UZ 9 2016

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EN IT I S SE X 7 A IT P R  M V R

UNTERNEHMER ZEITUNG

Nr. 9, September 2016 22. Jahrgang, Fr. 8.– www.unternehmerzeitung.ch

Bild: zVg

SCHWEIZ 2050 Nur der Wille steht der Wende noch im Weg. Wollen wir die Energieund Ressourcenwende rechtzeitig schaffen, muss ein Umdenken stattfinden: In den Köpfen der Politik und in jenen der Bürger.

Seiten 7 – 17

NETZARBEITER

Matthias Bölke Präsident swisscleantech

Outsourcing 2.0: User leisten Gratisarbeit – und das in Scharen. Warum sich der Trend verstärkt und wer was davon hat, zeigen drei innovative Crowdsourcing-Projekte aus der Schweiz. Seite 24

ERFOLG TRÄGT GRÜN

50 MARKEN Zwischen Kontinuität und Wandel: Seit 2011 kürt Markenexperte Stefan Vogler die Marke des Monats. Eine Rückschau. Seite 34

Seite 8

VR-PRAXIS Gemeinsame Werte, gemischte Kompetenzen: CG-Experte Silvan Felder über den VR von morgen. Seite 48

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EDITORIAL

Mehr Mut zum grossen Wurf Die Schweiz ist erfolgreich, weil sie perfekt ist. Die Präzision in jeder Tätigkeit, die Liebe zum Detail, die geduldige Verbesserung aller Verfahren und Produkte machen die Stärke der Schweizer Wirtschaft aus – das macht ihr so bald niemand nach. Dieser Geist der Perfektion prägt auch die Innovation in der Schweiz. Wer sich Schweizer Innovationen und Schweizer Startups anschaut, ist immer wieder überrascht, wie winzig klein die Probleme sind, die sie lösen. Da geht es um die Nische in der Nische in der Nische. Aber genau da passt es dann perfekt. Manchmal freilich braucht die Welt Innovationen, die einen grossen Sprung darstellen. Das Smartphone war ein solcher Sprung, das Internet, der Personal Computer. Auch Schweizer Unternehmen haben solche sprunghaften Innovationen hervorgebracht, die Swatch-Uhr, der Klettverschluss, das Milchpulver. Das Internet eigentlich auch; entwickelt am CERN in Genf. Manchmal braucht die Welt auch einfach nur die Fähigkeit, Dinge grösser zu denken. Manchmal muss man einfach nur das gewaltige Potential in einem unscheinbaren Ding erkennen. Das hat Steve Jobs mit dem Smartphone gemacht – intelligente Mobiltelefone hat es schon vor ihm gegeben. Das hat auch Marc Zuckerberg mit Facebook gemacht – soziale Netzwerke gab es vor ihm. Schweizer Unternehmer müssen nicht ins Silicon Valley pilgern, um zu lernen, wie Innovation geht. Sie müssen einfach nur gross denken. Das gleiche gilt für die Politik. Ab Ende Jahr werden Personenzüge durch den neuen Gotthardbasistunnel fahren. Das Bekenntnis zum flächendeckenden öffentlichen Verkehr bis in das hinterste Bergdorf ist in den 80er- und 90er-Jahren formuliert worden. Wir profitieren heute vom grossen Wurf von gestern. Und ein Problem, das damals die Schweiz umtrieb, gibt es heute faktisch nicht mehr: Ein grosser Wurf in der Drogenpolitik hat den Platzspitz von der Liste der brennenden Probleme gestrichen. In den letzten Jahren hat sich die Schweiz im Kleinklein der Tagespolitik verrannt, ob in der Einwanderungspolitik, der Europapolitik, in der Sicherung der AHV oder auch in der Wirtschaftspolitik generell. Die Schweiz braucht wieder grosse Würfe. Die Ressourcenwende, über die am 25. September abgestimmt wird, ist ein solcher grosser Wurf.

INHALT

4 KÖPFE UND KARRIEREN 6 PODIUM 7 –17 THEMA: GRÜNE WIRTSCHAFT Matthias Bölke im Interview 8 10 Besser leben mit Regulierung Ein fast perfekter Kreislauf 14 16 Norwegen bremst Benziner aus CLEANTECH Bionik inspiriert zu Innovationen Zuckerberg auf Piccards Spuren

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EUROPA Europa zähmt seine Populisten

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EXPORT Roboter schlagen Tieflöhne Share Economy stösst an Grenzen

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INNOVATION Die Crowd leistet Gratisarbeit

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GELD Die Börse vergisst schnell

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MANAGEMENT UZ-Serie: Evelyne Schärer

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UNTERNEHMEN Vom Design zum 3D-Druck

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MARKETING 50 Marken des Monats

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DIGITAL Online-Shopping Ahoi Bots: Die Stunde der Wahrheit Digitalisierung der Immo-Branche IT-Ratgeber: Bei Anruf erreichbar

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MOBIL Bonusprogramme für KMU

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VRPRAXIS Silvan Felder im Interview 48 Langweilen Sie nicht! 50 Der externe Verwaltungsrat 51 Brexit – think positive! 52 53 Bereit für die Swissness-Regeln Grundlos betrieben – was tun? 54 WEITERBILDUNG Keine Branche bleibt verschont Die Hiobsbotschaft überbringen

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PIONIERE Johann Bucher: Obstpressen

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NETZWERKE Centre Patronal Unternehmer Forum Schweiz

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EVENTS Topsoft & SwissECS 62 Europa Forum Luzern 63 Courtage Expo & Logistik-Kongress 64 BÜCHER Peter Hauser & Co.: Tipps für KMU 66

Steffen Klatt editorial@unternehmerzeitung.ch www.unternehmerzeitung.ch

10 FRAGEN AN Andrea Strotz, Schirmfabrik Strotz 67 KAPITALMARKT & IMPRESSUM DAS LETZTE

Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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KÖPFE UND KARRIEREN

LEITERIN COMMUNICATIONS AND MEDIA ­RELATIONS Die Leitung der Kom­ munikationsabteilung von EY Schweiz hat per 1. Juli KARIN ­KIRCHNER übernommen. Die ge­ bürtige Österreicherin war 17 Jahre für Gene­ ral Motors tätig und hat zu­­letzt die europaweite Unternehmenskommu­ nikation für GM und Chevrolet verantwortet. Später war sie bei Bur­ son-Marsteller als Se­­nior Con­sultant tätig. Dane­ ben unterrichtet Kirch­ ner an der Hochschule für Wirtschaft Luzern.

VERWALTUNGSRAT Nach einer beruflichen Auszeit wird MICHAEL AGORAS Verwaltungs­ ratsmitglied von Staff Finder. Agoras arbeitete insgesamt 25 Jahre beim Personaldienstleister Adecco Schweiz, davon 13 Jahre in der Funktion des CEO. Als ehemaliger Länderchef der international tätigen Adecco bringt Michael Agoras die richtigen Werkzeuge im strategi­ schen und operativen Bereich mit.

DIVISIONSLEITER Kolbenkompressoren­ hersteller Burckhardt Compression ernennt FABRICE BILLARD zum Divisionsleiter und Mitglied der Ge­schäfts­ leitung. Billard ist seit 2004 bei Sulzer als Chief Strategy Officer und Mitglied der Kon­ zernleitung tätig. Davor hatte er verschiedene Funktionen bei Sulzer inne, u. a. als Head Europe, Middle-East, India, Russia & Africa und Leiter der Business Unit Mass Transfer Technolgy von Sulzer Chemtech.

EXECUTIVE DIRECTOR Futureworks erweitert seine Geschäftsleitung mit ISABEL CERLIANI. Als Executive Director ist sie zuständig für die ­Bereiche Marketing und Strategie. Nach ihrem Studium in Betriebs­ wirtschaftslehre an der Universität St. Gallen arbeitete sie für die ­Corporate Develop­ ment-Abteilung der Zurich Financial ­Services, bevor sie als Kopf der Strategieabtei­ lung zu MetaDesign wechselte.

BUSINESS DEVELOPMENT DIRECTOR Der ehemalige Chief Operating Officer von Spree 7 ANDREAS GRASEL übernimmt neu die Ver­ antwortung für die Geschäfte von Adform in der Schweiz und in Österreich. Zuvor war Grasel unter anderem bei der Mediaagentur­ gruppe Group M als Managing Director «Interaction» und als COO Group M Switzer­ land tätig. Ziel ist die Intensivierung bestehen­ der Geschäftsbeziehun­ gen sowie der Aufbau neuer Kundenbe­ ziehungen.

LEITERIN KOMMUNIKATION Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat SUSANNE MÜHLEMANN per 1. März 2017 zur neuen Leiterin Kommunika­ tion ernannt. Die lang­ jährige Wirtschaftsjour­ nalistin und Chef­redaktorin des «Sonn­ tagsBlick» stieg 2010 in die Unternehmens­ kommunikation ein und wurde Team-Leaderin External & Internal Communications bei Swiss International Airlines, bevor sie zur UBS wechselte.

CHIEF EXECUTIVE OFFICER Der Verwaltungsrat der Conzzeta AG hat OLIVER PABST zum neuen CEO der Mammut Sports Group ernannt. Gleich­ zeitig erhält Pabst einen Sitz in der Konzernlei­ tung der Conzzeta. Der promovierte Wirtschafts­ wissenschaftler war zu­letzt bei der Willy Bogner KG aA im Be­­ reich Sales & Mar­keting tätig. Zuvor arbeitete er unter anderem im BoardSport-Bereich bei Boards & More und als Senior Associate bei McKinsey.

COUNTRY MANAGER Die neue Niederlas­ sung von Deposit Solu­ tions in der Schweiz hat einen Chef gefun­ den: THOMAS VON HOHENHAU. Er ist parallel als Chief Client Officer im obersten Gremium der Gruppe tätig. Vor Depo­ sit Solutions war von Hohenhau sieben Jahre lang für Julius Baer in verschiedenen Füh­ rungspositionen tätig. Zuvor war er als Mit­ gründer und Business Angel an verschiede­ nen Startups aus dem Bereich ICT beteiligt.

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UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016

INFO Mitteilungen für diese ­Rubrik: Text und Foto (300 dpi > 1MB) arbenz@unternehmerzeitung.ch


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PODIUM

Nachhaltigkeit wird zur Managementaufgabe GRÜNE WIRTSCHAFT  Es gibt sie noch, die Stimmen, die das Verfolgen unternehmerischer Nachhaltigkeitsziele aus dogmatischen Gründen ablehnen. Doch sie werden weniger. Vor allem auch grössere Unternehmen erkennen zunehmend: Was gut für die Gesellschaft ist, ist auch gut für das Unternehmen. TEXT   T H O M A S D Y L L I C K

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as Thema Nachhaltigkeit ist auf der Prioritätenliste des Managements weit nach oben gerückt. Dabei betreiben die Unternehmen Nachhaltigkeitsmanagement nicht mehr nur, um Risiken vorzubeugen oder Reputationsverluste zu vermeiden. Vielmehr haben Sie erkannt, dass es nicht geht, wenn es der Gesellschaft schlecht und ihnen gut geht. Die Nischenaktivitäten, die nebenbei erledigt werden konnten, sind einem breit abgestützten, von der Führungsetage mitgetragenen Engagement, gewichen.

«JEDES UNGELÖSTE G ­ ESELLSCHAFTLICHE PROBLEM IST EIGENTLICH NICHTS ­ANDERES ALS EINE UNENTDECKTE MARKTCHANCE.»

MARKTCHANCEN ERKENNEN Die Veränderungen im Verständnis des Nachhaltigkeitskonzepts sind deutlich – und lassen sich in drei Phasen unterteilen. Zu Beginn, wenn sich das Nachhaltigkeitsverständnis noch im frühen Entwicklungsstadium befindet, haben wir es mit einer verfeinerten Spielart des Shareholder-Value-Managements zu tun. Zunächst erkennt man: Es lassen sich Kosten sparen und Risiken reduzieren. Die Reputation auf dem Arbeitsmarkt und die Differenzierung im Markt lässt sich steigern, wenn man Nachhaltigkeitsanliegen aktiv angeht und sein Engagement auch bekannt macht. Unternehmen steigen ins Nachhaltigkeitsmanagement ein, wenn sie dessen ökonomisches Potenzial entdecken. In einer zweiten Phase wird das Nachhaltigkeitsthema im Unternehmen zunehmend institutionalisiert. Man beginnt, mit speziellen Nachhaltigkeitsmanagementsystemen, Zertifizierungen und Labels zu operieren. Im Unternehmen wird eine institutionelle Infrastruktur aufgebaut, die Verantwortlichkeiten und Nachhaltigkeitsziele werden definiert 6

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nehmen an jene der Gesellschaft gekoppelt w ­ erden, dürfen wir hoffen, dass Unternehmen effektiv zur Bewältigung von Nach­ haltigkeitsproblemen beitragen, wie sie jüngst im Rahmen der Sustainable Development Goals der UN neu definiert worden sind. Solange dies nicht geschieht, werden wir weiterhin mit der absurden Situation konfrontiert sein, dass immer mehr Unternehmen von sich behaupten, sie seien nachhaltig, während die Gesellschaft vor kaum noch zu lösenden Herausforderungen steht. Immer noch skeptische Unternehmer dürfte die Einsicht von Management-Vordenker Peter Drucker trösten: «Jedes ungelöste gesellschaftliche oder globale Problem ist eigentlich nichts anderes als eine grosse unentdeckte Marktchance.»

und anschliessend der Öffentlichkeit kommuniziert. Es wird zu einer Managementaufgabe, die jetzt gezielt verfolgt und überwacht wird. Im Unterschied zur ersten Phase definiert dabei das Management explizit nicht nur ökonomische, sondern auch soziale und ökologische Ziele. GESELLSCHAFTLICHE VERANTWORTUNG In der zweiten Phase wird noch immer von innen nach aussen gedacht. Die Nachhaltigkeitsziele und -strategien werden um bestehende Prozesse, Produkte und Geschäftsmodelle herum aufgebaut. Prozesse werden verbessert, Produkte optimiert oder weiterentwickelt, Geschäftsmodelle verfeinert. Die dritte Phase der Entwicklung ist erreicht, wenn das Management damit beginnt, die Gesellschaft und ihre Problemen als Ausgangspunkt zu nehmen und sich fragt: «Was können wir mit unseren Ressourcen und unserem Knowhow an sinnvollen Beiträgen leisten? Wie können wir zur Lösung von gesellschaftlichen Herausforderungen beitragen?» Für börsennotierte Unternehmen mag das eine grosse Herausforderung darstellen, da dies ein mutiges Management voraussetzt. Grossunternehmen wie Unilever, Danone oder Novo Nordisk zeigen aber, dass es möglich ist. Erst dann, wenn die Nach­ haltigkeitsziele und -strategien der Unter-

DER AUTOR Thomas Dyllick ist Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Universität St.Gallen (HSG), wo er 1992 das Institut für Wirtschaft und Ökologie mitbegründete, dessen geschäftsführender Direktor er bis heute ist. Zudem ist er Delegierter des Rektorats für Verantwortung und Nachhaltigkeit an der HSG. Von 2001 bis 2003 war er Vorstand der betriebswirtschaftlichen Abteilung und von 2003 bis 2011 Prorektor der HSG. Dyllick gilt als einer der Pioniere des Nachhaltigkeitsmanagements im deutschsprachigen Raum.


THEMA

Bildquellen: zVg/Depositphotos.com, nubephoto

Wir schaffen es VON  S T E F F E N K L A T T

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s ist noch nicht lange her, da steckte economiesuisse in einer tiefen Krise. Das Misstrauen in die Wirtschaft nach der Krise von 2008/09 hatte ihre Glaubwürdigkeit untergraben. Hinzu kamen eigene Fehler: Der grosse Wirtschaftsdachverband hatte aufgehört, konstruktiv zu sein. Am sichtbarsten wurde das in der Energiewende. Auch nach Fukushima hielt der Verband an Atomkraftwerken fest. Er lehnte die Energiestrategie des Bundes ab, ohne eine Alternative vorzulegen – für einen grossen Wirtschaftsdachverband eine Todsünde. Doch dann kam Monika Rühl, die langjährige rechte Hand der Wirtschaftsminister von Joseph Deiss bis Johann Schneider-Ammann. Die neue Direktorin brachte Ruhe in den Laden und liquidierte in aller Stille unhaltbare Positionen. Dazu gehörte auch die verfehlte Energiepolitik. Der Verband hat bereits klar gemacht, dass er die Energiestrategie nun akzeptiert und kein Referendum unterstützen wird. Umso erstaunlicher ist es, dass economiesuisse den Gegenvorschlag des Bundesrates zur Volksinitiative «Für eine Grüne Wirtschaft» im Parlament verhindert hat. Dieser Gegenvorschlag selber war bereits weitgehend harmlos. Alles, was der Bund wollte, war ein erster Einstieg in eine aktive Ressourcenpolitik – angesichts des weltweit härter werdenden Kampfes um Ressourcen ein «No-brainer», wie man auf Neudeutsch sagt, eine Selbstverständlichkeit. Das Parlament spülte den Gegenvorschlag nochmals windelweich. Am Ende ging es fast nur noch um Kennzeichnungspflichten. Dennoch schoss economiesuisse das Windelweichpaket im Parlament ab – in der entscheidenden Abstimmung wurden die BDP-Nationalräte einfach gebeten, nicht im Saal zu erscheinen. Immerhin können sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nun auf die eigentliche Frage konzentrieren: Soll die Schweizer Wirtschaft sehenden Auges gegen die Wand fahren? Oder soll sie umge-

kehrt aus der Not eine Tugend machen und die ohnehin notwendige Ressourcenwende in ein nationales Wachstumsprogramm verwandeln? Es ist keine Frage: Das Ziel der Initiative «Für eine Grüne Wirtschaft» muss erreicht werden. Das stellt nicht einmal economie­suisse in Abrede. Die Schweiz kann langfristig nur mit den Ressourcen wirtschaften, die auch verfügbar sind. Die Frage ist nur, wie schnell das geht. Die Initiative hat 2050 als Datum vorgeschlagen. Es hätte economiesuisse freigestanden, ein anderes Datum vorzuschlagen. Hat sie nicht. Es geht also nur noch um das «Wie». Und da gibt es in der Schweiz ein paar sehr niedrig hängende Früchte. So hat dieses Land, das mit Recht so stolz ist auf seine Effizienz in der Gebäudetechnik, den höchsten Anteil von Ölheizungen in Europa. Das ist peinlich für das Technikland Schweiz und volkswirtschaftlicher Unsinn: Das Geld fliesst an den Golf, in der Schweiz findet kaum Wertschöpfung statt, anders als etwa bei den Wärmepumpen. In Dänemark sind neue Ölheizungen inzwischen ­verboten. Technisch ebenso einfach und bis 2050 mit etwas gutem Willen locker zu erreichen: der Ersatz der Benziner und der Dieselfahrzeuge mit sauberen Alternativen. In einem Jahrzehnt werden Stromautos den Verbrennungsmotoren in allen praktischen Dingen gleichwertig sein. Brennstoffzellenfahrzeuge gehen bereits in die Serienproduktion. Norwegen zieht daraus die Konsequenz und will ab 2025 nur noch saubere Autos neu zulassen. Diese beiden Massnahmen allein bringen bereits das Ziel in ­Griffweite, bis 2050 den Ressourcenverbrauch auf ein global verträgliches Mass zu reduzieren. Dazu eine naturnähere Landwirtschaft – braucht es sowieso – und die üblichen Effizienzsteigerungen in Industrie, Bauwesen und Gewerbe – und fertig ist die Ressourcenwende. Die Schweiz braucht einen Ruck. Die Ressourcenwende ist im ureigensten Interesse der Wirtschaft. Wir schaffen es. Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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THEMA

Wirtschaften auf kleinem Fuss RESSOURCENEFFIZIENZ  Cleantech wird weltweit zu einem immer grösseren Wirtschaftsfaktor. Die Initiative «Für eine Grüne Wirtschaft» helfe der Schweiz, erfolgreich zu bleiben, sagt Matthias Bölke. Der Präsident des Wirtschaftsverbands swisscleantech hält dabei nur massvolle Regulierung für notwendig. IN TERVIEW   Y V O N N E V O N H U N N I U S

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m 25. September stimmt die Schweiz über die Initiative «Für eine Grüne Wirtschaft» ab. Matthias Bölke setzt sich für ein «Ja» ein. Dabei ist der Verbandspräsi­ dent auch Wirtschaftsvertreter – als CEO der Schneider Electric Schweiz AG wie auch als CEO der Feller AG. swisscleantech unterstützt die Initiative «Für eine Grüne Wirtschaft». Warum? MATTHIAS BÖLKE   Wir sehen unser Engage­ ment als Teil unserer Klimapolitik. Wir wis­ sen, dass wir handeln sollten, um die Klima­ ziele, die ja auch die Schweizer Regierung in Paris beim COP21 Klimaabkommen zurecht unterzeichnet hat, zu erfüllen. Die Mitglie­ der bei swisscleantech teilen die Auffassung, dass eine Agenda für mehr Nachhaltigkeit enormes Innovationspotential birgt, welches die Schweizer Wirtschaft nutzen sollte. Die Initiative setzt ein hehres Ziel. Ist es auch erreichbar? Die Initiative ist ein Bekenntnis zur nachhal­ tigen Wirtschaft. Sie polarisiert und bringt ein paar Dinge auf den Punkt. Es ist in der Tat ein herausforderndes Ziel, welches man in den Übergangsbestimmungen festschreiben will: Die Schweiz soll bis 2050 einen ökologi­ schen Fussabdruck von eins erreichen. Aber es ist mit COP21 kompatibel und daher auch international relevant. Selbst der Bundesrat warnt, dass der Ressourcenverbrauch um 65 Prozent verringert werden müsste. Das sei nicht machbar. Stimmt das? Diese Reduktionsforderung ist das Resultat einer Betrachtung, die wir nicht teilen und 8

UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016

die auch die Initiative nicht vorschreibt. Die Initiative fordert eine Reduktion unseres öko­ logischen Fussabdrucks. Es geht vor allem um den Klimawandel. Ich finde es sehr gut, dass wir diese Diskussion führen, vor allem wegen riesiger Herausforderungen und mög­ licher Folgekosten. Deswegen sagen wir bei swisscleantech nicht von vornherein «nein» – sondern wollen die Chancen für unsere Wirtschaft hervorheben. Ich glaube, dass wir heute noch gar nicht absehen können, wie sich bestimmte technologische Innovationen auswirken. Sind Voraussagen über 35 Jahre machbar? Schauen Sie sich an, wie Digitali­ sierung, Software, Connectivity und die Glo­ balisierung unser Leben verändern, wie alte Businessmodelle und Unternehmen durch neue ersetzt werden: Es bestehen riesige Chancen. Wir müssen nur dafür sorgen, dass diese Entwicklungen in die richtige Richtung gehen. Dazu braucht es klare Ziele. Wie stark müsste der Ressourcenverbrauch denn wirklich eingeschränkt werden? Das ist aus heutiger Sicht wegen der tech­ nologischen Entwicklung nur schwer ab­ schätzbar. Den grössten Anteil bringen aber Prozess- und Energieeffizienz. Sehen Sie sich beispielsweise neue gut automatisierte Gebäude an: Nutzer fühlen sich extrem wohl, haben zusätzlich neue Services und verbrau­ chen bis zu 60 Prozent weniger Energie. Das ist tieferer Verbrauch bei mehr Lebensquali­ tät. So etwas setzt sich am Markt durch. Wie schnell, ist aber offen. Und ich sehe nicht, warum wir solche Entwicklungen nicht stär­ ker unterstützen sollten. In anderen Sektoren wie Transport, Infrastruktur und industri­ ellen Prozessen ermöglicht die Digitalisie­

rung ähnliche Vorteile. Wir machen unsere Umgebungen immer smarter. Wenn diese Entwicklungen in Richtung Effizienz gelenkt werden, hilft es dem Klimaschutz. Braucht es Investitionen? Ja. Ersparen wir dadurch fol­ genden Generationen enorme Folgekosten des Klimawandels? Hoffentlich. Droht nun eine Regulierungsflut? Eine Flut braucht es nicht. Aber ohne Rah­ menbedingungen und Regeln funktioniert unser Leben nicht. Regeln und Vorschriften tragen zur Sicherheit in Gebäuden, im Trans­ port, beim Fahren und Fliegen, beim tägli­ chen Wassernutzen und bei jedem Atemzug bei. Viele Firmen gehen freiwillig weitere Schritte. Wir gestalten zum Beispiel unser Unternehmen – Schneider Electric – bis 2030 CO2-neutral. Wir tun das, weil wir es wollen und weil es sich rechnet. Dies macht unser Unternehmen für unsere Kunden wertvoller, befeuert die Innovation und stiftet unseren Mitarbeitern viel Sinn. Aber um den Klima­ wandel in den Griff zu bekommen, braucht die Wirtschaft den Schulterschluss mit der Gesellschaft, mit der Politik. Allein werden ZUR PERSON Dr. Matthias Bölke, 54, ist Präsident des Wirtschaftsverbands swisscleantech, CEO der Schneider Electric Schweiz AG und CEO der Feller AG. Beide Unternehmen entwickeln und vertreiben Produkte und Lösungen für modernes Energiemanagement und Automation mit über 1000 Mitarbeitenden in der Schweiz. Die Feller AG entwickelt und produziert ausschliesslich in der Schweiz. Zudem führt Dr. Bölke als Country President Schneider Electric in Austria.


es Wirtschaft und coole neue Technologien wohl nicht schaffen. Progressive Wirtschaftsverbände wie swisscleantech sind deshalb wichtige Plattformen, um diese Themen zu vereinen und voranzubringen. Wie können sinnvolle Regulierungen aussehen? Sinnvoll sind Vorgaben zum «Was» und nicht zum «Wie». In vielen Fällen sind Anreize über den Preis optimal. Den Rest regelt der Markt. Ist der Ausstoss von Treibhausgasen teuer, etablieren sich Produkte und Prozesse, die wenig emittieren. Durch klare verlässliche Ziele werden Innovation und Entwicklung angeregt, die dann clevere Produkte und Prozesse hervorbringen. Und nochmal: Die Wirtschaft ist extrem dynamisch – wir können dies nutzen.

Bild: zVg

Treiben diese Regulierungen die Preise? Sie können gewisse Preise jedenfalls temporär beeinflussen. Es geht um das Ziel, den Temperaturanstieg unserer Erdoberfläche auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Da wir dafür Treibhausgase verringern müssen, redet man international über einen CO2-Preis. Den zu bezahlen und damit seine Reduktion zu beschleunigen macht viel mehr Sinn, als drastische Folgekosten des Klimawandels unseren Kindern zu über­lassen. Welche Folgen hätte die Ablehnung der Initiative für die Wirtschaft? Wir denken, es wäre eine verpasste Chance. International werden Innovationen in Clean­ tech zu einem immer relevanteren Wirtschaftsfaktor. Die Schweiz ist nicht schlecht positioniert, aber riskiert, abgehängt zu werden. Und wir wissen alle, wie wichtig Innovationen und Leadership für unsere Wirtschaft sind. Wir können nur langfristig erfolgreich sein, wenn wir innovativ bleiben. Themen wie Ressourceneffizienz und Klimawandel, aber auch Digitalisierung, Automatisierung und Big Data sind die Megatrends der nächsten Jahre. Das alles wird durch diese Initiative gefördert. Eine Ablehnung würde diesen Prozess sicher verlangsamen – wenngleich die Wirtschaft natürlich auch in der Schweiz an diesem Thema dranbleiben wird. Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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THEMA

Sauber unterwegs Wer reist, will von A nach B kommen. Ob er dazu Benzin oder Diesel braucht, Strom oder gar synthetischen Treibstoff, macht keinen Unterschied. Die Schweiz ist anderen Ländern im Verkehr schon heute weit voraus: Der Anteil des öffentlichen Verkehrs ist so hoch wie kaum wo anders, das gleiche gilt für den Anteil der Bahn am Güterverkehr. Ein Grossteil des öffentlichen Verkehrs läuft mit Strom. Auch Dieselbusse werden nun elektrisch, wie ABB mit dem TOSA in Genf zeigt. Mit Mobility hat die Schweiz auch ein gut funktionierendes System des Autoteilens. In Städten wie Basel und Zürich

Ein elektrischer Vorbote der Zukunft? Der TOSA von ABB fährt zu 100 Prozent mit Strom – ohne Oberleitungen.

sinkt der Anteil privater Autos bereits – man braucht sie nicht. Und doch macht der Verkehr noch immer fast ein Drittel des CO2-Ausstosses aus – Nummer zwei nach dem Gebäudebereich. Denn die Schweizer leisten sich nicht nur – noch immer – viele Autos, sondern auch grosse. Sie können es sich leisten. Doch inzwischen nimmt die Zahl der Stromautos schneller zu als die Zahl der Benziner und Die-

selfahrzeuge. Stromversorger bauen das Netz der Stromtankstellen aus. Die Schweiz könnte sich problemlos dafür entscheiden, eines Tages nur noch saubere Autos ­zuzulassen, die etwa mit Strom aus der Steckdose oder der Brennstoffzelle bewegt werden. Norwegen setzt 2025 als Stichdatum. Und wie sieht es mit dem Flug nach Barcelona oder auf die Malediven aus? Bertrand Piccards Solar Impulse

Bild: zVg/Hess

2 hat gerade die Welt ohne einen Tropfen Flugbenzin umrundet. Airbus und Siemens arbeiten daran, dass dies künftig Standard wird. Die beiden Unternehmen rechnen damit, dass noch vor 2030 Flugzeuge mit hybriden Motoren angetrieben werden, Strom also einen Teil des Flugbenzins ersetzt. Und die Lufthansa-Gruppe, Swiss eingeschlossen, fliegt schon heute von Oslo mit Biokerosin.

Warm duschen Die Schweizerinnen und Schweizer können auch nach der Annahme der Volksinitiative «Für eine Grüne Wirtschaft» warm duschen. Denn Wärme ist in der Schweiz im Überfluss vorhanden. Das weiss jeder Hausbesitzer, der sie sich mit einer Wärmepumpe aus dem Boden holt. Inzwischen können auch ganze Fernwärmenetze mit Wärme aus der Umgebung geheizt werden. In Genf wird dafür der Genfersee angezapft, in Küssnacht SZ der Vierwaldstättersee und auch St. Moritz setzt auf Wärme aus dem See. Wer will, kann sich die Wärme auch vom Dach holen – Solarthermie funktioniert. Ab 2020 wird die umweltgerechte Wärmeversorgung übrigens Standard. Ab dann sollen alle neuen Gebäude Niedrigstenergiehäuser werden, 10

UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016

Wärme im Überfluss: Aufs Heisswasser muss auch in der «Grünen Wirtschaft» nicht verzichtet werden.

also über das Jahr weg ihren Energiebedarf selber decken. Die Kantone haben bereits vor anderthalb Jahren die entsprechenden Mustervorschriften im Energiebereich erlassen. Minergie hat diesen neuen Standard möglich gemacht. Der freiwillige

Standard hat in zwei Jahrzehnten die Schweizer Bauwirtschaft ertüchtigt, energetisch immer effizientere Gebäude zu bauen. Die Kantone, die hinter Minergie stehen, haben die auf freiwilliger Basis geschaffenen Möglichkeiten später in staatlich verord-

Bild: Depositphotos.com/silverjohn

nete Standards übersetzt – so läuft Innovation in der Schweiz. Der Tolggen im Reinheft: Kein grösseres Land in Europa hat prozentual so viele Ölheizungen. Der Anteil von 38 Prozent an den Gebäudeheizungen ist Europarekord.


Mit Genuss Fleisch essen So idyllisch die Landwirtschaft aussieht, auch sie belastet Umwelt und Klima – mit den heutigen Methoden jedenfalls. Land- und Forstwirtschaft machen mit einem Anteil von 11 Prozent einen gewichtigen Bestandteil der Klimabelastung aus. Und Fleisch trägt erheblich dazu bei. Also kein Fleisch mehr? Durchaus nicht. Ausgerechnet das Fleisch, auf das die Schweiz so stolz ist, ist auch aus Umweltsicht sinnvoll. Nur 40 Prozent der ­Schweizer Landwirtschaftsflächen sind für den Ackerbau geeignet. Für den Rest passt Milch- und Fleischwirtschaft. Rinder, die Gras fressen, stossen weniger Methan aus als Rinder, die mit Kraftfutter gemästet worden sind. Wer also Bio­rindfleisch konsumiert, das auf Weideland produziert wurde, isst nicht nur das bessere Fleisch, sondern auch das umweltgerechtere. Glückliche Kühe von Schweizer Alpen nützen der Umwelt. Schweizer Forscher arbeiten zudem daran, dass alle Kühe glücklicher werden: Sie suchen

Die Kuh, eine Umweltsünderin? Jein. Insbesondere ihre Ernährung hat einen starken Einfluss auf ihre Klimabilanz. Bild: Depositphotos.com./wimseyed

nach Futterzusätzen, welche die Verdauung der Tiere verbessern und den ­Methanausstoss verringern. Auch Schweine bekommen womöglich bald andere N ­ ahrung. Forscher von Agroscope haben herausgefunden, dass die Schweizer ­Schweinezüchter ganz auf Importsoja verzichten könn-

ten. Die Schweine brauchten gar nicht so viel Protein, wie sie heute e ­ rhalten. Wer nicht so lange warten will, kann auch Geflügel, Pferdefleisch oder Kaninchen essen – ihre ­Klimabilanz ist von vorn­herein besser. Laut Forschern des Karls­ ruher I­ nstituts für Techno­-

logie kann die Land- und ­Forstwirtschaft mit Massnahmen wie anderen ­Futterzusätzen, ­effizienteren Wirtschaftsdünger und der Bindung von CO2 im Boden die Klimabelastung halbieren. Die Qualität der Lebensmittel würde damit steigen. Essen mit Genuss.

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THEMA

Welche Bäume dürfen unter welchen Bedingungen gefällt werden? Die Regulierungen der EU sind schärfer als jene der Schweiz – ein Handelshemmnis für die hiesige Holzwirtschaft. Bild: Depositphotos.com/ibogdan

Mit Regeln lebt’s sich besser UMWELTSCHUTZ  Saubere Luft und sauberes Wasser sind auch in der Schweiz keine Selbstverständlichkeit. Sie sind das Ergebnis von Regulierung. Fehlende Regulierung kann sogar zu einem Handelshemmnis werden und die Bürokratie verstärken, wie das Beispiel der Holzwirtschaft zeigt. TEXT   S T E F F E N K L A T T

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m Moment sind wir völlig in der Schwebe», sagt Jörg Reimer. Der Direktor und Vizepräsident des Schweizer Holzhandels ver­ weist auf die Benachteiligung der Schweizer Holzwirtschaft in Europa. Weil die Schweiz den Handel mit illegal geschlagenem Holz nicht verboten hat, kann es nur mit einem erhöhten bürokratischen Aufwand in die EU exportiert werden. Und exportiert wird viel. Im vergangenen Jahr wurden 2.56 Mil­ lionen Tonnen Holz im Gesamtwert von 1.46 12

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Milliarden Franken in die EU exportiert. Die Exporteure müssen jeweils nachweisen, dass das Holz nicht illegal geschlagen worden ist. Das sei ein klares Handelshemmnis, heisst es von Seiten des Holzhandels. OHNE USG-REVISION MEHR BÜROKRATIE Dabei hätte alles so einfach sein können. Der Revisionsvorschlag des Umweltschutzgeset­ zes (USG) hätte es dem Bundesrat erlaubt, eine Verordnung zur Regulierung des Handels mit Holz und Holzprodukten zu erlassen, die

mit derjenigen der EU gleichwertig gewesen wäre. Das bestehende Handelshemmnis hätte abgebaut werden können. Doch die neue bür­ gerliche Mehrheit hat die Revision abgelehnt, «aus ideologischen Gründen», wie Reimer vermutet. Die Revision war vom Bundesrat als Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für eine Grüne Wirtschaft» entworfen worden. So bleibt es bei der 2012 eingeführten Deklara­ tionspflicht für Holz. Das ist aufwendig für die Händler und ändert an der Benachteiligung der Schweizer Exporteure nichts.


