Cartouche No 2

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C ARTOUC HE

mit {Grimes} {Hush Hush} {Nate Williams} {Lennart Etsiwah} u.v.m.



C ARTOUC HE No.2


Liebe Leser_innen, in der Popkultur dreht sich nach wie vor alles um die Vergangenheit. Gerade erst erschienen mit WES ANDERSONS Film Moonrise Kingdom und JAMES FRANCOS Roman Paolo Alto zwei weitere Werke, die sich mit der Kindheit und der Jugend auseinandersetzen. Ähnlich sieht es in der Mode und Musik aus, wo der Einsatz von Pastiche nicht mehr wegzudenken ist. Unermüdlich zitieren Designer_innen wie Musiker_innen aus vergangenen Stildekaden. Da ein Ende dieses Trends nicht abzusehen ist, sollte sich die Popkritik einmal mehr darauf konzentrieren, die einzelnen popkulturellen Produkte zu dechiffrieren und zu kontextualisieren. Schließlich fragen wir heute viel zu selten, wo ein bestimmtes Zeichen herkommt. Alles wird vollkommen selbstverständlich kopiert und in neue Sinnzusammenhänge gesetzt. Genau um diese Problematik dreht sich der Text “Kollektives Vergessen” unseres Autors GUENTHER LAUSE. In ihm analysiert LAUSE was eintritt, wenn das Zitat von seinem Ursprung getrennt wird: Eine kulturelle Amnesie. Zum Glück gibt es verantwortungsbewusste Blogger wie NATHAN COWEN, der auf seinem Pictureblog HAW-LIN die Bildquellen angibt oder die Plattform TUMBLR, bei der man die Bilder zu ihrer Quelle zurückverfolgen kann. Sie sorgen dafür, dass nicht alle Spuren verwischen im endlosen Datenstrom des World Wide Web.


Der Verlust des Authentischen ist aber nicht das einzige Problem unserer digitalen Gesellschaft. Ein weiteres lässt sich formulieren: Durch die rapide Geschwindigkeit des Netzes hat die Berichterstattung über Popkultur an Tiefe verloren. Beim stetigen Weiterverlinken von Songs und Bildern ist vielen Blogs der Blick für die Personen hinter den einzelnen Werken abhanden gekommen. Wer kennt die Mitglieder seiner Lieblingsbands heute noch beim Namen oder weiß, welches Ziel ein Designer mit seiner Arbeit verfolgt? Ist das überhaupt wichtig? Wir finden ja! Aus diesem Grund finden sich in dieser Ausgabe ein Portrait des Modefotografen LENNART ETSIWAH sowie längere Gespräche mit der One-Man-Show CHRISTOPHER KLINE aka HUSH HUSH und dem Labelchef von ARBUTUS RECORDS, SEBASTIAN COWAN, in denen es um ihre Arbeit, ihr Leben und ihre künstlerische Vision geht. Den Ansatz hinter die Kulissen zu schauen und sich Zeit zu nehmen für sein Gegenüber, hat ebenfalls die niederländische Fotografin QING QING MAO, die für ihre Buchserie The Leaf City Städte portraitieren will, indem sie mit den Leuten redet, die in ihnen leben und arbeiten. Für uns hat sie eine Auswahl an Fotos zusammengestellt, die sie im Mai für ihr Berlinbuch aufgenommen hat. In diesem Sinne: Lasst uns für einen kurzen Moment innehalten. Viel Spaß beim Lesen! Die Redaktion von CARTOUCHE.


INHALT

S. 6 Portrait

LENNART ETSIWAH

S. 16 Gespr채che

HUSH HUSH

S. 22 Gespr채che

CIVIL CIVIC

S. 26 Gespr채che

SEBASTIAN COWAN

S. 32 Empfehlung GRIMES


INHALT

S. 36 No Fear of Pop empfehlt LAUREL HALO

S. 40 Empfehlung BIG BANG

S. 44 Sounds by FENSTER S. 46 Fotoserie

QING QING MAO

S. 52 F端nf Fragen an... NATE WILLIAMS

S. 56 Theorie

KOLLEKTIVES VERGESSEN

S. 62 Konzert Plan S. 68 Impressum


PORTRAIT

LENNART ETSIWAH ein Modefotograf mit eigenem Stil

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Es ist ein verregneter Winternachmittag in Prenzlauer Berg. Im Café AN EINEM SONNTAG IM AUGUST drängen sich die Gäste, trinken warme Getränke, rauchen und unterhalten sich angeregt. Aus der Anlage dröhnt Raggae-Musik. Nicht die besten Bedingungen für ein Interview. LENNART ETSIWAH scheint der Trubel um ihn herum jedoch nicht zu stören. Ruhig und gut überlegt formuliert der Modefotograf seine Sätze. „Ich musste damals meinen eigenen Weg gehen”, sagt er lächelnd in Bezug auf sein abgebrochenes Abitur. In der Tasse vor ihm dampft heißer Kaffee, daneben qualmt eine Zigarette im Aschenbecher.

LENNART ETSIWAH, das wird schnell klar, weiß, was er will und was nicht. Seine Entscheidungen trifft er selten spontan. So ist auch der Entschluss, sein Abitur zwei Wochen vor der ersten Prüfung zu schmeißen von langer Hand geplant. Den Segen seines Vaters hat er. Diese Überlegtheit soll sich später fortsetzen: Seinem Kommunikationsdesign-Studium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft Hamburg geht ein Jahrespraktikum beim Medienbüro Hamburg voraus und die Gewissheit, dass mit Fotoreportagen kein Geld mehr zu verdienen ist. In der Modebranche allerdings schon, der er anfänglich noch skeptisch gegenübersteht. Eine

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ausführliche Auseinandersetzung mit ihr kann die Zweifel zerstreuen, es reizt ihn die Welt zu sehen und das gehört als erfolgreicher Modefotograf zum Alltag. Ästhetisch hat LENNART ETSIWAH eine klare Vision. Er steht auf Minimalismus. Nichts soll ablenken von den gezeigten Kleidern. Seine Arbeiten erinnern an die Ausdrucksstärke PETER LINDBERGHS, genauer: an das Portrait der jungen KATE MOSS, die der deutsche Fotograf in einer blauen Latzhose ablichtete. Beim Anblick von LINDBERGHS Bildern hat man das Gefühl zu versinken. Für einen Moment ist man gebannt von der Schönheit, die von ihnen ausgeht. LENNARTS Bilder strahlen eine ähnliche Aura aus. Weiches Licht verschwindet in der Unschärfe des Hintergrundes und lenkt den Blick gekonnt auf die starke, schnörkellose Pose und die Schönheit des Models. LENNART erzählt mit seinen Fotos eine Geschichte, die über das Gezeigte hinausgeht. Er lässt diese jedoch immer offen, wodurch die Fantasie des Betrachters angeregt wird. Auf diese Weise verleiht LENNART den Bildern eine für Modefotografie untypische Tiefe. Genauso durchdacht ist seine Arbeitsweise. Von Markenfetischen bei Kameras hält LENNART nichts.

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„Eine Kamera trägt zu einem Foto nicht viel bei, das meiste geht vom Fotografen aus”, sagt der 27-Jährige. Seine erste Kamera war eine Olympus OM 20, eine Spiegelreflexkamera, die er seinem Freund für 50 Mark abkaufte. Inzwischen benutzt er mehrere verschiedene Modelle. Auch die Frage, ob es besser sei analog oder digital zu fotografieren, betrachtet er weniger dogmatisch. Er selbst fotografiert am liebsten analog, wenn es die Zeit zulässt. Anschließend scannt er die Negative ein und bearbeitet diese auf dem PC. Auf diese Art bekommen die Fotos einen eigenen Charakter und gleichzeitig einen Wiedererkennungswert. Den eigenen Stil zu finden, darum geht es LENNART auch privat. Entsprechend macht er sich nicht viel aus Trends. Im Klub trägt er auch mal gerne seine blaue Schlafanzughose, wenn er sich danach fühlt. LENNART hebt mit seinem Äußeren seine Stimmung hervor. „Wenn es mir gut geht, will ich das meiner Umgebung zeigen“, sagt er. Seiner Meinung nach ist es für die meisten Menschen einfacher in eine andere


Persönlichkeit hineinzuschlüpfen, als ihre eigene zu entdecken. Und so kopieren viele oft Kleidung und versuchen jemand zu sein, der sie gar nicht sind. Was sein späteres Berufsleben anbelangt, hat LENNART klare Vorstellungen. Statt für große HochglanzZeitschriften wie die Vogue, möchte er lieber für kleinere IndependentMagazine arbeiten. An IndieMagazinen wie I love you schätzt LENNART, dass sie mehr Platz zum Experimentieren lassen und einem weniger strikten Raster folgen. Während seines Studiums arbeitete LENNART bereits an verschiedenen Produktionen in Deutschland und Europa mit. Das Geld, das er damit verdiente, steckte der Fotograf in eigene künstlerische Projekte, die nicht immer etwas mit Mode zu tun hatten. So ist er Autor eines Fotobuches, welches das Zusammenleben und die Trennung zweier Menschen thematisiert.

unendlichen Möglichkeiten. „Man stellt einen Wunsch an das Universum und der wird in New York gleich erfüllt“. Die Leute dort würden einfach mehr an einen glauben. Nicht das er das nötig hätte. -MARIE-THERESE HAUSTEIN würde am liebsten jeden Tag ein Kleid von VLADIMIR KARALEEV tragen. Nachts träumt sie von New York. Foto: DAVID BÖCKMANN

Sein nächstes Ziel hat LENNART bereits vor Augen: Er will seinen Master in New York City machen. Während eines dreiwöchigen Urlaubs hat er sich in die Stadt verliebt, sie in sich aufgesaugt und, wie so viele andere vor ihm, beschlossen wiederzukommen. Für ihn ist die Stadt kein Klischee, es gibt wirklich diese besondere Spannung und die

