Leben mit Behinderung

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EINE VERLAGSBEILAGE DES BERLINER KURIER

Mit modularer Bildung ins Arbeitsleben

Hilfe bei der Suche nach einer eigenen Wohnung

Computertechnik hilft Handicaps auszugleichen


2 I LEBEN MIT BEHINDERUNG

Draufhauen,

Interessante Begegnungen Im Mauercafé arbeiten Behinderte und Nichtbehinderte zusammen

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obald die Sonne scheint, ist die Terrasse des Mauercafés in der Bernauer Straße von Touristen bevölkert, die die einmalige Aussicht auf den Fernsehturm hinter der Berliner Mauer nachempfinden wollen, gerade aus der Mauergedenkstätte kommen oder eine kleine Pause auf ihrer Tour entlang des ehemaligen Mauerstreifens einlegen. Auch Anwohner und Schüler der nahe gelegenen Pflegeschule genießen hier die verschiedenen Snacks, LavazzaKaffee, hausgebackene Kuchen oder den Lobethaler Bio-Joghurt. Betrieben wird das Mauercafé von den Hoffnungsthaler Werkstätten. Menschen mit kognitiven und psychischen Einschränkungen haben hier eine Arbeit gefunden und werden von erfahrenen Restaurantfachkräften unterstützt. Jeder im Team arbeitet nach seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten mit, ob im direkten Kundenkontakt oder in der Küche. Es tut ihnen gut, den Erfolg ihrer Arbeit direkt von den Gästen zu erfahren. Und viele Besucher nehmen zum ersten Mal eine Dienstleistung von Menschen mit Behinderung an. Mauercafé, Bernauer Straße 117, 13355 Berlin, Mo–Fr 9–18 Uhr, Sa/So 12–18 Uhr, www.mauercafe-berlin.de

MONTAG, 26. MÄRZ 2012 I VERLAGSBEILAGE

Sie heißen die „Musterschüler“ und sind in Deutschland wohl einzigartig.

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enn andere auf die Kacke hauen, dann habe ich noch mal draufgehauen – und zwar so lange, bis es spritzt“, sagt Hans Friedrich Baum, auch Fidi genannt. Er sei ein exzessiver Mensch, meint der 31-Jährige. Das liege wohl daran, weil er immer das machen wollte, was andere auch taten – und dann immer noch „einen Zacken mehr“. Hans Friedrich Baum sitzt mit drei anderen jungen Männern im Gruppenraum einer Kita in Prenzlauer Berg. Man erwartet hier vieles: tobende Kinder, zum Beispiel. Herumliegendes Spielzeug, auf jeden Fall. Ambitionierte Mütter, vielleicht. Aber eine coole Hip-HopGruppe? Die erwartet man hier nun eben gar nicht. Die vier jungen Männer nennen sich die „Musterschüler“. Sie sind wohl Deutschlands einzige HipHop-Band mit einem Rollstuhlfahrer. „Das hoffe ich zumindest“, sagt Hans Friedrich Baum, alias Graf Fidi und lacht. Denn er ist dieser Rollstuhl-Fahrer. „Für dieses Alleinstellungsmerkmal müssen wir aber ackern, ackern, ackern“, sagt Fidi. Erst gestern habe er einen kleinwüchsigen, 1,30 Meter großen Rapper im Fernsehen gesehen. Der 31-Jährige klingt ein bisschen empört, blickt dabei sein Gegenüber kurz prüfend an . Ironie: angekommen. Hans Friedrich Baum spielt gerne mit dem Klischee des Behinderten. Er nimmt sich selbst nicht so wichtig, sieht alles mit einem ironischen Blick –

so wie alle Musterschüler. „Ich will sehen wie die Leute reagieren“, sagt er. Denn nur weil man im Rollstuhl sitze oder eben nicht zehn Finger habe, heiße das ja nicht, „dass wir nicht genauso gut sind wie alle anderen“. Er findet es bezeichnend, dass es nur so wenig Menschen mit einer Behinderung gebe, die in der Öffentlichkeit stehen. So wie den Opernsänger Thomas Quasthoff, der mit einer Contergan-Schädigung geboren wurde. Eine Menge Respekt Seit einem dreiviertel Jahr machen Benjamin Becker (alias KisteOne), Sven Hönicke (alias BToung), Björn Grötzner (alias Flex) und Hans Friedrich Baum (alias Graf Fidi) gemeinsam Musik. „Wir passen einfach als Gruppe extrem gut zusammen“, sagt Björn Grötzner, da spiele es keine Rolle, dass einer von ihnen behindert sei. Das Klima innerhalb der Gruppe sei wohl gerade deshalb so entspannt und ausgeglichen, weil einer von ihnen ein Handicap habe, meint Grötzner. Die Musterschüler sind so komplett anders, als die üblichen Berliner Rapper: Björn Grötzner arbeitet als Historiker an der Universität Potsdam. Benjamin Becker ist diplomierter Erzieher und arbeitet in der Kita, Sven Hönicke ist dort Auszubildender und Baum derzeit dort Praktikant. Eigentlich studiert er Soziale Arbeit auf Bachelor. Gerade hat er Semesterferien und wollte aber in der Zeit etwas Praxisnahes machen.

Einzigartig: Die HipHop-Crew „Musterschüler“ ist wohl die einzige Band mit einem

Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung & psychischer Erkrankung Das UNIONHILFSWERK bietet in Berlin mit mehr als 2.000 Mitarbeitern zahlreiche Beratungsangebote, Beschäftigung und Betreuung für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung sowie Angebote der beruflichen Rehabilitation. Mit unseren stadtweiten Angeboten unterstützen wir unsere Klienten nach ihren individuellen Bedürfnissen. Seit 1992 unterstützen wir Menschen bei der Teilhabe an der Gemeinschaft. Wir bieten für Menschen mit Lernschwierigkeiten  Betreute Wohngemeinschaften (BWG)  Betreutes Einzelwohnen (BEW) mit Treffpunkten  Begleitete Elternschaft (BEW + Familienhilfe) Wir bieten für Menschen mit seelischer Behinderung schwerpunktmäßig ausgerichtet auf Klienten, die einen längerfristigen Betreuungsbedarf haben – einen Wohnverbund, er besteht aus:  Therapeutischen Wohngemeinschaften (TWG)  Betreutem Einzelwohnen (BEW) Ausführliche Informationen über die Arbeit und Organisation von COMES e.V. finden Sie auf unserer Website: www.comes-berlin.de

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(Übergangs-) Wohnheime Wohngemeinschaften sowie BEW Kontakt- und Beratungsstellen Psychiatrische Tageszentren Zuverdienstwerkstatt

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bis es spritzt

Barriere- statt karrierefrei

Denn die Musterschüler sind eine Hip-Hop-Gruppe samt Rollstuhlfahrer

PAULUS PONIZAK

Rollstuhlfahrer. Für die vier Musiker ist das aber kein Problem.