REGELN HALTEN LUFT UND WASSER REIN Dabei hat die Schweiz gute Erfahrungen mit ihren Gesetzen zum Schutz der Umwelt gemacht. Heute sind Luft und Wasser (ziem­ lich) sauber. Das waren sie vor vier Jahr­ zehnten nicht. Da schäumten noch manche Bäche, die Luft stank nach Abgasen. Erst 1983 trat das erste Umweltschutzgesetz in Kraft, erst 1986 das Verbot von Phosphor in Waschmitteln. Beides wirkte: So wur­ den 10 950 in der Schweiz 460 000 Tonnen Schwefeldioxid produziert. 1980 waren es bereits 1160 000 Tonnen. Heute sind es noch 8000 Tonnen. Noch krasser war der Anstieg bei den Stickstoffoxiden: 1950 waren es 330 000 Tonnen, 1985 dann 180 000 Ton­ nen. Heute sind es noch 640 000 Tonnen. Der Bodensee enthält inzwischen wieder so wenig Phosphor wie bei der ersten Messung kurz nach dem Krieg: Sieben Mikrogramm pro Liter. Bis 1980 war der Phosphorgehalt

auf 83 Mikrogramm angestiegen. Andere Seen weisen ähnliche Entwicklungen auf. Schlichte Verbote helfen auch internatio­ nal. So hat das Montreal-Protokoll 1987 den Ausstoss von chlor- und bromhaltigen Chemikalien verboten, die das Ozon in der Erdatmosphäre zerstören. Diese Mass­ nahme hat gewirkt: Seit Jahren schrumpft das Ozonloch über der Antarktis wieder. Und der Wirtschaft hat die Massnahme nicht geschadet: Die Kühlschränke verwen­ den einfach andere Kühlmittel. KLIMASCHUTZ TREIBT INNOVATION Das Montreal-Protokoll war eine der ers­ ten internationalen Vereinbarungen zum Schutz der Umwelt. Sie basierte auf der Überzeugung vieler Länder – die Schweiz eingeschlossen –, dass es beim Ozon nicht um die Gesundheit von ein paar tausend Pinguinen in der Antarktis geht, sondern

um das Überleben der Menschheit. Das Kyoto-Protokoll 1996 war der unmittelbare Nachfolger. Auch hier geht es um einen Ver­ such, den Schaden menschlichen Handelns für die Natur und damit für die Lebens­ grundlage der Menschen zu beschränken, in diesem Fall: den Ausstoss von Treibhausga­ sen zu verringern. Zu den Massnahmen für den Klimaschutz in der Schweiz gehören etwa die CO2-Abgabe auf fossile Heizstoffe und die immer strengeren Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden sowie die steigenden Effizienzanforderungen an Autos. Beides hat die Wirtschaft angetrieben – die Bauwirtschaft baut immer energieef­ fizienter, die Automobilindustrie verstärkt ihre Innovationen. Die Initiative «Für eine Grüne Wirtschaft» folgt der gleichen Logik: Man kann nur mit den Ressourcen leben, die man hat. Sonst untergräbt man seine eigene Lebensgrundlage.

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THEMA

So schliesst sich der Kreis: Flaschen auf ihrem Rückweg zur Fabrik.

Foto: zVg

Fast alle machen mit RECYCLING  Die Schweiz hat schon heute eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft. Bei Papier und Glas, bei Elektroschrott und bei den PET-Flaschen ist die Wiederverwertung gut organisiert – eine Mischung aus staatlichen Vorgaben und privater Initiative. Perfekt ist das System noch nicht. TEXT   S T E F F E N K L A T T

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ean-Marc Hensch ist zufrieden. «Wir haben sehr vieles richtig gemacht», sagt der Geschäftsführer von Swico, dem Branchenverband der ICT-Unternehmen. Swico Recycling organisiert die Wiederverwertung elektronischer Geräte. Daran beteiligen sich Händler und Importeure dieser Geräte. Sie erheben bereits beim Verkauf eine vorgezogene Recyclinggebühr, die bei 10 Rappen für ein Mobil­ telefon beginnt und auf 28 Franken für sehr grosse Bildschirme steigt. Dieses Geld wird von Swico den Recyclingunternehmen ausgezahlt, welche die gebrauchten Geräte auseinandernehmen und die Bestandteile wiederverwerten. Die Konsumenten, die diese Gebühr zahlen, haben ihrerseits die Pflicht, die Geräte wieder abzugeben – und das Recht, dies in jedem Geschäft ohne Gebühr oder Neukauf zu tun. Die Entsorgung über den Hausmüll ist verboten. Die gesunkenen Rohstoffpreise setzen das System zwar unter Druck: Denn die Entschädigungen, die Swico Recycling den ver14

UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016

wertenden Unternehmen zahlt, passen sich monatlich an die Rohstoffpreise an. Doch: Swico hat Reserven für über ein Jahr. Eine Erhöhung der vorgezogenen Recyclinggebühr werde es daher zumindest für 2017 nicht geben, so Hensch.

die Mitglieder freiwillig mehr zahlen.» Das einzige wirkliche Problem: Manche Konsumenten werfen Verpackungen aus anderen Kunststoffmaterialien in die PET-Entsorgung. Das mache die Sortierung teurer und verschlechtere die Qualität des PET.

PET-GEBÜHR LEICHT GESTIEGEN Ähnlich klingt es beim Verein PRS PET-Recycling Schweiz. Er sammelt bei seinen Mitgliedern – Abfüller, Importeure, Hersteller, Händler – eine vorgezogene Entsorgungsgebühr ein, nimmt die gesammelten leeren PET-Flaschen entgegen und verkauft sie an die Betreiber der Wiederverwertungsanlagen, die beiden Thurgauer Unternehmen RecyPET und Poly Recycling. In Zeiten hoher Ölpreise war das ein gutes Geschäft. Heute ist neues PET billiger als das Rezyklat. Der Verein PRS hat deshalb auf den 1. Juli die Entsorgungsgebühr von 1.9 auf 2.3 Rappen heraufgesetzt. Die Entscheidung sei einstimmig gefallen, sagt PRS-Marketingleiter Lukas Schumacher. «Das System verhebt, solange

STAATLICH VERORDNET, PRIVAT ORGANISIERT Das Recycling von Elektroschrott und von PET-Flaschen hat eine Gemeinsamkeit: Es wird zwar jeweils in einer Verordnung geregelt, ist aber privat organisiert. Bei den PET-Flaschen beteiligen sich praktisch alle relevanten Akteure am System. Die Rücknahmequote liegt bei 82 Prozent. Erst wenn sie unter 75 Prozent sinkt, würde das Bundesamt für Umwelt eingreifen. «Wir haben keine relevanten Trittbrettfahrer», sagt Lukas Schumacher vom Verein PRS. «Alle grossen Akteure sind dabei.» TRITTBRETTFAHRER SCHÄDIGEN DAS SYSTEM Beim Elektronikschrott dagegen hatte Swico zwar in den 90er-Jahren das System in eige-


ner Initiative aufgebaut, die Freiwilligkeit der Teilnahme liess es aber an seine Grenzen stossen. Der Bund reagierte mit einer Verordnung, die noch heute die Grundlage des Recyclings von Elektroschrott bildet. Vollständig gelöst ist das Problem der Trittbrettfahrer noch nicht. Denn die Verordnung regelt zwar die Rücknahmepflicht, überlässt aber die Finanzierung der Privatwirtschaft. Und während Jean-Marc Hensch für Swico Recycling sagen kann, dass sich alle wichtigen Akteure beteiligen, gilt das nicht für die Stiftung SENS eRecycling, die sich um die Entsorgung von Haushaltgeräten und Leuchtmittel kümmert. Die Stiftung aktualisiert auf ihrer Internetseite regelmässig eine Liste von Unternehmen, die sich nicht an der Finanzierung des Systems beteiligen. Diese reicht von A wie Amazon bis Y wie der Solaranbieter Yingli Green Europe GmbH, der von Düsseldorf aus auch die Schweiz bearbeitet. Dazwischen finden sich auch grosse Händ-

ler wie Hornbach und Otto›s – und ganz viele Solaranbieter. Es kann sein, dass diese Unternehmen die Rücknahme der Geräte selbst organisieren. Aber niemand kontrolliert das. Wenn sie keine Geräte zurücknehmen und ihre ­Entsorgung nicht organisieren, dann nutzen sie die Beteiligung anderer doppelt aus – sie ziehen keine vorgezogene Recyclinggebühr ein und können damit billiger anbieten als die Konkurrenz, und sie schädigen das System. BUND MUSSTE BEIM GLAS EINGREIFEN Bei der Wiederverwertung von Papier und Glas besteht dieses Problem nicht – die Sammlung wird von den Gemeinden organisiert. Aber auch hier musste der Bund eingreifen, damit die Hersteller und Importeure von Glas sich am System beteiligen. Seit 2002 zahlen sie eine vorgezogene Entsorgungsgebühr. Für eine kleine Bierflasche

sind es 2 Rappen, für eine Weinflasche 6 Rappen. Beim Papier zeigte sich die Privatwirtschaft wenige Jahre später einsichtiger: 2006 schlossen die Abnehmer von Altpapier mit dem Städte- und dem Gemeindeverband einen Rahmenvertrag, der auch einen Mindestpreis festlegt, den sie den Gemeinden zahlen. BEIM ABFALL IST DIE SCHWEIZ ZWEITLETZTER Auch wenn die Kreislaufwirtschaft bei einigen Wertstoffen gut organisiert ist – eines kann sie nicht: die Menge des Abfalls einschränken. Obwohl inzwischen fast jede Gemeinde den gebührenpflichtigen Abfallsack kennt, ist die Schweiz mit 730 Kilogramm Siedlungsabfall pro Kopf Vize-Europameister, 22 Prozent mehr als noch 1995. Nur in Dänemark fällt mit 759 Kilogramm pro Kopf mehr Abfall an. Das ebenso wohlhabende Island dagegen kommt mit 345 Kilogramm nicht mal auf die Hälfte. Anzeige

22./23. September 2016 im KKL Luzern

Wie die Digitalisierung die Medienwelt verändert – und welche Chance sie der Schweizer Wirtschaft bringt

Mit internationalen Referenten Alan Rusbridger, Ex-Chefredaktor «Guardian», London

Kai Diekmann, Herausgeber «Bild», Berlin

Daniel Graf, Uber-Manager, San Francisco

John Della Volpe, Professor, Harvard

Und dazu Top-Referenten aus dem Inland: Doris Leuthard (Bundesrätin) • Veit Dengler (CEO NZZ-Gruppe) • Roger de Weck (Generaldirektor SRG) • Philipp Gmür (CEO Helvetia) • Max Rheiner (Virtual-Reality-Pionier) • Susanne Ruoff (CEO Die Post) • Marcel Stalder (CEO EY Schweiz) • Urs Schaeppi (CEO Swisscom) • Pietro Supino (Verleger Tamedia) • Marc Walder (CEO Ringier) Informationen und Anmeldung: www.swissmediaforum.ch/anmeldung

Leading Partner:

Moderation: Susanne Wille (SRF)�


THEMA

Norwegen räumt den Weg frei für die Klimazukunft: Ab 2025 sollen keine fossil getriebene Neuwagen mehr verkauft werden dürfen.

Foto: zVg

Norwegen bremst Benziner aus VERKAUFSSTOPP  Norwegens Transportbehörden wollen nach 2025 den Verkauf von allen benzin- und dieselgetriebenen Neuwagen zugunsten von Elektroautos verbieten. Die Chancen auf eine Umsetzung stehen gut, obwohl die Elektroautos auch kritisiert werden. TEX T   A N D R É A N W A R , S T O C K H O L M

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in Land völlig ohne Benzin- und Dieselautos, das klingt auch heute noch nach ferner Zukunftsmusik. Doch in Norwegen könnte dies ab 2025 Wirklichkeit werden. Autohändlern soll es dann verboten werden, Neuwagen vom Personenkraftwagen bis zum Kleintransporter mit Benzin- oder Dieselantrieb an Privathaushalte und Firmen inklusive Taxiunternehmen zu verkaufen. Ausnah16

UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016

men bilden lediglich schwerere Fahrzeuge, für deren Antrieb weiterhin fossile Brennstoffe notwendig sind. Dies zumindest sieht Norwegens «Nationaler Transportplan 20182029» vor. CHANCEN STEHEN GUT Der über 300 Seiten lange Bericht ist von den vier Landesbehörden für Strassen, Eisenbahn, Küsten, und Flugplätze erstellt wor-

den. Er soll die CO2-Emissionen des Transportsektors bis 2030 halbieren und helfen, das Ziel Norwegens, bis 2050 ein CO2-neutrales Land zu sein, zu erreichen . Im Frühling 2017 wird das Parlament dazu Stellung nehmen. Die Chancen für eine Durchführung gelten als realistisch: «Analysen unserer Umwelt- und Transportbehörden indizieren, dass der Übergang vom Benzinauto zum Elektroauto dann realistisch ist,


auch wenn noch Unsicherheiten bestehen», sagt Jan Lund, Chef für die strategische Planung beim staatlichen Strassenamt. SUBVENTIONEN MACHEN WEG FREI Ausgerechnet Norwegen, das zirka 3.7 Millionen Fass Erdöl pro Tag fördert, ist in nur vier Jahren zum Mekka der Elektroautos aufgestiegen. In keinem anderen Land ­rollen heute gemessen an der Einwohnerzahl so viele Stromautos. Die leisen Flitzer stellen heute rund ein Viertel aller Neuzulassungen dar. Der Stromautoboom wurde mit ­kräfti­gen Steuererleichterungen finanziert, die ­jähr­­­­­lich bis zu vier Milliarden Kronen (460 Mil­lio­­nen Fran­ken) gekostet haben. Zusätz­ lich ist der Kauf mehrwertsteuerfrei und Elektroauto­besitzer haben Privilegien im Strassenverkehr. Sie dürfen etwa ­Busspuren nutzen, kostenlos parken und sind von der Maut befreit. Eigentlich sollen viele der Subventionen bis 2018 wegfal-

len. Die Transportbehörden glauben, dass ihr Plan trotzdem durchführbar ist, indem andere Verbesserungen realisiert werden. So soll das Netz von Lades­tationen ausgebaut werden. Auch der technische Fortschritt soll den Übergang vom Benziner zum Elektroauto erleichtern. «Voraus­sichtlich werden sich bis 2025 die Preise und die Funktionsfähigkeit von ­Nullausstossautos, etwa in Bezug auf B ­ atterieausdauer und Ladezeit, soweit verbessert haben, dass sie eher zur natürlichen ersten Wahl für K ­ äufer werden. Dann können auch die teuren ­staatlichen Anreize verringert werden», sagt Lund. Und weiter: «Auch die erfolgreiche Einführung von Brennstoffzellenautos wird zum Übergang beitragen.» BUSSE WERDEN LANGSAMER Es wird jedoch kritisiert, dass vor allem w ohlhabende Grossstadtbewohner, die ­ von einer guten Nahverkehrsanbindung

­p ro­­­­­f itieren, Elektroautos als zusätzlichen Luxus kaufen. Über 90 Prozent aller ­nor­we­gischen E-Autobesitzer haben noch ein konventionelles Fahrzeug, wird geschätzt. Oft sind es diese Zweitwagen, welche die Osloer Busspuren verstopfen. Eine ­Studie des dortigen Nahverkehrsbetriebes hat ergeben, dass sich die Fahrzeit mit Bussen dadurch um 20 Prozent erhöht hat. Dies soll zu rund acht Prozent weniger Buspassagieren geführt haben. «Der Umweltvorteil der Stromautos ist dabei, durch Nachteile auf­ gefressen zu werden», warnte Bard Norheim, Norwegens bekanntester Transportexperte, in der Zeitung «Aftenposten». Auch ökonomisch wird das Stromauto zunehmend infrage gestellt. «Die staatliche Subvention von jährlich rund 6200 Euro pro Stromauto kann andernorts wirksamer zur CO2-Reduktion genutzt werden», kritisiert Anders Skonhoft, Volkswirtschaftsprofessor der Universität Trondheim. Anzeige


CLEANTECH

Bionik inspiriert SHIFT ZURICH  Innovation entsteht über regionale und fachliche Grenzen hinweg. Laut dem Leiter der kantonalen Standortförderung Zürich im Amt für Wirtschaft und Arbeit Markus Assfalg entfaltet sich dieses Potential gerade in der Bionik. Der Kanton unterstützt die Konferenz SHIFT Zurich zu bioinspirierter Innovation und Finanzierung. IN TERVIEW   Y V O N N E V O N H U N N I U S

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weimal im Jahr trifft sich die ­Bionik-Gemeinschaft am SHIFT Sum­­ mit Zurich, der führenden ­Platt­­form für Investoren, Unternehmer und Wissenschaftler aus aller Welt, um widerstandsfähige und von der Natur und ihren Prinzipien inspirierte Lösungen und Strategien zu finden. Sie folgen dem ­Beispiel von Leonardo Da Vinci, der bereits 1505 versuchte, den Vogelflug auf Maschinen zu übertragen. Am 25. und 26. August findet der SHIFT Summit Zurich zum dritten Mal statt. Weshalb gerade Zürich? Was hat die Stadt mit bioninspirierten Innovationen gemein? MARKUS ASSFALG  Zürich ist hierfür eine ideale Plattform. Hervorragende naturwissenschaftliche Forschung besitzt im Kanton Zürich einen sehr hohen Stellenwert. Dabei ist man immer offen für Experimente. Es gibt eine Tradition dafür, neue Ideen in die eigene Arbeit zu integrieren und gegebenenfalls auch bis zu einem marktfähigen Produkt weiterzuentwickeln. Es ist dem unternehmerischen Geist in Zürich zu verdanken, dass dabei auch den Ideen eine pragmatische Chance gegeben wird, die auf den ersten Blick exotisch wirken. Das ist eine Stärke unseres Standorts. Leitthema von SHIFT Zurich 2016 sind LeichtbauKonstruktionen und -Materialien, die auch für die Luft- und Raumfahrt entscheidend sind. Ist das Thema wichtig für Zürich? Ja, denn es existiert in Zürich ein bedeutendes Aerospace-Cluster. Hier werden Hightech-Entwicklungen wie Satellitennavigationssysteme vorangetrieben, die auf die europäische Raumfahrt abzielen. Die Standortförderung des Kantons Zürich arbeitet zudem eng mit einem namhaften Nanocluster zusammen, das sich schwergewichtig mit Materialwissenschaften befasst. Ein Leuchtturm für Zürich ist auch die EMPA. Alle diese Institutionen wirken mit ihren Lösungen 18

UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016

ZUR PERSON Markus Assfalg führt als Leiter des Standortmanagements des Kantons Zürich seit 2009 die Standortförderung beim Amt für Wirtschaft und Arbeit. Nach einer Berufslehre als ­Elektromechaniker bildete er sich auf dem zweiten Bildungsweg zum Anwalt und im Management weiter. Assfalg war unter anderem für die SBB und die Universität St. Gallen tätig.

paradigmatisch auch als Anstoss für Innovationen in anderen Wirtschafts- und Wissenschaftsbereichen. Wie das? Das ist vor allem durch interdisziplinäre Vernetzung möglich. Wir pflegen in Zürich einen regen Austausch zwischen unterschiedlichen Clustern und nutzen sehr bewusst die Gunst der kurzen Wege. Inspirationsquellen sind dabei nicht nur Clustertreffen, sondern natürlich auch Konferenzen wie SHIFT. Welche Wirtschaftsbereiche sehen Sie noch von Bionik-Themen beeinflusst? Bionik kann innovationsfördernd wirken im für Zürich bedeutenden Life-Science­ Cluster bei den Medizinaltechnologien. Gerade in diesen Tagen haben die Leiter der ETH Zürich, der Universität Zürich und des Universitätsspitals die Absicht vertieft, gemeinsam ein weltweit führendes Gesundheitscluster zu entwickeln. Auch die Kreativwirtschaft und das ICT-Cluster können von Bionik-Erkenntnissen profitieren. Selbstredend lässt sich das Cleantech-Umfeld etwa im Bereich der Gebäudetechnologien oder neuen Materialien davon inspirieren. Die Potentiale gehen aber noch viel weiter.

Sind in Zürich für langfristige wie aussergewöhnliche Projekte ausreichend Investoren vorhanden? Im Finanzbereich in Zürich besteht nicht zuletzt durch den Fokus auf Vermögensverwaltung auch eine langfristige Perspektive. Gleichzeitig hat sich der Fintech-Bereich mit jungen, innovativen Unternehmen in der letzten Zeit sehr dynamisch und erfreulich entwickelt. Das zeugt nicht nur vom Innovationswillen im Finanzbereich, sondern kann auch Bionik-Ideen neue Chancen bieten. Indem digitalgetriebene Innovationen im Finanzbereich Bionik-Innovationen beflügeln? Durchaus. Es entstehen zurzeit Finanzie­ rungsmodelle, beispielsweise durch die chain-Technologie. Die grossen Ak­ Block­­ teu­ re im Finanzbereich sind zahlreiche Ko­ope­rationen mit neuen Initiativen, unter anderem aus dem Impact Hub, eingegangen. Dabei entwickelt sich eine Kultur, die disruptive Innovationen erst möglich macht und gleichzeitig die Stabilität am Standort im Auge behält. Welchen Grundgedanken der Bionik halten Sie für die Wirtschaft für besonders wertvoll? Das Prinzip der Selbstorganisation von Systemen und das Vertrauen darauf, dass unter anderem durch Kooperation Stabilität gefördert wird. Es gibt immer auch chaotische Phasen, die im positiven Sinne Chancen für neue Entwicklungen bieten. Letztlich stellt sich wieder ein stabiler Zustand ein. Dieses Paradigma gilt auch für den Innovationsprozess: Bei disruptiven Innovationen greifen kleinere und oft branchenfremde Akteure grosse an, was Ängste und Abwehrreflexe hervorruft. Kleine Unternehmen sind meistens flexibler und können wendiger am Markt agieren als grosse Unternehmen, die ihre Kunden pflegen müssen. Das kann zu einer chaotischen Situation führen. Kooperation ist eine Möglichkeit, mit deren Hilfe wieder Stabilität erlangt werden kann.


Auf Piccards Spuren

FACEBOOK-DROHNE  Das Schweizer Solarflugzeug Solar Impulse 2 steht vor dem Abschluss seiner Weltumrundung. Die von Facebook entwickelte Drohne Aquila weist viele Ähnlichkeiten damit auf. Sie soll das Internet in entlegene Gegenden bringen. Viele Unternehmen arbeiten gerade an diesem Ziel.

Aquila kurz vor dem Takeoff. Von links nach rechts: Kathryn Cook, Technische Programmleiterin; Yael Maguire, Leiter des Connectivity Labs; CEO und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und Jay Parikh, Global Head of engineering and infrastructure. Foto: zVg/ internet.org

TEXT   J O H N D Y E R , B O S T O N

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acebook will das Internet verändern. Und hat dabei einen neuen Meilenstein erreicht, wie das Unternehmen Ende Juli mitgeteilt hat. Denn da wurden die ersten Ergebnisse des Testflugs mit der Drohne Aquila bekanntgegeben. Das solarbetriebene Fluggerät soll in Zukunft monatelang in der Luft bleiben und entlegene Gegenden mit Breitbandinternet versorgen. Wirtschaftliche Entwicklung und neue Märkte für Facebook, Google und Co. sollen daraus entstehen. ÄHNLICHKEITEN MIT SOLAR IMPULSE Facebook-Chef Mark Zuckerberg war Zeuge von Start und Landung, die Ende Juni an der Grenze zwischen Arizona und Kalifornien durchgeführt wurden. Aquila hat dabei die Erwartungen übertroffen und ist 96 Minuten in der Luft geblieben, dreimal länger als geplant. Die Drohne ähnelt äusserlich dem Schweizer Solarflugzeug Solar Impulse 2, das kurz vor Abschluss seiner Weltumrundung steht. Das Wetter und eine Erkrankung von Initiator und Pilot Bertrand Piccard hatten die Abschlussetappe von Kairo nach Abu Dhabi zuletzt verzögert. Die Aquila hat die Spannweite einer Boeing 737, wiegt aber nur so viel wie das Toyota-Stromauto Prius, wie Facebook erklärt. Einmal in der Luft, wird sie durch Solarstrom angetrieben und verbraucht rund 5 000 Watt, also so viel

wie drei Haartrockner. Bei einer geplanten Flughöhe von 27 400 Metern soll die Drohne in der Lage sein, drei Monate lang in einem Umkreis von 96 Kilometern drahtloses Internet zur Verfügung zu stellen. NOCH VIEL ARBEIT Laut Facebook haben weltweit vier Milliarden Menschen oder 60 Prozent der Erdbevölkerung keinen Zugang zum Internet. «Ein Internetzugang kann das Leben verändern», meint Jay Parikh, der bei Facebook für Infrastrukturprojekte verantwortlich ist. «Milliarden Menschen erhalten durch neue Technologien wie Aquila eine Stimme und neue Möglichkeiten. Und das schneller und kosteneffizienter, als es jemals zuvor möglich war.» Noch steht aber viel Arbeit an. Bislang konnte ein solarbetriebenes Fluggerät maximal zwei Wochen in der Luft bleiben. Auch im Hinblick auf den Empfang des Internets, der durch Turmkonstruktionen möglich gemacht werden soll, müsse mit Betreibern, Regierungen und anderen Partnern zusammengearbeitet werden, meint Parikh. WETTLAUF IM GANG Auch andere Technologieunternehmen arbeiten an einer weiteren Verbreitung des Internets. «Ich hoffe, diese Technologien sind erfolgreich genug, um diesem Ziel zumindest einen grossen Schritt näher zu kom-

men», sagt Luftfahrtprofessorin Kerri Cahoy vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Laut Cahoy arbeiten das Militär und die Weltraumbehörde NASA ebenfalls an Drohnen, die das Internet verbreiten sollen. Das Mutterunternehmen von Google, Alphabet, arbeitet an Ballonen, die über dem von Flugzeugen genutzten Luftraum schweben und von dort aus das Internet auf der Erde ermöglichen sollen. Und das Jungunternehmen OneWeb aus dem US-Bundesstaat Virgina will gemeinsam mit Airbus Satelliten entwickeln, über die das Internet in entlegene Regionen gebracht werden kann. Elon Musk, Chef des Raumfahrtunternehmens SpaceX, hält Satelliten ebenfalls für einen geeigneten Ansatz. All diese Unternehmen wollen gerade die technischen Hürden nehmen. Doch sie müssen auch herausfinden, welche Möglichkeiten am wirtschaftlichsten sind. «Wenn sich Kommunikationsnetzwerke oberhalb der Erdoberfläche befinden, sind sie nicht so effizient», meint Andrea Goldsmith, Telekommunikationsexpertin von der Univer­ sität Stanford. «Daher sind die drahtlosen Kommunikationssysteme, die wir nutzen, ja auch meist auf dem Grund verankert.» Sie meint aber auch, es werde interessant sein zu sehen, ob Facebook, Google oder andere eine erfolgreiche Infrastruktur in der Luft entwickeln können. Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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EUROPA

Europa zähmt seine Populisten KRÄFTEUNGLEICHGEWICHT  Europa scheint von einer Krise in die andere zu schlittern: Eurokrise, Ukrainekrise, Flüchtlingskrise, Brexit. Die Gewichte auf dem Kontinent verschieben sich. Vielen Europäern ist unwohl dabei. TEXT   S T E F F E N K L A T T

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ie erste Reise von Theresa May als neue Premierministerin ging nach Edinburgh. Die zweite ging nach Berlin. Erst danach Brüssel und Paris – und dann lange nichts. Das sagt viel aus über die Prioritäten der neuen Regierungschefin nach der Entscheidung über den Austritt aus der EU: Sie muss erstens versuchen, Schottland im Vereinigten Königreich zu halten. Und sie muss zweitens mit ihrer Amtskollegin Angela Merkel versuchen, eine friedliche Scheidung zwischen Grossbritannien und der EU zu erreichen. Der neue politische Schwerpunkt des Kontinents liegt in Berlin, nach dem Brexit-Entscheid mehr denn je. ZURÜCKHALTENDER RIESE Das ist eine ungewöhnliche Entwicklung. Noch der politische Ziehvater Merkels, Langzeitkanzler Helmut Kohl, hatte alles daran gesetzt, das politische Gewicht Deutschlands zu beschränken. Nur unter dieser Bedingung konnte er die Wiedervereinigung durchsetzen. Dabei war der deutsche Riese zu Kohls Zeiten ein Scheinriese. Das Wirtschaftswunderland hatte sich mit dem Anschluss des Ostens überhoben. Erst unter Gerhard Schröder reformierten sich zunächst die Unternehmen und dann der Staat. Schröder wurde dafür aus dem Amt gejagt, Merkel erntete die Früchte. Doch auch Merkel hielt sich zunächst an die alte Regel, dass Deutschland immer nur mit anderen zusammen führen darf, vorzugsweise mit Paris. So löste sie noch zusammen mit Nicolas Sarkozy die Verfassungskrise der EU nach 2005. FÜNFTE REPUBLIK AM ENDE Doch diese Achse Berlin-Paris gibt es nicht mehr: Die Fünfte Republik steckt in der Krise. Das System, vor über einem halben Jahrhundert vom Autokraten Charles de Gaulles völlig auf den Mann im Elysée-Palast zugeschnitten, blockiert sich selbst. Der

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UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016

Staat ist zu gross, um noch bezahlbar zu sein. Er ist zu grobschlächtig, um in einer liberalisierten Welt die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sichern. Seine Eliten sind in ihrer ­eigenen Blase gefangen. Selbst wenn sie Frankreich reformieren wollten – in einem zentralisierten Machtgefüge, in dem die ­ Befehle von oben nach unten gereicht werden, sind Reformen nicht möglich. Zu viele profitieren von diesem auf Paris ausgerichteten System. Frankreich als Staat funktioniert nur noch, weil die Finanzmärkte seine Defizite decken. Unter Jacques Chirac durchbrachen die Staatsschulden die Schallmauer von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Unter seinem Nach-Nachfolger François Hollande übersteigen sie die 100 Prozent. Unwahrscheinlich, dass die Finanzmärkte in alle Ewigkeit hinein die Pariser Schulden finanzieren werden. Wann wird das Ende erreicht sein? Bei 130 Prozent wie heute in Italien? Bei 170 Prozent wie heute in Griechenland? EUROKRISE ALS ZEITENWENDE Diese Zahlen sind auch in Paris bekannt. Und daher war es nur natürlich, dass Frankreich in der Eurokrise als Partner für Deutschland wegfiel. Denn auch Frankreich wünschte sich wie Griechenland die Vergemeinschaftung aller Schulden. Dann würden letztlich Deutschland und die nord- und osteuropäischen Staaten mit ihren niedrigeren Schulden die Pariser Rechnungen zahlen. Wenig erstaunlich, dass nicht nur Berlin dankend ablehnte, sondern der ganze Rest der Eurozone auch. Die Eurokrise ist für Europa eine Zeitenwende gewesen. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurde Wachstum über Schulden finanziert. Doch nun hat die «Berliner Koalition» in der EU die Notbremse gezogen: Künftig sollen die Länder mit den Mitteln auskommen, die sie selber erwirtschaften. Diese Koalition

ist stark genug, um Griechenland, Portugal und Spanien auf Kurs zu bringen. Aber sie ist nicht stark genug, um Frankreich – und ­Italien – zum Einlenken zu bewegen. Sie muss diese Arbeit den Finanzmärkten überlassen. REINHEIT ALS IDEAL So wichtig die Eurokrise war, sie hat nur an der Oberfläche gekratzt. Die Flüchtlingskrise dagegen reicht wesentlich tiefer als die Frage, wo welche Flüchtlinge untergebracht werden. Sie berührt vielmehr die Frage nach der Identität jedes einzelnen Landes. Wiederum illustriert Frankreich das Problem: Die «Grande Nation» versteht sich als die eine Republik aller Franzosen. Gleiche Sprache, gleiche Kultur, gleiche Denkweise – «le republicanisme». Dieses republikanische Frankreich wurde geschaffen, indem alles, was anders war, mit viel Geduld assimiliert wurde. Bretonen, Elsässer, Flamen, Katalanen, Korsen, Provençalen wurden in Generationen zu Franzosen gemacht. Aber Frankreich versagte, als es galt aus denjenigen Algeriern Franzosen zu machen, die nach der blutig erkämpften algerischen Unabhängigkeit im einstigen Mutterland bleiben wollten. Millionen nordafrikanischer Moslems leben in einem Land, indem es eigentlich keinen Platz gibt für Nicht-Franzosen. Das macht Frankreich derzeit so anfällig für den islamistischen Terror. Frankreich steht damit nicht allein. Ganz Osteuropa hat eine Geschichte der brutalen ethnischen Säuberungen hinter sich – natio­ nalsozialistische Vernichtungspolitik, stalinistische Vertreibungen. Länder wie Polen, Tschechien oder Ungarn sind heute ethnisch so «rein» wie nie zuvor. Das heisst auch, dass die heute lebenden Generationen gar nicht mehr wissen, wie man mit Nicht-Polen, Nicht-Tschechen, Nicht-Ungaren zusammenleben soll.


Die gemässigte Theresa May ist Premierministerin, ihr populistischer Parteikollege Boris Johnson muss sich derweil mit einem Platz in der zweiten Reihe begnügen. Bild: Keystone, Will Oliver

KULTURKAMPF UM FREIZÜGIGKEIT Damit widerspricht die Lebenswirklichkeit der östlichen Hälfte der EU dem Ideal, das Europa in den vergangenen Jahrzehnten ent­ wickelt hat. Wenn die Personenfreizügigkeit zu den nicht verhandelbaren Freiheiten in der EU gehört, dann ist die ethnische Rein­ heit nicht mehr haltbar. So aber haben sich die Polen, Tschechen und Ungaren Europa nicht vorgestellt. Sie verstanden unter ­Frei­­zügigkeit das Recht, in London oder Berlin zu einem höheren Lohn als zuhause arbeiten zu können. Ein Jahrzehnt nach dem Beitritt müssen sie feststellen, dass sie sich geirrt haben. Das hat einen Kulturkampf aus­ gelöst. Es ist auffällig, dass dieser Kulturkampf ausgerechnet in der Schweiz zuerst sichtbar wurde. Auffällig deshalb, weil die Schweiz so viele Neuzuzüger so gut integriert hat wie kein anderes Land ihrer Grösse. Dennoch war die Abstimmung vom 9. Februar 2014 das europaweit erste Stoppsignal gegen eine ungehinderte Freizügigkeit. Offensichtlich hat die Schweiz mit einer Zuwanderung von jährlich mindestens einem Prozent mehr Einwohnern eine rote Zone erreicht, bei der Integration nicht mehr funktioniert. Offen­ sichtlich braucht es ab dieser Grössenord­ nung Bremsmechanismen – wie sie ausse­

hen können, wird die Schweiz vielleicht in den nächsten Monaten herausfinden. DIE ZÄHMUNG DER POPULISTEN Das Ende der Schuldenwirtschaft und damit verbunden des finanzstarken Sozialstaates, der wachsende Anteil von Ausländern im eigenen Land – das verunsichert viele Euro­ päer. Sie suchen eine scheinbar heile Welt, die es nie gegeben hat und die verantwortli­ che Politiker ihnen ehrlicherweise nicht ver­ sprechen können. Damit schlägt die Stunde derer, die es dennoch tun: Es ist leicht, das Blaue vom Himmel und die Rückkehr in das verlorene Paradies zu versprechen, wenn man die Versprechen nicht einlösen muss oder wenn die Einlösung der Versprechen von anderen bezahlt wird – von Einwande­ rern etwa. Die Argumente und Versprechen der Populisten sind sich zum Verwechseln ähnlich: Gebt mir Macht, dann schütze ich euch vor den bösen Ausländern und dem all­ mächtigen Europa. Auffällig aber: Wenn Populisten in Eu­­ ro­pa an die Macht kommen, dann mässi­ gen sie sich. Politiker wie Ungarns Viktor Orban mögen neidisch auf Putins Russland schauen. Aber sie lassen keine Oppositionel­ len ermorden oder Unternehmen enteignen. Ein Kaczynski in Polen ist kein Erdogan und

ein Boris Johnson kein Trump – trotz ähnli­ cher Frisur. Wer in Europa an die Macht will, der verdirbt es sich nicht mit den Nachbar­ ländern. Er verdirbt es sich auch nicht mit jenem erheblichen Teil der eigenen Bevölke­ rung, der sich zu Europa bekennt. So ist auf­ fällig, dass die so EU-skeptische FPÖ einen Austritt Österreichs aus der EU ablehnt. Das gleiche gilt für die Dänische Volkspartei. Auch in der Schweiz gibt es offensichtlich eine deutliche Mehrheit für den Erhalt der bilateralen Abkommen. EUROPA LÖST PROBLEME NUR ­GEMEINSAM Europa ist zu einer Realität geworden. Es gibt die Nationalstaaten noch, aber sie teilen ihre Souveränität mit den anderen Staaten. Europa kann nicht von oben durchgesetzt werden, sondern wächst durch Krisen – und meist von unten. Einfache Lösungen gibt es auf diesem Kontinent nicht, lediglich konkrete Antwor­ ten auf konkrete Fragen. Das gilt für Mitglie­ der wie Nichtmitglieder der EU. Auch The­ resa May wird lernen, dass der Unterschied zwischen Mitgliedschaft und Nicht-Mitglied­ schaft gar nicht so gross ist. Beim ersteren ist man dabei, wenn neue Regeln vereinbart wer­ den, bei letzterem setzt man die Regeln nur um – wie es die Schweiz macht. Man kann aus der EU austreten. Aber nicht aus Europa. Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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EXPORT

Der wichtigste Wettbewerbsvorteil von Schwellenländern schwindet: Ihre Tieflohnarbeiter werden zunehmend durch Roboter ersetzt.