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Fotograf: LENNART ETSIWAH Mode & Styling: RAGNE KIKAS Model: MARA DECLAIR (PMA MODELS) Fotoassistent: TILLMANN ENGEL


GESPRÄCHE


Hush Hush Der Bart ist das erste, das einem an CHRISTOPHER KLINE auffällt. Struppig ist er, blond und so üppig, dass man das Gesicht des schlaksigen Musikers aus New York dahinter nur noch erahnen kann. Nicht minder bemerkenswert sind CHRISTOPHERS Liveshows. Wenn er auf die Bühne klettert und sich in HUSH HUSH verwandelt, ist der sonst eher zurückhaltende Musiker nicht mehr zu bändigen. Angespornt von Discosounds aus seinem iPod verrenkt er seinen Körper in den undenkbarsten Winkeln, springt auf Boxen herum und kraucht durchs Publikum. 2006 kam er nach Berlin, spielte seitdem in mehreren Bands und betreibt gemeinsam mit seiner Freundin SOL die Galerie KINDERHOOK & CARACAS und den Verlag FEATHER THROAT. Im Chat mit CARTOUCHE sprach CHRISTOPHER über sein Leben in Berlin, sein Projekt HUSH HUSH und die Notwendigkeit, seinem Publikum das gewisse Extra zu geben. 17


CHRISTOPHER, herzlich willkom-

men im Etherpad! CHRISTOPHER: Vielen dank, das Pad ist cool, ich benutze es heute zum ersten Mal!

Etherpad ist ein Online-Textprogramm, an dem mehrere Personen gleichzeitig arbeiten können. Aber ist es nicht komisch für dich zu chatten? Wir hätten uns auch treffen und uns bei einer Tasse Kaffee unterhalten können. Ich kann mich mit beidem arrangieren. Meine Ideen sind in der Regel aber besser strukturiert, wenn ich sie aufschreibe. Außerdem scheint das Pad etwas „realer“ zu sein als ein richtiger Chat, weil du mir dabei zuschauen kannst, wie ich jeden einzelnen Buchstaben in das Pad eingebe. Das stimmt. Auf FACEBOOK bekommt man immer nur die fertige Nachricht. Der Schreib- oder Denkprozess bleibt aber im Verborgenen. Bist du ein Facebook-User? Ich würde nicht so weit gehen, mich als FACEBOOK-User zu bezeichnen. Zwar habe ich seit zwei Jahren einen Account. Den benutze ich aber vor allem dafür, meine Shows und Ausstellungen anzukündigen oder Musik zu empfehlen. Mit meinen FACEBOOK-Freunden habe ich bis heute noch nie gechattet. Auch wenn ich versuche FACEBOOK zu meiden, verbringe ich dennoch viel Zeit im Internet - eine lästige Beschäftigung. 18

Warum tust du es dann? Ich brauche es für meine Projekte. Das Internet ist der schnellste Weg, um Dinge zu organisieren und mit Leuten zu kommunizieren. Trotzdem weiß ich, dass das Internet nicht alles kann. Auch wenn die Welt immer virtueller wird, ist der Kontakt mit Menschen in der realen Welt immer noch der Aspekt, der darüber entscheidet, ob dein Projekt erfolgreich ist oder nicht. Leute zu treffen, Teil einer Community zu sein und auf Tour zu gehen ist gerade am Anfang extrem wichtig. Für kreative Menschen ist es daher unabdingbar in einer großen Stadt zu leben. Ist das der Grund, warum du nach Berlin gekommen bist? Nicht wirklich. Mich reizt an Berlin, dass man hier sehr gut an Ideen arbeiten kann. Das liegt vor allem daran, dass der Konkurrenzdruck in Berlin nicht sehr groß ist. Ironischerweise ist das aber nicht nur positiv.

Im Gegenteil kann einem die Lockerheit Berlins schnell das Genick brechen. Auf einmal sind drei Jahre um und man hat nichts geschafft von dem, was man sich ursprünglich


vorgenommen hatte. Ich glaube, das Problem kennen viele. Wie ist es dir ergangen? Ich habe nicht viel Zeit verplempert. Seit meinem Umzug nach Berlin 2006, habe ich vieles ausprobiert: Ich betreibe die Galerie Kinderhook & Caracas sowie den Verlag FEATHER THROAT, habe in verschiedenen Bands gespielt und mehrere Bildbände publiziert. Wann hast du mit HUSH HUSH angefangen? HUSH HUSH begann als Fingerübung im Sommer 2009. Um mich von meinen ernsteren Musikprojekten abzulenken, nahm ich mehrere Loops mit meiner Loopstation auf, die ich mit meinem alten Drumcomputer, einem Casio-Keyboard und einigen Gitarren einspielte. Sechs Monate ließ ich diese Aufnahmen ruhen, weil ich noch andere Sachen zu erledigen hatte. Als ich 2010 auf Teneriffa SOLS Familie besuchte, schrieb mir die Band YEASAYER eine Mail, in der sie mich fragte, ob ich nicht mit ihnen touren wollte. Und das wolltest du. Richtig! Sie sind schließlich gute Freunde von mir, deren Arbeit ich sehr schätze. Ich dachte kurz darüber nach, mit welchem Projekt ich antreten wollte und entschied mich für die Loops, die ich ein halbes Jahr vorher aufgenommen

hatte. Bis zur Tour blieben mir nur drei Wochen Zeit. Ich arbeitete drei Wochen Non-Stop, überlegte, was ein guter Popsong braucht und welchen Charakter ich auf der Bühne verkörpern wollte. Ich verlor damals fast den Verstand, schlief wenig, war dann aber sehr zufrieden mit dem Resultat. Was braucht denn ein guter Popsong?

Ein wirklich außergewöhnlicher Popsong muss sich gut einprägen können. Das bedeutet, dass er eine traditionelle Liedstruktur haben muss, einen originellen Sound, eine gute Stimme und Worte, von denen sich die Leute angesprochen fühlen. Dann ist da noch dieser Funke, der schwer in Worte zu fassen ist, der aber einen guten von einem schlechten Popsong unterscheidet. Ich habe mir eine Menge Pop und Hip-Hop-Songs angehört, um das herauszufinden. „What’s Going On?“ von MARVIN GAYE habe ich mir mindestens zwanzig mal hintereinander über Kopfhörer angehört. Wovon wurde dein Bühnencharakter beeinflusst? Von den Queens und Kings des Showbusiness - MADONNA, IGGY 19


POP, JAMES BROWN, TINA TURNER, ANDY KAUFMAN und KATE BUSH.

Das sind Leute, die ihrem Publikum das gewisse Extra geben. Sie haben verstanden, dass es wichtig ist, sein Publikum zu respektieren. Deshalb lege ich mich auch so sehr ins Zeug, selbst wenn ich nur vor ein paar Leuten spiele. Hattest du denn überhaupt eine Wahl? Schließlich stehst du ganz allein auf der Bühne und kannst dich nicht hinter einer Band verstecken. Da hast du wohl Recht.

In anderen Bands bin ich viel zurückhaltender. Da ich aber nur meinen iPod als Unterstützung habe, muss ich mir überlegen, wie ich die Leute in den Bann ziehen kann. Das bedeutet, dass ich viel mehr tanzen muss, als ich es tun würde, wenn ich einen Drummer und eine Band hätte, die mir den Rücken stärken. Alle Verantwortung liegt bei mir, ich habe nichts zu verlieren und kann nur gewinnen. 20

Deine Liveshow ist State of the Art. Ich habe in Berlin in letzter Zeit viele Künstler gesehen, die sich ihrem Publikum allein gegenüberstellten, mit nichts anderem als ein paar Playback-Sounds oder einer Gitarre. Was ist der Grund dafür? Ich finde es wesentlich entspannter Solo aufzutreten. Wenn ich jetzt auf Tour gehe, muss ich nichts weiter mitnehmen als ein Sportsakko und meinen iPod. Davor hatte ich immer mit so vielen Dingen zu kämpfen: dem vielen Equipment sowie den Terminkalendern, Ambitionen und Problemen meiner Bandmitglieder. Dennoch sind Solo-Projekte eine triste Angelegenheit. Es ist schwieriger sich zu motivieren, alles ist so unsozial und selbstzentriert, ganz zu schweigen von der Energie, die in Kollaborationen steckt. Ich habe auch eher das Gefühl, dass diese Soloprojekte ein Berlin-Ding sind. Die Leute ziehen sich in den Wintern immer so sehr zurück, kein Wunder also, dass sie auch allein Musik machen. Weißt du schon, wie du dein erstes Album gestalten willst? Daran arbeite ich gerade. Vielleicht mache ich ein Live-Album draus, um die Energie meiner Shows einzufangen. Ich könnte mir vorstellen, es wie TOM WAITS zu machen, der zu den Aufnahme-Sessions für Nighthawks at the Diner ein paar Leute in sein Studio einlud, um vor ihnen zu spielen. Vielleicht stelle ich aber


auch ein Mixtape zusammen mit all meinen bisherigen Demo-Aufnahmen, unveröffentlichten Songs und neuen Singles darauf. Wo befindest du dich eigentlich im Augenblick? Ich bin in in meiner Galerie und lausche den Geräuschen, die SOL mit ihrem Tacker im Nachbarzimmer macht. Sie zieht gerade eine neue Leinwand auf. www.hushhushhush.com www.kinderhook-caracas.com www.featherthroat.net -LUKAS DUBRO hat ein Faible für die Farbe Weiß. Er ist aus Prinzip gegen Deutschland. Foto: MATTHIAS HEIDERICH

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GESPRÄCHE

Civil Civic Das australische Duo CIVIL CIVIC spielt atemberaubende Instrumentalmusik. Über verzerrte Bassläufe und Punkriffs legen die beiden Freunde AARON CUPPLES und BENJAMIN GREEN Melodien, die eingängiger nicht sein könnten. Ihre 2010 erschienene Single „Less Unless“ schlug in der Blogosphäre ein wie eine Bombe. Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Band mit Rules ihr Debütalbum. Dieses hat eine ganz eigene Entstehungsgeschichte. Nicht nur, dass es zum Großteil via Email geschrieben wurde, waren es die Fans, die das Mastering und die Pressung mitfinanzierten. Im Gespräch mit CARTOUCHE zeichneten die beiden Freunde die Entstehung ihres Erstlingswerks in allen Einzelheiten nach und berichteten, auf welche Weise sie bei ihrer Arbeit vom Web 2.0 profitieren.

