Shortcut 5

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Christoph Merian Verlag: DIE ERSTE APP IM VERLAGSPROGRAMM

Schwerpunkt: RÄUME UND TRÄUME

Ausschreibungen: AUTORENHAUS, CREATIVE HUB & OSLO 10

SHORTCUT DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG

#5

Juli 2014


EDITORIAL —

War der Schwerpunkt des letzten «Shortcut» der Zeit und der Vergänglichkeit gewidmet, so richtet die vorliegende Ausgabe ihren Blick auf den Raum, auf Raumträume, Traumräume, Handlungsräume, Kulturräume, Schreibräume, unbesetzte und besetzte Räume, architektonische Räume, Musikräume … Kultur braucht Platz, und dieser ist meistens knapp. Umso wichtiger ist die Diskussion darüber, wie Räume, die materiellen wie die immateriellen, gedacht, gefunden, entwickelt und belebt werden können. Auf den ersten November wird es einen Wechsel in der Leitung der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung geben. Wir freuen uns auf die neue Leiterin Nathalie Unternährer. Die 42-jährige Historikerin leitet derzeit die Abteilung Kulturförderung des Kantons Luzern. Frühere berufliche Stationen waren: Leiterin der Nidwaldner Museen in Verbindung mit der Leitung des Amts für Kultur des Kantons Nidwalden, Lehrbeauftragte an der Universität Luzern, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stapferhaus Lenzburg, Ausstellungskuratorin am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum.BL in Liestal. In Basel geboren, wird Nathalie Unternährer hier auch wieder ihren festen Wohnsitz haben. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Bis zu ihrem Amtsantritt leitet Christoph Meneghetti interimistisch die Abteilung Kultur. Wir heissen Nathalie Unternährer herzlich willkommen und wünschen ihr viel Freude und Erfolg in ihrem neuen Amt. Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian Stiftung

Rufus Beck, Edward Piccin, Julius Griesenberger, Mona Petri (Foto: Oscar Alessio, SRF)

TAUCHEN SIE EIN IN DIE WELT VON «PILGRIM» Was, wenn all die Sagen und Legenden, die sich um die Britischen Inseln ranken, wahr wären? Und was, wenn all diese Geschichten nicht nur wahr, sondern auch in unserer modernen Welt allgegenwärtig wären? Uralte Geister, die in dunklen Winkeln, in Schatten unter Brücken existieren und schon immer existiert haben.

er vom Feenkönig zu ewigem Leben verflucht. Seither sucht Palmer verzweifelt nach seiner Sterblichkeit. Die moderne Sage erzählt von seinem Weg, auf dem sich die Welten der Menschen und der Feen auf unheilvolle Weise berühren.

Seit 2008 läuft die mehrfach ausgezeichnete Hörspielreihe «Pilgrim» erfolgreich auf dem «Pilgrim» von Sebastian Baczkie- englischen Radiosender BBC 4. wicz ist das erste Fantasy-Hörbuch Das Schweizer Radio und Fernim Programm des Christoph sehen SRF produzierte als erste Merian Verlags. Die Geschichte deutschsprachige Radiostation des britischen Autors spielt in drei Episoden der ersten Staffel, der Gegenwart. Sie behauptet, welche die Regisseurin Karin die Welten des Grauen Volkes Berri ins Deutsche übersetzte. (der Feen) und jene der HeissFür die Stimme des William blüter (der Menschen) existierten Palmer konnte der Schauspieler parallel nebeneinander. Vor Rufus Beck gewonnen werden neunhundert Jahren verspottete – bekannt aus den Harry-PotterWilliam Palmer alias Pilgrim auf Hörbüchern. Alexander Seibt dem Pilgerweg nach Canterbury hat mit seinen Illustrationen den den alten Glauben an das Volk Figuren ein Gesicht gegeben und der Geister und Feen. Dafür wird die drei Episoden illustriert.

Hoffentlich wird die Serie, die in England schon in der fünften Staffel läuft und einige internationale Preise eingeheimst hat, auch auf SRF fortgesetzt. In der Zwischenzeit kann man sich in aller Ruhe zu Hause oder unterwegs mit William Palmer vergnügen: Über zwei Stunden Hörgenuss und ein achtseitiges Booklet zur Vertiefung der englischen Sagenwelt sind beim Christoph Merian Verlag oder bei Ihrem Buchhändler erhältlich. Karin Matt


AUSSCHREIBUNG OSLO10 OSLO10 , der unabhängige Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst auf dem Dreispitzareal in Münchenstein/Basel sucht ein Kuratorenteam für die Periode vom 1. April 2015 bis 30. März 2017. Ausgangslage Auf dem Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers Dreispitz sind in den letzten vier Jahren neue Räume für Kunst und Kultur entstanden. Den Pionieren Radio X, Galerien und Ateliers folgten iaab und das Haus für elektronische Künste (HeK), und mittlerweile konzentriert die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) ihre Kräfte auf dem Areal und hat die Forschungs- und Lehrtätigkeit aufgenommen. Hier eröffnete auch die Christoph Merian Stiftung im Jahr 2011 den Raum für zeitgenössische Kunst OSLO10 als Fördermassnahme mit vielen Wirkungen. OSLO10 ist in seiner Form einzigartig: als gezielte Kuratorenförderung, als Förderung der lebendigen und fruchtbaren Basler Offspace-Szene, als Beitrag zur kulturellen Stadtraumentwicklung. Was ist OSLO10 ? OSLO10 ist als Kunstraum mit Grundfinanzierung konzipiert. Er gibt Kuratoren oder Kuratorenteams die Möglichkeit, die gesamte Verwaltung des Raums – inbegriffen Programmation, Administration und Unterhalt – im Sinne einer Carte Blanche zu übernehmen. Das Kuratorium ist bewusst nicht als Vollzeitstelle angelegt, andere Teilzeittätigkeiten können mit dem Mandat verbunden werden. OSLO10 befindet sich rund zehn Tramminuten vom Bahnhof Basel SBB entfernt in einem Industrie- und Lagerhausviertel. Es liegt im EG an der Oslostrasse 10, insgesamt 204 m2 stehen für Büro, Ausstellungen und Veranstaltungen zur Verfügung. Die Christoph Merian Stiftung garantiert eine Grundfinanzierung

mit einem jährlichen Beitrag von CHF 60 000.–. Davon sind CHF 40 000.– für Ausstellungen und Projekte und CHF 20 000.– für Honorarkosten vorgesehen. Die Mietkosten des Raums werden ebenfalls von der Christoph Merian Stiftung finanziert. Dauer des Mandates: zwei Jahre, nicht verlängerbar. Teilnahmebedingungen Teilnahmeberechtigt sind Kuratoren bzw. Künstlerteams der visuell gestaltenden Künste (Bildende Kunst, Foto, Video, Film, Performance, Design, digitale/elektronische Künste etc.), unabhängig von Alter oder Nationalität. Gewünscht wird eine Wohnsituation von mindestens einem Mitglied des Teams in Basel oder der näheren Umgebung. Bewerbungsunterlagen Einzureichen sind: • Motivationsschreiben (1 A4-Seite) • Projektskizze für 24 Monate (Ausstellungsund Betriebskonzept, z.B. Anzahl Ausstellungen, Veranstaltungen etc.) • Biografien • Dokumentation bisheriger Tätigkeiten.

AUSSCHREIBUNG FÜR DREI SCHREIBATELIERS im Freilager Dreispitz Basel-Münchenstein

Die Christoph Merian Stiftung schreibt erstmalig drei Schreibateliers mit Arbeitsplätzen für vier Autorinnen und Autoren aus der Region Basel aus. Am Freilager-Platz in unmittelbarer Nähe der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) entstehen auf dem Dreispitz in Münchenstein Räume für das HeK (Haus für elektronische Künste) und iaab (Internationales Austausch- und Atelierprogramm Region Basel), dazu eine Quartieranlaufstelle sowie Schreibateliers für Autorinnen und Autoren aus der Region Basel. Nach Plänen der Basler Architekten Rüdisühli_Ibach wird das ehemalige Bürogebäude «Blechspitz» am Freilager-Platz 8 saniert und in ein Autorenhaus umgewandelt. Folgende Schreibateliers sind ab 1.10.2014 bezugsbereit.

Weitere Informationen: oslo10.ch

Bewerbungen können bis zum 15. August 2014 an die Christoph Merian Stiftung, Postfach, 4002 Basel gerichtet werden. Anmeldeformular und alle weiteren Informationen unter: www.merianstiftung.ch

Atelier 1, 12 m2, 1. OG: CHF 168.00 / Monat Atelier 2, 23 m2, 1. OG: CHF 322.50 / Monat Atelier 3, 36 m2, 2. OG: CHF 500.00 / Monat (Bewerbung zu zweit) Raumpläne Schreibateliers im Blechspitz

Bis 31. Oktober 2014 an r.wiedmer@merianstiftung.ch (max. 4 MB) Auswahlverfahren Eine Jury prüft und diskutiert alle eingegangenen Bewerbungen. Die Jury entscheidet abschliessend über die Vergabe. Alle Bewerberinnen werden bis 1. Dezember 2014 schriftlich über den Entscheid informiert.

Die Mietpreise sind inklusive Nebenkosten. Die Mietdauer ist aufgrund der Mietzinsreduktion auf drei Jahre befristet. Teilnahmeberechtigt sind Autorinnen und Autoren mit Wohnsitz in der Region Basel, unabhängig von Alter oder Nationalität. Das Schreibatelierprogramm ist ein Projekt der Christoph Merian Stiftung in ihrem Förderschwerpunkt Literatur. Eine dreiköpfige Jury (Ariane Koch, Martin Zingg, Christoph Meneghetti) prüft alle eingegangenen Bewerbungen und entscheidet abschliessend.

Treppe

Treppe

WC

Atelier 1

Atelier 2

1. OG Atelier 1 (12 m2) und Atelier 2 (23 m2), WCs

Küche

Atelier 3

2. OG Atelier 3 für zwei Personen (36 m2), Gemeinschaftsküche


DESIGNUNTERNEHMER AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, LOS: CMS ERMÖGLICHT SPEZIELLE BASLER PLÄTZE IM CREATIVE HUB Der Creative Hub ist die erste nationale Plattform, die Schweizer Designer darin unterstützt, ihre Produkte voranzutreiben und zu vermarkten oder ihre Geschäftsideen zu verwirklichen. Dafür offeriert der Creative Hub verschiedene Angebote, die auf die Bedürfnisse und Märkte von Designerinnen und Designern massgeschneidert sind. Wer in einem der Programme des Creative Hub mitmacht, kann vom Wissen unserer Experten profitieren; dabei unterscheiden wir zwischen jenen, die fachliches Wissen, und jenen, die Branchen-Know-how mitbringen. Mitmachen können: • Designer mit einer Geschäftsidee, die deren Umsetzung pro-aktiv durch eine Marke vorantreiben bzw. ein Unternehmen gründen wollen. • Bereits praktizierende Designunternehmer, die ein spezifisches Projekt mit Marktpotenzial begleitet durch Fachpersonen verfolgen wollen. • Designerinnen, die Partner aus anderen Disziplinen suchen (z.B. aus dem Management), um im Team eine Geschäftsidee umzusetzen.