Bild: Depositphotos.com/paulprescott

Roboter schlagen Tieflöhne WACHSTUMSMODELL  Die Automatisierung schreitet voran, die Roboter machen Fortschritte. Damit schwindet ein wichtiger Wettbewerbsvorteil von Schwellenländern: die billigen Löhne. Neue Studien warnen vor dramatischen Folgen für die Aufholjagd der Staaten. Asien sucht nach einem neuen Wachstumsmodell. TEX T   F R E D E R I C S P O H R , B A N G K O K

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s sind die ersten Anzeichen einer Zeitenwende: Als Adidas in ­diesem Frühling verkündete, dass es wieder Schuhe in Deutschland produzieren werde, machte das auch in Asien Schlagzeilen. Die Produktion solle künftig in den Absatzmärkten stattfinden, um schneller auf Markttrends oder sogar auf individuelle Wünsche reagieren zu können, kündigte ­Adidas-Chef Herbert Hainer an. Möglich ist die Verlagerung der Fertigung dank neuer Spezialmaschinen, die Schuhe fast voll­ kommen automatisch herstellen können. WENIGER ARBEITER BENÖTIGT Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte das dramatische Veränderungen für die Aufholjagd der Schwellenländer bedeuten. Bisher entstand eine Mittelschicht dadurch, dass Landarbeiter besser bezahlte Jobs in den Fabriken der Städte fanden und günstig für die Exportmärkte produzierten. Weil sich Industrien komplett zurückziehen oder in den Fabriken der Schwellenländer selbst weniger Arbeiter benötigt werden, dürfte das bald nicht mehr funktionieren: «Die Industrialisierung wird künftig deutlich weniger Arbeitsplätze entstehen lassen», warnen die Citi-Bank und die Universität Oxford in einer gemeinsamen Studie. «Die Schwellenländer müssen sich ein neues Wachstumsmodell 22

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überlegen.» Ökonomen gehen davon aus, dass selbst anspruchsvolle Tätigkeiten dereinst von Robotern übernommen werden können, was zu einer dramatischen Entwertung des Faktors Arbeit führen könnte. Bisher drehte sich die Diskussion hauptsächlich um die Bedeutung, welche diese Entwicklung für Industriestaaten hat. Doch Schwellenländer könnte es weit härter treffen. Schliesslich verdienen dort viele Menschen mit eher einfachen Tätigkeiten ihr Geld – entsprechend einfach können sie ersetzt werden. IN INDIEN 70 PROZENT DER JOBS ERSETZBAR Beispiel Asean: Eine nun veröffentlichte Studie der Internationalen Arbeitsorganisation kommt zu dem Schluss, dass in Vietnam und Kambodscha 90 Prozent aller Arbeiter in der Textilindustrie ihren Job zu verlieren drohen. Ökonomen der Weltbank rechnen im diesjährigen «World Development Report» vor, dass in Thailand und Indien rund 70 Prozent aller aktuellen Arbeitsplätze technisch gesehen bereits durch Roboter ersetzt werden könnten. In Äthiopien sind es sogar 85 Prozent, in den reichen OECD-Staaten hingegen nur 57 Prozent. Nicht nur das Beispiel Adidas zeigt, dass es künftig schwieriger wird für ungelernte Arbeiter. Apple-Zulieferer Foxconn hat im Mai bekannt gegeben, in einer Fabrik in kürzester Zeit rund 60 000 Arbeiter durch

Roboter ersetzt zu haben. Den Citi-Ökonomen zufolge ist ein Roboter bereits im dritten Jahr nach seiner Anschaffung günstiger als ein ungelernter Fabrikarbeiter. NEUES WACHSTUMSMODELL GESUCHT Natürlich sind Roboter prinzipiell gut für eine Wirtschaft: In der Regel steigern sie die Produktivität und sind für die ­Anhebung des Lebensstandards in Schwellenländern unverzichtbar. Doch wenn eine rasche V erbreitung schnell zu gravierender ­ ­Arbeitslosigkeit führt, stellt sich die Frage, wie der Wohlstand innerhalb der G ­ esellschaft ­verteilt werden soll. Indhira Santos, eine der Autorinnen der Weltbank-Studie, vermutet, dass mittelfristig auch in Schwellenländern über Massnahmen wie ein bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert werden wird. Kopfzerbrechen bereitet den Ökonomen nun, wie ein neues Wachstumsmodell für Schwellenländer aussehen könnte. Die C iti-Bank und die Universität Oxford ­ ­empfehlen, die Binnennachfrage zu stärken, um als Absatzmarkt und als Produktions­ standort attraktiv zu bleiben. Einigkeit herrscht darüber, dass die Schwellenländer den Bildungsstandard und die Qualifikation ihrer Arbeiter heben müssen. Doch: Viele der Fabrikarbeiter können nicht einmal ­schreiben.


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Grenze erreicht SHARE ECONOMY Seit Jahren expandiert der Fahrdienst Uber und erobert neue Märkte. Doch nun verkauft das US-Unternehmen sein China-­ Geschäft an den Rivalen Didi. Beobachter vermuten eine nachlassende Begeisterung auf Investorenseite als Hintergrund. TEXT   J O H N D Y E R , B O S T O N

U

ber verliert an Rückenwind. Die INVESTOREN DRÄNGEN AUF BÖRSENGANG Übernahme von Uber China durch Nach dem Ende des eigenen China-­Geschäfts den einheimischen Konkurrenten und angesichts seiner dominierenden Rolle Didi Chuxing könnte ein Indiz dafür sein, dass in vielen anderen Ländern werden die das Ende der bisher als praktisch unbegrenzt ­Anleger jetzt darauf drängen, dass ­Kalanick scheinenden Finanzierungsmöglichkeiten für endlich einen Börsengang einleitet, sodass den Taxi-Ersatzdienst erreicht ist. Seit seiner die Investitionen in Uber sich für die Geld­ Gründung 2009 standen Risikokapitalgeber geber auch bezahlt machen. Kalanick hat und andere Anleger Schlange, um in das kalieingeräumt, dass es diesen Druck gibt. Er fornische Unternehmen zu investieren. «Uber will aber noch abwarten. Uber-Mit­arbeitende China hat seinen Höhepunkt überschritten», mit Anteilen im Unternehmen würden ­härter kommentierte Max Wolff von Manhattan arbeiten, wenn sie wüssten, dass sie vom Venture den Verkauf an Didi. «Uber China steigenden Unternehmenswert vor einem wollte eine höhere Bewertung erreichen, Börsengang profitieren würden, argumenBild: .Depositphotos.com, Liufuyu konnte das aber nicht. Und dann hat tiert er. Natürlich sei man es zu seiner niedrigsten Bewertung verpflichtet, für «Liquidität von sieben Milliarden Dollar verkauft. für die Investoren» zu sorgen, Das bedeutet, dass ihm der Wind kräfsagte Kalanick. «Wichtiger ist tig ins Gesicht blies.» aber, dass wir Tausende von Mitarbeitern haben, denen CHINA-TRAUM IST ZU ENDE Anteile gehören und die mit Die Übernahmevereinbarung zwiBlut, Schweiss und Tränen schen Uber und Didi vom Montag Ubers Expansionskurs in Uber zu einem grossen Untersetzte dem Streben von Uber-Chef Tra- China ist endgültig vorbei. nehmen gemacht haben.» vis Kalanick, in China zu expandieren, ein jähes Ende. Der CEO des Unternehmens KONKURRENZ IN ASIEN aus San F ­ rancisco hatte sich seit langem um Uber ist ausserhalb Chinas nahezu allgegen­Expansion im ­bevölkerungsreichsten Land wärtig, sagt Professor Jay Ritter von der Unider Welt bemü­ht, sogar gescherzt, er müsse versity of Florida. Jetzt sehe es sich immer ­eigentlich einen chinesischen Pass bekommehr Problemen ausgesetzt, wie der Fordemen, weil er sich dort mehr aufhalte als in den rung nach Überprüfung der Fahrer und der USA. Doch obwohl nach Kalanicks A ­ ngaben Klärung der Frage, ob diese Angestellte oder ein ­Drittel aller Uber-Fahrten in China statt­ Selbständige seien. «Je schneller das geklärt fanden, musste man sich dem Druck von Didi wird, umso schneller werden höhere FirChuxing beugen. Die Uber-Anteils­ eigner menbewertungen kommen», prophezeit der erhalten zwar 20 Prozent von Didi, haben Wirtschaftsprofessor. In anderen Ländern aber nur sechs Prozent der Stimmrechte. gibt es Widerstand gegen Ubers KonkurrenIn die Entscheidungen dort können sie also zangebot zu den meist streng geregelten nicht eingreifen. Dennoch kündigte Kalanick Taxidiensten. So will Taiwan Uber ganz an, er wolle weiterhin jährlich eine Milli­verbieten. Und die Konkurrenzfirmen in arde ­Dollar in das China-Geschäft pumpen. Asien versuchen Uber mit Angeboten für Seit seiner Gründung hat Uber 12 Milliarden Investoren auszubooten, die mehr Gewinn Dollar an Risikokapital und anderen Investiversprechen. So sind die japanische Softbank tionen aufgenommen. Erst im Juni hatte ein und Didi Chuxing bereit, 600 Millionen Dolsaudi-­arabischer Staatsfonds 3.5 Milliarden lar in Grab zu investieren, die Uber-KonkurDollar investiert, was die Unternehmensberenz in Malaysia, Vietnam und anderen wertung auf 62.5 Milliarden Dollar hob. Nun ­Ländern. Grab ist sowohl mit Didi in China scheint der Run auf die Finanzierung von als auch Go-Jek in Indonesien und Indien Uber abzuebben. verbunden.

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INNOVATION

Die Menge leistet Gratisarbeit CROWDSOURCING  Das Web 2.0 macht es möglich: Unternehmen lagern zunehmend Aufgaben und Projekte an Internetnutzer aus – in aller Regel ohne Entgelt. Warum die digitale Arbeiterschar dennoch etwas von ihrer Gratisarbeit hat und wie sie rekrutiert wird, veranschaulichen drei innovative Crowdsourcing-Projekte aus der Schweiz. TEX T   D E L I A B A C H M A N N

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m Oktober 2015 zählte die Online-­ Enzyklopädie Wikipedia 37 Millionen Beiträge in 291 Sprachen. Mit dem W ­ issen, das sich seit ihrer Gründung 2001 angesammelt hat, könnte man Bände füllen. 1 141 Bände, um genau zu sein. Diese In­formation stammt – Sie ahnen es – vom grössten aller Wikis. Wikipedia ist das bekannteste und wohl auch eindrücklichste Beispiel für Crowdsourcing. Heerscharen von Freiwilligen verfassen, ergänzen und korrigieren Beiträge – ohne Bezahlung. Das Modell machte schnell Schule, nicht nur die Wirtschaft, auch die Wissenschaft hat den Nutzen kollektiver Intelligenz für sich e ­ ntdeckt: So helfen Hobbyforscher beim Entschlüsseln vergessener Sprachen, zählen Mondkrater, transkribieren Logbücher ­britischer Kriegsschiffe aus

Crowders.ch LAIEN WERDEN ANLAGEBERATER Mit «Die Weisheit der Vielen – weshalb Gruppen klüger sind als Einzelne» veröffentlichte James Surowieckis 2004 ein Buch mit grosser Resonanz. Seine These trägt das Werk bereits im Titel. Auch die Luzerner Kantonalbank beschäftigte sich mit der Frage, wer besser entscheidet: Einzelne Spezialisten – oder eine grosse, bunt durchmischte Gruppe? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es – noch – nicht. Dies könnte sich bald ändern: Im Juni dieses Jahres lancierte die 1850 gegründete Traditionsbank die Crowdvoting-Plattform Crowders.ch. Sie ist ein Bekenntnis zur kollektiven Intelligenz. Hier können Menschen wie Sie und ich ihre Anlageprognosen zu den im «LUKB Crowders TopSwiss-Fonds» enthaltenen Aktientiteln abgeben. Es sind 24

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dem Ersten Weltkrieg oder dokumentieren Vogel­beobachtungen. Das Bildarchiv der ETH Zürich hofft derzeit auf die Hilfe der Crowd, um Hintergrundinformationen zu historischen Bildern aus dem Swissair-­ Archiv zu sammeln. Auch in einem lokalen Rahmen lohnt es sich also, die Ressourcen der Vielen anzuzapfen. So geschehen am jüngsten «Züri Fäscht»: Rund 60 000 Besucher von insgesamt über zwei Millionen luden die «Züri Fäscht»-App herunter und lieferten damit die not­ wendigen Daten, um eine «Beinahe-Massenpanik» wie vor drei Jahren zu verhindern. ­Zeitgemässes C rowdmanagement: Die kleine Masse ­ managt die Grosse. Dabei ist Wissen nicht die einzige Ressource, über welche die Crowd verfügt: Mittlerweile haben sich zahlreich Crowdfunding-Plattformen in der

dies die 30 grössten und liquidesten Titel des Schweizer Aktienmarkts, die im «SLI Swiss Leader Index®» abgebildet werden. Jeden Monat kann der Crowder von neuem entscheiden, ob sich ein Titel «besser», «schlechter» oder «ähnlich» wie der SLI entwickeln wird. Das Team der LUKB Expert Fondsleitung AG, eine Tochter der Luzerner Kantonalbank AG, nimmt die Einschätzungen der Crowd dann als Referenz für die Gewichtung des Fonds. Klaus Theiler, Leiter Asset Management bei der Luzerner Kantonalbank, geht davon aus, dass die Crowd ein mindestens ebenso gutes Ergebnis wie einzelne Spezia­ listen erzielt: «Es scheint sich bereits jetzt abzuzeichnen, dass die Verteilung der Trefferquote der Einsteiger nicht schlechter ist als jene der Spezialisten.» Ein guter Anfang, den Beweis ihrer Überlegenheit bleibt uns die Crowd aber noch schuldig. Diese liegt durchaus im Bereich des Möglichen, denn die Vielen werden immer mehr: «Die Zahl

Schweiz etabliert. Schlagzeilen machte im Herbst 2015 die Plattform wemakeit.ch: Auf dieser startete der Student Donat Kaufmann die Crowdfunding-Kampagne «Mir langets» für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung. 138 000 Franken wollte er sammeln; der Preis für ein Inserat auf der Titelseite der Pendlerzeitung 20 Minuten. Innerhalb weniger Wochen spendeten 12 271 Unterstützer 147 271 Franken. Die aktiven App-Nutzer am Züri-Fäscht, Kaufmann und die Wiki-Schreiberlinge bleiben Ausnahmen: Die allermeisten ­Internetnutzer verhalten sich eher passiv – und schaffen dennoch einen ökonomischen Mehrwert. Alleine durch die Nutzung des Netzes generieren sie Daten und mit ihnen ein Gut, das kontinuierlich im Wert steigt.

der registrierten Nutzer hat sich bereits tief in den vierstelligen Bereich geschoben», teilt Theiler mit. Interessant ist, dass sich die Einsteiger und die Profis auch in ihren Methoden kaum unterscheiden. Auf beiden Seiten setzen manche auf Intuition, ande­ r­e auf quantitativ-statistische Methoden, oder wie es Theiler formuliert: «Auch Profis raten.» Verschiedenste Anreize sorgen dafür, dass die Nutzer aktiv bleiben: Ranglisten, Trophäen sowie die Aussicht auf eine finanzielle Belohnung. Monatlich gewinnen die besten drei Crowder, am Ende des Jahres gibt es eine Zusatzausschüttung. Die jährlich ausgeschüttete Belohnungssumme orientiert sich am Volumen des Anlagefonds – zu Beginn ist es ein mittlerer fünfstelliger Frankenbetrag. Die Crowdvoting-Plattform «Crowders» war nur der erste Wurf, mit der Crowdfunding-Plattform «Funders» und der strategischen Beteiligung an crowdhouse.ch hat die LUKB ihren Crowdbanking-Bereich bereits erweitert.


Passbrains.com DIE COMMUNITY FINDET DEN FEHLER

Bildquelle: depositphotos.com/Seamartin

Eine durchschnittliche App fürs iPhone hat rund 50 000 Zeilen Code. Das ist wenig. Bei Browser-Programmen wie Firefox oder Google Chrome sind es zwischen fünf und zehn Millionen Programmierzeilen, bei den Betriebssystemen geht es in den hohen zweistelligen Millionenbereich. Angesichts dieser Zahlen wird klar: Beim Schreiben von Software schleichen sich Fehler ein, selbst wenn man äusserste Sorgfalt walten lässt. Sie müssen während der Testphase aufgespürt und korrigiert werden. Eine aufwändige, aber notwendige Arbeit. Und: Eine Arbeit, die gut an die Crowd ausgelagert werden kann. Die Schweizer Crowdtesting-Firma passbrains AG macht genau das – und mehr: Getestet wird nicht nur die technische Qualität der Software, sondern auch deren Benutzerfreundlichkeit. Dass die Tester nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden können, ist ein Vorteil, die tieferen Kosten ein anderer: «Verglichen mit herkömmlichen Methoden kann Crowdtesting um ein Vielfaches günstiger ausfallen, im Schnitt

liegt der Kostenvorteil bei 50 bis 70 Prozent», sagt CEO Dieter Speidel. Insgesamt zählt die Plattform 45 000 Tester aus 110 Ländern. Davon sind 45 Prozent Testspezialisten. 8000 Tester stammen alleine aus der Schweiz. Sie werden in der Regel nach gelieferten ­Leistungsbeiträgen – Fehlerberichte, Verbesserungsvorschläge, Umfrageteilnahmen etc. – vergütet. Damit ist der finanzielle Anreiz grösser als bei anderen Crowdsourcing-Diensten. Crowdtesting, das ist Testen unter realen Bedingungen mit realen Anwendern aus der anvisierten Zielgruppe. Da die Tester ihre eigenen Ge­rä­te nutzen, kann eine breite Kompatibilität sichergestellt werden. Einziger Wermuts­ tropfen: «In manchen Fällen zögern Unter­neh­men, Crowdtesting einzusetzen. Sie be­­­fürch­ten, dass Testteilnehmer schützenswer­ te Informationen trotz Geheimhaltungsver­ einbarung nicht vertraulich behandeln. Dank unserer intensiven Absicherungsmassnahmen ist dies zwar in den letzten fünf Jahren noch nicht vorgekommen, jedoch empfehlen wir unseren Kunden in solchen Fällen immer den Einsatz unserer Crowd-Champions, die sich bereits in vielen Projekten bewährt und als verlässlich erwiesen haben», erklärt Dieter Speidel. Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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INNOVATION

ALVIN TOFFLER SAH ES KOMMEN Ohne die Reichweite des Internets wären die eingangs geschilderten Projekte kaum durchführbar gewesen. Das Web 2.0 ver­ stärkte Entwicklungen, die im Keim bereits vor­handen waren. Um die hier und heute beobachteten Vorgänge in einen breiteren Kontext zu stellen, ist ein Blick in die Ver­ gangenheit angezeigt: 1980 veröffentlichte der US-amerikanische Zukunftsforscher Alvin Toffler mit «The Third Wave» ein viel­ beachtetes und aus heutiger Sicht visionäres Werk. Seine Kernthese: Die Ablösung der Industriegesellschaft durch die Informa­ tionsgesellschaft. In dieser treten auf den Kunden zugeschnittene Produkte an die Stelle der industriellen Massenproduktion, die 8-Stunden-Tage weichen flexibleren Arbeitsformen, die Wirtschaft wird wieder dezentraler. Besonders wichtig für das Verständnis von Crowdsourcing ist das von Toffler entwi­ ckelte Konzept des «Prosumers» – oder neudeutsch – des «Pro­­s umenten». Es besagt, dass die strikte Tren­ nung zwischen Pro­duzenten und Konsumenten auf­gehoben wird. Der Internetnut­ zer findet sich in einer Doppelrolle wieder. In seiner Der US-Amerikanische FuRolle als Mitprodu­ turologe Alvin Toffler. zent schafft er Pro­ Bild: Wikimedia/ Vern Evans dukte oder Dienst­ ­­leis­tung­en, die er als Konsument auch nutzt. Erkannt hat dies beispielweise das dänische Unternehmen Lego: Der Spielzeughersteller gibt dem Kun­ den auf seiner Website Zugang zum Design­ programm «Lego Digital Designer». Der Pro­ sument leistet Designarbeit und erhält dafür einen massgeschneiderten Baukasten für die Konstruktion seines Modells. Manche davon nimmt Lego in seine Standardkollektion auf. Auch in der Modebranche, in der das Bedürf­ nis nach individuellen Produkten gross ist, gibt es in E-Commerce-Shops vermehrt die Möglichkeit, Schmuck, Schuhe oder Klei­ dung selbst zu designen oder zumindest zu individualisieren. Weil die intrinsische Motivation nicht immer ausreicht, um die Menge für freiwillige Arbeit zu animieren, schaffen manche Unternehmen zusätzliche Anreize. Dazu gehören beispielsweise Preis­ gelder, Rankings oder Vergünstigungen. Alvin Toffler hat seine Voraussagen – zumin­ dest in diesem Bereich – Realität werden sehen. Er verstarb im Juni 2016. 26

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atizo.com BRAINSTORMING PAR EXCELLENCE Auch die 2009 gegründete und auf Innova­ tionsberatung spezialisierte Firma ATIZO 360° GmbH setzt auf Crowdsourcing. Gefragt sind nicht Prognosen, sondern die Ideen der Crowd – für neue Produkte, Dienstleistungen und zur Lösung von Pro­ blemen unterschiedlichster Art. Denkt man an Tofflers Prosumenten-Konzept, ist die­ ses Vorgehen intuitiv nachvollziehbar: Die Crowd soll in ihrer Rolle als Co-Produzen­ tin Ideen für Produkte einbringen, die sie selbst auch konsumieren würde. Es lohne sich, diese Kundennähe von Beginn weg zu schaffen, sagt Daniel Krebser, geschäftsfüh­ render Partner bei ATIZO 360°: «Involviert man die richtigen Leute, sinkt die Floprate gegenüber Standardprozessen markant.» Auch die Time-to-market verkürze sich massiv. Mittlerweile zählt die Plattform 25 000 aktive Nutzer. Das sind 25 000 Per­ sönlichkeiten mit 25 000 einzigartigen Bio­ graphien, deren Hirnschmalz und Kreati­ vität die beteiligten Unternehmen für sich arbeiten lassen können: «Die Unternehmen ziehen ihre Grenzen weiter. Beschäftigt man sich tagein tagaus mit den gleichen Problemen, sieht man nicht mehr so weit über den Tellerrand hinaus», so Krebser. Der Ideenfindungsprozess beginnt je­­ weils mit einer Frage. Aktuell will etwa Fin­ dus wissen, welche Produkte die Commu­ nity im bestehenden Take-away-Angebot vermisst. 166 Ideen kamen bisher zusam­

men. Sie reichen von Austern to go über Eintopf zum selber zapfen bis hin zu frittier­ ten Hühnerherzen. Auf atizo.com suchen ­Hochschulen nach Ideen für die Erweite­ rung ihres Weiterbildungsangebots, Touris­ mus-Destinationen nach Trendsportarten, Einrichtungshäuser nach einer ziehenden Marketing-Attraktion und ATIZO 360° selbst nach Ideen für Kundengeschenke zu Weihnachten. Dieser kurze Einblick zeigt: Die Projekte haben Endkunden- oder Marketingcharakter. Das ist der öffentli­ che Teil der Plattform. Im geschlossenen Teil, erklärt Daniel Krebser, würden auch technologisch anspruchsvollere Produkte entwickelt. Dafür werden gezielt Fachleute aus der Innovatoren-Gemeinschaft, manch­ mal auch von ausserhalb, rekrutiert. Ver­ traulichkeitsvereinbarungen sind gang und gäbe, das Engagement und auch die Prä­ mien weitaus grösser: «Bei den geschlosse­ nen Projekten steigen die Prämiensummen markant. Spesen und Zeitaufwand werden entschädigt, wenn der Community-Worker, in Workshops oder Meetings, physisch im Unternehmen arbeitet. Mit dem Einreichen von Zweizeiler-Ideen hat das nicht mehr viel zu tun.» Nach einer ersten Verdichtung der Ideen, kann der Ball wieder der Com­ munity zugespielt werden. Sie bewertet und bereichert die Vorauswahl des Unterneh­ mens. Obwohl für jedes Projekt Prämien verteilt werden, sei Geld für die Ideengeber nicht die Hauptmotivation, ist Daniel Kreb­ ser überzeugt. So gibt es innerhalb der Com­ munity verschiedene Rankings. Die Krite­ rien: Qualität und Effizienz sowie Aktivität und Ausdauer.


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Grosses Update für den Schweizer Zahlungsverkehr Harmonisierung auf den neuen Standard erfordert Softwareanpassungen

Der Zahlungsverkehr in der Schweiz wird auf den internationalen ISO-20022-Standard harmonisiert. Die Umstellung bedingt für alle Schweizer Unternehmen ein Update der Finanzsoftware. PostFinance begleitet ihre KMU beim Anpassungsprozess. Zusätzliche Optimierungsmöglichkeiten bestehen. Der Zahlungsverkehr ist als Grundlage der Geschäftswelt genauso unabdingbar wie das reibungslose Funktionieren einer Finanzsoftware. Damit das so bleibt, hat der Finanzplatz Schweiz entschieden, den Zahlungsverkehr mit dem internationalen ISO20022-Standard zu harmonisieren. Diese Massnahme verfolgt verschiedene Ziele, nicht zuletzt die Wahrung der Schweizer Wettbewerbsfähigkeit. Mit der Harmonisierung entfallen aber auch Doppelspurigkeiten bei den verwendeten Standards und Normen. Künftig wird etwa nur noch die IBAN-Nummer zur Identifizierung verwendet. In den Systemen von PostFinance und den Banken kommt es zu einer Angleichung der Grundformate, welche auf eine standardisierte Norm zusammengeführt werden. Die erhöhte Standardisierung erlaubt Firmen eine Steigerung von automatisierten Verarbeitungslösungen, das sogenannte Straight-ThroughProcessing. Auch können die Vorgaben aus dem Geldwäschereigesetz und aus dem grenzüberschreitenden Zahlungswesen einfacher umgesetzt werden.

Vorteile der Harmonisierung – IBAN als durchgehendes Format für Kontonummern – Vereinheitlichung von Normen und Standards – Reduktion der Belegsvielfalt – Höhere Automatisierungsrate – Erleichterte Umsetzung regulatorischer Vorgaben – Tiefere Weiterentwicklungsund Unterhaltskosten

Softwareupdate für Firmen unumgänglich Die Umstellung ist eine tief greifende Massnahme, die für die meisten Menschen aber nur anhand eines neuen Einzahlungsscheins mit integriertem QR-Code sichtbar sein wird. Anders sieht es bei den Unternehmen aus. Bis Ende 2017 erfolgt die Umstellung der Überweisungen, Avisierungen und Lastschriftverfahren auf die neue ISO-Norm. Dies bedingt eine Anpassung der digitalen Verarbeitungssysteme. Die Anbieter von Softwares sind seit einiger Zeit für die Harmonisierung sensibilisiert. Bei vielen sind entsprechende Versionen bereits vorhanden oder stehen kurz vor der Veröffentlichung. Auch in Schweizer Konzernen mit ent sprechend umfangreich besetzten Finanzabteilungen steht das Thema auf der Traktandenliste. Gefordert sind jetzt vor allem die KMU, das Update rechtzeitig vorzunehmen. Chancen zur Prozessoptimierung bei KMU PostFinance gehört zu den wichtigen Dienstleisterinnen im Schweizer Zahlungsgeschäft. Um die Umstellung auf ISO-20022-Standard möglichst reibungslos zu gestalten, begleitet PostFinance ihre KMU-Kunden eng. Die Firmen werden darauf aufmerksam gemacht, wenn das Update der von ihnen verwendeten Software zur Verfügung steht. Zudem erhalten sie ein Zeitfenster, in welchem sie die Anpassung sicher ausführen und testen können (siehe Kasten). Ziel des Vorgehens ist es, gegen Ende der Umstellungsfrist Engpässe zu vermeiden. Mit der Harmonisierung lässt sich nicht nur das automatisierte Verarbeiten von Rechnungen steigern. KMU haben auch die Chance, ihre Abläufe zu analysieren und beispielsweise in den Bereichen Rechnungsstellung und Debitorenmanagement zu verbessern. Optimieren lassen sich allenfalls auch Kapitalbindung und Liquidität.

Was müssen KMU tun? KMU-Kunden von PostFinance werden direkt informiert, wenn ein Update für sie zur Verfügung steht. Sie erhalten anschliessend ein Zeitfenster, in welchem das Update sicher durchgeführt und getestet werden kann. PostFinance begleitet ihre Kunden gerne bei weiterführenden Analysen. Weitere Informationen unter postfinance.ch/update


GELD

Gerade mal 2.9 Prozent sackte der Dow Jones 1963 nach der Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy (l.) ab. Auch politische Grossereignisse der jüngeren Zeit wie . . .

Die Börse vergisst schnell POLITIK & BÖRSE  Der Brexit lässt grüssen. Was auch immer das politische Parkett zum Beben bringt, die Finanzmärkte foutieren sich darum. Während der Rest der Welt noch den Atem anhält, herrscht an der Börse längst wieder Business-as-usual. Für sie spielen andere Faktoren eine Rolle. TEXT   F R E D Y G I L G E N

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inmal im Leben dabei sein können, wenn Geschichte geschrieben wird. Ein verständlicher Wunsch vieler Chronisten und Journalisten. Nachvollziehbar deshalb, dass der Medientross London regelrecht stürmte, als am 23. Juni das überraschende «Ja» der ­Briten zum Austritt aus der Europäischen Union offiziell feststand. «Diesmal sind auch wir dabei gewesen», liessen viele Berichterstatter in Nachhinein stolz verlauten. Gemessen an der Anzahl Meldungen in den Medien ist der Brexit in der Tat das wichtigste politische Ereignis der letzten Jahre. Und noch immer wird das Thema weltweit prominent behandelt. Ganz anders die Börsianer. Auch sie sind in den ersten Brexit-Tagen zwar mächtig erschrocken und haben sich zu Panikaktionen hinreissen lassen. Am Londoner Ak­tien­ markt brachen die Kurse am 24. Juni zeitweise um fast zehn Prozent ein. Doch nur wenige Tage später erholten sich die Märkte und die Börsianer gingen nüchtern und 28

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unbeeindruckt zur Tagesordnung über. Im Juli legte der Londoner Leitindex FTSE 100 sogar wieder merklich zu (siehe Tabelle). Brexit, who cares? UNBEEINDRUCKT VON KRIEG UND TERROR Die Reaktion der Börsen auf den Brexit ist nicht etwa die Ausnahme, sondern der Normalfall. Die Geschichte hat es immer wieder gezeigt: Auf politische Ereignisse reagieren die Aktienmärkten in der Regel nur sehr kurzfristig, wenn überhaupt. Die meisten der zahlreichen Brandherde der Welt haben die Aktienmärkte, die sonst angeblich auf jeden Furz reagieren, völlig kalt gelassen. So gingen auch die zahlreichen kriegerischen Ereignisse des Jahres 2014 mit militärischen Konflikten auf der Krim, in der Ukraine, in Syrien/Irak und mit Grossdemonstrationen in Hongkong spurlos an der Börse vorbei. Dabei zogen damals einige besorgte Beo­ bachter sogar düstere Vergleiche zum Jahr 1914, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Doch die Börse kümmerte diese Ereignisse

nur wenig. Der Leitindex Dow Jones Industrial legte im angeblichen Katastrophenjahr 2014 sogar um zwölf Prozent zu. Gleiches Bild nach den Terrorangriffen in Paris im November des vergangenen Jahres. An den Finanzmärkten sanken die Kurse nicht etwa, sie stiegen. Foutiert sich die Börse also ganz einfach um die Politik? «Ja», sagt der US-Ökonom Richard Thaler: «Aktienkursbewegungen reflektieren eben etwas Anderes als Nachrichten über die Weltpolitik.» Die US-Forscher David Cutler, James Poterba und Lawrence Summers haben es noch genauer wissen wollen und die fünfzig grössten Tagesausschläge des S&P 500 zwischen 1941 bis 1987 untersucht. Ihr identisches Fazit: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der historischen Bedeutung eines Ereignisses und dem Ausmass der Kursveränderungen. So führte etwa der leichte Herzinfarkt von Präsident Eisenhower am 26. September 1955 zu einem massiven Kursrückgang von 6.6 Prozent. Der Ausbruch der Kubakrise am


Grafikquelle: SIX, CASH, Bildquellen: zVg (l., m.) Depositphotos.com, kawing921 (r.)

DER BREXIT, FÜR DIE AKTIENBÖRSEN EIN NONEVENT Aktienindizes Ftse 100 Stoxx 50 S&P500 SMI Währungen Pfund/Dollar Pfund/Franken Zinsen Pfund-Libor 10 jährige Bondrendite

23. Juni 6338 2914 2113 7972 0.6717 0.7013 0.483 1.36

05. Aug Veränderung 6634   4.67 2843 – 2.44 2164 2.41 8048  0.95 0.7511 11.82 0.7720 10.08 0.480 – 0.62 0.82 – 39.71

. . . die Regenschirm-Revolution in Hongkong 2014 (r.) lassen die Börse – im Bild die New Yorker Börse von 1920 – (m.) kalt.

23. Oktober 1962 löste dagegen ein beschei­ denes Minus von 2.7 Prozent aus. Tags dar­ auf erholte sich der Index angeblich wegen eines Briefes des sowjetischen Parteiführers Chruschtschow um 3.2 Prozent. Und die Ermordung von Präsident John F. Kennedy, nach Ansicht einer ganzen Generation von Amerikanern das schwerwiegendste poli­ tische Ereignis überhaupt, liess den Dow Jones 1963 nur 2.9 Prozent absacken. Am Tag darauf legte er sogar wieder 4.5 Prozent zu. DIE VERUNSICHERUNG WÄHRT NICHT LANGE Einspruch, werden da Kritiker einwerfen: Es gebe durchaus wichtige Ereignisse mit nachhaltigen Kursfolgen. In der Tat hatte der Einmarsch des Iraks in Kuwait am 2. August 1990 einen Kurstaucher des SMI um mehr als einen Viertel bis Januar 1991 zur Folge, der DAX büsste in dieser Zeit sogar über 30 Pro­ zent ein. Stimmt, doch dies könnte ja bloss die Ausnahme sein, welche die Regel bestä­ tigt. Der S&P 500 zum Beispiel hatte sich damals nach einem kurzfristigen Absturz von 17 Prozent schon im Oktober 1990 wie­ der erholt. Eine Untersuchung der Credit Suisse bestätigt diese Vermutung: Die meisten der bedeutendsten geopolitischen Ereig­ nisse – von der Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand vor 100 Jahren bis hin zu 9/11 und den Ereignissen im Irak und der Ukraine – haben nur zu relativ bescheide­ nen ­Schwankungen an den wichtigen Ak­ tienmärkten geführt. In aller Regel waren es höchstens zehn Prozent oder weniger. Zudem waren die Kurseffekte üblicherweise innerhalb von rund einem Monat vollstän­ dig wettgemacht. Der Brexit ist dafür nur das jüngste Beispiel.