Benjamin Becker erzählt die Geschichte vom Rapper-Mittwoch im Calabash-Club an der Veteranenstraße in Berlin-Mitte. Die Geschichte ist ein bisschen rührend, aber doch auch irgendwie bezeichnend: Ein voller Raum, mit 200 Leuten, allesamt Hip-Hop-Fans – „und alle haben sich auf den Boden gesetzt, damit auch die ganz hinten den Fidi auf der Bühne sehen konnten.“ Ganz ohne Kommando. Da sei schon immer eine Menge Respekt mit im Spiel. Doch Hans Friedrich Baum hat auch schon einmal ganz andere Reaktionen erlebt. Nach einem Auftritt kam zum Beispiel ein junger Mann auf ihn zu und meinte: „Du sitzt ja nur im Rollstuhl, um die Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen. Mach dich nicht behinderter als du bist.“ Der Rapper geht mit solchen Äußerungen locker um, er hat sein eigenes Mittel gefunden, um auf solche Sprüche zu reagieren: Er macht daraus einfach einen Song, mit dem Titel „Verarscht“: Der Rollstuhl? Nur Show. Der missgebildete Finger? Nur angeklebt. Er lässt sich von solchen dummen Sprüchen nicht beeindrucken. Dafür sind ihm die Musterschüler, ist ihm die Musik einfach zu wichtig. „Ich habe sonst nichts“, sagt der Rapper. Für ihn sei die Musik, das allerwichtigste und dafür „tue ich 150 Prozent“. Wenn man wo hinkomme und sage, man mache RapMusik, dann könne man etwas vorweisen, etwas erzählen. „Da nimmt mir niemand so schnell die

Hoffnungstaler Werkstätten gGmbH

Butter vom Brot“, sagt Fidi. Bevor sich die vier Musiker zu den Musterschülern zusammenschlossen, sei sein Leben ja eigentlich nicht schlecht gewesen: das Studium lief gut, er hatte gerade eine neue Freundin – „und trotzdem ging es mir nicht gut“, erzählt Fidi. Die Musik habe einfach gefehlt. Hans Friedrich Baum kam als Frühchen auf die Welt, 980 Gramm schwer. Drei Monate lag er im Brutkasten. Seine Behinderung bezeichnet man in der Fachsprache als irreparable Zerebralparese – eine vor oder während der Geburt entstandene Gehirnstörung, die den Bewegungsapparat und die Sensomotorik negativ beeinflusst. Seine rechte Hand ist missgebildet. „Warum ich so bin wie ich bin, kann niemand genau sagen“, erklärt Fidi. Mit 16 liegt er über vier Monate lang im Universitätsklinikum in Heidelberg. Obwohl es die Musterschüler erst seit einem dreiviertel Jahr gibt, hat ihre Karriere schon Fahrt aufgenommen: „Es passiert einfach unglaublich viel Drumherum. Wir knüpfen neue Kontakte, haben Auftritte und produzieren neue Videos“, sagt Bandmitglied Sven Hönicke. Alles gehe gerade verdammt schnell. Und darin könnte ein Problem liegen. „Denn nach einem Auftritt bin ich einfach Matsch“, sagt Fidi. Wenn die Auftritte jetzt immer mehr würden, sei das ein Problem, mit dem sie sich auseinandersetzen müssten. Aber das ist auch schon das Einzige. (spa.)

Gesucht werden Frauen mit Behinderung, die von ihrem Berufseinstieg erzählen

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ie Integration behinderter Frauen in den Arbeitsmarkt ist ein Thema, das in Berlin noch zu wenig Aufmerksamkeit erfährt. Deshalb erstellt der gemeinnützige Verein Life e.V. eine Broschüre mit Beispielen und Informationen zum Berufseinstieg für Frauen mit Handicap in BerlinMitte, die in Informations- und Beratungsstellen in Berlin Mitte ausliegt und auf den Internetseiten von Life e.V. und anderen Plattformen veröffentlicht wird. Ziel ist es, die Teilhabe am Arbeitsleben von Frauen mit Behinderung zu fördern. Deshalb werden solche Frauen , die von ihrem erfolgreichen beruflichen Werdegang erzählen möchten. Im Informationsteil der Broschüre werden Beratungsund Informationsstellen vorgestellt, die behinderte Menschen bei der Arbeitssuche unterstützen. Vorgestellt wird die Broschüre „Barrierefrei statt karrierefrei“ im Oktober auf einer öffentlichen Veranstaltung, auf der die Protagonistinnen und die Beratungs- und Informationsstellen von ihren Erfahrungen und Angeboten berichten.

Wer sich an der Broschüre beteiligen möchte, kann sich melden unter Tel. 030/308789-30 oder wedell@life-online.de

VfJ Berlin e.V., Tel. (030) 68 281-3 · Grenzallee 53 · 12057 Berlin, info@vfj-berlin.de

www.lobetal.de • e-mail: wfbm@lobetal.de

Anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen

Engagement für Menschen mit Behinderung

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Haben Sie Lust und Mut unser Team zu verstärken? Dann bewerben Sie sich bei uns, rufen Sie an oder schauen Sie vorbei!

13355 Berlin • Bernauer Straße 117 • Tel.: 030/46705400

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Jede Woche zur Weiterbildung In Werkstätten für behinderte Menschen werden Betroffene an das Arbeitsleben herangeführt

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urghard Gründel (45) zieht den Toner aus einem schrottreifen Laserdrucker. „Wir müssen beachten, dass die Teile aus unterschiedlichen Materialien bestehen“, erklärt er. Allein die 16 verschiedenen Aluminiumsorten müssen teilweise unterschiedlich behandelt werden. Bei den Monitoren ist es noch wichtiger, Kenntnisse über die Teile zu haben, es gibt gefährliche Stoffe darin. Gründel arbeitet in der Recyclingabteilung der Lankwitzer Werkstätten in Berlin-Hohenschönhausen. Ein Sucht- problem führte vor Jahren zu solch starken Beeinträchtigungen, dass er nicht mehr arbeiten konnte. Der Weg in die Werkstatt war damals ein wichtiger Schritt, um seinem Leben Struktur zu geben. Seine Sucht hat er seit 16 Jahren überwunden. Man kann sagen, dass er in den vielen Jahren seiner Werkstättenzugehörigkeit zu einem Fachmann in Sachen Recycling geworden ist. Dennoch nimmt er jede Woche an einer modularen Weiterbildung in der Werkstatt teil.