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BEN, AARON, wie habt ihr euer

Debütalbum Rules geschrieben? Ihr lebt ja nicht einmal in derselben Stadt. BEN, du wohnst in Barcelona und AARON, du in London. BEN: Die Distanz stellte kein großes

Hindernis dar. Statt zu jammen schickten wir uns Song-Ideen in Form von Audio-Dateien hin und her. Das waren in der Regel fast fertige Songs, zu denen der andere seinen Part hinzufügte, vorausgesetzt das Demo gefiel ihm. Rules wurde von euren Fans mitfinanziert. Wie kam es dazu?

AARON: Wir wollten unser Album

auf Vinyl veröffentlichen, hatten

aber nicht das notwendige Geld dafür. Deshalb fragten wir unsere Fans, ob sie nicht Interesse an einem Vinyl-Exemplar von Rules hätten und ob sie bereit wären, drei Monate im voraus dafür zu bezahlen. Den Spendenaufruf posteten wir bei FACEBOOK, das Geld sammelten wir über die Crowdfunding-Plattform INDIEGOGO. BEN: Die Resonanz war umwerfend!

200 Leute spendeten Geld, was uns die Möglichkeit gab, das Album in einem professionellen Studio mastern zu lassen und die Pressung von 2000 Schallplatten und CDs zu finanzieren.

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Und wir habt ihr die Kosten für das Tonstudio und das Artwork gedeckt? AARON: Das brauchten wir nicht. Wir nahmen das Album in BENS Schlafzimmer auf. Das war im Sommer 2011 während des Festivals PRIMAVERA SOUND. Am Tag spielten wir die Bassparts ein, in der Nacht gingen wir feiern! BEN: Das Plattencover haben wir

ebenfalls selbst entworfen.

Rules ist zu 100% made by CIVIL CIVIC. Warum habt ihr euch dazu entschieden, die Produktion selbst zu stemmen? War es, weil ihr keine Labels mögt? Oder habt einfach keins gefunden? BEN: Wir haben uns nicht nach

einem Label umgeschaut, weil es nicht notwendig war. Schließlich sind wir beide in Tonstudios aufgewachsen und wissen daher, wie man Musik aufnimmt. Warum hätten wir da den Weg über ein Label gehen sollen? Das machte für uns keinen Sinn, zumal es uns nur unnötig Geld gekostet hätte. AARON: Dennoch wäre es

manchmal schön ein Label zu haben, das uns dabei hilft unser Album zu bewerben. Im Gegensatz zu etablierten Labels haben wir weder das Geld noch die notwendigen 24

Kontakte, um eine große Werbekampagne anzustoßen. Das ist auch der Grund, warum wir soviel touren: Wir müssen unser Album promoten. Das könnte auch eine PR-Agenur übernehmen. Sind Labels überhaupt noch notwendig? AARON: Das denke ich schon, vor allem für Bands, die weder über das nötige Kapital noch über die Fähigkeiten verfügen, die man braucht, um ein Album in Eigenregie produzieren zu können. Wäre es ohne die Möglichkeiten des Web 2.0 so einfach gewesen, 200 Leute für die Vorfinanzierung zusammen zu bekommen? BEN: Das wäre bestimmt irgendwie gegangen, es wäre aber der reinste Albtraum gewesen! Früher war für eine derartige Aktion ein gewisser Bekanntheitsgrad oder eine umfangreiche Mailing-List notwendig. An welcher Stelle habt ihr noch vom Web 2.0 profitiert? BEN: Bei der Produktion unserer Musikvideos. Die Videos, die wir für CIVIL CIVIC gemacht haben, bestehen zum Großteil aus Material, das wir bei YOUTUBE gerippt und anschließend neu zusammengefügt haben. Der gelungenste Clip ist das Video zu „Run Overdrive“. AARON hat da wirklich ganze Arbeit geleistet.


Ihr nutzt also die stetig wachsenden Archive des Netzes. Wie sieht es mit Blogs aus? AARON: Blogs haben uns sehr geholfen! Einen Großteil unserer Hörerschaft haben wie über die vielen großen und kleinen Musikblogs erreicht, die positive Kritiken über uns geschrieben haben.

mal mehr in derselben Stadt wohnen, um ein Album zu schreiben. Das ist eine tolle Sache! -LUKAS DUBRO Foto: CIVIL CIVIC

BEN: Wir hatten großes Glück! Es

gibt eine Menge Bands, die ihre Musik an hunderte Blogs schicken, ohne dass diese über sie schreiben. Unsere Single Less Unless hingegen wurde kurz nach ihrer Veröffentlichung von einigen Blogs aufgegriffen und weiterempfohlen. Am Ende schrieben hunderte von Blogs über unsere Musik. AARON: Musikblogs haben über die

letzten Jahre extrem an Bedeutung gewonnen. Viele Musikmagazine schreiben von ihnen ab, Labels nutzen sie für die Talentsuche. Alles wurde auf den Kopf gestellt.

Ihr scheint von den neuen Verhältnissen auf allen Ebenen zu profitieren. AARON: Es sieht ganz so aus. Manche Leute sagen, die Welt sei in den letzten zehn Jahren sehr komplex geworden. Das mag stimmen. Auf der anderen Seite ist die Welt aber auch ein großes Stück zusammengewachsen. Viele Barrieren, die vorher unüberwindbar schienen, sind verschwunden. Man muss nicht 25


GESPRÄCHE

Sebastian Cowan SEBASTIAN COWAN hat eine simple

Lebensphilosophie: „Stehe früh auf und nutze den Tag”. Sein Erfolg gibt ihm Recht. Gerade mal 25 Jahre alt ist der gelernte Toningenieur aus Vancouver Chef seines eigenen Labels ARBUTUS RECORDS und Manager von GRIMES. Davor war er Betreiber einer der wichtigsten Live-Venues in Montreal, dem LAB SYNTHÈSE, das er im Alter von 21 Jahren mit seinem besten Freund DAVID eröffnete. Im SKYPE-Gespräch mit CARTOUCHE sprach SEBASTIAN über sein Label ARBUTUS RECORDS und die Musikszene Montreals. Auch verriet er, warum er so gerne früh aufsteht. 26


Guten Morgen SEBASTIAN, wie geht es dir? SEBASTIAN: Ganz gut soweit. Ich habe schon einiges erledigt heute, ich war bei der Bank und auf der Post und habe gerade ein zweites Mal gefrühstückt. Jetzt sitze ich an meinem Schreibtisch im Büro von ARBUTUS RECORDS. Du stehst also gerne früh auf? Richtig, gewöhnlich schon um sieben! Ich liebe den Morgen, ich kann dann besser arbeiten. Abends gehe ich zeitig ins Bett. Das klingt sehr vernünftig für jemanden der 25 Jahre alt ist. In Berlin ist man in diesem Alter einen ganz anderen Rhythmus gewöhnt, hier beginnt der Tag in der Regel etwas später. In Montreal ist das nicht anders. Die meisten meiner Freunde gehen spät ins Bett und schlafen dann aus. Das ist einfach nicht mein Ding. Ich nutze lieber den Tag.

Mit Erfolg. Du warst Betreiber einer einflussreichen Musikvenue und hast jetzt dein eigenes Label. Wann wurde deine Leidenschaft für Musik geweckt? In der Highschool. Einige meiner Freunde waren richtige Musiknerds und steckten mich mit ihrer Begeisterung an. Ich hörte alles, was ich kriegen konnte. Kurz darauf fing ich an, in mehreren Bands Schlagzeug zu spielen. Als ich dann später in London studierte, machte ich elektronische Musik. Die Alben, die WARP RECORDS in den 90ern herausgebracht hat, hörte ich damals rauf und runter. Wie kamst du auf die Idee, eine eigene Venue in Montreal aufzumachen? Nach meinem Studienabschluss in London entschied ich mich dafür, mein eigenes Ding zu machen und zog nach Montreal, um mit ein paar Freunden einen Konzertraum in einem Loft zu eröffnen. 27