NONCHALANT IN HISTORISCHEN MOMENTEN Weitere Beispiele lassen sich unschwer für jede Zeitperiode finden: Bei der Kuba-Krise, während der für kurze Zeit ein globaler Atomkrieg drohte, kam es lediglich wäh­ rend einiger Tage zu seitwärts tendierenden Märkten. Darauf folgte eine starke Rally. Als die US-Aktienmärkte nach den Anschlägen auf die Twin Towers in New York am 9. Sep­ tember 2001 nach einer siebentägigen Pause wieder öffneten, fielen sie nur kurz um knapp über zehn Prozent. Dann konnten sie diese Verluste in etwas mehr als einem Monat wieder wettmachen. Auch nach den japani­ schen Angriffen auf Pearl Harbor zeigte sich ein ähnliches Bild. Die Auswirkungen auf die Märkte hielten sich in engen Grenzen. Nur gerade bei einer Handvoll Ereig­ nissen stimmte diese Regel laut CS in den vergangenen hundert Jahren nicht und nur gerade bei drei geopolitischen Vorfällen seit 1914 gab es massive und anhaltende Aus­ wirkungen auf die Finanzmärkte: Bei der deutschen Invasion Frankreichs 1940, beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges und beim Jom-Kippur-Krieg 1973 mit der darauffol­ genden Ölkrise. Diese Geschehnisse führten am US-Aktienmarkt zu Einbrüchen von 20, 30 und 40 Prozent. Doch sogar die drei mar­ kantesten politisch bedingten Rückschläge konnten innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder vollständig wettgemacht werden. ANTIZYKISCH HANDELN Der naheliegende Schluss für die Anleger aus diesem Börsenverhalten: Die aller­ schlechteste Reaktion ist es, Reissaus zu nehmen, wenn es politisch brenzlig wird, und sich panikartig von den Börsen zu verab­ schieden. Richtig wäre genau das Gegenteil:

«Wenn sich alle aus den Märkten verabschie­ den, ist immer die beste Zeit zu kaufen», sagt Emerging-Market Spezialist Mark Mobius. «Kaufen, wenn Kanonen donnern», umschreibt eine oft zitierte Börsenregel die­ sen offensichtlich bewährten Rat. Auch die CS betont, eine konträre Anlagestrategie sei in schwierigen Zeiten gewöhnlich am pro­ fitabelsten. Durch politische Krisen verur­ sachte Kursrückgänge sollte man also kühl für Zukäufe nutzen. Wem ein solches Verhal­ ten moralisch zuwider ist, kann sich auf eine weitere Börsenregel verlassen: «Politische Börsen haben kurze Beine.» Oder mit andern Worten: Solche Krisen werden an den Börsen schnell vergessen, entsprechende Kurstau­ cher immer relativ rasch wettgemacht. Abwarten und Tee trinken ist demnach klar die bessere Taktik, als den Märkten abrupt den Rücken zu kehren. Für strategisch denkende Investoren war und ist es zudem viel wichtiger, die während der grossen politischen Krisen im Hinter­ grund stattfindenden Veränderungen her­ auszufiltern. Zum Beispiel den Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie oder den Aufstieg der Vereinigten Staaten zur glo­ balen Führungsmacht zwischen den beiden Weltkriegen. Die erste dieser Entwicklungen gipfelte im Einbruch des Dollarwerts des Wiener Aktienmarktes um 87 Prozent inner­ halb einer vierjährigen Periode mit Hyperin­ flation. Bei der zweiten übertraf der US-Ak­ tienmarkt denjenigen der absteigenden Gross­macht Grossbritannien in den 25 Jah­ ren bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges um 50 Prozent. Wer solche sich anbahnende Neuordnungen erkennt, kann diese Erkennt­ nisse frühzeitig für eine langfristige Portfo­ lio-Neuausrichtung ausnutzen. Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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MANAGEMENT

Die Märchenverkäuferin FRAUEN IM MANAGEMENT  Tischkarten, Torten und ganz viel Tüll. Unser Bild vom Beruf der Hochzeitsplanerin hat viel mit Hollywood und wenig mit der Realität zu tun. Die Filme haben uns das Bild in die Köpfe gepflanzt, wo es sich hartnäckig hält. Ebenso hartnäckig hält Evelyne Schärer an ihrer Mission fest, dieses zu korrigieren. TEXT   D E L I A B A C H M A N N

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as Kleid, ein Traum. Das Essen, ein Gedicht. Die Location, eine Augenweide. Die Erwartungen an den schönsten Tag im Leben sind enorm. Der Wunsch, eine himmlische Hochzeit à la Hollywood zu feiern, weit ver­ breitet. Der Umstand, dass es für viele nicht nur der schönste Tag im Leben, sondern auch einer der teuersten ist, schraubt die Erwar­ tungen zusätzlich nach oben: Was weniger als perfekt ist, ist nicht gut genug. Perfek­ tion aber braucht Planung. Wer diese selbst übernimmt, geht auf dem Weg zur himmli­ schen Hochzeit nicht selten durch die Hölle. So manch eine Braut in spe erkennt: Mit Kuchen essen und Kleider anprobieren ist es nicht getan. Eine Lektion, die auch Evelyne Schärer lernen musste. Ihre eigene Hochzeit im Jahr 2004 war die erste, die sie plante. Das Ergebnis: Zapfenlocken statt sanfte Wellen, kein einziges brauchbares Hochzeitsfoto und die zwei aus London eingeflogenen DJs mussten um 22.30 Uhr statt um fünf Uhr früh den Stecker ziehen, weil plötzlich die Polizei vor der Tür stand. «Ich habe Klassikerfehler gemacht», räumt Schärer ein. Heute würde ihr das nicht mehr passieren. Das Gute: Zwei Monate nach ihrem Hochzeitsfiasko gründete Schärer die Agentur «Perfect Day GmbH» und setzte damit einen Plan in die Tat um, den sie schon länger mit sich trug. VERLIEBT, VERLOBT, VERPLANT Vor dem Film «The Wedding Planner» aus dem Jahr 2001 mit Jennifer Lopez und Mat­ thew McConaughey war der Beruf Hoch­ zeitsplanerin im kontinentalen Europa weit­ gehend unbekannt. Für Evelyne Schärer war der Film gewissermassen die Initialzündung. Ein Jahr später konkretisierten sich die Pläne: Während ihrer Ferien in Mexiko erlebte Schärer eine Hochzeitplanerin in Aktion und dachte sich: «Das kann ich auch.» Die Do­ main yourperfectday.ch reservierte sie noch vor dem Rückflug. «Ich konnte von Anfang an davon leben», erzählt Schärer stolz.

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Möglich war dies, weil sie zweigleisig fuhr: YourPerfectDay für Hochzeiten, ThePerfec­ tDay für Marketing-Projekte. Bald wurden die Hochzeiten mehr, die Marketingprojekte weniger. Zu Beginn verfolgte sie eine regi­ onale Strategie mit Filialen in der ganzen Deutschschweiz: «Ich hatte das Gefühl, die Leute schätzen es, wenn die Hochzeitspla­ nerin in der Nähe ist.» Ganz aufgegangen ist der Plan nicht. Was die Kaufkraft betrifft, gibt es zwischen den Regionen massive Unterschiede. Auch deshalb hat Schärer beim Personal reduziert, derzeit beschäftigt sie vier Mitarbeiterinnen. Anfangs sei es schwer gewesen, gute Leute zu finden, die mitdenken und ein marktwirtschaftliches Grundverständnis mitbringen: «Wir haben einen sehr romantischen Beruf, doch am Ende des Tages müssen wir Rechnungen zahlen können.» Evelyne Schärer stellte fest: Die meisten Hochzeitsplanerinnen wollen keine Unternehmerinnen sein. Die Idee, ein Franchising-System aufzubauen, verwarf sie deshalb schnell wieder. DER SCHÖNSTE TAG – UND DANN? Manche Dinge ändern sich nie, oder zumin­ dest nur langsam. Mentalitäten sind ein Bei­ spiel, Vorurteile ein anderes. Marktführerin Evelyne Schärer ist sich dieser Muster, die tief im Denken und Handeln verankert sind, durchaus bewusst: «Die Leute trauen sich nicht zu erzählen, dass sie einen Hochzeitspla­ ner haben. Sie schämen sich, weil alle sagen, dass man das selber machen könne.» Verste­ hen kann sie diese Haltung nicht. Schliesslich sei es auch keine Sache, wenn der Treuhän­ der die Steuererklärung erledigt oder die Coif­ feuse die Haare schneidet. «Es gibt keinen einzigen Tag, an dem man so viel Geld ausgibt und am Schluss praktisch nichts davon hat. Einen Ring, hoffentlich gute Fotos, mehr nicht. Das Kleid kann man nicht mehr anziehen, die Torte ist weg, die Deko ist weg, die Leute sind weg, die Karten, die Frisur. Alles.» Jährlich werden rund 40 000

Hochzeiten in der Schweiz gefeiert. Nur ein Bruchteil der Brautpaare engagiert einen Hochzeitsplaner, Evelyne Schärer schätzt den Anteil auf circa ein Prozent. Zwar betrübt es Schärer, dass es ihr in den 12 Jahren und trotz zig Interviews, Radio- und Fernsehauf­ tritten nicht gelungen ist, die Vorurteile dem Beruf gegenüber zu entkräften – aufgeben will sie deshalb noch lange nicht. Ihre Kun­ den – meist gut ausgebildete Paare aus der Dienstleistungsbranche – wissen, warum sich Outsourcing lohnt. Schärer betont, dass die gleiche Hochzeit mit Hochzeitsplanerin unter dem Strich günstiger komme: «Wir haben die besseren Konditionen und wis­ sen, welche Hochzeitsdienstleister das beste Preis-Leistungsverhältnis haben.» Derzeit plant sie, auf ein provisionsbasiertes Pricing umzustellen. Gelingt es ihr, mit allen Dienst­ leistern eine Provision von 10 Prozent zu vereinbaren, sparen die Brautleute die 150 Franken an Vermittlungsgebühr pro Dienst­ leister. Ein weit verbreiteter Irrglaube sei, dass sich nur Brautleute mit grossem Budget eine Hochzeitsplanerin leisten können: «Ich habe kein Limit.» EIN TRAUMJOB, EIN KNOCHENJOB Evelyne Schärers Arbeit beginnt, wenn der angehende Bräutigam die seine getan hat. Manchmal auch schon früher: Seit 2014 organisiert Schärer mit ihrem Service «Your­ PerfectProposal» auch Verlobungen. Der Trend gehe in Richtung aufwändig insze­ nierter Anträge. Schärer hilft den Männern dabei, die Frage aller Fragen vorzubereiten. Sagt die Liebste «Ja», geht es auch schon los mit der Planung. «Ich kann eine grossartige Hochzeit in vier Wochen organisieren», ver­ sichert Schärer, eine Vorlaufzeit von einem Jahr sei aber ideal. Bei der eigentlichen Planung hat Schärer fast nur mit der Braut, gelegentlich mit der Trauzeugin und selten mit dem Bräutigam zu tun. Die Frage nach dem Budget geht der Frage nach den Wün­ schen stets voran. Dann geht es darum, einen


DAS LEBEN IST KEINE HOCHZEIT «Wir haben keine Konkurrenz. Wir haben Mitbewerber», erklärt Evelyne Schärer selbstsicher. Die meisten Hochzeitsplanerinnen in der Schweiz sind Einzelfirmen – «One-Woman-Shows». Ein Vergleich, den Schärer nicht nur nicht scheut, sondern gar nicht erst zieht. Nichtsdestotrotz hat sie sich über Jahre hinweg für die Professionalisierung dieses nicht geschützten Berufes eingesetzt. 2008 gründete Schärer den Verband Unabhängiger Schweizerischer Hochzeitsplaner (VUSH) mit, bis 2015 amtete sie als dessen Verbandspräsidentin. 2010 wurde in Zusammenarbeit mit der Academy for Marketing and Communication (SAWI) erstmals ein Lehrgang zum Hochzeitsplaner angeboten. Auch Schärer unterrichtete am SAWI. Heute steht sie dem Lehrgang skeptischer gegenüber: «Ich kenne niemanden sonst, der von der Dienstleistung als Hochzeitsplaner leben kann in der Schweiz.» Auch auf der Website des VUSH ist lediglich von der Aussicht auf ein zweites Standbein die Rede. Mittlerweile ist Schärer aus dem Verband ausgetreten. Ein weiterer Versuch, das Image ihres Berufes aufzupolieren, unternahm Evelyne Schärer 2013 als Hochzeitsexpertin beim VOX-Format «Vier Hochzeiten und eine Traumreise». Mehr als eine interessante Erfahrung wurde daraus jedoch nicht: «Sie wollten, dass ich nach Skript, nach Schema XY vorgehe. Ich wollte, dass die Zuschauer etwas mitnehmen können für ihre Hochzeiten. Doch man sieht nur, wie man es nicht machen sollte.» Die Illusion war schnell geplatzt, nach ein paar Sendungen machte Schärer Schluss – und widmete sich wieder der Planung von perfekten Hochzeitstagen. Auch diese seien eine Illusion, allerdings eine schöne: «Wir verkaufen Märchen. Das Leben ist nicht so wie die Hochzeit.»

Bild: Peter Greitzke

gemeinsamen Nenner zu finden: «Man gibt die Hochzeit nicht aus der Hand, sondern bekommt zwei zusätzliche Hände.» Manchmal muss Schärer auch enttäuschen: So ist die standesamtliche Trauung im Freien, wie sie in Filmen zelebriert wird, in der Schweiz nicht möglich – wird aber oft gewünscht. Steht der grosse Tag vor der Tür, wird es emotional – eine gute Vorbereitung ist da Gold wert. «Alles, was man planen kann, muss man planen», lautet Evelyne Schärers Credo. Ihre perfektionistische Veranlagung komme ihr in diesem Beruf zugute: «Wir halten uns streng ans Drehbuch, die Zuständigkeiten sind klar geregelt.» Von Teilplanungen hält sie nichts, der Generalunternehmer-Ansatz entspricht ihr schon eher. Dieser bringt ihr grösstes Kapital voll zur Entfaltung: das grosse Dienstleister-Netzwerk.

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UNTERNEHMEN

Design für Fortgeschrittene DIGITALWERKSTATT GMBH  Als eines der ersten Unternehmen am Markt bieten die Designspezialisten aus Basel einen umfassenden Service rund um 3D-Drucktechnologien. Von Architekturmodellen über Tablet-Hüllen bis hin zu Beschriftungen und Firmenlogos kann fast alles im 3D-Verfahren hergestellt werden. Auch kleinere Serienproduktionen sind inzwischen möglich. TEXT   R O M A N B R A U C H L I

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er Name ist Programm. In den offenen Räumen des Industriegebäudes stehen riesige Druckmaschinen in den Ecken und Prototypen kleiner und kleinster Bauteile liegen auf den Werkbänken. Wir befinden uns in einer Werkstatt. Hier dreht sich alles um den 3D-Druck. Viele erhoffen sich Wegweisendes von der neuen Technologie, manche gar Welthistorisches – nicht weniger als eine vierte industrielle Revolution. Aus digitalen Bauplänen im Internet sollen bequem am heimischen Gerät Haushaltsgegenstände, Schuhe oder gar Lebensmittel gedruckt werden können. Die dezentrale Verteilung der Produktionsmittel beschleunige nicht nur den wirtschaftlichen Innovationsprozess, sondern könne auch das globalwirtschaftliche Machtgefüge verändern. Doch bis ein fertiges Produkt aus dem Drucker kommt, ist viel Vorarbeit nötig. Zuerst muss ein digitales Datenmodell erstellt werden und bereits dafür braucht man viel technisches Knowhow. Die Digitalisierung der Realität geschieht nicht von Zauberhand. Darum braucht man dafür eine Werkstatt. 3D-DRUCK FÜR ALLE Die meisten Produkte stellt die Digitalwerkstatt aus dem Kunststoff Polyamid im Lasersinterverfahren her. Dabei wird das Material als Pulver aufgetragen und die einzelnen Körnchen punktgenau mit einem Laser gesintert. Das ist relativ günstig und extrem stabil. Auf diese Weise kann man auch farbechte Miniaturfiguren von sich erstellen lassen: Man lässt sich scannen und der 3D-Drucker spuckt einen persönlichen Mini-Klon aus. Die Digitalwerkstatt hat zwar auch schon für einen Kunden anhand von Fotos ein Duplikat seines toten Haustieres gedruckt, doch zukunftweisend sind solche Anwendungen nicht, da sind sich die beiden Unternehmensgründer, Claudio Kuenzler und Daniel Koelliker, einig.

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Aus eigenen Mitteln finanzierten sie sich das erste Gerät, einen Lasercutter, und starteten 2010 mit der Digitalwerkstatt GmbH ins unternehmerische Abenteuer. Die Industrie setzte die Technologie bereits für sehr spezifische Anwendungen ein, doch ein Dienstleistungsunternehmen, das allen zugänglich ist und seine Kunden in der Entwicklung und Umsetzung ihrer Projekte berät und betreut, gab es nicht. Ihr Ziel war, das Fertigungsverfahren einem breiteren Kundensegment zugänglich zu machen: Architekten, Künstlern, aber auch Forschern. Von den vielen in Basel ansässigen Architekturbüros erhielten sie denn auch ihre ersten Aufträge. So druckte die Digitalwerkstatt für Herzog & de Meuron ein Modell für den bekannten, 2015 fertiggestellten Roche-Turm in Basel. Aber auch immer mehr Künstler entdeckten neue Gestaltungsmöglichkeiten für ihre Plastiken. UNTER DEN PIONIEREN Von der Designhochschule brachten die beiden Unternehmensgründer technologisches Knowhow und einen Businessplan mit. Doch im 3D-Druckbereich muss man sich vieles selbst beibringen und offen für Neues sein. Es ist Pionierarbeit, für die meisten Projekte gibt es keine Vorbilder. Ständig kommen neue Geräte auf den Markt, die neue Fertigungsmöglichkeiten eröffnen. Für ein Kleinunternehmen macht die Anschaffung eines grossen Maschinenparks wenig Sinn und um dem Kunden stets die beste technische Lösung für sein Projekt anbieten zu können, bauten sie von Anfang an auf ein Netzwerk von Partnern, die alternative Technologien zur Verfügung stellen. Die kreative Projektarbeit sei auch das spannende an ihrer Arbeit, wie Koelliker erläutert: «Einfach zu drucken ist nicht interessant. Das kann jeder. Wir wollten uns als interdisziplinäre Designagentur positionieren.» Und Kuenzler fügt ergänzend hinzu: «Wir wollten Ideen realisieren, an die sich

DIE DIGITALWERKSTATT GMBH Das Unternehmen wurde 2010 von Claudio Kuenzler und Daniel Koelliker gegründet und konnte seither stetig ausbauen. Die ersten Aufträge waren Modelle für Architekten und Künstler. Inzwischen gehören auch kleinere Serienproduktionen für die Industrie- und Pharmabranche zum Repertoire. Die beiden Gründer haben am HyperWerk der Fachhochschule Nordwestschweiz ­Postindustrial Design studiert. Kuenzler ist gelernter Informatiker, Kolliker Elektromonteur. Urs Schenk, strategischer Partner, hat in K ­ anada jahrelang Firmen geleitet und berät ­ nternehmerischer Hinsicht. die GmbH in u An der AMX, der ersten Schweizer 3D-Druck-Messe, präsentiert sich die ­Digitalwerkstatt vom 20. bis 21. September 2016 in Luzern.

sonst niemand heranwagt. Viele unserer Kunden wissen gar nicht, wie sie an ihr Ziel kommen. Wir haben den Überblick über Design, Technologie und Produktionsmöglichkeiten.» Pioniercharakter hat auch einer ihrer aktuellen Aufträge: Eine Fotoausstellung, die auch Blinde sinnlich erfahren können, da die Fotos eine Reliefstruktur aufweisen. VON DER WIRBELSÄULE BIS ZUM LICHTSCHALTER Viele der Druckerzeugnisse sind Einzelanfertigungen, Produkte, für die sich die aufwendige Herstellung von Spritzgusswerkzeugen nicht lohnt, da nur ein einzelnes Exemplar benötigt wird. Entsprechend vielseitig sind die Projekte, für die das 3D-Druckverfahren in Anspruch genommen wird. Eine inzwischen etablierte Anwendung sind naturwissenschaftliche Modelle. Für Forschungsinstitutionen wie das Paul Scherrer Institut werden massstabgetreue Molekülund Virenmodelle entwickelt. «Man muss sich vorstellen: Ein Virologe forscht 15 Jahre an einem Baustein, den man von blossem Auge gar nicht sieht. Plötzlich kann er ihn


Eine Anlage für Zell­ züchtungen im 3D-Modell. Für den Messeauftritt des ­Unternehmens wurde auch das Personal eingescannt und in Miniatur gedruckt. Claudio Kuenzler und Daniel Koelliker präsentieren sich in 2D. Bilder: Digitalwerkstatt GmbH

in die Hand nehmen. Dadurch wird das Forschungsobjekt fassbar», erläutert Koelliker. Eine ähnliche Funktion erfüllen auch die zum Zweck der Operationsvorbereitung entwickelten Modelle menschlicher Organe und Knochenglieder. Mit der Reproduktion der Wirbelsäule eines vierjährigen Mädchens, das bis dahin noch nie in seinem Leben gehen konnte, hat das Team der Digitalwerkstatt auch einen Teil zur erfolgreich verlaufenen Operation im Kantonsspital Basel beigetragen. Die Anwendungsgebiete der Technologie sind vielfältig. Damit die verdeckten Ermittler der Basler Kantonspolizei im Dienst immer mit der Einsatzzentrale verbunden bleiben, wurden spezielle Handy-Halterungen entwickelt, die das Tastenfeld abdecken. So kommen die Polizisten nicht versehentlich auf die Tasten. Das sind dann natürlich keine Einzelanfertigungen mehr, sondern bereits kleinere Serien. Um eine neue Anlage zu testen, wurden für ein Pharmaunternehmen auch schon über 20 000 Pillen aus Polyamid gedruckt, die in Grösse und Gewicht exakt

dem Original entsprechen mussten. Dadurch konnte der Weg zum Markt für das neuentwickelte Medikament verkürzt werden. Die Produktion kleiner bis mittelgrosser Serien technischer Bauteile ist auch mit Blick auf die Kosten sinnvoll. Für einen anderen Kunden wurden 500 kleine Tasten eines Lichtschalters hergestellt – nicht mehr und nicht weniger. Da lohnte sich die serielle Produktion auf herkömmliche Weise nicht. Ab einem gewissen Punkt ist das 3D-Druckverfahren aber nicht mehr rentabel. Das Material wird nicht billiger und auch die Drucker kosten. INNOVATION KOMMT NICHT VON SELBST Eine vierte industrielle Revolution ist darum noch Zukunftsmusik. Die Verlagerung der industriellen Produktion von den Fabriken an den heimischen Privatdrucker scheitert auch am umfassenden technologischen Wissen, das für brauchbare Produkte notwendig ist. In einigen Onlineshops kann man zwar bereits Daten hochladen und sich den Ausdruck nach Hause schicken lassen, doch dies sind selten zufriedenstellende Produkte, wie

Urs Schenk, strategischer Partner der Digitalwerkstatt, erklärt. Zum Teil seien die zur Verfügung gestellten Daten fehlerhaft und ermöglichten keinen befriedigenden Druck. Ein Innovationspotenzial der Technologie ist dennoch vorhanden. Industriehersteller können sich beispielsweise das Ersatzteillager sparen, wenn sie Ersatzteile je nach Bedarf auch noch nach 20 Jahren drucken können. Mithilfe eines 3D-Scanners lassen sich Bauteile reproduzieren, die auf dem Markt gar nicht mehr erhältlich sind – beispielsweis Bauteile von Oldtimer-Fahrzeugen. So vielfältig die Anwendungsmöglichkeiten sind, für einen sinnvollen Einsatz der Technologie sind auch neue Ideen und Kreativität gefragt. Es bestätigt sich, was schon für die erste industrielle Revolution galt: Die Technologie alleine bringt noch nichts vo­ran. Man muss auch erkennen, wie und wofür sie eingesetzt werden kann. Gerade in dieser Hinsicht versteht sich die Digitalwerkstatt auch als Beratungsunternehmen. Wer weiss heute schon, was in Zukunft alles möglich sein wird? Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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PROMOTION

« Herr Brauchli, kommen Sie schnell vorbei…!» Dürfen wir vorstellen: Herr Brauchli. IT-Leiter. Und permanent am Rande des Nervenzusammenbruchs. Er hat es aber auch nicht einfach, der Herr Brauchli. Eigentlich hätte er schon genug zu tun mit all diesen verflixten Projekten und den Problemen seiner Mitarbeiter, aber ehrlich gesagt, fühlt sich jeder wichtiger als der andere. Die Uhr schlägt acht Uhr am Morgen. Hoffentlich ist heute endlich mal ein Tag ohne

die störenden Unterbrechungen der Teppich­ etage. Dort beschäftigt man sich zurzeit mit der Digitalisierung der ganzen Firma, als hätten wir nicht schon genug zu tun. Der Gedanke war kaum fertig gedacht, schrillt das Telefon. «Herr Brauchli kommen Sie schnell vorbei, wir haben noch Fragen!» Er wird schon wieder ins Chefbüro beordert, um Antworten zu liefern. Es wäre toll, wenn end-

IT-Fachleute sind durch den IT-Betrieb und IT-Projekte vielfach überlastet, da eine ­strategische Ausrichtung der IT auf die Unternehmensziele vielerorts fehlt.

lich begriffen würde, dass zuerst die Informatik organisiert werden sollte, bevor Geld in neue Maschinen und Geräte investiert wird. «Wir, die Brauchlis dieser Firma, schlagen uns jetzt schon die Nächte um die Ohren ohne Aussicht auf Verbesserung.» Wird der tägliche Wahnsinn von Herrn Brauchli je ein Ende haben? Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen: Viele mittelständische Unternehmen haben so einen Herrn Brauchli. Oder sie sind auch ohne ihn mit ihrer IT ein wenig zu sehr beschäftigt. Bräuchten, anders ausgedrückt, dringend eine effektive Smart Operation. Dürfen wir daher vorstellen: constagCUBE®, die strategische End-to-End-­Lösung für eine unterstützende und kostengünstige IT, speziell für genau solche Unternehmen. Ent­ wickelt von Männern und Frauen mit Know-how. Und Nerven. Ihre Mission: Herrn Brauchli in den Feierabend zu schicken. Oder zumindest strategisch fürs Unternehmen arbeiten zu lassen!

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MARKETING

Marken des Monats

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on den Marken meiner Kolumne sind nur wenige aus dem Markt verschwunden. Einige haben in der Zwischenzeit ein Redesign vorgenommen und vereinzelte realisierten ein Rebranding. Die meisten haben ihren Markennamen und ihr Logo aber beibehalten. Marke und Logo sind das eine, die Kommunikation das andere. Die Mehrheit der 50 «Mar-

RÜCKBLICK Seit 2011 berichtet Marken­ experte Stefan Vogler über lokale, na­ tionale und globale Marken. Im Janu­ ar 2016 ist seine 50. Kolumne «Marke des Monats» erschienen: Zeit für einen Rückblick. Die in den letzten fünf Jah­ ren kommentierten Marken zeugen von den Folgen des auch durch die ­Digitalisierung beschleunigten Wan­ dels – Marken werden immer schneller­ ­(re)vitalisiert. VON  S T E F A N V O G L E R

ken des Monats» haben ihre Kommunikation seit Veröffentlichung der Kolumne sowohl im Instrumenten- und Media-Mix als auch inhaltlich und formal verändert. Einige konnten ihren Markenwert steigern, andere haben an Reputation eingebüsst. Marken bewegen sich im Spannungsfeld von Kontinuität und Veränderung und bleiben volatil.

2011 FRANZ CARL WEBER  FCW verlässt sein Flaggschiff an der Zürcher Bahnhofstrasse und zieht per ­Januar 2017 an den Bahnhofplatz.

SCHILD wurde im Oktober 2013 nach erfolgreichem Turnaroundvon Stefan Portmann (heute Investor, Multi-VR und Berater) und Thomas Herbert (heutiger CEO von Globus) 2014 an die Globus-Gruppe des Migros-Genossenschafts-Bundes verkauft.

SCHWEIZ TOURISMUS  Das Edelweiss zierte in den letzten Jahren viele beachtete Werbekampagnen der Schweizer Tourismusorganisation. In letzter Zeit hat die Marke mit externen Negativeinflüssen wie der Frankenstärke oder dem Reisegift Terrorismus zu kämpfen. Aber je unsicherer Ferienorte im Ausland sind, desto mehr Menschen ziehen Inlandferien vor.

STARBUCKS  beweist Kontinuität beim Branding und Wachstum. Coop schmeisst Starbucks zugunsten von Latesso aus dem Regal. Aber die Migros bleibt dem Global Brand mit 6.266 Billionen US-Dollar Markenwert treu.

UPC CABLECOM  UPC hat Cablecom gestrichen und tritt fortan mit dem Single Brand UPC auf. Das Artischocken-Symbol wurde beibehalten.

COCA-COLA  Am 19. April 2016 präsentierte CocaCola ein Redesign: Die Submarken Original, Zero, Light und Life werden wieder nahe am Ur-Brand gestaltet. Mit dem neuen Brand Design wird die drittwertvollste Dachmarke der Welt (Markenwert 78.423 Billionen US-Dollar) gestärkt.

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MARKETING

2012

2013

SWISS  Allen Marktturbulenzen zum Trotz behauptet sich diese Marke – auch als Botschafterin der Schweiz in aller Welt (obwohl sie fest in deutscher Hand ist).

P&G  Früher tabu, heute auffällig: P&G pflegt nicht nur ihre Produktmarken, sondern zeigt auch als Unternehmen Flagge. Im Sinne der Transparenz prangt das P&G-Logo auf Packungen und teilweise wird unter dem Corporate Brand auch für mehrere P&G-Produkte geworben.

ANDY JLLIEN  Vor vier Jahrzehnten hat der Galerist und Unternehmer Andy Jllien seinen Namen zur Schuhmarke erhoben. Das kräftige Rot ist ein starkes Markensignal und die für das Logo noch heute verwendete Schrift «Souvenir» ist ein Zeitzeuge. Sie war damals höchst verbreitet.

GIAHI  Giada Ilardo hat den anhaltenden Tätowierungstrend frühzeitig erkannt und mittlerweile ein kleines Imperium aufgebaut, das mit dem gängigen Klischee aufräumt: Schluss mit dem Hinterhofschmuddelimage und hin zu trendig-gestylten Studios an bester Lage. Das Logo präsentiert sich heute schlichter mit dem Claim «Pure Precision Ink.»

KÜNZLI  Das 2012 nach jahrelangem Markenrechtsstreit eingeführte Redesign von den etablierten Streifen zu den neuen Künzli-Klötzli hat bis heute Bestand und ziert die vom Sportschuh auch zum ­Lifestyle-Sneaker avancierten Markenschuhe.

APPLE  In einem Interview habe ich vor Jahren die Frage «Ist Apple die neue Weltreligion?» gestellt. Die Inbrunst, mit der die Fans ihre Apple-Produkte lieben, hat in der Tat etwas Religiöses. Apple verbindet über alle Religionen, Ideologien und Nationen die Menschen in einer zunehmend konfliktträchtigen Welt. Das Branding ist top, aber der Absatz einiger Produkte floppt. Ist der gigantische Markenwert von über 170 Billionen US-Dollar schon der Zenit?

MÖVENPICK  Die bewegte Historie dieser einst strahlenden Schweizer Pionier-Marke setzt sich fort. Das Logo der Gastro-Gruppe ziert ein vereinfachtes Möwensymbol, der Schriftzug wurde modifiziert. Die Marke hat zwei Besitzer. Deshalb ist nicht überall Mövenpick drin, wo Mövenpick draufsteht. Die Erfolgsgeschichte mit dem beliebten Glacé schreibt schon lange Nestlé.

TALLY WEIJL  Das auffällige Logo in roten Versalien hat Bestand. Vor vier Jahren lautete der Slogan noch «totally sexy», heute steht «founded with love» und das Bunny ist weg. Wie jede Modemarke kämpft auch dieses Unternehmen mit Solothurner Wurzeln gegen das garstige Umfeld im Detailhandel.

AMICI CAFFÈ  könnte auch in der Schweiz «Illy», wie die globale Kaffemarke aus Trient, heissen. Weil hierzulande die Markenrechte für Illy Kaffee aber im Besitz eines Mitbewerbers waren und sind, bleibt Amici Caffè bei seiner beliebten Kennermarke. Aber visuell ist das Logo mit dem Global Brand verwandt: Amici in weisser Schrift im roten Rhombus, Illy in weisser Schrift auf rotem Quadrat.

TIBITS  Hiltl ist als Claim dieser starken Marke schon lange verschwunden, was das grosse und fortdauernde Potenzial dieser mittlerweile generischen Marke für «vegetarischen fast food» beweist. Neben London wird auch in der Schweiz geografisch expandiert: 2017 soll ein Lokal in St. Gallen eröffnet werden.

LAHCO  Im Sommer 2003 hat Renate Millauer Lang die 1922 gegründete Schweizer Traditionsmarke übernommen und seither kontinuierlich entwickelt. Sie hat sich auf die DNA der einst grossen Bademodemarke zurückbesinnt. Das Ur-Logo und die Retro-Kollektionen machen die Strategie sichtbar und tragbar.

HOPPE  Den europäischen Markt- und globalen Kompetenzführer für Griffe erkennt man auf manchem Tür- und Fenstergriff am diskret geprägten, sechseckigen H-Signet. Das schlichte Branding kennzeichnet das Qualitätsprodukt stärker als ein marktschreierischer Schriftzug. Weniger ist im Branding von Gebrauchsgütern oft mehr.

NOTENSTEIN  Kaum jemand erinnert sich noch an die Entstehungsgeschichte durch das von Raiffeisen übernommene Non-US-Geschäft der Bank Wegelin. Und seit der Akquisition und Einverleibung einer kleinfeinen Privatbank gilt der Double Brand Notenstein-LaRoche im herkömmlichen Notenstein Design.

HEIDI  Der Schweizer Kultname ziert «alles gueti us de Schwizer Bergä» von der Migros. Die Werbung dieser feinen Eigenmarke mit Markenartikelpotenzial überzeugt Frau und Herr Schweizer emotional, wirkt authentisch und kommt ohne oberflächlichen Alpenchic aus.

POWDERHORN  Die von CHRIS sports lancierte Schneesport-Modemarke ist unter Freeridern Kult. Die Marke basiert auf dem «Powderhorn» in Jackson Hole, einem Skigebiet, das 1965 in den westlichen Rocky Mountains entstanden ist. Der Konkurrenzkampf in diesem Markt ist gnadenlos. Vermag David den Goliaths zu trotzen?

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2014 FINDUS  Skandale stellen sich im Nachhinein oft als Skandälchen heraus. So auch das im Februar 2013 in der tiefgekühlten Lasagne von Findus entdeckte Pferde- statt Rindfleisch. Hierzulande gehört die Marke Findus dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé, in einigen anderen Ländern nicht. Die Marke aus Rorschach feiert dieses Jahr den 130. Geburtstag und erfreut sich trotz damaliger Imagedelle grosser Beliebtheit.

MAX HAVELAAR  Soziale, ökologische und biologische Nachhaltigkeitslabel boomen, aber keine andere Marke ist weltweit so bekannt, beliebt und erfolgreich wie Fairtrade Max Havelaar. Es gibt heute sogar pures Gold kontrollierter Provenienz mit dem stark reputierten Label zu kaufen.

ATHLETICUM  Vor zwei Jahren investierte die Athleticum-Besitzerin Manor in das auffällige, türkisfarbene Redesign ihrer Sportfachmärkte und gibt unter anderem als Partner der Fussballnati Gas. Dieser Markt ist und bleibt hart umkämpft. Die potenten Mitbewerber Migros und Coop und unzählige Markenstores buhlen um die Gunst der Konsumenten.

SWATCH GROUP  Nachdem der Gewinn im ersten Quartal 2016 um 52 Prozent eingebrochen ist, landete der Aktienkurs im Allzeitminus. Und die Aussichten für Luxusuhren sind nicht gerade rosig. Dennoch verfügt die Swatch Group über ein attraktives Markenportfolio, dessen Markenwerte nicht so rasch einbrechen. Der Konzern mit dem charismatisch-markenprägenden Chef fühlt sich gegen neue Konkurrenten wie der iWatch gewappnet.

AMAG  Amag-Besitzer Martin Haefner hat zu Recht viel in das Redesign seiner grössten «Garagen-Marke» der Schweiz investiert. Die noch deutlicher kommunizierte Eigenständigkeit war sicher hilfreich, den Abgasskandal von VW heil zu überstehen. Die Amag-Marken werden weiterhin zu den Spitzenreitern in ihrem Segment gehören.

PANINI  Die Fussball-EM 2016 ist eher flau verlaufen, aber der Fussball erfreut sich nach wie vor grösster Beliebtheit. Und solange dies so ist, erlebt auch Panini vor jeder WM und EM einen wahren Hype.

ELMEX  Die Vorstellung in den meisten Köpfen der zähneputzenden Masse ist klar: Elmex verhindert am ehesten Karies. Dank der so geschaffenen Markenpräferenz und trotz Line Extension extrem fokussiertem und stringentem Branding gilt sie seit langem als beliebteste Zahnpasta der Schweiz (European Trusted Brands by Reader’s Digest).

ZIMMERLI  Im Dezember 2013 erschien diese «Marke des Monats» mit dem sinnlichen Titel «Luxus für Auge und Haut». Was damals im Zimmerli Shop-inthe-Shop im Zürcher Jelmoli propagiert wurde, gilt bis heute: «Nicht jeder Trend wird zum Klassiker, aber jeder Klassiker bleibt im Trend.»

CALZEDONIA  Sandro Veronesi hat seine Calzedonia-Gruppe aus Verona in die ganze Welt exportiert und seine Wäsche- und Bademode-Marken Calzedonia, Intimissimi und Tezenis zu Global Brands entwickelt. Auch in der Schweiz wird ein Laden nach dem anderen eröffnet.

