die es übrigens bis heute gibt und die laut VCÖ maßgeblichen Anteil daran hat, dass Vorarlberg das fahrradfreundlichste Bundesland Österreichs ist). 1995, im Rahmen des Europäischen Naturschutzjahres, entstanden spezielle Naturerlebnisangebote wie z. B. Abenteuer Natur (und später Abenteuer


FAHR RAD Aktion mit einigen prominenten Fürsprechern.

Das Team des neu gegründeten Büro für Zukunftsfragen – publiziert in einer Pressemitteilung des Landes. Der damalige Landeshauptmann Herbert Sausgruber auf Besuch im neu gegründeten Büro für Zukunftsfragen.

Über Bodenhaftung, Netzwerke und Selbstorganisation Biosphärenpark). Auch diese existieren bis heute. Unser Erfolgsrezept war der arbeitsteilige und vernetzende Ansatz: Beim Land angesiedelt war die strategische Planung, die Umsetzung selbst lag aber voll und ganz bei den Akteuren vor Ort (also bei Gemeinden, Unternehmen, Vereinen und engagierten Einzelpersonen). Das Land hatte die Aufgabe, Rückenwind zu machen und die lokalen Initiativen zu unterstützen. 1996 folgte die Vorarlberger Klimakampagne, an der nicht nur zahlreiche Gemeinden und über 60 Institutionen und Organisationen mitwirkten, sondern die auch erstmals eine thematische Ausweitung der Zielsetzung vom Umwelt- und Naturschutz in Richtung Nachhaltige Entwicklung mit sich brachte.

Eigene Lösungen entwickeln. Ganz radikale, neue Wege schlugen wir aber ab 1997 ein, als wir damit begannen, ganz auf gesellschaftliche Selbstorganisation zu setzen. Selbst­ organisation ist ein Begriff, der eigentlich aus der Biologie kommt. In unseren Kontext übersetzt verstehen wir darunter den Ansatz, den Bürgerinnen und Bürgern keine fertigen Ziele („Fahr Rad!“, „Spar Strom!“, „Vermeide Müll!“) vorzugeben, sondern sie stattdessen zu ergebnisoffenen Prozessen einzuladen, bei denen sie selbst bestimmen, wohin die Reise gehen soll. Einzige Bedingung ist die nachhaltige Stärkung des Gemeinwohls. Das Land bietet den Gemeinden und den dort wohnenden Bürgern dazu die nötige politische, fachliche und finanzielle Unterstützung an. Dafür wurde eigens das Programm ‚Lebenswert leben‘ entwickelt, das fortan zum Betriebssystem zahlreicher Gemeindeund Regionalentwicklungsprojekte wurde. Auf besonders fruchtbaren Boden ist dieser Ansatz übrigens in Götzis, Zwischenwasser, Krumbach, Langenegg und im Biosphärenpark Großes Walser-

tal (Thüringerberg, Raggal, Blons, St. Gerold, Sonntag, Fontanella) gestoßen. Langenegg und das Große Walsertal wurden dafür sogar mit dem renommierten Europäischen Dorferneuerungspreis ausgezeichnet.

Die Gründung des Büros für Zukunftsfragen Nach der Landtagswahl 1999 beschloss Landeshauptmann Herbert Sausgruber, den Umweltinformationsdienst aus der Umweltverwaltung heraus zu lösen und unter dem Titel „Büro für Zukunftsfragen“ als ihm direkt zugeordnete Stabsstelle einzurichten. Damit hatten wir nun endlich auch offiziell die Möglichkeit, über den Umweltbereich hinaus und fachübergreifend zu agieren, also auch in Bereiche wie z. B. Wirtschaft, Raumplanung, Soziales hinein. Außerdem wurden uns auch neue Themenfelder übertragen, die sich ideal mit den bisherigen ergänzten: Die Förderung von freiwilligem Engagement (Ehrenamt) sowie die Förderung von vertrauensvollen Beziehungen (Sozialkapital). Aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen und Netzwerke, aber auch aufgrund der nun optimalen organisatorischen Positionierung, entwickelte sich das Büro für Zukunftsfragen rasch zu einem Pionier und Vorreiter auf diesem Gebiet. Die ausgesprochen positiven Erfahrungen mit Selbst­organisationsprojekten ermutigte uns dazu, noch weiter zu gehen, und noch intensiver mit neuen Ansätzen der Bürgerbeteiligung zu experimentieren. 2004 entstand so das Projekt „Kinder in die Mitte“, wo erstmals in Vorarlberg Bürgerinnen und Bürger für die Landesregierung ein „Gutachten“ zur Förderung von Kinderfreundlichkeit erstellten. (Auch dieses Programm läuft bis heute erfolgreich weiter.) Insgesamt waren bei diesem Bürgergutachten etwa 120 Bürgerinnen und Bürger involviert. Der Prozess zog sich über Monate hin und verursachte entsprechende Kosten. Deshalb 2|3


Kinder in die Mitte war mit der Planungszelle und dem abschließenden Bürgergutachten einer der umfangreichsten Beteiligungsprozesse zu dieser Zeit. Der Innovationscharakter des Prozesses und die Verankerung führte zum Gewinn des ÖGUTUmweltpreises für Partizipation.

ÖGUT-Umweltpreisverleihung mit Thomas Müller, Christoph Hackspiel und Manfred Hellrigl mit dem damaligen Umweltminister Josef Pröll.

Strahlkraft von Projekten, Pioniergeist

stellten wir uns die Frage, ob man solche Verfahren nicht unkomplizierter, einfacher und kostengünstiger durchführen kann.

Von Kinder in die Mitte zu den Bürgerräten. Dies führte uns schließlich zu einem Verfahren aus den USA – dem Wisdom Council, das wir unter dem Titel ‚Bürgerrat‘ für unsere Zwecke adaptierten. Beim Bürgerrat trifft sich ein Dutzend zufällig ausgewählter Personen für ein Wochenende, um Lösungen für knifflige gesellschaftliche Probleme auszuarbeiten und dann öffentlich zu präsentieren. Seit 2006 haben über 40 solche Bürgerräte stattgefunden, sowohl auf lokaler als auch auf Landesebene. Auch dieses Modell erwies sich als so wirksam, dass es inzwischen von allen anderen Bundesländern und auch in Deutschland und der Schweiz eingesetzt wird. 2013 änderte der Vorarlberger Landtag (inzwischen unter Landeshauptmann Markus Wallner) sogar die Landesverfassung, um den Einsatz von partizipativen Methoden zur Bürgerbeteiligung zu erleichtern. Renommierte Wissenschaftler wie Claus Leggewie und Patrizia Nanz haben 2016 ein eigenes Buch („Die Konsultative“) veröffentlicht, das die Umlegung des Vorarlberger Bürgerrat-Modells auf Deutschland empfiehlt. In der Zwischenzeit wurde beim Büro für Zu­­kunfts­­­­­ fragen immer deutlicher ein Muster erkennbar: Was das Land braucht, um rasch und gut auf ge­­ sellschaftliche Herausforderungen reagieren zu können, ist nicht nur eine bessere Beteiligung von Bürgern, sondern ganz generell eine bessere Zu­­ sammenarbeit. In einer Zeit wachsender gesellschaftlicher Diversität gilt es, eine Kultur des Miteinanders zu entwickeln. Die Fachbegriffe dazu lauten Interdisziplinarität und Transdisziplinarität. Komplexe Probleme wie Klimawandel oder Migrationsfragen lassen sich nicht von einer Stelle oder Abteilung im Alleingang lösen, sondern nur in

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Kooperation mit anderen. Doch dazu müssen wir erst wieder lernen, miteinander zu reden, und zwar sowohl innerhalb von Organisationen, aber auch über Fachbereiche und Institutionen hinweg.