Im Moment können sich Basler Designer für die zwei Angebote Creative Link und Creative Committed anmelden. Die Christoph Merian Stiftung ermöglicht im Rahmen eines Pilots die Teilnahme von zwei bis vier speziellen Basler Projekten an diesen zwei Programmen des Hubs: 1. Creative Committed: Ein neunmonatiges Workshop-Programm, das von der Idee bis zum Business-Plan für ein neues Geschäftsfeld oder eine neue Firma führt, mit abschliessendem Assessment durch eine Jury aus Fachleuten und Business Angels. Anmeldeschluss ist der 3. Oktober 2014. 2. Creative Link: Einzelcoaching für Designerinnen und Designer, die eine ausgereifte Produkt- oder Serviceidee vorantreiben und verwerten möchten, zu Themen wie Budgetierung, Vernetzung mit Zulieferern und Herstellern, Verwertungsstrategie etc., inkl. SeedMoney, der Möglichkeit zur Vorfinanzierung von Kleinserien. Nächster Anmeldeschluss ist der 24. Oktober 2014. Bewerbungen via www.creative-hub.ch Auskünfte: Claudia Acklin, claudia@creative-hub.ch

FILTER 4 Der Filter 4 auf dem Bruderholz war einst Teil der Wasserversorgung der Stadt Basel. Ein Blick ins Innere der Langsamfilter-Anlage zeigt nicht nur einen visuell spektakulären Raum, sondern einen Ort mit einer einzigartigen meditativen Qualität. Seit 2011 ist der Filter 4 ein Veranstaltungsort für kulturelle Events und Ausstellungen.

Die 1600 m2 grosse Filteranlage auf dem Bruderholz wurde 1905 fertiggestellt und ist damit älter als der nur wenige Kurven der Reservoirstrasse entfernte Wasserturm (1926). Beides sind auch heute noch auffällige Bauten. Der monumentale Eingang mit seinem trutzigen, fast militärischen Charakter spiegelt den Stolz der Architekten und Bauherren wider,

die mit dieser Infrastruktur die markant gewachsene Stadt mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgten. Der Innenraum der Anlage ist als grosse Pfeiler- und Gewölbehalle gestaltet, rund achtzig Prozent der Bodenfläche sind Sand. Hier rann das Wasser aus zwei Baselbieter Quellen durch Sand- und Kiesschichten, bis am Ende sauberes Trinkwasser der Grundversorgung der Basler Bevölkerung dienen konnte. Und der Name der langsamen Anlage ist Programm: Moderne Filter verarbeiten Wasser über hundert Mal schneller. Mit Unterstützung der IWB hat der Künstler, Werber, Galerist und Lichtfeld-Organisator Fredy Hadorn rund fünfeinhalb Jahre für die Realisation eines Raumes für kulturelle Anlässe im Filter 4 gekämpft. Er landete mit diesem Anliegen sogar vor dem Bundesgericht. Es hat sich gelohnt! Der Filter 4 ist seither ein einzigartiger Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst mit Fokus auf Installation und experimenteller Musik und verdankt seine Anziehungskraft sowohl der einmaligen räumlichen Qualität als auch dem hochkarätigen Programm. Der Ausstellungsraum und Gastrobetrieb ist während den Monaten Mai bis Ende September geöffnet, die Anlage kann auch für Anlässe gemietet werden. Nach den erfolgreichen ersten drei Jahren hat der Verein mithilfe der Christoph Merian Stiftung die Infrastruktur ausgebaut. Das «iwbFilter4» bringt Kunst ins Quartier, hat sich gegen anfängliche Widerstände durchgesetzt, sich etabliert und bewiesen, dass spannende Ausstellungen und Veranstaltungen eine nachbarschaftliche Bereicherung sind. Christoph Meneghetti

Bild: Fredy Hadorn

— Sa, 16. August 2014 / 18.30 Uhr Vernissage VOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG Eine Installation von Andreas Schneider, Jan Hostettler und Sebastian Mundwiler. Sa, 16. August bis Sa, 27. September — Fr, 22. August 2014 / 20 Uhr Sa, 23. August 2014 / 20 Uhr So, 24. August 2014 / 17 Uhr Fr, 29. August 2014 / 20 Uhr Sa, 30. August 2014 / 20 Uhr larynx vokalensemble — PLAY IT AGAIN, DIDO! Henry Purcell feat. Casablanca – szenische Zeitreise von der Barockoper in den Jazzclub: Dido, Königin von Kathargo, ist Star eines Nachtclubs und der Sand des Filters wird zur Wüste. Mit Ulrike Hofbauer, Thill Mantero, larynx vokalensemble und Carthage Collective, Ann Allen, Isabelle Born und Jakob Pilgram. — So, 7. September 2014 / 14 Uhr Veranstaltung mit Diskussion VOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG —


DER «KOPF» BLEIBT IN DEN MERIAN-GÄRTEN Wer kennt sie nicht, die Stangen aus Stein, die wenige Meter vor der Merian-Villa im Gras stecken und liegen? Sie sind Teil der Skulptur «Kopf», die der Berner Künstler Markus Raetz als Beitrag zur Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» geschaffen hat. Was diese Stangen und Steine zu bedeuten haben, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Rasch erkennt man zwar ein Gesicht, doch gibt es nur einen Punkt, von dem aus man den Kopf in den richtigen Proportionen erkennen kann. Dieser liegt bei einer kleinen Kanzel oberhalb der Wiese, die eine wunderschöne Aussicht bietet. Von Oktober 2012 bis Februar 2013 war im Kunstmuseum Basel eine Ausstellung mit Zeichnungen von Markus Raetz zu sehen, die auch Skizzen zum «Kopf» zeigte. Dem Kunsthistoriker Martin Schwander und mir fiel auf, dass die Arbeit in Brüglingen seit

dreissig Jahren eine Leihgabe des Künstlers ist. Das wollten wir ändern. Tatsächlich hatte Martin Schwander, der zusammen mit dem Galeristen Ernst Beyeler und dem Kunsthistoriker Reinhold Hohl 1984 die Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» initiierte, Markus Raetz für einen Beitrag zur Ausstellung angefragt. Er setzte sich zu dieser Zeit intensiv mit dem Thema der Anamorphose auseinander und realisierte vor allem liegende Frauen, indem er an bestimmten Positionen Nägel in ein Tischblatt hämmerte. Der Begriff «Anamorphose» klingt vielleicht exotisch, doch er lässt sich einfach erklären. Es sind Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel oder mit einem speziellen Spiegel als solche erkennbar sind. Auch im Strassenverkehr gibt es Zahlen und Pfeile, die anamorphisch auf den Asphalt gezeichnet

werden, da der Autofahrer aus einem flachen Winkel auf die Strasse schaut. Die Einladung war also reizvoll, und Markus Raetz begann damit, auf ausgedruckte Polaroid der örtlichen Situation zu zeichnen. Martin Schwander hatte ihm bereits diesen Standort vorgeschlagen, und die Kanzel, von der aus sich der Kopf am besten sehen lässt, sie gab es auch schon. Bei der Umsetzung vor Ort überwachte Markus Raetz mit einer Glasscheibe und einer Fixierung für den eigenen Kopf (man kennt Ähnliches von den Sehübungen beim Augenarzt oder Optiker) die provisorische Montage von der Kanzel aus, während seine Assistenten Holzlatten, die mit Metallstäben verbunden waren, in der Erde verankerten. Anschliessend wurden Kalksteine in einem Laufener Steinbruch auf die verlangten Masse vorbereitet und vor Ort in einem Bett aus Bachkieseln verankert. Damals, im Frühjahr 1984, dachte niemand daran, dass die Skulptur über die Ausstellung hinaus dreissig Jahre vor Ort bleiben würde. Inzwischen wurde die Arbeit auch restauriert, denn im Laufe der Zeit und durch das Spiel der Kinder hatten sich einige Steinstangen etwas verschoben, sie wurden wieder korrekt ausgerichtet. Und seit 1984 wird die Skulptur durch das Team der Merian-Gärten gepflegt. Längst ist sie fest verankert im Gedächtnis der Bevölkerung, und es erscheint unvorstellbar, dass dieser «Kopf» eines Tages von diesem Ort wieder verschwinden könnte. Genau dies wollten Martin Schwander und ich verhindern. Ich kontaktierte im vergangenen März Markus Raetz, der unseren Vorschlag, die Arbeit der Christoph Merian Stiftung zu schenken, positiv aufnahm. Wir waren uns rasch einig, Anfang April konnte ein Schenkungsvertrag unterzeichnet werden. Damit geht nicht nur ein Traum von mir, sondern auch von zahlreichen Kunstinteressierten in Erfüllung: Der «Kopf» von Markus Raetz, mit dem sich so viele Erinnerungen und Erfahrungen verbinden,

verbleibt an diesem Standort in den MerianGärten. Das ist grandios und wäre ohne die Grosszügigkeit von Markus Raetz und ohne das Engagement von Martin Schwander und auch Bernhard Mendes Bürgi nicht möglich gewesen. Im Jahr der Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» war ich 19 Jahre alt und wollte Gärtner oder Förster werden. Da ich in Basel und Umgebung keine Lehrstelle fand,

— ANAMORPHOSEN SIND BILDER, DIE NUR UNTER EINEM BESTIMMTEN BLICKWINKEL ODER MIT EINEM SPEZIELLEN SPIEGEL ALS SOLCHE ERKENNBAR SIND. — entschied ich mich, die Matur zu machen und Kunstgeschichte zu studieren. Kunst und Natur, beide lassen mich seither nicht mehr los. Dass der «Kopf» von Markus Raetz so wunderschön Kunst und Natur vereint, freut mich ganz besonders. Simon Baur Simon Baur ist Kunsthistoriker und Publizist. Er schreibt für die bz Basel und die NZZ und organisierte 2013 mit Silvia Buol ein Projekt zum 100. Geburtstag von Meret Oppenheim. www.simonbaur.ch Performance von Silvio Buol & Co. bei der Übergabe der Schenkung (Bild: Kathrin Schulthess)


Informationstext, der gelesen oder angehört werden kann, und ist mit Bildquellen ausgestattet, die als Slideshow im Vollbildmodus angeschaut werden können.