DOODLE  Die Plattform ist einfach und der Nutzen mit jeder Terminumfrage neu gegeben. Das Produkt ist bestechend einfach und schafft viel Zeit für Wesentliches. Doodle ist noch nicht soweit wie Google, aber das Potenzial zum generischen Begriff ist vorhanden. Die Terminsuche mit mehreren Teilnehmern bezeichnen heute fast alle (Geschäfts-)Leute als «doodeln».

KIESER-TRAINING  Werner Kieser war Pionier des effizienten und höchst effektiven Krafttrainings. Sein Name ist und bleibt generischer Begriff für Krafttrainingsstudios (fernab von allen hedonistisch angehauchten Lifestyle-Fitnesstempeln) in der Schweiz und Deutschland. Daneben expandiert Kieser in gesundem Masse in andere Länder, zum Beispiel in den Nahen Osten.

RIVELLA  Seit der Produktlancierung von 1952 wagte Rivella zum elften Mal ein Redesign. Ganze eineinhalb Jahre arbeitete Stardesigner Yves Béhar am neuen Logo und Flaschendesign des Schweizer Klassikers. Ein halbes Jahr steht das revitalisierte Rivella nun in Rot, Blau, Grün und Orange in den Regalen. Ich prophezeie dem Schweizer Klassiker auch in Zukunft Erfolg.

BEATRICE MUELLER  Die landauf landab geschätzte Ex-Tagesschaumoderatorin hat ihren Personal Brand etabliert und sich als Coach zur Förderung der persönlichen Auftrittskompetenz unter dem Claim «authentic communication» profiliert. Sie verhilft nun mancher Persönlichkeit auf dem Weg zur kompetenten, sympathischen und authentisch kommunizierenden Marke.

GLARNER SCHABZIGER  Die älteste Marke der Schweiz (Eintrag 1463) hat einen Besitzerwechsel erlebt. Per 1. Februar 2016 wurde die Besitzerin dieser höchst urigen Marke, die Geska AG, von der Familie Trümpy an die bisherige, einheimische Mitaktionärin verkauft. Das Amt des CEO hat Hermann Luchsinger von Sarah Trümpy übernommen.

JET SET  Gut möglich, dass Jet Set-Besitzer Philippe Gaydoul sein Ziel, Jet Set «[...] auf internationalem ­Niveau als ein sich ständig weiterentwickelndes ­Konzept von zeitgemässem und luxuriösem Freizeit-Lifestyle zu etablieren [...]» trotz Baisse im ­Modemarkt dank Fokus auf Navyboot und Jet Set mit eigenständiger Positionierung erreichen wird.

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MARKETING

2015

2016

K KIOSK  Als Valora vor Jahren ihre generischen Kioskshops mit der rot-hellblauen Marke K Kiosk ausstattete, war der Kioskmarkt dank Zigarettenund Printmedien-Verkauf noch halbwegs intakt. Inzwischen präsentiert sich die Zukunft alles andere als rosig. Die damalige Pionierleistung K-Branding hilft, aber die Marke bleibt gefordert.

OPEL  Trotz guter Modellpolitik fehlt der Automarke aus Rüsselsheim im Vergleich zur innerdeutschen Konkurrenz der Glanz. Dem «Opel-Popelimage» zum Trotz, das auch die als Markenbotschafterin engagierte Claudia Schiffer nicht wirklich zu ändern vermochte, legte Opel bei Umsatz und Marktanteil zu. In diesem Jahr soll sogar Gewinn erzielt werden.

SHAROO  Teilen ist in. Die jüngeren Zielgruppen wollen nicht mehr nur besitzen, sondern sind bereit, sogar ihr Auto zu teilen. Diesem Trend folgen die Sharoo-Besitzer Amag, Migros, die Mobiliar und Branchenleader Mobility.

ZURICH FILM FESTIVAL  Das ZFF hat internationales Ansehen gegen übermächtige Konkurrenz geschaffen und findet diesen September zum elften Mal statt. Die grossartige Leistung des engagierten Gründer-Duos hilft auch in Zukunft dreifach: der Festivalmarke ZFF, der Destinationsmarke Zürich und der Ländermarke Schweiz.

WINGO  Swisscom lancierte diese Marke, um vorwiegend bei den Jungen das «sauschnelle Internet» und Fixnet zu propagieren. Erfolgsmeldungen stehen noch aus. Die eigenständige Produktmarke bleibt im Telecom-Markt (one brand, one voice, one power) interessant zu beobachten.

VOLKSWAGEN  Der Aufschrei ging rund um den Globus und die Kostenfolgen des in den USA aufgedeckten Abgasskandals waren immens. Die Reputation ist nicht zuletzt dank beherztem Krisenmanagement glimpflich davongekommen. In der Schweiz ist VW unangetastet Nr. 1. 2015 wurden über 42000 PW der Marke VW verkauft.

NOKIA  In kurzer Zeit zu den wertvollsten Global Brands aufgerückt, weckt die Marke heute nur noch nostalgische Gefühle: Das Handy hiess noch Natel und den Providern flossen Millionen von Traffic-Gebühren zu. Die Marke hat Geschichte geschrieben, denn keine andere ist so rasch so stark und wertvoll gewachsen und noch schneller von der Bildfläche verschwunden.

PILATUS  Der Gewinn des Marketingpreises der GfM (Gesellschaft für Marketing) rückte diese Marke ins Bewusstsein der Marketingprofis. Und die Lancierung des neusten Flugzeugtyps PC-24, welche im Frühjahr 2015 1800 Gäste aus der ganzen Welt zelebrierten, zeigte unmissverständlich: Die Marke Pilatus will hoch hinaus!

SIROOP  Für ihr Joint Venture setzen Coop und Swisscom auf eine süsse, bunt gestaltete Marke und investieren viel Geld, um ihr Portal beziehungsweise ihren Riesenonlineshop bekannt zu machen und zu profilieren.

CHESA SALIS  Das Hotel und Restaurant Chesa Salis im beschaulichen Oberengadiner Dorf Bever hat die begehrte ICOMOS-Auszeichnung mit dem Label «Historic Hotel of the year 2015» zur eigenen Marke erhoben und nennt sich fortan «Historic Hotel Engadin».

BALLY  Frédéric de Narp ist seit vergangenem Jahr CEO von Bally und verpflichtete Top-Designer Pablo Coppola. Seine Handschrift zeigt Erfolg. Fast zur selben Zeit zog sich Bally aus dem weltbekannten Hochhaus an der Zürcher Bahnhofstrasse zurück, was nicht nur ihm missfiel. Heute sorgt Zara an diesem Standort für Höchstfrequenzen.

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MIGROS KULTGLACÉ  Welches Potenzial Retromarken haben und wie man sie bei Alten und Jungen erfolgreich vermarktet, beweisen die zum Kult gewordenen Glacémarken der Migros mit dem niedlichen Vanille-Seehund, dem Erdbeer-Äffchen und dem Schokoladen-Bär.

SWISSNESS  Das Schweizerkreuz ist als Qualitätszeichen nach wie vor begehrt. Die Annahme der Swissness-Initiative könnte aber für manches typische Schweizer Produkt das Aus des vertrauensfördernden Herkunftssymbols zur Folge haben.

SALE  Die bisher kommentierten 49 Marken waren klassische Brands. Während dem immer häufigeren Ausverkauf dominiert ein Begriff den Detailhandel, prangt aber auch auf den Schaufenstern edler Markenshops und wird dadurch selbst zur attraktiven Marke für Schnäppchenjäger.

STEFAN VOGLER Der Kolumnist ist seit 30 Jahren Markenarbeiter. Nach 23 Jahren Unternehmertum in der Kommunikationsbranche ist Vogler heute als strategischer und kreativer Unternehmensberater für Branding, Marketing und Kommunikation, als Dozent an der HWZ und Verwaltungsrat tätig. Seit fünf Jahren berichtet der Markenexperte in seiner beliebten Kolumne «Marke des Monats» über die aktuelle Markenführung einer grossen oder kleinen, globalen, nationalen oder lokalen, altbewährten, aufgefrischten oder neuen Marke. www.markenexperte.ch


PROMOTION

Firmenfahrzeuge – Grenzgänger und FABI Seit der Neuregelung vom 1. Mai 2015 zur Nuzung von Firmenfahrzeugen durch Grenzgänger und die am 1. Januar 2016 in Kraft getretene FABI-Vorlage sind d ­ eren Auswirkungen ein Dauerthema mit vielen offenen Fragen. Mobility Solutions AG führte bereits das dritte Wissens-Seminar für Interessierte aus der Schweizer Flottenbranche durch.

Rahel Bonny, die Geschäftsleiterin von Mobility Solutions AG, begrüsste im Priora Business Center in Kloten die rund dreissig gespannten Seminar-Teilnehmenden. Diese konnten sich auf die Vorträge ausgezeichneter Referenten freuen: Balz Eggenberger (Managing Partner fleetcompetence europe GmbH, lic.oec. HSG, Lehrgangsleiter CAS Flottenmanagement FHS St. Gallen) und Christian Feller (dipl. Wirtschaftsprüfer, Geschäftsführer A&W Treuhand GmbH, Fachreferent, Buchautor und Revisionsexperte). Die beiden Profis vermittelten den aktuellen Stand der Umsetzung und einen detaillierten Überblick zu den Auflagen und Vorgaben. Der Anlass hat gezeigt, dass im Zusammenhang mit Firmenfahrzeugen für Grenzgänger noch immer viele Fragen über die Versteuerung, Verbrauchs­ abgaben, Verzollung, Fahrzeugzulassung und MWST/Umsatzsteuer offen sind. Auch die FABI Vorlage ist komplex und erweist sich als komplizierter als bisher angenommen. Was müssen Pendler künftig beachten? Welche Mobilitätskosten können nicht mehr in Abzug gebracht werden? Wo sind die verborgenen Lücken und Tücken? Die Besucher hatten die Möglichkeit, ihre brennendsten Fragen zu stellen und erhielten hilfreiche Empfehlungen und Lösungsansätze. Im Plenum wurden mögliche Szenarien und verschiedene Fallbeispiele diskutiert. PROBLEMATIK GRENZGÄNGER UND FIRMENFAHRZEUGE Personen, die im EU-Raum wohnen, in der Schweiz ihren Beruf ausüben und mit einem

Schweizer Firmenfahrzeug unterwegs sind, dürfen dieses privat ausschliesslich für Fahrten zwischen dem Wohnsitz und dem Arbeitsplatz nutzen. Fahrten für andere private Zwecke sind nicht gestattet. Im Arbeitsvertrag muss für die betreffende Person die Ausführung einer vorgesehenen Aufgabe ersichtlich sein. Verstösse gegen die neuen Vorschriften können zu empfindlichen finanziellen Konsequenzen oder Strafanzeigen für den Lenker und/oder Fahrzeug­eigentümer führen (siehe Kasten). EMPFOHLENE MASSNAHMEN – Unternehmen sollten unbedingt ihre Mitarbeitenden über die Sachlage und Konsequenzen informieren, sofern dies noch nicht erfolgt ist. – Den Mitarbeitenden werden alle Privatfahrten im europäischen Zollgebiet, mit Ausnahme der Fahrten zwischen dem Arbeitsplatz und dem Wohnort, untersagt. – Verzollung der Firmenfahrzeuge in der EU, um eine Privatnutzung weiterhin zu ermöglichen.

Steuerabzug nicht mehr zulässig. Dies kann zu einem deutlich höheren steuerbaren Einkommen führen. Die Regelung gilt für die Nutzung von Geschäfts- und Privatfahrzeugen. Bei den Kantons- und Gemeindesteuern ist die Abzugshöhe kantonal unterschiedlich geregelt. Einige Kantone sind aufgrund des FABI-Beschlusses bereits nachgezogen und haben ebenfalls eine Obergrenze eingeführt. Verhandlungen und Diskussionen sind noch im Gange. Eine transparente Regulierung ist wegen des berühmten «Kantönligeists» sicherlich eine Mobilitätsherausforderung.

MOBILITY SOLUTIONS AG Die Mobility Solutions AG ist eine Konzerngesellschaft der Schweizerischen Post und auf Full-Service Flottenmanagement spezialisiert. Die Post-Tochter versteht sich als Mobilitätsmanagerin und entwickelt für ihre Kunden Mobilitätskonzepte und -lösungen für nach­ haltiges Flottenmanagement.

FABI – AUSWIRKUNGEN AUF DEN ­PENDLERABZUG Am 9. Februar 2014 hat das Schweizer Stimmvolk den Bundesbeschluss über die Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahnin­ frastruktur «FABI» angenommen. Die Abzüge für Fahrtkosten des Arbeitsweges sind bei der direkten Bundessteuer auf 3000 Franken jährlich begrenzt, dies entspricht einer Fahrstrecke von 4285 Kilometern. Höhere Fahrkosten sind als Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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DIGITAL

Online-Shopping Ahoi E-COMMERCE  Viele Unternehmen investieren in teure digitale Tools. Sie vergessen dabei oft das Wichtigste: den Kunden. E-Commerce-Experte Thomas Lang ­erklärt, wie man alte Denkmuster aufbricht und warum der stationäre Handel trotz ­Internet bestehen bleibt. TEXT   I N È S D E B O E L

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ie Digitalisierung hat alle Berei­ che unseres Lebens erreicht. Mittlerweile ist der Begriff «Di­­ gitale Transformation» om­ni­ präsent. Das rasante Tempo, mit dem der technologische Wandel einhergeht, stellt grosse wie kleine Unternehmen vor immense Herausforderungen. Fakt ist: Es gibt kaum eine Branche, die nicht von der Digitali­ sierung betroffen ist. Auch KMU kommen nicht umhin, sich aktiv den Anforderungen dieses Transformationsprozesses zu stellen, wenn sie überleben wollen. «Wandel gab es zwar schon immer», so Thomas Lang, Inhaber und Geschäftsführer der Carpathia AG, «aber noch nie in dieser unglaublichen Geschwindigkeit». Wenn Unternehmer frü­ her fünf oder zehn Jahre Zeit gehabt hätten, sich auf neue technologische Entwicklun­ gen wie etwa elektronische Zahlungsmittel einzustellen, so kämen heutige Technolo­ gien – wie Apple Pay oder TWINT – quasi im Monatstakt auf den Markt. Viele Firmen fühlten sich hinsichtlich der Digitalisierung «wie von einer brutalen Welle oder einem Tsunami» überrollt. MONOPOLE AUFBRECHEN Thomas Lang kann als Pionier im Digital Business bezeichnet werden. Im Jahr 2000 gründete er mit der Carpathia AG seine eigene Beratungsfirma, die sich im Bereich E-Commerce und Digital-Business rasch eine einzigartige Position aufgebaut hat. Bereits Ende der 1990er-Jahre hatte er erkannt, dass im Bereich E-Commerce sehr grosses Poten­ zial schlummerte. Die «Informationsdemo­ kratisierung» des Internets – nämlich dass jeder Nutzer sich jederzeit informieren kann – hat die Monopole alteingesessener Player aufgebrochen. Eines der ersten Startups war «Blacksocks», das online «Socken im Abo» vertreibt. Seit 1999 produziert «Blacksocks» in einer absoluten Nische und ist weltweit ein Web-Erfolgsmodell. Brack und auch Digitec stiegen 1999 und 2001 ins Schweizer Online-Geschäft ein.

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Ein Player, der damals wie heute zu den führenden E-Commerce-Händlern in Europa zählt, ist die Ex Libris AG, die ihr Geschäfts­ modell gänzlich digitalisiert hat und einen Online-Anteil von über 50 Prozent aufweist. Der Erfolg sei vor allem auf die ausgeprägte Innovations- und Investitionsfreudigkeit von Ex Libris zurückzuführen, erläutert Lang. Alles sei «vorne und hinten» miteinander vernetzt; der Kunde könne sich etwa online einen Bücher-Gutschein kaufen, ihn mobile wieder aufladen und damit zur Kasse gehen. JUNGE ANS DIGITALE STEUER LASSEN Die Mehrheit der Unternehmen tut sich aber nach wie vor schwer. Thomas Lang, der mit seinem Team Kleinstfirmen à vier Mann als auch Grossunternehmen mit bis zu 10 000 Mitarbeiter aus allen Branchen berät, erlebt immer wieder, wie schwer es fällt, von alten, eingefahrenen Denkmustern abzurücken. Lang plädiert dafür, ideologiefrei zu den­ ken und sich regelmässig Inspiration von aussen zu holen. «Es würde vielen Firmen gut tun, wenn man die jüngsten Köpfe in die obersten Etagen holen würde.» So hat sich «Aeschbach Chocolatier» aus Root/LU mit dem Startup «mySwissChocolate» digitales Knowhow eingekauft und damit neu positi­ oniert. Viele neue Player strömen in immer kürzerer Zeit in die KMU-Märkte – und dies mit teils sehr originellen, innovativen Ansät­ zen, welche die Kunden begeistern. Lang warnt davor, sich sicher zu fühlen. Kunden müssten immer wieder von neuem für sich gewonnen werden. «Es ist eine gefährliche Sicht, weil es nur zwei, drei Monate dauert bis der Markt kaputt und wieder ein Unter­ nehmer vom Fenster weg ist.» Dabei verfüg­ ten KMU im Grunde über enorm viel Wissen, wüssten dieses jedoch nicht digital struktu­ riert abzudecken. Viele KMU glauben, nur mit einem neuen, teuren System die Effizi­ enz ihres Unternehmens steigern zu können. «Aber,» so Lang, «das muss nicht teuer sein. Sie können heute mit kostenlosen Tools wie «Google docs» oder Tools, die pro Nutzer

fünf Euro im Monat kosten, unglaublich viel erreichen.» DER KUNDE IST UND BLEIBT KÖNIG Dennoch gebe es einen kapitalen Fehler, den vor allem E-Commerce-Neulinge unbe­ dingt vermeiden sollten, gibt Thomas Lang zu bedenken: Zu viel Vertrauen in die Tech­ nologie. Beim Relaunch eines neuen OnlineShops würde oft viel Geld investiert, die Web­ site sähe dann auch toll und hochwertig aus, aber letztlich funktioniere sie nicht. Obwohl viele Online-Shops im mittleren bis unteren Preissegment positioniert seien, schreckten sie viele Kunden aufgrund des teuren Designs ab. «Die Leute vergleichen gar nicht mehr und gehen dann wieder.» In Workshops mache er deswegen immer wieder darauf aufmerk­ sam, dass der «Wurm dem Fisch schmecken müsse und nicht dem Angler». Amazon sei hier ein Musterbeispiel: «Sie haben eine 100 bis 200-prozentige Kundenfokussierung. Sie machen alles, dass der Kunde zufrieden ist. Auch wenn es den Chefs nicht gefällt.» Da beim E-Commerce die Landesgrenzen für den Endkunden keine Rolle mehr spielten, bleibe KMU nur die Möglichkeit, sich dem verän­ derten Kundenverhalten anzupassen oder zu kapitulieren. Auch hier ist die zentrale Frage: «Warum soll der Kunde bei mir und nicht bei Zalando einkaufen?» Social Media können wichtige Helfer dabei sein, sich kompetent zu präsentieren und mit dem Kunden auf breiter Ebene auszutauschen. Mit dieser Transpa­ renz erreiche man schnell drei bis vierhun­ dert Leute. Daher lohnt es sich immer, ins Online-Geschäft zu wechseln, findet Lang. KUNDEN WOLLEN ONLINE UND OFFLINE Die Grenzen zwischen Pure Playern und stationärem Handel verschwimmen zuneh­ mend. Bleiben stationäre Filialen für den Handel der Zukunft weiterhin relevant, so werden sie sich deutlich verändern. Reine Online-Pure-Player werden sich verstärkt stationär positionieren. Ladengeschäfte kön­ nen sich auch für Startups rentieren, wenn


HANDEL STEHT NOCH GANZ AM ANFANG Für das Jahr 2020 erwartet Thomas Lang für den Online-Handel eine Verdopplung von 14 auf 25 bis 30 Prozent. Welche Implikationen damit ausgelöst würden, sei den meisten Unternehmen zu wenig bewusst. Abgesehen vom veränderten Logistikbedarf hätte der digitale Wandel vor allem dramatische Folgen für den Immobilienmarkt. Lang spricht von einem Wertezerfall bei Gewerbeimmobilien, die nicht mehr oder ganz anders genutzt würden. Grund dafür sei der jahrelange Umsatzrückgang der grossen Warenhäuser – trotz Online-Umsätzen. Lang nennt wiederum Amazon als Beispiel, der sich in ein ehemaliges Berliner Einkaufszentrum einquartiert hat, um seinen Logistikstandort zu sichern und so einem attraktiven früheren Standort des Einzelhandels wieder neues Leben einhaucht. «Die gesamte Tragweite, das Nachbeben ist den Wenigsten wirklich bewusst – Online-Shops sind da nur Vorboten.» schliesst Thomas Lang und fügt lachend an: «Düstere Zukunft.»

Bild: zVg

sie richtig konzipiert und mit Online verzahnt sind, meint Thomas Lang. Alternativ oder zusätzlich würden diese mit Pop-UpStores versuchen, Konsumenten auch offline anzusprechen. So löste die Eröffnung der ersten Filiale von Digitec in Lausanne eine gewaltige Anzahl von Online-Bestellungen in der Region aus. Ein Geschäft vor Ort erwecke beim Kunden Vertrauen, weil dieser sich darauf verlassen könne, dass jemand da sei, wenn Probleme auftauchten, erklärt Lang. Auch farmy.ch, ein Zürcher Startup, nimmt Thomas Lang nicht als reinen Online-Händler wahr, da er regelmässig mit Ständen auf Märkten präsent sei. Lang stellt klar: «Es wird nie 100 Prozent online geben.» Die Formate, die vor Ort gewählt würden, unterschieden sich natürlich deutlich von den stationären Konzepten; sie hätten vielmehr Show-Room-Charakter.

«Wenn grosse Wellen auf uns zukommen, können wir entweder Dämme bauen oder Schiffe.» Thomas Lang mit dem Schiffs­modell der «Carpathia» im ­Hintergrund, dessen ­unverwechselbaren Namen seine Firma trägt. Es war beim Titanic-Unglück als erstes Schiff vor Ort.

CARPATHIA AG Thomas Lang ist Geschäftsführer und Inhaber der Carpathia AG, einer Unternehmensberatung für E-Business und E-Commerce. Der Autor und Dozent referiert unter anderem an internationalen Konferenzen zum Thema E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. www.carpathia.ch


DIGITAL

Die Stunde der Wahrheit VERTRAUENSWÜRDIGE CHATBOTS  Virtuelle Helfer boomen wieder, seit Apple, Facebook und Microsoft entsprechende Projekte vorantreiben. Konzerne und KMU in der Schweiz müssen den Trend aufmerksam beobachten. In mehrfacher Hinsicht hat die Stunde der Wahrheit geschlagen. TEX T   O L I V E R B E N D E L

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or mehreren Jahren wurde der GOODBOT im Kontext der Maschinenethik erdacht. In einem Projekt an der Hoch­ schule für Wirtschaft FHNW wurde er umgesetzt. Die UnternehmerZeitung (Nr. 7/8, 2013) berichtete über die einfache moralische Maschine, den sich vorbild­­lich verhaltenden Chatbot, der Probleme von Benutzern erkennt und im Extremfall eine Notrufnummer herausgibt. In einem Folge­ projekt wird bis Ende August 2016 der vom Verfasser erfundene LÜGENBOT, auch LIE­ BOT genannt, entwickelt. Assistenzsysteme wie Siri und C ­ ortana und Chatbots auf Websites scheinen ­meistens die Wahrheit zu sagen. Dies nicht aus ­mo­ralischen, sondern aus pragmatischen Gründen. Es handelt sich um Programme

und Dienste, die den Menschen unter­ halten, unterstützen und informieren sol­ len. Dabei gilt: ohne Vertrauenswürdigkeit keine Akzeptanz. Eine Münchhausen-Ma­ schine ist ein Gegenentwurf. Sie konstruiert in Kenntnis der Wahrheit die Unwahrheit, als Wetterbericht, Nachrichtendienst oder ­Dialogsystem. Der LÜGENBOT ist eine Münchhausen-Maschine, die als Chatbot realisiert wurde. Vielleicht steckt mehr von ihm in Siri und Cortana, als wir glauben. LÜGEN WIE PROGRAMMIERT Ob Maschinen wirklich dazu in der Lage sind, uns oder andere Maschinen anzulü­ gen, wird kontrovers diskutiert. Der Duden setzt «lügen» mit «bewusst und absichts­ voll die Unwahrheit sagen» gleich. Bewusst können Maschinen nichts tun. Eine Absicht

haben können sie eventuell, die Unwahrheit sagen bestimmt. Zunächst einmal können sie etwas sagen, sprechen oder schreiben, als Suchmaschinen, als Chatbots und virtuelle Assistenten, als humanoide Roboter. Das, was sie sagen, kann der Wahrheit oder der Unwahrheit entsprechen. Können Maschi­ nen also lügen? Wenn man einen weitge­ fassten Begriff voraussetzt, eine Form der Absicht annimmt und auf das Sprechen und Schreiben abstellt, genauer auf Aussagen, die wahr oder falsch sind, durchaus. Dialogsysteme können Lügen in der Unterhaltung mit dem Benutzer auf unter­ schiedliche Weise generieren: durch die Negation von Aussagen sowie durch den Ersatz, die Abänderung oder das Erfin­ den von Daten und Informationen. Kevin Schwegler, der Student, der den LÜGENBOT im Rahmen seiner Bachelorarbeit implemen­ tiert hat, fand weitere maschinelle Verfah­ ren, auf die man selbst als Lügenbold nicht gekommen wäre. DAS LÜGENBOT-PROJEKT Ein Ziel des Projekts ist, das Lügen- und Gefahrenpotenzial von natürlichsprachli­ chen Systemen praktisch unter Beweis zu stellen. Es werden immer mehr Texte ohne menschliche Kontrolle automatisch erzeugt, zusammengetragen oder -gefasst. Social Bots schreiben Kommentare in sozialen Medien und verbreiten (Fehl-)Informatio­ nen. D ­ ialogsysteme auf Smartphones und auf Websites von Unternehmen erfreuen sich grosser Beliebtheit und können manipuliert werden. Der LÜGENBOT soll die Unwahr­ heit produzieren und moralisch unangemes­ sen reagieren können. Damit kehrt er eine Prämisse um, die bei der Entwicklung des GOODBOT gegolten hat. Denn dieser sollte nur im Notfall lügen.

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CHATBOTS UND VIRTUELLE ASSISTENTEN Aus Sicht von Unternehmen, Interessierten und Kunden sollte man beim Einsatz von Chatbots und virtuellen Assistenten folgende Fragen stellen: –  Wer sind die Erfinder und Anbieter der Maschine und wie bekannt und vertrauenswürdig sind sie? –  Ist die Umgebung der Maschine vertrauenserweckend und kann sie diese beeinflussen? –  Ist das Thema dafür prädestiniert, dass man belogen wird? –  Ist die Maschine prinzipiell in der Lage zu lügen oder zu betrügen? Bei der Planung und Entwicklung der natürlichsprachlichen, moralischen Maschinen kann

man – nicht zuletzt mit Hilfe der Erkenntnisse aus dem LÜGENBOT-Projekt – solche Fragen aufwerfen: –  Wie kann der Benutzer sensibilisiert werden und wie kann man erreichen, dass er kritisch gegenüber der Maschine bleibt? –  Wie kann das Lügen und Betrügen der Maschine technisch und systemisch verhindert werden? –  Wie kann konkret unterbunden werden, dass eine Maschine Aussagen negiert und Daten und Informationen ersetzt? –  Wie kann man testen, ob die Maschine eine Münchhausen-Maschine ist? –  Wie kann man einer Software beibringen, eine Software in die-

Als Anwendungsgebiete dienen im LÜGENBOT- Projekt die Tourismus- und

die Lebensmittelbranche. Konkreter geht es um maschinelle Falschbehauptungen bezüglich Basel respektive Energy-Drinks. Der Chatbot soll die Region und das Produkt durch den Einsatz von vorsätzlich erzeugten Lügen möglichst gut vermarkten. Er soll in der Unterhaltung mit dem Benutzer das ­Hochgebirge in Basel anpreisen und die Bekömmlichkeit der Softgetränke von Red Bull und Co. Das wiederum verspricht auch Unterhaltung im Sinne von Entertainment. Der LÜGENBOT mag aus maschi­ nenethischer Sicht als einfache unmora-

ser Hinsicht zu kontrollieren? –  Wie kann man gewährleisten, dass Maschinen untereinander die Wahrheit sagen beziehungsweise sich nicht gegenseitig täuschen? Geschäftsführer, Kaderleute und Programmierer müssen sich diesen Herausforderungen widmen. Eine erste Antwort auf die Frage, wie man erreichen kann, dass der Benutzer kritisch bleibt, kann bereits dem Vorgängerprojekt entnommen werden: Der GOODBOT selbst hat im Dialog darauf aufmerksam gemacht, dass er eine Maschine ist. Ergänzen könnte man bei ihm, dass nicht jede Maschine ohne Fehl und Tadel ist.

lische Maschine aufgefasst werden. Das Lügen an sich kann kaum als unsittlich bezeichnet werden, wie die erwähnten Notlügen zeigen. Es dürfte jedoch welte instimmung darin bestehen, weit Über­ dass syste­matisches und generelles Lügen die Fundamente einer Gesellschaft, einer Gruppe oder einer Beziehung untergräbt. Die unmoralische Maschine könnte ausgebaut werden, indem man das mit dem Lügen verwandte Betrügen und Täuschen berücksichtigt. Dabei könnte man ebenfalls auf die sprachliche oder aber auf die visuelle Ebene gehen, etwa durch die Anpassung des Avatars.

NUTZEN FÜR WISSENSCHAFT UND WIRTSCHAFT Ein LÜGENBOT oder generell eine Münchhausen-Maschine ist für die Wissenschaft – ob Ethik, Robotik oder Informatik – aus verschiedenen Gründen interessant. Auch die Forschung zu unmoralischen Maschinen ist für sie von Relevanz. Umgekehrt kann sie natürlich genauso danach fragen, wie die gewonnenen Erkenntnisse genutzt werden können, um moralische Maschinen zu bauen. Daran muss wiederum eine Wirtschaft interessiert sein, die ihre Produkte und Dienstleistungen nicht über Lug und Trug, sondern mit Hilfe von Offenheit und Ehrlichkeit an den Mann oder die Frau ­bringen und eine längerfristige vertrauensvolle Beziehung zu ihren Kunden aufbauen will. Die Stunde der Wahrheit hat geschlagen, in technischer, wirtschaftlicher und moralischer Hinsicht (siehe Kasten). EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT Der LÜGENBOT entsteht mit Blick auf Medien und Websites, in denen zunehmend Produktion und Aggregation von Programmen übernommen werden und sich virtuelle Assistenten und Chatbots verbreiten. Er zeigt die Gefahr auf, dass Systeme die Wahrheit verdrehen und verkehren, im Sinne ihrer Anbieter und Betreiber oder auch in Folge einer feindlichen Übernahme. Unmoralische Maschinen wie Münchhausen-Maschinen können dabei helfen, die Versprechen von Personen und Organisationen kritisch zu betrachten und zugleich Chatbots als moralische Maschinen zu entwickeln, die uns im Gespräch verlässliche und vertrauenswürdige Informationen über Produkte und Dienstleistungen liefern.

DER AUTOR Prof. Dr. Oliver Bendel ist studierter Philosoph und promovierter Wirtschaftsinformatiker. Er lehrt und forscht an der Hochschule für Wirtschaft FHNW mit den Schwerpunkten Wissensmanagement, Wirtschafts-, Informations- und Maschinenethik. Der LÜGENBOT kann ab Herbst 2016 über luegenbot.ch und liebot.org getestet werden. Die Logindaten sind beim Verfasser (oliver.bendel@fhnw.ch) erhältlich. Das Projekt wird im Dezember auf der 1. VDI-Zukunftskonferenz «Humanoide Roboter 2016» vorgestellt. Weitere Infos unter www.vdi-wissensforum.de/weiterbildungautomation/humanoide-roboter/.

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DIGITAL

Nachzügler werden bestraft IMMOBILIENBRANCHE  Eine Studie der Hochschule Lu­ zern zeigt, dass Unternehmen, welche die Digi­tali­ sierung verschla­fen, existentiell gefährdet sind. Ins­ besondere kleinere und national agierende Firmen haben Nachholbe­­darf.

DIGITALISIERUNGSBAROMETER Das Digitalisierungsbarometer ermittelt, wie die wichtigsten Akteure der Immobilienwirtschaft die Digitalisierung wahrnehmen und damit umgehen. Das Forschungsteam der Hochschule Luzern wertete für die Studie knapp tausend Antworten von Fachpersonen aus, die in Architekturbüros, General- und Bauunternehmen, bei der öffentlichen Hand, in der Vermarktung oder im Bereich Immobilieninvestment tätig sind. Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit Amstein + Walthert, Halter Immobilien, Wincasa, Garaio, Immo­ Scout24, Implenia, Migros Pensionskasse und Swisscom und kann zum Preis von 90 Franken bestellt werden unter: ifz@hslu.ch. Weitere Informationen zum Kompetenzzentrum Immobilienmanagement der Hochschule Luzern auf: www.hslu.ch/immobilien.

TEXT A N O U K A R B E N Z

69 Prozent der rein national tätigen Firmen in der Immobilienbranche unterschätzen die Folgen der Digitalisierung noch.

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aut der Studie «Digitalisierungsba­ rometer: Die Immobilienbranche im digitalen Wandel» des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern haben 72 Pro­ zent der befragten Unternehmen die Bedeu­ tung der Digitalisierung erkannt und ihre Unternehmensstrategie dementsprechend angepasst. So weit, so gut. Digitalisierungs­ strategien werden in den Betrieben jedoch unterschiedlich gut umgesetzt. Grosse Un­ terschiede gibt es zwischen internationalen und nationalen Unternehmen. Auffallend ist auch, dass sich der Schwerpunkt der digitalen Massnahmen in den Betrieben auf interne Prozesse bezieht, obwohl die Mehr­ zahl der befragten Unternehmen davon aus­geht, dass die Digitalisierung Geschäfts­ modelle grundsätzlich verändern wird. In welchen Bereichen besteht noch Nachhol­ bedarf? Und was braucht es, um im digitalen Wettbewerb erfolgreich zu sein? Ein Über­ blick zu den Ergebnissen der Studie, die dazu Antworten liefern will. AUSWIRKUNGEN WERDEN NOCH UNTERSCHÄTZT Sie sehen sich selbst als Vorreiter, doch in Wahrheit sind sie in Bezug auf die Digita­ lisierung oftmals schlecht aufgestellt: Bau­ unternehmen und Architekturbüros. Durch den täglichen Einsatz von 3D-Modelling und 44

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CAD-Systemen wähnen sie sich in falscher Sicherheit. Laut Markus Schmidiger, Stu­dien­­­­ leiter des Kompetenzzentrums Immobilien­ management der HS Luzern, unterschätzen 69 Prozent der rein national tätigen Unter­ nehmen die Folgen der Digitalisierung. Inter­ national tätige Firmen spürten einen wesent­ lich raueren Wind und nähmen die stärkere Konkurrenz mehr wahr. «Je mehr internatio­ nale Firmen in die Schweiz drängen, desto grösser wird auch der Druck auf die natio­ nalen Unternehmen sein, auf der Digitalisie­ rungswelle mitzureiten», so Schmidiger. EFFIZIENZSTEIGERUNG ALLEIN IST NICHT GENUG Bis heute haben drei Viertel der Betriebe ihre internen Prozesse durch Nutzung digi­ taler Möglichkeiten optimiert. «Die Firmen fokussieren sich hauptsächlich auf Effi­ zienzsteigerungen und Kostenreduktionen. Die Chancen der Digitalisierung zur Gestal­ tung der Kundenbeziehungen werden noch zu wenig erkannt», beobachtet Schmidiger. Dieser Fokus werde sich in den kommenden Jahren verschieben. Eine konsequente Digi­ talisierung von Geschäftsmodellen könne zu einem Produktivitätsgewinn von 80 bis 90 Prozent führen, traditionelle Anbieter wür­ den damit massiv unter Druck geraten. Um Produkte, Dienstleistungen oder Ver­ triebskanäle zu optimieren, ist eine Kunden­

Bilder: zVg

analyse unabdingbar. Konsumenten sind preissensitiver geworden, vergleichen mehr als früher. Das Internet hat diese Entwick­ lung begünstigt. Schmidiger: «44 Prozent der Firmen wissen nicht, wie sich ihre Kunden heute im Internet bewegen; ob sie über ein Online-Portal auf das Angebot aufmerksam wurden, ob sie mobil oder stationär auf die Webseite zugreifen oder welche Informatio­ nen sie tatsächlich nutzen.» KENNE DEINE KUNDEN Die Analyse kommt zum Schluss, dass Digi­ tal Leaders sich in einem wesentlichen Punkt von den Nachzüglern unterscheiden: Sie kennen ihre Kunden und das Marktumfeld. Dadurch sind sie agiler und können rascher auf Entwicklungen reagieren. Angebote und Informationskanäle werden laufend ange­ passt, Online-Kanäle konsequent genutzt, ohne dabei Offline-Kanäle oder das Bezie­ hungsmanagement zu vernachlässigen. In­­ no­vative Unternehmen ziehen wiederum qualifizierte, digital affine Mitarbeitende an, was die Digitalisierung im Unternehmen weiter vorantreibt. Es ist deshalb davon aus­ zugehen, dass sich die Schere zwischen den Nachzüglern und den Digital Leaders weiter öffnen wird. «Die Digitalisierung wird zur Überlebensfrage: Wer den Zug verpasst, wird untergehen», ist Schmidiger überzeugt.