beitsmarkt vorbereiten sollen. Der Praxisbezug steht also eindeutig im Vordergrund. Für Hilbrich ist modulare Bildung kein notwendiges Übel, sondern die einzige Möglichkeit für ein lebenslanges Lernen aller Werkstättenmitarbeiter. Sie nehmen einmal in der Woche an 60 Minuten Unterricht teil. „Oft dauern die Kurse aber länger als eine Stunde“, meint Gruppenleiter David Reyke. „Die Diskussionen sind teilweise so spannend, dass man nicht einfach unterbrechen kann.“ Auch für Stefanie Proske (29) ist das Bildungsangebot eine gute Möglichkeit, sich einzuarbeiten. Sie ist erst seit vergangenem Jahr in der Lankwitzer Werkstatt beschäftigt und archiviert Belege und Rechnungen. In zehn Unterrichtsstunden lernt sie den Datenschutz, Aufbewahrungsfristen, den Umgang mit der Technik. Interessant sind die Lernziele der einzelnen Module. Neben den fachlichen Schwerpunkten stehen auch freies Sprechen vor und mit der Gruppe und „Soziale Kompetenz – Rücksichtnahme und Toleranz“ im Plan. Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung können sich oft nicht artikulieren. Sie möchten es herausschreien, sind aber wie blockiert. Die Außenwelt versteht ein solches Verhalten oft falsch und die Betroffenen fühlen sich noch isolierter. Mit solchen ungewollten Verhaltensweisen scheitern sie oft auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Patenschaften helfen Der Weg in die Werkstatt geht über das Eingangsverfahren in der Berufsbildung und von dort nach zwei Jahren in den Arbeitsbereich. Aber hier gibt es Unterschiede in den einzelnen Werkstätten. Während einige einen separaten Berufsbildungsbereich haben, wie die Berliner Werkstätten für Behinderte GmbH, findet in anderen Werkstätten die Berufsbildung direkt in den Arbeitsbereichen statt. So ist die Lankwitzer Werkstatt organisiert. Die Vorteile einer integrierten Berufsausbildung liegen Betriebsleiter Frank Hilbrich zufolge darin, dass die Mitarbeiter sofort ihre Gruppenleiter, ihre Arbeitskollegen, ihre Werkzeuge, die Tagesstruktur in der zukünftigen Abteilung kennen lernen. Besonders bei Menschen mit psychischen und seelischen Beeinträchtigungen ist der Wechsel der Umgebung immer mit Ängsten und Verunsicherungen verbunden. Patenschaften fördern das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gruppe und die Persönlichkeitsbildung. Das beschleunigt die Lernerfolge. Spätestens seit der Einführung eines entsprechenden Fachkonzepts der Agentur für Arbeit im Jahr 2010 sind die Werkstätten auch dazu angehalten. Es werden explizit modulare Bildungsangebote gefordert, die die Beschäftigten auf eine Tätigkeit auf dem ersten Ar-

Obligatorischer Abschlusstest

SIEGURD SEIFERT

Burghardt Gründel ist mittlerweile ein Fachmann beim Recyling technischer Geräte geworden.

B E H I N D E R T E N W E R K S T Ä T T E N Behindertenwerkstatt Integral-WfB, Pankow Behindertenwerkstatt der FSE Lankwitzer Werkstätten gGmbH, Charlottenburg-Wilmersdorf, Steglitz-Zehlendorf, Lichtenberg,

Delphin Werkstätten, Pankow DIM – Die Imaginäre Manufaktur, Friedrichshain-Kreuzberg

I N

B E R L I N

VIA Werkstätten gGmbH, Mitte

Kaspar Hauser Therapeutikum Berlin, Pankow

Werkgemeinschaft für BerlinBrandenburg Sozialtherapeutische Werkstätten gGmbH, Steglitz- Zehlendorf

Berliner Werkstätten für Behinderte GmbH (BWB), Mitte

LWB Lichtenberger Werkstatt für Behinderte gGmbH, Lichtenberg

Werkstatt für behinderte Menschen, Lichtenberg

Blindenwerkstatt des Blindenhilfswerk Berlin e.V., Steglitz-Zehlendorf

MOSAIK Werkstätten für Behinderte gGmbH, Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Spandau

Weitere Informationen unter www.hilfelotse-berlin.de

Neben dem sozialen Aspekt steht die fachliche Ausbildung im Mittelpunkt. Man versucht, die Rahmenpläne der IHK für die einzelnen Gewerke herunterzubrechen und den Bedingungen der Werkstatt anzupassen. Bestimmte Bereiche lassen sich dabei allerdings nicht wesentlich vereinfachen, hier wird das gleiche Wissen verlangt, das auch der Arbeiter auf dem ersten Arbeitsmarkt benötigt. Burghard Gründel muss die Umweltgesetze, die für das Recyceln von Elektronikschrott gelten, genauso beachten, wie sein Kollege von ALBA auch. Am Ende der Ausbildung steht ein Abschlusstest. Hilbrich hat hierfür Fragebögen erarbeiten lassen, die jeweils drei Antworten anbieten. Für Mitarbeiter, die nicht lesen und schreiben können oder die ansonsten Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung haben, werden die Fragen in Piktogrammen dargestellt. Dann braucht der Mitarbeiter nur das entsprechende Bild anzukreuzen. (sis)


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Landesamt Gesundheit und Soziales Landesamtfür für Gesundheit und Soziales -Integrationsamt Integrationsamt -

Integrationsamt – Ihr Partner, wenn es um die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben geht! Liebe Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber! Jedem Menschen mit Behinderung soll die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht werden. Ans Herz legen möchte ich Ihnen auch die Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung der Vereinten Nationen, die seit

März 2009 geltendes Recht in Deutschland ist. Ziel der Behindertenkonvention ist, die Angebote und Hilfen für behinderte Menschen am Leitgedanken der Inklusion auszurichten. Dies bedeutet nicht den Abschied vom Ansatz der Integration, sondern setzt die Möglichkeit voraus, selbstbestimmt zu entscheiden, wie inklusiv oder exklusiv der Einzelne an der Gesellschaft teilhaben will. Das Integrationsamt im Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin hat die Aufgabe, die Integration schwerbehinderter Menschen

im Arbeitsleben zu fördern. Um Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zu schaffen und zu sichern, kann das Integrationsamt Arbeitgebern und schwerbehinderten Menschen finanzielle Leistungen gewähren. Die Wettbewerbsfähigkeit schwerbehinderter Menschen soll dadurch gestärkt und die Chancengleichheit gegenüber nicht behinderten Arbeitnehmern verbessert werden. Selbstverständlich werden alle Beteiligten von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch professionell und unbürokratisch beraten.

Um Ihnen einen Einblick in die Vielfalt der Möglichkeiten zu verschaffen, stelle ich Ihnen das Leistungsspektrum des Integrationsamtes dar. Besuchen Sie uns im Integrationsamt – dem Kompetenzzentrum für die berufliche Teilhabe schwerbehinderter Menschen!