BÂLEPH

EIN DIGITALER STREIFZUG DURCH BASELS JÜDISCHE GESCHICHTE Im August ergänzt ein neues Format die Produktereihe des Christoph Merian Verlags: Eine mobile App. «Bâleph – Ein Streifzug durch Basels jüdische Geschichte» ist ein Pilotprojekt zur zeitgemässen Geschichtsvermittlung, das auf Smartphone oder Tablet bedient werden kann. Warum eine App für die Vermittlung von Basler Kulturgeschichte? Gewohnheiten des Medienkonsums «Bring your own device!» Wen dieser Aufruf befremdet, der mag sich die Augen reiben: 69 Prozent der Schweizer – rund 4,3 Millionen – besitzen ein Smartphone und 40 Prozent ein Tablet. Es wird erwartet, dass die Quote der Smartphones weiter steigt, bis auf 75 Prozent. Eine App findet also eine günstige Ausgangslage vor, um ein breites Publikum zu erreichen. Sie ist jederzeit mit dem eigenen Gerät zugänglich und benutzbar. Doch dies allein garantiert natürlich noch keinen Erfolg.

Ob eine App tatsächlich Verwendung findet, hängt neben dem Inhalt massgeblich von ihrer Benutzerfreundlichkeit ab. Dabei ist die Berücksichtigung der heutigen Medienkonsumgewohnheiten entscheidend: die Möglichkeit, sich frei durch ein multimediales Angebot von Text, Ton und Bild zu bewegen. Besonders wichtig ist gutes und zahlreiches Bildmaterial zur Illustration der Inhalte. «Bâleph» beinhaltet dreizehn Stationen, die mehr als achthundert Jahre jüdisch-baslerische Geschichte erkunden lassen. Vom Startmenü gelangen die Benutzerinnen und Benutzer auf drei Wegen zu den Stationen: einerseits über eine Tour, entlang der man die Stationen in Basel ablaufen kann; andererseits über die Navigation mit einem Zeitstrahl, der die Stationen chronologisch aufzeigt; oder aber über einen Stadtplan, der die Stationen geografisch verortet. Via GPS kann der eigene Standort ermittelt und die nächstgelegene Station gefunden werden. Jede Station bietet einen

Virtueller Raum Ein multimedialer App-Stadtrundgang bildet eine erfrischende Alternative zu fest installierten Informationsträgern im öffentlichen Raum. Es stellt sich ohnehin die Frage nach neuen Formen von Erinnerung und Geschichtsvermittlung: Muss man Kulturgeschichte durch langfristig angelegte Denkmäler, Schilder oder Plaketten sichtbar machen? Werden Städte so nicht zu Museen, wo sich an jeder Ecke Bezüge zur Vergangenheit aufdrängen? Virtuelle Räume, die für einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit einem Thema bespielt werden, eröffnen dazu Alternativen. Digitale Medien bieten hier ganz neue Möglichkeiten. Ein Teil der jüdischen Geschichte in Basel lässt sich einfach verorten: etwa der Zionistenkongress von 1897 im Stadtcasino oder die Synagoge als sichtbares Zeichen jüdischen Lebens. An welchem geografischen Ort aber kann das Thema «Ostjuden» festgemacht werden? Oder die Basler Solidaritätsaktionen für Israel 1967? Bei der Konzeption der App war dies eine spannende Frage.

Herausforderungen Die Konzeption einer App birgt Herausforderungen: Die Häppchen-Mentalität: In der digitalen Welt haben wir eine Häppchen-Mentalität verinnerlicht: Beim «snacking» von Informationen zappen wir hin und her. Für die Umsetzung der App bedeutete dies, möglichst knackige Titel, Teaser und Texte zu verfassen. Ausserdem muss es möglich sein, während des Anhörens einer Audiodatei zu anderen Bereichen in der App zu navigieren, ohne dass dabei der Ton unterbrochen wird. Die Nutzerinteressen: Neue Apps erscheinen und verschwinden relativ rasch. Folglich muss «Bâleph» unterschiedliche Nutzerinteressen bedienen: als mobiler Begleiter beim Stadtrundgang oder als Portal für virtuelle Räume, die man von zu Hause aus besucht. Werden diese Erwartungen der Nutzerinnen nicht optimal erfüllt, droht rasch die bekannte Demokratie im Netz: Stimmt das Gesamtpaket nicht, wird die App nicht benutzt und mit einem Klick wieder gelöscht. Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen ist «Bâleph» einen Versuch wert. Die App ist eine komfortable Begleitung für interessierte Stadttouristen und eröffnet auch den Einwohnerinnen von Basel einen neuen Blick auf ihre Stadt. Zudem bietet «Bâleph» als App die Chance, gerade bei einem jüngeren Publikum das Interesse für Geschichte in Basel zu wecken. Isabel Schlerkmann Isabel Schlerkmann, Kulturmanagerin und Historikerin mit Schwerpunkt in jüdischer Geschichte, ist Projektleiterin der App «Bâleph».

VERNISSAGE: Dienstag, 26. August 2014, 19.30 Uhr im Unternehmen Mitte


A CONTRE-VENT

ZUSAMMENSPIEL VON SKULPTUR UND NATUR Als «zauberhaft» umschreibt der bekannte Schweizer Bildhauer René Küng (www.renekueng.ch) aus Schönenbuch die Landschaft am Wisenberg. Für die Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag wird sie zur grossen Bühne. Die Ausstellung «René Küng – Kunst und Natur. Eine lebenslange Beziehung» findet vom 17. August bis 12. Oktober 2014 auf dem Hofgut Mapprach (www.mapprach.ch) statt. Durch den Landschaftsgarten führt ein geschwungener Mergelweg, umfängt den Weiher, durchquert verschiedene Gartenräume und eröffnet unerwartete Ein- und Ausblicke auf die Skulpturen von René Küng. Weitere Arbeiten säumen den Weg durch die angrenzende Kulturlandschaft, bis hin zu einer Schirmhütte an schönster Aussichtslage auf den Tafeljura und den Schwarzwald. Der Besucher erlebt auf einem 45-minütigen Spaziergang ein unvergleichliches Zusammenspiel von Skulptur und Natur in einem über 260 Jahre gewachsenen Kulturdenkmal im oberen Baselbiet. René Küng interessiert sich sowohl für Pflanzen und Tiere als auch für die grossen Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde. Als intensiver Beobachter ist ihm die gesamte Natur Inspirationsquelle. Hier findet er seine vielfältigen Materialien. Er arbeitet nach inneren Visionen, bezieht aber die natürlichen Formen der Hölzer und Steine wie selbstverständlich mit ein. Viele Skulpturen evozieren Bewegung: Treppen, Leitern, Canti, Räder, Tore visualisieren die Dynamik des Hinauf, Entlang und Hindurch. Ein anderes grosses Thema ist das Element Wind. René Küng spricht vom «unsichtbaren Faktor», der viele seiner Skulpturen zum Klingen bringe und eine synästhetische Wahrnehmung möglich mache. a « A contre vent», Granit (Foto: Paul Schneller)

Der Künstler beschreitet seinen Weg – eigenwillig – und bleibt dabei ganz und gar Küng. Die 2012 entstandene Skulptur «A contre-vent» steht für diesen Künstlerweg und eröffnet gleichsam die Ausstellung im 1866 entstandenen Park. Zu diesem Anlass erscheint eine Publikation im Christoph Merian Verlag. Sie umfasst einen umfangreichen Bildteil, der die Ausstellung auf dem Hofgut Mapprach dokumentiert. Die Essays unterbrechen die nach Werkgruppen geordneten Bildstrecken und nähern sich auf kunsthistorischer und philosophischer Ebene Küngs Werk an. Ein historischer Einblick in den denkmalgeschützten Landschaftsgarten schliesst die Publikation ab. Daniela Settelen-Trees L’art à l’air – Kuratorin der Ausstellung

VERNISSAGE Hofgut Mapprach, Zeglingen / BL 17. August 2014, 11 Uhr — ORGELKONZERT Kirche Kilchberg / BL 14. September, 17.15 Uhr

Stephan Grieder spielt die vom Küng-Œuvre inspirierte Orgelsuite «Himmelsleiter» auf der spätromantischen Weigle-Orgel

— FINISSAGE Hofgut Mapprach, Zeglingen / BL 12. Oktober 2014, 11 Uhr — ÖFFNUNGSZEITEN Sa/So, 11 – 18 Uhr und nach Vereinbarung — FÜHRUNGEN

Parallel zur Ausstellung können öffentliche Führungen bei Basel Tourismus unter Telefon 061 268 68 68 oder info@basel.com, private Führungen unter kultur@mapprach.ch gebucht werden.


EIN HAUSGEWORDENER TRAUM

Das Cartoonmuseum Basel ist ein Raum, der Doppelte zu erweitern. Es entstand, von der seine Existenz dem Traum – und den Mög- Strasse aus nicht sichtbar, ein zurückversetzter lichkeiten, diesen wahrzumachen – des Bas- dreigeschossiger Ausstellungsneubau aus Belers Dieter Burckhardt verdankt, der in seiner ton und unterschiedlichen transparenten und Freizeit beharrlich eine spiegelnden Glasarten, der Kunstform sammelte, die über eine Passerelle an den zu seiner Zeit noch nicht Altbau angeschlossen ist. ganz so ernst genommen Die durch den rückseitiwurde wie heute. Von gen Anbau gewonnenen der Idee befeuert, seine zusätzlichen Räume ste«Sammlung Karikaturen hen in einem reizvollen und Cartoons» der Öffentzeitgenössischen Kontlichkeit in einem grosszürast zu den historischen gigeren Rahmen zu zeigen Zimmern im alten Vorals im Kabinett an der St. derhaus. Leider erlebte Alban-Vorstadt 9, das seit Dieter Burckhardt die knapp fünfzehn Jahren Eröffnung des Museums eine bescheidene Ausstelim Jahr 1996 nicht mehr; lungstätigkeit ermöglicht er verstarb 1991. Sein durch hatte, suchte er deshalb ihn und die Christoph MeEnde der 1980er-Jahre rian Stiftung finanzierter, nach einem geeigneten Raum gewordener Traum Ort. Mithilfe der benachkonnte aber dank der barten Christoph Merian umsichtigen und vorausStiftung, die schon damals schauenden Planung aller seine unselbstständige StifBeteiligten einen stetig tung betreute, konnte mit wachsenden Zustrom an der Liegenschaft an der Publikum, mehrere inhaltliche Erweiterungen des St. Alban-Vorstadt 28 ein Viel Schwarz, wie der Schabkarton selbst, Ausstellungskonzepts und zentral gelegenes Haus aus dem die Bilder mit einem Messer gekratzt werden. «Kontrastprogramm. Die inzwischen gegen zwanzig gefunden werden, in das Kunst des Schabkartons», 2010 die Sammlung nach einem Jahre Ausstellungstätigkeit Das Wohnzimmer der Comic figur «Eva» Umbau einziehen sollte. von Jaermann/Schaad, Ausstellungsdesign, aufnehmen. Das ehemalige, in seinen 2011 Ursprüngen spätgotische Wandel möglich gemacht «Im Paradies», Ausstellungsinszenierung, «Ralf König, Gottes Werk und Königs Dieter Burckhardt, der sich Wohnhaus war jedoch Beitrag», 2011 vor allem für Cartoons klein und in schlechtem Zustand; schliesslich wurde das Architektur- interessierte, hat zwar vieles vorausgedacht büro Herzog & de Meuron mit der aus denk- und ermöglicht, aber den Siegeszug des dem malpflegerischen Gründen äusserst anspruchs- Cartoon (Einzelbild) eng verwandten Comics vollen Aufgabe betraut, die Fläche auf über das (sequenzielle Kunst) hat er, der dieser Form

der Bildgeschichte eher kritisch gegenüberstand, wohl nicht vorausgeahnt. Der Comic hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten so viele Möglichkeiten der differenzierten Darstellung anspruchsvoller Inhalte erarbeitet, dass das Cartoonmuseum inzwischen neben dem Cartoon auch dieser Spielart der satirischen Kunst sowie dem ebenfalls hochinteressanten Animationsfilm ein vertieftes Interesse entgegenbringt.