DIGITAL

Bei Anruf erreichbar VON V I C K A M A L O C A

Wir sind ein kleines ­Architekturbüro. Unsere Mitarbeitenden sind viel unterwegs. Eingehende Anrufe im Büro dürfen dennoch nicht unbeantwortet bleiben. Was tun?

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in Sekretariat, respektive eine Person, die sich um das Telefon kümmert, gibt es vor allem in kleinen Betrieben nicht. Das Festnetztelefon ins Leere klingeln zu lassen oder die Combox zu aktivieren, kommt aber meist nicht in Frage. Noch dazu war die Anrufumleitung bis vor

kurzem alles andere als praktisch. Das hat sich mit der Umstellung auf die IP-Technologie nun grundlegend geändert. JEDERZEIT UND ÜBERALL Das Festnetztelefon ist im Geschäftsumfeld ein zentraler Bestandteil der Kommunikation. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und der Umstellung auf IP kommt endlich auch die Flexibilität. Beispielsweise ist die Festnetznummer dank IP nicht mehr an einen fixen Ort oder ein bestimmtes Gerät gebunden. Folg-

lich können Sie Anrufe auf die Festnetznummer sowohl mit dem Smartphone als auch mit dem PC oder Laptop entgegennehmen – jederzeit und überall. Das gilt übrigens auch für ausgehende Anrufe. Statt der Mobilenummer wird dem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung die Festnetznummer angezeigt. Kunden oder Geschäftspartner merken dabei keinen Unterschied. EINE NUMMER Sie und Ihre Mitarbeitenden führen dement-

sprechend alle Anrufe über die Festnetznummer. Die Handynummer bleibt privat. Das ver­einfacht einerseits den ­Kundenkontakt, andererseits schützen Sie die Privatsphäre Ihrer ­Mitarbeitenden und tragen damit einen grossen Teil zur WorkLife-­Balance bei. Die Mitarbeitenden ­können selbst steuern, wann und vor allem wie sie erreichbar sind. Swisscom hat dafür eine eigene App ent­ wickelt. Darin lassen sich Anrufumleitungen ­einfach einrichten und ­individuell verwalten. So geht sicher kein Anruf mehr ins Leere. Und ­ or­sollte es doch mal v kommen, dann haben Sie und Ihre Mitarbeitenden

die Möglichkeit, direkt vom Smartphone aus mit der Festnetznummer zurückzu­rufen. VICKA MALOCA

Die Autorin ist KMU-­ Beraterin bei Swisscom und beantwortet Fragen zur Informations- und Kommunikationstechnologie. Sie haben eine Frage? ­Schreiben Sie unserer KMU-Beraterin unter www.swisscom.ch/ kmu-­ratgeber

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MOBIL

Goodies für Geschäfte KMU-BONUSPROGRAMME Die Meilenprogramme für Privatkunden haben sich in den letzten Jahren teilweise massiv verschlechtert. Die Airlines versuchen nun vermehrt, die kleinen und mittleren Unternehmen als Geschäftskunden an sich zu binden, indem sie ihnen neben den üblichen Meilengutschriften zusätzliche Punkte und Vergünstigungen anbieten. TEXT A L F R E D K U H N

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eilenprogramme haben in den letzten Jahren generell an Attraktivität verloren. Zum Beispiel schränkte die Lufthansa 2014/15 die Meilenvergabe in den meisten Buchungsklassen stark ein. Auch andere Star Alliance Mitglieder wie Swiss, Austrian Airlines und Germanwings reduzierten die Meilenvergabe teilweise massiv. Andere Airlines wiederum verkürzten die Gültigkeitsdauer der Meilen, sodass heute mehr als ein Drittel aller Meilen ungenutzt verfallen. VIELE VIELFLIEGERPROGRAMME Dennoch kann es sich für Unternehmen auch heute noch lohnen, sich bei Vielfliegerprogrammen zu registrieren. Es gibt zahlreiche Reiseexperten, die sich darauf spezialisiert haben, Unternehmen bezüglich Flugreisen zu beraten. Zu den Pionieren in diesem Bereich gehört Ravindra Bhagwanani mit seiner Firma «Global Flight». Die UnternehmerZeitung hat in der Nummer 11/2013 ein Interview mit Bhagwanani veröffentlicht, in dem er den Unternehmen Tipps gab, wie sie durch gezielte Auswahl und Nutzung von Vielfliegerprogrammen Geld sparen können. Durch die Benutzung seines Verwaltungstools für Vielfliegerprogramme sollte eine Ersparnis von bis zu 10 Prozent bei den Flugkosten möglich sein, bestätigte Bhagwanani damals im Interview. Die gezielte Verwaltung ist besonders dann wichtig, wenn ein Unternehmen Mitglied bei mehreren Vielf-

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liegerprogrammen ist. Laut Bhagwanani ist es sowieso empfehlenswert, bei mehreren Vielfliegerprogrammen teilzunehmen, da jedes Programm seine individuellen Stärken hat, welche die Firmen gezielt nutzen sollten.

BUSINESS MIT BUSINESS Ausserdem bieten mehrere Airlines neben den normalen Meilenprogrammen für Vielflieger spezielle Bonusprogramme für kleinere und mittlere Unternehmen an. Auf einem zentral verwalteten Firmenkonto können Bonuspunkte gesammelt werden, die dann je nach Bedarf in Bargeld, Frei­flüge, Upgrades oder Vouchers für Hotels umgewandelt werden können. Anstatt der sonst üblichen Vielfliegerkarte erhalten die Firmen eine Kundennummer, die bei der Buchung angegeben werden muss. Für Geschäftsreisende aus der Schweiz sind insbesondere folgende Firmenprogramme relevant: «On Business» von British Airways/American Airlines/Iberia, «Blue Biz» von Air France/KLM/Delta sowie «PartnerPlusBenefit» von Lufthansa/Swiss/Austrian. Zudem bietet Air Berlin seit 2015 ein Programm mit dem Namen «airberlin business benefits» an. Das Besondere an allen

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erwähnten Programmen ist, dass die Mitarbeitenden eines Unternehmens auf dem Unternehmenskonto Punkte sammeln können und gleichzeitig auch auf ihrem privaten Meilenkonto Meilen gutgeschrieben bekommen. Die Programme sind teilweise völlig ohne Einschränkungen, wie etwa bei Air France/KLM, teilweise gibt es Mindestanforderungen: Bei Air Berlin sind mindestens drei Reisende und zehn One-way-Flüge pro Jahr Voraussetzung für die Teilnahme an «Business Benefits». PARTNERPLUSBENEFIT Das kostenlose Lufthansa-Bonusprogramm für den Firmenmittelstand bietet eine besonders umfangreiche Anzahl von Partner-Airlines sowie eine vielfältige Prämienauswahl: Freiflüge, Upgrades, Mehrgepäck etc. Benefit-Punkte können bei Geschäftsflügen unter anderem auch mit Swiss gesammelt werden. Das Vielfliegerportal First Class & More hat die Benefit-Punkte-Gutschriften untersucht und stellt fest: Die Gutschriften auf dem Konto des Unternehmens sind im Schnitt leider fast zwei Drittel tiefer als die normalen Miles & More Meilengutschriften, die sich Mitarbeitende gutschreiben lassen können. Interessant sind hingegen die Aktionen, wie sie auch in diesem Sommer wieder angeboten werden: Für alle Business Class-Flüge nach Asien/Pazifik erhält das am Programm teilnehmende Unternehmen im Juli und August 2016 doppelte Benefit-Punkte. ON BUSINESS Das kostenlose Bonusprogramm von British Airways für mittelständische und kleinere Unternehmen wurde 2015 einer gründlichen Revision unterzogen. Die Punkteberechnung basiert neu auf den Beträgen, die für Flugreisen ausgegeben werden. Mitglieder haben nun diverse Möglichkeiten, Avios-­ Bonuspunkte zu sammeln, um verschiedene Status­ebenen zu erreichen und mit Hilfe von Flugrabatten zu sparen. Neu können auch auf Iberia- und American Airlines-Flügen, sowie auf weiteren Partner-Airlines Punkte gesammelt und verwendet werden – für Upgrades, Prämienflüge und Hotelaufenthalte. Anstatt Punkte zu sammeln, können Unternehmen aber auch direkt Flugrabatte erzielen.

BLUEBIZ BlueBiz ist das kostenlose Bonusprogramm von Air France, KLM, Delta Air Lines und Al­italia für kleine und mittelständische Unternehmen. Die Mitarbeitenden sammeln «Blue Credits» bei Reisen im ganzen Netzwerk dieser vier Fluggesellschaften. Die Unternehmen können die «Blue Credits» vor allem für die Buchung von Prämienflügen verwenden, Upgrades sind nur mit Einschränkungen erhältlich. Praktischerweise entspricht ein «Blue Credit» genau einem Franken. AIRBERLIN BUSINESS BENEFITS Airberlin Business-Punkte bekommt man für Flüge mit Airberlin und NIKI. Das Programm von Airberlin umfasst verschiedene Unterprogramme, nämlich «business points» ­speziell für KMU, «business pro» für Unternehmen

mit mindestens 15 000 Euro Flugumsatz pro Jahr und «business prime» für Unternehmen mit regelmässigem Reiseaufkommen. Das erfolgreiche Programm von Airberlin zählt heute mehr als 15 000 Firmenmitglieder. VORTEILSKARTE VON EASYJET Statt einem Bonusprogramm bietet Easyjet eine sogenannte Vorteilskarte für 199 Euro an, die sowohl von Unternehmen als auch Einzelpersonen erworben werden kann. Mit dieser Karte erhält der loyale Kunde Zusatzleistungen gratis, die sonst teuer bezahlt werden müssten. Der Kauf einer solchen Karte soll sich bereits ab zehn Hin- und Rückflügen pro Jahr auszahlen. Die erwähnten Zusatzleistungen sind unter anderem Sitzplatzreservierungen, ein Gratis-Handgepäck und ein spezieller Gepäckabgabeschalter.

BONUSPROGRAMME FÜR UNTERNEHMEN PROGRAMMNAME

BETEILIGTE AIRLINES

PartnerPlusBenefit Lufthansa, Swiss, Eurowings, Germanwings, Air Canada, ANA, Austrian, Brussels Airlines, LOT, TAP, United Airlines British Airways, Iberia, On Business American Airlines Blue Biz Air France, KLM, Alitalia, Delta Airberlin Airberlin, NIKI business benefits Business Rewards Emirates Business Connect Etihad Turkish Airlines Corporate Club

BESCHREIBUNG/BESONDERES Besonders umfangreiches Streckennetz, da viele Airlines beteiligt sind

Anstatt Punkte zu sammeln, können Unternehmen direkt Flugrabatte erzielen. 1 Blue Credit entspricht genau 1 Franken Mindestens drei Reisende und zehn One-way-Flüge pro Jahr sind Voraussetzung für die Teilnahme Für jeden ausgegebenen Dollar erhält man 1 Rewards-Meile Bei Codeshare-Flügen mit Airberlin können zusätzliche Etihad Guest Miles gesammelt werden Unternehmen erhalten ermässigte Preise für Flüge sowie Freigepäck und Sonderkonditionen für Umbuchungen und Stornierungen. Je nach Ticketing-Volumen werden Freiflüge verteilt

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Gestalten statt Verwalten CORPORATE GOVERNANCE  Die Zeiten, als sich ein paar ältere Herren im stillen Kämmerchen entspannt austauschten, sind definitiv vorbei. Als Abbild des Unternehmens sind sich Verwaltungsräte heute ihrer grossen Verantwortung bewusst. Silvan Felder über die Anforderungen an zukünftige Verwaltungsräte und die Bedeutung eines gut organisierten Gremiums. INT ERVIEW   A N O U K A R B E N Z U N D I N È S D E B O E L

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ie demographische Entwicklung, die digitale Transformation oder die wachsende Regulierungsdichte sind nur einige der grössten Herausforderungen, denen sich Verwaltungsräte heute und in Zukunft stellen müssen. Dazu brauche es professionellere, agilere und selbstkritische Verwaltungsräte, ist Silvan Felder, Gründer und Geschäftsführer der Verwaltungsrat Management AG, überzeugt.

nutzt die verschiedenen neuen Möglichkeiten, ist es für ein Unternehmen in der Tendenz einfacher geworden, geeignete Kandidaten zu finden. Einerseits, weil es heute professionelle Dienstleister gibt, die ihnen bestqualifizierte und unabhängige Kandidaten auf dem Silbertablett präsentieren, andererseits, weil soziale Medien wie LinkedIn, Xing etc. die Suche erleichtern und Transparenz im Markt schaffen.

Sie haben die Verwaltungsrat Management AG vor 15 Jahren gegründet. Wie haben sich die Anforderungen an Verwaltungsräte seither verändert? SILVAN FELDER  Vor 15 Jahren begannen die Alarmglocken zu läuten: Es war die Zeit, als in Amerika die Debatte zum Thema Corporate Governance losgetreten wurde. In der Schweiz machte das Thema nach dem Swissair-Grounding zum ersten Mal Schlagzeilen. Viele Verwaltungsräte sind sich bewusst geworden, dass mit ihrem Amt auch eine hohe Verantwortung einhergeht. Die gesetzliche Grundlage ist heute noch immer dieselbe wie seit der Einführung des Artikels 716a OR im Jahr 1991, doch die Haltung dazu hat sich verändert. Ab diesem Zeitpunkt hat sukzessive eine Professionalisierung stattgefunden. Man ist sich klar geworden, dass Struktur, Agilität und Professionalität im Verwaltungsrat – angesichts der sich immer schneller verändernden Welt – unabdingbar sind.

Was macht einen gut organisierten Verwaltungsrat aus? Zuerst muss man sich im Klaren darüber sein, was die Zielsetzungen respektive strategischen Herausforderungen des Unternehmens sind. Auf Basis der Strategie muss man dann die Struktur festlegen. Viele Unternehmen passen lediglich ihre operativen Strukturen an, wenn sie beispielsweise eine internationale Ausrichtung anstreben, nicht aber ihren VR. Selbstverständlich gehört auch das klassische Kriterium «Diversität» zu einem gut organisierten Verwaltungsrat. Wichtig ist aber auch hier: Das Ziel ist nicht, für die Galerie möglichst breit aufgestellt zu sein. Die Zusammensetzung muss wiederum der Strategie dienen. Das dritte Thema ist – als Kontrapunkt zur Diversität – die Homogenität. Das ist leider sehr stark in Vergessenheit geraten. Das VR-Gremium muss in Bezug auf die Wertehaltung und Verbindlichkeiten homogen sein.

Ist es für Unternehmen schwieriger geworden, geeignete VR-Kandidaten zu finden? Hält man weiterhin an den Rekrutierungsmethoden von vor 15 Jahren fest, ist es schwieriger geworden, ja. Denn die Leute aus dem eigenen Netzwerk werden sich schon die Frage stellen: Will ich diese Verantwortung übernehmen? Was heisst das genau für mich? Wie viel Zeit muss ich investieren? Da war man früher viel weniger kritisch. Geht man aber mit der Zeit und

Ihr VR-Pool umfasst über 1000 potentielle Verwaltungsräte. Welche Kompetenzen werden von suchenden Firmen am häufigsten nachgefragt? Bei fast allen VR-Mandaten, die ich vermittle, wird langjährige Führungserfahrung, idealerweise auf Geschäftsleitungsebene, für unabdingbar erklärt. Das ist sehr wichtig, denn wenn jemand Geschäftsleitungserfahrung hat, verfügt er auch über einen breiten Horizont. Reine Spezialisten sind weniger gefragt, weil von allen Verwaltungsräten zu

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verschiedenen Themen eine Beitragsfähigkeit erwartet wird. Die zweite Anforderung ist eine höhere Aus- und Weiterbildung. Die Dritte ist das Alter: Es werden meistens Personen nachgefragt, die unter 60 sind, da Verwaltungsräte im Idealfall zehn bis zwölf Jahre im Gremium dabei sind. Vom beruflichen und akademischen Hintergrund her werden bei uns vor allem Kandidaten mit einem naturwissenschaftlichen Hintergrund nachgefragt. Wer es umgekehrt praktisch nie zu einem Mandat schafft, sind Berater, Juristen und Banker. Das hat damit zu tun, dass diese eher von ihrem persönlichen Netzwerk berufen werden. Weshalb sind noch immer wenige Frauen in Verwaltungsräten vertreten? Ein Grund ist, dass sich Männer konsequenter vermarkten als Frauen. Ich habe tausende Gespräche geführt und dabei ein Muster erkannt: Männer überschätzen sich tendenziell, Frauen unterschätzen sich. Sie sind kritischer und fragen mich nach meiner Einschätzung. Männer sagen: Interessant, ja das habe ich auch schon gemacht, das kann ich. Das macht einen selbstsicheren Eindruck. Wenn viele Fragen kommen von der anderen Seite, spüre ich, dass man sich ernsthaft mit der möglichen neuen Herausforderung auseinandergesetzt hat. Im empfehle Frauen daher, diese Tugend beizubehalten. Ich glaube, auf lange Sicht wird sich dies durchsetzen. Das Hinterfragen ist eine Qualität, die einem Verwaltungsrat sehr gut tut. Mein Appell an die Frauen lautet aber: Werdet aktiver, seid mutiger! Kapituliert nicht schon im Vornherein. Und: Nutzt nicht nur Frauennetzwerke, geht in gemischte Netzwerke, in Verbände. Entscheidungsträger sind immer noch vor allem Männer. In der Schweiz ist der Typ «Mandatssammler» recht verbreitet – wie viel ist zu viel? Grundsätzlich gilt es die reine Anzahl von


Mandaten von der tatsächlichen zeitlichen Belastung zu differenzieren. Die Frage ist aber: Wie kann ein Mandatssammler, wenn es an mehreren Orten brennt, seinen Aufgaben noch gerecht werden? Wenn man in drei bis vier börsenkotierten Firmen ist und vielleicht in drei bis vier KMU, ist das sicher zu viel. Mein Appell an die VR-Gremien: Hinterfragt einen solchen Mandatssammler kritisch. Wenn er nicht abliefert, muss und kann er ersetzt werden. Der Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance hat Empfehlungscharakter. Reicht das? Ich meine Ja. Ich bin geprägt von meinem liberalen Gedankengut und deshalb kein grosser Fan von zu viel Regulierung. All die Banken- und Versicherungsunternehmen, die sich nur noch mit Regulatorien beschäftigen und nichts anderes machen können, leiden extrem darunter. Sie können nicht mehr

gestalten, sie verwalten nur noch, betreiben Risikomanagement und Compliance. Der Gesetzgeber kann ein Unternehmen nicht besser führen als das Unternehmen selbst. Professor Peter Böckli, der Aktienrechtler schlechthin im Corporate Governance-Bereich, hat schon bei der Einführung des Swiss Code of Best Practice gesagt: «Man kann über die Wirksamkeit eines Empfehlungswerkes geteilter Meinung sein, aber Eines müsst ihr wissen: Soft Law wird Hard Law.» 2014 kam dann die Verschärfung. Heute muss sich ein börsenkotiertes Unternehmen erklären, wenn es nicht «in line» ist mit dem Swiss Code. So kann man sanften Druck aufbauen, ohne dass man gesetzlich vorschreibt, wie ein Verwaltungsrat auszusehen hat. Verfügen die Verwaltungsräte über die für die Digitale Transformation notwendige Kompetenz? Ich habe noch selten ein Thema erlebt, das

so schnell Einzug gefunden hat in die Köpfe der Verwaltungsräte. Jetzt ist die Frage: Wie geht man mit diesem Thema um? Holt man jemanden rein mit digitalen Kompetenzen oder startet man ein neues Projekt, wobei die Kompetenzen von Aussen hinzugezogen werden? Man kann auch operative Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens schaffen. Es gibt nicht den einen richtigen Weg. Jede Branche hat wieder andere ­Herausforderungen. Zwingend ist nur, dass man etwas tut. Hinzu kommt: Nicht jeder kann First Mover sein, und die Ersten sind auch nicht unbedingt die Erfolgreichsten. Man kann auch aus den Fehlern anderer lernen. Bei welchen Themen sehen Sie in Schweizer Verwaltungsräten den grössten Handlungsbedarf? Etwas, das schon vor 15 Jahren Gültigkeit hatte und das ich noch heute in vielen Verwaltungsräten vermisse, ist die Selbstrefle­ xionskompetenz. Ich plädiere dafür, dass sich jeder VR mindestens einmal im Jahr Zeit nimmt, sich kritisch zu fragen: Was ist mein Mehrwert? Wie stark sind wir als Team? Was ist gut, was schlecht? Je höher die Position, desto unkritischer geht man mit sich selber um. Was auch noch zu wenig sichtbar ist: Das Engagement. Ich sehe zu viele VR, die einfach Dienst nach Vorschrift machen. Sie kommen in die Sitzung, sind wenig vorbereitet, und nach der Sitzung waren sie nicht mehr gesehen. Das Dritte ist die Agilität. Sprich, dass man weiss, mit neuen Herausforderungen umzugehen und das nicht mit alten, bewährten Mustern erschlägt. Wenn jemand über viel Führungserfahrung verfügt, ist er stark geprägt und hat oftmals bereits eine klare Meinung zu vielen Themen. Da fehlt etwas die Offenheit für Neues.

Bild: zVg

ZUR PERSON Silvan Felder, Jahrgang 1966, ist diplomierter Wirtschaftsprüfer und Betriebsökonom HWV. 2001 gründete er die Verwaltungsrat Management AG in Luzern, deren Geschäftsführer und Inhaber er ist. Die Firma versteht sich als Generalunternehmen für alle VR-Fragen mit besonderem Fokus auf Vermittlung, Weiterbildung, Systemaudit, Beratung und Zertifizierung von Verwaltungsräten. Vormals war er von 1999 bis 2001 als CFO und später als CEO bei der Granador-Gruppe, respektive von 1991 bis 1998 als leitender Revisor/Leiter der Unternehmensberatung Zentralschweiz bei KPMG tätig. Felder hat zusätzlich Einsitz in Verwaltungsrat und Vorstand von verschiedenen Unternehmen und Institutionen, darunter das Schweizerische Institut für Verwaltungsräte sivg. www.vrmanagement.ch

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VRPRAXIS

Langweilen Sie nicht! RHETORIKTIPPS  Wann immer Cicero, Churchill oder Castro sprachen, zogen sie ganze Säle in ihren Bann – oder hauten sie vom Hocker. Exzellente Redner wie diese sind eine Rarität, in der Schweiz fehlen gar die guten. Warum das so ist und wie wir uns in fünf Schritten verbessern können. TEX T   T H O M A S S K I P W I T H

IN FÜNF SCHRITTEN ZUM SPRACHGEWANDTEN REDNER – Überlegen Sie sich im Vorfeld, diese Form der Präsentation wiederholen. Selbstverständlich ob Sie informieren oder inspieinen guten Eindruck beim Chef sollten sich die Wiederholungen rieren wollen: Will man eine hinterlässt. Ein Eindruck, der im Rahmen halten. Sie sind informierende Rede halten, ist sich spätestens bei der nächsten nicht Martin Luther King. Er hat es völlig in Ordnung, eine oder Kundenpräsentation rächen es geschafft, sein berühmtes «I mehrere PowerPoint-Folien zu könnte. have a dream» achtmal in zweizeigen. Will man sein Publikum – F ormulieren Sie eine klare einhalb Minuten zu wiederholen. allerdings inspirieren, dann wird Die Hauptbotschaft kann jedoch Hauptbotschaft: Es sollte für dieser Effekt nur durch eine jeden nachvollziehbar sein, durchaus fünf bis sechs Mal in freie Rede erzielt. Denken Sie an welches Thema oder welche einer halbstündigen Rede vorBarack Obama! Hätte er 2008 Botschaft Ihre Präsentation kommen. Ja, sie sollte es sogar! seine Rede als Präsidentschaftsbeinhaltet. Kann der Zuhörer –Ü ben Sie: Nehmen Sie jede kandidat mithilfe von PowerPoint diese nicht in einem kurzen Gelegenheit wahr, die sich präsentiert, wäre sie wohl kaum Satz zusammenfassen, ist sie Ihnen zum Üben bietet. Schon so inspirierend gewesen. möglicherweise zu komplex. Wie Kurt Tucholsky meinte: «Wenn – Machen Sie einen guten ersten schaffen Sie es, dass sich dieser einer spricht, müssen die aneine Satz für Ihre Zuhörer herderen zuhören – das ist deine Eindruck: Dabei ist es unerheblich, ob Sie zum ersten auskristallisiert? Überlegen Sie Gelegenheit. Missbrauche oder zum x-ten Mal vor einem sich, welchen Satz der Zuhörer sie.» Übung hilft, genau das zu Publikum reden. Vergessen Sie im Kopf haben soll, wenn er den ­verhindern. Üben können Sie im nicht, dass Sie als Führungskraft Raum verlässt. eigenen Unternehmen, an der eine Vorbildfunktion innehaben. – S cheuen Sie sich nicht vor ­Gemeindeversammlung oder in Wenn Sie schlecht präsentieren, ­Wiederholungen: Das geeinem Rhetorik Club setzen Sie in Ihrem Unternehsprochene Wort kann nicht (www.rhetorikclubs.ch). Das Wo men damit einen Standard. nachgelesen werden. Deshalb bleibt Ihnen überlassen. Für das Viele werden Sie nachahmen, ist es völlig in Ordnung, Ihre Wie haben Sie jetzt schon mal weil der Eindruck entsteht, dass Hauptbotschaft mehrfach zu fünf Schritte.

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ie Suche nach guten Rednern in der Schweiz ist wie die sprichwörtliche Suche der Stecknadel im Heuhaufen. Doch woran liegt das? Für den Mangel an guten, schweizerischen Rednern fehlen die stichhaltigen Beweise. Allerdings gibt es meines Erachtens einige plausible Erklärungen für das Phänomen. Einige davon möchte ich an dieser Stelle erwähnen. – Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr: Der Grundstein für rhetorische Fähigkeiten wird bereits in der Schulzeit gelegt. Doch für die Schüler wird in dieser Hinsicht leider nur wenig getan. Auch im späteren Arbeitsleben wird nur wenig Zeit in diese Thematik investiert. Dabei ist ein Rhetorik-Kurs im Fünf-Jahres-Rhythmus für viele nicht genug.

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– Die Schweizer haben wenige einheimische Vorbilder, die für ihre guten Reden bekannt sind. Es gibt keinen Barack Obama oder Helmut Schmidt. Ganz im Gegenteil: Wir haben Bundesräte wie Johann Schneider-Ammann. Dieser fällt nicht gerade durch seine sprachliche Eloquenz oder packende Sprechkunst auf. Man erinnere sich an seine Ansprache zum Tag der Kranken, in welcher er – gänzlich ernst und humorlos – empfohlen hatte, den Humor nicht zu verlieren. Immerhin hat er damit für Lacher gesorgt, wenn auch unfreiwillig. – Die mentale Grundeinstellung vieler Schwei­ zer ­­ ist geprägt vom Glauben, dass sie die Ga­be des Wor­tes nicht beherrschen. Dieses verdrehte Selbstverständnis ist falsch und blockiert die Menschen, sich ihrem Verbesserungspotenzial bewusst zu werden.

DER AUTOR Thomas Skipwith ist Speaker, Trainer, Coach und Autor in einem. Der Rhetorik-Experte kann auf über 20 Jahre Erfahrung zurückgreifen. Im Jahr 2002 gründete er das Institut DESCUBRIS, das Rhetorik-Kurse und Präsentations-Trainings anbietet. Zusätzlich hat er Lehraufträge an der Universität St. Gallen und der ETH Zürich inne sowie verschiedene Mandate bei internationalen Grossfirmen verschiedenster Branchen. Weitere Informationen zum viermaligen europäischen Rhetorikmeister unter www.descubris.ch. Weitere Informationen zum Thema professionelle Präsentationen im Buch «Der Wurm muss dem Fisch schmecken. Mit Power präsentieren und rhetorisch punkten.».


Wertvolle Aussensicht EXTERNER VERWALTUNGSRAT  Im eigentümergeprägten Umfeld vieler KMU und Familienunternehmen kommt ihnen eine wichtige Rolle zu: Richtig ausgewählt und genutzt, bringen externe Verwaltungsräte Vorteile sowohl für die Eigner, die internen VR-Mitglieder als auch für das Unternehmen und dessen Governance. TEXT   S T E F A N I E M E I E R - G U B S E R

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xterne Verwaltungsräte sind nicht operativ im Geschäft tätig und auch nicht Mitglied der Eigentümerfamilie(n). Im Idealfall nehmen sie eine unabhängige, objektiv-kritische und reflektierende Aussensicht wahr und bringen zusätzliches, komplementäres und unternehmensfremdes Knowhow ein. Das «Externe» bezieht sich jedoch nur auf die Stellung zum Unternehmen, nicht auf die im Gremium: In der VR-Arbeit darf es keine Trennlinie zwischen internen und externen Verwaltungsräten geben. Es versteht sich von selbst, dass der externe Verwaltungsrat den entsprechenden Nutzen nur bringt, wenn er aufgrund eines Anforderungsprofils sorgfältig ausgesucht wird und in ein bestmöglich zusammengesetztes, kritikfähiges Gremium integriert wird. Abnicker, Ja-Sager und Feigenblätter sind hier besonders wertlos.

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ENTFLECHTUNG UND FORMALISIERUNG Ein externer Verwaltungsrat erleichtert die Entflechtung von operativen und strategischen, familiären und unternehmerischen Themen. Er zwingt zu einer gesunden Formalisierung der Führungsprozesse. Dies führt dazu, dass das Unternehmen vermehrt auch

aus strategischer Sicht und nicht nur aus der operativen Hektik des Alltagsgeschäfts oder familiären Verflechtungen heraus betrachtet wird. Die nötige Zeit für Strategiediskussionen wird häufig erst mit einem externen Verwaltungsrat und der dadurch nötigen Organisation eingeräumt. Ein guter externer Verwaltungsrat ist unabhängiger, kritischer Sparringpartner für strategische Fragen und hilft Lösungen ausserhalb des operativen Geschäfts und der festgefahrenen Strukturen zu finden. Er bringt einen Mehrwert. EXTERNES KNOWHOW Die Wahl eines externen Verwaltungsrats ermöglicht es, längerfristig nötiges externes Knowhow und zusätzliche Kompetenzen ins Unternehmen zu holen. Die unternehmensfremden Erfahrungen des externen Verwaltungsrats helfen, Probleme zu relativieren. Seine Aussensicht ermöglicht eine objektivere und kritischere Wahrnehmung des Unternehmens. Häufig wird erst damit die Plattform für strategische Diskussionen und Entscheide geschaffen. Über welches fachliche Wissen und welche Erfahrung der externe Verwaltungsrat verfügen muss, definiert sich je nach Unternehmen unterschiedlich.

KLARE ROLLENDEFINITION Beim externen Verwaltungsrat ist die klare Rollendefinition von besonderer Bedeutung. Ist er Fachexperte, Sparringpartner, unabhängige Instanz, Schlichter, Mediator, Beobachter, Berater, Investor, kreativer Denker, Freund? Das Rollenverständnis und der erwartete Beitrag müssen für alle vorgängig geklärt werden. Unabhängig davon ist der externe Verwaltungsrat ein vollwertiges VR-Mitglied mit allen Rechten, Pflichten und Verantwortlichkeiten. Unter Umständen wird er allerdings in der Rolle des Familienmediators tendenziell anders agieren als in der Rolle des betriebswirtschaftlichen Fach­ experten. Im Weiteren stellt sich die Frage, welche Funktion der externe Verwaltungsrat innerhalb des Gremiums übernehmen soll: VR-Präsident, Vorsitzender eines Ausschusses oder gewöhnliches Mitglied. ARBEITEN AUF AUGENHÖHE In der Zusammenarbeit innerhalb des Gremiums darf nicht zwischen intern und extern unterschieden werden. Jedes VR-Mitglied hat grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten und muss seinen Beitrag leisten. Wichtig ist, dass dem externen Verwaltungsrat transparent und proaktiv alle nötigen Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung ge­ stellt werden. Spätestens beim Beizug eines externen Verwaltungsrats empfiehlt es sich, auch den Umgang mit allfälligen Interessenskonflikten zu regeln. DIE AUTORIN

Stefanie Meier-Gubser ist Geschäftsführerin des Schweizerischen Instituts für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungs­ mitglieder (sivg).

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VRPRAXIS

Brexit – think positive! GEGENDARSTELLUNG  Die Brexit-Abstimmung hat Schwarzmalern Aufwind gegeben. Während Tagen, wenn nicht Wochen dominierten Negativschlagzeilen die renommiertesten Medien. Zeitweise hatte man den Eindruck, die Wirtschaft, ja die ganze Weltordnung stünde Kopf. Eine rationale Betrachtung der Sachlage geht anders. Die Welt dreht sich weiter – und mit ihr Grossbritannien. VON  C H R I S T O P H H I L B E R

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ugegeben, der Brexit stört die Tagesordnung. Aber die einseitig negative Darstellung hat mich doch sehr befremdet. Grund genug für ein Gegengewicht: Positive Denkanstösse und die Einordnung der Brexit-Auswirkungen auf Politik und Wirtschaft in einen breiteren Kontext.

ten folgen ohnehin der Spur des Geldes. Die Verlegung von Hauptsitzen und Niederlassungen zwecks (Steuer-)Optimierung ist nichts Neues. Warum nicht wegen eines echten Faktors umziehen? GB ist seit langem auf dem Weg zur Dienstleisterin, weg von der industriellen Wertschöpfung. Und Dienstleistungszentren lassen sich einfach verschieben. Theresa May möchte die GB-Industrie wiederbeleben, was wohl nichts mit dem Brexit zu tun hat. Es gibt auch erfolgreiche Länder ausserhalb der EU. Und GB wird alles daran setzen, mit den interessanten Partnern in- und ausserhalb der EU schnell Wege zu finden, um den Handel zu beleben. Es wird bestimmt auch Firmen geben, welche kurzfristig am Einbruch des Handels mit GB und dessen Währung leiden. Handel wird es aber weiterhin geben, die Agileren werden kurzfristig Vorteile haben.