Montreal ist der perfekte Ort für Kunst und Musik. Das Leben hier ist so billig, dass du auch ohne Job gut über die Runden kommst. Acht Monate nachdem wir das LAB SYNTHÈSE eröffnet hatten, beging einer von uns, mein bester Freund DAVID, Selbstmord. Das war ein großer Wendepunkt in meinem Leben. Ich verließ Montreal und ging zurück nach Vancouver. Die anderen beiden taten es mir gleich. Und was wurde aus dem LAB SYNTHÈSE? Das hatte ich eigentlich schon abgehakt. Ich wollte nicht mehr zurück nach Montreal. Doch dann rief mich mein Bruder ALEX an und sagte mir, dass in dem Projekt noch eine Menge leben stecke. ALEX war kurz zuvor in das Lagerhaus gezogen, in dem sich die Venue befand und in dem damals alle wohnten. Seine Worte hatten mich überzeugt. Ich sagte mir, es ist besser etwas zu tun, als nur rumzuhängen. Nach meiner Rückkehr hatte ich den Plan aus dem LAB SYNTHÈSE ein großes Gemeinschaftsprojekt zu machen. Auf jedem Konzert sollte mindestens ein Freund von mir 28

spielen. In dem Zeitraum wuchs mein Freundeskreis rasant. Warum hat du ARBUTUS RECORDS gegründet? Bei LAB SYNTHÈSE ging es nach DAVIDS Tod darum, Freunden zu helfen und ihnen eine Plattform zu bieten. Da ich sie auch außerhalb des LAB SYNTHÈSE unterstützen wollte, beschloss ich ein Label aufzumachen. Mit der Zeit wurde das Label immer wichtiger für mich, weswegen ich mich dazu entschied, das LAB SYNTHÈSE dicht zu machen. Diese Entscheidung war wie so viele andere zuvor rein intuitiv. Ich denke über solche Dinge nicht lange nach, es passiert einfach. Wie laufen die Geschäfte bei ARBUTUS RECORDS? Ich kann mich nicht beklagen, wir wachsen stetig! Zwar wirft das Label noch kein Geld ab, aber ich bin sicher, das ist nur eine Frage der Zeit. Wovon lebst du dann im Moment? Ich verdiene mein Geld als Tontechniker in Clubs. Aber ich glaube, ich werde bald damit aufhören. Auch wenn es nicht sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, ist es sehr anstrengend, zusätzlich zu meinem Job bei ARBUTUS RECORDS noch die ganze Nacht zu arbeiten. Ich brauche Zeit mich auszuruhen.


Ich finde es sehr mutig gerade jetzt ein Label zu gründen. Schließlich stecken Musiklabels seit Anbruch der digitalen Revolution in ihrer größten Krise. Labels haben in der Tat an Bedeutung verloren, weil du dich heute um vieles selbst kümmern kannst. Du kannst deine Alben zuhause am Computer aufnehmen und anschließend über das Internet vertreiben, einen PR-Agenten und einen Booker anzuheuern stellt ebenfalls kein großes Problem dar. Das war vorher viel schwieriger.

Dennoch können Labels sehr nützlich sein, besonders für kleinere Bands sind sie eine gute Option. Inwiefern? Labels haben in der Regel gute Beziehungen, weil sie schon lange im Business sind. Versuch einmal als unbekannter Künstler einen Vertrag mit einem Vertrieb zu den selben Konditionen wie zum Beispiel WARNER BROTHERS RECORDS

auszuhandeln - das ist unmöglich! Dennoch scheinen die Tage klassischer Labels gezählt. Was macht ihr besser? Wir verlegen nicht nur Musik,

sondern kümmern uns auch ums Management. Das hat klare Vorteile: Da du dem einzelnen Künstler auf allen Ebenen zur Seite stehst, entwickelt sich eine viel engere Beziehung. Dadurch weißt du immer, was der jeweilige Künstler braucht. Anders als andere Labels verkauft ihre eure Musik nicht nur, sondern bietet an, sie gegen eine Spende oder kostenlos herunterzuladen. Warum? Das ist ganz einfach: Was einem Künstler am Anfang seiner Karriere am meisten hilft, ist, dass so viele Menschen wie möglich seine Musik hören. Wenn du deine Musik verschenkst, erreichst du selbst diejenigen, die sich gar nicht für die Musik interessieren. Mit dem Debütalbum Geidi Primes von GRIMES sind wir so verfahren und hatten damit großem Erfolg. Und wie läuft es mit den Spenden? Jeden Tag spenden im Schnitt zwanzig Leute Geld. Zwar verdienen wir damit nicht so viel wie durch Verkäufe, dennoch sind die Spenden eine gute zusätzliche Einnahmequelle. Wäre das also ein Modell für die Zukunft? Die Zukunft liegt eindeutig im Streaming, da Hörer und Künstler davon gleichermaßen profitieren. Die einen können sich Musik kostenlos anhören, die anderen 29


bekommen für jeden gehörten Song einen festen Betrag ausgezahlt.

kurze Zeit später ihr Debütalbum Geidi Primes auf.

Seit neuestem kann man einem Sampler mit verschiedenen Bands aus Montreal kostenlos auf der ARBUTUS-Internetseite herunterladen. Sind die Bands auf dem Sampler ebenfalls Freunde von dir? Ja, das sind sie. Alle Bands kommen aus dem Umfeld des LAB SYNTHÈSE. Du musst wissen, dass die Bands auch untereinander gut befreundet sind. Viele der Musiker spielen in der Band des anderen. Das liegt zum einen daran, dass wir alle Englisch sprechen und somit eine Minderheit in Montreal sind. Zum anderen leben wir alle im selben Viertel, weshalb wir uns oft sehen. Ich liebe diesen Vibe.

Wer hat die Nachfolge des LAB SYNTHÈSE angetreten? Es gibt viele gute Konzerträume in der Stadt. Einer davon ist die Loft-Venue LA BRIQUE. Dort gibt es nicht nur eine Bühne, sondern auch Proberäume und ein Studio. Unser Büro ist dort ebenfalls untergebracht. Das Gebäude, in dem sich LA BRIQUE befindet, ist eine ehemalige Textilfabrik, die in den 60ern geschlossen wurde und in den 90ern von Künstler angemietet wurde. Das kennst du sicher auch aus Berlin!?

Welche Rolle spielte das LAB SYNTHÈSE für die Szene? Eine sehr große: Die meisten Bands sammelten im LAB SYNTHÈSE ihre ersten Live-Erfahrungen. Andere wiederum waren so begeistert von der Atmosphäre, dass sie ihre eigene Band gründeten. So auch GRIMES. Bevor CLAIRE BOUCHER anfing im LAB SYNTHÈSE abzuhängen, hatte sie hauptsächlich gemalt. Eines Tages zeigte sie meiner damaligen Freundin einen Song, den sie aufgenommen hatte. Ich war so beeindruckt von ihrer Stimme, dass ich sie unbedingt auf ARBUTUS RECORDS rausbringen wollte. Sie willigte ein und so nahmen wir 30

Richtig, die Stadt ist noch immer ein großer Abenteuerspielplatz. Hast du schon neue Pläne geschmiedet? Nicht wirklich. Ich mache erstmal mit ARBUTUS RECORDS weiter, schließlich läuft es gerade sehr gut für uns! -LUKAS DUBRO Foto: MARILIS CARDINAL



EMPFEHLUNG

GRIMES


„She’s like Britney at this point. I’m just a stooge”. Besser als JASPER BAYDALA, Mitarbeiter des Labels ARBUTUS RECORDS, hätte man den Hype um CLAIRE BOUCHER aka GRIMES nicht auf den Punkt bringen können. Seitdem die Kanadierin im März ihr drittes Album Visions auf dem renommierten britischen Label 4AD veröffentlicht hat, reißen sich alle um sie. An BOUCHER heranzukommen scheint momentan ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, sodass selbst gute Freunde wie BAYDALA da nicht weiterhelfen können. Doch ist der Rummel um die Musikerin berechtigt? Um es vorweg zu nehmen: Ja, das ist er in der Tat! CLAIRE BOUCHER hat mit Visions eines der wegweisendsten Alben der vergangenen Jahre aufgenommen. Die Musikerin aus Montreal kommt aus dem Umfeld des Labels ARBUTUS RECORDS und des bereits geschlossenen Musiklofts LAB SYNTHÈSE. Auf ARBUTUS RECORDS erschienen ihre ersten Alben Geidi Primes und Halfaxa, im LAB SYNTHÈSE spielte sie ihre ersten Shows, der Gründer beider Institutionen, SEBASTIAN COWAN, ist ihr Manager. Eigentlich war sie zum Studium nach Montreal gekommen, doch als GRIMES immer mehr Resonanz bekam, schwänzte sie die Kurse, bis sie irgendwann von der Uni flog. 33


BOUCHERS Musik ist glücklicherweise weit weniger

klischeebehaftet. Ganz im Gegenteil ist das Besondere an der Kanadierin, dass ihr Sound schwer einzuordnen ist. Es wirkt genialistisch, wie sie 90’s-Ravesynthies mit asiatischen Harmonien kombiniert. Wer nun aber denkt, die Musikerin mache bizarre Weltmusik, der irrt. BOUCHERS Songs strahlen eine hypnotisierende Düsternis aus, die Witchhouse und GothHörer_innen nicht unbekannt sein dürfte. Sie lässt die meisten Witchhouse-Künstler jedoch links liegen, da sie es im Gegensatz zu ihnen schafft, richtige Songs zu schreiben.