Ulf Meyer-Golling Leiter des Integrationsamtes im Landesamt für Gesundheit und Soziales

Zentrales Ziel ist die Förderung von Selbstbestimmung und Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben Begleitende Hilfe im Arbeitsleben

Integrationspreis

Finanzielle Hilfen an Arbeitgeber: ➾ Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen ➾ Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen ➾ Behinderungsgerechte Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen ➾ Prämien und Zuschüsse für Berufsausbildung

Das Land Berlin vergibt jährlich den Integrationspreis an ein Unternehmen, das schwerbehinderte Menschen vorbildlich ausbildet oder beschäftigt. Das Unternehmen des Gewinners erhält eine Geldprämie, eine Urkunde, eine Skulptur und Werbe-Broschüren. Bewerben können sich private wie öffentliche Unternehmen jeder Größe und aller Wirtschaftsbereiche (mit Ausnahme anerkannter Integrationsunternehmen).

Finanzielle Hilfen an schwerbehinderte Menschen: ➾ Technische Arbeitshilfen ➾ Fortbildungen ➾ Gründung und Erhaltung einer selbstständigen Existenz ➾ Leistungen in besonderen Lebenslagen ➾ Arbeitsassistenz

Ansprechpartnerin für Bewerbungen: Fr. Stanko E-Mail: Nelli.Stanko@lageso.berlin.de Tel.: 030 / 90229-3307 Informationen im Internet: http://www.berlin.de/lageso/arbeit/integrationspreis/index.html

Beratungs- und Betreuungsleistungen: Wer hat Anspruch? ➾ Arbeitgeber ➾ Betriebs- und Personalräte ➾ Schwerbehindertenvertretungen ➾ schwerbehinderte oder gleichgestellte Arbeitnehmer Wer erbringt diese Leistungen? ➾ Der Technische Beratungsdienst des Integrationsamtes ➾ Sachbearbeiter des Integrationsamtes ➾ Integrationsfachdienste (IFD)

Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen Ziel: Schwerbehindertenvertretungen, Betriebs- und Personalräte sowie Arbeitgebervertretungen über ihre Rechte und Pflichten nach dem Schwerbehindertenrecht zu informieren. Themen: Grund- und Aufbaukurse zum Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – (SGB IX) sowie Fachseminare. Fachpublikationen: Die Schulungsbroschüre und weiteres Informationsmaterial stellen wir Ihnen kostenfrei zur Verfügung.

Durchführung des besonderen Kündigungsschutzes Das SGB IX sieht für schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen einen besonderen Kündigungsschutz vor. Behinderte Beschäftigte sollen dadurch vor Nachteilen geschützt werden, die aufgrund ihrer Behinderung entstehen. Danach ist die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers mit vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes möglich. Es muss aber nicht zu einer Kündigung kommen. Bei Schwierigkeiten können schwerbehinderte Arbeitnehmer und deren Arbeitgeber die vielseitigen Hilfen des Integrationsamtes in Anspruch nehmen. Vorrangiges Ziel ist immer eine einvernehmliche Weiterbeschäftigung. Deshalb unterstützt das Integrationsamt sowohl den Arbeitgeber als auch den schwerbehinderten Beschäftigten in allen Belangen um die berufliche Situation.

Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe Private und öffentliche Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen (Jahresdurchschnitt) sind laut SGB IX verpflichtet, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Bei Nichterfüllung der Beschäftigungsquote in Höhe von 5% entrichtet der Arbeitgeber jährlich eine Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt. Die Mittel der Ausgleichsabgabe werden ausschließlich für die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben verwendet. Telefonische Auskunft, Vermittlung an den zuständigen Fachbereich sowie Zusendung von Broschüren und Flyern: 030 / 90229-0 Sprechzeiten: Montag / Dienstag / Freitag: 09:00 – 12:00 Uhr Postfach 310929 · 10639 Berlin · E-Mail: integrationsamt@lageso.berlin.de · Weitere Informationen im Internet: www.lageso.berlin.de Für den Inhalt verantwortlich: Nelli Stanko – II C 15 – Z IK – V.i.S.d.P.: Silvia Kostner

Ihr Integrationsteam zieht im April 2012 um! Die neue Anschrift lautet: Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin Integrationsamt - Etage 2 Turmstraße 21, Haus A 10559 Berlin (Mitte)


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MONTAG, 26. MÄRZ 2012 I VERLAGSBEILAGE

Vom Glück, die eigene Kreativität zu erfahren Die VIA-Keramikwerkstatt arbeitet seit Jahren erfolgreich mit der Kunsthochschule Weißensee zusammen

G

regoria Weinhaus ist die Besitzerin des berüchtigten Mietshauses „Palazzo“ in Ibiza, erzählt Michael Poggemann und schneidet ein Bild aus einer Zeitschrift aus. Dieses Bild inspiriert ihn, allerdings nicht zu einem Modell des Hauses, sondern zu einer Vase der ganz besonderen Art. Seine Vase hat Henkel wie man sie von einer Tasse kennt. Und davon hat sie sogar drei! Vielleicht hat er sich gedacht, dass in ein berüchtigtes Mietshaus skurrile Einrichtungsgegenstände gehören, man weiß es nicht. Sicher ist nur, dass beides seiner Fantasie entsprungen ist. Michael Poggemann ist ein Mensch mit Lernschwierigkeiten. Er hat das Glück, in einer Werkstatt zu arbeiten, die ihm Freiräume einräumt und ihm die Gelegenheit gibt, seiner Fantasie Gestalt zu geben. Er ist Teilnehmer eines partizipativen Designprojekts. Gemeinsam diskutiert die Gruppe über bestimmte Themen und legt die Richtung fest, in der die Idee umgesetzt werden kann. Verantwortlich für das Projekt ist Isabelle Dechamps, eine diplomierte Designerin, die an der Kunsthochschule Weißensee studierte. Seit vielen Jahren arbeiten Hochschule und Werkstatt eng miteinander, zahlreiche Projekte sind dieser Kooperation entsprungen. Die Idee für das Projekt kam ihr während eines Praktikums bei einem renommierten Möbeldesigner. Dort erkannte sie für sich, dass es nicht ihr Lebenszweck sein kann, noch mehr schöne Gegenstände für einen sowieso schon übersättigten Luxusmarkt herzustellen. Sie wollte ein Design entwickeln, das eine ethische Produktion mit Nachhaltigkeit und Verantwortung für die Gesellschaft verbindet. Reichlich kreatives Potenzial Während einer Hospitanz in der Keramikwerkstatt der VIA-Werkstatt lernte sie den Arbeitsalltag in einer Werkstatt für behinderte Menschen kennen und stellte sich die Frage, warum man die Werkstättenmitarbeiter nicht selbst in den Gestaltungsprozess einbezieht. Sie sollten nicht nur irgendwelche Aufträge mechanisch abarbeiten, sondern selbst Produkte entwerfen und herstellen. Ihre Professoren an der Hochschule erkannten das Potenzial dieser Idee. Sie schlugen Isabelle Dechamps vor, das Projekt zum