— DER AUSSTELLUNGSRAUM […] DARF SICH KOMPLETT VERÄNDERN UND ÜBERFORMT WERDEN, KANN ALS TEIL EINER INSZENIERUNG IN ERSCHEINUNG TRETEN. — Auch die Vorstellungen darüber, wie Ausstellungen funktionieren und wie ein Ausstellungsraum auszusehen hat, haben sich seit der Eröffnung des Museums enorm gewandelt. Heute werden Dauerausstellungen mit Wechselausstellungen ergänzt, um für das Publikum immer wieder neue Aspekte oder Themen aufzubereiten. Dazu hat die Idee der Vermittlung, also der begleitete Dialog zwischen Ausstellungsinhalten und Publikum, enorm an Bedeutung gewonnen. Der Ausstellungsraum ist nicht mehr unbedingt ein White Cube, eine neutrale Hülle, in der das Ausgestellte wirken soll, sondern darf sich komplett verändern und überformt werden, kann als Teil einer Inszenierung in Erscheinung treten. Künstler beziehen den Raum bewusst in ihre künstlerische Auseinandersetzung ein, der Raum wird zum Material.

Ausstellungen wird mit szenografischen Mitteln ein eigenes, möglichst unverwechselbares Design gegeben, das die Inhalte verkörpert und verstärkt und das Museum nebenbei zu einem Ort macht, der sich ständig neu und überraschend erfindet. Auch, und damit zusammenhängend, arbeiten Museen heute mit einem immer grösseren technischen Aufwand, der so nicht vorauszusehen war, und installieren beispielsweise temporäre Kinos. Das sind Entwicklungen, die Dieter Burckhardt, der seinen Ausstellungsraum noch als einfaches Kabinett verstand, das sich zur Hauptsache aus seiner riesigen Sammlung bedient, für sein Haus nicht vorgesehen hatte, die aber dank den ebenso gross gedachten wie verwirklichten Räumen Widerhall finden können. Heute stehen diese Räume und die Chance, darin originale Zeichnungen und ihre subtilen Feinheiten, Korrekturen und Überarbeitungen zu entdecken, in einem wertvollen Kontrast zu anderen, vor allem digitalen Medien, denen das Moment des Originals fehlt. Weiterträumen Sogar dieser wandelbare Raum stösst aber heute manchmal an Grenzen, und neue Träume beleben die Köpfe der Verantwortlichen. So fehlt zum Beispiel ein Lift zur optimalen Erschliessung des auch bei älteren Menschen sehr beliebten Museums. Und obwohl Dieter Burckhardts Traum von einem öffentlichen Museum heute Realität geworden ist, harrt seine visionäre Idee eines nationalen Zentrums für satirische Kunst (Sammlung, Forschung und Vermittlung) weiter ihrer Verwirklichung. Auch um diesen kühnen Traum wahr werden zu lassen, wird es viel – wohl eher nationale als lokale – Anstrengung und Koordination brauchen. Das Cartoonmuseum träumt also weiter und freut sich über alle, die mit ihm in die Zukunft denken mögen. Anette Gehrig


SCHWERPUNKT

RÄUME UND TRÄUME Die Arbeit der Christoph Merian Stiftung ist seit jeher dem Raum Basel verpflichtet, so will es das Testament des Stifters, und er selbst hat deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen, dafür im Folgenden drei Beispiele. Erstens die neugotische Elisabethenkirche, sein protestantisches Bollwerk gegen den «Ungeist der Zeit». Sie wurde genau auf der Hälfte des Wegs vom Bahnhof zum Münster errichtet, als wollte sie sich symbolisch der Industrialisierung und den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel im 19. Jahrhundert zu Wachstum und Wohlstand verhalfen, in den Weg stellen, um sie an bürgerliche und geistig-kulturelle Werte zu erinnern. Das Erbe des Stifters ist ebenso im Wandel wie sein städtischer Kontext, das zeigt das zweite Beispiel: die Brüglinger Ebene. Hier stand noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 sein Hofgut inmitten von Feldern. Heute betritt man die Gärten vom Parkplatz der St. JakobHalle her, im Westen ragen die Hochhäuser des Freilagers Dreispitz in die Höhe und im Osten wird noch am FCB-Campus gebaut. Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, sind die Merian-Gärten heute eine grüne Oase, ein (not so) Central Park und umso wertvoller für die Bewohner der Stadt. Seit Merians Zeiten hat sich vieles verändert. In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg in der ersten Phase der Stadterweiterung die Zahl der bewohnten Häuser von 2900 auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des Landes vor den Toren der Stadt anschaulich: steinige Felder, wo die Wölfe jaulten. Auf dem

Dreispitz – dem dritten Beispiel – hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfachen Materiallagerplatz entwickelte er sich zum viel genutzten Gewerbeareal, und heute mischen sich Wohnen, Schule und Kultur im werdenden Stadtquartier. Drei Beispiele für Räume der Stiftung, die für zentrale Herausforderungen stehen. Wie interpretiert eine Stiftung, die in der Gegenwart agieren will, den Wertekosmos des Stifters? Wie bewahrt sie gegen den steigenden Nutzungsdruck und die Bodenpreisentwicklung die natürlichen Lebens- und Erholungsräume, zugunsten unserer Lebensqualität? Und wie sieht eine nachhaltige Entwicklung des Dreispitzareals aus, von der noch viele Generationen profitieren können? Schliesslich ist der Dreispitz eine wichtige Ertragsquelle der Stiftung. Hier kommt das Geld her, welches unter anderem in die Kulturförderung fliesst. Die Stiftung ist also selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel manchmal Möglichkeiten eröffnet, oft aber auch Akteure der Kultur frustriert. Die Christoph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstellungsräumen entsprechen, und die dauerhafte Realisierung manch guter Idee scheitert am steigenden Preis und der sinkenden Verfügbarkeit von Raum. Auch in der Stadt verändern sich unternutzte oder vom Strukturwandel betroffene Räume. So verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel und es folgten jahrzehntelange Zwischennutzungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

Künstler die Kaserne. Rund dreissig Ateliers bewilligte der Vorsteher des Polizei- und Militärdepartements innert kürzester Frist und ohne grosse administrative Umtriebe. Der Raum war da, ungenutzt und billig, die Gelegenheit wurde erkannt. Das ist inspirierend: Manchmal ist ein Raum vorhanden, und gerade wir als Stiftung können im konkreten Einzelfall unbürokratisch Hand zu einer Realisierung bieten – wenn eine Innovation uns überzeugt und unsere Investition in einem guten Verhältnis zum Outcome steht. Und wenn daraus ein Geschäftsmodell für die Betreiber entsteht, umso besser. Damit meine ich, dass Kultur nur dann nachhaltig finanziert ist, wenn kulturelle Akteure die Wertschätzung ihrer Mitmenschen sowohl in neue Leistungen als auch in ihren Lebensunterhalt ummünzen können. Dann steht Kultur auf starken Beinen mitten im Leben. Aber allzu oft geraten kulturelle Akteure unter die Räder einer Entwicklung, und betroffene Künstler nehmen dies als Zeichen der mangelnden Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Aufgabe wahr. Auch die Christoph Merian Stiftung vermietet subventionierte Ateliers, auf dem Dreispitz. Ich bin überzeugt, dass eine Beschränkung der Mietdauer sinnvoll ist, weil die Subvention auf einer Momentaufnahme des räumlichen und sozialen Kontextes beruht und auch wieder hinterfragt werden muss. Wir wollen heute, dass über die Jahre viele Künstler davon profitieren, dass sie zu günstigen Konditionen in dieser Umgebung arbeiten können. Für das Problem, dass die ökonomische Wertschöp-

fung im Kunstschaffen oft zu tief ist, um davon leben und arbeiten zu können (geschweige denn in attraktiven städtischen Lagen), haben wir keine Lösung. Das Diktum des Kulturökonomen Tibor Scitovsky: «What’s Wrong with the Arts is What’s Wrong with Society» trifft zwar das Problem, macht mich aber auch ein Stück weit ratlos. Hierin liegt sicher die grosse gesellschaftliche Aufgabe der Kulturförderung unserer Generation. In dieser Ausgabe von «Shortcut» widmen wir uns den Kulturen des Raums. «Shortcut» holt Sie am Münsterplatz ab und entführt Sie in den «Wilden Westen», mit einem Abstecher zu den Freiräumen im Elsass. Sie entdecken die Spuren jüdischer Geschichte in der Stadt Basel, durchstreifen ihre Architekturen und kommen darüber ins Philosophieren und Träumen. A propos: Indien ist zweifellos ein Land der Träume. Birgit Kempker schreibt: «Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung.» Diesen Satz kann man leicht umkehren: Jede Beheimatung ist im Wesentlichen ein Erkanntwerden. Darum investieren wir in Kultur als eine Arbeit des Erkennens, Erkanntwerdens und Wertschätzens. Christoph Meneghetti


«Wilden Westen»: «The Great Trainrobbery» von Edwin S. Porter. Sein Erfolg stellte die Weichen für das Genre, und der Western entwickelte sich zu einer führenden Gattung des Films. Obwohl die populären Kulturformen – Film, Comic, Radiohörspiel und Pulp-Roman – sich gewöhnlich gegenseitig, schnell und fliessend beeinflussten, blieb der Western den amerikanischen Comics bis in die 1930er-Jahre hinein eher fremd. Trotzdem entstanden Comics, die sich neben der Darstellung eindrücklicher Landschaften durch eine differenzierte Darstellung des indianischen Alltags auszeichneten. Die Zeichner George Herriman («Krazy Kat»), James Swinnerton («Little Jimmy») oder Frank King («Gasoline Alley») gehörten in den 1920er-Jahren zu den ersten Reisenden durch die Landschaft zwischen Grand Canyon und Monument Valley. Fasziniert zollten sie dieser Erfahrung in ihren Comics Tribut: Entdeckungsreisen, die damals nicht selten nur zu Pferd zu bewältigen waren. Herrimans «Krazy Kat» gilt vielen bis heute als der komplexeste und intellektuellste Comic, der jemals gezeichnet wurde. Die unendliche Variation einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Katze, einer Maus und einem Hund nimmt das