Boucher selbst bezeichnet ihre Musik als „Post Internet”. Die treffendere Bezeichnung wäre „Cybertechno”. GRIMES macht elektronische Musik, die ein verwor-

renes Dickicht aus verschiedensten Zitaten und Stilen ist. Sie profitiert von den offenen Archiven des Internets, von dem einfachen und schnellen Zugang auf Musikstile aus der ganzen Welt. In dem Moment, in dem man denkt, man habe das System GRIMES durchschaut, wird man von der Sängerin eines besseren belehrt. Das liegt auch an ihrem ausgefallenen Songwriting. Die Kanadierin hat ein Händchen für die richtigen Melodien. Zuckersüß können diese sein, eingängig sind sie allemal. Doch anstatt simple Popsongs zu schreiben, bastelt BOUCHER lieber komplexe Gebilde. Immer wieder bricht der Beat los, um in der nächsten Sekunde zu stoppen, einem Pianoriff zu weichen oder sich in eine Fläche aufzulösen. Es gibt Momente, da überlappen sich die Tonspuren, ein Durcheinander aus verschiedenen Stimmen entspinnt sich, hier eine ein Technoriff, dort ein Ravebass. Wenig später sind ein Breakbeat und eine Synthiefläche alles, was BOUCHERS Elfenstimme begleitet. Dass ihre Songs in der Regel nur aus einer einzigen Akkordfolge bestehen, fällt da gar nicht weiter auf. 34


Schon auf ihrem 2010 erschienen Erstlingswerk Geidi Primes reihte sich ein brillianter Song an den anderen. Auf Visions hat sich daran nichts geändert, nur wirken die Lieder auf ihrem neuesten Album wie aus einem Guss und weniger verspielt. Die düster wabernden Techno-Bässe, die reverbüberladenen Synthie-Flächen und BOUCHERS Stimme harmonieren perfekt miteinnander. Auch ist es der Musikerin gelungen, ihren Gesang weiter zu verfeinern, der sich auf Visions von all seinen Facetten zeigt: Mal ist ihre Stimme ein zartes Hauchen, mal ein jammerndes Jaulen, mal ein druckvolles Schreien. Dabei erreicht sie oft Höhen, die man sonst nur aus chinesischen Opern kennt. Was über all dem schwebt, das ist BOUCHERS Sinn für die richtige Ästhetik. Alles was die kanadische Musikerin macht, hat einen starken Wiedererkennungswert. Das gilt sowohl für ihre Musik als auch für ihre Videos. Während sie sich im Video zu „Crystal Ball” als schwarz gekleidete Waldhexe mit einem turmhohen Hut auf dem Kopf präsentiert, sitzt sie im Clip zu „Oblivion” in der Umkleide-Kabine eines Footballstadions umgeben von durchtrainierten Männerkörpern und hüpft mit einer Gruppe euphorisierter Fans auf der Tribüne. Es besteht kein Zweifel: CLAIRE BOUCHER hat das Zeug dazu, richtig groß zu werden. Größer noch als BRITNEY SPEARS. Denn was BOUCHER der ehemaligen Ikone unzähliger Teenager voraus hat, sind ihr Charme und ihre Lockerheit. Chapeau Miss BOUCHER! -LUKAS DUBRO

Fotos/Artwork: 4AD/BEGGARS GROUP

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NO FEAR OF POP EMPFIEHLT

LAUREL HALO „Quarantine” & „Spring” „Words are just words / Words are just words / That you soon forget.” Mit diesen Zeilen endet Quarantine, das jüngste Werk der New Yorker Künstlerin LAUREL HALO, das ganz offiziell als Erstling firmieren darf, waren es in den vergangenen zwei Jahren doch lediglich einige EPs und eine Reihe von Remixen, mit der die in Michigan in Rufweite Detroits aufgewachsene Musikerin auf sich aufmerksam gemacht hatte. Jedoch täte man ihr unrecht, betrachtete man jenes Frühwerk lediglich als zufällige Ansammlungen voneinander isolierter Tracks: Schon mit King Felix, Hour Logic und Antenna hatte HALO klar gemacht, dass es ihr nie um den Song an sich gehen würde, sondern immer um etwas darüber Hinausweisendes, um 36

ein Konzept, welches den einzelnen Track zu transzendieren vermag. Auf King Felix im Jahr 2010 war das solider und sehr zeitgeistiger Elektropop, die EP bestand aus „Songs“ im traditionellen Sinne, getragen von Halos glockenklarer Stimme, die, wie sie nie zu verstecken versuchte, mithilfe von Autotune in der korrekten Tonlage gehalten wurde und die mit genug Hall und Echo soweit verfremdet worden war, dass man die Autorin nicht mehr unbedingt als sie selbst erkennen konnte. Antenna versammelte beat-lose Meditationen, Synthesizer-Spielereien, Klangexperimente im eigentlichen Sinne, zusammen gehalten nur durch die schiere Wucht von HALOS Vorstellungskraft.


Hour Logic schließlich, im Sommer 2011 fast zeitgleich mit Antenna auf dem Hipsterlabel der Stunde HIPPOS IN TANKS erschienen, verdeutlichte dann erstmals das ganze Potential einer außergewöhnlichen, ja wahrscheinlich einzigartigen Künstlerin. Die größtenteils ohne Vocals erschaffenen Tracks negierten die Grenze zwischen Synthpop, hypnagogischer Psychedelik und Spielarten eher klassischer Tanzmusik wie Techno oder House so konsequent, dass nicht mehr ganz deutlich war, zu welcher Gelegenheit man solch höchst intellektuelle Musik eigentlich hören sollte: Tanzmusik, zu der man nicht tanzen konnte, hypnotische Musik, zu vertrackt und hektisch zur Kontemplation. So blieb nur die Aus-

einandersetzung. All dies kam noch einmal verstärkt zum Ausdruck im Titelstück, einem neunminütigen Monster, einer Apotheose des Techno, einem Track, der aus rein theoretischem Interesse die Bedingungen der Möglichkeit von Tanzmusik auszuloten schien: einem Prolegomenon einer jeden künftigen elektronischen Musik. Mit anderen Worten, Kunstkacke. „Words are just words / Words are just words / That you soon forget.” Nun also Quarantine, LAUREL HALOS Debütalbum. Und erneut ist ihr keineswegs an Erfolgsrezepten gelegen, stattdessen wurde wieder, schon wieder, scheinbar der Reset-Knopf gedrückt. Wo King Felix mithilfe von HALOS Stimme 37


Popsongs erschuf, wo Antenna mäandernde Studien entwarf, und wo Hour Logic die Grenzen des Techno überschritt, überall dort setzt Quarantine erst an, die vergangenen Ideen und Konzepte zugleich aufnehmend und schroff verwerfend. Plötzlich ist HALOS Stimme wieder im Vordergrund, schmerzhaft im Vordergrund mag man versucht sein zu urteilen, schließlich wurde diesmal auf den Einsatz technischer Hilfsmittel so gut wie ganz verzichtet. Kein Autotune, kein Hall verwandeln die stimmlich nicht ausgebildete und bisweilen unsichere Musikerin in eines dieser makellosen, entmenschlichten Wesen, die die Charts bevölkern und an deren musikalischer Duktus schon allzu 38

vertraut klingt, so sehr, dass ein Vortrag wie hier: glasklare Vocals, oft ein paar Hertz über oder unter der „richtigen“ Frequenz, ungefiltert und ohne offensichtliche Effekte produziert, fast wie ein Affront erscheint. Zumal die Mischung ebenfalls bemerkenswert ist: Der Gesang dominiert fast sämtliche Tracks, die sparsame Instrumentierung, zumeist eine größere Menge übereinander gelagerter Synth-Flächen, bleibt weit im Hintergrund, Beats sind so gut wie überhaupt nicht zu vernehmen und fungieren, wenn überhaupt, nicht als übergeordnete Strukturierung, sondern nur als subtile Unterstützung des vorhandenen, von Stimme und der oszillierenden


Frequenz der Synths gehaltenen Rhythmus. Worte, so wird beim Hören schnell klar, sind eben nicht nur Worte, zumal in der Popmusik.

So wie hier hat man Worte wohl noch nicht vernommen. Ob wir sie allerdings schon bald wieder vergessen haben werden, das wird sich erst zeigen. LAUREL HALO, soviel ist einmal

mehr überdeutlich geworden, ist eine Suchende, und sicher wird ihr nächstes Werk einen erneuten Bruch mit überkommen Strukturen erzeugen, und vermutlich wird sie erneut zu überwältigen wissen. Ein deutlicher Hinweis war bereits Spring, jene überaus faszinierende EP, die nur wenige Wochen vor Quarantine erschienen ist, und auf der sich drei von vier Tracks mit demselben gefilterten OrchesterSample beschäftigen, mit Stukturen

des Techno, House und Footwork spielend – eine EP, die unter dem Namen King Felix erschien, nicht LAUREL HALO, um mehr künstlerische Freiheit zu ermöglichen, wie sie mir kürzlich erzählte. Wer nach vier so unterschiedlichen Werken dennoch das Gefühl hat, andere Namen annehmen zu müssen um sich kreativ ausleben zu können, der ist, soviel scheint sicher, noch lange nicht am Ende angekommen. Erschienen ist Quarantine bei HYPERDUB, jenem Londoner Label, das von vielen ausschließlich mit Dubstep und anderen Varianten des britischen Underground in Verbindung gebracht wird, das aber schon immer jenseits des Tellerrandes wegweisende Musik zu suchen bereit war. Und wegweisend, nichts weniger und nichts anderes ist Quarantine. -HENNING LAHMANN ist der Kopf hinter No Fear of Pop und schreibt auch sonst hier und da über Musik

Artwork: HYPERDUB

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EMPFEHLUNG

Kpop

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Boybands sind tot, es lebe die Boyband! BACKSTREET BOYS und NEW KIDS ON THE BLOCK sind wieder da. Im