Michael Poggemann mit seiner Henkelvase. ISABELLE DECHAMPS (3)

Thema ihrer Diplomarbeit zu nehmen. Eine Rektorin, die selbst aus einem Bereich kommt, in dem partizipatorische und künstlerische Ansätze sehr verbreitet sind, half ihr Mittel zu finden, diese partizipativen Designstrategien in den Hochschulalltag zu verankern. Heute ist sie fest verwurzelt in dieser Gruppe kreativer Chaoten, die gewöhnliche Gebrauchsgegenstände wie Vasen, Müsli-Schalen, Gewürzstreuer oder einfache Aufbewahrungsboxen aus Porzellan herstellen. Ihre Schönheit gewinnen diese manchmal skurril anmutenden Gegenstände aus dem „Umdie-Ecke-Denken“ der Designer. Sie alle sind Mitarbeiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen, haben Beeinträchtigungen dieser oder jener Art. „Für mich war es wichtig, ihnen nicht aus einer überlegenen Position zu begeg-

nen, ihre Stärken zu finden und zu fördern und nicht die Schwächen zum Projektgegenstand zu machen“, erklärt Isabell Dechamps. Michael Poggemann beispielsweise hat künstlerisches Interesse und Talent. Seine selbstbestimmte Art, Ideen zu entwickeln, bereichert die Gruppe sehr. In einem einfachen Bild eine Geschichte wie die der Gregoria Weinhaus zu erkennen, zeugt von reichlich kreativem Potenzial. Und daraus dann eine Idee für eine Henkelvase mit Henkeldeckel aus einer umgekehrten Müslischale zu entwickeln, ist schon Kunst auf höherem Niveau. „Für mich war es interessant zu erfahren, dass jeder Einzelne von uns eine andere Fantasie hat“, erklärt er. „Das ist gerade das Gute daran, dass jeder die Welt mit seinen eigenen Augen sieht.“ Seit Jahrtausenden ist finanzieller Spielraum der ärgste Feind der Kreativität. Wie sollte es diesen künstlerisch tätigen Menschen anders ergehen? Zum Glück gibt es inzwischen das Internet und damit ganz neue Finanzierungsformen. Zum Beispiel, dass man über geeignete Plattformen sich seine Mäzene selbst sucht. Auf Neudeutsch heißt so etwas „Crowdfunding“. Die Idee ist so einfach wie wirkungsvoll: Man erklärt sein Vorhaben im Internet und lässt die Leser dieser Seite darüber abstimmen, ob sie die Idee gut finden oder nicht. Einziger Unterschied zu bisherigen Verfahren ist lediglich, dass man seine Zustimmung durch eine mehr oder weniger kleine Spende zum Ausdruck bringt. Die Künstler des Projekts „able“ haben auf diese Weise 8 419 Euro zusammenbekommen. Dieses erfolgreiche Projekt geht nun in die nächste Phase: Es soll auf andere Werkstätten für behinderte Menschen übertragen werden. Interessenten dafür haben sich schon zahlreich während der Werkstättenmesse in Nürnberg, die in diesem Monat stattfand, gemeldet. (sis)

Einzelheiten zu diesem erfolgreichen Projekt erfährt man unter: www.able-berlin.de


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MONTAG, 26. MÄRZ 2012 I VERLAGSBEILAGE

Dem Leben Zukunft

Tiele-Winckler-Haus GmbH

Einrichtungen für Menschen mit geistiger und seelischer Behinderung

Regionalleitung Mozartstraße 21-22 12307 Berlin-Lichtenrade Fon (030) 747092-0 • Fax 7445016 www.friedenshort.de • behindertenhilfe@twh.friedenshort.de

SIEGURD SEIFERT

Behinderte Menschen holen sich im Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Hilfe beim Verwirklichen privater Ziele.

Das Angebot ist noch dürftig

M

irko Hartung (30) schaut gespannt auf ein Flipchart, auf dem in großen Lettern „Ziele“ steht. Gemeinsam mit Psychologin Sandra Berger und Sozialarbeiterin Anne Gersdorff erarbeitet er die Ziele in seinem Leben. Ihm ist klar, nur wer weiß, was er will, kann es auch erreichen. Deshalb nimmt er diese Beratung im Berliner Zentrum für Selbstbestimmtes Leben in der Prenzlauer Allee 36 in Anspruch. Nicht abhängig sein und sein Leben so weit wie irgend möglich selbst gestalten, das ist bei den Mitarbeitern die Devise. „Wir helfen, Bedingungen zu schaffen, die es Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen ermöglichen, unabhängig von Institutionen und selbstbestimmt zu leben“, betont Barbara Poge, die Vorsitzende des Vereins, der Beratung, Fortbildung und begleitende Unterstützung anbietet. Sie nennen das Peer Counseling und Peer Support. Einer der Schwerpunkte in der Beratung ist immer wieder, eine geeignete behindertengerechte Wohnung zu finden. Denn damit fängt die Selbstbestimmung an: eine Tür, die man hinter sich zu machen kann und hinter der das Privatleben beginnt. Nicht umsonst ist die Unverletzlichkeit der eigenen Wohnung im Paragraf 13 des Grundgesetzes geregelt. Geschäftsführer Hans-Reiner Bönning zeigt, wie man sich über die

S U C H E www.bzsl.de – Berliner Zentrum für Selbstbestimmtes Leben e.V. www.rb-wohnungen.de – Landesamt für Gesundheit und Soziales www.myhandicap.de – über die Eingabe „Wohnung“ und „Berlin“ erhält man Angebote über behindertengerechte Wohnungen. Einige davon sind allerdings betreutes Wohnen. www.immonet.de/berlin/ behindertengerechtewohnungen.html mit über 450 behindertengerechten Wohnungen für Berlin. Auch über „eBay“ – in: Wohnung mieten, Berlin, rollstuhlgerechte Wohnung. Über die Angebote kann man die Vermieter direkt kontaktieren. Website des Landesamtes für Gesundheit eine Wohnung suchen kann. In einer Suchmaske trägt er ein, in welcher Etage die Wohnung liegen soll, wie viel Zimmer sie haben und wie teuer sie sein soll, ob man einen Balkon oder eine Garage möchte. Was sehr komfortabel aussieht, entpuppt sich dann aber doch als ein ziemlich dürftiges