GOING WEST DER BLICK DES COMICS GEN WESTEN Der amerikanische Traum, also der Glaube daran, dass alle ihre Ziele erreichen können, wenn sie sich nur genügend anstrengen, wird genährt von den Hoffnungen, den Träumen und in einigen Fällen wohl auch den tatsächlichen Biografien der Millionen von Einwanderern, die sich gen Westen aufmachten. Sie suchten den in vielerlei Hinsicht offenen nordamerikanischen Raum, um der Armut und Perspektivlosigkeit ihres «alten» Lebens in Europa oder in den Städten der amerika-

nischen Ostküste zu entkommen. Der Traum dieser Abenteurer, Siedler, Gold- und Arbeitssucher war der Albtraum der indianischen Ureinwohner, die entrechtet und verdrängt wurden. Das Cartoonmuseum Basel zeigt in seiner neuen Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», wie diese Eroberung und ihre Konsequenzen im Comic verarbeitet und bewertet wurden und werden. Über hundert Jahre Comicgeschichte mit Klassikern wie «Lucky Luke» von Morris, «Tim

in Amerika» von Hergé oder «Leutnant Blueberry» von Jean Giraud zeigen den Wandel in der Wahrnehmung der Landnahme des amerikanischen Westens und erlauben gleichzeitig einen faszinierenden Blick auf die Evolution der Zeichnungstechniken und Stile. Ein Ausstellungsteil fokussiert auf den renommierten Schweizer Zeichner Derib («Yakari»), der sich in seinem umfangreichen Werk differenziert mit der Natur Nordamerikas und dem Aufeinandertreffen von Indianern und Einwanderern auseinandersetzt. George Herriman und die frühen Amerikaner Der erste dramaturgisch inszenierte Film der Geschichte entstand 1903 und spielte im

absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg und entspricht dem surrealen Geist der DadaBewegung. Formal spielt Herriman virtuos mit der Komposition seiner Seiten, Raum und Zeit ausser Kraft setzend. Hintergründe und Requisiten wechseln von Bild zu Bild, genauso beliebig wie Tag und Nacht. Herrimans Zei-


chenfeder ist frei und darf das auch zeigen. Dabei wird gerne übersehen, dass die traumartige Wüstenlandschaft im Hintergrund sehr real ist und Herriman auch keine Anstalten macht, das zu verbergen. Er benennt die tatsächlichen Regierungsbezirke Arizonas (Coconino County und Navajo County) und stellt die schönsten Felsformationen der Region wiedererkennbar dar: von der «Enchanted Mesa» in New Mexico über die «Rainbow Bridge» in Utah bis zu den «Elephant Feet» in Arizona. Die Schattenseiten des amerikanischen Traums Auch die frühen belgischen Comicautoren entdeckten den Westen der USA ab den späten 1920er-Jahren für sich, zunächst als Sehnsuchtsraum für abenteuerliche Reisen, dann zunehmend sensibilisiert auch für die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Wegmarke sollte 1931 Hergés zweites «Tim und Struppi»-Album werden: «Tim und Struppi in Amerika». Insbesondere eine Sequenz, die der Vertreibung der Indianer gewidmet ist, setzte erste kritische Akzente, die in der amerikanischen Populärkultur bis in die 1960er-Jahre hinein völlig undenkbar waren. 1948 kam es dann zu einer legendären Amerikareise der belgischen Comickünstler Jijé, André Franquin und Morris. Weniger bei Franquin («Spirou», «Gaston»), der bereits 1949 heimkehrte, als bei Jijé (Rückkehr nach Belgien 1950) und insbesondere bei Morris (Rückkehr erst 1955) hinterliess der Aufenthalt nachhaltige Spuren: Jijé schickte fortan seinen Cowboy Jerry Spring ins Rennen um die Gunst der europäischen Leser, während Morris Lucky Luke zu neuen humoristischen Höhen führte. Ohne die frühe Infiltration des französischsprachigen Kulturkreises, z.B. mit «Jerry Spring», wären eigenständige, reife Spätwestern wie Hermanns «Comanche» oder Jean Girauds «Leutnant Blueberry» nicht möglich gewesen. Der Comic und mit ihm seine Leserschaft wurden erwachsen, was sich nicht

zuletzt auch in den schwarzhumorigen Parodien des Magazins «MAD» widerspiegelte. Heute beweist eine junge Generation von Zeichnern mit ganz eigenen Interpretationen, dass der Western auch im frühen 21. Jahrhundert weiter Stoff für Geschichten bietet. Im wilden Westen der Schweiz Der Westschweizer Derib (bürgerlich Claude de Ribaupierre, *1944 in La Tour-de-Peilz, Waadt) hat unzählige, der Menschlichkeit und der Liebe zur Natur verpflichtete Comics geschaffen, die bekanntesten sind die Kinderserie «Yakari» und seine 20-bändige Saga «Buddy Longway» um das Leben des mit einer Indianerin verheirateten gleichnamigen Trappers. Derib zeichnet für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene, sein Stil reicht von humorvoll stilisiert über perfekt naturalistisch bis zu malerisch. Auf Aberhunderten von Comicseiten hat Derib die nordamerikanische Natur gefeiert, sie minutiös und in allen Facetten dargestellt, sich einfühlsam indianischen Riten gewidmet und die harte Realität der Trapper beschrieben – alles, ohne je einen Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt zu haben. In diesem Punkt ähnelt er einem anderen, noch viel berühmteren Westernautor: Karl May, der zwar die eine oder andere (ernüchternde) Reise in den Orient und die USA unternahm, aber seine Aben-

teuerromane zur Hauptsache davor schuf und auf Gehörtem, Gelesenem und Erfundenem aufbaute. Wenn sich auch die Ziele und das Wesen der Arbeit der beiden Künstler nicht direkt vergleichen lassen, haben es doch beide vorgezogen, sich von inneren Bildern und eigenen Erfahrungen leiten zu lassen und sich der Begegnung mit dem Gegenstand ihrer Erzählungen bewusst nicht auszusetzen. Während es bei einem Science-Fiction-Roman selbstverständlich erscheint, dass der Schauplatz nicht besichtigt werden kann, erstaunt es, dass Derib zum Beispiel für seine Comicserie «Red Road», die sich auf berührende Weise mit der Lebensrealität heutiger Indianer in den Reservaten auseinandersetzt, die Gelegenheit zur Begegnung mit ebendiesen Indianern und ihren Orten nicht gesucht hat. Hier muss man sich – auch wenn die Bildhaftigkeit des Comics einen dies manchmal vergessen lässt – vor Augen halten, dass Derib wie viele andere Comiczeichner in erster Linie eine Fiktion erschafft und keinen dokumentarischen Anspruch hegt. Und dass seine Geschichten sich zwar durchaus überzeugend an überlieferten Realitäten orientieren, er aber an einem Amerika als Traum und Vorstellung festhält. Anette Gehrig GOING WEST. Der Blick des Comics gen Westen 4.7. – 2.11.2014 Weitere Informationen: www.cartoonmuseum.ch 1 P aul Hornschemeier, «Vanderbilt Millions», 2005 Tusche auf Papier, Detail, Privatsammlung 2 Morris, «Lucky Luke», (seit 1946) © Lucky Comics 3 G eorge Herriman (1880 – 1944), Panel der Krazy-KatSonntagsseite vom 27. März 1938. Die «ElephantFeet»-Felsen in Tonalea, Arizona, sind ein oft wiederkehrendes Motiv in der Landschaft von Herrimans Coconino County. 4 D ie «Elephant-Feet», Tonalea, Arizona, Postkarte, 1930er-Jahre 5 D erib, «Go West», 1966, Detail © Le Lombard, Brüssel

BEGLEITVERANSTALTUNGEN — SONNTAGSFÜHRUNGEN 10.8., 24.8., 7.9., 21.9., 12.10, 2.11.2014, 14 Uhr — BUCHVERNISSAGE UND FÜHRUNG «GOING WEST!» Reich bebildert und mit zahlreichen vertiefenden Texten präsentiert sich die Publikation zur Ausstellung. Führung mit Autor und Kunsthistoriker Dr. Alexander Braun, Bonn (D). Anschliessend Apéro.

Sonntag, 24.8.2014, 14 Uhr — MITTWOCH-MATINEE HOW THE WEST WAS WON Anette Gehrig im Gespräch mit der Ethnologin Heidi Loeb, Leiterin NONAM (Nordamerika Native Museum), Zürich, zu Träumen und Albträumen im «Wilden Westen».

Mittwoch, 27.8.2014, 10 – 12 Uhr — DERIB SIGNIERT Der Schweizer Comiczeichner Derib («Yakari», «Buddy Longway», «Tu seras reine» usw.) besucht seine eigene Ausstellung und signiert im Cartoonforum.

Sonntag, 26.10.2014, 14 – 17 Uhr — TATONKA DER BISON, AMIK DER BIBER UND PAHIN DAS STACHELSCHWEIN Werde selbst zum Geschichtenerzähler, zeichne eine Figur aus der indianischen Mythologie und lasse sie in einem Trickfilm lebendig werden. Workshop zu einfacher Stop-Motion-Technik mit der Künstlerin Julia Tabakhova. (Ab 10 Jahren)

Mittwoch, 30.7., 13.8.2014, 14 – 17 Uhr — DU UND DEIN TIER Viele Indianer hatten ihr persönliches Totemtier. Im Workshop mit der Künstlerin Julia Tabakhova suchst und findest du ein Tier, das zu dir passt, und bringst ihm in einem Daumenkino einen kleinen Tanz bei. (Ab 7 Jahren)

Sonntag, 14.9.2014, 14 – 16 Uhr —


TRAUM IST LEBEN, LEBEN IST TRAUM In seinem genialen Roman ‹Espèces d’espaces› schreibt Georges Perec: «Es gibt eine ganze Menge kleiner Raumzipfel, einer dieser Raumzipfel ist ein Untergrundbahnschacht, ein anderer eine Parkanlage, ein anderer, von ursprünglich bescheidener Grösse, hat kolossale Ausmasse angenommen und ist zu Paris geworden, während ein benachbarter, der zu Anfang nicht weniger Talent besass, sich begnügt hat, Pontoise zu bleiben.» Wäre Perec Schweizer, hätte er Zürich und Zollikon genannt. Räume wachsen, langsam oder schnell, dehnen sich aus, vermehren sich. Was ist ein Raum? Ein Zimmer, eine Treppe, ein Haus. Dann die Strasse, der Platz, die Stadt. Jenseits der Stadt das Land und der Raum, an dem man sich selten, aber gern aufhält: das Wochenendhaus. Für Perec beginnt Raum, wie könnte es anders sein, mit dem unbeschriebenen Blatt. Es wird gefüllt und beginnt zu leben. Auch ein Bett ist Raum, umgeben von weiteren, verbunden und getrennt durch Türen und Wände, die ebenfalls Raum sind. «Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, unantastbare, unberührte und fast unberührbare Räume gibt ... aber solche Orte gibt es nicht. Und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, Gewissheit zu sein ... Der Raum ist Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen…» ‹Träume von Räumen› heisst das Werk auf Deutsch, lange war es vergriffen, jetzt ist es endlich wieder lieferbar. Die Berner Hochschule der Künste veranstaltet im November ein Seminar zum Thema. Ausgehend von Perecs Text werden Albert Camus’ algerische Wüstenimpressionen, Matthew Barneys ‹Cremaster Circles› und Ridley Scotts ‹Blade Runner› untersucht, auch Anna Viebrock und die ‹Anarchitectures› von