Doppelpack ziehen sie gerade durch nicht ganz ausverkaufte Hallen. Um der alten Zeiten und der Altersvorsorge willen. Die Tonlage der entzückten Schreie vor der Bühne ist um ein Oktave gefallen, es blitzen nun Lesebrillen statt Zahnspangen im gleißenden Gegenlicht, vielleicht spielen sie bald mit den Flippers und Status Quo in Heuschobern. Der Musikdozent UDO DAHMEN erklärt in der TAZ, dass Boybands mit dem ersten Freund der Teeniemädchen durch anspruchsvollere Musik abgelöst werden. Besonders wenn der Freund Hip Hop hört. Das mag in den Zeiten von Eurodance gegolten haben, die derzeit erfolgreichste Boyband der Welt jedoch kommt aus Südkorea und hat mit Hiphop angefangen. Sie heißt BIG BANG. Der Sound mäandert zwischen Mainstream amerikanischer Prägung und triefenden Schnulzen, vorgetragen von verwegen bemützten Kids. Aber irgendetwas ist anders. Auf das Narrativ des sozialen Aufstiegs oder im Sandkasten geschlossener Männerfreundschaften verzichten BIG BANG, ihr Leitmotiv

heißt Entertainment. Die koreanischen Boys erfuhren einen Drill wie sonst nur die Leichtathleten im sozialistischen Norden. Der Betreiber des Labels YG las die Jungs von der Straße auf, und das heißt in Südkorea natürlich etwas anderes als in East Harlem: Der Vorstadtidylle entrissen, um von nun an für den Ernstfall am offenen Herzen asiatischer Mädchen zu trainieren. Nur einer von ihnen, DAESUNG, ist gecastet. Er ist nicht hübsch, sondern talentiert. Man kann den sechs Jungs, natürlich ein Spektrum an Typen abdeckend, gleichwohl sorgsam bartlos, dabei zusehen, wie sie in den letzten acht Jahren von unbeholfenen Usherepigonen zu Helden der Unterhaltung heranreiften. Harte Arbeit vor der Spiegelwand, das Spiel mit der Kamera in tausendfacher Wiederholung. Wie Sportler sehen sich die Koreaner ihre Fehler auf dem Bildschirm an, einen Stab von Choreographen und Gesangslehrern an der Seite. Das konfrontativ vorgeschobene Kinn hier, die beiläufige Handbewegung dort, alles muss sitzen. Nach der Tanzschule Japanischunterricht, der gesamte Pazifikraum wird bedient, die Songs jeweils neu eingesungen. 41


Bei all dieser Zurschaustellung asiatischer Akribie kommt der Zuschauer nicht umhin, die Parallele zu Produktfälschungen zu ziehen. Allein, in diesem Fall ist das Ergebnis besser als das Original. TAEYANG etwa, der Posterboy der Gruppe, ist längst so gut wie seine amerikanischen Vorbilder. Das Pingpongspiel der Kulturen befindet sich bereits in vollem Gange, die überspitzte Imitation kommt in Nordamerika und Europa bestens an. Koreanischer Pop wird hier gleichsam von hello-kitty-affinen Mädchen und jungen Hipstermännern aufgegriffen – wenn die reziproke Stilvermengung wie im Falle von BIG BANG gelingt. Auch in der Wahl ihrer Producer können sich BIG BANG gegen die aalglatte Konkurrenz, etwa die chinesischkoreanische Band EXO, abgrenzen. Während dort die wunderbar losen Grenzen des Geschmacks der asiatischen Turbojugend geradezu unterfordert werden, schickt der brillante Producer DIPLO seine Beats ganz selbstlos zu den Jungs von BIG BANG. Die seien nämlich „richtig gute Rapper“. Das Resultat der Zusammenarbeit wird ein Riesenhit. Obwohl, oder gerade weil der Text geht:

„They say bubble, bubble, double, double – combo“. 42

Was klanglich immer manieriert bleibt, wird in teuren Musikvideos zum spektakulären Ritt durch den Zitatedschungel. Im Video für den Song „Fantastic Baby” räkeln sich wahnwitzige Frisuren zu niedrigbittigen Versatzstücken früher Unterhaltungselektronik und dem anglo-koreanischen Kauderwelsch ihrer Träger. Einer der Boys sieht aus wie der Sänger von HUMAN LEAGUE, mit dem nächsten Wimpernschlag erscheinen plötzlich die Masken von DAFT PUNK. Oder halt, nur so ähnlich. Mehr wie der Visor eines japanischen Rollenspielcharakters. Und DAFT PUNK verehren japanische Animationsfilme. Das Prinzip Boyband wird pädagogisch wertvoll von biederen Deutungsmustern befreit und um Superheldentum und Kostümspiel erweitert. Nach dieser fernöstlichen Nadeltherapie auf dreieinhalb Minuten tränen die Augen, das Quecksilber läuft fröhlich über die Tastatur. „Fantastic Baby” schaffte es auf dem Hipsterportal STEREOGUM sogar zum Video der Woche. Als Projektionsfläche eignen sich die sechs Zweckfreunde indes kaum. Sie sind Gefangene einer irgendwie bigotten Wertegesellschaft. Als der Frontmann GDRAGON in einem Tokioter Club mit Marihuana gesichtet wurde, kam gleich am nächsten Tag die gespielte Empörung in Form einer Pressemitteilung des Labels. Freilich


habe der Sänger noch nie Marihuana konsumiert und den feilgebotenen Joint eines Fans für eine harmlose Zigarette gehalten. Rauchen ist in Asien schließlich voll okay. Das gleiche wiederholte GDRAGON, flankiert von seinen mit falschen Tattoos bemalten Bandkollegen, dann in einer Talkshow. Er und die anderen sind schließlich Botschafter des Konsums. Manch ein Song wird schon mal eigens für die Kampagnen der koreanischen Mobilfunkunternehmen geschrieben. Das erklärt vielleicht, warum YG ENTERTAINMENT mit gerade mal 10 Einzelkünstlern und Teeniebands einen Umsatz von über 50 Millionen Dollar einfährt und kurz vor dem Börsengang steht. An diesem Phänomen, Badboytum als choreographierte Verschwörung, perlen die Argumente der Sozialforschung ab, die Durchdringung des fremden Kulturkreises obliegt eben der koreanischen Forschung. Ihr mangelt es gottlob an Selbstreflexion. Im Land neben dem Land der aufgehenden Sonne sind sie heilsam geblendet von einer popkulturellen, äh, Kernschmelze. -PAUL SOLBACH betreibt das Berliner Start-up du.sagst.es

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SOUNDS BY FENSTER

America is everyone who’s in it. Auf unserer Tour reisten wir für eine kurze Zeit an der Ostküste der USA entlang – von New York City bis nach Detroit und Cleveland und wieder zurück durch die grünen Berge Vermonts. Das sind einige Bands, denen wir uns auf unserem Trip begegnet sind. So klingt Amerika. Download http://cartouche-blog.de/fenstersounds2

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► I.

Spanish Prisoners - Know No Violence II .

Daytona - Undertow

III .

Birthdays - I’ve Been Growing

IV .

She Keeps Bees - Sister Beware

VII .

V.

Rifle Recoil - Prototype

VI .

Japanther - Cable Babies

Fat History Month - Things I Enjoy VIII .

IX . X.

Pile - Pets

The Shivas - Gun in my pocket

Vermont Joy Parade - Don’t Tell My Poor Mama XI . XII .

Oh! Pears - Under the Olive Trees

The Sea Around Us - Capital Punishment XIII .

Dead Mellotron - Dead Lover

XIV .

Wild Yaks - Million Years

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FOTOSERIE

PAULA habe ich an einem Samstag im Mauerpark kennengelernt. Sie erinnert mich an Sommer.

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LEAF CITY von QING QING MAO


ATI ist eine Modedesignerin aus Israel. Ihr Laden in Prenzlauer Berg ähnelt dem „Red Room” aus der Serie Twin Peaks.

Spitzenshorts sind hübsch und sportlich zugleich.


Dieses Mädchen lief mir bei meinen Streifzügen durch Berlin über den Weg. Das Muster auf ihrem Kleid, ihr Kurzhaarschnitt und ihre Bohemian-Ohrringe machen sie zu einer klassischen Schönheit.


Während meiner letzten Tage in Berlin besuchte ich DIANA aka SIBILLE JEAN in ihrem Studio und bei ihr zuhause. Sie erzählte mir, dass „This Used To Be My Playground” ihr Lieblingsalbum von MADONNA sei.

Das ist mein Covergirl NATIA. Das Vintage-Seidenkleid zog sie extra für mich an.


QING QING MAO ist eine Fotografin aus den

Niederlanden. Im Moment arbeitet sie an dem ersten Band ihrer Buchreihe Leaf City. Das Konzept dieser Buchreihe ist es eine Stadt und die Menschen dir in ihr leben vorzustellen. Dabei setzt QING QING auf spontane Unterhaltungen und Fotos, in denen sie kreative Menschen, ihre Wohnungen und Szenen festhält, die sich zufällig auf der Straße ereignen. Es geht aber nicht nur darum den Moment auf Zelluloid zu bannen, sondern auch darum, über das Bild hinausgehende Brüche und Entwicklungen aufzuzeigen. Deshalb auch der Name Leaf City.


FÜNF FRAGEN AN...

Nate Williams NATE WILLIAMS ist eine wichtige Größe in der Welt der Illustration. Zwei bedeutende Design-Plattformen rief er ins Leben: LETTER PLAYGROUND, das eine Heimat für Fans handgemachter Schriftarten ist und ILLUSTRATION MUNDO, auf der kreative Köpfe ihre Liebe

zur Illustration, Animation, Schrift und allem, was dazwischen liegt, miteinander teilen können. Über diese Community-Projekte hinaus hat der US-Amerikaner über die Jahre ein umfangreiches Werk geschaffen, eine versponnene Welt aus Löwen, Allraketen und handgemalten Schriftarten. CARTOUCHE stellte dem Designer fünf Fragen über seine Arbeit, seine Einflüsse und seinen Alltag. 52


1.

Wiederkehrende Themen in meiner Arbeit...?