Angebot. Nur eine einzige Wohnung spukt die Ergebnisliste aus. „Wir versuchen möglichst über die Wohnungsgesellschaften geeigneten Wohnraum zu finden“, beteuert Bönning. Oft wird auch eine Assistenz benötigt. Weitere Angebote betreffen die Integration und Ausbildung in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes für junge Menschen ebenso wie die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen aus der Generation 50+. Mirko Hartung hat übrigens eine eigene Wohnung. Er wohnt in Britz und fühlt sich dort wohl. „Eine eigene Wohnung ist für mich ganz wichtig. Sie gibt mir Sicherheit und Geborgenheit“, betont er. Die Beratung zur Zukunftsplanung soll ihm helfen, den Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. Er hat schon verschiedene Anläufe genommen, richtig geklappt hat es aber noch nicht. Die Berater vom Zentrum Selbstbestimmtes Leben wollen ihm jetzt über ein Praktikum im Ausland helfen, das nötige Wissen und die Erfahrungen zu vermitteln, die er für eine Arbeit hier brauchen würde. Am liebsten würde er nach Italien gehen. Der Verein vermittelt solche Praktika nach Schweden, Finnland, Großbritannien, in die Niederlande oder nach Italien. Hat er keine Angst vor der fremden Sprache? „Ich kann doch schon ein bisschen Russisch sprechen“, sagt er und lacht. (sis)

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Berliner Zeitung_03/12

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Freie Fahrt mit Bus und Bahn Die Freifahrtregelung für schwerbehinderte Menschen wurde 2011 erweitert

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ersonen mit dem grün-orangen Schwerbehindertenausweis und dem Beiblatt mit gültiger Wertmarke können seit September 2011 alle Nahverkehrszüge der Deutschen Bahn und anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen bundesweit in der 2. Klasse ohne zusätzliche Fahrkarte nutzen. IC/EC-, ICE- und D-Züge sind nicht von der Regelung betroffen. Im Verkehrsverbund Berlin/Brandenburg können Menschen mit dem entsprechenden Schwerbehindertenausweis ohne Kilometerbegrenzung alle Verkehrsmittel (RB, S-, U-, Straßenbahn, Bus und Wasserfahrzeuge im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr) kostenlos nutzen. Die Berechtigung erhalten diejenigen, die aus medizinischen Gründen erheblich oder außergewöhnlich gehbehindert sind (Merkzeichen G bzw. aG, Gehörlose (GI), Blinde (BI) und/oder Hilflose (H) ), oder Kriegsbeschädigte und Gleichgestellte sowie Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes, die bereits vor dem 1. Oktober 1979 Anspruch auf Freifahrt hatten. Das Beiblatt mit Wertmarke kostet jährlich 60 Euro, halbjährlich 30 Euro. Eine kostenlose Wertmarke können Personen mit den entsprechenden Merkzeichen im Ausweis beantragen, wenn sie Hartz IV, Sozialhilfe, Grundsicherung, laufende Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) erhalten, Bezieher einer ergänzen- den Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundesversorgungsgesetz (§§27a und 27d BVG) sind, oder beim Bemessen dieser Leistungen als MItglied der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werden. Die Begleitperson eines Schwerbehinderten mit dem Merkzeichen „B“ im Ausweis fährt immer kostenlos mit. Handgepäck, Krankenfahrstuhl und sonstige orthopädische Hilfsmittel, Blindenführ- oder Begleithunde (§ 145 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX) werden ebenso kostenfrei transportiert. IMPRESSUM Berliner Verlag GmbH Anzeigenleitung: Mathias Forkel Redaktion: Peter Brock (verantwortlich), Angelika Giorgis Anzeigenverkauf: Renate Werk, Tel. 030/23 27 53 15 Art Direction: Jane Dulfaquar, Anette Tiedge Layout: Martin Langkabel

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Inklusion – das unbekannte Wort Die Berliner Schulen müssen sich deshalb in den nächsten Jahren auf eine umfangreiche Reform einstellen

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ür viele Menschen ist „Inklusion“ noch ein unbekanntes, zumindest erläuterungsbedürftiges Wort. Jenes Wort stammt aus der Behindertenkonvention der Vereinten Nationen, dort steht im Artikel 24: „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen ...“ Das muss man sich genau durchlesen, denn damit verbunden ist ein tiefgreifender Wandel des bisherigen deutschen Schulsystems. Sonderschulen müssten, denkt man diese UN-Konvention zu Ende, weitgehend aufgelöst werden, die Gymnasien müssten mehr behinderte Schüler aufnehmen und zum Abitur führen. Alle Lehrer müssten behinderte Kinder wie ganz normale Schüler begreifen, auf deren Eigenheiten man vorbereitet sein muss. Sei es ein Stotterer mit Konzentrationsschwächen, ein Autist oder ein Kind, das kein ausgeprägtes Sozialverhalten hat. Große Veränderung Die Inklusion steht auf der Tagesordnung: Denn Deutschland hat diese UN-Konvention anerkannt, Eltern von behinderten Kinder können sich schulrechtlich darauf beziehen. Aber viele dieser Eltern fürchten gerade die Auflösung der Förderschulen. Der Unterschied übrigens zu integrativen Grundschulen, die vielerorts bereits bestehen, wäre etwa, dass dort bislang behinderte Kinder in die Gruppe von „Normalen“ integriert werden sollten. Dabei blieben die behinderten Kinder aber eine besondere Gruppe. Das Konzept der Inklusion hingegen, gehe von aus, dass „alle Kinder unterschiedlich sind“, formuliert es der Bildungsforscher Hans Brügelmann. Behinderte Kinder sollen an den Schulen also gar nicht mehr besonders auffallen, sondern sich einfügen in eine vielfältige Schülerschaft. So weit so gut. Doch so einfach ist das nicht. Die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheers (SPD) hat nun die Umsetzung der Inklusion in Berlin erst einmal ausgesetzt. „Kostenneutral ist das nicht umzusetzen“, sagt sie. Genau das sah nämlich das Konzept ihres Vorgängers Jürgen Zöllner (SPD) vor, das allein schon zwei Jahre hatte auf sich warten lassen. Zöllner wollte zunächst die lern- und sprachbehinderten sowie die verhaltensauf-

IMAGO

Behinderte Schüler sollen sich in eine vielfältige Schülerschaft einfügen.

K O N Z E P T

A U F G E S C H O B E N

Integriert: In Berlin besuchen bereits 40 Prozent der Kinder mit Förderbedarf eine Regelschule, und keine Förderschule. Im Bundesdurchschnitt sind es nur 20 Prozent. Die UN-Behindertenkonvention zur Inklusion gilt in Deutschland seit 2009. Sonderschulen: Derzeit gibt es in Berlin etwa 60 Förderschulen für sprach- und lernbehinderte Kinder Diese Schulen sollten nach den Plänen von Ex- Bildungssena-

tor Jürgen Zöllner zunächst sukzessive aufgelöst werden. Ausgesetzt: Die neue Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will in einem Jahr ein neues Inklusions-Konzept vorlegen. Termin: Am 5. Mai organisiert der Grundschulverband von 9.30 bis 13 Uhr in der Galilei-Grundschule in Kreuzberg eine Veranstaltung zum Thema „Bausteine auf dem Weg zur inklusiven Schule“.