POLITIK – EIN ÜBERFÄLLIGER WECKRUF Der Brexit war vor allem ein politisches Spektakel, allerdings ein auf Europa beschränktes. Auch wenn sich Politiker von ausserhalb für den «Bremain» instrumentalisieren liessen, bleibt es eine europäische Angelegenheit. Die Ohrfeige an die europäischen Zentralisten brennt hoffentlich so stark nach, dass sie sich wieder an den Sinn und Zweck der EU erinnern. Diese darf nicht nur komplizierter, volksfremder und teurer werden. Nein, sie soll den Menschen sicht- und spürbare Vorteile bringen. FAZIT – POSITIVE DENKER SIND GEFRAGT Im Vergleich zur Wirtschaft wurde die EU Die Briten sind im Moment nicht zu beneiden, mit einer Art Aktionärsbindungsvertrag (ABV) sitzen sie doch am kürzeren Hebel und können Mit nüchternem Blick entlarvt sich die Aufregung abgeschlossen, welcher ohne die kritischen und zu Konzessionen gezwungen werden. Auch um den Brexit als weniger dramatisch. entscheidenden Punkte formuliert wurde. Der wir Schweizer waren nicht zu beneiden, als die Bild: Depositphotos.com, vicnt2815 heikelste und wichtigste Punkt eines ABV ist die Masseneinwanderungsinitiative unerwartet Exit-Klausel. Diese wurde nicht ehrlich zu Ende angenommen wurde. Es werden über Jahre gedacht – siehe Griechenland, siehe Brexit. Zudem ist (war) Grossbri- tausende Jobs generiert, um die GB-Bilateralen zu entwickeln. Die EU tannien ja nicht einmal Vollmitglied. So what? Vielleicht wachen die wird dem bisher sehr grossen Beitragszahler GB den Marktzugang Politiker nun auf und holen Versäumtes nach. Die EU als Friedens- nicht einfach verschenken. GB wird wie die CH auch als Nicht-Mitunion nur wegen des Brexit abzuschreiben, ist nicht gerechtfertigt. glied zahlen müssen, ohne aber über die Ausgaben mitbestimmen zu dürfen. Die Zukunft wird ohnehin reichlich Herausforderungen WIRTSCHAFT – ZURÜCK ZUM NORMALBETRIEB bereithalten – mit oder ohne Brexit. Aber wegen des Brexit die Welt Die Wirtschaft wird den Brexit verdauen, wie sie jede Änderung der abzuschreiben, ist meines Erachtens zu einfach gedacht. Hängen wir politischen Rahmenbedingungen verdaut. Die Börsen taugen nur als den Negativismus an den Nagel und orientieren wir uns nach vorne. langfristiger Indikator: Ein Monat nach dem Brexit stehen die Indizes Kreative und positive Denker sind gefragt! wieder über dem Stand davor. Die Marktleistung von Grossbritannien kann ohne grösseren Aufwand von anderen Wirtschaftsräumen kompensiert werden. Der Aktiencrash stipulierte, dass der Brexit circa CHRISTOPH HILBER fünf Billionen Dollar Börsenkapitalisierung wert sei – eine emotionale Der Autor ist BetriebswirtschafÜberreaktion der Pessimisten und Spekulanten. Damit ein Handel an ter und seit 8 Jahren Headhunder Börse überhaupt zustande kommt, braucht es auf der Gegenseite ter mit seiner eigenen Firma zum Glück immer auch einen Optimisten. Die Angst, GB als EinfallsP-Connect Executive Search & tor nach Europa zu verlieren, hat wohl lediglich mit der Hoffnung Recruiting mit Fokus auf Induszu tun, dass Englisch für die Bearbeitung des EU-Marktes genügen trie (MEM), Informatik, Telekom würde. Eine Annahme, die schon gestern nicht stimmte. Und morgen und Positionen VR, GL/Kader www.p-connect.ch/neuigkeiten erst recht nicht. Firmen haben seit jeher ihre Aktivitätszentren so über und Spezialisten. Vorgängig war er in leitenden Linienfunktionen bei NCR/AT&T, diAx und Siemens. die Welt verteilt, wie es betriebswirtschaftlich am meisten Sinn ergibt. Es gibt in Europa mehr als genug alternative Standorte. Die Spezialis52

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Das Kreuz mit dem Chrüz SWISSNESS-REVISION  Der Schwyzer Konsumgüterhersteller Victorinox hat zehn Millionen Franken in eine neue Fabrik für Uhrengehäuse investiert. Der Grund: Anfang 2017 werden die neuen Swissness-­ Regeln in Kraft treten. TEXT   D E L I A B A C H M A N N

Die Sackmesser sind sicher: Sie dürfen das ­ chweizerkreuz weiterhin tragen. Dies weil sie S ­ausschliesslich in Schwyz hergestellt werden. ­Anders sah es bei den Uhren aus – Victorinox musste proaktiv A ­ npassungen vornehmen. Bilder: zVg

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m 1. Januar ist es so weit. Das neue liberalisierte Wappenschutzgesetz tritt in Kraft. Es erlaubt den gewerblichen Ge­­ brauch des Schweizerkreuzes unter klar definierten Kriterien. Aufgeführt sind diese Bedingungen im ebenfalls revidierten Mar­kenschutzgesetz. Es hält zum Beispiel fest, dass für Industrieprodukte nur noch mit Kreuz und der Herkunftsbezeichnung Schweiz geworben werden darf, wenn mindestens 60 Prozent der Herstellungskosten sowie ein wesentlicher Fabrikationsschritt in der Schweiz anfallen. Wie viele Unternehmen von den neuen Bestimmungen tangiert sind, ist nicht bekannt. Immerhin Hinweise liefert eine Umfrage der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur vom August letzten Jahres. Von den befragten Industriebetrieben gaben drei Viertel an, in der Werbung auf ihre Schweizer Herkunft zu setzen. FIT FÜR DIE SWISSNESS Ein Unternehmen, das wie kein zweites für Qualitätsarbeit aus der Schweiz steht, ist die Schwyzer Sackmesser-Herstellerin Victorinox. «Für uns», erklärt CEO Carl Elsener, «haben die neuen Gesetze einschneidende Konsequenzen». Und weil das so ist, wartete man am Fuss der Mythen nicht ab, sondern schritt gleich nach der Verabschiedung der «Swissness»-Vorlage im Sommer 2013 zur Tat. In einem ersten Schritt ging es darum, die Wertschöpfungsketten der verschiedenen Produktsegmente zu durchleuchten. Die Messerproduktion, die rund 60 Pro-

zent zum Umsatz beiträgt, konnte schnell abgehakt werden. Sie findet ausschliesslich in Schwyz statt. «Anders sah es beim Reisegepäck und bei den Uhren aus», erklärt Carl Elsener. Koffer und Taschen liess Victorinox komplett im Ausland fertigen; bei den Uhren pendelte die inländische Wertschöpfung je nach Modell zwischen 50 und 60 Prozent. Familienunternehmer Elsener, der allein in der Schweiz 1200 Mitarbeiter beschäftigt, sah sich vor die Wahl gestellt: Entweder er verzichtet in den betreffenden Produktkategorien auf die Vorteile einer Marke mit einem Hinweis auf die Schweiz oder er nimmt Anpassungen in Beschaffung und Produktion vor. DAS GEPÄCK OHNE, DIE UHREN MIT Bei den Koffern und Taschen entschied sich Elsener für den Verzicht: «Es wäre angesichts der Frankenstärke zu teuer geworden, eine überwiegend inländische Produktion aufzubauen». Das neue – herkunftsneutrale – Logo für das Gepäcksortiment ist in Arbeit. Bei den Uhren hingegen kam ein Abrücken vom Kreuz in den Landesfarben nicht in Frage: «Dort», so Carl Elsener, «setzten wir den Hebel bei der Herstellung an». Konkret ging es darum, einen Teil der bisher im Ausland erbrachten Wertschöpfung ins Inland zu transferieren. Eine Recherche bei potenziellen Lieferanten verlief erfolglos, sodass sich Carl Elsener entschloss, im Jura eine Produktion für Uhrengehäuse aufzubauen. Seit Ende 2015 sind die Produktions- und Montageanlagen in Betrieb. Untergebracht sind sie an der Route de Bâle in Delémont,

wo Victorinox seit einigen Jahren seine verschiedenen Westschweizer Produk­ tions­ standorte zusammenzieht. Die aktuelle Ka­­ pazität liegt bei 50 000 Schatullen im Jahr; ab 2017 soll sie vervielfacht werden. Damit sind die Schwyzer die Sorgen bezüglich der Swissness ihrer Uhren los: «Für uns ist die 60 Prozent-Schwelle kein Thema mehr», sagt Carl Elsener. Das Kreuz in den Landesfarben und der Schriftzug Swiss Made auf den Victorinox-Uhren dürfen bleiben. GUT INVESTIERTES GELD Im Endausbau wird Victorinox gut zehn Millionen Franken in die neue Schatullenfertigung investiert haben. Das ist viel Geld, auch für einen Betrieb, der 2015 rund eine halbe Milliarde Franken umgesetzt hat. Dazu kamen Kosten im Segment «Koffer und Taschen»: Für dieses Sortiment mussten in 120 Ländern neue, herkunftsneutrale Marken angemeldet werden. Aber für Patron Elsener hat sich der Aufwand gelohnt: «Wir sind bereit für den nächsten Januar.» Das Beispiel Victorinox zeigt: Die Swissness-Vorlage kann bei Firmen, die für bestimmte Produkte mit der Herkunftsbezeichnung Schweiz werben, substantielle Auswirkungen auf Beschaffung und Produktion haben. Wie diese Massnahmen im Einzelfall aussehen, muss jeder Unternehmer für sich entscheiden. Eine Übersicht zu den rechtlichen Grundlagen findet sich auf der Website des Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) (www.ige.ch/swissness). Die Spezialisten des Bundes erläutern die vier Ausführungsverordnungen und haben für jede Verordnung ein Factsheet erstellt.

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VRPRAXIS

Zurück zur weissen Weste BETREIBUNGSRECHT  Einen ungerechtfertigten Betreibungs­registereintrag zu löschen, ist in der Schweiz mit hohen rechtlichen Hürden verbunden. Grundsätzlich hat der Betriebene die Wahl zwischen: verhandeln, zuwarten oder klagen. Von der letzteren Option wird aufgrund der langen Verfahrensdauer und den hohen Gerichtskosten meist abgesehen. TEXT   D O N A T U S S T R E B E L U N D I S A B E L H Ö H E N E R

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ie Betreibung soll es einem Gläubiger ermöglichen seine ­ bestehende Forderung zwangs­ weise durchzusetzen. In der Schweiz ist es jedoch möglich, eine B ­ etreibung auch ohne den Nachweis e ­ inzuleiten, dass die in Betreibung gesetzte Forderung über­ haupt besteht. Diese ­helvetische Besonder­ ­ etreibung heit birgt die Gefahr, dass die B missbraucht wird, um einen ungerechtfer­ tigten ­Betreibungsregistereintrag zu erwir­ ken und damit einer Privatperson oder einem ­Unternehmen bewusst zu schaden. Wie lässt sich ein solcher ungerechtfertigter ­Betreibungsregistereintrag wieder löschen? BESCHWERDE SELTEN ERFOLGREICH Das Betreibungsamt darf den Bestand einer Forderung nicht überprüfen und muss daher grundsätzlich jede Betreibung ent­ gegennehmen. Es kann ein Betreibungsbe­ gehren nur zurückweisen, wenn es offen­ sichtlich ­rechtsmissbräuchlich eingereicht wird. Dies ist nach der geltenden Recht­ sprechung äusserst selten anzunehmen und wird von den Betreibungsämtern kaum je in Betracht gezogen. Offensichtlich rechtsmiss­ bräuchlich ist eine Betreibung etwa dann, wenn der Gläubiger mit wiederholten Betreibungen nur die ­Kreditschädigung des Betriebenen bezweckt. Nimmt das Betrei­ bungsamt ein solches Betreibungsbegehren entgegen, kann sich der Betriebene mittels einer Beschwerde wehren. Diese ist grund­ sätzlich kostenlos. Hat die Beschwerde Erfolg, darf die ­Betreibung nicht mehr auf dem Betreibungsregisterauszug erscheinen. Im Normalfall stellt das Betreibungsamt dem Betriebenen jedoch den Zahlungsbefehl zu und trägt die Betreibung im Betreibungsre­ gister ein. Der Betriebene kann innerhalb von zehn Tagen nach Erhalt des Zahlungs­ befehls dagegen Rechtsvorschlag erheben. Dies ist bei einer schikanösen Betreibung 54

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DIE DREI OPTIONEN VERHANDELN  Am schnellsten wird man ein Betreibungsregistereintrag los, indem man den Gläubiger dazu überredet, die Betreibung von sich aus zurückzuziehen. In diesem Fall ersucht der Gläubiger das Betreibungsamt um die Löschung des Betreibungsregistereintrags. ZUWARTEN  Lässt sich der Gläubiger nicht freiwillig zum Rückzug der Betreibung bewegen, kann der Betriebene abwarten, bis der Betreibungs­registereintrag Dritten gegenüber nicht mehr mitgeteilt wird. Dies ist nach fünf Jahren der Fall. Auch durch einen Wohnorts- respektive ­Sitzwechsel in einen anderen Betreibungskreis lässt sich die Betreibung auf dem aktuellen ­Betreibungsregisterauszug zum Verschwinden bringen, da jedes Betreibungsamt ein eigenes Betreibungsregister führt und die Einträge vom bisherigen Ort nicht übertragen werden. Versierten potentiellen V ­ ertragspartnern ist dieser «Trick» ­jedoch hinlänglich bekannt. In der Regel wird

grundsätzlich zu empfehlen. Die Betreibung wird gestoppt, der Betreibungsregisterein­ trag bleibt jedoch bestehen – auch wenn der Gläubiger die Betreibung in der Folge nicht weiterführt. Für den Betroffenen ist dies ärgerlich. Ihm bleiben drei Optionen (siehe Kasten) VERBESSERUNG IN SICHT Wie sich unschwer erkennen lässt, sind die Möglichkeiten des Betriebenen, einen ­u ngerechtfertigten Betreibungsregister­ eintrag löschen zu lassen, heute unge­ nügend. Dies wurde auch vom Parlament erkannt. In den eidgenössischen Räten wird daher z­urzeit eine Anpassung der be­ ­ stehenden Gesetzesbestimmungen be­­ elche die Löschung von unge­ handelt, w rechtfertigten ­Zahlungsbefehlen erleichtern soll. Der ­Nationalrat hat in der Herbstses­ sion 2015 einem entsprechenden Entwurf seiner ­­Kommission ­zugestimmt. Es besteht

daher auch ein Betreibungsregisterauszug vom früheren Wohnort respektive Sitz verlangt, wenn der Umzug erst kürzlich stattgefunden hat. KLAGEN  Will oder kann der Betriebene die Frist von fünf Jahren nicht abwarten, muss er die Entfernung des ungerechtfertigten ­Betreibungs­registerauszugs mittels Klage e­ rstreiten. In der Regel kommt dafür nur die sogenannte negative Feststellungsklage in Frage. Die hohen Anforderungen, ­welche das Bundesgericht bei dieser Klage bisher an das sogenannte «Feststellungsinteresse» des B ­ etriebenen stellte, wurden anfangs 2015 a­ ufgehoben. Nach wie vor ist jedoch mit einer langen Verfahrensdauer zu rechnen. Zudem muss der Betriebene die Gerichtskosten als ­Kläger in der Regel vorschiessen. Selbst wenn er den Prozess schliesslich gewinnen sollte, besteht das Risiko, dass er diese Kosten vom unterlegenen Gläubiger nicht zurückerhält. Es wird empfohlen, sich für eine Klage anwaltlich beraten zu lassen.

also die Hoffnung, dass sich grundlose Betreibungen in absehbarer Zeit einfacher löschen lassen.

DIE AUTOREN

Rechtsanwalt Donatus Strebel ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Stiffler & Partner in Zürich. Er berät und vertritt Unternehmen und Privatpersonen unter anderem im Vertrags- und Prozessrecht. Isabel Höhener, MLaw, ist als Substitutin bei Stiffler & Partner Rechtsanwälte tätig.


WEITERBILDUNG

Keiner bleibt verschont CYBERKRIMINALITÄT  Die unternehmerischen Chancen im Cyberspace sind riesig – genauso die Gefahren, die nicht weniger geworden sind. Ein Grund zur Panik ist das nicht: Auf verlorenem Posten sitzt nur, wer verdrängt oder herunterspielt. Reüssieren werden jene, die der Bedrohung sehenden Auges entgegentreten. IN TERVIEW   A L I N E T H E I L E R

Bildquelle: Depositphotos.com, maxkabako, weerapat

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alph Hutter, Experte für Digital Risk Management und Studiengangsleiter an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich, kennt die Risiken, welche die Digitalisierung für Schweizer Unternehmen birgt. Mehr noch: Er weiss, was zu tun ist, um diese zu reduzieren.

Was ist das grösste digitale Risiko für Schweizer Unternehmer? RALPH HUTTER  Dass sie sich in falscher Sicherheit wiegen. Alleine der Halbjahresbericht von Melani, der Melde- und Analysestelle Informationssicherung des Bundes, informiert über zahlreiche Vorfälle: Spionage, elektronischer Banküberfall, Datenabflüsse, Angriffe auf industrielle Kontrollsysteme, Einsatz von Crimeware wie Phishing und Trojaner, Erpressungen, Defacements, also Webseitenverunstaltungen oder übermässige Zugriffe, die ganze Webserver oder Netzwerke lahmgelegen. Digitale Übergriffe sind an der Tagesordnung. Wer ist besonders gefährdet? Cybercrime ist ein boomendes Geschäftsmodell. Im Fokus stehen Angriffe, welche sich schnell monetarisieren lassen. Besonders bedroht sind Anbieter von Zahlungsdienstleistungen, also Banken, Kreditkartenunternehmen oder Online-Bezahldienste, da direkt Geldwerte transferiert werden können. Unternehmen mit spezifischem Innovations-Knowhow wie künftige Patente, Rezepte oder Baupläne in den Bereichen Chemie, Pharma, Technologie oder Maschinenbau sind potenzielle Angriffsziele für Wirtschaftsspionage. Aktuell gibt es auch branchenunabhängige Massenangriffe, bei-

tern muss geregelt oder gar physisch überwacht werden. Des Weiteren sollten Berechtigungen sehr restriktiv vergeben werden. Und nicht zu vergessen ist ein einwandfrei geregelter Prozess bei austretenden Mitarbeitenden.

spielsweise mittels Crypto-Malware. Ganze Computer werden verschlüsselt und nur gegen Bezahlung eines Lösegelds «freigeschaltet». Kurz: Keine Branche bleibt verschont.

Sie sprechen den Faktor Mensch an. Ja, bei aller Technik wird der Faktor Mensch oft übersehen. Dabei ist die Palette an Risiken breit: Sei es ein auf dem Post-it-Zettel notiertes Passwort, die Verwendung privater Geräte am Arbeitsplatz, der Verlust eines Laptops mit sensitiven Daten, der Gebrauch von öffentlichen WLANs oder ein falscher Klick auf den bösartigen Email-Anhang – das ist nur ein Auszug aus einer langen Liste. Wichtig ist also die «Awareness» der Mitarbeitenden. Sie müssen regelmässig über aktuelle Gefahren und interne Regeln informiert und dafür sensibilisiert werden. Entscheidend bei allen Sicherheitsmassnahmen ist, dass alles relativ einfach anwendbar bleibt. Ansonsten suchen sich die Mitarbeitenden bequemere, private Umgehungslösungen.

Worauf muss man achten? Es gibt zwar zahlreiche spezialisierte Sicherheitssoftwares, welche die Risiken eines technischen Zugriffs reduzieren. Was aber, wenn ein Mitarbeiter mit den entsprechenden Berechtigungen «legal» Zugang zu Dokumenten hat und diese weiterverwendet? Vermutlich wird nur ein Bruchteil von Datendiebstählen überhaupt bemerkt. Sensible Daten wie Kunden-, Mitarbeitendenoder Finanzdaten müssen speziell gesichert, kritische Daten grundsätzlich verschlüsselt werden. Aber auch der Zugang zu Compu-

Die aktuelle Bedrohungslage erscheint erdrückend. Was gibt Anlass zu Hoffnung? Mit Digital Risk Management ist eine neue Geisteshaltung verbunden. Es geht nicht nur um die Minderung von Risiken, sondern genauso um das Ausloten neuer Angebote und Geschäftsmodelle. Jedes Unternehmen sollte mindestens denselben Aufwand betreiben, die Chancen der Digitalisierung zu erheben, wie es für die Minderung von IT-Risiken aufwendet. Denn am Ende geht es um das Geschäft und nicht um Technologie: «It’s Business, not Bytes».

ZUR PERSON Ralph Hutter ist diplomierter Informatiker mit MBA-Abschluss und hat über 20 Jahre Berufserfahrung in Digitalisierungsprojekten bei Schweizer Banken und führenden Software-Herstellern. Seit 2009 doziert er an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich und ist Studiengangsleiter des CAS Digital Risk Management.

Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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WEITERBILDUNG

Die Hiobsbotschaft überbringen KÜNDIGUNGSGESPRÄCHE  Sich von Mitarbeitenden trennen, ist nicht einfach. Umso wichtiger sind eine professionelle Durchführung und eine optimale Gestaltung des Trennungsprozesses für alle Beteiligten. Was Führungskräfte vor und während dieser heiklen Gespräche beachten müssen. TEXT   M A T T H I A S H E T T L

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ündigungsgespräche sind eine besondere Herausforderung. Es ist daher verständlich, dass die meisten Führungskräfte diese als unangenehm empfinden. Nichtsdestotrotz ist es unverzichtbar, dass sich die Verantwortlichen gut auf diese schwierigen Gespräche vorbereiten. Vorgesetzte sind es ihren Mitarbeitenden schuldig, eine schlüssige Begründung für eine Kündigung zu liefern. Insbesondere trägt die Art und Weise der Durchführung dazu bei, die Motivation der verbleibenden Belegschaft zu erhalten. Eine gute Trennungskultur basiert auf offener und früher Kommunikation, Transparenz und Ehrlichkeit, Fairness, Respekt, Wertschätzung und Sensibilität. GUT VORBEREITET, EIN ZEICHEN DES RESPEKTS Stellen Sie in einem ersten Schritt alle relevanten Unterlagen zusammen und arbeiten Sie diese gründlich durch. Sie können dabei sicherlich auf die Unterstützung von Ihrem Personalleiter zählen. Das Kündigungsgespräch führen Sie als direkter Vorgesetzter in der Regel unter vier Augen. Es kann teilweise aber durchaus sinnvoll sein, eine weitere Person hinzuzuziehen. Das kann ein Zeuge für das Gespräch sein oder eine Person, die dem Gekündigten Beistand leistet. Legen Sie für das Kündigungsgespräch einen fairen Termin fest. Der Wochentag sollte prinzipiell ein Montag, ein Dienstag oder ein Mittwoch sein, sodass in derselben Arbeitswoche noch die Möglichkeit für ein Folgegespräch bleibt. Vom Zeitpunkt her bietet sich der frühe Nachmittag an. So ­stehen die Chancen gut, dass der Mitarbei-

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tende noch eine Vertrauensperson erreicht, mit der er sich am Abend austauschen kann. Das Gespräch sollten Sie entsprechend Ihren üblichen internen Gepflogenheiten mit einer allgemeinen Formulierung ankündigen, zum Beispiel wie folgt: «Ich möchte mit Ihnen über Sie persönlich sprechen.» Achten Sie darauf, dass Sie während des Gesprächs nicht gestört werden. Auch wenn das eigentliche Kündigungsgespräch nur zwischen zehn und zwanzig Minuten dauert, sollten Sie zusätzliche Reservezeit einplanen. Dies für den Fall, dass Sie dem Gekündigten eine Reihe von Fragen beantworten müssen oder die emotionale Stabilität des Mitarbeitenden es nicht zulässt, ihn aus Ihrem Büro zu entlassen. Halten Sie ein Glas Wasser und für alle Fälle auch Taschentücher bereit. DIE PHASEN DES KÜNDIGUNGSGESPRÄCHS Ein Kündigungsgespräch gliedert sich in sechs Phasen. Bereiten Sie für das Gespräch im Vorfeld eine Checkliste mit den wichtigsten Formulierungen für die einzelnen Phasen vor. Die wichtigsten Sätze sollten Sie vorformulieren und durch mehrmaliges Aussprechen einüben, damit Ihnen diese routiniert über die Lippen gehen. DIE GESPRÄCHSERÖFFNUNG  Halten Sie diese sehr kurz und kommen Sie ohne grosse Aufwärmphase zum Punkt. Leiten Sie das Gespräch nach einer kurzen Frage nach dem Befinden sachlich ein und benennen Sie klar und deutlich, um was es geht. Zum Beispiel mit folgender Formulierung: «Frau Meier, danke für Ihr Kommen. Ich möchte mit Ihnen über Ihr Arbeitsverhältnis sprechen.»

AUSSPRECHEN DER KÜNDIGUNG  Die Kündigungsbotschaft müssen Sie in den ersten fünf Sätzen unmissverständlich aussprechen. Kommen Sie sofort zur Sache und reden Sie nicht um den heissen Brei herum. Der zentrale Satz muss immer lauten: «Hiermit kündige ich Ihnen, Frau Meier, fristgerecht zum …» Formulieren Sie Ihre Kündigungsbotschaft klar und deutlich. Sprechen Sie von Trennung, Kündigung oder Aufhebung. Drücken Sie Ihr ehrliches Mitgefühl aus. EMOTIONALE REAKTIONEN UND MITARBEITERVERHALTEN AKZEPTIEREN  Auf die Nachricht einer

Kündigung reagieren Mitarbeitende unterschiedlich, manche geschockt, manche gelassen, andere wütend. Lassen Sie zu, dass Mitarbeitende Emotionen zeigen, äussern Sie hierfür Verständnis und geben Sie ihnen ausreichend Zeit, die Fassung wiederzugewinnen. Gerät der Mitarbeitende in einen Schockzustand, müssen Sie ihm die nötige Zeit geben, damit der Schock erst einmal verdaut werden kann. Zeigen Sie Ihr Mitgefühl durch eine Formulierung wie: «Wie betroffen Sie sind, kann ich sehen und auch nachfühlen». Wenn der Mitarbeitende einen Moment Zeit braucht, schenken Sie ihm ein Glas Wasser ein, schweigen Sie eine Weile und fragen Sie Ihren Mitarbeitenden, ob Ihre Botschaft angekommen ist. In diesem Zustand ist es wichtig, dass Sie langsam vorgehen und sich immer wieder vergewissern, dass Ihr Gegenüber Sie verstanden hat und sich der Konsequenzen bewusst ist. Auch wenn Tränen fliessen, ist es wichtig, dass Sie erst einmal abwarten. Reichen Sie ein Taschentuch und äussern Sie Ihr Verständnis. Entlassen Sie den Gekündigten grundsätzlich erst aus dem


Bild: Depositphotos.com, Wavebreakmedia

Gespräch, wenn Sie den Eindruck haben, dass sich sein Zustand stabilisiert hat. Sollte sich sein Zustand nicht stabilisieren, übergeben Sie den Mitarbeitenden an eine Begleitperson. BEGRÜNDUNG DER KÜNDIGUNG  Wenn Ihr Gegenüber sein emotionales Gleichgewicht wiedergefunden hat, geben Sie eine Erklärung ab und nennen Sie die Gründe, die zur Kündigung geführt haben. Dabei gilt es zunächst die juristischen Grundlagen zu berücksichtigen und zu erläutern. Daraufhin zeigen Sie, wie sie zu Ihrer Entscheidung gelangt sind. Wichtig ist, dass Sie dem Gekündigten klarmachen, dass Sie über die Kündigung als sol-

che nicht mehr diskutieren werden, da diese ausgesprochen und somit rechtskräftig ist, sondern dass Sie nur die Entscheidung als solche verdeutlichen möchten. ABSTIMMUNG ZUM WEITEREN VORGEHEN Sobald dem Gekündigten klar geworden ist, dass die Kündigung unausweichlich ist und an dieser nicht gerüttelt werden kann, wird er Sie fragen, wie es nun weitergeht. Bieten Sie Ihrem Gegenüber die Unterstützung bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz an. Stellen Sie sich als Referenz zur Verfügung und signalisieren Sie Ihrem Mitarbeitenden, dass Sie ihm ein wohlwollendes Zeugnis schreiben werden. Zeigen Sie ihm auch die Option einer Freistellung auf. Am Ende der Abstimmungsphase zum weiteren Vorgehen fragen Sie Ihren Mitarbeitenden, wie die gemeinsame Sprachregelung zur Kündigung sein soll. Dabei geht es darum, wie Sie den Arbeitskollegen die Kündigung kommunizieren wollen. Halten Sie diese Punkte schriftlich fest. GESPRÄCHSABSCHLUSS  Haben Sie alle wesentlichen Informationen übermittelt und ergeben sich keine weiteren Fragen, dann leiten Sie zum Gesprächsabschluss über. Signalisieren Sie, dass Sie für weitere Fragen zur Verfügung stehen und bieten Sie bereits in der Abschlussphase an, ein weiteres Gespräch zu führen. Dann händigen Sie Ihrem Mitarbeitenden das Kündigungsschreiben aus und fragen ihn, was er im Anschluss an das Gespräch tun möchte. Wofür sich Ihr Mitarbeitender auch entscheidet – ob er nach Hause gehen, jemanden anrufen oder die Personalabteilung konsultieren möchte –, bieten Sie ihm in jedem Fall Ihre Unterstützung an.

NACH DEM GESPRÄCH – WIE WEITER? Direkt nach dem Kündigungsgespräch werden Sie die emotionale Anspannung spüren, die das Gespräch bei Ihnen ausgelöst hat. Es wird Ihnen sicher helfen, wenn Sie im Anschluss mit einer Person Ihres Vertrauens über Ihre emotionale Situation sprechen. Dies kann beispielsweise ein Mitarbeitender aus der Personalabteilung sein. Sie sollten möglichst direkt nach dem Gespräch die personelle Veränderung mitteilen. Laden Sie Ihre Mitarbeitenden zu einer Teamsitzung ein und sprechen Sie dort über den Zeitpunkt des Ausscheidens des gekündigten Mitarbeitenden sowie über die Hintergründe der Kündigung. Hier sollten Sie die vorher vereinbarte Sprachregelung beachten. Damit haben Sie die wichtigsten Aktivitäten nach dem Kündigungsgespräch erfolgreich hinter sich gebracht. Wichtig ist, dass Sie den Trennungsprozess so fair wie möglich durchführen und mit Ihren verbliebenen Mitarbeitenden aktiv die Zukunft gestalten.

DER AUTOR Dr. Matthias Hettl ist Geschäftsführer des Management Instituts Hettl Consult in Rohr bei Nürnberg, mehrfach ausgezeichneter «Excellent Speaker», «Top Consultant», Fach- und Hörbuchautor sowie einer der führenden Experten für Mitarbeiterführung und Management im deutschsprachigen Raum.

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PIONIERE

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Johann Bucher-Manz.

Das Stammhaus der Familie Bucher um 1817.

Die hydraulische Obspresse im Katalog von 1913.

Vom Schmied zum Patron JOHANN BUCHER-MANZ  1876 übernimmt Johann Bucher die Schmiede seines ­Vaters. Mit selbst gefertigten Obstpressen und dem Vertrieb ausländischer Mähmaschi­ nen gelang es ihm, die väterliche Werkstätte in eine moderne Maschinenfabrik zu ­transformieren. Heute ist Bucher Industries eines der weltweit führenden Industrie­ unternehmen. TEXT R O M A N B R A U C H L I

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ls Hans Jakob Bucher 1807 die alte Schmiede im Weiler Murzeln in einem Tausch­ ­ geschäft gegen sein Haus im Dorf erstand, deutete noch nichts auf eine bevorstehende Umwälzung der Lebens­ verhältnisse hin. Im ländlichen Nieder­ weningen war Anfang des 19. Jahrhunderts alles noch beim Alten, der Alltag geprägt vom gleichbleibenden Rhythmus der Jah­ reszeiten und der harten Arbeit auf dem Heinrich, der die Schmiede Feld. Sohn ­ übernahm, reparierte Pflüge und Mistga­ beln der B ­ auern aus dem Ort und beschlug die Pferde vorbeireisender Händler. Seit Jahrhunderten schien sich nichts an der Lebensweise der Dorfbe­wohner ­verändert zu haben. Doch die Schmiede in Murzeln sollte zu einem ­wichtigen Träger und Impuls­ geber einer rasanten Entwicklung wer­ den, die den Arbeitsalltag der Bauern und die ­land­wirtschaftliche Produktionsweise grund­­legend veränderte. FRISCHER WIND AUS DER FERNE Als Johann den Betrieb in dritter Genera­ tion übernahm, wurde die Schmiede bereits mit Wasserkraft angetrieben. Durch den ­mechanischen Antrieb von Blasebalg und Schmiedehammer konnte sein Vater Hein­ 58

UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016

rich grössere Projekte in Angriff nehmen. Bald gehörten Jauchepumpen, Dresch- und Futterschneidemaschinen sowie Handmüh­ len zu den Fertigungen des Handwerksbe­ triebes. Nach kurzer Schulzeit und einigen Lehrjahren im väterlichen Betrieb zog es den zwanzigjährigen Johann ins Ausland. In Pforzheim, Paris, Leipzig und Frank­ furt erweiterte er seine handwerklichen ­Fertigkeiten um technische Kenntnisse der Maschinenkonstruktion. In den väterlichen Betrieb zurückge­ kehrt, begann Johann sogleich mit eigenen Konstruktionen von Obst- und Traubenpres­ sen. Durch die Eigenfabrikation ­präziser Spindeln konnte Bucher leistungsfähige und einfach zu bedienende Obstpressen herstellen. Nicht nur auf der Schweizeri­ schen L ­ andesausstellung 1884 in Zürich ­bewunderte das Publikum seine Mostpres­ sen, auf zahlreichen landwirtschaftlichen Ausstellungen gewann er damit Preise. Dem sich abzeichnenden Wandel von der H andwerksstätte zur Maschinenfabrik ­ waren durch die geringe Leistung des Wasserwerks jedoch Grenzen gesetzt. Entschei­ denden Schub erhielt die Mechanisierung der ­Produktion 1898 durch die Anschaffung einer Dampfmaschine, die bald über 30 Fab­ rikationsmaschinen antrieb.

US-IMPORTE UND GESCHICKTE VERMARKTUNG Johann setzte früh auf die Diversifi­kation seiner Geschäfte und auf langfristige ­H an­d elspartnerschaften. Pferderechen, F utter- und Rübenschneidemaschinen ­ so­ wie Schrotmühlen importierte er aus ­Deutschland und Frankreich. Vor allem die aus den USA importierte Mähmaschine «McCormick» setzte sich rasch durch. Ent­ scheidend dafür war sicher auch, dass Johann unermüdlich die Vorteile seiner Maschinen an öffentlichen Vorführun­ gen anpries. An einer Demonstration der «McCormick» im aargauischen Schneisin­ gen nahmen über 1000 Schaulustige teil. Im noch jungen Nationalstaat eröffneten sich durch Zeitungen und Fachblätter neue Kommunikationskanäle. Bucher nutzte die Gelegenheit und inserierte fleissig. Auch in den neugegründeten landwirtschaftlichen Verbänden war Bucher aktiv und nutzte sie als Netzwerke für die Vermarktung sei­ ner Produkte. Durch den Handel mit den importierten Mähmaschinen konnte Bucher einen entscheidenden Wachstumsschub des ­Unternehmens in den 1890er-Jahren aus­ lösen und seine Umsätze massiv steigern. Als 1891 die Wehntalbahn eröffnet wurde, waren auch in logistischer Hinsicht neue Kapazitäten möglich.


Eine moderne Weinproduktionsanlage: Bucher übernimmt 1986 den Traubenpressenhersteller CMMC.

DIE FAMILIENTRADITION FORTGESETZT Bucher setzte weiterhin auf zwei Standbeine und investierte intensiv in die Entwicklung eigener Geräte. Die erste hydraulische Obstpresse wurde 1901 von Johanns Sohn Jean entwickelt. Auch mit dem Jauchepumpen-Modell «Luna» konnte Bucher in den 1920er-Jahren neue Standards setzen und ins Ausland exportieren. Mit dem «Mostfritz» erschloss sich Bucher ab den 1930er-Jahren neue Kundensegmente. Die handbetriebene Mostpresse war besonders für Kleinbetriebe attraktiv. Das

Das heutige Firmengelände in Niederweningen.