… gibt es drei. Das erste Thema lautet: BE AWARE OF NEWS AND ENTERTAINMENT. Vor langer Zeit habe ich aufgehört, den Nachrichten zu trauen. Der Grund dafür waren die Anti-WTO-Proteste in Seattle 1999. Die Medien übertrieben damals maßlos. Klar, es gab Ausschreitungen, die ganze Stadt hat trotzdem nicht gebrannt. Ich war selbst vor Ort und konnte mir mein eigenes Bild von der Situation machen. Meine Freunde riefen mich an, nachdem sie die Schreckens-Berichte im Fernsehen gesehen hatten, um mich zu Fragen, ob ich wohlauf sei. Das fand ich sehr unheimlich. Das zweite Thema ist LOVE AND OPTIMISM. Die Nachrichten können dir glauben machen, dass es nur Schlechtes auf der Welt gibt. Wenn du aber den Fernseher abschaltest, nach draußen gehst, reist und dich mit Freunden triffst, dann merkst du, wie schön der Planet ist, auf dem wir leben. Ich glaube an das Gute im Menschen, dass wir uns in Wirklichkeit alle lieben und gegenseitig aufeinander achten. Das letzte wichtige Thema heißt NURTURE YOUR SUBCONCIOUS, es ist inspiriert von meiner Zeit bei MICROSOFT, wo ich lange als Webdesigner tätig war. Zwar war der Job dort eine interessante Erfahrung für mich, denn fehlte mir das Intuitive, das Unterbewusste. Da ich das nicht missen wollte, rief ich das Zine HOLA MIGA ins Leben. Wenig später entschied ich mich dazu, das Projekt auszuweiten und dehnte die Erkundung meines Unterbewusstseins auf andere Bereiche meines Leben aus. Ich lernte Sprachen, lebte in einem anderen Land, erweiterte mein Wissen über Geschichte und die Natur und, das ist das wichtigste, nahm mir Zeit, zu denken, zu hinterfragen, zu entdecken und neue Erfahrungen zu sammeln.

2.

Ich habe eine Leidenschaft für handgemachte Schriftarten, weil...?

… sie den Worten eine Stimme geben. Auf einem unterschwelligen Niveau erzählt eine Schriftart dem Betrachter, wie er ein Wort zu interpretieren hat, genauso wie bei einem Horrorfilm die Musik. Ohne die richtige Hintergrundmusik würde kein Gruselstreifen bestehen! 53


3.

Meine wichtigsten visuellen Inspirationen sind...?

{Punk Flyers aus Berkley} {Mexikanische Holzschnittkunst} {Nahrungsmittelverpackungen aus Japan} {Marisol Escobar} {Picasso} 54


4.

Mein gewöhnlicher Arbeitstag...?

… beginnt damit, dass ich mich um meinen Sohn kümmere und ihn zur Schule bringe. Ist das erledigt, treffe ich mich mit einem Freund zum Kaffee oder ich gehe in den Park, um mir ein paar neue Ideen zurechtzulegen und Skizzen anzufertigen. Wenn ich nach Hause komme, beantworte ich Emails und widme mich den Dingen, für die ich einen Computer brauche. Später gehe ich dann ins Fitnesscenter oder raus zum Joggen, drehe mit meinem Hund eine Runde, esse Mittag und hole schließlich meinen Sohn von der Schule ab. Am Nachmittag unternehme ich dann etwas mit ihm. Entweder gehen wir in den Park, fahren Fahrrad, malen oder spielen, lesen etwas oder schauen einen Film. Danach arbeite ich dann wieder für eine Weile, kümmere mich gemeinsam mit meiner Freundin ums Abendbrot und gehe noch einmal mit meinem Hund Gassi. Spät am Abend surfe ich dann im Internet, schaue Fernsehen oder lese.

5.

Ein erfolgreicher Illustrator...?

… braucht einen einzigartigen Stil, technische Fähigkeiten, Marketingkenntnisse und die richtige Einstellung. Ich habe einen Artikel zu dem Thema geschrieben, er heißt „How to start your Illustration Career”. - www.n8w.com/wp/552

www.n8w.com www.holaamiga.com www.alexanderblue.com www.illustrationmundo.com www.letterplayground.com -JAMIE JONATHAN BALL illustriert und erzaehlt Geschichten unter dem Synonym Little Kingdoms Eu. Er wurde das letzte mal in Nordindien gesehen. Foto/Illustration: NATE WILLIAMS

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THEORIE

Kollektives Vergessen Kultur ist nicht was im Museum steht oder in der Oper aufgeführt wird, Kultur ist was wir daraus machen. Viele von uns haben sich längst von der Idee einer festen Leitkultur verabschiedet und bauen sich mit Filmen, Buttons, Kleidung, Tätowierungen, Büchern und dem eigenen Musikgeschmack einen auf den Leib geschneiderten Bedeutungskosmos auf. Oft vergessen wir dabei um die Geschichte oder ehemalige Bedeutung von Gegenständen, Handlungs- und Verhaltensweisen oder aber beziehen uns ganz bewusst darauf - oft Jahrzehnte später in einem neuen, vielfach kommerziellen Kontext. Aspekte globaler Kulturen leben demnach in ihrer/unserer Praxis und werden dabei fortlaufend umgedeutet. Das Stichwort lautet: Neukontextualisierung. Denn die Dinge sind nicht, was sie sind. Sie sind, was wir denken was sie sind und was wir mit ihnen anstellen. 56


„...das Leben ist wie Zeichnen ohne Radiergummi” So viel Ehrlichkeit vorweg: fand ich diese im Internet dokumentierte Einschreibung im öffentlichen Raum anfangs noch originell, so wurde dieser Eindruck schnell wieder revidiert. Stöbert man nämlich im kollektiven Gedächtnis des Internets, stellt sich diese Aussage als viel und leider oft auch falsch zitierte Plattitüde heraus. Neben oben angeführtem Vergleich tauchen noch Metaphern auf wie „Das Leben ist ein Zeichnen ohne Radiergummi” oder „Das Leben ist Zeichnen ohne Radiergummi”. Wahlweise werden der österreichische Maler und Schriftsteller OSKAR KOKOSHKA oder ein gewisser KEES SNYDER als Urheber angeführt. Dabei scheuen die Zitierenden weder vor der hochintellektuellen Ausformulierung ihrer individuellen Deutungsmuster, noch schrecken sie vor der Instrumentalisierung geliehenen Gedankenguts zur Be-werbung der gnostischen Lehre bzw. zur Aufklärung gegen Schwangerschaftsabbrüche zurück. Zwar kenne ich den genauen Entstehungskontext dieser Aussage nicht, die den Autoren oftmals nicht anführende Reproduktion im Internet und auf bedruckten Radiergummis im Schreibwarenladen jedoch macht den Eindruck, als habe dieser Satz ein „Eigenleben” entwickelt. Losgelöst von seinem

ursprünglichen Kontext und der hochkommunikativen, öffentlichen Dynamik einer transformierenden Gesellschaft unterworfen, wird der Satz zum geflügelten Wort. Dieses Phänomen ist keineswegs einzigartig, sondern vollzieht sich seit jeher mal auffälliger und mal unauffälliger. Eine begünstigende und öffentlich einsehbare Plattform für derartige Umdeutungen von Sinnzusammenhängen und Konnotationen ist heute das Internet. Dieses globale Netzwerk macht es nicht nur möglich in höherer Geschwindigkeit zu kommunizieren, sondern auch immer wieder kulturelle Grenzen hinter sich zu lassen. Musiker und Designer, Architekten und Schriftsteller, Musik- und Modefans - viele zitieren heute und gehen dabei sehr selektiv vor. In Anlehnung an menschliches Schaffen, tradierte Mythen, Bauwerke, Lieder und Geschichten, werden Dinge im Jetzt erschaffen, welche selbst in detailgetreuer Rekonstruktion nie wieder an ein vermeintliches Original oder ein historisch verzerrtes Bild von Zeitgeist heranreichen.

Einschreibung im urbanen Raum

Sieht man sich die Website des ausgewählten Beispiels an, stößt man 57


auf eine ganze Reihe symbolischer Einschreibungen in Berlin. Diese modernen Palimpseste gehen auf eine antike Kulturtechnik der Wiederbeschreibung zurück. Vormals auf ausgewaschenen oder abgekratzten Manuskriptseiten ausgeübt, hat diese reproduktive Technik im Laufe der kontinuierlichen Anwendung selbst eine De- und Neukontextualisierung erfahren und sich in den öffentlichen Raum verschoben. Autoren treten bei diesen modernen Beispielen in den Hintergrund, vielfach wird einfach zitiert. Auch sind die Einschreibungen vielerorts nicht lange erhalten, da sie entweder entfernt oder aber von den Nächsten verdeckt werden. Dann ist da der selbst- und kontextreferentielle Inhalt des Satzes: ein Palimpsest im öffentlichen Raum, in dem es potentiell jederzeit „radiert” werden kann, reflektiert seine eigene „gezeichnete” Machart. Inhaltlich eine Unumkehrbarkeit postulierend, ist die Einschreibung in ihrer Form, ihrer kontextuellen Gestalt und als Produkt eines Lebens doch so auflösbar und dabei in einer Differenz wieder rekonstruierbar in einem neuen raumzeitlichen Kontext. In Kombination mit noch einem anderen Sachverhalt führt die Beobachtung dieses urbanen Intertextes zu einer interessanten Vermutung. Im wissenschaftlichen Kontext der 58

Medizin bezeichnet der Terminus Palimpsest das Phänomen des Filmrisses, also der Erinnerungslücke nach alkoholischem Rauschzustand. In beiden Verwendungskontexten konstituiert sich demnach ein festes Moment in der Bedeutung dieses Wortes: das Löschen. Es ist diese Beschreibung einer Amnesie, die in der angeführten Darlegung zu der Frage führt, wie es um das Vergessen beim kulturellen Gedächtnis steht. Wenn kulturelle Gedächtnisse durch gemeinsame Einschreibungen und damit auch Palimpseste konstruiert bzw. erhalten oder modifiziert werden, diese Einschreibungen selbst - zumindest in ihrer kontextgebundenen Form - aber vergänglich sind, besteht dann die Möglichkeit der kulturellen Amnesie?