fälligen Schüler an die Regelschulen bringen, viele Förderschulen auflösen. Scheers will nun erst einmal einen Beirat einberufen, dem betroffene Elterninitiativen wie das Berliner Elternzentrum, Autismus Deutschland und viele andere mehr. Einen unabhängigen Beiratsvorsitzenden, der die teilweise zerstrittenen Gruppierungen zusammenführe soll, ist indes noch nicht gefunden. Viele Eltern behinderter Kinder haben Angst davor, dass Förderschulen aufgelöst werden und die Kinder an den Regelschulen scheitern. Scheers sieht die Inklusion auf jeden Fall als ein „Schwerpunktthema in dieser Legislaturperiode. Allerdings hat sie im neuen Doppelhaushalt 2012/13 dafür erst einmal kaum Geld bereitstellen lassen. Es seien noch viele Dinge zu klären, sagt Scheers. So muss es eine zentrale Diagnostik zumindest nach einheitlichen Kriterien geben. Derzeit werden etwa in Lichtenberg deutlich mehr Kinder als behindert eingestuft als etwa in TempelhofSchöneberg. Problematisch sei auch, dass die Feststellung des Förderbedarfs erst einige Zeit nach dem Schuleintritt erfolge. Auch der Übergang von behinderten Kindern in die Oberschulen bedürfe noch genauerer Prüfung, sagte Scheers. Das alles werde deutlich mehr Geld kosten, das sei klar. Nach internen Papieren rechnet der rot-schwarze Senat mit erheblichen Mehrkosten, wenn das Inklusions-Konzept eingeführt werden soll. Allein für Umbauten und für Maßnahmen zur Barrierefreiheit wie den Einbau von Aufzügen rechnet man bis 2015 mit Mehrkosten in Höhe von 48 Millionen Euro. Hinzu kommen im gleichen Zeitraum noch einmal 53 Millionen Euro für die nötige Personalausstattung. Von „Kostenneutralität“ ist längst nicht mehr die Rede. Offenkundig ist, dass die zusätzlichen Stunden, die Schulen für behinderte Kinder erhalten, seit Jahren abgesenkt worden sind. An Grundschulen gibt es für einen behinderten Schüler statistisch etwa 2,5 Wochenstunden mehr zur Verfügung. Die Grünen hatte im Wahlkampf gefordert diesen Zuschlag wenigstens um eine Wochenstunde auf 3,5 zu erhöhen. Auch andere Politiker stimmten dem hinter vorgehaltener Hand zu. In den nächsten zwölf Monaten werden nun die entscheidenden Weichen für die Inklusion gestellt. Zögert sich die Umsetzung noch weiter heraus, ist in Berlin mit ersten Klagen vor Gericht zu rechnen. (mk)


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Computer helfen beim Ausgleich von Handicaps Neuentwicklungen aus Wissenschaft und Technik

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ie Menschen bedienen sich seit jeher zahlreicher Hilfsmittel, um Handicaps auszugleichen. Heute hilft dabei moderne Computertechnik. Assistenzsystem für den Pflegebereich: Das Institut für Kommunikationstechnologie an der Fachhochschule Flensburg arbeitet an einem „System for Home Care“. Alltagssituationen wie ein defektes Fernsehgerät, ein vergessenes Bügeleisen oder ein Sturz können zu tödlichen Gefahren werden. Es gibt zwar Notrufsender, die am Körper getragen werden können. Aber die Realität zeigt, dass sie gerade in Notsituationen nicht bedient werden können. Nach Vorstellungen der Wissenschaftler reagieren künftig im Boden oder im Herd eingebaute Sensoren auf Geräusche, Gerüche, Druck oder Temperatur. So wird zum Beispiel die Temperatur reguliert, ferngesteuert Licht gelöscht, eine vergessene Herdplatte ausgeschaltet oder um Hilfe

nen, liegt aber noch in ferner Zukunft“, betont Gernot MüllerPutz vom Institut für Semantische Datenanalyse der TU Graz.

Schlitten statt Schuhe: Eishockey einmal anders JULIAN RATHMANN

gerufen, wenn ein Mensch fällt und nicht wieder aufstehen kann. Brain-Computer-Interface an der Schwelle zum Praxiseinsatz: Gehirn-Computer-Schnittstellen lassen Menschen durch und mit sich

selbst kommunizieren. Durch sie ist es möglich, Gehirnströme von einer Elektrodenhaube in Steuersignale umzusetzen und gezielt auf eine Neuroprothese an Gliedmaßen zu übertragen. Hybride BrainComputer-Interface (BCI)-Systeme

spielen dabei eine spezielle Rolle: Auf diese Weise kann ein optimales Signal aus zwei Kommunikationssystemen – BCI und Joystick – gewonnen und miteinander kombiniert werden. „Querschnittsgelähmte Menschen heilen zu kön-

Sportgerät „polarwolf“: Julian Rathmann hat im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Hochschule Coburg ein hochfunktionales Sportgerät, den „polarwolf“, für Sledge-Hockey entwickelt. Dieses Eishockey für Sportler mit Handicaps gilt als physisch härteste Wintersportart im Handicap-Bereich. Im Gegensatz zum Eishockey bewegen sich die Spieler nicht auf Schlittschuhen, sondern auf Schlitten. Der „polarwolf“ eignet sich aufgrund seines modularen Aufbaus für viele Spieler und kann leicht vor Ort repariert werden. Handys: Über eine spezielle Software können sehbehinderte Menschen mit der Handykamera Fotos von Texten schießen und sich diese per Sprachausgabe vorlesen lassen. (sis)

Zurück in Arbeit trotz gesundheitlicher Einschränkungen www.bfw-berlin-brandenburg.de

Das Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg e. V. ist ein modernes und zukunftsorientiertes Kompetenzzentrum für berufliche Rehabilitation und Integration. Wir qualifizieren Erwachsene, die aus gesundheitlichen (körperlichen und /oder psychischen) Gründen ihren Beruf oder ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben können. Schon längst garantiert rein fachliches Knowhow keinen Arbeitsplatz mehr. Deshalb arbeiten wir nach einem ganzheitlichen Ansatz, in dem Fachkompetenz, Schlüsselkompetenzen und Gesundheitskompetenz gleichwertige Bedeutung haben. Ziel dieser beruflichen Neuorientierung ist die dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Sie sind interessiert? Dann besuchen Sie unsere Offene Sprechstunde oder rufen Sie uns an!

chstunden hr Offene Spre 13 b is 15 U in: montags rl Be is 12 Uhr rt b do Stan dienstags 10 k: ec nb le üh Standort M bis 15 Uhr montags 13 BTZ Berlin:

Standort Berlin Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg e. V. Epiphanienweg 1 14059 Berlin-Charlottenburg Telefon 030 30399-0

Standort Mühlenbeck Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg e. V. Kastanienallee 25 16567 Mühlenbeck Telefon 033056 86-0