Zusammenarbeit lernen. Zu diesem Zweck bietet das Büro für Zukunftsfragen seit 2011 sogenannte Art-of-Hosting-Trainings (AoH) an. Wir waren die ersten, die solche Aus­ bildungen im deutschsprachigen Raum angeboten haben. Inzwischen gibt es sie auch in vielen anderen Bundesländern, in Deutschland, der Schweiz und in Südtirol. Auch der renommierte Think Tank ‚Forum Alpbach‘ setzt auf Art of Hosting-Methodik. In Vorarlberg fiel AoH besonders bei Vorarlberg Tourismus (zur Umsetzung der Vorarlberger Tourismusstrategie), bei der Fachhochschule Vorarlberg (die z. B. einen neuen Studiengang mit dieser Methode designt hat), bei zahlreichen Unternehmen (z. B. Collini) und auch innerhalb der Vorarlberger Landesverwaltung auf fruchtbaren Boden. So hat z. B. die Kulturabteilung entsprechende Methoden bei der Entwicklung der Landeskulturstrategie angewendet, aber auch die Raumplanungsabteilung, die Abteilung Gesellschaft und Soziales, die Forstwirtschaftsabteilung und die Umwelt- und Naturschutzabteilung arbeiten damit. Ein eigener AoH-Ableger sind die sogenannten Projektschmieden. Hier können unterschiedlichste Personen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung gemeinsam inno­ vative Projekte entwickeln. Die Nachfrage ist so konstant, dass wir mittlerweile Veranstaltungen im 14-Tage-Rhythmus anbieten. Übrigens hat das Land Oberösterreich die Projektschmieden offiziell in das Arbeitsprogramm der OÖ. Zukunftsakademie übernommen.


Art of Hosting Training in St. Gerold. Der Ausschnitt zeigt den Themenmarktplatz für einen anschließenden co-kreativen Beratungsprozess Projektschmiede in Arbogast. World Cafe im Rahmen der Vorarlberger Tourismusstrategie.

Innehalten und neue Wege gehen

Partnerschaften und Kooperationen als Schlüssel für Wirkungsentfaltung. Unsere Arbeit ist nicht nur in anderen Bundesländern, sondern auch im Ausland positiv wahr­ genommen worden und auf Resonanz gestoßen. So gibt es z. B. eine Kooperationen mit dem Staatsministerium in Baden-Württemberg oder dem Schwedischen Gemeindeverband. Zahlreiche unserer Projekte sind mit nationalen und internatio­ nalen Preisen ausgezeichnet worden, wie z. B. dem Preis für innovative europäische Regionen, dem European Public Service Award (EPSA), dem Energy Globe, dem VCÖ-Mobilitätspreis, dem ÖGUT-Umweltpreis und zuletzt dem Österreichischen Verwaltungspreis. 2016 wurden sogenannte ‚Learning Villages‘ durchgeführt, ein gemeinsames Projekt, in dem die Städte Glasgow, Göteborg und Dornbirn gemeinsam Veranstaltungen durchgeführt haben, bei denen sich Personen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft ein Wochenende lang zu­sammengesetzt haben, um miteinander zu überlegen, wie sie besser kooperieren können. Partnerschaften und Kooperationen sind einerseits die Früchte unserer Arbeit, aber auch ihre un­­ abdingbare Voraussetzung. Viele unserer Projekte wären ohne vertrauensvolle Beziehungen zu anderen Institutionen und Organisationen undenkbar. Ich denke dabei z. B. an die Bildungshäuser St. Arbogast und Batschuns, die Propstei St. Gerold, die Fachhochschule Vorarlberg, Kairos, das Energieinstitut, aha, die Caritas, den Ideenkanal, okay. zusammen leben oder den Talentetauschkreis, um nur ein paar zu nennen. Das Büro für Zukunftsfragen hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht nur dafür stark gemacht, Selbstorganisation, Eigenverantwortung und eine Kultur des Miteinanders zu fördern, sondern praktiziert diese Ansätze auch selbst und

hat sie zu seinem Betriebssystem gemacht. Letztlich fühlen sich alle Mitarbeitenden unseres Büros verantwortlich dafür, dass ständig neue Ideen entwickelt und umgesetzt und neue Partnerschaften geknüpft werden.

Neue Herausforderungen Wer sich so viele Jahre mit Themen wie Selbst­ organisation und Lebensqualität beschäftigt, stellt sich früher oder später auch selbst die Zukunftsfrage: Was ist wirklich, wirklich wichtig? Was will noch getan werden? Wofür willst du deine restliche Lebenszeit noch nützen? Wofür willst du dich noch engagieren? Und so habe ich beschlossen, das Büro für Zukunftsfragen zu verlassen. Dank Ich danke all den Personen, mit denen ich im Lauf der letzten 26 Jahre zusammenarbeiten durfte, egal ob in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft oder Zivilgesellschaft. Es war eine wunderbare Zeit, die ich nicht missen möchte. Es war ein Traumjob, den ich da machen durfte. Und es war ein Traumteam, mit dem ich im Büro für Zukunftsfragen werkeln durfte. Aber jetzt ist es an der Zeit, weiterzugehen. Der Abschied fällt mir leicht, weil ich weiß, dass das Team vom Büro für Zukunftsfragen auch ohne mich gut zurecht kommt. Ich wünsche ihnen, aber auch Ihnen und mir selbst alles Gute.

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Die Initiative bei der Übergabe der knapp 1400 Unterschriften an LH Wallner.

Wie gelingt ein zukunftsfähiger Umgang mit Grund und Boden? So lautet die zentrale Frage des Bürgerrats.

Vorstellung der Bürgerrat-Ergebnisse, 2016

Wie gelingt ein zukunftsfähiger Umgang mit Grund und Boden? Bürgerrat erstmals auf Initiative der Bevölkerung Von Michael Lederer / Büro für Zukunftsfragen 1000 Unterschriften braucht es, um auf Initiative der Bevölkerung einen landesweiten Bürgerrat zu initiieren. Knapp 1400 Unterschriften sind es geworden. Nun steht die Frage nach dem einem zukunftsfähigen Umgang mit Grund und Boden im Mittelpunkt des nächsten Bürgerrates Ende September 2017. Kaum eine Debatte wird in Vorarlberg so intensiv und emotional geführt, wie diese Thematik. Ist doch vieles damit gemeint: Es geht um Siedlungsentwicklung, die Wahrung von Freiräumen, Ernährungssouveränität, Betriebserweiterungen, die sinnvolle Nutzung von Leerstand oder die sogenannte Innenverdichtung. Und das sind nur die Überschriften. Interessenslagen unterschiedlicher Gruppen der Gesellschaft stehen sich zum Teil diametral gegenüber. Wie entsteht in diesem Zusammenhang die Gemeinwohlperspektive und wie gelingt ein zukunftsfähiger Interessensausgleich? Und welche Rolle kann dabei ein Bürgerrat spielen? Denn wir sind längst in einer sehr komplexen Zeit angelangt und erkennen, dass viele Bereiche mit­ einander verstrickt sind: Wirtschaft, Umwelt, Landwirtschaft, Soziales, Arbeitsmarkt, Politik, Gemeinwesen, freiwilliges Engagement, um nur einige zu nennen. Jede Entscheidung in einem Bereich, hat Auswirkungen auf die anderen. Es stellt sich die Frage, wie Entscheidungen zustande kommen können, die das Wissen möglichst vieler berücksichtigen und das Wohl aller im Blick haben? Die dabei auch noch nachhaltig sind und das bei all den vielen ungewissen Faktoren, wie zum

