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Vorwort

„Wenn wir etwas vom Wesen des Menschlichen begriffen haben, dann dieses: dass der Mensch als Natur und Lebewesen von keinerlei Bestimmung über die Erde gesetzt ist, wie es manche von den alten Mythen lehren, sondern dass er von gleicher Art ist wie alles Lebendige auch und dass, worin er sich unterscheidet – wenn er es denn tut – nicht seine Fähigkeit ist, die Erde zu beherrschen, sondern die, sie zu hegen und zu pflegen wie einen Garten.“

Dieser Satz aus Helmut Salzingers (1935 – 1993) lesenswertem Buch „Der Gärtner im Dschungel“ beschäftigt mich, vielleicht weil wir uns gefühlt so weit davon entfernt haben, „gute Gärtner der Erde“ zu sein. Ich las das Buch, als ich im Sommer 2022 mit meiner Familie ein paar Tage in Ligurien an der Blumenriviera, nahe der Grenze zu Frankreich, verbrachte. Wir waren bei Maura im Borgo Muratori untergebracht, erbaut als kleine Festung in der Mitte des 16. Jahrhunderts in den Bergen oberhalb des Meeres. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die zum Wohnhaus umgebaute Festung und der dazugehörige Olivenhain mit jahrhundertealten Baumveteranen (Sorte Taggiasca) auf den terrassierten Hängen im Besitz ihrer Familie. Maura, mittlerweile 71 Jahre, liebt das alte Anwesen, besonders aber ihren Garten, der nach Plänen des französischen Landschaftsarchitekten Henri Olivier angelegt wurde. Es ist ein ligurischer Garten mit Zitrushain, Olivenbäumen und einem Gemüsegarten. Niedrige Hecken aus immergrünen Mastixsträuchern (Pistacia lentiscus, auch Wilde Pistazie) begrenzen die ursprünglichen Terrassen und schaffen Gartenräume, in die man sich zurückziehen kann. Gegossen wurde aufgrund der Wasserknappheit nur sparsam. Obwohl die Bepflanzung an das Mittelmeerklima angepasst ist, litt sie sichtlich unter der extremen Trockenheit. Lediglich die Agaven und Kakteen hatten in der staubtrockenen heißen Luft bisher keinen Schaden genommen. Maura erzählte, dass es bereits im Frühjahr kaum geregnet habe, sodass die Böden jetzt Ende August komplett ausgetrocknet seien.

Auch wir sind immer häufiger von zunehmender Trockenheit bzw. extremen Wetterereignissen betroffen. Alte Bäume in unserer Landschaft, in den Parkanlagen und Gärten leiden sichtlich, können mancherorts ihren hohen Wasserbedarf aufgrund des gesunkenen Grundwasserspiegels nicht mehr decken. Der Sommer 2022 ist einer der vier wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn, so meldet der Deutsche Wetterdienst (DWD). Je nach Region sind die Auswirkungen des Klimawandels verschieden und reichen von extremer Dürre, häufigeren Starkregenereignissen samt Hochwasser, der Versauerung der Meere, dem Auftauen des Permafrostes, der Gletscherschmelze bis zum Schmelzen der polaren Eismassen mit der Folge eines Meeresspiegelanstiegs. Laut Klima-Report (IPCC, Weltklimarat) sollen Wetterextreme zunehmen. Wir werden uns demnach auf längere Trockenperioden und/oder häufigere Starkregenereignisse mit all ihren Folgen einstellen müssen.

Es ist an der Zeit, dass wir Gärtner uns diesem so komplexen Thema annehmen und uns darüber Gedanken machen, was das alles für unsere Gärten bedeutet. Ein Stichwort, das mir dazu sofort einfällt, ist der Umgang mit dem Boden. Wir wissen noch viel zu wenig über diese Welt unter unseren Füßen, die für uns von so zentraler Bedeutung ist. Es muss darum gehen, die Böden gesund und lebendig zu erhalten, mit reichem Bodenleben in ihnen und auf ihnen, sie nicht zu versiegeln, sie nicht zu verdichten, sie nicht chemisch zu düngen oder mit Pestiziden zu behandeln. Ihr Zustand entscheidet darüber, wie gesund sich Pflanzen entwickeln können. Mit Bodenverbesserung und -vorbereitung vor der Pflanzung können wir für gesundes Wachstum sorgen, damit Bäume, Sträucher und Stauden eine Chance haben, Trockenheitsperioden besser zu überstehen.

Ein weiteres Stichwort ist die Materialwahl, sprich Steine, Metall, Beton, Holz, die in unseren Gärten verbaut werden. Es muss uns interessieren, welche Auswirkungen unterschiedliche Materialien auf die Umwelt haben. Und wir können noch viel mehr tun. Wir können Fassaden begrünen (Stichwort Vertikalbegrünung zur Gebäudekühlung) und mehr Dachgärten zur Verbesserung des Stadtklimas schaffen. Hier gilt es Einfluss auf die Stadtplanung zu nehmen, damit solch sinnvolle Projekte realisiert werden können.

Sicher kann die „grüne Branche“ auch in puncto Öffentlichkeitsarbeit noch mehr tun, damit das Grundverständnis für die Natur und die Grundlagen des Gärtnerns nicht verloren gehen.

Es gibt bereits viele positive Ansätze, die in die richtige Richtung gehen. Dass dies nicht auf Kosten der Gestaltung gehen muss, beweisen viele der hier vorgestellten Gärten.

Sie sind der Buchreihe „Gärten des Jahres“ entnommen, einer Dokumentation zum gleichnamigen Wettbewerb, dessen renommierte Jury jedes Jahr die 50 besten Gärten im deutschsprachigen Raum prämiert. Wenn es nach mir geht, dürfen noch viel mehr Gärten so gestaltet werden, dass sich darin aktuelle Themen unserer Zeit auch tatsächlich widerspiegeln. Denn ich finde, wir sollten zumindest schon einmal damit anfangen, in unserem eigenen Grün gute Gärtner zu sein.

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