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Toten-Ensemble tritt unter den Eiben hervor Da hast du „Tücke“, „Täuschung“, „Tat“, du Opfer –So lauten die drei Namen eines Dolchs! Ob Lüge oder Wahrheit – schert das uns? Moral! Mach Witze!
Alle lachen sich tot.
Grosser Schattenchor aus dem Dunkel Du bist tot, bist Nacht, Vergiss das Licht! Tot wie der Tod bist du, Dein Tag bricht ab! Fragt wer, wo du jetzt wohnst,
Sag: „Grab!“
Prinz Hamlet zieht Rosenstern an Achseln und Schultern zu dessen Platz zwischen den Eiben, wo sich das TotenEnsemble um die beiden zusammenrottet.
Gertrude über den Zusammengesackten gebeugt, leise Berührt mich … Küsst … die Haut … den Mund … Fasst an, hier, mich! Mein Haar … den Arm … ein Bein!
Zweite Ophelia lauter
Solange Ihr noch Leben in Euch habt, Fasst mich an, mich, hört Ihr? Nein, schlaft nicht ein!
Dritte Ophelia noch lauter
Gut, sterbt! Erst aber her mit eurem Atem!
Noch nie, noch nie. Noch nie, noch nie! Niemals
Hab ich mich mehr gesehnt nach einem Hals.
Vierte Ophelia zu Prinz Hamlet
Mein toter Prinz! Stellt ihn zu mir, hier hin, Damit er mein ist und ich seine bin …
Zweites Bild Erinnerung
Toten-Ensemble. Ophelia.
Rosenstern, von den Toten umgeben, erwacht und singt, bestaunt von allen, mit heller, hoher Stimme, während er sich erhebt und zwischen die Eiben stellt
Hier stehen wir, und alle sind – nichts mehr. Wie kam das nur? Wir haben doch gelebt!
Sie hat so viele Glieder schon, die Kette Aus Mord und Kriegen. Weit reicht sie zurück, So weit wie das Erinnern und die Schrift, Zu Vätern, Müttern, Eltern unsrer Eltern Und wieder deren Eltern.
Grosser Schattenchor aus dem Dunkel Mord und Kriege
Sind unser Erbe, Mord und Kriege sind Der Alltag, Mord und Krieg vermachen wir Freigiebig Kindern, Enkeln, deren Kindern.
Im Folgenden treten die von Rosenstern Genannten der Reihe nach einzeln hinter ihn. Wie zuvor Laertes zieht jeder ein Stilett aus Ärmel, Gürtel oder Strumpf und ersticht Rosenstern, der aber unbeeindruckt – hell, klar und laut – weitersingt, während Mörder oder Mörderin zurückgeht an den alten Platz. Der Stilett-Reigen entbehrt nicht der Komik.
Rosenstern Ihr, Hamlet, unser alter König, habt Im Krieg um wertlos öde Stücke Land
Mit unserm Nachbarn den Regenten dort, Norwegens Herrscher Fortingbras erschlagen –Grosser Schattenchor aus dem Dunkel – und kanntet weder Einsicht noch Erbarmen!
Rosenstern, kaum vom Grauen König erstochen
Ihr, unser neuer König, Claudius, Der Bruder Hamlets, habt den Bruder Des Throns und der begehrten Gattin wegen Im Küstengarten, wo er schlief, vergiftet –Grosser Schattenchor aus dem Dunkel – und kanntet weder Einsicht noch Erbarmen!
Rosenstern, kaum von Claudius erstochen Ihr, schöne Königin, Gertrude, habt Den Gatten mit dem Schwager hintergangen, Um nichts an Macht und Reichtum einzubüßen, Und ließt Euch von ihm ehelichen, lachend –Grosser Schattenchor aus dem Dunkel – und kanntet weder Einsicht noch Erbarmen!
Rosenstern, kaum von Gertrude erstochen