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Beispiel den Klimaveränderungen, den weltweiten Wanderbewegungen und unsicheren politischen Entwicklungen. Kann Politik ihre Entscheidungen den BürgerInnen gegenüber nachvollziehbar darstellen und somit genügend legitimieren? Wie können, im Zuge einer solchen Debatte, Entscheidungen und politische Strategien, die nicht nur Partikularinteressen, sondern insbesondere das Gemeinwohl in den Mittelpunkt rücken, getroffen und entwickelt werden? In diesem rundherum möchten wir die Diskussion aufgreifen, was partizipative Verfahren im Allgemeinen, und der Bürgerratsprozess im Speziellen, zu leisten vermag. Was kann erwartet werden? Bessere Entscheidungen, die Lösung des Problems, ein genaueres Problembewusstsein – von allem ein bisschen? Und was wird von wem, auf Basis welcher Rolle, als gutes Ergebnis angesehen? Martina Pfeifer-Steiner hat die inszenierte Gerichtsverhandlung, im Rahmen der Montforter Zwischentöne, über die Gründung von RheintalStadt beobachtet. Ein Schlagabtausch von Argumenten verdeutlicht, welch‘ unterschiedliche Interessen und Spannungsfelder die Debatte bestimmen. Erfahrungen bei der Erstellung des deutschen Umweltprogramms, eine Masterarbeit und einige von Annemarie Felder zusammen getragene Wirkungen durch die Teilnahme bei einem Bürgerrat zeigen verschiedene Facetten auf, wofür ein Bürgerrat gut sein kann und wofür nicht.


Das Rheintal bei Bregenz

Panoramablick bei Nacht vom Karren in Dornbirn

Was sind wir? Dorf, Stadt oder igendetwas dazwischen? Rheinstadt träumen Von Martina Pfeifer-Steiner Das ungewöhnliche Format einer Gerichtsverhandlung bei den Montforter Zwischentönen gab den dramaturgischen Rahmen zum weiter-„träumen“ der Vision Rheintal. Diese war nämlich der Ausgangspunkt: „Die Landkarte des Vorarlberger Rheintals hat sich in den letzten hundert Jahren stark verändert: Aus verstreuten Dörfern und kleinen Städten ist ein fast geschlossenes Siedlungsband von Feldkirch bis Bregenz geworden. Ein Lebensraum, der sich zwar aus 29 einzelnen Gemeinden zusammensetzt, den wir aber alltäglich als Ganzes nutzen. Zum Arbeiten, zum In-dieSchule-Gehen, zum Einkaufen, zur Freizeitgestaltung.“ 1 Gegenüber standen sich der Antragsteller Architekt Hugo Dworzak, der für die Auflösung der 29 Gemeinden des Rheintals plädierte und sich als Anwalt für die Gründung einer gemeinsamen Stadt einsetzte, und als Antragsgegner Wolfgang Rümmele, ehemaliger Bürgermeister von Dornbirn, der die Erhaltung der Gemeindeautonomie rechtfertigte, gegen die Zusammenlegung der Gemeinwesen des Rheintals zu einer zentral verwalteten Einheit. Mit Beweisführungen wurden beide Parteien von Sachverständigen unterstützt, das Publikum fungierte als Geschworenrat.

neue Straßenbahnlinien würden für die gute Erschließung sorgen. Durch die urbane Dichte von Rhi würde der Entwicklungsdruck vom Süden genommen, der Garten Vorarlbergs bliebe grün und die lockere Siedlungsstruktur erhalten. Die Kirchtürme gäbe es weiterhin, nur ragen sie gleich Antennen als Zeichen für gute Vernetzung und Gemeinwohl empor.

Martina Pfeifer-Steiner freie Journalistin martina.pfeifer@aon.at

KONTRA-Rheintalstadt Argumente Das Rheintal sei keine Stadt, sondern eine Kulturlandschaft. Rückte man von der polyzentrischen Verwaltungsstruktur ab, bliebe zu viel von der Kraft an politischer Teilhabe, Identifikation, Zufriedenheit, und Motivation der BürgerInnen auf der Strecke. Warum sollte man Kommunen, die regional so erfolgreich arbeiten, mit einem schwerfälligen, zentralen Großstadtkonstrukt ersetzen? Das Geschworenenurteil ermittelte man durch ‚Lärmpegelmessung‘: das Publikum summte für die Entwicklung einer neuen Rheintalstadt deutlich lauter. 1 www.vision-rheintal.at

PRO-Rheintalstadt Argumente Die Antragssteller schlagen die Gründung einer Stadt vor. Rhi soll im Lauteracher Ried neu erbaut werden und auf den prognostizierten Bevölkerungszuwachs von 50.000 Menschen mit einem vorausschauenden Raumplanungskonzept reagieren. Zentral ist die neue Universität. Autobahn gibt es, die S 18 fände endlich ihren Verlauf und drei 6|7


Jugendräte bei der Ausarbeitung ihrer Ergebnisse

Annemarie Felder begleitete schon viele Bürgerräte und Bürgercafès.

Begeisterung, die weit über den Bürgerrat hinausgeht: Auch nach dem Prozess, engagieren sich viele Teilnehmenden weiterhin an Projekten.

Welche Wirkungen erzeugt ein Bürgerrat bei den Teilnehmenden? Welche Wirkungen kann ein Bürgerrat entfalten? Von Annemarie Felder

Annemarie Felder felderprojekte T 0650 8864202 E training@felder.cc

Richtig verstehen Eine Bürgerrätin, deren Teilnahme an einem Bürgerrat schon mehrere Jahre zurückliegt, erzählte mir, dass sie beim Einkaufen jetzt viel öfter tiefe Gespräche führe. Es sei weniger Small Talk, denn die Meinungen des Gegenübers interessiere sie wirklich. Sie frage sich, wieso diese Person so denke und welches Erlebnis hinter dieser Meinung stehe. Diese Erfahrung habe sie zum ersten Mal beim Bürgerrat gemacht. Sie urteile nicht mehr so schnell, weil sie gelernt habe, dass Meinungen und fixe Einstellungen eine Geschichte hätten. Und wenn diese Geschichten gehört und verstanden würden und man gemeinsam mehrere solcher Geschichten höre, sich dann sogar die Einstellung zu einem Thema verändern könne. Das habe ihr damals so imponiert, dass sie als Gruppe in eineinhalb Tagen ein Statement zu einem Thema erarbeitet hätten, hinter dem alle gestanden hätten. Das sei für sie ein Ringen, ein Freuen, ein Zweifeln, ein Aha-Erlebnis dafür gewesen, wie ein Meinungsbildungsprozess, bei dem die Interessen der Einzelnen genügend Platz hätten, gut funktionieren könne. Empowerment – sich etwas zutrauen und bestärkt werden. Für viele Bürgerräte ist das Präsentieren ihrer Ergebnisse beim Bürgercafé eine große Heraus­ forderung. Da sitzen ihre Verwandten und ihre Nachbarn neugierig im Publikum und die Bürgerräte erzählen von Ideen, was in ihrer Gemeinde besser gemacht werden könnte. Das kostet große Überwindung, weil man sich nicht hervortun und klüger wirken will als alle

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anderen. Voller Freude erzählen sie von den positiven Rückmeldungen, sind erstaunt, wer alles Interesse zeigt. Viele berichten von weiterem Engagement in einer Projektgruppe.

