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Führt den Prinzen und die jungen Frauen zu den zwei Thronen, wo sie sich setzen, Hamlet allein auf einem, die Ophelias zu dritt auf dem anderen.

Nehmt Platz! Es war ja fast schon Euer Thron …

Nur kam dann leider ich – und mein Spion!

An einem Strick zerrt Rosenstern den auf allen Vieren laufenden Polonius einmal quer durch den Saal hinter sich her.

Polonius singt bellend Belauscht seid ihr! Belauscht! Belauscht von mir!

Beide ab.

Gertrude War das Polonius? Klingt ja wie ein Tier … Hamlet Ihr schöne Majestät von Dänemark!

Gertrude Na was, „Ophelia“? Sing sie etwas vor!

Hamlet Woran erkenn ich, den Ihr liebt, Unter uns hier allen?

Dritte Ophelia „An seinem Muschelhut und Stab Und an den Sandalen.“

Gertrude Nein, nicht! Mein Sohn …!

Claudius Das war er mal. Singt. Singt!

Hamlet Der lebt nicht mehr, nein, nein, Mylady, Lebt nicht mehr, nein, nein!

Am Scheitel hat er grasgrün Gras, An den Fersen Stein.

Gertrude Oh nein! Mein toter Sohn! Mein Sohn – ist tot!

Claudius So tot wie ihr, tot wie wir alle hier.

Hamlet Sein Grabtuch, weiß wie Gipfelschnee, Ganz bedeckt vom Blumensegen, Auf den an keinem Sarg fiel je Muttertränenregen.

Gertrude Wie furchtbar traurig! Ich will nur noch weinen, Und dabei war das Lied so kurz.

Claudius Genau, Sehr kurz, so wie die Liebe einer Frau.

Gertrude stürzt schluchzend davon. Ab.

Vierte Ophelia Sein oder Nichtsein …

Dritte Ophelia … das …

Claudius … das hat noch Zeit.

Zu Prinz Hamlet Ihr nach! Folgt Eurer Mutter totem Schoß, Die tut sich sonst noch etwas an! Lacht Na los!

Prinz Hamlet folgt Gertrude. Ab. Als aus dem Dunkel ein lang anhaltender Schrei ertönt, eilt Claudius den beiden nach, wobei er mehrfach stürzt. Ab. Aus der Richtung, aus der sie zuvor abgegangen waren, durchqueren Polonius und Rosenstern den Saal, diesmal der Edelmann an der Leine des Hofmarschalls. Rosenstern singt bellend Belauscht seid ihr! Belauscht! Belauscht von mir! Beide ab.

Achtes Bild

Träume zweite, dritte und vierte Ophelia. Laertes.

Die drei auf Armlehnen und Sitzfläche des Throns zusammengerückten Ophelias ahmen im Wechselgesang zunächst alle auf unterschiedliche Weise Prinz Hamlet nach. Mehr und mehr aber verwandelt sie ihr Singen zurück, und so beginnen sie nach einer Weile – nicht zeitgleich, sondern kurz nacheinander –, sich auch ihrer Hamlet-Kostümierung und -Schminke zu entledigen.

Vierte Ophelia Sein oder Nichtsein …

Dritte Ophelia … ja …

Zweite Ophelia … das ist die Frage –

Vierte Ophelia Ob edelmütiger der denkt, der Schleudern Und Pfeile wütenden Geschicks erträgt, Oder wer einem Meer aus Kummer standhält Und es bezwingt durch Abwehr!

Dritte Ophelia Sterben … schlafen … Sonst nichts

Vierte Ophelia Und sagen mit dem Schlaf: Vorbei Sind Herzweh und die tausend Schocks im Leben, Die alles Fleisch erbt …

Zweite Ophelia … ach! Dahin gelangen –Aufs Innigste zu wünschen.

Dritte Ophelia Sterben … schlafen … Schlafen … gar träumen …

Vierte Ophelia Ja, da ist der Haken!

Dritte Ophelia Denn wovon man im Todesschlaf auch träumt …

Zweite Ophelia … Kaum abgestreift den irdischen Kokon …

Dritte Ophelia … Das sagt: Hör auf!

Vierte Ophelia Hier wurzelt sie, die Ehrfurcht, Die jedes Unheil so lang leben lässt.