BTZ | Berufliches Trainingszentrum Berlin Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg e. V. Elsenstraße 87-96 12435 Berlin-Treptow Telefon 030 30399-701


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Eine ganze Menge Leben Seit 29 Jahren schreibt Reiner Köhn an seinen Memoiren. Für ihn ist das Auseinandersetzung mit der eigenen Behinderung

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s ist Sonntag. Der 13. November 1983. Reiner Köhn setzt sich an seinen Schreibtisch, nimmt einen Stift zur Hand und fängt an zu schreiben. Der damals 32-Jährige schreibt und schreibt – und schreibt. Erst tagelang, dann wochenlang, dann jahrelang. Erst nur mit einem einfachen Stift, dann mit einer Schreibmaschine, seit einigen Jahren nun schon mit dem Computer. Reiner Köhn schreibt sein Leben auf – und das mittlerweile seit 29 Jahren. „Ich wollte das, was ich erlebt habe, für die Nachwelt erhalten und niederschreiben“, sagt der heute 61-Jährige. Es sind die präzisen und teilweise fotografisch genauen Momentaufnahmen eines ganzen Lebens. Eines Lebens mit einer geistigen Behinderung. Manche taten seine Autobiografie erst als „Spinnergeschichten“ ab. Aber von solchen Leuten habe er sich nie unterkriegen lassen, sagt Reiner Köhn und lacht verschmitzt. Seit rund 32 Jahren lebt er in der betreuten Wohngemeinschaft des Unionshilfswerks an der Helmholtzstraße in Charlottenburg. An seinen Einzug erinnert sich Reiner Köhn noch genau: „Das war der 1. Juli 1989. Es war ein heißer Sommertag und der Aufzug war kaputt. Wir mussten alles in den vierten Stock hoch tragen.“ Reiner Köhn hat ein Faible für Zahlen. Dutzende Geburtstage, Todestage oder Jahreszahlen kann er ohne zu zögern aufzählen. Wenn Reiner Köhn seine Erinnerungen aufschreibt, dann sind sie oft liebevoll und detailreich – besonders, wenn es um seine Mutter

MARKUS WÄCHTER

Fast jeden Tag schreibt Reiner Köhn an seinen Memoiren. Den Spaß daran hat er in all der Zeit nicht verloren.

geht. Wenn er von ihr erzählt, dann spricht er immer nur von „Muttern“. Dass es in seiner Autobiografie oft um die gleichen, immer wiederkehrenden Erinnerungen geht, stört ihn aber wenig. Ihm geht es um das Schreiben an sich und das Erinnern: „Ich, Reiner Köhn, wurde geboren am 11.2.1951, an einem Sonntag. Mein Vater war hoch erfreut.“ Er sei ein richtiges Sonntagskind, sagt er, so wie sein Bruder. Das läge wohl in der Familie,

dass die Kinder an einem Sonntag auf die Welt kämen. Reiner Köhn sitzt vor seinem Computer, wie fast jeden Tag. Er zählt: „82, 83, 84“. 84 Kapitel hat er mittlerweile geschrieben, 105 sollen es werden. Die meisten sind nur rund eine halbe Seite lang – aber sie sind echte Handarbeit. Denn ganz am Anfang schrieb Reiner Köhn alles noch von Hand auf. Die Betreuer mussten es dann korrigieren, dann schrieb er es in Schönschrift ab, wieder Korrektur,

wieder abschreiben. „Das war ein ständiger Kreislauf, bei dem es aber nie so richtig vorwärtsging“, erinnert sich Valeria Weimann. Sie ist seit 21 Jahren Betreuerin in der WG Helmholtzstraße. Mittlerweile hat Reiner Köhn fünf Schreibmaschinen und zwei Computer-Bildschirme verschlissen. Eines Tages will er seine Memoiren veröffentlichen, das ist sein Traum. Und er will viel Geld damit verdienen. Von dem Geld kauft er sich dann ein Chalet in der Schweiz. „Und Frau

Weiman kommt mit und kümmert sich um mein Geld“, schwebt es dem 62-Jährigen vor. Seit rund drei Jahren hat er sogar eine Lektorin, Silvia Zenske, Betreuerin in der Wohngemeinschaft Kaiser-Friedrich-Straße. Sie hilft dabei, die Seiten zu nummerieren, sie korrigiert die Texte und bringt alles in die richtige Reihenfolge. „Man hat mir damals gesagt, ich kriege eine Lektorin, konnte mir aber darunter nichts vorstellen und dachte, was ist denn das?“, erinnert sich Köhn. Die Idee zum Schreiben kam ihm durch die siebenteilige ZDF-Fernsehserie „Unser Walter“. Darin wird der Lebensweg eines Kindes mit Down-Syndrom und seiner Familie nachgezeichnet. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Behinderung ist ein wichtiger Punkt für Reiner Köhn. „Als ich drei Jahre alt war, machte sich meine Mutter große Sorgen und sie ging mit mir zu einem Professor Gutzmann. Sie klagte ihr Leid. Sie sagte, dass ihr Sohn nicht richtig sprechen könne. Ich sprach immer noch in der Babysprache. Er sagte zu ihr: Frau Köhn, machen sie sich keine Sorgen, das entwickelt sich noch.“ Durch Singen lernt Reiner Köhn schließlich das Sprechen. „Im Bett habe ich abends immer „Wer will fleißige Handwerker sehen“ gesungen“, erinnert er sich. Die Mutter hat ihrem Sohn dann auch mit zehn Jahren noch das Lesen beigebracht, mit Hilfe der Hasenfibel. Reiner Köhn muss lachen, wenn er das erzählt: „Denn wenn etwas nicht richtig war, gab es einen Klaps mit dem Teppichklopper. Aber nur einen ganz leichten.“ (spa.)

Kontakt: WIB – Weißenseer Integrationsbetriebe GmbH Geschäftsstelle Tassostr. 17 13086 Berlin Tel.: 030 - 47 99 11 0 Fax: 030 - 47 99 11 32 e-mail: info.gmbh@wib-ev.de http://www.wib-verbund.de

Vielfalt, Erfahrung, Veränderung Wir fördern die soziale und berufliche Integration behinderter und sozial benachteiligter Menschen durch Beratung, Betreuung, Beschäftigung und Arbeit im Verbund von Projekten und Firmen.

Wohnangebote für Menschen mit geistiger Behinderung

Markelstraße 24a 12163 Berlin Tel.: (030) 700 96 23-0 Fax: (030) 700 96 23-16

Das Ziel:

Unser Weg:

Unsere Angebote:

»Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben schaffen«

»Qualifizierte Betreuung und Unterstützung für mehr Eigenständigkeit«

• Wohnen im Wohnheim • Leben in einer Wohngemeinschaft • Betreutes Einzelwohnen • Freizeitclub

www.aktion-weitblick.de · E-Mail: post@aktion-weitblick.de


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