Gordon Matta Clark liegen an der Route – Träume von Räumen. ‹Das Leben ist Traum› hiess 1987 eine grossartige Inszenierung des späteren Basler Kulturpreisträgers Hans-Dieter Jendreyko. Die Aufführung von Calderóns Theaterklassiker fand im feingliedrigen Gewächshaus der Alten Stadtgärtnerei statt. Zwei Sommer wurde das brachliegende Gelände von Kreativen als visionärer Raum bespielt, dann musste es einem Grünpark weichen. Michael Koechlin, späterer Leiter des Kulturressorts, hat das herbe Erwachen aus dem Traum dokumentiert. Hinter Projekten stehen Visionen, hinter grossen stehen grosse: Neuordnung der Kleinbas-

ler Häfen. Umwandlung eines Fabrikgeländes in einen Forschungscampus. Transformation eines Gewerbeareals in einen neuen Stadtteil. Alle lösen heftige sie Reaktionen aus, von Überschwang bis zu schroffer Ablehnung. Erstaunlich ist das nicht. Weil Traum und Vision den Ist-Zustand verändern, lösen sie neben Hoffnung Angst aus. Will ich den IstZustand festschreiben (weil er tradiert ist, oder schön, oder bequem), bleibt die Entwicklung stecken, setze ich auf Bewegung, wird das Terrain gefährlich. Dass Stadtviertel neu gebaut werden, ist keine Errungenschaft der Gegenwart. Innerhalb von zwanzig Jahren entstand um 1900 das Gundeldinger Quartier. Wo grüne Wiese war, mit kleinen Strässchen, Obstbaumanlagen, Rebgärten und vier Schlössern, wuchs ein modernes Stadtviertel heran. Heute sind fast alle Freiflächen Basels verschwunden, die Erlenmatt wird überbaut, die Stückfärberei

hat ihren Umbau hinter sich, der Novartis Campus wächst, der Rheinhafen St. Johann ist stillgelegt. Und mehrere visionäre Stadtbauprojekte bewegen die Gemüter, darunter die Transformation des Dreispitzareals und die Neuordnung der Basler Häfen, auch ‹Basel Nord› genannt – Entwicklungen, aus denen neue Stadtteile entstehen. In den Diskussionen stehen rationale Argumente weniger rationalen gegenüber. Da ist von Betonvisionen und Betonwüsten die Rede, im Gegenzug wird Wirtschaftsfeindlichkeit beklagt. Die grundlegenden Bedingungen sind jedoch historisch gewachsen: Basel-Stadt, Hamburg und andere Stadtstaaten teilen sich dasselbe Schicksal, sie verfügen über begrenzten Raum. Die Kantonsteilung von 1833 hat Nachteile geschaffen, und es dürfte dauern, bis sie (wenn überhaupt) revidiert werden kann. Berlin und Brandenburg wollten sich Ende der 1990er wiedervereinigen, ein Staatsvertrag war geschlossen, die Parlamente hatten zugestimmt, die Stadtbevölkerung ebenfalls – die Brandenburger weigerten sich. Nun bleibt alles beim Alten und man versucht, ein paar Institutionen zu fusionieren. Anders im Schwabenländle: Die in einen Talkessel eingezwängte Landeshauptstadt kann es sich leisten, eine Messe direkt neben dem Flughafen zu bauen, zehn Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, mit der S-Bahn bequem zu erreichen. Hier oben auf der Filderebene hat man kurze Wege vom Cargo-Terminal zu den Ausstellungsflächen, vom Personenterminal in die Hotels. Des einen Vorteil ist des anderen Last: Dorfbewohner und Landwirte mussten Konzessionen machen, von denen die Stadtrandbewohner profitieren, denn der Verkehr, der sich zuvor durch die Wohnquartiere um den Killesberg quälte, bleibt draussen. Die alte Messe ist zurückgebaut, Parkhäuser sind abgerissen, und in einer der besten Wohnlagen entsteht ein Stadtviertel mit Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Freiflächen. Basel kann das nicht. Der Flughafen liegt im Ausland, ein


Auslagern der Messe müsste ins Ausland erfolgen oder zumindest in den Nachbarkanton. Sorglos in die Höhe wachsen, wie Hongkong oder Singapur, kann Basel auch nicht, die kulturellen Prägungen dort sind andere als hier, der Bürgerwille hier ist anders als dort. Oft werden dann lokale Bauphilosophien in die Waagschale geworfen, als handle es sich um Fakten wie die Gravitation, die keinem Wandel unterliegen. Wollte man im Fall von Basel so argumentieren, müsste man die Niederlegung der Stadtmauern als Fehler bewerten, ebenso den Bau der Eisenbahn, für den wertvolles Kulturland zerstört wurde. Aber auch kleinere Projekte – ein filigraner Fussgängersteg, die Verlängerung von Tramschienen – haben es schwer, weil sie liebgewonnene Perspektiven irritieren oder zu teuer erscheinen. Was tun? In erster Linie: Visionen nicht zuschütten, bevor sie ausformuliert sind. Visionen sind keine Bauanleitungen, sondern Skizzen, Gedanken. Ein Brainstorming, bei dem Ideen kommentiert werden, ist kein Brainstorming mehr. Bevor die Idee gewachsen ist, trägt sie schon ein Korsett, dann kann man nur noch am Korsett schneidern. Und: den Blick aufs Ganze wahren, statt Prinzipien verteidigen. Flexibel denken. Architektur, Bauen und Stadtplanung stehen im Zentrum unseres Architekturprogramms. Die Bücher vermitteln Kenntnisse, sie präsentieren die unterschiedlichsten Sichtweisen. Ziel ist die Leserkompetenz, nicht die Parteinahme. Und so spiegeln sie ebenso Wertschätzung für Gewachsenes wie Faszination am Neuen. Da stehen Bücher über die Bauten des Fin de Siècle, als die Stadt aufgebrochen wurde, um ihr Bevölkerungswachstum zu beherrschen, neben Publikationen über die Neue Architektur am Oberrhein oder die Stadtplanung im Grossraum Genf. Zwei Autorinnen untersuchen das Bauen zwischen den Kriegen, eine Autorengruppe beschreibt den Wandel der Architektur, der sich aus dem Wandel der Warenpräsentation ergeben hat,

Treppe im Bau von Lampugnani

(Foto: Paola da Pietri)

und einer wagt den Feuergang zur Kaserne und blendet auch die heiklen Baufantasien nicht aus. Der Neubau des Kunstmuseums in den 1930er-Jahren, einst angefeindet wie der heutige Erweiterungsbau, wird ebenso dokumentiert wie der Bau der innovativen Geburtsklinik im Klinikum 1. Ein Nutzerbuch stellt Neu- und Umbauten vor, die zeigen, woran Haus- und Wohnungsbesitzer denken sollten, wenn sie mit Blick auf das (eigene) Alter bauen. Und seit sieben Jahren gehen wir Hand in Hand mit dem Schweizerischen Architekturmuseum und haben eine Publikationsreihe aus der Taufe gehoben, die herausragende internationale Architektur zeigt, vom fast vergessenen Pancho Guedes über Bauen auf dem Balkan und Bühnenbilder von Anna Viebrock bis zu Aussichtsplattformen oder der Fotografie von Architektur. In Vorbereitung ist die Neuauflage des Architekturführers,

ein Verlegertraum, der einer internationalen Leserschaft neben der Basler Stadtgeschichte auch die Neu- und Umbauten der letzten zwanzig Jahre präsentiert. Zwei wichtige Projekte haben unser Verlagsprogramm seit Längerem begleitet und werden es weiterhin begleiten: der Aufbau des Novartis Campus und die Transformation des Dreispitzareals. Unterschiedlicher können Projekte kaum sein: dort ein Fabrikationsgelände, das einem modernen Wissenschafts- und Forschungszentrum weicht, hier ein Gewerbeareal, das bei laufendem Betrieb in einen neuen Stadtteil mit Wohnen, Kultur, Wissenschaft und Gewerbe transformiert wird. Dabei kommen oft ähnliche Polaritäten zum Ausdruck: auslagern oder verdichten? Flach oder hoch? Die einen befürworten Verdichtung, möglichst nahe am Stadtkern (was ein Höherbauen zur Folge hat), andere plä-

dieren dafür, Grossbauten wie Spitäler in die Peripherie zu legen. Bei der ersten Lösung ist der Widerstand der Hochhausgegner vorprogrammiert, bei der zweiten ökonomisch-ökologisch-logistische Widerstände. Doch muss man polarisierend denken? Eigentlich nicht. Man muss nur darüber nachdenken dürfen, ob Verdichtung, Grossbauten eingeschlossen, dem Stadtbild schaden und wenn ja, von welchem Stadtbild die Rede ist. Die Kontroverse ‹Turm versus Flachbau› ist ja nichts Neues: Bei der Planung für das Klinikum 2 erarbeitete eine Architektengemeinschaft zwei Varianten: Variante ‹nieder› und Variante ‹hoch›. Weshalb die Variante ‹Hochhaus› weiterbearbeitet wurde, geht aus dem Bericht der Baukommission von 1961 hervor: «Betrachtet man das Stadtbild aus weiterer Distanz, etwa von der Terrasse des Wenkenhofes, der Margarethenkirche oder der Anhöhe über dem Thiersteinerrain, so zeigt sich, dass die bereits bestehenden Hochhäuser das ganze Stadtbild ungleich stärker beeinflussen und das Bettenhaus 2 des Bürgerspitals die Silhouette des Stadtkerns oder gar des Münsters in keiner Weise beeinträchtigt.» Treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Architektur ist immer auch eine Frage der Perspektive. Deren Vielfalt zu zeigen, einer urbanen Leserschaft kompetente Information zugänglich zu machen, hat sich der Christoph Merian Verlag zur Aufgabe gemacht. Dazu braucht es beides, hochfliegende Träume und bodenständige Konzepte, Meinungsvielfalt und unverrückbare Standpunkte, Aufbruch und Besonnenheit, Vision und Kalkulation. Aus all dem entsteht ein spannendes Programm. Zum Genuss von Leserinnen und Lesern. Claus Donau