Laertes schreitet durch den Saal und nimmt wie selbstverständlich auf dem leeren Thron neben dem der drei Ophelias Platz, die unterschiedlich weit ausgezogen und abgeschminkt sind Nur weiter. Hopp! Singt weiter, meine Liebe …

Vierte Ophelia Denn wer ertrüg der Mitwelt Hohn und Hiebe …

Zweite Ophelia … Willkür der Unterdrücker, Spott der Stolzen, Bohren verschmähter Sehnsucht, Rechtsverschleppung …

Dritte Ophelia … Die Anmaßung der Ämter und die Tritte, Die das geduldige Verdienst verlachen …

Vierte Ophelia … Könnt man mit einem Dolch sich nicht auch selbst Den Garaus machen?

Dritte Ophelia Wer schon trüge Lasten, Ächzte und schwitzte an den Mühen des Alltags … Vierte Ophelia … Lähmte nicht Angst vor etwas nach dem Tod … Zweite Ophelia … Dem unerforschten Land, aus dem noch nie Ein Reisender zurückkam …

Vierte Ophelia … uns den Willen, So dass man lieber alte Übel hinnimmt … Dritte Ophelia Als flieht zu anderen …

Zweite Ophelia … zu anderen …

Vierte Ophelia … Als flieht zu anderen, die keiner kennt!

Laertes klatscht. Als die Ophelias nackt sind, beginnen sie, von den Thronen Blumen und Kräuter abzubrechen, die sie ihm anstecken oder in den Schoß legen. Laertes Was ist aus uns geworden, Schwesterlein?

Ein morscher Zaun sind wir – durchkreuzte List! Wir sind jetzt alle bloß noch eins: allein, Für immer ungeliebt … und ungeküsst.

Ich seh Euch noch, ganz nackt. Wir waren jung Und lernten schwimmen, zwei, drei Tage lang.

Ihr wart so schmal … Wozu Erinnerung, Und wohin mit dem Groll, der mich verschlang?

Vierte Ophelia summt Denn Rotkehlschätzchen, ich hab dich so lieb … Laertes Ich will … mich rächen! Nur an wem denn, bitte, Wenn jeder tot ist, so wie wir es sind?

Ich hatte Träume, Wünsche … eine Mitte.

Sagt mir, wie Ihr ums Leben kamt, mein Kind. Zweite Ophelia summt Hier Rosmarin – steht fürs Gedenken.

Ich bitt euch, Lieber, denkt an mich.

Dritte Ophelia summt Und hier für euch Stiefmütterchen, Ein jedes Blümlein ein Gedanke.

Laertes Der Ausdruck eines Irrgewordenseins –Gedenken und Gedanken völlig eins.

Vierte Ophelia summt Denn Rotkehlschätzchen, ich hab dich so lieb …

Laertes Gegrübel … Drangsal … Hölle … – noch so bittres Leid, Bei ihr wird Anmut draus und Lieblichkeit.

Vierte Ophelia summt Denn Rotkehlschätzchen, ich hab dich so lieb … Dritte Ophelia brüllt schmerzerfüllt

Zweite Ophelia kreischt verzweifelt.

Vierte Ophelia schreit wutentbrannt. Dunkel.

Neuntes Bild

Vögel

Ophelia. Horatio. Toten-Ensemble. Kinder. Die Schlossterrasse. Zehn Statuen in regelmäßigen Abständen auf der hüfthohen Mauer, vier weibliche und sechs männliche, in unterschiedlichen Haltungen. Ophelia und Horatio, der einen Regenschirm über sie hält, auf dem Blumen und Kräuter zu wachsen scheinen, schreiten die Mauer entlang. Hier und da halten sie inne und blicken, wie in die Ferne, ins Publikum.

Ophelia Es regnet kaum noch. Sonne … lange her. Wann reitet Ihr zurück nach Wittenberg?

Horatio Falls überhaupt, erst wenn hier Friede einkehrt. Noch ist so viel zu tun! Ich möchte nicht … Ophelia Was, Freund, was möchtet Ihr, dass nicht geschieht?

Horatio Vor allem nicht, Euch in Gefahr zu wissen.

Ophelia Ich in Gefahr? Belustigt Wodurch?

Horatio zum Publikum Sie selbst? Sie lacht!

Die drei Ophelia-Statuen bewegen sich und lachen hell.

Ophelia stimmt ein Nein, nein. Mir geht es gut! Reist … Ihr müsst reisen!

Horatio Ich will nicht reisen! Ich will bei ihr sein!

Sie spazieren weiter. Die drei Statuen verharren erneut reglos.

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