Der Auftrag mitzuwirken Dieses sich um das Gesamte kümmern ist für Menschen sehr inspirierend. Sie möchten dazu aber eine Einladung bis hin zu einer „Erlaubnis“ haben. Der Auftrag zu entscheiden liegt nach wie vor bei den Politisch Verantwortlichen. Das Wie darf Erweiterung und neue Formen erfahren. Gemeinsam Verantwortung zu tragen muss geübt, erlebt und reflektiert werden. Konstruktive Zusammenarbeit „Irgendwie hat sich unsere Sicht auf das Gesamtwohl in der Gemeinde geschärft“, erzählen mir zwei Teilnehmerinnen eines Bürgerrats. „Uns fällt viel schneller auf, was nicht ganz passt und wir reden mit anderen und überlegen uns Lösungen. Die Hürde, unseren Bürgermeister direkt anzusprechen, ist nicht mehr so groß wie davor. Wir haben beim Bürgercafé gespürt, dass es ihn sogar freut, wenn wir mit Ideen kommen.“ Bürgerräte aktivieren und sensibilisieren die BürgerInnen und die politischen EntscheidungsträgerInnen, bewirken Auseinandersetzung und Meinungsbildung, steigern Einfühlungsvermögen, bereichern die oftmals abgehobene Fachdiskussion um lebensweltliche Perspektiven. Der Bürgerrat erweitert demnach die zu hörenden Positionen und schafft somit die Grundlagen um bessere Entscheidungen treffen zu können.


Nonno Preuss und Dorothee Schäfer betonen, dass Bürgerräte keine Expertenmeinungen ersetzen können aber eine wertvolle Ergänzung darstellen.

Wie sich in der Masterarbeit von Katharina Toth gezeigt hat, ist soziales Lernen ein grundlegender Faktor im Bürgerratprozess.

Die Teilnahme am Bürgerrat kann nachhaltige Ein­ stellungs- und Verhaltensänderungen sowie (themenabhängige) Bewusstseinsbildung bewirken.

Was Bürgerräte leisten können

Was können Bürgerräte leisten? Von Katharina Toth / Büro für Zukunftsfragen Im Rahmen ihrer Masterarbeit beschäftigte sich Katharina Toth mit den Auswirkungen eines Bürgerrates auf dessen TeilnehmerInnen und inwiefern diese förderlich für eine nachhaltige Entwicklung sein können. Dabei legte sie den Fokus auf die Effekte im Hinblick auf allgemeine Bildung, soziales Lernen, Empowerment, Selbstbestimmung, Gemeinschaftsgefühl und Umweltbewusstsein. Sie führte eine teilnehmende Beobachtung während eines gesamten Bürgerratsprozesses im Bregenzerwald durch und interviewte danach 16 TeilnehmerInnen des Bürgerrates. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass soziales Lernen ein grundlegender Faktor in diesem Prozess ist. Besonders transformatives Lernen spielt hierbei eine große Rolle. Es impliziert soziale Interaktion, kollektives Handeln und Reflektieren. Personen lernen nicht nur Fakten, sondern es findet ein Austausch von unterschiedlichen persönlichen Meinungen statt, was zu einem Wandel festgefahrener Ansichten führen kann. Ganz wesentlich dafür ist, die im Bürgerrat angewendete Moderationsmethode, „dynamic facilitation“, die vor allem aktives Zuhören fördert. Es wurde festgestellt, dass die Teilnahme an einem Bürgerrat Einstellungs- und Verhaltensänderungen sowie (themenabhängige) Bewusstseinsbildung bewirken kann. Bei den TeilnehmerInnen wurde eine erhöhte Empathiefähigkeit gegenüber Mit­ menschen und zukünftigen Generationen, ein verstärkter Gemeinschaftssinn, gestiegenes politisches Interesse und ein vermehrter Engagementwille festgestellt. Diese, durch den Bürgerrat entstandenen Effekte, werden als wertvoll für eine zukünftige nachhaltige Entwicklung angesehen.

Sechs Bürgerräte zum Integrierten Umwelt­programm in Deutschland

Katharina Toth, MSc Büro für Zukunftsfragen E katharina.toth@ vorarlberg.at

Von Nonno Breuss und Dorothee Schäfer Nonno Breuss und Dorothee Schäfer begleiteten die ersten bundesweiten Bürgerräte in Deutschland. Sie erzählen von ihren Erfahrungen und erklären, was Bürgerräte, aus ihrer Sicht, leisten können: Vor den ersten Bürgerräten zum deutschen Umweltprogramm gab es durchaus Zweifel, ob die Themenvielfalt bewältigbar sei, ob Laien sich in den Sachfragen genug auskennen würden, ob sie sich in den Konflikten aufreiben würden usw. Umso schöner waren dann die Erfahrungen der Beteiligten in der Durchführung. Es gelang eine gemeinsame Lösungssuche unter höchst unterschiedlichen Menschen und Anspruchsgruppen. Viele äußerten, dass sie diese Qualität des Zuhörens, der Gleichwertigkeit von Meinungen, des aufeinander Aufbauens so noch nie erlebt hatten und sich mehr davon wünschen. Hinter konfliktären und komplexen Fachdiskussionen verbergen sich häufig unausgesprochene Anliegen, Befürchtungen und Befindlichkeiten. Das Besondere an Bürgerräten ist nach unserer Erfahrung, dass es gelingt, dass die hinter den Sachthemen liegenden Fragen, Werte und Haltungen transparent werden und in die gemeinsame Lösungssuche einfließen.

Nonno Breuss und Dorothee Schäfer BeteiligungsexpertInnen T +49 421-68 56 9009 E office@schaeferbreuss.org

Hintergrundinformationen: In Deutschland wurden im vergangenen Jahr erstmals bundesweit Bürgerräte durchgeführt. Das Thema war denkbar umfassend: Es ging um die Umweltpolitik der nächsten fünfzehn Jahre. Dabei wurden auch sehr komplexe und emotional besetzte Themen eingehend erörtert, z. B. Fragen der Stadtentwicklung oder Nutzungskonflikte in der Fischerei, Regelungen zu Massentierhaltung.

Die Ergebnisse von Bürgerräten ersetzen in komplexen Sachfragen keine Expertenmeinung, sondern sie schaffen den Boden auf dem die Eckpfeiler für gemeinsam getragenen Lösungen entstehen.

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Das Klimacamp aus der Vogelperspektive Workshops in der Sonne am Klimacamp JedeR konnte sich im Mitmachzelt einbringen

Selbstorganisation für’s Klima

Mit Selbstorganisation und Engagement zu mehr Klimagerechtigkeit Von Katharina Toth / Büro für Zukunftsfragen Schon seit Jahren beschäftige ich mich mit Wegen, wie wir alle das Klimawandelproblem gemeinsam lösen können. Deshalb besuchte ich das heurige Klimacamp im Rheinland, dessen Fokus besonders auf Klimagerechtigkeit und Braunkohlewiderstand liegt. Schwer bepackt wurde ich im Info-Zelt auf einem Strohacker nahe Erkelenz empfangen. Viele fleißige Helferlein hatten in den vergangenen Tagen Bänke, Tische, Komposttoiletten, Waschbecken, Photovoltaikanlagen, riesige Zirkuszelte und noch vieles mehr aufgebaut. Für ein gutes und reibungsloses Miteinander mussten auch während des Klimacamps verschiedenste Aufgaben von allen TeilnehmerInnen erledigt werden. Dazu gab es Listen, in die man sich für Nachtschichten, Toilettensäubern, Camp-Führungen, Kinderbetreuung, Fahrdienste, Moderation, Übersetzung, etc. eintragen konnte. Ich platzierte mein Zelt auf dem dafür vorgesehenen Fußballfeld gleich neben dem Acker. Das vegane Bio-Essen duftete schon aus weiter Entfernung. Leute von der Küche riefen durch ein Megafon zu Spenden und zur Hilfe bei der Essensausgabe auf. Sogleich kamen mehrere Personen an­­gelaufen und trugen dazu bei, dass sich die Essensschlange mit hunderten von Leuten erstaunlich schnell bewegte. Nach dem Mittagessen gab es täglich um 14 Uhr freiwillige NachbarInnenschafts­ plena. Diese waren Teil der Organisationsstruktur des Klimacamps. Zeltnachbar*innen schlossen sich zu Gruppen zusammen und besprachen, wie sie miteinander umgehen wollten, was gut funktionierte und was noch verbessert werden könnte. Dann wurde eine delegierte Person ausgewählt.