sind jedoch von einer starken Normierung geprägt – das Betreten des Rasens, die Nutzung der Gehsteige, die Gebührenregelung auf Allmendplätzen, der Bussgeldkatalog der Polizei. All diese Regelungen ermöglichen uns ein zivilisiertes Zusammenleben oder ein anständiges Aneinander-vorbei-Gehen. Ein echter Freiraum ist hingegen ein Ort, der keiner bestimmten Nutzung gewidmet ist Dieund Arbeit eben derdarum Christoph einen Merian Frei- Stiftung respektive ist Möglichkeitsraum seit jeher dem Raumdarstellt. Basel verpflichtet, In diesem so Sinne will es dasauch Testament und er selbstzum hat sind einige des der Stifters, Impulsnutzungen, deutliche in der keine Stadt Freiräume hinterlassen, Beispiel amSpuren Klybeckquai, im engeren dafür im Folgenden Sinne, sondern drei Beispiele. im Gegenteil Erstensganz die neugotische sein protestanklar an einenElisabethenkirche, Zweck und eine bestimmte Pertisches Bollwerk gegen denDie «Ungeist der Zeit». sonengruppe gebunden. Freiraumund Sie wurde genau aufist dernicht Hälfte dessie Wegs Werkraum-Debatte neu, fandvom beBahnhof zum Münster errichtet, alsZwischenwollte sie reits in den 1980er-Jahren mit der nutzung sich symbolisch der Alten derStadtgärtnerei Industrialisierung (ASG)und auf den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel dem Gelände des heutigen St. Johanns-Parks im Basel 19. Jahrhundert zu Wachstum Wohlin eine prominente Form. und Zu dieser beispielhaften stand verhalfen, Freiraumnutzung in den Weg stellen, gesellen umsich sie an bürgerliche geistig-kulturelle Werte weitere Um- undund Zwischennutzungsprojekte, zu erinnern. etwa das Autonome Jugend-Zentrum (AJZ), der Das Erbe Werk-desund Stifters Kulturraum ist ebenso Schlotterbeck, im Wandel wie seinVilla städtischer Kontext, dasNT-Areal, zeigt dasum zweite die Rosenau oder das nur Beispiel: Brüglinger Hier stand einige zudie nennen, welcheEbene. mittlerweile alle noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 verschwunden sind. Andere Räume sindsein geHofgut inmitten von Feldern. Heute betritt blieben, so die Kaserne oder der Werkraum Warteck. man die Gärten Dieser flüchtige, vom Parkplatz ephemere der Charakter St. JakobHalle her, im ragen die Hochhäuser ist typisch für Westen Freiräume. desGerade Freilagers in die ständigen Höhe undVerim weilDreispitz die Freiräume änderungen Osten wird noch unterworfen am FCB-Campus sind und wirgebaut. in der Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, Wahrnehmung unserer Region Grenzen übersind die müssen, Merian-Gärten heute grüne Oase, winden setzt sich dereine Verein EXTRAVAKANT ein (not so)für Central die Erschliessung Park und umso von wertvoller Freiräufür die der Stadt. men in Bewohner der Peripherie rund um Basel ein, um Seit Merians Zeiten hat sich vielesDenkverändert. Räume für Experimente, Chaos, und In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg Schreibakrobatik, Abenteuer und Kreativität in erschliessen, der ersten Phase zu welcheder im Stadterweiterung regulierten Stadtdie Zahl Häuser von 2900 raum fast der nichtbewohnten mehr zu finden sind. auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des g c Leerstehendes Ladenlokal in St-Louis, verwaltet von Landes vor den Toren dermitStadt anschaulich: einer Pariser Eigentümerin Sitz an den Champssteinige wo Keller) die Wölfe jaulten. Auf dem ElyséesFelder, (Bild: Reto

SCHWER

EXTRAVAKANT: Betätigungsfelder Als Grundlage und Rohdatenbasis betreut der Verein den aus Hamburg stammenden Leerstandsmelder (http://www.leerstandsmelder. de/regionbasel), eine interaktive Karte, welche das grundlegende Wissen über Leerstand demokratisiert. Die Benutzung und Bedienung des Leerstandsmelders ist sehr einfach, alle Interessierten sind an dieser Stelle eingeladen, Dreispitz – einzutragen, Leerstände dem dritten die Beispiel ihnen–aufgefallen hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende sind. Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfaNachdem einige Anfragen an Eigentümer chen Materiallagerplatz er sich leerstehender Gebäude inentwickelte Frankreich gescheizumsind, tert viel genutzten verlegen wir Gewerbeareal, uns vorerst darauf, und heute mit mischen sich Wohnen,die Informationsmaterial Schule Reaktivierung und Kulturleerim stehender zu propagieren und mit werdendenRäume Stadtquartier. Drei Beispiele für Räume der Stiftung, für Kunstschaffenden Installationen an die Orten zentrale Herausforderungen stehen. Wie intermit schlummerndem Potenzial umzusetzen, um auf das aufmerksam machen. pretiert eineThema Stiftung, die in derzuGegenwart agieren will, den Wertekosmos Stifters? Schliesslich ist auch der Aufbaudes eines trinaWie bewahrt gegen den steigenden Nuttionalen Teamssie noch nicht abgeschlossen. Wer zungsdruck also Interessen undindie den Bodenpreisentwicklung Bereichen Geografie, die natürlichen Lebensund ErholungsräuKulturmanagement, Architektur hat und sich me, zugunsten unserer Und einbringen möchte, ist Lebensqualität? herzlich eingeladen, wie sieht sich untereine rk@extravakant.org nachhaltige Entwicklung unverbindlich des Dreispitzareals aus, von der noch viele Genezu melden. rationen profitieren können? Im Herbst 2014 oder Frühling 2015 veranSchliesslich ist der Dreispitz wichtigezum Erstalten wir ausserdem eineneine Kongress tragsquelle der Stiftung. Hierwir kommt das Geld Thema «Leerstand», an den ähnliche Proher, welches jekte aus ganz unter Europa anderem nachinBasel die Kulturföreinladen derung fliesst. werden. Der Termin Die Stiftung dazu ist wird alsorechtzeitig selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel unter extravakant.org kommuniziert. manchmal Bis dahin Möglichkeiten freuen wir uns eröffnet, zunächst oft aber auf auch Akteure Kultur frustriert. Die Chriseinige weitereder Jahre Leben und Freiheit am toph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Klybeckquai! Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstellungsräumen entsprechen, undReto die dauerhafte Kim Berger, Daniela Horn, Keller Realisierung manch guter Idee scheitert am Kim Berger ist Geograph. Nach Forschungsaufentsteigenden halten im Preis Dreiländereck und derBasel sinkenden und Mitarbeit Verfügbei EXTRAVAKANT barkeit von Raum.schliesst er zurzeit seinen Master in Giessen ab. Auch in der Stadt verändern sich Daniela Horn, Mediengestalterin undunternutzte Stadtsoziolooder Strukturwandel betroffene Räume. gin,vom ist beratend tätig für den Verein EXTRAVAKANT So Impulsnutzung. verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel Reto Keller arbeitet in Basel als freischaffender Archiundtekt es und folgten jahrzehntelange ist Projektkoordinator desZwischennutVereins EXTRAVAKANT Impulsnutzung. zungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

RÄUME UN

EXTRAVAKANT IMPULSNUTZUNGEN EXTRAVAKANT ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, Stadtstrukturen im Wandel zu identifizieren und zu erschliessen, um Freiräume und Entfaltungsmöglichkeiten für kulturelle, gemeinnützige und überwiegend nicht profitorientierte Aktivitäten zu ermöglichen. Als qualifiziertes Projekt der IBA Basel 2020 widmet sich EXTRAVAKANT auch dem Ziel, die trinationale Region Basel als einheitlichen Siedlungsraum wahrzunehmen, und fokussiert deshalb auf die Erschliessung von ungenutzten Räumen in Randgebieten und jenseits der Grenzen. Während das Kerngebiet BaselStadt kaum Leerstand aufweist, sieht es an der Peripherie unseres trinationalen Raumes ganz anders aus; die französischen Gemeinden St-Louis und Huningue zum Beispiel strotzen nur so von leerstehenden Ladenlokalen an zentraler Strassenlage (siehe Bilder). Gleichzeitig ist in diesen Gebieten die Bereitschaft, leerstehende Räume einer Nutzung zuzuführen, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen sehr schwach ausgeprägt. Die Begriffe «Impulsnut-

zung» oder «Zwischennutzung» existieren im Französischen gar nicht, wir benutzen dafür den Ausdruck «utilisation transitoire». Die Freiraum-Debatte Ein Freiraum ist die Freiheit, die eine Person oder eine Gruppe zur Entwicklung, Definition und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität benötigt. (Quelle: http://www.wortbedeutung. info/Freiraum/) Jedes Siedlungsgebiet und jede Gesellschaft braucht Freiräume. Gerade in unseren Breitengraden und besonders in der Schweiz ist in allen Bereichen des Zusammenlebens ein hoher Grad an Regularisierung und Normierung zu beobachten. Offizielle Stellen wie die städtische Verwaltung bezeichnen mit dem Begriff «Freiräume» Allmendflächen, wie zum Beispiel öffentliche Plätze und grüne Naherholungsgebiete in und um die Stadt. Diese städtischen Räume ermöglichen verschiedene Nutzungen, welche öffentlich debattiert und ausgehandelt werden,


>REINHÖREN

RAUMKLÄNGE AUF DEM KLEINEN MÜNSTERPLATZ Möglich, dass es sich mit Musik in Räumen tatsächlich ähnlich verhält wie mit Träumen, wie es der Titel dieser Ausgabe nahelegt: Sie haben unzählige Dimensionen, ihre Autorenschaft ist unergründlich, ihr Dasein flüchtig, und oft sind sie von lebhaften Bildern begleitet und mit intensiven Gefühlen verbunden. Der Anstoss zur Entstehung des Raumes von >reinhören ist durchaus prosaisch und rasch erzählt: Das Institut Innenarchitektur und Szenografie erhielt im Dezember 2012 die Anfrage, eine Idee für ein «mobiles Haus» auf dem Münsterplatz zu entwickeln, welches für «stille Performances» genutzt werden sollte. Eine Anfrage wie viele ähnliche, die an das Institut gerichtet sind und in der Regel Folgendes zum Inhalt haben: Wir möchten etwas machen, benötigen so rasch als möglich eine