Ein Exkurs in die Kulturwissenschaften

Folgt man den Ausführungen KARL H.HÖRNINGS und JULIA REUTERS, ist Kultur als ein dynamischer Pro-zess zu begreifen. Der Praxistheoretische Ansatz der Cultural Studies lässt das noch von GEERTZ postulierte, symbolisch-abstrakte selbstgesponnene Bedeutungsnetz hinter sich und untersucht den Begriff jenseits normativer Dispositionen in seiner pragmatischen Dimension. Die „Doing Culture” manifestiert sich abseits einer theoretischen Kompetenz in einer alltäglichen Performanz, aufrecht


erhalten von einem Kultur schaffenden Menschen. Führt man sich hier vor Augen, dass das „Kulturwesen” Mensch nicht nur kulturelle Nachlässe verwaltet und modifiziert, sondern auch immer noch neue generiert, dann stellt sich einem die Frage nach der Verfassung des kulturellen Gedächtnisses. Trotz inkoorporierter und externer technischer Speichermedien und gerade im Angesicht einer überaus schnelllebigen, globalisierten Populärkultur, stößt der Mensch an die Grenzen der Memoration. Allerdings: im Gegensatz zur konkreten Form einer einzelnen kulturellen Einschreibung und Konstruktion, die im Grunde immer von Individuen abhängig ist, lebt die Kultur über beide weit hinaus. Sie mag sich in einer Vielzahl solcher Einzelakte begründen, ist aber als kollektives Orientierungsprogramm schließlich über sie erhaben. Nichtsdestotrotz lässt sich bereits jetzt beobachten, wie der Zugriff auf Traditionen und die gemeinschaftliche Ko-Memoration in Kulturräumen gerade in säkularisierten Gesellschaften wie der unseren immer selektiver werden. Soziale Dispositionen erfahren mit dem Prozess der Individualisierung und der Erschaffung eines zunächst klassenlosen Raumes namens Internet eine viel größere Dynamik. Galt früher als Maxime

eine schöngeistige Hochkultur, ein ererbtes Repertoire ehemals führender Gesellschaftsschichten, dessen sich dann die Bildungsbürgerschicht annahm und welches noch Horkheimer und Adorno gegen die „verdummende Kulturindustrie” ermahnend abzugrenzen suchten, dominiert heute die massenmediale Transformationsmaschine Pop.

Subversiv und hungrig, dekontextualisierend und reproduzierend, bedient sich die Popkultur wo sie nur kann. Angeheizt von der Werbe-, der Musik-, der Literatur-, der Kunst-, der Film- und der Modeindustrie und beschleunigt im delokalisierten Ort des Internet, vermengen sich in ihr die Narrative, Texte und Traditionen aus unterschiedlichen Kulturgebilden. Dabei werden nicht nur Bestandteile weltweiter Leit- und Subkulturen transformiert, sondern auch Errungenschaften der Popkultur selbst. Es wird ge-remixt.

Kultur als Selbstbedienungsladen

Wo der eine nun eine erfolgsverspre59


chende Marktlücke wittert, bringen andere Kritik an. So kommt auch JONAS WOLF in seiner Bachelorarbeit „Die Kunst der Kontemplation - Wider unser Kommunikation” von 2011 in einem Kapitel auf den Remix zu sprechen. Aufbauend auf der eingehenden Analyse einer überkommunizierenden Gesellschaft und der Flusserschen Unterscheidung zweier Grundpfeiler der Kommunikation Dialog und Diskurs, attestiert er unserer Leistungsgesellschaft eine diskursive Tendenz, die nach der Gliederung MICHEL MANFÉS einen Informationsmangel auf breiter Ebene bedeute. Dialoge kämen, einem zeitlichen- und einem Leistungsdiktat geschuldet, nicht mehr zu Stande und die Kommunikation offenbare ihre problematische Komplexität. Baudrillard zitierend folgt er so „Die Zeit der Re-Produktion […] ist die Zeit des Codes, der Streuung und der totalen Austauschbarkeit der Elemente” (Baudrillard, 1978, S. 21 in Wolf, 2011, S. 33 f.). Lässt dieses Zitat nicht schon genug Rückschlüsse auf die Beschaffenheit unseres kulturellen Repertoires und unseren diesbezüglichen Umgang damit zu, lässt sich noch eine weitere Bemerkung rezitieren, diesmal von WILLIAM GIBSON, der polemisch bemerkt „Today’s audience isn’t listening at all – it’s participating. Indeed, audience is an antique a term as record, the one archaically passive, the other archaically phy60

sical. The record, not the remix, is the anormaly today” (Gibson, 2005, in Wolf, 2011, S. 34). Es ist diese reproduzierende Partizipation bzw. eingekaufte Reproduktion der breiten Masse, die die von uns gelebte Popkultur so sehr auszeichnet - die einer symbolischen Kompetenz entbundene Performativität. Dabei ist der Remix keinesfalls ein rein musikalisches Phänomen. Er ist viel mehr das Transformationsinstrument, die Möglichkeit und das Diktat der Bricolage. Der spätmoderne, Kultur schaffende und in einer Differenz immer reproduzierende Mensch ist ein Bastler und die „Doing Culture” ein Selbstläufer.

Amnesie und Umschreibung

Es bleiben nun zwei offene Fragen noch zu beantworten: Ist erstens ein kollektives Orientierungsprogramm revidierbar und besteht zweitens die Möglichkeit der kulturellen Amnesie? Ich denke ja und behaupte weiterhin, dass diese Prozesse sich gegenseitig bedingen. Natürlich können kulturell tradierte Verhaltensmuster, Kulturtechniken und über Generationen hinweg kommuniziertes Wissen nicht einfach wegradiert werden, aber sie können zerstaltet werden. In einer hochgradig dynamischen Progression, getrieben von milliardenschweren Kulturindustrien und einem von ihr inspirierten individualistischem


Heer, werden die zahlreichen Facetten und Ausprägungen von Kulturen in kommunikativer Aneignung zu Collagen mit neuer Bedeutungsaufladung. Es wird nun in sofern nicht vergessen, als dass einfach überschrieben wird oder, um es in Anlehnung an die medizinische Definition des Palimpsestes auszudrücken: der hochkommunikative, translokale Vollrausch, verschleiert uns das kulturelle Gedächtnis.

July 2005 Hörning, Karl H. & Reuter, Julia: Doing Culture - Neue Positionen zum Verhältnis von Kultur und sozialer Praxis, Bielefeld, 2004 Wolf, Jonas: Die Kunst der Kommunikation - Wider unser Kommunikation, Hamburg, 2011

-GUENTHER LAUSE

ist ein Kind seiner Zeit. In die Welt geworfen, versucht er sich an Orientierung und haust gedanklich in seiner großstädtischen Sternwarte. Spiegel einer Persönlichkeit und programmiertes Kultursubjekt, ermüdet er sich und andere zunehmend - über Betrachtungen bedeutungsvoller Schrotthaufen. GUENTHER LAUSE lebt. Quellenverweise http://www.notesofberlin.com/ search?updated-max=2012-01-18T09:00:00%2B01:00&maxresults=5 Baudrillard, Jean: Kool Killer oder der Aufstand der Zeichen, Berlin, 1978 Gibson, William: Wired Magazine, 61


KONZERTPLAN

25 Juni // GRAVENHURST / Comet Club 29 Juni // NORMAN PALM / Magnet Club 29 Juni // WOODEN SHJIPS / Festaal Kreuzberg 30 Juni // KOOL THING / Festaal Kreuzberg 3 Juli // JAPANTHER / Marie-Antoinette 5 Juli // JULIA HOLTER / HBC 7 Juli // COCOROSIE / Heimathafen 15 Juli // KIMYA DAWSON / Heimathafen 21 Juli // DOWN BY THE RIVER FESTIVAL / Kater Holzig mit

SETH HERBERT FAERGOLZIA ORCHESTRA OF SPHERES LAS KELLIES KULKU JOHANNES BÜGELEISEN uvm

2 Aug // PUSCHENFEST / Festaal Kreuzberg mit

FENSTER KURT VILE & THE VIOLATORS MEGAFAUN THE CHAP uvm

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3 Aug // SWANS / Berghain 8 Aug // DAMIEN JURADO / HBC 10 Aug // FUTURE ISLANDS / Schokoladen 31 Aug // INDIE POP DAYS / Marie-Antoinette mit

THE JUST JOANS A FINE DAY FOR SAILING FULHÄST BE FOREST JE SUIS ANIMAL STARS IN COMA THE HOLIDAY CROWD uvm

1 Sept // TORSTRASSEN FESTIVAL / Berlin-Mitte mit

HOUSE OF WOLVES MASHA QRELLA HUSH HUSH DENA KOOL THING DAN BODAN BALLET SCHOOL ZEBRA & SNAKE uvm

11 Sept // SILVER APPLES / BLACK DICE / MVANDEE / Festaal Kreuzberg 20 Sept // DAN DEACON / HBC

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FÜR MAURICE SENDAK (1928-2012)


FÜR ADAM YAUCH (1964-2012)



Fotos/Cover: www.texturemade.blogspot.com


C ARTOUC HE ist: JAMIE JONATHAN BALL LUKAS DUBRO GREGOR GILLE MARIE-THERESE HAUSTEIN SIMONE WEDDELING

Mitarbeiter_innen der Ausgabe: LENNART ETSIWAH MATTHIAS HEIDERICH JONATHAN JARZYNA HENNING LAHMANN GUENTHER LAUSE RÉMI LETOURNELLE QING QING MAO PAUL SOLBACH JJ WEIHL

Dank an: AUSTIN BROWN CSV COPY MAX DAX KING KONG KLUB KONSTI SARA KWON LET’S KISS AND MAKE UP ANTJE ÖKLESUND NO FEAR OF POP PIET NADINE & THE PRUSSIANS MINCER RAY LIRD RECORDS STEFAN WARREN ALEXANDER WINKELMANN

-www.cartouche-blog.de www.cartouche-blog.tumblr.com

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