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Beim Delegierten-Rat wurden täglich alle Anliegen der NachbarInnenschaft besprochen. Beim Tagesauftaktplenum wurde über alle Aktivitäten am Tag informiert und jedeR konnte zu spontanen Aktionen aufrufen. 4 Tage lang besuchte ich vormittags einen von 20 Kursen der bereits 3. Degrowth-Sommerschule am Klimacamp. Die inhaltlichen Schwerpunkte waren dieses Jahr Strukturwandel im Rheinischen Braunkohlerevier, Psychologie des Wandels und Skills for System Change. Neben den mehrtägigen Kursen wurden frei zugängliche spannende Workshops, Podiumsdiskussionen, Radtouren und weitere Performances zu diesen Themen angeboten, bei denen die World Café Methode mehrmals zum Einsatz kam. Überall saßen gut gelaunte Teilnehmer*innen aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Instrumenten und sangen Lieder über Klimagerechtigkeit. Ein weiterer Gast am Klimacamp war das Connecting Movements Camp, welches einen Ort des Austauschs und der Vernetzung von Bewegungen bot. Mittels eines Open Space Formates hatten Teilnehmende vor Ort die Möglichkeit, selbst Workshops, Vorträge, etc. vorzuschlagen und durchzuführen. Verschiedenste Aktionen wie z. B. „Zucker im Tank“ unterstützen Gruppen mit Pro-Action-Cafés.

Und was hat das alles mit dem Büro für Zukunftsfragen zu tun? Ich habe festgestellt, dass viele, auch vom ZuB verwendeten Art of Hosting Methoden in verschiedenen Kontexten angewendet und gut angenommen werden. Die Erfahrungen am Klimacamp sind für mich eine Bestätigung für die wertvolle Arbeit, die das ZuB leistet. Besonders deswegen, weil es sich zum Ziel gesetzt hat, Selbstorganisation und Engagement wie beispielsweise in Vereinen zu unterstützen und zu fördern. Denn was mich am meisten beeindruckte war, dass es wirklich funktio-


In lebendigen Erzählungen berichteten Vereine von innovativen Ideen Probleme zu lösen und neuen Wegen in der Vereinsarbeit.

Der Austausch untereinander sowie vernetztes und kooperatives Arbeiten, stand immer wieder im Zentrum der Diskussionen. Eine kreative und witzige Kampagne, kann dabei helfen, langfristig neue Mitglieder für Vereine zu gewinnen.

Von der Last zur Lust: Wie Vereine zukunftsfähig werden können nierte das gesamte Klimacamp mit einigen Tausend Teilnehmenden fast ausschließlich durch selbst­ organisierte und engagierte Leute zu organisieren und am Laufen zu halten!

Neue Wege in der Vereinsarbeit Von Judith Lutz / Büro für Zukunftsfragen Das freiwillige Engagement in Vorarlberg ist sehr hoch: Fast die Hälfte aller VorarlbergerInnen engagiert sich, oft in Vereinen, immer öfter aber informell organisiert (z. B. Nachbarschaftshilfe). Viele Vereine und Initiativen stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Mitglieder finden und binden, Lösungen zu Vereinsfinanzierung und Generationenwechsel. Wie können Vereine dabei unterstützt werden, dass sie Zukunft haben? Wie kann diese wertvolle Engagementkultur lebendig bleiben? Dies waren zentrale Fragen der Veranstaltungsreihe „Neue Wege in der Vereinsarbeit“ im Herbst 2016. Ausgewählte Vereine erzählten, wie sie kreative Lösungen gefunden haben und teilten ihre Lern­ erfahrungen.

Verantwortung teilen, Aufgaben abgeben Eine der zentralsten Erkenntnisse: Damit die Last wieder zu Lust wird, ist es wichtig, sich über eine faire Arbeitsteilung Gedanken zu machen. Mitglieder beteiligen, Verantwortung nicht nur auf den Schultern einer Person „abladen“. Ebenso kann eine humorvolle, zielgruppenspezifische Öffentlichkeitsarbeit viel dazu beitragen, neue Mitglieder zu gewinnen. So konnte der Männerchor Götzis die Zahl der aktiven Mitglieder von 45 auf 60 erhöhen. Eine witzige Werbekampagne, teilweise an die Frauen der zukünftigen Sänger gerichtet, sorgte für den gewünschten Effekt. Aber auch eine vielseitige

und altersgerechte Kommunikation erleichtert das Miteinander. So stand der Musikverein Concordia Lustenau vor dem Problem, dass sie eine große Gruppe mit starker Altersdurchmischung über Proben etc. informieren mussten. Vor allem junge Mitglieder und ihre Bedürfnisse in Sachen Mediennutzung werden berücksichtigt, ältere Vereins­ mitglieder bekommen eine SMS und „die obligatorischen fünf, die sich nicht melden, werden noch angerufen“, erzählte Obmann Oliver Huber.

Unterstützung von außen Auch bei vereinsinternen Herausforderungen kann professionelle Unterstützung hilfreich sein. Vereine sind nicht von gesellschaftlichem Wandel ausgenommen. Veraltete Strukturen zu überdenken und neu zu gestalten, gelingt oft besser mit einer geschulten Moderation. So auch bei der Spiel­ gemeinde Jagdberg, die vor der Herausforderung eines Generationenwechsels im Vorstand stand. Insbesondere im Projektmanagement profitierte der Verein sehr durch externe, fachliche Beratung. Zusammenarbeit statt Eigenbrötelei Stichwort Kooperation: Regionale Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung hat sich in der Vereinsarbeit als sehr positiv herausgestellt. Beispielsweise standen mehrere Fußballvereine im Vorderwald vor dem Problem, dass ihnen der Nachwuchs fehlte. So schlossen sich einige Gemeinden zusammen und gründeten das Fußballnachwuchszentrum Vorderwald. So stieg die Zahl der Mannschaften und es ermöglicht eine gezielte Förderung von 130 Kindern. Doch das Wichtigste: Spaß an der Sache zu haben, den Mut aufbringen, um Neues auszuprobieren und auch mal über den vereinsinternen Tellerrand hinausblicken – Denn Begeisterung steckt an!

Büro für Zukunftsfragen: Julia Stadelmann T 05574 511 20611 E julia.stadelmann@ vorarlberg.at www.vorarlberg.at/freiwillig

Informationen zu Unterstützungsangeboten wie Vereinshandbuch, Freiwilligenversicherung, Informationen zu Förderungen sowie die ganze Dokumentation „Neue Wege in der Vereinsarbeit“ mit Videomitschnitten der Erzählungen, finden Sie auf: www.vorarlberg.at/ freiwillig.