Geschäftsmodell bewährte sich. Die Belegschaft wuchs von 29 Beschäftigten um 1900 auf über 200 in den 1930er-Jahren. Die Bucher Industries AG kann auf eine erfolgreiche Unternehmensgeschichte von über 200 Jahren zurückblicken, die die Stationen der Industrialisierung widerspiegeln. Johann Bucher brachte durch Optimierung einfacher landwirtschaftlicher Geräte wie Jauchepumpen und Mähmaschinen die Mechanisierung der anfänglich noch auf tierische Zugkraft angewiesenen Agrarproduk-

tion voran. Ab den 1940er-Jahren setzt der Übergang von der Pferde- zur Motortraktion ein, der auch durch den ersten, von Bucher 1945 entwickelten einachsigen Motormäher «Rekord» mitgetragen wurde. Heute ist die börsenkotierte Bucher Industries AG in verschiedenen Industriezweigen tätig und beschäftigt über 11 000 Mitarbeitende weltweit. Mit dem Verkauf des Motormäher-Geschäfts 2003 hat am Standort Niederweninder Landmaschinenbau, welcher die Firma zum Blühen brachte, ein Ende gefunden. Anzeige

20 1996 – 2016

Jahre Europa Forum Luzern

Herbst 2016 14. November KKL Luzern

HERAUSFORDERUNG Spannungsfeld

Arbeitsmarkt & Zuwanderung Markus Bucher CEO Pilatus Aircraft

André Frei Co-CEO Partners Group

Simon Michel CEO Ypsomed

Hans-Werner Sinn em. Präsident ifo Institut München

www.europaforum.ch Hauptpartner

Tagungspartner

Premium Medienpartner

Medienpartner

Netzwerkpartner

Moneycab Die Volkswirtschaft Persönlich UnternehmerZeitung

Schweizerischer Arbeitgeberverband Scienceindustries Swissmem Swissstaffing VSUD


NETZWERKE

Fertig geschmiert PRIVATBESTECHUNG  Seit dem 1. Juli 2016 ist Privatbestechung ein Offizialdelikt und wird von Amtes wegen verfolgt. Strafbar ­machen sich nicht nur der bestochene Arbeitnehmer und der ­Bestechende, sondern auch die Arbeitgeberin, die keine genügenden Vorkehrungen zum Vermeiden der Privatbestechung ge­troffen hat. VON  S T E F A N I E M E I E R - G U B S E R

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ie Bestechung Privater war bisher im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt. Sie war nur strafbar, wenn sie zu einer Wettbewerbsverzerrung führte und wurde nur auf Straf­antrag hin verfolgt. Neu ist die Privatbestechung ein Straftatbestand des Strafgesetzbuches (StGB). Sie wird nun auch ohne Beeinträchtigung des Wett-

bewerbs und – ausser in leichten Fällen – von Amtes wegen verfolgt. Damit können Schmiergeldzahlungen auch ausserhalb von Konkurrenzsituationen mit einer Geld- oder ­Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft ­werden. WER MACHT SICH ­STRAFBAR? Strafbar ist namentlich der Arbeitnehmer, der

sich im Zusammenhang mit seiner Arbeitstätigkeit bestechen lässt (passive Bestechung), aber auch, wer den Arbeitnehmer besticht (aktive Bestechung). Bestechen ist das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines «nicht gebührenden Vorteils» für «eine pflichtwidrige oder im Ermessen stehenden Handlung oder Unterlassung». Dabei

sind vertraglich vom Dritten genehmigte oder geringfügige, sozial übliche Vorteile nicht strafbar. Die Grenze ist fliessend. Die Anstiftung zur Privatbestechung ist ebenfalls strafbar.

wenn sie nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Massnahmen getroffen haben, um die Privatbestechung zu verhindern. Arbeitgeberinnen tun daher gut daran, die ­Privatbestechung ­explizit in ihre Compliance aufzu­nehmen. STEFANIE MEIER-GUBSER Die Autorin ist lic. iur. und Fürsprecherin bei Centre Patronal, Kapellenstrasse 13, Postfach 3001 Bern, +41 58 796 99 09, +41 58 796 99 03, smeier@centrepatronal.ch, www.centrepatronal.ch

STRAFGELDER DROHEN Unabhängig von der Strafbarkeit des Arbeitnehmers können Unternehmen mit bis zu fünf Millionen Franken bestraft werden, Anzeige


NETZWERKE

Beteiligung nach Plan NACHFOLGEREGELUNG  Viele KMU müssen in den kommenden Jahren ihre Nachfolge regeln. Deren Finanzierung ist für alle Seiten eine Herausforderung und ein häufiges Praxisproblem. Ein ­Mitarbeiterbeteiligungsplan kann Abhilfe schaffen. TEXT   R E T O A R N O L D

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nlässlich einer Nachfolgeregelung möchte der verkaufende Aktionär sein Unternehmen zum bestmöglichen Verkaufspreis an die Nachfolger veräussern. Vielfach stellt sich dabei jedoch das Problem, dass die Nachfolger die Finanzierung des Unternehmenskaufs nur schwer bewerkstelligen können oder dass im Extremfall der Erwerb des Unternehmens gar nicht finanziert werden kann. Folglich ist eine Unternehmensnachfolge nicht möglich. Die Finanzierung des Kaufpreises durch die Nachfolger erfordert

TAGUNG RECHNUNGSWESEN Das Jahrestreffen der Fachleute aus Buchführung und Rechnungslegung. Ausgewiesene Fachspezialisten erarbeiten mit Ihnen zusammen Lösungswege zu schwierigen Buchhaltungsfragen. Zudem werden Sie über die wichtigsten Neuerungen sowie den aktuellen Stand in der Gesetzgebung Rechnungslegung informiert. 7. September 2016 im Lake Side Zürich TAGUNG RECHTSFRAGEN IM TREUHANDWESEN Verträge zwischen Eigentümern eines Unternehmens und dem Unternehmen können viele Risiken verbergen. Dazu gehören auch Aktionärsbindungs-/Mandatsverträge und Organisationsreglemente. Ebenso prägt das Arbeitsrecht den Unternehmeralltag. In einem Tag erfahren Sie Wichtiges und Wissenswertes inkl. den Hinweisen auf neue Gerichtsentscheide. Die Themen Immobilien und Steuern runden die praxisbezogene Weiterbildung ab. 8. September 2016 im Lake Side Zürich FORUM TREUHAND DIGITAL Die digitale Revolution wird die Treuhandbranche fundamental verändern. Gehören Sie zu den Gewinnern – unsere Referierenden zeigen Ihnen auf wie. 6. Oktober 2016 im Lake Side Zürich Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.unternehmerforum.ch

entsprechende Bezüge in Form von Lohn oder Dividenden, da sich eine Investition längerfristig grundsätzlich stets selber finanzieren muss, das heisst die Nachfolger müssen den Kaufpreis – über kurz oder lang – mittels Bezügen aus dem erworbenen Unternehmen finanzieren. Beide Arten von Bezügen führen beim Empfänger jedoch zu steuerbarem Einkommen. PROFITABEL FÜR BEIDE SEITEN Um die Problematik zu entschärfen, sollte daher im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob eine Unternehmensnachfolge mittels eines Beteiligungsplans durchgeführt werden kann. Diese Möglichkeit sollte insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn die Unternehmensnachfolge schrittweise über eine bestimmte Zeitperiode erfolgt oder wenn mehrere Mitarbeitende das Unternehmen übernehmen und weiterführen werden. Sofern die Unternehmensnachfolge über einen Mitarbeiterbeteiligungsplan geregelt werden kann, der auch von den Steuerbehörden anerkannt wird, und die Mitarbeiteraktien mit möglichst langen Sperrfristen versehen werden, ist es möglich, den für Steuerzwecke relevanten Verkehrswert des Unternehmens signifikant zu reduzieren. Dies bedeutet, dass die Unternehmensnachfolger das Unternehmen zu einem reduzierten Verkehrswert erwerben können, ohne dass dabei der verkaufende Aktionär einen Mindererlös erzielt. Bei einer maximal möglichen Sperrfrist von zehn Jahren kann der steuerlich massgebende Verkehrswert demnach um bis zu 44 Prozent reduziert werden (Diskont), ohne dass daraus für die erwerbenden Nachfolger Steuerfolgen ausgelöst werden. Der reduzierte Verkehrswert erleichtert selbstredend die Finanzierung des Unternehmenserwerbs erheblich; es müssen weniger Fremd- und Eigenmittel investiert werden und im Ergebnis können die erwerbenden Nachfolger ihre Bezüge und damit auch ihr steuerbares Einkommen für die Finanzierung des Kaufpreises reduzieren. Als zusätzlicher Nebeneffekt reduziert sich zudem das steuerbare Vermögen

und folglich die Vermögenssteuerbelastung bei den Nachfolgern. Da der verkaufende Aktionär seine Aktien vorgängig zum Verkehrswert an das Unternehmen veräussert, wirkt sich der reduzierte Verkehrswert infolge der mit einer Sperrfrist ausgestalteten Mitarbeiteraktien für ihn nicht nachteilig aus, das heisst, er erzielt den vollen Verkehrswert. Beim betroffenen Unternehmen stellt die Differenz zwischen dem höheren Rückkaufspreis an den verkaufenden Aktionär und dem tieferen Verkaufspreis an die Nachfolger zudem Personalaufwand dar, der den steuerbaren Gewinn reduziert. UNTERNEHMENSVERKAUF IN ETAPPEN Sofern die Unternehmensnachfolge mittels eines Mitarbeiterbeteiligungsplanes abgewickelt werden kann, erleichtert dies die Finanzierung der Nachfolge erheblich und es können wesentliche Steuervorteile genutzt werden. Mitarbeiterbeteiligungspläne kommen in erster Linie dann zum Einsatz, wenn eine Unternehmensnachfolge schrittweise vollzogen werden soll oder ein Unternehmen an das Management respektive mehrere Nachfolger veräussert wird (im Rahmen eines Management Buy-Out oder eines Management Buy-In). Eine frühzeitige Planung und ein sorgfältiges Vorgehen, das mit den Steuerbehörden abzustimmen ist, sind dabei in jedem Fall unumgänglich.

DER AUTOR Reto Arnold ist lic. oec. der Universität St. Gallen, diplomierter Steuerexperte, Finanzanalytiker und Vermögensverwalter. Ausserdem besitzt Arnold ein CIIA®-Zertifikat (Certified International Investment Analyst) und ist DAS Mehrwertsteuer-Experte FH. Reto Arnold ist Partner der G+S Treuhand AG in Bern.

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EVENTS

Digital vernetzt TOPSOFT  Will ein Unternehmen auch morgen Erfolg haben, kommt es um das ­Thema «Digitale Transformation» nicht herum. Wie sich Chancen für das Geschäft optimal nutzen lassen, können Besucher an der grössten Schweizer IT-Fachmesse topsoft am 30. und 31. August erfahren. TEXT   I N È S D E B O E L

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enn die Business SoftwareMesse topsoft Ende August wieder ihre Tore öffnet, kann sie bereits ihr zwanzigjähriges Bestehen feiern. Dennoch will man im Jubiläumsjahr 2016 in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit schauen. Im Hinblick auf die rasante digitale Entwicklung will die topsoft auch künftig eine wichtige Orientierungshilfe für

TOPSOFT MESSE FÜR BUSINESS SOFTWARE 30. und 31. August 2016, Messe Zürich Mit der UnternehmerZeitung kostenlos an die topsoft 2016. Holen Sie sich Ihr Gratis-Messe-Ticket (Code «ts16UZ») unter www.topsoft.ch/ ticket Partnermesse: SuisseEmex

Unternehmen bieten. So orientieren sich die Veranstalter bei ihren Präsentationen von ITLösungen und-Services eng am Bedarf von KMU. Denn: Entscheider und IT-Verantwortliche aus dem KMU-Segment bilden mit 67 Prozent die grösste Besuchergruppe der Messe. Mit über 130 Ausstellern und 3 000 Fachbesuchern richtet sich die Messe an Unternehmen aller Branchen.

PLATTFORM FÜR DIGITALE TRANSFORMATION Die topsoft hat sich in den letzten Jahren auch zur attraktiven Networking-Plattform für Firmen-Software entwickelt. IT-Spezialisten, Consultants, Reseller, IT-Journalisten und andere Exponenten der Schweizer IT-Szene besuchen die topsoft regelmässig. Unter dem Motto «Praxis statt ­Theorie» vermitteln

Fachreferate und konkrete Fallstudien praxisnahes Fachwissen und direkt umsetzbare Impulse für den Einsatz von Business Software. Höhepunkte wie der Live-Vergleich führender ERP-Systeme beim Software-Slam, der Erlebnisfachkongress Paperless World im Bereich Dokumentenmanagement, die ­Sonderausstellung «Business IT: History

meets Future» oder der Business Intelligence Park machen die topsoft zum IT-Event des Jahres. Die gelungene Kooperation mit der Partnermesse SuisseEMEX hat sich bestens bewährt und wird 2016 durch verbindende Themenbereiche wie E-Commerce, Big Data und Online Marketing weiter ausgebaut. www.topsoft.ch

Schweizer Klimagipfel SWISSECS Schwindende Eisschilde, Pariser Abkommen, erneuerbare Energien – die 10. Ausgabe des Swiss Energy and Climate Summit kommt dem Diskussionsbedarf nach. Unter dem Motto «Building Tomorrow» findet vom 13. bis 14. September die führende Konferenz zu Energie- und Klimafragen in Bern statt. TEX T R O M A N B R A U C H L I

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­egweisende technologische Erneuerungen, ressourcenbewusstes Wirtschaften und – insbesondere an der diesjährigen Ausgabe – erfolgsversprechende Investitionen in die Zukunft sowie Strategien für Geschäftsmodelle und Politik stehen im Fokus des diesjährigen Klimagipfels. Unter den rund 30 Referierenden befindet sich Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der 62

«Building Tomorrow»: Die 10. Durchführung des Swiss Energy and Climate Summit richtet den Blick in die Zukunft. Bild: zVg/Swiss ECS

die Konferenz eröffnet. Weiter spricht Felipe Caldéron, ehemaliger Präsident Mexikos, über internationale Klimapolitik und die Rolle der Wirtschaft. Eric Olson, CEO von LafargeHolcim, zeigt, wie nachhaltiges Bauen geht. Billy Parish, Gründer und CEO von Mosaic, dem bedeutendsten Kreditgeber für private Solarsysteme in den USA, spricht über alternative Finanzierungs­modelle.

UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016

DIE ZUKUNFT IM ­GESPRÄCH An der Podiumsdiskussion am Mittwoch wird die Frage nach den Auswirkungen einer möglichen «Carbon Bubble» auf den Kapitalmarkt gestellt. Am Dienstag diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus Schweizer Wirtschaft und Politik mögliche Strategien der nationalen Klimapolitik nach dem Pariser-Abkommen vom Dezember 2015.

10. SWISS ENERGY AND CLIMATE SUMMIT 13. bis 14. September, Allegro-Kongresszentrum im Kursaal Bern, Kornhausstrasse 3, 3000 Bern Tagesticket: Zwischen 740 und 890 Franken. Für Jungunternehmen gilt der ermässigte Preis von 390 Franken. Anmeldeschluss: 22. August 2016

Im Länderfokus wird die Energie- und Umweltpolitik in Indien thematisiert. Des weiteren geben Show Cases Anstoss zu neuen Ideen. Dazu gehören das Pumpspeicherprojekt «E-Island», das im Meer

gebaut wird, oder das «Copenhagen Wheel» – ein Rad, mit dem sich gewöhnliche Fahrräder in E-Bikes verwandeln lassen. In der Ausstellung präsentieren sich sowohl etablierte Firmen als auch Startups.


EVENTS

Gemeinsames Schaffen EUROPA FORUM LUZERN  Während die einen die Zuwan­ derung mit Sorge betrachten, bedeutet sie für andere die Sicherung des Wirtschaftswachstums. Das Gipfel­ treffen in Luzern vom 14. November will versuchen, im gemeinsamen Dialog Lösungen und Strategien für den schweizerischen und europäischen Arbeitsmarkt zu finden. TEXT   A N O U K A R B E N Z

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ie Verunsicherung ist gross: Der Rückgang der Zuwanderung, die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative und die drohende Aufkündigung der Bilateralen sowie der nach wie vor starke Franken geben zu Denken. Namhafte Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diskutieren am 14. November über Schritte aus der Sackgasse. SCHWEIZ UNTER BREXIT-SCHOCK Nach dem Austritt Grossbritanniens aus der EU ist ganz Europa verunsichert. Auch die Schweiz ist angespannt: Grossbritannien ist sechstgrösster Einzelmarkt der Schweizer MEM-Industrie. Zudem muss die Schweiz nun alle Hoffnungen aufgeben, dass die bilateralen Verhältnisse mit der EU noch vor Fristablauf geklärten werden könnten. Die Europäische Union wird nach dem Brexit kaum mehr zu Zugeständnissen gegenüber der Schweiz bereit sein. Man will sich gar nicht vorstellen, welche Folgen eine Kündigung der bilateralen Verträge auf Aussenhandel und Standortattraktivität der Schweiz hätte. Wie können wir uns bestmöglich auf diesen Fall vorbereiten? Soll mehr in Schweizer Arbeitnehmer investiert werden? Sollen wir einfach abwarten? Klar ist: Um zu garantieren, dass weiterhin gut qualifizierte Arbeitskräfte in die Schweiz kommen, müssen die bilateralen Verhältnisse mit der Europäischen Union geklärt werden.

Wie ist das Spannungsfeld zwischen Arbeitsmarkt und Zuwanderung anzupacken? Welche Strategien können Unternehmen betreffend Arbeitsmarkt­restriktionen entwickeln? Seien Sie am 14. November im KKL Luzern dabei, wenn über diese z­ entralen Fragen diskutiert wird. Bild: zVg/KKL Luzern

MANGEL AN QUALIFIZIERTEN ARBEITSKRÄFTEN Der typische Einwanderer in der Schweiz ist Italiener und arbeitet im Gesundheitswesen. Genau dort also, wo auch dringend Arbeitskräfte gesucht werden. Innerhalb von drei Jahren ist die Zuwanderung um 35 Prozent zurückgegangen. Weil die ­fachliche Q ­ ualifikation des durchschnittlichen europäischen Zuwanderers sinkt, herrscht in erster Linie ein Fachkräftemangel. Allein im MINT-­Bereich fehlen gemäss dem Bund 14 000 Fachkräfte, insbesondere in den Bereichen Informatik und Maschinenbau. Die demographische Entwicklung wird das Problem des Nachwuchsmangels weiter verstärken. Noch düsterer wird das Bild, wenn die Zuwanderung nach Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative zusätzlich erschwert wird. MÖGLICHE MASSNAHMEN Wie gelingt der Spagat zwischen einem offenen Arbeitsmarkt und einer regulierten Zuwanderung? Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diskutieren am diesjährigen Europa Forum mögliche Massnahmen und zeigen Perspektiven auf. Unter den geladenen ­Gästen befinden sich unter anderem Star­ökonom Hans Werner Sinn, der CEO der ABB Schweiz Remo Lütolf, Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, Staatssekretärin und Direktorin des SECO, Nationalrat Roger K ­ öppel und SP-Parteipräsident Christian Levrat.

31. EUROPA FORUM LUZERN

Wann: 14. November 2016 Wo: KKL Luzern Programm: 11:30 Uhr: Lunch Cruise auf dem Vierwaldstättersee 13.00 Uhr: Wirtschaftssymposium 18.45 Uhr: Öffentliche Abendveranstaltung 20.30 Uhr: VIP-Networking Referenten: Hans Werner Sinn, Markus ­Bucher, André Frei, Remo Lütolf, Simon Michel, Jürgen Rainalter, Michael Ziesemer, Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, Petra Gössi, Roger Köppel, Christian Levrat und Pirmin Bischof. Das Europa Forum Luzern ist in der Schweiz die führende regelmässig stattfindende Veranstaltung dieser Art und findet zweimal jährlich statt. Seit über 20 Jahren setzt sich das Europa Forum für die Förderung des konstruktiven ­Dialogs zu Europa ein. Infos und Anmeldung unter: europaforum.ch

Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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EVENTS

Vom Fach, vom Feinsten COURTAGE EXPO Am 5. und 6. Oktober trifft sich die Schweizer Versicherungs- und ­Finanzdienstleistungsbranche in der Messe Zürich. Mit der zunehmenden Komplexität ihrer Produkte steigt auch das Bedürfnis, sich auszutauschen. TEXT   D E L I A B A C H M A N N

D

ie Schweizer Messelandschaft ist um eine Veranstaltung reicher: Anfangs Oktober öffnet die Courtage Expo erstmals ihre Tore. Die Fachmesse für den Einkauf und Vertrieb von Versicherungslösungen, Risikofinanzierung und Finanzdienstleistung richtet sich ausschliesslich an ein Fachpublikum. Angesichts der gestiegenen Anforderungen brauche die Asseku-

ranz eine Arena, um sich auszutauschen. Dass die neue B2B-Messe ihr Profil ernst nimmt, macht sie auf ihrer Webseite deutlich: Berufsfremden Besuchern wird unter Umständen der Einlass verwehrt. WISSENSTRANSFER «Beste Besucherqualität» verspricht die Courtage Expo den über 40 Ausstellern. Ergänzt werden die Standpräsen-

tationen mit spannenden Vorträgen. Unter den Keynote-Speakern finden sich mit Andreas Buhr, Klaus J. Fink und Martin Limbeck drei begnadete Redner und Vertriebsprofis. Den Abschluss macht Tanja Frieden, ehemalige Schweizer Snowboarderin, Olympiasiegerin und Mentaltrainerin. Ihre spannenden Anekdoten aus dem Spitzensport haben einen praktischen Lerneffekt – auch für die

Von A nach Basel LOGISTIKDIENSTLEISTUNGS-KONGRESS  Die 10. Ausgabe des Logistikdienstleistungskongresses vom 12. bis 13. September ist dem Motto «Smart in die Zukunft – Logistik im Aufbruch» gewidmet. Im Fokus steht das Zusammenspiel des Megatrends Digitalisierung mit aktuellen Logistiktrends.

Wirtschaft. Hinzu kommt eine wahre Fülle an Praxisforen und damit eine geballte Ladung Wissen. Gehen die Messebesucher klüger nach Hause als sie gekommen sind, ist das Ziel der Courtage Expo erreicht. Dass der Besuch der Vorträge mit Cicero-Weiterbildungspunkten «vergütet» wird, zeigt, wie wichtig dem Veranstalter der Wissens­transfer ist. Doch Wissen ist nicht alles:

Besucher der Courtage Expo dürfen sich unter anderem auf das Abschlussreferat von Tanja Frieden freuen. Bild: zVg/© MCH Group

COURTAGE EXPO 5. und 6. Oktober 2016 Wo: Messe Zürich, Halle 7 Preise: Eintagesticket: 50.– Zweitages­ticket: 80.– Wer online ein e-ticket bestellt, spart bei beiden Kategorien 20 Franken. www.courtage-expo.ch

Neben der ganzen Kopfarbeit kommt natürlich auch das Networking nicht zu kurz.

Bild: Depositphotos.com /lcswart

Aufbruch in eine digitale Zukunft: Die Logistikbranche im Wandel.

TEXT   W O L F G A N G S T Ö L Z L E *

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ie Logistik befindet sich im Wandel. Digitalisierung birgt ein enormes Optimierungspotenzial, stellt aber gleichzeitig für alle Branchen eine grosse Herausforderung in der Implementierung dar. ICT-Plattformen gelten als Enabler für innovative Geschäftsmodelle. Sensorik kombiniert mit neuen Softwarelösungen erhöht die Transparenz in logistischen Prozessketten und erleichtert deren Steuerung. Big 64

INFO Data-Anwendungen erlauben die intelligente Verknüpfung von Datenbeständen, um schnell und angemessen auf veränderte Rahmenbedingungen in der Logistik reagieren zu können. Deswegen rückt der Lehrstuhl für Logistikmanagement der Universität St. Gallen zukunftsweisende Kommunikationslösungen und deren wirkungsvolle Umsetzung in der Supply Chain in den Mittelpunkt des Kongresses.

UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016

LOGISTIKER VON MORGEN «Smarte» Logistiklösungen adressieren dabei die «Digital Natives». Welche Führungskräfte braucht die Logistik in der Zukunft? Wie lassen sich Anreizsysteme für die «Generation Z» mit denen für das Senior Management verbinden? Es erwartet Sie ein abwechslungsreiches Programm mit Vorträgen namhafter Persönlichkeiten aus Industrie, Handel und Logistikdienstleistung. Tauschen Sie sich mit hochkarätigen

10. ST. GALLER LOGISTIKDIENSTLEISTUNGS-KONGRESS 12. bis 13. September 2016

Wo: Radisson Blu Hotel, Steinentorstrasse 25 4051 Basel Anmeldeschluss: 8. September Preise: Die Teilnahme kostet zwischen 250 und 990 Franken. Der Kongress startet am Montag um 16 Uhr mit einem Workshop, am Dienstag findet dann ab 8.45 Uhr der ­Kongress statt. Anmeldungen unter: www.logistik.unisg.ch/kongress

Experten der Schweizer und Europäischen Wirtschaft aus und sammeln Sie wertvolle Impulse für Ihr Unternehmen. Nutzen Sie die Veranstaltung als Plattform zur Vernetzung

mit anderen Entscheidungsträgern. Wir freuen uns, Sie in Basel begrüssen zu dürfen! * Prof. Dr. Wolfgang Stölzle (­Ordinarius LOG-HSG, U ­ niversität St.Gallen)


KMU UND PERSPEKTIVENWECHSEL – MITTENDRIN UND TROTZDEM DRAUSSEN Online-Anmeldung unter www.kmu-tag.ch

Thomas Binggeli

Martin Kolmar

Bea Knecht

© Thomas Koy

Anitra Eggler

Urs Fueglistaller

28 / OKTOBER 2016

Wilhelm Schmid

Christa Rigozzi

Luciano Marinello

SCHWEIZER KMU-TAG ST GALLEN

Patronat: Schweizerischer Gewerbeverband / economiesuisse / IHK St.Gallen-Appenzell / Kantonaler Gewerbeverband St.Gallen (KGV)

Veranstalter

Hauptsponsoren

Kommunikationspartnerin

Medienpartner


BÜCHER

Mit Hand und Fuss KMU-RATGEBER  Das Kerngeschäft geht immer vor. Gerade für kleinere KMU ist das eine gute, wenn auch eine gefährliche Losung. Denn: Die Vernachlässigung der zahlreichen Nebenschauplätze kann sich rächen. Zu diesen liefert das Buch «Tipps für KMU» schnelle Antworten auf konkrete Fragen. Es räumt mit falschen Gewissheiten auf und erhöht so die unternehmerische Trittsicherheit. TEXT   D E L I A B A C H M A N N

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bgesehen von der Zeit sind die Ressourcen ungerecht verteilt. Während Grosskonzerne ganze Abteilungen für Human Resources (HR), Recht und andere Querschnittsaufgaben beschäftigen, schlägt sich der KMU-Geschäftsführer nicht selten alleine mit Versicherungs-, Rechts- oder Finanzfragen herum. Fehlt diesem die äusserst rare Gabe, ein Alleskönner und Alleswisser zu sein, stösst er dabei schnell an seine Grenzen. Guter Rat ist gefragt, bekanntlich aber auch teuer. Deshalb sollten Spezialisten ge­ zielt beigezogen werden. Peter Hauser und zehn Gastautoren, die «ausgewiesene Experten in ihren Fachgebieten» sind, geben den KMU-Geschäftsführern mit «Tipps für KMU» ein Buch in die Hand, das im KMU-Alltag wertvolle Hilfestellungen bietet. Die praktische Nützlichkeit ist ihre oberste Maxime. Gegliedert in die zehn Themen Firmengründungen, Arbeitsrecht, Finanzen, Versicherungen, Geschäftsmodelle, Organisation, Marketing & Werbung, Unternehmensidentität, Internetauftritt, Social Media, Personalwesen und Personalmotivation mit jeweils gut strukturierten Unterthemen hat das Buch den Charakter eines Nachschlagewerks. Das ist so gewollt: Die starke Zergliederung in einzelne Aspekte fördert die Auseinandersetzung mit Themen, die auf den ersten und zweiten Blick nicht relevant sind für das eigene Unternehmen, die eigene Situation. Das erste Kapitel, Firmengründungen, veranschaulicht dies besonders gut. Warum sollte sich der Patron eines gut am Markt etablierten KMU auch damit beschäftigen, wie man eine Firma gründet? Schliesslich hat er diesen Schritt und noch viele weitere längst getan. 66

UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016

Foto: zVg

Das stimmt natürlich. Zumindest teilweise. Behörden, relevante Register und andere Denn es ist nicht garantiert, dass das einAnlaufstellen. mal gewählte Rechtskleid nicht dereinst Bei so manchem Unternehmer dürfte mal zu eng oder zu weit wird. Für den einsich während der Lektüre das Gefühl einstelgefleischten CEO auf der Suche nach einem len, ertappt worden zu sein. Denn die Autoneuen Gewand, das zur aktuellen Konstituren weisen immer mal wieder auf Fehler hin, tion seines Unternehmens passt, dürfte das die weit verbreitet und deshalb für eine Unterthema «Umwandlung» interessant breite Leserschaft von Interesse sind. So werden. Andersherum stellt schreibt etwa die auf Arbeitsrecht sich jungen Firmen die Frage spezialisierte Anwältin Astrid nach der Anlage von überschüsLienhart in Bezug auf die Lohnsiger Liquidität nicht. Für sie ist fortzahlungspflicht: «Viele Arbeites das unternehmerische Äquigeber lassen sich gegen dieses valent eines Luxusproblems – teure Risiko versichern, wissen und liegt noch in weiter Ferne. indessen nicht, dass die ParameIm Bereich Finanzen sind die ter dieser Versicherung im schriftKapitel zur Kapitalbeschaffung, lichen Arbeitsvertrag aufgezählt zumindest für den Moment, werden müssen, damit sie sich wichtiger. gegenüber dem Arbeitnehmer Das Handbuch wäre ein Fall überhaupt wirksam aus der Peter Hauser & Gastautofür die Hosentasche – würde es ren (2016): Tipps für KMU gesetzlichen Verpflichtung der nicht über 300 Seiten umfassen. – Basiswissen zur Führung Lohnfortzahlung lösen können.» Es liefert schnelle Antworten einer Firma, Neptun Verlag Dem weniger online-affinen Le­­ (www.neptunverlag.ch), auf konkrete Fragen und lädt 320 Seiten, 39.50 Franken ser wiederum sind insbesondere jene zum Schmökern ein, die ISBN 978-3-85820-316-8 die beiden Kapitel «Internetaufetwas mehr Zeit auf der hohen tritt» und «Social Media» zu empKante haben. Zum Experten wird man fehlen: Hier erfährt er etwa, warum es so durch die Lektüre nicht, dafür zum inforwichtig ist, Google zu gefallen und wie das mierten Laien, der weiss, was bei der Wahl genau geht. Beispielsweise durch die Optider richtigen Bank zu beachten ist, wie man mierung der eigenen Webseite für mobile Preiserhöhungen möglichst reibungslos über Geräte. Üppig an Informationen, knapp an die Bühne bringt oder wo sich die grössten Worten, nüchtern im Ton. Diese Qualitäten ­Kostenoptimierungspotentiale verstecken. machen das Sachbuch zu einer kurzweiligen Hilfreich sind insbesondere die Hinweise Lektüre und einem willkommenen Gegenpol darauf, wann es geboten ist, externe Fachinnerhalb der Management-Literatur, die personen beizuziehen – aber auch auf Situallzu oft einen Hang zur Selbstdarstellung an ationen und Problemstellungen, in denen den Tag legt und sich in weitschweifigen, man es getrost und gefahrlos auf eigene Faust pseudophilosophischen Ausführungen versuchen kann. Ebenfalls sehr wertvoll sind verliert. Erfrischend einfach, angenehm ­ die thematischen Verweise auf zuständige objektiv.


10 FRAGEN AN

Gut beschirmt ANDREA STROTZ  Mitinhaberin und Co-CEO der Schirmfabrik Strotz AG Foto: zVg

Warum sind Sie UnternehmerIn ­geworden? Die Schirmfabrik Strotz AG wurde 1851 von meinem Ur-Ur-Grossvater gegründet. Nach jahrelanger Tätigkeit in internationalen Grosskonzernen wollte ich etwas bewegen – begonnen mit der Entwicklung bis hin zum Verkauf des Produktes. Die Vielfältigkeit, die Eigenständigkeit und das Verantwortungsbewusstsein, welche die Rolle mit sich bringt, bereitet viel Freude. Und dies mit einem Produkt, dem Schirm, welches jeder Bürger besitzt. Deshalb bin ich im Jahr 2014 ins Familienunternehmen eingestiegen und leite nun dieses zusammen mit meinem Cousin in der fünften Generation. Wenn nichts unmöglich wäre, was wäre Ihr Traumjob? Ich wollte immer Pilotin werden. Ein tonnenschweres Gefährt in die Luft zu bringen und dabei die Welt zu entdecken, fasziniert mich heute noch. Jedoch kann ich mir heute keinen besseren und interessanteren Job als den jetzigen vorstellen. Was mögen Sie nicht an Ihrer Branche? Leider ist der Schirm teilweise zu einem Wegwerfprodukt geworden. Dabei besteht ein Taschenschirm aus über 300 Einzelteilen mit vielen manuellen Produk­tionsschritten. Der Schirm verdient mehr ­Wertschätzung – ist er doch modisches Accessoire und Schutz in Einem. Diese Anerkennung wollen wir den Konsumenten wieder näherbringen.

Welche Persönlichkeit hätten Sie schon immer gerne einmal ­getroffen? Amelia Earhart: Sie hat 1932 als erste Frau alleine den Atlantik in einem Flugzeug überquert. Da sie von ihren Eltern keine Unterstützung zur Erlangung der Fluglizenz erhielt, nahm sie über 28 Jobs an, um das Geld für Flugstunden zusammenzubringen. Ich bewundere ihre Zielstrebigkeit und ihren Pioniergeist. Worüber können Sie sich ärgern? Über Kurzsichtigkeit. Ich bin überzeugt, dass ein Unternehmen nur Erfolg haben kann, wenn nachhaltig gewirtschaftet wird. In unserem Familienunternehmen steht nicht der kurzfristige Gewinn im Vordergrund, wir setzen auf Langfristigkeit. Auch unsere Mitarbeiter sind schon lange in der Firma tätig.

ZUR PERSON

Unternehmen: Die Schirmfabrik Strotz AG ist heute die einzige Schirmfabrik in der Schweiz mit Eigenproduktion. Es werden sowohl Regen- und Sonnen-, als auch Gartenschirme vertrieben. Eine modische, vielfältige Kollektion, 15 Mitarbeitende und ein optimaler Service sind Gründe dafür, dass Strotz jährlich über 500 000 Schirme verkauft. Position: Mitinhaberin und Co-CEO Werdegang: Nach dem Studium arbeitete Andrea Strotz als ­Marketing Manager in Los Angeles und London. Anschliessend war sie als Shopper und Trademarketing Manager Schweiz & Österreich für Reckitt ­Benckiser tätig. Ihre letzte Position vor dem Einstieg ins Familienunternehmen trat sie als Category ­Manager bei Coca-Cola an. Ausbildung: Dipl. Betriebsökonomin FH an der Zürcher ­Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), Zertifizierte ECR-Category Managerin Liebste Hobbies: Familie, Reisen, Sport

An welches Ereignis in Ihrer Karriere erinnern Sie sich am liebsten? Es gab sehr viele schöne Ereignisse. Unter anderem haben wir Pionierarbeit im Schirmbusiness geleistet und eine Produktionsstätte in Kambodscha mitaufgebaut. Trotz kulturellen und politischen Herausforderungen birgt das Entwicklungsland hohes Potenzial.

Was war Ihr grösster Fehlentscheid? Fehler machen ist menschlich. Bis jetzt ist mir zum Glück noch kein Grosser passiert. Aber als UnternehmerIn muss man Entscheide fällen. Das gehört zum Berufsrisiko, aber auch zum Berufsglück dazu.

Wie erholen Sie sich vom Stress? Beim Spielen mit meiner Tochter tauche ich in eine andere Welt ein. Aber auch beim Sport und bei einem guten Glas Wein mit Freunden kann ich abschalten. Was zeichnet die Schweizer ­Wirtschaft aus? Die politische Stabilität, die hohe Qualität des Humankapitals sowie die KMU-Stärke spielen eine wichtige Rolle. Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht stehen bleiben und uns auf dem hohen Ross ausruhen.

Was wünschen Sie sich für die Schweiz? Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sollen Handelsschranken abgebaut werden und die freie Marktwirtschaft gefördert werden. Auch wünsche ich mir, dass die Schweiz die Innovationskraft noch stärker vorantreibt. So würde ein Regulierungsabbau Startups administrativ entlasten. Nr. 9 2016 | UnternehmerZeitung

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Unsere Auftraggeberin ist ein High-Tech-Unternehmen mit einer modernen Führungskultur. Esoterik ist fester Bestandteil im Denken und Handeln. Querdenken wird nicht nur toleriert, sondern aktiv gefördert. Die Geschäftsleitung trägt farbige Hütchen und lässt sich regelmässig von einem externen Clown die Kreativität pflegen. Leider blieb diese an sich erfreuliche Entwicklung nicht ohne negative Begleiterscheinungen. Es besteht der Verdacht, dass die klassische, formale Logik ihren schlechten Ruf im Unternehmen nur teilweise verdient. Wir haben deshalb den Auftrag erhalten, für einen befristeten Versuch eine/n

Längsdenker/in zu rekrutieren. Folgende Problemstellungen warten auf Sie: – Die für die Hausdienste verantwortliche Abteilung «Feng Shui» hat vor Jahren entschieden, auf dem Betriebsgelände jährlich nicht mehr zwei Tonnen Streusalz, sondern nur noch 20 Kilogramm geweihtes Himalayasalz zu verteilen. Der ökologische Erfolg dieser Massnahme wurde getrübt durch mehrere Blechschäden. Und seit sich der Leiter der Rechtsabteilung auf dem Parkplatz das Bein gebrochen hat, herrscht dicke Luft. – Die Abteilung Controlling ist unter Druck geraten. Der unregelmässige Auszahlungsmodus bei den Löhnen geniesst kein Verständnis mehr und mehrere Lieferanten drohen mit Lieferboykott. Im letzten Revisionsbericht wird die Vermutung geäussert, Budgets seien trotz ihrer mangelhaften Beliebtheit doch für die Planung geeigneter als die recht teuren Firmenhoroskope. – Die interdisziplinäre Projektgruppe «Korrelation und Kausalität» hat festgestellt, dass weibliche, schwangere Mitarbeitende 94 Prozent weniger Krankheitstage wegen Menstruationsbeschwerden rapportieren als der Betriebsdurchschnitt. Dieses Phänomen birgt voraussichtlich ein grosses Potenzial. Das dafür zuständige, aus Psychologen, Soziologen und Physikern bestehende Team tappt jedoch bei der Suche nach konkreten Massnahmen nach wie vor im Dunkeln und erwartet externe Impulse.

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UnternehmerZeitung | Nr. 9 2016


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