Idee, verfügen nicht über die Mittel, Honorare zu bezahlen, und wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, Ihre kreativen Studierenden – möglichst für beide Probleme – an uns zu vermitteln. So jedenfalls war der erste Eindruck und die Anfrage geflissentlich verdrängt. Mitte April 2013, nach mehrmaligem Nachhaken, kam jedoch ein erstes Treffen mit der Vertreterin des Vereins pro Münsterplatz zustande. Niederschwellig, für alle Menschen offen und zugänglich sollte der Pavillon auf dem Münsterplatz werden, an fünfzehn Tagen und während acht Stunden Ort für Musik und Wort sein, unverstärkt, ohne Anfang und Ende und für die Besuchenden kostenlos. Bühne und Rampenlicht zu vermeiden, war die wesentliche Forderung. Die Zuschauer sollten jederzeit kommen, sich hinsetzen oder sich

hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintauchen oder eben >reinhören können. Ausserhalb ihres regulären Studienprogramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnlichen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränkten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhörund Performancemöglichkeiten entstanden. Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Münsterplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht werden. Und nicht zuletzt wäre das ambitionierte Vorhaben ohne die wesentliche finanzielle Unterstützung der Eignerin dieses Magazins nicht vom Traum zum Raum geworden. Was nach Fertigstellung des Pavillons bereits am ersten Konzert von Marino Formenti tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso ungeplante wie unplanbare Überraschung: Von aussen waren die Klänge des Inneren erfahrbar und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian Beerli und Stefan Waser ist es gelungen, einen Raum zu schaffen, der innen wie aussen gleichermassen durchlässt wie abhält – und das in genau dem Mass, das jederzeit maximale Konzentration ermöglicht: sowohl auf die Klänge und Gesten im Innern wie auch auf die gleichzeitige Wahrnehmung der Schritte im Kies, des Glockengeläuts des Münsters und der Gesprächsfetzen von Passanten im Aussen. Beides blieb gleichzeitig wahrnehmbar, beides gleichzeitig präsent, und dennoch störte das eine das andere nicht, den Besuchenden blieb

die maximale Konzentration auf ein Beabsichtigtes hin jederzeit möglich. Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht. Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder jedoch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in unsere Erinnerung eingeprägt – Träume und Räume eben: Raumklänge! Andreas Wenger Andreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitektur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan Waser studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Pavillon >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz im vierten Semester Innenarchitektur und Szenografie. >reinhören fand vom 11. bis 25. Mai 2014 auf dem Kleinen Münsterplatz in Basel statt. >reinhören ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz. Der Pavillon soll im Herbst 2014 auf dem Campus Dreispitz der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut werden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume und Räume werden am neuen Ort mit Sicherheit andere sein. Fotos: Lea Hildebrand


hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintauchen oder eben >reinhören können. Ausserhalb ihres regulären Studienprogramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnlichen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränkten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhörund Performancemöglichkeiten entstanden. Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Münsterplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht werden. Und nicht zuletzt wäre das ambitionierte Vorhaben ohnegerade die wesentliche finanzielle birgt mich nun und manchmal von der Hüfte zum der Knie, sandfarben, mit Unterstützung Eignerin diesesgolden Magazins rotem Schimmer wie der Boden in nicht vom Traum aus zumSeide, Raum geworden. Nrityagram, Sand diedes Ränder meiner Was nach dessen Fertigstellung Pavillons beHosenbeine färbte und von die Tastatur. Er ist gereits am ersten Konzert Marino Formenti füttert, schwarz, geräumig und doch elegant, tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso unvon Händen Er hing in einem Laden geplante wie genäht. unplanbare Überraschung: Von mit Brunnen undKlänge Baumdes in der Mitte, im Anaussen waren die Inneren erfahrbar kleideraum ein Bett und ein Schreibtisch. Ich und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian spreche Beerli und hierStefan von Bäumen, Waser istvom es gelungen, Körper, Wasser, einen Raum zu schaffen, wie aussen gleiNatur, Sand, Seideder undinnen Bäumen. Von Haut. Vom chermassen Atmen.durchlässt Vom Meer.wie Ichabhält werde –nicht und von das Elefanten sprechen, vom Elefant, in genau dem Mass,ich dasspreche jederzeit maximale Konzentration auf die von Ganesha, derermöglicht: Gott, der diesowohl Hindernisse beseitigt Klängeund undhinstellt. Gesten Drei im Innern Monatewie lang auch wusste auf ich die nicht gleichzeitige in Basel,Wahrnehmung wo mein Bett steht der am Schritte Morgen, im Kies, beim desAufwachen, Glockengeläuts warum des Münsters Mangela,und du draussen der Gesprächsfetzen nicht Holzvon unter Passanten den Boiler im Aussen. schichtest Beides und blieb anzündest, gleichzeitig fürswahrnehmbar, Duschen, nicht beides die Papayas gleichzeitig schneidest, präsent,die unddudennoch vom Baum störte holst, das warum eine dasich andere nichtnicht, meine den Runde Besuchenden drehe um blieb das

die maximale Konzentration auf ein Beabsichtigtes hin jederzeit möglich. Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht. Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder jedoch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in Tanzvillage unsere Erinnerung und dann eingeprägt Yoga mit– Bijayini. Träume und Warum icheben: das bin, die sich das fragt, und nicht Räume Raumklänge! die, die ich erst gerade kennengelernt habe, in Indien, andere Person von mir, die diAndreaseine Wenger rekter ist, kindlicher auch, auch erwachsener, Andreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitekspontan, tur unddie Szenografie Spass am derDrama Hochschule haben für Gestaltung darf und und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan niemand sagt «Drama Queen» zu ihr, esWaser gibt studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Padenvillon indischen Rock. Sandelholzfarben. >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz Er im viertenwäre Semester Innenarchitektur Szenografie. könnte, er lebendig, den und Himmel spiegeln und nach >reinhören fandRauchritualen vom 11. bis 25. Mairiechen. 2014 auf dem KleiWas nen Münsterplatz ist der Unterschied? in Basel statt. Die>reinhören Unterschiede ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz. sind grösser und kleiner. Liebe und Abneigung Derheftig Pavillonnebeneinander. soll im Herbst 2014 Das aufEinpendeln dem Campus dergeschieht Hochschulevon für Gestaltung und Kunst in Dreispitz die Mitte selbst. Statt Glas FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut Moskitonetze im Fenster. Das Tanzvillage, meiwerden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume Räume werden amdie neuen Ort mitGebete, Sicherheit anne und Mitschreibenden, Hunde, Musik,dere dassein. Trommeln, ich höre alles in meinem Fotos: Leadas Hildebrand Bett, auch Bett, es steht auf hohen etwas wackligen sehr alten Holzbeinen, die Bäume, der Wind, nachts eure Gespräche draussen, Lachen, viel Whisky und Rum, auch der Sound

MEIN INDISCHER ROCKRAUM

aus deinem Zimmer, Glenn, mein Nachbar, rechts, dein: come out, Birgit, come out, dinner, or we have some drinks for you, oh come out there, Birgit ... deine witzige Boshaftigkeit, deine Beobachtungen, ich gebe dir mein Aufnahmegerät unter die Dusche und du singst für mich. Und links von mir Anupama, ich möchte mit dir ein Tanzstück machen, dich nach Basel locken, du bekommst so viele Kleider von mir bis du schwitzt, versprochen. Wie du meinen Namen gesagt hast, ihr habt ihn geschrien, auffordernd, komme endlich raus aus deinem Bau, sich verstecken gilt nicht. Wir wissen, dass du da bist. Aakriti, deine Stimme! Und deine Kerze, Liegestütze, Kraftyoga, nur Rahul, deine Stimme leise und sanft: Wir wollen, dass du rauskommst. Komm raus. Nie

— WIR WOLLEN, DASS DU RAUSKOMMST. KOMM RAUS. NIE WIEDER WOLLTE JEMAND SO, DASS ICH AUS MEINER HÜTTE RAUSKOMME. — wieder wollte jemand so, dass ich aus meiner Hütte rauskomme. Und auch meinen Namen sagt niemand so. Das Tanzen, das Üben, das Verkörpern der Liebe, der Gottheiten und der Abstraktionen, ich vermisse die jungen Tänzerinnen, wie ihr lacht, wie ihr früh früh morgens vor meinem Zimmer auf und ab lauft mit den kranken Hunden am Bändel, die Hunde nicht, obwohl sie sehr beliebt sind, einer heisst Guru, sie fressen alles weg, was auf den Tischen liegt, und die Krähen fliegen mein Nähsäckchen mit den Nadeln in den Baum, ich hinterher, schreiend, sie lassen die Beute fallen. Wann werde ich hinter einem Vogel herlaufen und

rufen, er soll mir meine Nadeln zurückgeben? Hier würde ich meine Stimme nicht so aus meinem Körper einfach rauskommen lassen und dazu noch hinter einem Tier herlaufen und um meine Nähnadeln kämpfen. Das wilde Klopfen morgens um 6 an meine Tür: Birgit, no Yoga today, da weiss ich, du bist angekommen. Ich lade euch alle in mein Zimmer vors Mikrofon und setze euch an die Audioaufnahmen mit meinem Vater, der über Dinge spricht, lasse euch ihn eine Strecke übersetzen, ins Englische, aus dem Deutschen, ihr versteht kein Deutsch, aber etwas von meinem Vater, er hat Angst, sagt Rahul, is he afraid? Dann frage ich euch nach euren Dingen und Beziehungen zu Dingen. Und möchte daraus eine indische Version meines Hörstücks machen, nehme dafür den Sound auf. Besonders Surupa, du sprichst von deinem kleinen Haus wie von deiner zweiten oder dritten Körperhülle und dass es wichtig ist, wen du in dein Haus reinlässt. Dein Haus ist so, wie ich mir als Kind ein Haus geträumt habe, es schmiegt sich dem Körper an. Ich fühle meine sonderliche Weise, in meinen Räumen zu sein, als seien sie mein zweiter Körper, gespiegelt, gar nicht pathologisch, klar nicht pathologisch, vielleicht magisch, aber sehr klar, logisch und verständlich. Das heisst aber nicht, dass ich mich komplett gespiegelt fühle, im Gegenteil, aber deutlicher und auch krasser, dass ich jemand bin, die oft ausserhalb der Spiegelungen der anderen existiert und ich mich verloren fühle manchmal deshalb, und manchmal frei. Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung, vielleicht auch Missverständnis, nicht kurzfristig, eher temporär aktiviert, sonst ist sie latent, wie ich. Birgit Kempker Birgit Kempker war 2013/14 für drei Monate mit einem iaab-Stipendium als Writer in Residence im SangamAutorenhaus in Bangalore/Südindien. Foto: Birgit Kempker


Redaktion und Texte Zamira Angst, Praktikantin Abteilung Kultur Claus Donau, Lektorat und Produktion Christoph Merian Verlag Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel Karin Matt, Vertrieb und Hörbuchprogramm Christoph Merian Verlag Christoph Meneghetti, Leiter Abteilung Kultur ad interim Beat von Wartburg, Direktor Christoph Merian Stiftung

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel Druck Gremper AG – Basel / Pratteln Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5 CH-4002 Basel

h Markus Raetz: Kopf (Foto: Kathrin Schulthess)

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