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Die Sustainable Developement Goals – Papiertiger oder hilfreiche Landkarte? Fakten zu den SDGS:

Vorarlberg und die SDGs

• Die SDGs traten am 1. Januar 2016, mit einer Laufzeit von 15 Jahren, in Kraft. • Im Unterschied zu den vorherigen acht MilleniumsEntwicklungszielen, die insbesondere auf Entwick­lungs­­­länder zugeschnitten waren, gelten die SDGs für alle Staaten. • 193 UN-Staaten haben sich zu den SDGs bekannt. Sie haben keine rechtliche Bindung. • Die 17 Ziele beinhalten 169 Unterziele, in denen genauere Bestrebungen definiert sind. In detaillierteren Ausgaben, werden Quer­ bezüge zwischen den Zielen betont und übergeordnete Prinzipien beschrieben. • Österreich hat bisher keine umfassende Strategie zur Umsetzung veröffentlicht. Dies wird besonders von NGOs stark kritisiert. Im Gegensatz dazu Länder wie Dänemark, Schweden, Deutschland oder Slowenien: Diese haben bereits mit Umsetzung konkreter Strategien zum Erreichen der Ziele begonnen, was sich in höheren Rankingplätzen widerspiegelt.

Von Bertram Meusburger / Büro für Zukunftsfragen

rundherum september 2017

Die globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals: kurz SDGs) wurden im Dezember 2015 von den Vereinten Nationen (UN) in New York verabschiedet. Es wird erzählt, dass die Konferenz viel Begeisterung ausgelöst habe, weil es nach zähen Verhandlungen gelungen war, so viele Länder dazu zu bringen, hinter diesem Rahmenwerk zu stehen. Was ist von dieser Begeisterung geblieben? UN-Papiere sind eher nicht dazu geeignet, bei den LeserInnen große Emotionen zu wecken, sondern dienen mehr als Orientierungsrahmen und wohlwollende Selbstverpflichtung, sich international, aber auch zuhause im eigenen Land, wesentlichen Herausforderungen zu stellen. Eben weil diese Herausforderungen nicht mehr an den Grenzen halt machen und letztlich die Zukunft unseres Lebensraumes auf diesem Planeten auf dem Spiel steht. Trotzdem ist ein solcher Konsens in Zeiten widerstrebender Interessen und Fake-News keine Selbstverständlichkeit. Österreich war bei dieser Konferenz mit dem Altbundespräsidenten Heinz Fischer und mehreren Ministern vertreten. Auch bei der Landeshauptleutekonferenz im Juli 2017 wurde ein Bekenntnis zu den Zielen ausgesprochen. Nun wissen wir, dass solche Strategien oft schwerfällige Prozesse sind und dass sich ohne eine Umsetzung auf lokaler und regionaler Ebene noch nicht viel verändert.

Wie steht Vorarlberg zu den SDGs? In vielen Teilbereichen wird Erstaunliches geleistet und wir sind sogar modellhaft unterwegs. Von der Verringerung der Armut über nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, vom gerechten Umgang mit

natürlichen Ressourcen bis zum besonders herausfordernden Klimaschutz, viele AkteurInnen bemühen sich um diese Themen, auch wenn gute Koordination oft schwierig ist. Daneben gibt es konfliktreichere Themenfelder wie z. B. der Umgang mit Grund und Boden, die aufgrund unserer Lage und Geschichte viel Fingerspitzengefühl brauchen, um auch für nächste Generationen gute Lösungen zu finden und die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen.

Wie schaffen wir es, unangenehmen Wahrheiten ins Auge zu schauen? Aber die SDGs sind nicht nur eine Aufzählung von in sich abgeschlossenen Entwicklungsnotwendigkeiten, sondern sie machen deutlich, dass die einzelnen Themen viel miteinander zu tun haben, dass es – gerade wenn es widersprüchliche Ansprüche gibt – letztlich um eine Diskussion geht, welche Werte und Prioritäten am besten geeignet sind, uns und nachfolgenden Generationen eine positive Zukunftsperspektive zu sichern. Für eine solche Wertediskussion, jenseits einer einfachen Schwarz-Weiß-Malerei, braucht es gute Dialogräume mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren, um auch konfliktreiche Themen behandeln zu können und letztlich eine Kultur der Zusammenarbeit zu etablieren. Es braucht partizipative Methoden (wie z. B. den Bürgerrat), die nicht nur ExpertInnen in diese Fragen einbinden. Und es braucht engagierte und kritische NGOs, die hin und wieder die Finger auf die wunden Punkte legen, wenn wir den Blick fürs große Ganze aus den Augen verlieren. Und nicht zuletzt müssen wir die nicht selten widersprüchlichen Stimmen in uns mehr zum Ausdruck bringen, um nicht zu schnell in Ideologien zu verfallen.


In lebendigen Erzählungen berichteten Vereine von innovativen Ideen Probleme zu lösen und neuen Wegen in der Vereinsarbeit.

Fatih Özcelik, Ingo Türtscher, Sigrid Brunner – alle drei sind Projekteinreicher bei der Projektschmiede

Soziale Innovation mit Art of Hosting

Wie können wir ein gutes Leben für alle finden, ohne in Heuchelei und political correct­ness zu verfallen? In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat es ja schon viele Versuche gegeben, unserem Lebensstil eine nachhaltigere Richtung zu geben. Strategien können helfen, sich einen guten Überblick zu verschaffen, aber sie genügen nicht. Um es in einem Bild zu sagen: Wie können schon zufrieden den eigenen Garten pflegen und uns über unsere tolle Ernte freuen. Aber was nützt uns das, wenn da­neben Gift gespritzt wird, darüber eine Mure loszugehen droht oder dem Nachbar grad das Gartenhäuschen abgebrannt ist. Wir müssen wieder miteinander reden. Die Welt ist enger geworden und die Dinge hängen – ob wir wollen oder nicht – miteinander zusammen. Und auch wenn manches erst viele Jahre später aufbricht, die Samen sähen wir jetzt. Die SDGs sind sicher kein Allheilmittel, aber sie können ein Weg sein, sich über unsere zu erwartende oder gewünschte Zukunft zu verständigen. Im Kleinen und im Großen. Die SDGs sind im Kern ein Orientierungsrahmen und ein Führungsinstrument. Dazu braucht es klare Rahmenbedingungen und ein Klima der Innovation und Zusammenarbeit, um neue Wege gehen zu können und uns nicht in Details zu verlieren.

Wenn du ein Projekt machst, mach es nie alleine! Die erste Hälfte des diesjährigen Projektschmiedezyklus ist vorbei. An sechs Nachmittagen wurde an insgesamt 14 spannenden Projekten aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen (Kunst, Umwelt, Bildung, Sport, Wirtschaft, Verwaltung,...) mit über 80 ProjektbegleiterInnen gewerkelt und getüftelt. Ohne Menschen, die ihre Projekte mitbringen,

wäre die Projektschmiede gar nicht möglich. Wie erleben sie den Nachmittag, an dem ihr Projekt im Zentrum stand? Was nehmen sie mit? Drei Projekte, drei Stimmen: Fatih Özcelik (vorarlberg museum): Ich hätte im Rahmen meiner täglichen Arbeit gar nicht die Zeit dazu, so unterschiedliche Menschen zusammenzubringen und uns gemeinsam mit einer bestimmten Frage auseinanderzusetzen. Die Projektschmiede ist für mich eine besondere Art mal den Blick zu weiten auf Perspektiven, die ich alleine nicht hätte. Außerdem spart es wirklich an Zeit hier mit Menschen zusammenzukommen und gemeinsam zu denken. Es ist sehr ehrlich und offen. Man spürt genau, diese Menschen, die dort sind – denen geht es um dein Projekt, während des Nachmittags wird es aber auch zu ihrem. (…) Man kommt natürlich auch in Kontakt, in Begegnung. Die kann man auch außerhalb der Projektschmiede weiterführen. (…) Für mich, als Teil einer großen Institution, ist es auch toll zu sehen, dass ich mit meinen Ideen auch raus gehen kann, in die Gesellschaft gehen kann! Sigrid Brunner (KinderCampus Höchst): Ich habe mit der Zeit gespürt, okay, ich komme ganz woanders hin, als die Anfangsfrage abgezielt hat. Und es ist gut so und das passt auch! Ich freue mich auf das Neue. Das Projekt neu zu konstruieren, neu zu bearbeiten, neu zu besprechen. Ich bin sehr gespannt was dann am Ende rauskommt – vielleicht wird das Projekt ganz, ganz anders! Ingo Türtscher (POTENTIALe Feldkirch): Für mich war es sehr spannend, ich war das erste Mal bei einer Projektschmiede dabei. Die Fragestellung, die ich mitgebracht hab, ist wirklich in Einzelteile zerlegt worden und es gab verschiedene Ansätze, das zu hinterfragen. Die Zusammensetzungen der Menschen waren auch sehr spannend. In der Gruppe kommen viele Stimmen und Gedan-

Büro für Zukunftsfragen: Stefan Lins T 05574 511 20617 E stefan.lins@vorarlberg.at www.vorarlberg.at/zukunft

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Das Umsetzungsteam: Christian Feurstein (Grafik); Tanja Schörkl (Webseite) Ewald Schneider, (App) Isabella NatterSpets, (Projektleitung); Philipp Fasser (Ton); nicht im Bild: Florian Oberforcher (story-telling)

Fast fertig! – Konrad und Gerhard Lipburger, 2 der ehrenamtlichen „Bänkle-Bauer“ gönnen sich eine kurze Pause. Eines der fertigen Lingenauer Bänkle.

Was bedeutet Innovation in puncto Zusammenleben?

FUNKA –Ideen gemeinsam entwickeln Isabella Natter-Spets T o676 4550290 E isabella@funka.at

inszemo – Büro für Erlebnisgeschichten Florian Oberforcher T 0699 10575016 E Flo@inszemo.at

ken zusammen, die auch die eigene Sichtweise auf ein Thema total brechen können. Das verschafft ganz neue Erkenntnisse, die man selber noch gar nie so gesehen hat! Ich würde die Teilnahme an der Projektschmiede jedem empfehlen, der eine Idee in sich trägt und noch nicht genau weiß, wie man sie umsetzen soll. Oder wenn man schon lang an was arbeitet und nicht so klar ist, wie es weitergehen soll – also auch für bestehende Projektinitiativen ist die Projektschmiede jedenfalls geeignet!

Wie soziale Innovation gelingen kann und was Art of Hosting damit zu tun hat Von Judith Lutz / Büro für Zukunftsfragen

Mehr Informationen zum Projekt unter

www.lingenau-erzaehlt.at

rundherum september 2017

Was bedeutet Innovation in puncto Zusammen­ leben? Wie kann es gelingen, neue Projekte, die sich an gesellschaftlichen Bedürfnissen orientieren, erfolgreich zu initiieren? Isabella Natter-Spets (Expertin im Service-Design und Ideenentwicklung) und Florian Oberforcher (Storytelling-Profi), beide Anwender von Art-of-Hosting in unterschiedlichen Kontexten, wollten den Zusammenhalt und die Dorfgemeinschaft in Lingenau stärken. So entstand „Lingenau erzählt“. Der kleine Ort im Bregenzerwald besitzt seit diesem Sommer 28 Erzählbänkle. Entworfen, gefertigt und aufgestellt von Ehrenamtlichen. Unter dem Motto „Ein Dorf – viele Geschichten“ sind wahre Geschichten von alten und jungen LingenauerInnen zu hören, im Dialekt oder auf Hochdeutsch. Alles was dazu nötig ist: Ein Smartphone und etwas Zeit. Dann kann man, auf einer der vier Routen, durch den idyllischen Vorderwald wandern, dabei immer wieder auf den Bänkle Rast machen und, direkt an ihren Schauplätzen, den Geschichten lauschen.

Denn Geschichten erzählen verbindet, lässt Gemeinsamkeiten auftauchen. Für Initiatorin Isabella ist „Geschichten zu finden wie einen Schatz zu heben. Ein Schatz der berührt, Erinnerungen wachruft, uns schmunzeln oder nachdenken lässt.” Außerdem fanden im Vorfeld Erzählabende in Lingenauer Wirtshäusern statt. Das Interesse war groß, es wurde gemeinsam gelacht und Erinnerungen ausgetauscht. Das Dorf kam zusammen. Was ist nun aber wirklich das Innovative daran? Im Kern geht es darum, dass mit dem Wissen und den gesammelten Erfahrungen aus Art-of-Hosting, ein noch nie in der Region dagewesenes Projekt entstanden ist. Es verbindet zwei vielleicht konträre Dinge, moderne Technologie und die Sehnsucht nach etwas Greifbarem. Es befindet sich im öffentlichen Raum, ist jederzeit kostenlos benutzbar. Die Bänkle laden zu kurzen Pausen aus dem Alltag ein und könnten zu neuen Treffpunkten im Ort werden. Viele Lingenauerinnen und Lingenauer haben mitgewirkt und wer weiß, was für neue Geschichten aus den Begegnungen entstehen. Vielleicht bedeutet Innovation gar nicht, dass immer zwanghaft etwas Neues kreiert werden muss. Mit etwas Feingefühl dafür, was schon da ist, ebendiese Schätze, die gehoben werden möchten, können wunderbare Dinge geschaffen werden. Auch beim diesjährigen Art-of-Hosting Training stehen die Themen Innovation und Kooperation im Fokus. Dabei geht es vor allem um die Frage, was diese Begriffe im Kontext des Zusammenarbeitens bedeuten. Wie können wir dies fördern? Denn eine innovative Region braucht Menschen, die gemeinsam miteinander begeistert an einer Frage oder an einem Ziel arbeiten.


„Wenn nicht bald eine Weiche kommt, sind wir verloren.“

Das richtige Betriebssystem für die digitale Gesellschaft finden Zukünfte statt Zukunft Kriemhild Büchel-Kapeller /  Büro für Zukunftsfragen Nichts bleibt wie bisher. Wie wir leben und arbeiten werden, wird sich grundlegend wandeln. Wir leben schon jetzt in einer VUCA Welt, wie der anerkannte Harvard Professor für Change Management John P. Kotter sagt. VUCA steht für volatil, unsicher, komplex und ambivalent. Die zentrale Frage ist: Wie bleiben wir handlungsfähig? Und wie gelingt uns ein friedliches Zusammenleben trotz aller Unterschiedlichkeit? Wie zentral diese Frage ist, wird daran deutlich, dass im „Global Risks Report 2017“ des World Economic Forums neben dem Klimawandel die Zunahme der sozialen Ungleichheit und die soziale Polarisierung als die größten Risikofaktoren für eine positive Weltentwicklung genannt sind. Es braucht konkrete Begegnungen, um die größer werdenden Klüfte unserer Gesellschaft zu überwinden.

Lern- und Experimentierfelder für eine ungewisse Zukunft: Resilienz fördern Das Zukunftsbüro begleitet bzw. berät seit über 20 Jahren Gemeinden in Entwicklungsprozessen. Die Erkenntnis ist, in den Gemeinden verdichten sich die Auswirkungen des Wandels. Zwei konkrete Beispiele dafür sind zum einen Langenegg mit dem Erhalt der Nahversorgung oder in Götzis das Bürgerbüro „zämma leaba“, das seit mehr als 10 Jahren von Ehrenamtlichn geführt wird. Dadurch wächst auch die Eigenverantwortung bei den Bürgern (weniger Konsumhaltung gegenüber der öffentlichen Hand), der Selbstorganisationsgrad aber auch Resilienz in den Gemeinden steigt.

Ein weiter wie bisher wird es nicht geben – Digitale Umwälzungen David Bosshart, CEO Think Tank GDI Zürich, betont: „Wir müssen das richtige Betriebssystem für eine digitale Gesellschaft finden.“ Zu diesem neuen Betriebssystem gehören Spielräume für Zukünfte zu öffnen, weil es die eine gültige Zukunft nicht mehr geben wird.

Call for Projects: „Integration durch Bürgerschaftliches Engagement“: Integration und insbesondere die Frage, wie diese gelingen kann, ist eine große gesamtgesellschatliche Herausforderung. Ohne den Einsatz von freiwillig Engagierten, wäre diese große Aufgabe schier unbewältigbar. In vielen Orten haben sich Initiativen gefunden, unzählige Projekte sind entstanden. Dies erfordert Koordination und Menschen, die das große Ganze im Auge behalten. Zum 01. Juli wurde von den Regierungschefs der ARGE ALP das Projekt „Integration durch bürgerschaftliches Engagement“ unter der Leitung der lagfa bayern, die Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen/-zentren und Koordinierungszentren Bürgerschaftlichen Engagements in Bayern, gestartet. Das Projekt basiert auf drei Säulen: Konkrete Projektumsetzung, Fachtagungen sowie grenzübergreifende Austauschtreffen.

Kontakt für Rückfragen und weitere Informationen: www.lagfa-bayern.de Beatrix.hertle@lagfa-bayern.de

Bewerben können sich Einrichtungen und Kompetenzzentren aus dem Raum der ARGE ALP (wozu auch Vorarlberg gehört), die bürgerschaftliches Engagement fördern. Fünf Modellstandorte werden schließlich ausgewählt, um Projekte im Bereich der Integration mit freiwillig Engagierten umsetzen. 14 | 15


rundherum . news . termine . infos . kontakte Vorarlberg Akademie: Herbstprogramm 2017 erschienen Newsletter abonnieren: Büro für Zukunftsfragen T 05574 / 511-20605 zukunftsbuero@vorarlberg.at Ausführliche Informationen über unsere Arbeit finden Sie auf unserer Homepage: www.vorarlberg.at/zukunft

Auch für eine gelingende Vereinsarbeit und freiwillige Tätigkeit ist es wesentlich, am Rad der Zeit zu bleiben und sich gegenüber aktuellen Entwicklungen und Trends zu öffnen. Das Aus- und Weiterbildungsprogramm der Vorarlberg Akademie bietet hierbei Unterstützung. Das Herbstprogramm 2017 bietet Know-How für freiwillig Engagierte zur zielorientierten Nutzung von Facebook & Co, kooperativer Vereinsführung und nachhaltiger Mitglieder-Gewinnung, sowie der Ansprache von neuen Zielgruppen. Ebenfalls enthalten sind die Module der Engagement-Werkstatt für frei­ willig Engagierte in der Integrationsbegleitung. Das Programm ist unter www.vorarlberg.at/akademie abrufbar.

Einladung zum Bürgercafé: Umgang mit Grund und Boden

Katharina Toth

Das Bürgercafé „Umgang mit Grund und Boden“ bietet die Gelegenheit, sich über die Ergebnisse des Bürgerrats zum Thema zu informieren, sowie Ihre Sichtweisen mit Bürgerinnen und Bürgern, Verwaltung und Politik zu diskutieren. Daraus entstehen wirksame Empfehlungen im Umgang mit diesem Thema. Wir freuen uns, Sie hiermit herzlich zur Mitgestaltung des Landes Vorarlberg einzu­ laden. Denn Demokratie lebt von Ihrer Beteiligung! Di, 3.Oktober 2017, 19.00 bis 21.00 Uhr Vinomnasaal, Rankweil Wir bitten um Anmeldung bis 26.September 2017 unter T +43 5574 511 20605 oder zukunftsbuero@vorarlberg.at

Neue Verwaltungspraktikantin: Katharina Toth Katharina Toth ist seit September 2017 als Ver­waltungspraktikantin im Büro für Zukunftsfragen tätig. Sie hat Internationale Entwicklung und Umweltwissenschaften in Wien und Kopenhagen studiert und sich auf Klimawandel und Beteiligung spezialisiert. Im Zuge ihrer Masterarbeit hat sie den Bürgerrat Egg evaluiert und so schon ein wenig die Arbeit im Büro kennengelernt.

SDGs und Vorarlberger Betriebe Unter dem Slogan „Making Global Goals Local Business“ werden lokale Betriebe (Haberkorn und APLA) ihre Strategien zur Umsetzung der Sustainable Development Goals vorstellen. Welche Maßnahmen setzen Vorarlberger Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit? Einen Impulsvortrag hält Michael Gerber, Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA ), Sonderbeauftragter der Schweiz für Agenda 2030. Die Veranstaltung, eine Kooperation von respACT und Verein ÖKOPROFIT, findet am Do, 19. Oktober, von 08.00 bis 09.45 Uhr in der Zentrale der Gebrüder Weiss, Bundesstraße 110 in Lauterach, statt. Anmeldung bis 12. Oktober unter info@oekoprofit-vorarlberg.at.

Art-of-Hosting-Training: Innovation & Kooperation Wie gelingt es uns, Kooperation und Innovation im Land zu fördern? Wie kann Führung und Organisation in einer zunehmend unübersichtlich werdenden Welt gelingen? Wenn Sie sich mit diesen oder ähnlichen Fragen beschäftigen, dann laden wir Sie hiermit herzlich zum nächsten Art-ofHosting-Training ein. Im Rahmen dieses Trainings haben Sie die Möglichkeit, tiefer in das Grund­ verständnis von Haltung, Strukturen, Prozessen und Methoden einzutauchen, die eine Kultur der Zusammenarbeit, der fachübergreifenden Kooperation, der Innovation und des partizipativen Führens begünstigen. 27. bis 29. November, Festspielhaus Bregenz Nähere Informationen unter www.aoh-vorarlberg.at

Vorarlberger Klimadialoge 2017 Die Initiative „Vorarlberger Klimadialoge“ laden zum nächsten Netzwerktreffen am 1. & 2. Dezember ins Festspielhaus in Bregenz. Ziel ist, nächste Wirkungskreise zu ziehen und ins Tun zu kom­men  – daher laden sie zum aktiven Mitgestalten ein. Details unter: www.vorarlberg.at/zukunft

rundherum Nr. 2 / September 2017 Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: Amt der Vorarlberger Landesregierung Büro für Zukunftsfragen Jahnstraße 13–15, A-6900 Bregenz T 05574 / 511-20605, E zukunftsbuero@vorarlberg.at Redaktion: Michael Lederer, Judith Lutz, Katharina Toth Fotos: Büro für Zukunftsfragen und Projektträger, Jürgen Grünwald, Lisa Präg Erscheinungsort: A-6900 Bregenz Verlagspostamt: A-6900 Bregenz


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